19.7.2018 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 253/1 |
EMPFEHLUNG DER KOMMISSION
vom 18. Juli 2018
mit Leitlinien zur harmonisierten Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) in der Union
(Text von Bedeutung für den EWR)
(2018/C 253/01)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Gemäß der Richtlinie (EU) 2016/797 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) gewährleistet die Eisenbahnagentur der Europäischen Union (im Folgenden die „Agentur“) die harmonisierte Einführung und die Interoperabilität des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) in der Union. Zu diesem Zweck prüft die Agentur, ob die geplanten technischen Lösungen mit den einschlägigen technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) übereinstimmen und erlässt zu ihrer Genehmigung eine Entscheidung. |
(2) |
Eine vollständige Beschreibung des von der Agentur und den Antragstellern durchzuführenden Genehmigungsverfahrens gibt es allerdings nicht. |
(3) |
Um den legitimen Erwartungen der Antragsteller im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach Artikel 19 der Richtlinie (EU) 2016/797 stärker zu entsprechen und die harmonisierte Einführung des ERTMS in der Union zu erleichtern, sollten Antragsteller und die Agentur den Leitlinien dieser Empfehlung folgen. |
(4) |
Um technische Probleme im Vorfeld zu erkennen und das Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme ortsfester Einrichtungen gemäß Artikel 18 der Richtlinie (EU) 2016/797 zu erleichtern, sollten die nationalen Sicherheitsbehörden (NSB) von Beginn an in das Genehmigungsverfahren eingebunden sein und Zugang zu den von den Antragstellern eingereichten Unterlagen haben. |
(5) |
Aufgrund der Vielfalt der Aufträge und Ausschreibungen für das streckenseitige ERTMS-Teilsystem sollten die Agentur und die Antragsteller einem Verfahren folgen, das alle Auftragsarten einschließt und gleichzeitig gewährleistet, dass die geplanten technischen Lösungen in jeder Hinsicht den einschlägigen TSI entsprechen und somit vollständig interoperabel sind. |
(6) |
Die Agentur und die Antragsteller sollten ein von der Agentur erstelltes Problemprotokoll (Issue Log) als Kontrollinstrument verwenden, um etwaige Probleme, die sich auf die Interoperabilität auswirken, in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen und zu verfolgen. Der Antragsteller sollte Nachweise für die Lösung solcher Probleme vorlegen. |
(7) |
Darüber hinaus sollte die Agentur eine anonymisierte Problemliste führen, die dem Erfahrungsaustausch dient und die harmonisierte Einführung im Bereich des ERTMS erleichtern soll. |
(8) |
Die in dieser Empfehlung enthaltenen Leitlinien zum Genehmigungsverfahren sollten nicht zu einer Überschneidung mit der Konformitätsbewertung durch die in der Richtlinie (EU) 2016/797 und den einschlägigen TSI genannten Bewertungsstellen führen. Die Agentur sollte dafür sorgen, dass die Informationen über die Prüfung des streckenseitigen Europäischen Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystems (ETCS) und des globalen Mobilfunksystems für Bahnanwendungen (Global System for Mobile Communications-Railway, GSM-R) gemäß Artikel 5 und Nummer 6.1.2.3 des Anhangs der Verordnung (EU) 2016/919 der Kommission (2) entsprechend den darin genannten Bestimmungen mitgeteilt werden. Diese Informationen sollten von der Agentur so früh wie möglich geprüft werden, um eventuelle Probleme frühzeitig zu erkennen, die Kosten zu minimieren, das Genehmigungsverfahren zu verkürzen und die Interoperabilität der geplanten technischen Lösung zu gewährleisten. |
(9) |
Zur Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens sollte der Antragsteller vor der förmlichen Antragstellung einen Dialog mit der Agentur aufnehmen. Im Rahmen dieser „ersten Kontaktphase“ (Initial Engagement Stage) sollten der Antragsteller und die Agentur einen Zeitplan für das Genehmigungsverfahren mit entsprechenden Fristen vereinbaren und dabei die Art der Auftragsvergabe und des Genehmigungsverfahrens berücksichtigen. Die NSB können daran mitwirken und zu den möglichen Ergebnissen der ersten Kontaktphase Stellung nehmen. |
(10) |
Die nach der ersten Kontaktphase an die Agentur zu entrichtenden Gebühren sollten in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/764 der Kommission (3) festgelegt werden. |
(11) |
Die Geschäftsordnung der Beschwerdekammer sollte in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/867 der Kommission (4) festgelegt werden. |
(12) |
Die in dieser Empfehlung enthaltenen Leitlinien wurden dem in Artikel 51 der Richtlinie (EU) 2016/797 genannten Ausschuss zum Meinungsaustausch vorgelegt — |
EMPFIEHLT:
Abschnitt A: Allgemeine Bestimmungen
1. |
Der Antragsteller sollte Kontakt zu der Agentur aufnehmen, sobald er eine Ausschreibung für streckenseitige ERTMS-Ausrüstung plant, die von der Agentur genehmigt werden muss. |
2. |
Der Antragsteller sollte hinreichend detaillierte technische Unterlagen einreichen, damit die Agentur prüfen kann, ob die zur Umsetzung vorgesehenen technischen Lösungen vollständig interoperabel sind. |
3. |
Die Agentur und die zuständige NSB sollten zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um kritische technische Punkte frühzeitig zu erkennen und zu klären und so der NSB ihre Aufgabe der Erteilung der Inbetriebnahmegenehmigung für das Teilsystem zu erleichtern. Die NSB kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens, auch während der ersten Kontaktphase, über die zentrale Anlaufstelle gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) 2016/796 (im Folgenden „zentrale Anlaufstelle“) Stellungnahmen zu den technischen Aspekten und der Planung abgeben. |
4. |
Die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bereitgestellten Informationen sollten der NSB zugänglich gemacht werden. |
5. |
Der Antragsteller und die Agentur sollten folgendes Genehmigungsverfahren anwenden, das drei Phasen umfasst:
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6. |
Der Antragsteller sollte möglichst frühzeitig über die zentrale Anlaufstelle das nachstehende für die Genehmigung erforderliche Antragsdossier einreichen, das gemäß der Auflistung in Artikel 19 der Richtlinie (EU) 2016/797 eine Beschreibung der geplanten technischen Lösung sowie Belege dafür enthält, dass die Lösung mit der einschlägigen TSI „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung“ in Einklang steht:
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7. |
Alle der im Problemprotokoll aufgeführten Punkte sollten einer der folgenden Kategorien zugeordnet werden:
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8. |
Die Agentur sollte über die zentrale Anlaufstelle eine Liste der Punkte vorschlagen, die im Problemprotokoll als „offen“ einzustufen sind. |
9. |
Der Antragsteller sollte entsprechend dem vereinbarten Zeitplan (siehe Punkt 17 Buchstabe b) und vor der Entscheidungsphase Nachweise vorlegen, dass alle im Problemprotokoll geführten Punkte behandelt wurden. |
10. |
Die Agentur sollte den Status der einzelnen Punkte des Problemprotokolls aktualisieren und anhand der vom Antragsteller erbrachten Nachweise in „abgeschlossen“, „abgeschlossen mit Auflagen“ oder „abgeschlossen, jedoch inakzeptabel“ ändern. |
11. |
Der Antragsteller und die NSB sollten weitere Punkte zur Aufnahme in das Problemprotokoll vorschlagen können. |
12. |
Um das Verfahren zu beschleunigen und unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, sollte die Agentur dem Antragsteller Orientierungshilfe geben, wie die Behandlung der einzelnen Punkte nachzuweisen ist. |
13. |
Die Agentur sollte eine anonymisierte Problemliste veröffentlichen, die dem Erfahrungsaustausch dient und die harmonisierte Umsetzung streckenseitiger ERTMS-Projekte erleichtert. |
Abschnitt B: Phase 1 — Erste Kontaktphase
14. |
Zur Erleichterung des Genehmigungsverfahrens sollte der Antragsteller vor der förmlichen Antragstellung einen Dialog mit der Agentur aufnehmen. |
15. |
Die erste Kontaktphase sollte beginnen, wenn der Antragsteller der Agentur seine Absicht mitteilt, einen Genehmigungsantrag zu stellen, d. h. noch vor Veröffentlichung von Ausschreibungen für streckenseitige ERTMS-Ausrüstung. |
16. |
In der ersten Kontaktphase sollte eine begrenzte Anzahl von Gesprächen stattfinden, in denen der Antragsteller sein Projekt und die Einzelheiten der geplanten technischen Lösungen vorstellt und, sofern vorhanden, die unter Punkt 6 aufgeführten Unterlagen vorlegt. |
17. |
Zum Abschluss der ersten Kontaktphase sollten die Agentur und der Antragsteller eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt unterzeichnen:
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18. |
Die NSB sollte an der ersten Kontaktphase beteiligt sein und zu dem Vorschlag für die nach Punkt 17 getroffenen Vereinbarungen Stellung nehmen. |
19. |
Der Antragsteller sollte die unter Punkt 6 aufgeführten Unterlagen über die zentrale Anlaufstelle registrieren lassen. |
Abschnitt C: Phase 2 — Antragstellung und Vollständigkeitsprüfung
20. |
Die Phase der Antragstellung und Vollständigkeitsprüfung sollte sich an die erste Kontaktphase anschließen und ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der Antragsteller über die zentrale Anlaufstelle seinen Genehmigungsantrag stellt. |
21. |
Der Antragsteller sollte alle unter Punkt 6 aufgeführten Unterlagen einreichen. Sofern bestimmte Unterlagen bereits über die zentrale Anlaufstelle vorgelegt wurden, kann der Antragsteller diese Unterlagen kenntlich machen und bestätigen, dass sie ohne Änderung oder Ergänzung weiterhin für das Projekt gültig sind. Wurden hingegen Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen, so muss der Antragsteller diese Unterlagen in ihrer aktuellen Fassung vorlegen. |
22. |
Die Agentur sollte prüfen, ob das eingereichte Dossier vollständig ist und zur zentralen Anlaufstelle hochgeladen wurde; sie sollte ferner überprüfen, dass alle in Punkt 6 genannten Unterlagen im Dossier enthalten sind und keiner der Punkte des Problemprotokolls als „offen“ eingestuft ist. |
23. |
Die Agentur sollte unter Berücksichtigung der in Punkt 6 genannten Unterlagen und der in der ersten Kontaktphase getroffenen Vereinbarungen (siehe Punkt 17) die Relevanz und Kohärenz des Dossiers prüfen. |
24. |
Falls die Informationen unvollständig sind, sollte die Agentur den Antragsteller innerhalb eines Monats nach Antragstellung über die zentrale Anlaufstelle darüber unterrichten; sie sollte entsprechende Belege sowie die erforderlichen zusätzlichen Unterlagen anführen, die innerhalb der in der ersten Kontaktphase vereinbarten Frist vorzulegen sind. |
25. |
Ist das Dossier nach Ansicht der Agentur vollständig, relevant und kohärent, sollte sie dies dem Antragsteller über die zentrale Anlaufstelle mitteilen. |
Abschnitt D: Phase 3 — Prüfung und Entscheidung
26. |
An die Phase der Antragstellung und Vollständigkeitsprüfung sollte sich die Prüf- und Entscheidungsphase anschließen. |
27. |
Die Agentur sollte innerhalb von zwei Monaten ab dem Beginn der Bewertungs- und Entscheidungsphase entweder eine positive oder negative Entscheidung zu dem Teil der technischen Lösungen treffen, zu dem noch kein positiver Genehmigungsentscheid der Agentur vorliegt. |
28. |
Die Agentur sollte etwaige Stellungnahmen berücksichtigen, die die nationale Sicherheitsbehörde zu dem Genehmigungsantrag abgibt. |
29. |
Wurde die Phase 2 erfolgreich durchlaufen und sind alle Punkte des Problemprotokolls als „abgeschlossen“ eingestuft, sollte die Agentur eine positive Entscheidung treffen. |
30. |
Sind eine oder mehrere Punkte des Problemprotokolls als „abgeschlossen, jedoch inakzeptabel“ eingestuft oder wurde die Phase 2 mit dem Ergebnis beendet, dass das Dossier nicht vollständig, relevant und/oder kohärent ist, sollte die Agentur eine negative Entscheidung treffen. |
31. |
Die Agentur sollte in folgenden Fällen eine positive Entscheidung mit Auflagen treffen:
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32. |
Die Agentur sollte die Bedingungen erläutern, die der Antragsteller in einem späteren Stadium erfüllen muss und von der NSB zu berücksichtigen sind, sowie eine Übersicht über die noch zu klärenden Aspekte des jeweiligen Problems erstellen. |
33. |
Kann der Antragsteller eine der Bedingungen der positiven Entscheidung der Agentur nicht erfüllen, sollte die NSB dem Antragsteller empfehlen,
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34. |
Trifft die Agentur eine negative Entscheidung, sollte der Antragsteller die Möglichkeit haben, den Projektentwurf zu berichtigen und unter Angabe der unveränderten Teile des Projekts und der weiterhin gültigen Unterlagen und Nachweise einen neuen Antrag zu stellen. |
35. |
Stellt der Antragsteller gemäß Artikel 19 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2016/797 einen mit Gründen versehenen Antrag bei der Agentur auf Überprüfung ihrer Entscheidung, so sollte dieser Antrag über die zentrale Anlaufstelle eingereicht werden und detaillierte Begründungen zu den Punkten enthalten, die nach Auffassung des Antragstellers von der Agentur nicht ordnungsgemäß geprüft wurden. Die Agentur sollte ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der in dieser Begründung angeführten Punkte entweder bestätigen oder widerrufen. Die Ergebnisse der Überprüfung sollten dem Antragsteller über die zentrale Anlaufstelle innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung mitgeteilt werden. |
36. |
Sollte die Agentur ihre erste negative Entscheidung bestätigen, sollte sie dies gegenüber dem Antragsteller angemessen begründen. |
37. |
Der Antragsteller sollte in diesem Fall die Möglichkeit haben, bei der nach Artikel 55 der Verordnung (EU) 2016/796 eingerichteten Beschwerdekammer Widerspruch einzulegen. |
Brüssel, den 18. Juli 2018
Für die Kommission
Violeta BULC
Mitglied der Kommission
(1) Richtlinie (EU) 2016/797 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 44).
(2) Verordnung (EU) 2016/919 der Kommission vom 27. Mai 2016 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung“ des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (ABl. L 158 vom 15.6.2016, S. 1).
(3) Durchführungsverordnung (EU) 2018/764 der Kommission vom 2. Mai 2018 über die an die Eisenbahnagentur der Europäischen Union zu entrichtenden Gebühren und Entgelte und die Zahlungsbedingungen (ABl. L 129 vom 25.5.2018, S. 68).
(4) Durchführungsverordnung (EU) 2018/867 der Kommission vom 13. Juni 2018 zur Festlegung der Geschäftsordnung der Beschwerdekammer(n) der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ABl. L 149 vom 14.6.2018, S. 3).