30.10.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 271/30


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2018/1623 DER KOMMISSION

vom 29. Oktober 2018

gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über auf nicht natürliche Weise mit Wolbachia infizierte Stechmücken, die zur Vektorkontrolle eingesetzt werden

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 28. September 2017 ersuchte Frankreich die Kommission um eine Entscheidung darüber, ob es sich bei Bakterien der Gattung Wolbachia (im Folgenden die „Bakterien“) oder Zubereitungen mit diesen Bakterien, mit denen Stechmücken beimpft werden, bzw. bei Steckmücken, die auf nicht natürliche Weise mit den Bakterien infiziert wurden (im Folgenden „auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken“) und zur Vektorkontrolle eingesetzt werden, um Biozidprodukte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 oder um behandelte Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe l der genannten Verordnung oder um keines der beiden handelt.

(2)

Den von Frankreich übermittelten Informationen zufolge werden diese intrazellulären Bakterien vertikal übertragen, mütterlicherseits vererbt und sind bei rund 40 % der Arthropoden natürlich vorhanden. Durch die Infizierung von Stechmücken mit den Bakterien kann die Fähigkeit einiger Stechmücken eingeschränkt werden, bestimmte pathogene Viren und Parasiten zu übertragen, weil die Vermehrung dieser Krankheitserreger in den Stechmücken gehemmt wird; zudem wird die Fortpflanzung infizierter Weibchen und die Ausbreitung der Bakterien in der Stechmückenpopulation gefördert. Da mit den Bakterien infizierte männliche Stechmücken nicht mit den Weibchen in der Umgebung kompatibel sind, wird durch die Einführung infizierter Männchen in die Zielpopulation zudem deren Reproduktionsfähigkeit eingeschränkt. Deshalb basieren die Kampagnen zur Vektorkontrolle auf der Freisetzung auf nicht natürliche Weise infizierter Stechmücken in Stechmückenpopulationen, um die Größe der Population zu beschränken und/oder deren Fähigkeit zur Übertragung bestimmter Krankheitserreger auf den Menschen zu verringern.

(3)

Den von Frankreich übermittelten Informationen zufolge werden nicht alle Stechmückenarten oder Tiere einer Art auf natürliche Weise mit den Bakterien oder mit einem für die Vektorkontrolle einsetzbaren Stamm der Bakterien infiziert. Deshalb müssen Infektionen auf nicht natürliche Weise unter Laborbedingungen vorgenommen werden, um auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken mit einem geeigneten Bakterienstamm zu erhalten. Dies kann durch verschiedene Infektionsverfahren erreicht werden, etwa durch die Impfung der Bakterien in adulte weibliche Stechmücken oder in das Zytoplasma der Stechmückeneier.

(4)

Für die Zwecke der Bestimmungen in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ist es daher zweckmäßig, den Status der Bakterien oder der diese Bakterien enthaltenden Zubereitungen, mit denen Stechmücken beimpft werden, einerseits und den Status der auf nicht natürliche Weise infizierten Stechmücken (unabhängig von dem verwendeten Infektionsverfahren) andererseits zu bewerten.

(5)

Bei Bakterien handelt es sich um Mikroorganismen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.

(6)

Bei Stechmücken handelt es sich um Schadorganismen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) Nr. 528/2012, da sie für Menschen oder Tiere unerwünscht oder schädlich sein können.

(7)

Die Bakterien haben eine indirekte Wirkung auf die Stechmückenpopulation, indem sie entweder ihre Größe beschränken oder ihre Fähigkeit, bestimmte Krankheitserreger zu übertragen, verringern, und sollten daher als Wirkstoff im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 angesehen werden.

(8)

Produkte der Produktart 18 (Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden) im Sinne von Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 schließen Produkte ein, die zur Bekämpfung von Arthropoden durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung dienen. Da die Stechmücken mit den Bakterien beimpft werden, um die Stechmückenpopulation zu bekämpfen, fällt eine derartige Anwendung unter die Beschreibung der Produktart 18.

(9)

Durch die Bakterien oder die Zubereitungen mit den Bakterien werden die Stechmücken nicht auf bloße physische oder mechanische Art bekämpft.

(10)

Für die Zwecke von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sollten die Bakterien oder die Zubereitungen mit den Bakterien als Stoff bzw. als Mischung betrachtet werden, die aus einem Wirkstoff bestehen bzw. einen solchen enthalten. Demzufolge erfüllen die Bakterien oder alle Zubereitungen mit den Bakterien in der Form, in der sie zur Beimpfung von Stechmücken zum Anwender gelangen, die Definition eines Biozidprodukts gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 und fallen unter die Produktart 18.

(11)

Auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken sind keine Mikroorganismen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.

(12)

Auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken sind kein Stoff oder Gemisch im Sinne von Artikel 3 Nummern 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (2). Deshalb gelten sie gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a und b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 auch für die Zwecke dieser Verordnung weder als Stoff noch als Gemisch.

(13)

Demzufolge sind auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken kein Wirkstoff im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Daher können auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken keine Biozidprodukte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a erster Gedankenstrich der genannten Verordnung sein.

(14)

Auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken sind keine Erzeugnisse im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Deshalb gelten sie gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für die Zwecke dieser Verordnung nicht als Erzeugnisse. Folglich können auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken nicht als behandelte Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe l der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 angesehen werden.

(15)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Biozidprodukte —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Bakterien der Gattung Wolbachia oder diese Bakterien enthaltende Zubereitungen, die dem Zweck dienen, Stechmücken mit diesen Bakterien zu beimpfen, um auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken zu Vektorkontrollzwecken zu erhalten, gelten als Biozidprodukte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.

Auf nicht natürliche Weise infizierte Stechmücken (unabhängig von dem verwendeten Infektionsverfahren) gelten weder als Biozidprodukt noch als behandelte Ware im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bzw. l der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Brüssel, den 29. Oktober 2018

Für die Kommission

Der Präsident

Jean-Claude JUNCKER


(1)  ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1.

(2)  Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1).