20.11.2018 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 293/36 |
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS
vom 16. Oktober 2018
über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e-Curia
DER GERICHTSHOF —
gestützt auf die Verfahrensordnung, insbesondere Artikel 48 Absatz 4 und Artikel 57 Absatz 8,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Um der Entwicklung der Kommunikationstechnologien Rechnung zu tragen, ist eine Informatikanwendung geschaffen worden, die es ermöglicht, Verfahrensschriftstücke auf elektronischem Weg einzureichen und zuzustellen. |
(2) |
Diese Anwendung, die auf einer elektronischen Authentifizierung unter Rückgriff auf eine persönliche Benutzerkennung in Verbindung mit einem persönlichen Passwort beruht, entspricht den Anforderungen an die Authentizität, Unversehrtheit und Vertraulichkeit der ausgetauschten Dokumente. |
(3) |
In Anbetracht des Erfolgs, den diese Anwendung erfahren hat, und der Vorteile, die sie insbesondere im Hinblick auf die Schnelligkeit des auf diesem Wege erfolgenden Austauschs bietet, ist der Kreis der Anwender zu erweitern und im Rahmen der Bearbeitung der Vorabentscheidungsersuchen durch den Gerichtshof den Gerichten der Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, Verfahrensschriftstücke auf diese Weise einzureichen und zu erhalten. |
(4) |
Im Interesse einer geordneten Rechtspflege — und ausschließlich für Zwecke der Bearbeitung von Vorabentscheidungssachen — ist diese Möglichkeit auch Personen einzuräumen, die nicht Bevollmächtigter oder Anwalt sind, aber nach den nationalen Verfahrensvorschriften berechtigt sind, eine Partei vor dem Gericht eines Mitgliedstaats zu vertreten — |
BESCHLIESST:
Artikel 1
Begriffsbestimmung
Eine Informatikanwendung mit der Bezeichnung „e-Curia“, die den Gerichten, aus denen sich der Gerichtshof der Europäischen Union zusammensetzt, gemeinsam ist, ermöglicht es, Verfahrensschriftstücke unter den in diesem Beschluss vorgesehenen Voraussetzungen auf elektronischem Weg einzureichen und zuzustellen.
Artikel 2
Zugang zur Anwendung
Die Nutzung dieser Anwendung setzt die Eröffnung eines Zugangskontos voraus und erfordert den Rückgriff auf eine persönliche Benutzerkennung und ein persönliches Passwort.
Artikel 3
Einreichung eines Verfahrensschriftstücks
Ein über e-Curia eingereichtes Verfahrensschriftstück gilt als dessen Urschrift im Sinne von Artikel 57 Absatz 1 der Verfahrensordnung, wenn bei der Einreichung die persönliche Benutzerkennung und das persönliche Passwort des Vertreters einer Partei oder einer Person, die für ein Gericht eines Mitgliedstaats handelt, verwendet worden sind. Die Verwendung dieser Benutzerkennung und dieses Passworts gilt als Unterzeichnung des betreffenden Schriftstücks.
Artikel 4
Anlagen und Kopien
Dem über e-Curia eingereichten Verfahrensschriftstück sind die darin erwähnten Anlagen und deren Verzeichnis beizufügen.
Die Einreichung beglaubigter Abschriften des über e-Curia eingereichten Schriftstücks und seiner etwaigen Anlagen ist nicht erforderlich.
Artikel 5
Datum und Uhrzeit der Einreichung
Ein Verfahrensschriftstück gilt zu dem Zeitpunkt als eingegangen im Sinne von Artikel 57 Absatz 7 der Verfahrensordnung, zu dem die Einreichung dieses Schriftstücks durch den Vertreter der Partei oder die Person, die für das betreffende Gericht handelt, validiert wird.
Maßgebend ist die Ortszeit des Großherzogtums Luxemburg.
Artikel 6
Zustellung von Verfahrensschriftstücken
Die Verfahrensschriftstücke einschließlich der Urteile und Beschlüsse werden den Inhabern eines e-Curia-Kontos, die in einem Verfahren eine Partei vertreten oder für ein Gericht eines Mitgliedstaats handeln, sowie ihren etwaigen Assistenten über e-Curia zugestellt.
Die Verfahrensschriftstücke werden über e-Curia auch den Mitgliedstaaten, den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zugestellt, die sich mit dieser Form der Zustellung einverstanden erklärt haben.
Die Verfahrensschriftstücke können auch auf eine andere in der Verfahrensordnung vorgesehene Übermittlungsart zugestellt werden, wenn dies aufgrund des Umfangs oder der Art des Schriftstücks geboten ist oder wenn sich die Nutzung von e-Curia als technisch unmöglich erweist.
Artikel 7
Datum und Uhrzeit der Zustellung
Die Empfänger der im vorstehenden Artikel genannten Zustellungen werden per E-Mail von jeder Zustellung benachrichtigt, die über e-Curia an sie gerichtet wird.
Das Verfahrensschriftstück ist zu dem Zeitpunkt zugestellt, zu dem der Empfänger auf dieses Schriftstück zugreift. Wird nicht auf das Schriftstück zugegriffen, gilt es mit Ablauf des siebten Tages nach Übersendung der Benachrichtigungs-E-Mail als zugestellt.
Wird eine Partei von mehreren Personen vertreten oder sind mehrere Personen berechtigt, für ein Gericht eines Mitgliedstaats zu handeln, wird für die Berechnung der Fristen auf den Zeitpunkt des ersten Zugriffs abgestellt.
Maßgebend ist die Ortszeit des Großherzogtums Luxemburg.
Artikel 8
Voraussetzungen für die Nutzung der Anwendung
Der Kanzler legt die Voraussetzungen für die Nutzung von e-Curia fest und wacht über ihre Einhaltung. Eine mit diesen Voraussetzungen nicht im Einklang stehende Nutzung von e-Curia kann zur Deaktivierung des betreffenden Zugangskontos führen.
Der Gerichtshof trifft die zum Schutz von e-Curia vor Missbrauch oder böswilliger Benutzung erforderlichen Maßnahmen.
Der Benutzer wird per E-Mail von jeder aufgrund dieses Artikels getroffenen Maßnahme benachrichtigt, die ihn an der Nutzung seines Zugangskontos hindert.
Artikel 9
Aufhebung
Mit diesem Beschluss wird der Beschluss des Gerichtshofs vom 13. September 2011 über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e-Curia (1) aufgehoben und ersetzt.
Artikel 10
Inkrafttreten
Dieser Beschluss tritt am ersten Tag des auf seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union folgenden Monats in Kraft.
Luxemburg, den 16. Oktober 2018
A. CALOT ESCOBAR
Der Kanzler
K. LENAERTS
Der Präsident