20.10.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 275/35


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2015/1874 DES RATES

vom 8. Oktober 2015

über Kontrollmaßnahmen für 4-Methylamphetamin

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf den Beschluss 2005/387/JI des Rates vom 10. Mai 2005 betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen psychoaktiven Substanzen (1), insbesondere Artikel 8 Absatz 3,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 6 des Beschlusses 2005/387/JI wurde in einer Sondersitzung des erweiterten Wissenschaftlichen Ausschusses der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) ein Risikobewertungsbericht zu 4-Methylamphetamin erstellt, den die Kommission am 29. November 2012 erhalten hat.

(2)

Bei 4-Methylamphetamin handelt es sich um ein synthetisches ringmethyliertes Amphetaminderivat, das hauptsächlich in Pulver- und Pastenform in amphetamin- und koffeinhaltigen Proben entdeckt wurde, das aber auch in Tabletten- und in flüssiger Form auftritt. Es ist auf dem illegalen Amphetaminmarkt aufgetaucht, wo es als kontrollierte Droge Amphetamin verkauft und verwendet wird. Es wurde berichtet, dass die Substanz in einem kommerziellen Produkt entdeckt wurde, das über das Internet vertrieben wird. Der Hauptausgangsstoff für die Synthese von 4-Methylamphetamin ist 4-Methylbenzylmethylketon (4-Methyl-BMK), das offenbar im Internet erhältlich ist und nicht unter Kontrollmaßnahmen gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1988 über den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen fällt.

(3)

Die speziellen physischen Auswirkungen von 4-Methylamphetamin wurden von Verwendern selten beschrieben, da diese normalerweise nicht wissen, dass sie diese Substanz eingenommen haben. Die wenigen verfügbaren Berichte sprechen jedoch von einer stimulierenden Wirkung. Die begrenzt vorliegenden Daten, die sich auf Menschen beziehen, lassen folgende negative Auswirkungen von 4-Methylamphetamin erkennen: Hyperthermie, Bluthochdruck, Anorexie, Übelkeit, Schweißausbrüche, Magenbeschwerden, Husten, Erbrechen, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, paranoide Zustände und Angstzustände sowie Depressionen. Die derzeit verfügbaren Daten reichen nicht aus, um das relative Potenzial zur Entstehung einer Abhängigkeit von dieser Substanz zu ermitteln.

(4)

Den beschränkten verfügbaren Datenquellen zufolge ist die akute Toxizität von 4-Methylamphetamin der anderer Stimulanzien ähnlich. Es gibt gewisse Anhaltspunkte dafür, dass das Risiko für eine insgesamt erhöhte Toxizität in Kombination mit anderen Substanzen, einschließlich Amphetamin und Koffein, ansteigen kann.

(5)

Insgesamt wurden 21 Todesfälle in vier Mitgliedstaaten verzeichnet, bei denen 4-Methylamphetamin isoliert oder in Kombination mit einer oder mehreren Substanzen, insbesondere Amphetamin, bei der Obduktion festgestellt wurde. Zwar ist es nicht möglich, aus den vorhandenen Informationen die Rolle von 4-Methylamphetamin bei diesen Todesfällen mit Sicherheit zu bestimmen, doch war die Substanz in einigen Fällen die vorrangig festgestellte Droge, wobei der Substanzspiegel demjenigen entsprach, der in bestimmten durch Amphetaminkonsum verursachten Todesfällen festgestellt wurde.

(6)

4-Methylamphetamin wurde in 15 Mitgliedstaaten entdeckt; ein Mitgliedstaat hat gemeldet, dass die Substanz in seinem Hoheitsgebiet hergestellt wird. Die spezifische Prävalenz von 4-Methylamphetamin ist schwer einzuschätzen. Es gibt keine Informationen über eine bestimmte Nachfrage nach der Substanz von Nutzergruppen, und sie wird auch nicht kommerziell über Internetshops vertrieben.

(7)

Nach den verfügbaren Informationen wird 4-Methylamphetamin von denselben kriminellen Vereinigungen hergestellt und vertrieben, die auch in die Herstellung von und den Handel mit Amphetamin involviert sind.

(8)

4-Methylamphetamin hat keine bekannte, nachgewiesene oder anerkannte therapeutische Wirksamkeit, und es wird in der Union weder als Arzneimittel verwendet noch gibt es eine Zulassung für die Substanz. Abgesehen von seiner Verwendung als analytischer Referenzstandard und in der wissenschaftlichen Forschung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu anderen rechtmäßigen Zwecken eingesetzt werden kann.

(9)

4-Methylamphetamin steht gegenwärtig nicht zur Bewertung an und ist im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen nicht bewertet worden. Acht Mitgliedstaaten unterwerfen die Substanz gesetzlichen Kontrollmaßnahmen aufgrund ihrer Drogenkontrollgesetze, die sie gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe erlassen haben. Zwei weitere Mitgliedstaaten wenden die generische Definition für Phenethylamin in ihren nationalen Rechtsvorschriften zu der Substanz an, während ein Mitgliedstaat es aufgrund seiner Arzneimittelvorschriften kontrolliert.

(10)

Gemäß dem Risikobewertungsbericht liegen nur beschränkte wissenschaftliche Nachweise zu den Charakteristika und Risiken von 4-Methylamphetamin vor und bedarf es weiterer Studien zu den allgemeinen Gesundheits- und sozialen Risiken in Verbindung mit der Substanz. Die verfügbaren Nachweise bieten jedoch eine ausreichende Grundlage für die unionsweite Einführung von Kontrollmaßnahmen für 4-Methylamphetamin. Aufgrund seiner Gesundheitsrisiken, wie in mehreren berichteten Todesfällen festgestellt, insbesondere bei seiner Verwendung in Kombination mit anderen Substanzen, seiner starken Ähnlichkeit in Aussehen und Wirkung mit Amphetamin, der Tatsache, dass die Substanz möglicherweise unwissentlich konsumiert wird, sowie seiner geringen therapeutischen Wirksamkeit und Verwendung sollte 4-Methylamphetamin unionsweit Kontrollmaßnahmen unterworfen werden.

(11)

Da zehn Mitgliedstaaten bereits Kontrollmaßnahmen für 4-Methylamphetamin eingeführt haben, kann die unionsweite Einführung solcher Maßnahmen dazu beitragen, Probleme bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung und der justiziellen Zusammenarbeit zu vermeiden.

(12)

Unionsweite Kontrollmaßnahmen können auch dazu beitragen, dass 4-Methylamphetamin sich nicht zu einer Alternative für Amphetamin auf den illegalen Drogenmärkten entwickelt.

(13)

Durch den Beschluss 2005/387/JI werden dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen, damit auf Unionsebene zügig und fachkompetent auf von den Mitgliedstaaten ermittelte und gemeldete neue psychoaktive Substanzen reagiert werden kann, indem diese Substanzen unionsweit Kontrollmaßnahmen unterworfen werden. Da die Voraussetzungen und Verfahren für die Ausübung derartiger Durchführungsbefugnisse erfüllt bzw. eingehalten wurden, sollte ein Durchführungsbeschluss erlassen werden, um 4-Methylamphetamin in der gesamten Union Kontrollmaßnahmen zu unterwerfen.

(14)

Dieser Beschluss ersetzt den Beschluss 2013/129/EU des Rates (2), der vom Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) mit Urteil vom 16. April 2015 in der Rechtssache C-317/13 (3) für nichtig erklärt wurde. In dem Urteil erhielt der Gerichtshof die Wirkungen des Beschlusses 2013/129/EU bis zum Inkrafttreten neuer Rechtsakte, die ihn ersetzen sollen, aufrecht. Mit Inkrafttreten dieses Beschlusses wird der Beschluss 2013/129/EU daher unwirksam.

(15)

Zur Gewährleistung der Kontinuität der Kontrollmaßnahmen für 4-Methylamphetamin innerhalb der Union sollte dieser Beschluss unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Frist gelten, innerhalb deren sie in ihren nationalen Rechtsvorschriften diese neue psychoaktive Substanz gemäß Artikel 2 des Beschlusses 2013/129/EU Kontrollmaßnahmen und strafrechtlichen Sanktionen unterwerfen müssen.

(16)

Dänemark ist durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses zur Durchführung des Beschlusses 2005/387/JI.

(17)

Irland ist durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses zur Durchführung des Beschlusses 2005/387/JI.

(18)

Das Vereinigte Königreich ist nicht durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher nicht an der Annahme des vorliegenden Beschlusses zur Durchführung des Beschlusses 2005/387/JI und ist weder durch diesen gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die neue psychoaktive Substanz 4-Methylamphetamin wird unionsweit Kontrollmaßnahmen unterworfen.

Artikel 2

Unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Frist, innerhalb deren sie in ihren nationalen Rechtsvorschriften diese neue psychoaktive Substanz gemäß Artikel 2 des Beschlusses 2013/129/EU Kontrollmaßnahmen und strafrechtlichen Sanktionen unterwerfen müssen, wird der Beschluss 2013/129/EU mit dem Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses unwirksam.

Artikel 3

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Dieser Beschluss wird gemäß den Verträgen angewandt.

Geschehen zu Luxemburg am 8. Oktober 2015.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J. ASSELBORN


(1)  ABl. L 127 vom 20.5.2005, S. 32.

(2)  Beschluss 2013/129/EU des Rates vom 7. März 2013 über Kontrollmaßnahmen für 4-Methylamphetamin (ABl. L 72 vom 15.3.2013, S. 11).

(3)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. April 2015, Parlament/Rat, C-317/13, ECLI:EU:C:2015:223.