22.9.2012   

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Amtsblatt der Europäischen Union

C 286/13


STELLUNGNAHME DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 31. Juli 2012

für die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde gemäß Artikel 46 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister betreffend die Notenbankfähigkeit von Sicherheiten für zentrale Gegenparteien

(ESRB/2012/3)

2012/C 286/10

1.   Rechtlicher Hintergrund

1.1

Artikel 46 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1) sieht vor, dass die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority — ESMA) den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board — ESRB) und andere maßgebliche Behörden bei der Erarbeitung von Entwürfen für technische Regulierungsstandards betreffend notenbankfähige Sicherheiten für zentrale Gegenparteien (Central Counterparties — CCPs) anhören muss. Insbesondere bezieht sich die Anhörung auf die folgenden drei Bereiche: a) die Arten der notenbankfähigen Sicherheiten, die als hochliquide angesehen werden können; b) die auf Vermögenswerte zu erhebenden Abschläge; und c) die Bedingungen, die vorliegen müssen, damit CCPs Garantien von Geschäftsbanken als Sicherheit akzeptieren können.

1.2

Am 26. Juni 2012 ersuchte die ESMA den ESRB um Stellungnahme zu den vorgenannten Punkten. Dabei verwies sie auf ihr am 25. Juni 2012 veröffentlichtes Konsultationspapier (2).

1.3

Die vorliegende Stellungnahme wurde vom Verwaltungsrat des ESRB gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben b und g sowie Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (3) verabschiedet und wird gemäß Artikel 30 des Beschlusses ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (4) veröffentlicht.

1.4

Das Mandat des ESRB im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 beinhaltet die Aufsicht über das Finanzsystem im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b (5) der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010; das Finanzsystem umfasst Finanzmarktinfrastrukturen wie z. B. CCPs und ihre Rolle innerhalb des Finanzsystems.

2.   Wirtschaftlicher Hintergrund

2.1

CCPs sind entscheidende Knotenpunkte des Finanzsystems; ihre Bedeutung wird mit der Umsetzung der 2009 in Pittsburgh vereinbarten G-20-Initiative für ein zentrales Clearing aller standardisierten außerbörslich gehandelten Derivate (OTC-Derivate) weiter zunehmen. Bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften sollte makroprudenziellen Bedenken bezüglich Prozyklität Rechnung getragen werden. Der ESRB ist der Auffassung, dass die Frage der Prozyklität nicht auf die unmittelbaren Folgen für die Widerstandsfähigkeit der CCPs selbst beschränkt sein darf, sondern sich auch auf den Einfluss des Verhaltens von CCPs das Finanzsystem allgemein beziehen muss.

2.2

Das potenzielle Erheben von Abschlägen und Margen auf Sicherheiten als makroprudenzielles Instrument ist ein zentraler Aspekt; der ESRB fordert die zuständigen makroprudenziellen Behörden dazu auf, diesen Gesichtspunkt bei der ersten geplanten Überprüfung der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (European Market Infrastructure Regulation — EMIR) zu berücksichtigen.

2.3

Der ESRB erkennt an, dass alles unternommen werden sollte, um Prozyklität zu begrenzen, doch dürfen diese Bemühungen die Widerstandsfähigkeit der CCPs unter keinen Umständen gefährden.

3.   Arten von Sicherheiten, die als hochliquide angesehen werden können

3.1

Bezugnahmen auf das Land, in dem der Emittent ansässig ist, sollten aus der Anforderung eines geringen Kreditrisikos entfernt werden, da dieses Risiko normalerweise bereits bei der Kreditrisikobewertung des Emittenten berücksichtigt wird.

3.2

Die CCPs sollten mit großer Gewissheit davon ausgehen können, dass die Übertragbarkeit und der Wert von Sicherheiten

nicht durch konkurrierende Rechte zugunsten Dritter belastet sind,

durch Entziehung des Besitzes des Sicherungsgebers gesichert sind,

keiner wertpapier- und sicherheitenrechtlichen Umdeutung aufgrund einer anhängigen Klage des Sicherungsgebers oder eines Dritten unterliegen und

nicht nach nationalem oder ausländischem Insolvenzrecht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gegen einen Clearingpartner oder einen sonstigen Sicherungsgeber angefochten werden können.

3.3

Die CCPs sollten über angemessene rechtliche und betriebliche Sicherungsmaßnahmen verfügen, die gewährleisten, dass grenzüberschreitende Sicherheiten rechtzeitig verwendet werden können.

3.4

Die Akzeptanz von Sicherheiten, die von Clearingpartnern ausgegeben werden, sollte von den nachstehenden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen abhängig gemacht werden:

Die Verwendung von Finanzinstrumenten, die von einem Clearingpartner begeben und von einem anderen Clearingpartner als Sicherheit hinterlegt werden, sollte entweder eingeschränkt werden oder aber Abschlägen unterliegen, die höher sind als die Abschläge für Finanzinstrumente, die nicht von einem Clearingpartner emittiert werden; die zweite Option sollte von den zuständigen Behörden aufgrund ihrer potenziellen prozyklischen Auswirkungen sorgfältig geprüft werden.

CCPs sollten nur börsennotierte und -gehandelte Wertpapiere annehmen.

Die Rechtsvorschriften sollten ausdrücklich regeln, wie die Verflechtungen im Zusammenhang mit der wechselseitigen Besicherung von Clearingpartnern gemessen werden sollten. Die Rechtsvorschriften sollten klarstellen, wie eine CCP nachzuweisen hat, dass sie mit Wechselkursrisiken umgehen kann.

3.5

Die Konzentrationsbeschränkungen sollten in Anlehnung an den Sicherheitenpool festgelegt werden, da die Bandbreite der notenbankfähigen Sicherheiten um so mehr beschränkt wird, je schwieriger sich die Diversifizierung gestaltet.

3.6

Damit die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit der Märkte gewährleistet sind, sollten die Rechtsvorschriften angesichts der erheblichen makroprudenziellen Auswirkungen klarstellen, inwieweit eine CCP weiterverpfändete Sicherheiten wiederverwenden oder annehmen kann.

3.7

Die Transparenzanforderungen sollten für die Notenbankfähigkeit und die Verwendung von Sicherheiten durch CCPs gelten, damit die Aufsichtsbehörden das Marktverhalten und die Risikostreuung verpfändeter Sicherheiten überwachen können.

3.8

Die Rechtsvorschriften zur Notenbankfähigkeit von Sicherheiten sollten umsichtig durchgeführt und häufig überprüft werden, damit das Systemrisiko sorgfältig berücksichtigt werden kann.

4.   Auf Sicherheiten zu erhebende Abschläge

4.1

Zum Schutz der CCPs und zur Begrenzung prozyklischer Auswirkungen sollten die Abschläge umsichtig festgelegt und konservativ ausgestaltet werden.

4.2

Unter dem Aspekt der Finanzstabilität ist es wünschenswert, prozyklische Entwicklungen bei den Zulassungskriterien und den Abschlägen für Sicherheiten von CCPs zu begrenzen. Die Verfahren für die Abschläge sollten so ausgestaltet sein, dass plötzliche und starke Erhöhungen bei Spannungen an den Märkten minimiert werden.

4.3

Es sollten transparente und vorhersehbare Verfahren vorgeschrieben werden, mit denen die Abschläge an sich ändernde Marktbedingungen angepasst werden können.

4.4

Vor dem Hintergrund der Grundsätze des Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board — FSB), die 2012 auf dem G-20-Gipfel in Mexiko-Stadt aufgestellt wurden, sollte ein mechanischer Rückgriff auf Ratings von Ratingagenturen vermieden werden (6).

4.5

Die CCPs sollten verpflichtet werden, der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass sie zur Eindämmung prozyklischer Auswirkungen automatische Auslösemechanismen vermeiden. Die Rechtsvorschriften sollten mit den FSB-Grundsätzen zur Verringerung des Rückgriffs auf Ratings von Ratingagenturen übereinstimmen.

5.   Bedingungen für die Akzeptanz von Garantien der Geschäftsbanken als Sicherheit

5.1

Die Rechtsvorschriften sollten eine zuverlässige Partei festlegen, die Sicherheiten hält, die zur Absicherung von Garantien von Geschäftsbanken dienen.

5.2

Die Verwendung von Garantien von Geschäftsbanken sollte begrenzt werden, und sie sollten einem niedrigeren Konzentrationskoeffizienten unterliegen als sonstige notenbankfähige Sicherheiten.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 31. Juli 2012.

Der Vorsitzende des ESRB

Mario DRAGHI


(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 39.

(2)  ESMA-Konsultationspapier „Draft Technical Standards for the Regulation on OTC derivatives, CCPs and Trade Repositories“, veröffentlicht auf der Website der ESMA unter: http://www.esma.europa.eu

(3)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(4)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(5)  Gemäß Artikel 2 Buchstabe b bezeichnet „Finanzsystem“ alle Finanzinstitute, -märkte, -produkte und -marktinfrastrukturen.

(6)  FSB, Principles for reducing reliance on CRA ratings, 27. Oktober 2010, insbesondere Grundsatz III.4, abrufbar auf der Website des FSB unter http://www.financialstabilityboard.org