8.4.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 94/31


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 7. April 2011

zur Verlängerung des Übergangszeitraums für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Lettland

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2011/226/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei,

gestützt auf die Akte über den Beitritt der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei, insbesondere auf Anhang VIII Kapitel 3,

auf Antrag Lettlands,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach der Beitrittsakte von 2003 kann Lettland unter den darin festgelegten Bedingungen Verbote des Erwerbs von landwirtschaftlichen Flächen durch natürliche und juristische Personen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die in Lettland weder niedergelassen noch eingetragen sind und dort auch keine Zweigniederlassung oder -stelle haben, nach dem Beitritt sieben Jahre lang bis zum 30. April 2011 beibehalten. Es handelt sich hier um eine befristete Einschränkung des freien Kapitalverkehrs, der durch die Artikel 63 bis 66 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet wird. Dieser Übergangszeitraum kann nur einmal um bis zu drei Jahre verlängert werden.

(2)

Am 6. Dezember 2010 beantragte Lettland die Verlängerung des Übergangszeitraums für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen um drei Jahre.

(3)

Hauptgrund für die Einführung des Übergangszeitraums war die Notwendigkeit, die sozioökonomischen Bedingungen für die Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeiten nach Einführung des Binnenmarkts und dem Übergang zur gemeinsamen Agrarpolitik in Lettland zu erhalten. Hierdurch sollte insbesondere Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen einer Liberalisierung des Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen auf den Sektor der Landwirtschaft Rechnung getragen werden, die sich auf die anfänglich großen Unterschiede bei Grundstückspreisen und Einkommen gegenüber Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich (nachstehend „EU-15“) gründeten. Der Übergangszeitraum sollte auch den Prozess der Privatisierung und Rückgabe landwirtschaftlicher Flächen an die Landwirte erleichtern. In ihrem Bericht vom 16. Juli 2008 zur Überprüfung der im Beitrittsvertrag von 2003 vorgesehenen Übergangsmaßnahmen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen (nachstehend „Halbzeitüberprüfung 2008“) hatte die Kommission bereits betont, wie wichtig der Abschluss der vorstehend genannten Agrarreform zum Ende des Übergangszeitraums ist (1).

(4)

Den Eurostat vorliegenden Daten zufolge sind die Preise von landwirtschaftlichen Flächen in Lettland niedriger als die Preise von landwirtschaftlichen Flächen in der EU. Die vollständige Konvergenz der Grundstückspreise wurde zu keinem Zeitpunkt erwartet oder als notwendige Voraussetzung für die Beendigung des Übergangszeitraums angesehen. Gleichwohl sind die Preisunterschiede zwischen Lettland und der EU-15 immer noch so erheblich, dass sie eine reibungslose Weiterentwicklung in Richtung Preiskonvergenz behindern könnten.

(5)

Desgleichen geht aus den Daten von Eurostat hervor, dass neben dem Niveau der Preise von landwirtschaftlichen Flächen auch die Diskrepanz zwischen dem Pro-Kopf-BIP in Kaufkraftstandards in Lettland und der EU-15 fortbesteht. Somit sind die bestehenden Preise von landwirtschaftlichen Flächen in Lettland für die lettischen Bürger im Verhältnis zu ihrer Kaufkraft hoch.

(6)

Auch die geringere Wettbewerbsfähigkeit des lettischen Agrarsektors im Vergleich zum Agrarsektor der EU-15 besteht fort, wobei das Problem noch verschärft wird durch den schwierigen Zugang zu Finanzmitteln und die hohen Zinsen für Kreditlinien für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen (2009 15 % pro Jahr laut den von den lettischen Behörden vorgelegten Daten).

(7)

Zudem machen nach Angaben der lettischen Behörden (basierend auf den Daten der staatlichen Bodenbehörde) zum 1. Januar 2010 landwirtschaftliche Flächen 37,7 % des gesamten Staatsgebiets aus, während 45,8 % von Wald bedeckt sind. 2007 befanden sich 62 % der landwirtschaftlichen Flächen im Eigentum der Landwirte, 26,6 % waren gepachtet. Obgleich sich die landwirtschaftlichen Flächen in Lettland bereits zum Großteil in Privateigentum befinden, sind der Prozess der Rückübertragung von Eigentumsrechten und die Landreform in ländlichen Gebieten noch immer nicht abgeschlossen.

(8)

Durch den Mangel an Klarheit über Eigentumsverhältnisse werden Grundstücksgeschäfte und die Konsolidierung des Landbesitzes zwangsläufig behindert. Die Fragmentierung der Flächen führt wiederum zu geringerer Wettbewerbsfähigkeit und weniger marktorientierten landwirtschaftlichen Betrieben. In diesem Zusammenhang zeigen Eurostat-Daten, dass die durchschnittliche landwirtschaftlich genutzte Fläche pro landwirtschaftlichem Betrieb in Lettland noch immer geringer ist als in anderen Mitgliedstaaten (beispielsweise in Dänemark, Deutschland und Schweden, wo der Durchschnitt 2007 bei 60 ha, 43 ha bzw. 46 ha lag), obgleich die Flächen allmählich konsolidiert werden und die durchschnittliche landwirtschaftlich genutzte Fläche pro landwirtschaftlichem Betrieb zwischen 2001 und 2007 von 10 ha auf 16 ha stieg.

(9)

Auch die jüngste globale Finanz- und Wirtschaftskrise wirkte sich negativ auf die lettische Wirtschaft aus. Dem Nachfragerückgang folgte eine drastische Senkung der Einkaufspreise landwirtschaftlicher Erzeugnisse, während gleichzeitig die Rohstoffpreise auf dem hohen Niveau von 2008 blieben, wodurch sich die Lage der im Vergleich zu Landwirten aus der EU-15 bereits benachteiligten lettischen Landwirte weiter verschlechterte.

(10)

Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden — wie die lettischen Behörden dies auch tun — dass die Grundstückspreise in Lettland bei einer Aufhebung der Restriktionen am 1. Mai 2011 stark unter Druck geraten würden. Es besteht daher am Ende des Übergangszeitraums die Gefahr schwerer Störungen des Markts für landwirtschaftliche Flächen in Lettland.

(11)

Daher sollte die Verlängerung des in Anhang VIII Kapitel 3 der Beitrittsakte von 2003 genannten Übergangszeitraums um drei Jahre gewährt werden.

(12)

Für eine umfassende Vorbereitung des Marktes auf die Liberalisierung bleibt es auch unter ungünstigen Wirtschaftsbedingungen von vordringlicher Bedeutung, dass die Verbesserung von Faktoren wie den Kredit- und Versicherungsmöglichkeiten für Landwirte und die Vollendung der Strukturreform in der Landwirtschaft während des Übergangzeitraums vorangetrieben werden, wie bereits in der Halbzeitüberprüfung von 2008 betont wurde.

(13)

Da der offene Binnenmarkt stets die Grundlage für den Wohlstand Europas bildete, würde ein gesteigerter Zufluss von ausländischem Kapital auch für den Agrarmarkt in Lettland potenzielle Vorteile mit sich bringen. Wie in der Halbzeitüberprüfung 2008 hervorgehoben wurde, könnten auch ausländische Investitionen in den Landwirtschaftssektor wichtige Langzeiteffekte für die Bereitstellung von Kapital und Know-how, das Funktionieren der Märkte für landwirtschaftliche Flächen und die landwirtschaftliche Produktivität haben. Eine schrittweise Lockerung der Beschränkungen für ausländische Eigentumsrechte während des Übergangszeitraums würde auch zu einer Vorbereitung des Marktes auf die volle Liberalisierung beitragen.

(14)

Im Interesse der Rechtssicherheit und um ein Rechtsvakuum im nationalen Rechtssystems Lettlands nach Ablauf des Übergangszeitraums zu vermeiden, sollte dieser Beschluss am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Der in Anhang VIII Kapitel 3 der Beitrittsakte von 2003 genannte Übergangszeitraum für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Lettland wird bis zum 30. April 2014 verlängert.

Artikel 2

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Brüssel, den 7. April 2011

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  KOM(2008) 461 endg. vom 16. Juli 2008.