19.10.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/1


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 26. Januar 2010

über die staatliche Beihilfe C 56/07 (ex E 15/05) Frankreichs zugunsten von La Poste

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 133)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/605/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (1), insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Am 21. Dezember 2005 billigte die Kommission die Ausgliederung der Bank- und Finanzdienstleistungen von La Poste in ihre Tochtergesellschaft La Banque Postale (3). In ihrer Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass hinsichtlich der unbeschränkten staatlichen Bürgschaft für La Poste ein gesondertes Verfahren eingeleitet wird.

(2)

Am 21. Februar 2006 unterrichtete die Kommission die französischen Behörden gemäß Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (4) des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend „Verfahrensverordnung“ genannt) über ihre vorläufige Auffassung zum Vorliegen einer unbeschränkten staatlichen Bürgschaft, die sich aus dem Status von La Poste ergebe und eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstelle, und forderte sie auf, eine Stellungnahme abzugeben. Aufgrund der Tatsache, dass diese mutmaßliche unbeschränkte staatliche Bürgschaft bereits vor dem 1. Januar 1958 gewährt wurde, wandte die Kommission die Verfahrensvorschriften für bestehende Beihilfen gemäß Artikel 1 Buchstabe b der Verfahrensverordnung an (5).

(3)

Die Antwort der französischen Behörden ging am 24. April 2006 bei der Kommission ein.

(4)

Am 4. Oktober 2006 forderte die Kommission Frankreich gemäß Artikel 18 der Verfahrensverordnung auf, die Bürgschaft, die La Poste aufgrund ihres Status für die Gesamtheit ihrer Verpflichtungen gewährt wird, bis zum 31. Dezember 2008 aufzuheben.

(5)

Am 6. Dezember 2006 ging bei der Kommission ein Schreiben der französischen Behörden ein, mit dem die Schlussfolgerungen der Kommission in deren Schreiben vom 4. Oktober 2006 angefochten wurden.

(6)

Nach einer Besprechung mit den für Wettbewerb zuständigen Kommissionsdienststellen (nachstehend „GD Wettbewerb“ genannt) unterbreiteten die französischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 16. Januar 2007 einen Entwurf zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 80-539 vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts (Loi no 80-539 du 16 juillet 1980 relative aux astreintes prononcées en matière administrative et à l’exécution des jugements par les personnes morales de droit public (6), nachstehend „Gesetz vom 16. Juli 1980“ genannt), d. h. des Dekrets Nr. 81-501 vom 12. Mai 1981 zur Durchführung des Gesetzes vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts (Décret no 81-501 du 12 mai 1981 pris pour l’application de la loi du 16 juillet 1980 relative aux astreintes prononcées en matière administrative et à l’exécution des jugements par les personnes morales de droit public (7), nachstehend „Dekret vom 12. Mai 1981“ genannt).

(7)

Nachdem die Kommission um Klärung ersucht hatte, übermittelten die französischen Behörden das am 1. Februar 2007 eingegangene Schreiben, in dem sie die Situation der Gläubiger von La Poste für den Fall, dass diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollte, erläuterten.

(8)

Mit Schreiben vom 19. März 2007 schlugen die französischen Behörden ergänzend vor, sich gemeinsam mit La Poste zu verpflichten, in allen Finanzierungsverträgen und Emissionsprospekten darauf hinzuweisen, dass keine Deckung durch eine Bürgschaft gegeben sei.

(9)

Mit Schreiben vom 29. November 2007 unterrichtete die Kommission Frankreich über ihren Beschluss, wegen dieser Maßnahme das Verfahren gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV einzuleiten (nachstehend „Einleitungsbeschluss“ genannt).

(10)

Der Einleitungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (8). Die Kommission forderte die Beteiligten auf, sich zu der betreffenden Maßnahme zu äußern.

(11)

Bei der Kommission gingen keine Äußerungen von Beteiligten zu dieser Maßnahme ein.

(12)

Die Stellungnahme Frankreichs ging mit Schreiben vom 23. Januar 2008 bei der Kommission ein.

(13)

Die Kommission veröffentlichte auf der Website der GD Wettbewerb eine Ausschreibung über die Durchführung einer Studie zur unbeschränkten Bürgschaft der Französischen Republik für La Poste. Bis zum Ablauf der am 21. April 2008 endenden Angebotsfrist gingen vier Angebote ein. Mit der Studie wurde Frau Sophie NICINSKI beauftragt, ordentliche Universitätsprofessorin für öffentliches Recht, Doktorin der Rechte und Verfasserin von Veröffentlichungen auf dem Gebiet von Staatsbürgschaften für öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen. Die Sachverständige (nachstehend „Sachverständige der Kommission“ genannt) legte ihren Bericht am 17. November 2008 vor.

(14)

Nachdem in der Presse verlautete, dass die französische Regierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Status von La Poste verabschiedet hatte, stellte die Kommission Frankreich am 20. Juli 2009 die Frage, ob Frankreich einwilligen würde, sich zur Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft, die den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht unterliegen würde, zu verpflichten. Mit gleichem Schreiben leitete die Kommission den französischen Behörden den Bericht ihrer Sachverständigen zu.

(15)

Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 unterrichtete Frankreich die Kommission, dass der Ministerrat auf seiner Sitzung vom 29. Juli 2009 einen Gesetzesentwurf über La Poste und die Postdienste verabschiedet habe, der die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft zum 1. Januar 2010 vorsehe. Ferner teilten die französischen Behörden mit, dass sie der Kommission Stellungnahmen zum Bericht von deren Sachverständigen zukommen lassen würden.

(16)

Nach zwei Aufforderungen der Kommission vom 9. September und 6. Oktober 2009 übermittelte Frankreich mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 seine Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigen der Kommission und ein Gutachten von Guy CARCASSONNE, ordentlicher Universitätsprofessor an den Rechtsfakultäten (nachstehend „Sachverständiger der französischen Behörden“ genannt).

(17)

Mit einem am 11. Dezember 2009 eingereichten Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf über La Poste und die Postdienste wurde die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft auf März 2010 verschoben.

2.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

(18)

Durch das Gesetz Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 über die Organisation des öffentlichen Post- und Telekommunikationsdienstes (9) (Loi no90-568 du 2 juillet 1990 relative à l’organisation du service public de la poste et des télécommunications, im Folgenden „Gesetz vom 2. Juli 1990“ genannt) wurde die ehemalige Generaldirektion für Post und Telekommunikation (Direction générale des postes et télécommunications) in zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts umgewandelt: La Poste und France Télécom.

(19)

Einige juristische Personen des öffentlichen Rechts wurden im Gesetz nicht als öffentliche Verwaltungsunternehmen (établissements publics à caractère administratif, EPA) oder öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen (établissements publics à caractère industriel et commercial, EPIC) eingestuft (10). Dies ist bei La Poste der Fall. In seinem Urteil vom 18. Januar 2001 (2. Zivilkammer) (11) hat der Cour de Cassation jedoch darauf erkannt, dass La Poste einem EPIC gleichgestellt ist. (12) Mit dem Status von La Poste sind folgende rechtliche Konsequenzen verbunden:

2.1.   NICHTANWENDBARKEIT DER ZAHLUNGSUNFÄHIGKEITS- UND KONKURSVERFAHREN AUF LA POSTE

(20)

Nach Artikel 1 des französischen Gesetzes vom 2. Juli 1990 ist La Poste eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Juristische Personen des öffentlichen Rechts unterliegen in Frankreich jedoch nicht den Vorschriften des allgemeinen Rechts über die gerichtliche Sanierung und Abwicklung von Unternehmen in Schwierigkeiten.

(21)

Die Nichtanwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeits- und Konkursverfahren auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich aus dem Grundsatz der Unpfändbarkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, der von der französischen Rechtsprechung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und insbesondere vom Cour de Cassation anerkannt wird (13).

(22)

Zudem sieht Artikel 2 des Gesetzes Nr. 85-98 vom 25. Januar 1985 über die gerichtliche Sanierung und Abwicklung von Unternehmen (Loi no85-98 du 25 janvier 1985 relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises) (14) (nachstehend „Gesetz vom 25. Januar 1985“ genannt) zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinen Recht in Frankreich bestimmt wird, heute Artikel L620-2 Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) Folgendes vor: „Die gerichtliche Sanierung und die gerichtliche Abwicklung finden auf Kaufleute, in das Berufsregister eingetragene Personen, Landwirte und juristische Personen des Privatrechts Anwendung“. Aus dem Wortlaut dieses Artikels sowie aus seiner Auslegung durch die französische Rechtsprechung (15) ergibt sich, dass Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten.

2.2.   ANWENDBARKEIT DES GESETZES VOM 16. JULI 1980 UND DES GRUNDSATZES DER LETZTINSTANZLICHEN HAFTUNG DES STAATES FÜR SCHULDEN VON JURISTISCHEN PERSONEN DES ÖFFENTLICHEN RECHTS AUF LA POSTE

(23)

Das Gesetz vom 16. Juli 1980 findet auf La Poste, die mit dem Gesetz vom 2. Juli 1990 als juristische Person des öffentlichen Rechts eingestuft wurde, Anwendung.

(24)

Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes vom 16. Juli 1980 sieht Folgendes vor: „Wird eine Gebietskörperschaft oder ein öffentliches Unternehmen mit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt, deren Höhe in der Entscheidung selbst festgesetzt wird, muss diese Summe innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung angeordnet oder angewiesen werden. Bei nicht fristgerechter Zahlungsanordnung oder Zahlungsanweisung nimmt der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor. Bei unzureichenden Mitteln fordert der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde die Gebietskörperschaft oder das Unternehmen auf, die erforderlichen Mittel zu erschließen; wenn das Beschlussfassungsorgan der Körperschaft oder des Unternehmens diese Mittel nicht bereitgestellt oder erschlossen hat, trägt der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde dafür Sorge und nimmt gegebenenfalls die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor.“

(25)

Artikel 3-1 Unterabsatz 4 des Dekrets vom 12. Mai 1981 sieht vor: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen (16) ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht.“ Artikel 3-1 Unterabsatz 5 des Dekrets sieht schließlich Folgendes vor: „Hat die Gebietskörperschaft oder das öffentliche Unternehmen den fälligen Betrag nicht innerhalb von acht Tagen nach Mitteilung über die Einstellung der Mittel zur Zahlung angewiesen, trägt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde innerhalb einer Frist von einem Monat von Amts wegen dafür Sorge.“

(26)

Das genannte Dekret vom 12. Mai 1981 wurde aufgehoben und durch das Dekret Nr. 2008-479 vom 20. Mai 2008 über den Vollzug von Geldstrafen, die gegen Gebietskörperschaften verhängt werden (Décret no2008-479 du 20 mai 2008 relatif à l’exécution des condamnations pécuniaires prononcées à l’encontre des collectivités publiques), ersetzt. Die Unterabsätze 4 und 5 von Artikel 3-1 des Dekrets vom 12. Mai 1981 wurden in Artikel 10 des neuen Dekrets übernommen (17). Die Maßnahme wird somit nicht wesentlich geändert.

(27)

Im Übrigen ist im Rundschreiben vom 16. Oktober 1989 (18) Folgendes vorgesehen: „Bei unzureichenden oder fehlenden Mitteln gemäß Artikel 1 Absatz 2 zweiter Unterabsatz des Gesetzes vom 16. Juli 1980 ist der Anweisungsbefugte weiterhin verpflichtet, den Gläubiger innerhalb einer Frist von vier Monaten per Einschreiben mit Rückschein zu unterrichten und dabei die Höhe der erst später zur Zahlung angewiesenen Summe zu nennen. Diese Zahlungsanweisung bezieht sich entweder im Fall des vollständigen Fehlens von Mitteln auf die gesamte Summe oder im Fall unzureichender Mittel auf den Restbetrag.“

(28)

Aus allen diesen Bestimmungen geht hervor, dass mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen nur der Zweck verfolgt wird, rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, mit denen der Staat, eine Gebietskörperschaft oder ein öffentliches Unternehmen zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt wurden, erfüllen zu lassen. Sanierungs- oder Abwicklungsverfahren werden nicht festgelegt.

(29)

Im Übrigen wird im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen als zuständige Behörde für die Beitreibung der Verbindlichkeiten öffentlicher Unternehmen ausdrücklich der Staat genannt. Der Staat verfügt über wichtige Befugnisse; dabei handelt es sich zum einen um die Zahlungsanweisung von Amts wegen und zum anderen um die Erschließung ausreichender Mittel. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern durch die Haftung des Staates bei einem Ausfall von La Poste offenstehen, einer Sicherheit in Form einer Bürgschaft gleichzusetzen sind.

(30)

In ihrem Einleitungsbeschluss wies die Kommission darauf hin, dass neben diesen beiden Sachverhaltsmerkmalen (Nichtanwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeitsverfahren und Anwendbarkeit des Gesetzes vom 16. Juli 1980) Maßnahmen, die für einige EPIC gelten, auch für La Poste gelten könnten:

2.3.   ÜBERTRAGUNG DER VERPFLICHTUNGEN EINES AUFGELÖSTEN EPIC AUF EIN ANDERES ÖFFENTLICHES UNTERNEHMEN ODER DEN STAAT

(31)

Die kodifizierende Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 über die Finanz- und Rechnungslegungsvorschriften für französische öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen (Instruction codificatrice no 02-060-M95 du 18 juillet 2002 sur la réglementation financière et comptable des établissements publics nationaux à caractère industriel et commercial  (19), nachstehend „kodifizierende Anweisung“ genannt) sieht für den Fall der Schließung eines EPIC, für das ein staatlicher Rechnungsführer bestellt ist, zwei Fälle vor:

entweder tritt ein neues öffentliches Unternehmen an die Stelle des ehemaligen EPIC und übernimmt dessen Vermögenswerte, Rechte und Verpflichtungen;

oder das öffentliche Unternehmen wird mit einem Text aufgelöst. In diesem Fall kann „in dem Text über die Auflösung des Unternehmens bereits angegeben werden, wem der Liquidationserlös zufällt, im Allgemeinen dem Staat“ (20).

(32)

Der Leitfaden für die finanzielle Organisation bei der Gründung, Umwandlung und Schließung von französischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Interessengruppen vom 14. November 2006 (Guide sur l’organisation financière des créations, transformations et suppressions des établissements publics nationaux et des groupements d’intérêt public du 14 novembre 2006, nachstehend „Leitfaden für die finanzielle Organisation“ genannt), der über die Website des französischen Finanzministeriums abrufbar ist, führt Folgendes aus (21): „In dem Text über die Schließung des öffentlichen Unternehmens muss der Übergang der Vermögenswerte, Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens auf die Einrichtung, die seine Tätigkeit oder sein Vermögen übernimmt (d. h. ein öffentliches Unternehmen oder der Staat), ausdrücklich geregelt werden.“ […]„Ganz allgemein muss vorgesehen werden, dass das neue öffentliche Unternehmen in die Rechte und Pflichten der juristischen Personen, deren Tätigkeit es übernimmt, die auf den zur Erfüllung seiner Aufgaben geschlossenen Verträgen beruhen, eintritt“.

(33)

Obwohl die Bestimmungen der kodifizierenden Anweisung und des Leitfadens für die finanzielle Organisation nur für EPIC gelten, für die ein staatlicher Rechungsführer bestellt ist, deutet Einiges darauf hin, dass auch die Schulden von EPIC ohne staatlichen Rechnungsführer im Fall der Schließung auf den Staat oder ein anderes öffentliches Unternehmen übertragen würden.

(34)

So hat Charbonnages de France im Anhang zu seiner Bilanz vom 31. Dezember 2000 mitgeteilt, dass im Fall der Schließung alle Rechte und Verpflichtungen eines EPIC entweder auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts oder auf die französische Regierung selbst übertragen werden müssen und dass die Bestimmungen und Bedingungen für eine solche Übertragung in dem zur Schließung des betreffenden EPIC verabschiedeten Gesetz genannt werden müssen. Diese Aussage ist nicht auf EPIC mit einem staatlichen Rechnungsführer beschränkt; im Übrigen wurde für das EPIC Charbonnages de France kein staatlicher Rechnungsführer bestellt.

(35)

Einigen Ratingagenturen zufolge würde im Fall der Auflösung der ERAP (22), obwohl auch die ERAP ein EPIC ohne staatlichen Rechnungsführer ist, der Saldo aus seinen Schulden und Vermögenswerten ebenfalls auf den Staat übertragen. Nach Aussage von Fitch (23)„unterliegt die ERAP als EPIC den Abwicklungsverfahren nicht. Sie kann nur durch ein Legislativverfahren aufgelöst werden, und in diesem Fall fällt der Saldo aus ihren Schulden und Vermögenswerten dem Staat zu“. Moody’s (24) zufolge „können für ERAP von dem für Abwicklungsverfahren zuständigen Gericht keine Umstrukturierungsmaßnahmen angeordnet werden. Im Fall der Auflösung des Unternehmens würden seine Aktiva und Passiva auf die für seine Gründung verantwortliche Behörde, d. h. den Staat selbst, übertragen“.

(36)

Obwohl für La Poste kein staatlicher Rechnungsführer bestellt wurde (25), muss angesichts dieser Fakten geprüft werden, ob in Anbetracht der Gleichstellung von La Poste mit einem EPIC im Fall ihrer Abwicklung der Grundsatz der Übertragung der Verbindlichkeiten auf den Staat oder eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts auch für La Poste gilt. Denn dann hätte der Gläubiger die Sicherheit, seine Forderung nicht zu verlieren, und könnte sich mit einem geringeren Zinssatz zufriedengeben oder günstigere Bedingungen und Zahlungsziele als bei Nichtvorliegen einer solchen Sicherheit gewähren. Eine solche Übertragung hätte somit die gleiche Wirkung wie eine Bürgschaft.

2.4.   DIREKTER ZUGANG ZU DEN KONTEN DER STAATSKASSE

(37)

Fitch (26) gibt weiter an: „Die Liquidität der ERAP wird durch ihren direkten Zugang zu den Vorschusskonten der Staatskasse garantiert“. Da die ERAP ein EPIC ist, muss geprüft werden, inwieweit auch La Poste Zugang zu den Konten der Staatskasse hätte.

3.   STELLUNGNAHMEN UND VORSCHLÄGE DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(38)

Nach dem Einleitungsbeschluss übermittelten die französischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 23. Januar 2008 ihre Stellungnahmen und Vorschläge. Mit diesem Schreiben werden die Stellungnahmen und Vorschläge ergänzt, die in den früheren Schreiben der französischen Behörden (27) ausgeführt wurden und im Beschluss über die Einleitung des Verfahrens zusammengefasst sind.

3.1.   STELLUNGNAHMEN DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(39)

Die französischen Behörden bestreiten zum einen das Vorliegen einer Bürgschaft und zum anderen das Bestehen eines Vorteils für La Poste.

3.1.1.   NICHTVORLIEGEN EINER BÜRGSCHAFT

(40)

Den französischen Behörden zufolge verfügen öffentliche Unternehmen nicht automatisch aufgrund ihres Status über eine Bürgschaft (A) und ist die Argumentation der Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss falsch (B).

A.    Öffentliche Unternehmen würden nicht automatisch aufgrund ihres Status über eine Bürgschaft verfügen  (28)

(41)

Zum Ersten werde weder mit einem Text noch mit einer Entscheidung der Grundsatz aufgestellt, dass der Staat grundsätzlich unbegrenzt für die Schulden der EPIC hafte.

(42)

Zum Zweiten habe sich die Rechtsprechung zum Nichtvorliegen von Bürgschaften geäußert. So habe der Conseil d’Etat in seinem Urteil in der Rechtssache Société de l’hôtel d’Albe  (29) wie folgt entschieden: „Das mit Rechtspersönlichkeit und Finanzautonomie ausgestattete Office national du tourisme […] war ein öffentliches Unternehmen; infolgedessen kann der Staat nicht verpflichtet sein, für die von diesem Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten aufzukommen; der Minister für öffentliche Arbeiten hat sich daher zu Recht geweigert, dem Antrag [des Gläubigers] stattzugeben.“ In gleicher Weise sei im Hinblick auf Gebietskörperschaften in den beiden Entscheidungen des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro argumentiert worden (30).

(43)

Zum Dritten sehe das Organgesetz vom 1. August 2001 betreffend die Haushaltsgesetze (Loi organique du 1er août 2001 relative aux lois de finances  (31), nachstehend „LOLF“ genannt) vor, dass eine Bürgschaft nur mit einer entsprechenden Bestimmung im Haushaltsgesetz bestellt werden könne (32). Infolgedessen habe nach Angaben des Sachverständigen der französischen Behörden (33) seit dem vollständigen Inkrafttreten des LOLF am 1. Januar 2005 keine implizite Bürgschaft rechtmäßig gewährt werden können. Die von La Poste nach dem 1. Januar 2005 eingegangen Verbindlichkeiten seien daher nicht durch eine implizite Bürgschaft gedeckt. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten vertritt der Sachverständige der französischen Behörden die Auffassung, dass mangels einer streitigen Entscheidung nicht bestimmt werden könne, ob die Nichtigkeit von vor dem 1. Januar 2005 gewährten impliziten Bürgschaften, deren Gewährung nicht ausdrücklich im Haushaltsgesetz genehmigt wurde, auf der Grundlage der Achtung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Gläubiger ausgeschlossen werden könne oder nicht.

(44)

Zum Vierten müssten, falls die EPIC über eine Staatsbürgschaft verfügen würden, bei einer Änderung ihres Status Maßnahmen zur Wahrung der Gläubigeransprüche ergriffen werden. Solche Maßnahmen seien jedoch nie eingeführt worden. Der Staat habe im Gegenteil bei der Umwandlung der Administration des Postes et Télécommunications in eine eigenständige juristische Person (La Poste) mit Erlass vom 31. Dezember 1990 eine explizite Bürgschaft für die vor dem 31. Dezember 1990 eingegangenen und auf La Post übertragenen Verbindlichkeiten gewährt. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn La Poste als ein einem EPIC gleichgestelltes Unternehmen aufgrund ihres Status über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte. Zudem seien Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen worden, mit denen Staatsbürgschaften für bestimmte Tätigkeiten der ERAP und der Agence française du Développement, bei denen es sich ebenfalls um EPIC handle, gewährt worden seien.

(45)

Schließlich zitieren die französischen Behörden aus einem Artikel (34) von Daniel Labetoulle, dem ehemaligen Präsidenten der Section du contentieux des Conseil d’Etat. Labetoulle zufolge „existiert im Recht kein Automatismus bei der Gewährung oder Ausweitung dieser Bürgschaft [einer Bürgschaft des Staates, die von Rechts wegen für öffentliche Unternehmen des Staates gelten würde]“.

B.    Die Argumentation der Kommission zum Vorliegen einer Bürgschaft sei falsch  (35)

a)   Die Begleichung der einzelnen Forderungen sei nicht abgesichert

1.   Mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 könne keine Bürgschaft begründet werden

(46)

Den französischen Behörden zufolge (36) verleiht das Gesetz vom 16. Juli 1980 der Aufsichtsbehörde ein Eintrittsrecht, kraft dessen sie an die Stelle des Exekutivorgans einer Person treten könne. Dabei könne die Aufsichtsbehörde nur die Zuständigkeiten dieses Exekutivorgans wahrnehmen; die Möglichkeit, über den Staatshaushalt zu verfügen, gehöre nicht dazu. Im Gesetz vom 16. Juli 1980 werde somit keine Verpflichtung des Staates vorgesehen, seine eigenen Mittel einzusetzen.

(47)

Zur Stützung dieser Auslegung führen die französischen Behörden die vorbereitenden Arbeiten des Gesetzes vom 16. Juli 1980 an. Bei diesen Debatten sei die Regierung gegen die Änderungsanträge gewesen, mit denen eine außerordentliche staatliche Subvention für Gebietskörperschaften, deren Mittel zur Erfüllung von Gerichtsurteilen nicht ausreichen sollten, zwingend eingeführt werden sollte.

(48)

Die französischen Behörden beziehen sich auch auf rechtswissenschaftliche Aufsätze (37). In diesen Aufsätzen wird darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „trägt dafür Sorge“ in Artikel 1 des Gesetzes vom 16. Juli 1980 auf ein „Eintrittsrecht“ verweist, bei dem „grundsätzlich der Eintretende über die gleichen Zuständigkeiten wie derjenige, an dessen Stelle er tritt, verfügt“, wobei die Gewährung einer außerordentlichen Subvention im Übrigen „den Rahmen der Ausübung eines Eintrittsrechts überschreitet“ und somit im Gesetz vom 16. Juli 1980 nicht vorgesehen sei.

(49)

Schließlich führen die französischen Behörden die Entscheidungen des Conseil d’Etat vom 10. November 1999 (38) und vom 18. November 2005 (39) in der Rechtssache Campoloro an. Der Conseil d’Etat habe die Auffassung vertreten, dass das Eintreten des Staates für die säumige Gemeinde in Finanzangelegenheiten nicht zu den Verpflichtungen gemäß dem Gesetz vom 16. Juli 1980 gehöre. Bei der Untersuchung, ob die Haftung des Staates im Bereich des — obendrein groben — Verschuldens in Anspruch genommen werden könne, habe der Conseil d’Etat grundsätzlich jede Form der Haftung „von Rechts wegen“ und somit jede Form der Bürgschaft ausgeschlossen.

2.   Die verschuldensunabhängige Haftung des Staates könne nicht allein durch unzureichende Mittel ausgelöst werden

(50)

Zudem behaupten die französischen Behörden, dass die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern öffentlicher Unternehmen unter restriktiven Bedingungen offen stehen, keiner Sicherheit in Form einer Garantie oder Bürgschaft gleichgesetzt werden könnten. Die Bürgschaft setze voraus, dass der Bürge das Schuldverhältnis des Bürgschaftsnehmers übernehme. Wenn es darum gehe, ein Verschulden bzw. — im Fall einer verschuldensunabhängigen Haftung — die Folgen eines Handelns zu übernehmen, könne von einer Bürgschaft keine Rede sein.

(51)

Die französischen Behörden behaupten weiter, dass die Haftung des Staates in jedem Fall nicht allein dadurch ausgelöst werden könne, dass der Präfekt oder die Aufsichtsbehörde wegen der Finanz- und Vermögenslage der Körperschaft oder des öffentlichen Unternehmens keine Maßnahmen zur Begleichung der Forderung habe ergreifen können.

(52)

Im Bereich des — obendrein schweren — Verschuldens könne die Unterlassung des Präfekt oder der Aufsichtsbehörde, seine bzw. ihre Zuständigkeiten wahrzunehmen, wenn es keine geeigneten Maßnahmen gebe, die eine Begleichung der Forderung durch die Körperschaft oder das öffentliche Unternehmen ermöglichen würden, nicht schuldhaft sein.

(53)

Die verschuldensunabhängige Haftung sei aus mindestens zwei Gründen auszuschließen:

Erstens könne die Haftung der Person, von der Ersatz verlangt werde, nur ausgelöst werden, wenn die ihr zugerechnete Handlung (bzw. Unterlassung) die unmittelbare Ursache des Schadens gewesen sei. Bei unzureichenden Mitteln sei jedoch nicht die Handlung oder Unterlassung der Verwaltungsbehörde ursächlich für den Schaden des Gläubigers, sondern die Zahlungsunfähigkeit der Körperschaft oder des öffentlichen Unternehmens.

Zweitens beruhe die verschuldensunabhängige Haftung auf dem Grundsatz der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten. Im vorliegenden Fall sei für die französischen Behörden unverständlich, inwieweit der Schaden des Gläubigers zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten führen könne. Denn im Gegensatz zu der Rechtssache, die zum Urteil Couitéas  (40) geführt habe, habe im vorliegenden Fall keine staatliche Behörde entschieden, das Urteil aus Gründen des allgemeinen Interesses nicht zu erfüllen. Im genannten Fall sei es der Behörde praktisch unmöglich gewesen, Maßnahmen zur Erfüllung der gerichtlichen Entscheidung zu ergreifen und die Forderungen der Gläubiger zu begleichen, und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Die Haftung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten könne den französischen Behörden zufolge nicht bloß aufgrund der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit geltend gemacht werden. Im Hinblick auf das Vorbringen der Kommission unter Randnummer 59 des Einleitungsbeschlusses, dem zufolge „wenn der Vertreter des Staates die Kontinuität der Daseinsvorsorge über den Anspruch des Gläubigers auf Begleichung seiner Forderung stellen würde, ein Auslösen der verschuldensunabhängigen Staatshaftung nicht ausgeschlossen wäre“, erkennen die französischen Behörden an, dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis der Kontinuität der Daseinsvorsorge gebunden ist. Allerdings hätte eine solche Entschädigung nach Auffassung der französischen Behörden selbst im Fall einer gerichtlichen Anordnung der Entschädigung des Gläubigers zur Folge, dass der Gläubiger wieder in der Situation wäre, in der er auch nach allgemeinem Recht gewesen wäre, da der betreffende Vermögenswert veräußert worden wäre und die Gläubigergemeinschaft den entsprechenden Betrag erhalten hätte. Dem Gläubiger würde somit daraus kein Vorteil erwachsen.

b)   […]  (41)

1.   Die Nichtanwendbarkeit der Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht auf öffentliche Unternehmen schließe die Möglichkeit des Konkurses eines EPIC oder die Einleitung eines Konkursverfahrens über sein Vermögen nicht aus

(54)

Den französischen Behörden zufolge gründe die Kommission ihre Analyse auf die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (42) und insbesondere auf deren Ziffer 2.1.3: „Als Beihilfe in Form einer Garantie betrachtet die Kommission auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft“.

(55)

Ungeachtet der Feststellung, dass die Vorschriften des Vertrags der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften vorgehen, führen die französischen Behörden zwei Aspekte an, die ihrer Ansicht nach der Anwendbarkeit dieser Mitteilung auf den vorliegenden Fall zuwiderlaufen:

in der Mitteilung von 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften gehe es darum, dass sich die Beihilfe aus „günstigeren Finanzierungsbedingungen“ aufgrund eines ausgeschlossenen Konkursverfahrens ergebe; nun habe die Kommission aber das Vorliegen von solchen „günstigeren Finanzierungsbedingungen“ nicht nachgewiesen;

die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften betreffe den Fall, in dem die Rechtsform jedes Konkurs- oder Zahlungsunfähigkeitsverfahren und nicht ein Verfahren im Besonderen ausschließe; nun habe die Kommission aber nicht nachgewiesen, dass La Poste nicht Konkurs gehen könne und dass kein Zahlungsunfähigkeitsverfahren möglich sei.

(56)

Den französischen Behörden zufolge ist das Gesetz vom 25. Januar 1985 nur eine Verfahrensvorschrift. Die Tatsache, dass die EPIC nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, bedeute nicht, dass es bei einem EPIC nicht zu einer Zahlungseinstellung kommen könne und dass ein Sanierungs-, Abwicklungs- oder Konkursverfahren nicht möglich sei.

2.   Durch die Anwendung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingerichteten „Verfahrens“ anstelle des Insolvenzverfahrens nach allgemeinem Recht werde dem Gläubiger kein Vorteil verschafft

(57)

Nach Prüfung von Randnummer 68 des Einleitungsbeschlusses gelangen die französischen Behörden zu dem Schluss, dass die Kommission die Frage, ob ein besonderes Zahlungsunfähigkeitsverfahren einem Unternehmen, das diesem Verfahren unterliegt, gegenüber Unternehmen, die den handelsrechtlichen Bestimmungen unterliegen, einen Vorteil verschafft, anhand von zwei Kriterien bewerte:

einem Kriterium der Öffentlichkeit: Das Verfahren, das im Fall der Zahlungsfähigkeit von La Poste angestrengt würde, müsste klar definiert und öffentlich sein;

einem Kriterium der Gleichwertigkeit: Bei diesem Verfahren müsste es sich entweder um das privatrechtliche Verfahren handeln oder um ein Verfahren, das den Gläubigern von La Poste nicht mehr Ansprüche verschaffe, als sie nach dem Handelsrecht hätten.

(58)

Obwohl die französischen Behörden bestreiten, dass die Erfüllung dieser beiden Kriterien notwendig ist (43), berücksichtigen sie diese Kriterien angesichts der Tatsache, dass die Kommission sie als notwendig und hinreichend betrachtet, bei der Prüfung der Frage, ob den Gläubigern von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 im Vergleich zu den Gläubigern von Unternehmen, die Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegen, ein Vorteil verschafft wird.

(59)

Hinsichtlich des Kriteriums der Öffentlichkeit vertreten die französischen Behörden die Auffassung, dass das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren von den Ratingagenturen ganz richtig als Verfahren eingeordnet werde, das im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines EPIC greife, wie die von der Kommission im Zusammenhang mit der Fall ERAP angeführten Agenturmeldungen beweisen würden.

(60)

Beim Kriterium der Gleichwertigkeit unterscheiden die französischen Behörden zwischen dem Fall, in dem das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge zum Tragen kommt, und dem Fall, in dem dieses Erfordernis nicht gegeben ist.

i)   Untersuchung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten „Verfahrens“ unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit — ohne das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge

(61)

Nach Ansicht der französischen Behörden käme in dem Fall, dass La Poste ihre Schulden nicht zurückzahlen können sollte und kein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben wäre, das folgende Verfahren zur Anwendung: Im unwahrscheinlichen Fall erwiesener finanzieller Schwierigkeiten würde das Unternehmen zunächst, bevor es zu einer Überschuldung käme, Verhandlungen mit seinen Gläubigern zur Aufstellung eines Schuldensanierungsplans aufnehmen. Sollte dieser Plan als unzureichend betrachtet werden oder keine Überwindung der finanziellen Schwierigkeiten ermöglichen und keine neue Einigung mit den Gläubigern — oder einigen von ihnen — zustande kommen, könnten die Gläubiger dann das zuständige Gericht anrufen, um den Schuldner verurteilen und somit ihre Forderung anerkennen zu lassen. Dabei käme das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Anwendung. Es könnte gegebenenfalls dazu führen, dass die Aufsichtsbehörde an die Stelle des Exekutivorgans von La Poste tritt, um die zur Begleichung der Schulden aus den Mitteln des Unternehmens erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Sollte bei dem mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahren festgestellt werden, dass die Vermögenswerte von La Poste nicht ausreichen, es der Aufsichtsbehörde somit faktisch nicht möglich sein, mangels veräußerbarer Vermögenswerte die zur Begleichung der Schulden erforderlichen Mittel zu erschließen, wäre das im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehene Verfahren beendet.

(62)

Nach Ansicht der französischen Behörden könnte die Anwendung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens für den Fall, dass kein Erfordernis der Daseinsvorsorge besteht, zur Veräußerung aller Vermögenswerte von La Poste führen; im Fall unzureichender Vermögenswerte würden bei diesem Verfahren jedoch nicht alle Gläubiger von La Poste befriedigt werden können. Am Ende des Verfahrens hätten die Gläubiger eines Unternehmens, das dem Gesetz vom 16. Juli 1980 unterliegt, unter dem Strich den gleichen Betrag erhalten wie die Gläubiger eines dem Handelsrecht unterliegenden Unternehmens, nämlich den Erlös aus der Veräußerung der Vermögenswerte.

(63)

Dieses Verfahren würde sich nur in zwei Punkten von dem nach dem Handelsrecht anwendbaren Verfahren unterscheiden:

es gebe keine Unterscheidung nach Gläubigergruppen: Im Unterschied zum privatrechtlichen Verfahren, bei dem die Gläubiger nach Gruppen unterschieden und in der Rangfolge ihrer Vorrechte und im Verhältnis zu den verfügbaren Summen befriedigt würden, zeichne sich das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren dadurch aus, dass der Gläubiger nur mit einer Klage seine Ansprüche wahren könne. Das System des Gesetzes vom 16. Juli 1980 entspreche dem Windhundverfahren;

der Vertreter des Staates übernehme unter der Aufsicht des Verwaltungsgerichts (Kontrolle des groben Verschuldens gemäß dem Urteil des Conseil d’Etat von November 2005 in der Sache Campoloro) eine Funktion, die zu der des Konkursverwalters und des gerichtlich bestellten Sachwalters gleichwertig sei.

(64)

Nach Auffassung der französischen Behörden können die Gläubiger nach Abschluss des Verfahrens keine Rechtsmittel mehr einlegen. Den französischen Behörden zufolge kann die Staatshaftung nicht allein wegen unzureichender Vermögenswerte ausgelöst werden. Wie im privatrechtlichen Verfahren würde nach Abschluss der gerichtlichen Abwicklung bis auf wenige Ausnahmen „das Recht der Gläubiger auf Einzelvollstreckung nicht wiederaufleben“ (44).

ii)   Untersuchung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten „Verfahrens“ unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit unter Berücksichtigung des Erfordernisses des Fortbestands der Daseinsvorsorge

(65)

Für den Fall, dass der Fortbestand der Daseinsvorsorge gewährleistet werden müsste, räumen die französischen Behörden ein, dass der Vertreter des Staates in Ausübung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 übertragenen Befugnisse beschließen könnte, bestimmte Vermögenswerte, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlich seien, nicht zu veräußern. Die Nichtveräußerung bestimmter Vermögensgegenstände aus Gründen, die mit dem Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge zusammenhängen, würde — mangels Ersatzleistung des Staates — zu einem geringeren Veräußerungserlös und entsprechend zu einer weniger umfassenden Befriedigung der Gläubiger führen. Bei diesem Verfahren hätten die Gläubiger von La Poste nicht mehr Rechte als dem Handelsrecht. Den französischen Behörden zufolge ist damit das von der Kommission aufgestellte Kriterium der Gleichwertigkeit erst recht erfüllt.

(66)

Die französischen Behörden räumen jedoch ein, dass in diesem Fall die verschuldensunabhängige Haftung des Staates geltend gemacht werden und zu einer Entschädigung der Gläubiger in Höhe des erlittenen Schadens führen könnte, d. h. maximal in Höhe des Marktwerts der Vermögensgegenstände, die infolge des rechtmäßigen Beschlusses des Vertreters des Staates nicht veräußert worden seien. Nach Ansicht der französischen Behörden hätte diese mögliche Entschädigung jedoch nur zur Folge, dass der Gläubiger wieder in die Lage versetzt würde, in der er nach allgemeinen Recht wäre, und dass ihm mit Blick auf das Kriterium der Gleichwertigkeit nicht mehr Rechte verschafft würden als er nach allgemeinem Recht hätte.

(67)

Die französischen Behörden kommen zu dem Schluss, dass das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren die von der Kommission aufgestellten Kriterien der Gleichwertigkeit und Öffentlichkeit erfüllt, die hinreichend seien, um das Vorliegen eines Vorteils auszuschließen. Ihrer Ansicht nach ist es daher nicht gerechtfertigt, La Poste unmittelbar dem aufwändigen und komplexen Verfahren nach allgemeinem Recht zu unterwerfen.

3.   Die von der Kommission angeführten Texte zum Schicksal der Verbindlichkeiten nach dem Versiegen der Mittel des Unternehmens träfen auf La Poste nicht zu

(68)

Nach Ansicht der französischen Behörden sind die von der Kommission im Einleitungsbeschluss und insbesondere unter Randnummer 69 angeführten Texte im Fall von La Poste weder anwendbar noch umsetzbar.

3.1.2.   NICHTVORLIEGEN EINES VORTEILS

(69)

Den französischen Behörden zufolge untersucht die Kommission das Vorliegen eines selektiven Vorteils unter zwei Aspekten:

Argumentation, in der sich ein Zirkelschluss verberge, anhand der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften;

Untersuchung des mutmaßlichen Einflusses der angeblichen Beihilfe auf die Ratingagenturen.

A.    Anhand der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften könne im vorliegenden Fall nicht auf das Vorliegen eines Vorteils geschlossen werden

(70)

Nach Auffassung der französischen Behörden hat die Kommission Ziffer 2.1.3 der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften unter Randnummer 77 des Einleitungsbeschlusses falsch ausgelegt. Den französischen Behörden zufolge beinhaltet Ziffer 2.1.3, dass eine Beihilfe in Form von Haftungsverpflichtungen oder Bürgschaften vorliegt, wenn ein Unternehmen günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte, weil seine Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließe. Ziffer 2.1.3 der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften besage den französischen Behörden zufolge nicht, dass die Kommission die Auffassung vertritt, dass die Tatsache, dass die Rechtsform eines Unternehmens einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließe, zwangsläufig dazu führe, dass dieses Unternehmen günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte.

(71)

Im Übrigen sind die französischen Behörden der Ansicht, dass La Poste nicht in den Anwendungsbereich von Ziffer 2.1.3 der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften fällt, da diese den Fall betreffe, in dem die Rechtsform alle Konkurs- oder Zahlungsunfähigkeitsverfahren und nicht ein bestimmtes Verfahren ausschließe. Nach Auffassung der französischen Behörden hat die Kommission weder bewiesen, dass La Poste nicht Konkurs gehen könne, noch, dass kein anderes Zahlungsunfähigkeitsverfahren zur Anwendung kommen könne.

B.    Nichtzurechenbarkeit und Nichtvorliegen staatlicher Mittel

(72)

Unter Randnummer 79 des Einleitungsbeschlusses weist die Kommission auf den Einfluss hin, den Ratingagenturen auf die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen ausüben.

(73)

Nach einem Hinweis auf die Schwächen der Ratingagenturen behaupten die französischen Behörden, dass der Standpunkt einer Ratingagentur keinen dem Staat zurechenbaren Vorteil begründen könne, der eine staatliche Beihilfe darstellen könne, wenn er nicht durch eine genaue Analyse des geltenden Rechtsrahmens gestützt werde. Selbst wenn ein EPIC aufgrund dieser Bewertung in der Praxis einen vorteilhaften Zugang zu Finanzierungen hätte, hätte es dadurch weder rechtlich noch praktisch Zugang zu staatlichen Mitteln, was erforderlich wäre, um sie als Beihilfe einstufen zu können.

(74)

Zudem seien die Analysen der Ratingagenturen nicht objektiv, sondern beruhten auf einer subjektiven Einschätzung einer möglichen Unterstützung des Staates bei Schwierigkeiten des betreffenden Unternehmens.

C.    Zirkularität der Argumentation

(75)

Nach Ansicht der französischen Behörden verbirgt sich in der Argumentation der Kommission ein Zirkelschluss:

die Kommission stütze sich im Wesentlichen auf Aussagen der Ratingagenturen, um einen wirtschaftlichen Vorteil aufzuzeigen;

der Markt und die Ratingagenturen hätten das Nichtvorliegen einer Staatsbürgschaft für La Poste berücksichtigt, hätten jedoch noch immer Bedenken, die nur auf dem Standpunkt der Kommission beruhen würden.

D.    Keine Auswirkungen auf das Rating von La Poste

(76)

Den französischen Behörden zufolge wird im Einleitungsbeschluss in jedem Fall nicht bewiesen, dass das Rating von La Poste dank einer angeblichen unbeschränkten Staatsbürgschaft besser ausgefallen ist.

a)   Die Dokumente der Ratingagenturen seien nicht ausreichend, um Auswirkungen irgendeiner Art aufzuzeigen

(77)

Die französischen Behörden äußern sich zu der Studie von Standard and Poor’s mit dem Titel „Influence of Government Support on Ratings“, die von der Kommission unter Randnummer 80 des Einleitungsbeschlusses angeführt wird. In dieser Studie unterscheidet Standard and Poor’s mehrere Kategorien von „government supported postal companies“; die Einstufung ist dabei maßgeblich für die Methode, die Standard and Poor’s bei der Ermittlung des Ratings des Unternehmens anwendet.

(78)

Die französischen Behörden betonen, dass bei der Einstufung in die Kategorie 1 (45) eine Vielzahl von Kriterien wie die Art der Geschäftstätigkeit oder das wirtschaftliche und soziale Umfeld berücksichtigt würden, aber nicht auf den Status des bewerteten Unternehmens verwiesen werde.

(79)

Die französischen Behörden weisen darauf hin, dass die französische Post und die italienische Post am 22. November 2004 in die Kategorie 2 (46) eingestuft wurden. Die französischen Behörden folgern aus der Studie von Standard and Poor’s, dass das Rating der italienischen Post nicht auf der finanziellen Leistungsfähigkeit von Poste Italiane beruht hat. Den französischen Behörden zufolge wurde das Rating der italienischen Post vom Rating ihres Eigentümers beeinflusst, obwohl Poste Italiane die Rechtsform einer SpA (Aktiengesellschaft) nach allgemeinem Recht habe.

(80)

Sie stellen fest, dass Standard and Poor’s La Poste letztendlich in die Kategorie 3 (47) eingestuft hat. Den französischen Behörden zufolge haben die seit Ende 2004 durchgeführten umfassenden Reformen Standard and Poor’s veranlasst, La Poste in diese dritte Kategorie einzustufen. Die französischen Behörden folgern daraus, dass nicht bewiesen werden könne, dass das Rating von La Poste allein deren Status oder irgendeinem Garantiemechanismus des Staates zuzurechen sei und dass dieses Rating eine staatliche Beihilfe darstellen könne.

(81)

Allerdings räumen sie ein, dass die Frage des Status von La Poste in der Studie von Standard and Poor’s aus dem Jahr 2004 angesprochen wurde. Die französischen Behörden versichern jedoch, dass dieser Punkt in den Gesprächen mit Standard and Poor’s geklärt worden sei. Zudem hätten die französischen Behörden Fitch auf das Nichtvorliegen von Staatsbürgschaften für La Poste hingewiesen, woraufhin die Agentur sich erneut mit der Frage befasst habe.

b)   In der Privatwirtschaft sei das Rating zahlreicher Tochtergesellschaft an das der Muttergesellschaft gekoppelt

(82)

Nach Angaben der französischen Behörden ist der Einfluss eines stabilen Mehrheitsaktionärs, der von den Ratingagenturen im Fall von Poste Italiane unabhängig von einem besonderen Status hervorgehoben worden sei, bei privatwirtschaftlichen Gruppen häufig festzustellen. Als Beispiel nennen die französischen Behörden eine Mitteilung von Standard and Poor’s vom 3. Dezember 2003 über AGF (48), eine Mitteilung über die Volkswagen Bank GmbH (49) und eine Mitteilung über VWFS (50). Nach Auffassung der französischen Behörden stellt dieser Ansatz auf keinen Fall eine Besonderheit des öffentlichen Sektors dar.

c)   Das Rating von La Poste würde bei einer Änderung ihres Status nicht geändert

(83)

Die französischen Behörden bemühen sich, anhand der Analyse des Ratings von La Poste durch Standard and Poor’s zu beweisen, dass sich der Status von La Poste nicht auf dieses Rating auswirkt.

(84)

Zum Ersten stellen die französischen Behörden fest, dass Standard and Poor’s La Poste zum Zeitpunkt der Stellungnahme der französischen Behörden mit AA- mit stabilem Ausblick bewertet hat. Die Herabstufung wurde von Standard and Poor’s mit der bevorstehenden Verschlechterung der Finanzstruktur der Gruppe im Zusammenhang mit der Zahlung von 2 Mrd. EUR durch La Poste für die Reform der Finanzierung der Ruhegehälter der Beamten sowie mit der „stärkeren Unabhängigkeit von La Poste von ihrem Anteilseigner“ begründet. Nach Ansicht der französischen Behörden würde sich eine solche Herabstufung, die nicht aus Anlass einer Änderung des Status von La Poste erfolgt sei, nicht erklären lassen, wenn das Rating von La Poste nur eine Folge ihres Status wäre.

(85)

Zum Zweiten sei für die französischen Behörden trotz der Ausführungen (51) von Standard and Poor’s in dem unter Randnummer 84 des Einleitungsbeschlusses genannten Schreiben vom 3. April 2007 nicht nachvollziehbar, warum La Poste, wenn sie über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte, um 3 Notches niedriger als der Staat bewertet worden sei. In ähnlicher Weise sei für die französischen Behörden unverständlich, warum, wenn die Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 von den Agenturen dahingehend ausgelegt worden wären, dass zugunsten der Gläubiger der betreffenden juristischen Personen ein einer Staatsbürgschaft gleichgestellter Mechanismus eingerichtet worden sei, die Gebietskörperschaften mit der Note BBB + bewertet worden seien, der Staat dagegen als AAA.

(86)

Zum Dritten betonen die französischen Behörden, dass das Schreiben von Standard and Poor’s vom 3. April 2007 auf einer Aufzählung der Stärken und Schwächen des Unternehmens beruhe und dass der Status darin nicht erwähnt werde. Die beiden von Standard and Poor’s zur Stützung des Ratings genannten Faktoren, d. h. die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Aufgaben von La Poste und das „strong shareholder backing“ hätten nichts mit dem Status von La Poste zu tun. Denn den französischen Behörden zufolge ist unter „strong shareholder backing“ nicht eine dem Recht der Union zuwiderlaufende finanzielle Unterstützung zu verstehen, sondern das Interesse, das der Staat unter „At arm’s length“-Bedingungen (52) an der Entwicklung von La Poste hat. Die französischen Behörden folgern daraus, dass der Status kein wesentlicher Faktor des Ratings ist.

(87)

Zum Vierten weisen die französischen Behörden darauf hin, dass die Ratingagentur in diesem Schreiben vom 3. April 2007 angibt, weiterhin den Top-Down- Ansatz anzuwenden, der es ermöglicht, ein Unternehmen um bis zu zwei Punkte niedriger als den Staat zu bewerten. Der Ratingagentur zufolge ist dieser Ansatz dadurch gerechtfertigt, dass der Staat mittelfristig alleiniger Aktionär von La Poste bleiben dürfte. Die französischen Behörden folgern daraus, dass dieser Ansatz in keiner Weise mit dem Status von La Poste begründet werde. Schließlich behaupten die französischen Behörden auf der Grundlage eines Zitats von Standard and Poor’s (53), dass nicht die Änderung des Status, sondern eine Öffnung des Kapitals Standard and Poor’s veranlassen würde, bei La Poste nach dem Bottom-Up-Ansatz vorzugehen. Sie fügen hinzu, dass eine solche Änderung des Ansatzes angesichts der erwarteten Besserung der grundlegenden Faktoren von La Poste nicht zwangsläufig zu einer Änderung des Ratings führen würde.

(88)

Zum Fünften weisen die französischen Behörden darauf hin, dass die Ratingagentur den Ausblick trotz des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens wegen der unbeschränkten Bürgschaft, die La Poste aufgrund ihres Status gewährt worden sein soll, als „stabil“ festgelegt habe. Wenn der Status nun aber einen Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens hätte, müsste die bevorstehende Änderung zu einem negativen und nicht zu einem stabilen Ausblick führen. Im Übrigen begründe Standard and Poor’s den stabilen Ausblick damit, dass der Staat in den nächsten beiden Jahren trotz einer möglichen Änderung des Status alleiniger Aktionär des Unternehmens bleiben dürfte. Aus einem weiteren Zitat von Standard and Poor’s (54) folgern die französischen Behörden, dass Standard and Poor’s bei der Entscheidung über die Änderung des Ratings die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und eine mögliche Änderung der Aktionärsstruktur berücksichtige und nicht eine mögliche Änderung des Status.

(89)

Zum Sechsten betonen die französischen Behörden, wobei sie erneut aus dem Schreiben von Standard and Poor’s von 2007 zitieren (55), dass die Ratingagentur der Behauptung der Kommission, der Status habe eine Verbesserung der La Poste gewährten Finanzierungsbedingungen zur Folge, nicht gefolgt sei. Unter Heranziehung des Zitats von Standard and Poor’s, dem zufolge „die Ratings von La Poste von dieser Empfehlung nicht berührt wurden, da wir die Auffassung vertreten, dass eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig zu einer geringeren Unterstützung des Staates führt, die den Ratings von La Poste zugrunde liegt und die unlängst durch Regierungsbeschlüsse erneut bekräftigt wurde“ (56), schließen die französischen Behörden, das der Status von La Poste deren Rating nicht beeinflusst hat.

E.    Keine Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste

(90)

Schließlich untersuchen die französischen Behörden die tatsächlichen Finanzierungsbedingungen von La Poste, um zu bestimmen, ob eine angebliche Staatsbürgschaft sich darauf ausgewirkt hat.

(91)

Den französischen Behörden zufolge haben weder die Ankündigung des Vorliegens einer angeblichen Bürgschaft und ihrer angeblichen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht und demzufolge ihrer baldigen Aufhebung durch die Kommission noch das Bestreiten dieser Behauptungen durch die französischen Behörden gegenüber den Ratingagenturen und in der Presse einen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste gehabt. So habe La Poste im Oktober 2006, unmittelbar nach der Ankündigung der Kommission, geeignete Maßnahmen zu empfehlen, eine Obligationsanleihe in Höhe von 1,8 Mrd. EUR mit zwei Laufzeiten von 7 und 15 Jahren begeben. La Poste habe diese Empfehlung im Prospekt erwähnt und bei Besprechungen mit den Anlegern klargestellt, dass sie über keine Staatsbürgschaft verfüge. Nun hätten sich aber nach der Emission die Finanzierungskosten von La Poste nicht wesentlich geändert (57). Die beiden Emissionen seien von europäischen Anlegern mit einem für La Poste üblichen Profil, d. h. von Anlegern, die ihre Obligationen bis Fälligkeit behalten, in hohem Maße gezeichnet worden. Die französischen Behörden ziehen daraus den Schluss, dass die Ankündigung der Kommission, in der die Aufhebung der angeblichen Bürgschaft verlangt wurde, und die öffentliche Bekanntgabe des Standpunkts des französischen Staates keinen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste auf dem Anleihemarkt gehabt hätten. Denn auf den Märkten werde die Auffassung vertreten, dass die Finanzierungsbedingungen von La Poste nicht auf dem rechtlichen oder tatsächlichen Bestehen irgendeiner Sicherheit beruhen.

(92)

Die französischen Behörden kommen zu folgendem Schluss:

die Analyse der Kommission in ihrem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens sei falsch: La Poste verfüge über keine Staatsbürgschaft;

die Kommission habe das Vorliegen eines Vorteils für La Poste aufgrund von deren Status nicht bewiesen;

die Kommission habe infolgedessen das Vorliegen einer Beihilfe zugunsten von La Poste nicht bewiesen.

3.2.   VORSCHLÄGE DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(93)

Um dennoch die Bedenken der Kommission auszuräumen, teilten die französischen Behörden mit, dass sie bereit wären, die folgenden Maßnahmen umzusetzen, falls die Kommission einwilligen würde, das Verfahren mit einem Beschluss gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verfahrensverordnung abzuschließen, mit dem festgestellt wird, dass keine Beihilfe vorliegt:

Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980;

Aufnahme eines Hinweises, dass keine Deckung durch eine Bürgschaft gegeben ist, in alle eine Forderung beinhaltenden Verträge von La Poste;

Maßnahme zur Rückabtretung möglicher negativer Auswirkungen auf den Spread im Zusammenhang damit, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt, durch La Poste an den Staat.

3.2.1.   KLÄRUNG DER DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN ZUM GESETZ VOM 16. JULI 1980

(94)

Nach Auffassung der französischen Behörden geht es nicht darum, die in Rede stehenden Bestimmungen wesentlich zu ändern, sondern nur darum, ihre Auslegung zu klären. Daher schlagen sie vor, die Durchführungsbestimmungen des Gesetzes zu ändern (58). Die Änderung sollte den vierten Unterabsatz von Artikel 3-1 des Dekrets zur Regelung der dem Präfekten oder der Aufsichtsbehörde übertragenen Aufsichtsfunktion betreffen. Mit der Änderung sollten alle Bedenken der Kommission im Hinblick auf den Ausdruck „trägt dafür Sorge“ (im Französischen „y pourvoit“) ausgeräumt werden können. Daher wird vorgeschlagen zu präzisieren, dass der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereitstellt.

(95)

Die geänderte Bestimmung des Dekret würde wie folgt lauten:

„Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“ (Änderungen in kursiver Schrift).

(96)

Nach Angaben der französischen Behörden wird durch diesen Vorschlag in Verbindung mit den Äußerungen und rechtswissenschaftlichen Aufsätzen, die bei den Beratungen vor Zusendung des Einleitungsbeschlusses übermittelt wurden, ausgeschlossen, dass der Präfekt bzw. der Vertreter des Staates die Ressourcen der betreffenden Körperschaft oder des betreffenden Unternehmens im Rahmen des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahren durch staatliche Subventionen oder eine Kapitalspritze aus öffentlichen Mitteln erhöhen kann.

3.2.2.   AUFNAHME EINES HINWEISES, DASS KEINE DECKUNG DURCH EINE BÜRGSCHAFT GEGEBEN IST, IN ALLE EINE FORDERUNG BEINHALTENDEN VERTRÄGE VON LA POSTE

A.    Ursprünglicher Vorschlag der französischen Behörden

(97)

Unter Randnummer 59 des Einleitungsbeschlusses vertritt die Kommission die Auffassung, dass durch den Vorschlag der französischen Behörden, die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 zu ändern, „nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Versiegen der Mittel von La Poste ein Gläubiger, dessen Forderung im Rahmen der Anwendung des Gesetzes von 1980 nicht befriedigt worden sein sollte, den Rechtsweg beschreitet, um auf der Grundlage der Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten den Staat zur Haftung heranzuziehen“.

(98)

Obwohl sie bestreiten, dass die Staatshaftung allein wegen der Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgelöst werden kann, machen die französischen Behörden, um alle Bedenken der Kommission auszuräumen, einen Vorschlag auf der Grundlage der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme (exception de risque accepté). Diese Einwendung, die sowohl bei der Verschuldenshaftung als auch bei der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates greift, beruht auf dem Grundsatz, dass ein Schaden, der infolge eines Umstands entsteht, dem sich das Opfer bewusst ausgesetzt hat, keinen Schadenersatzanspruch begründet (siehe Urteile des Conseil d’Etat Sille  (59) und Meunier  (60).

(99)

Um die Anwendung dieser Einwendung sicherzustellen, schlagen die französischen Behörden daher vor, den Gläubigern von La Poste offiziell zu bestätigen, dass La Poste nicht über eine Staatsbürgschaft verfügt und dass der Staat im Fall der Zahlungsunfähigkeit nicht verpflichtet wäre, an ihrer Stelle finanzielle Forderungen zu bedienen. Mit einer solchen Information werde nicht gegen das Gesetz verstoßen, da dieses an keiner Stelle vorsehe, dass der Staat im Fall der Zahlungsfähigkeit für La Poste eintreten müsse, um deren Schulden zu begleichen.

(100)

Über die Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 hinaus verpflichten sich die französischen Behörden somit gemeinsam mit La Poste, in den Finanzierungsvertrag (für alle vertraglich begründeten Instrumente) den folgenden Hinweis aufzunehmen:

„Die Emission/das Programm/das Darlehen ist durch keinerlei direkte oder indirekte staatliche Bürgschaft gedeckt. Bei Zahlungsunfähigkeit ist der Staat nicht gehalten, anstelle von La Poste finanzielle Forderungen zu bedienen“.

B.    Bedenken der Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss

(101)

Unter Randnummer 61 des Einleitungsbeschlusses äußert die Kommission zum Vorschlag der französischen Behörden die folgenden Bedenken:

die Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme sei durch die Rechtsprechung aufgestellt worden und könne sich ändern;

„dieser Vorschlag, der auf den Grundsätzen des öffentlichen Rechts beruht, ist unzulänglich, denn diese Instrumente könnten im Konfliktfall relativ einfach aufgehoben werden“;

schließlich hat La Poste nicht nur finanzielle, sondern auch kommerzielle oder andere Verbindlichkeiten; diese Fälle werden im ergänzenden Vorschlag der französischen Behörden aber nicht behandelt.

C.    Angaben der französischen Behörden zur Erwiderung auf diese Bedenken

(102)

Wie bereits erwähnt, kann nach Angaben der französischen Behörden die verschuldensunabhängige Staatshaftung nicht allein infolge unzureichender Mittel von la Poste ausgelöst werden, da das Auslösen der Haftung des Staates eine Entscheidung des Staates über eine Handlung oder Unterlassung voraussetze und man hier auf die praktische Unmöglichkeit des Handelns stoße. Der Vorschlag der französischen Behörden hat daher nur als ergänzende Maßnahme zur Klarstellung gegenüber Gläubigern einen Wert, wobei er es im Übrigen aufgrund der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme ermöglicht, jegliche Gefahr der Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Staatshaftung auszuschließen.

(103)

Den französischen Behörden zufolge wäre der erste Einwand der Kommission gleichbedeutend damit, dass selbst dann, wenn im innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaats eine Bestimmung nicht vorgesehen sei, allein die Gefahr einer Abkehr von der Rechtsprechung, d. h. einer Änderung des einzelstaatlichen Rechts, ausreichen würde, um eine staatliche Beihilfe zu begründen. Die französischen Behörden fechten diese Argumentation an. Ihrer Auffassung nach stellt die Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme einen Grundsatz des öffentlichen Rechts dar, der durch die Rechtsprechung immer wieder bestätigt, nie widerlegt und umfassend kommentiert worden sei. Die Kommission könne eine potenzielle Beihilfe nicht auf eine mögliche Änderung des Rechts gründen, die im vorliegenden Fall mehr als unwahrscheinlich sei.

(104)

Der zweite Einwand der Kommission betreffe die Tatsache, dass es sich um sekundärrechtliche Instrumente handle, die im Konfliktfall einfach aufgehoben werden könnten. Das Gesetz und die Verordnung würden dem Vertrag zwar vorgehen, aber der Einwand der Kommission wäre nur dann wirklich stichhaltig, wenn er sich auf einen übergeordneten Text berufen würde. Den französischen Behörden zufolge wird der Einwand der Kommission zu diesem Punkt durch nichts untermauert.

(105)

Dagegen räumen die französischen Behörden ein, dass der dritte Einwand, die Anleiheemissionen seien nicht die einzigen forderungsbegründenden Instrumente, stichhaltig ist, obgleich er im Fall von La Poste von begrenzter Tragweite sei, da die Hauptschulden von La Poste in finanziellen Verbindlichkeiten und im Wesentlichen Anleiheschulden bestünden.

D.    Ausweitung des Vorschlags

(106)

Die französischen Behörden teilten daraufhin mit, dass sie, falls die Kommission das förmliche Prüfverfahren mit einem Beschluss gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verfahrensverordnung abschließen würde, mit dem festgestellt wird, dass keine Beihilfe vorliegt, bereit wären, ihren Vorschlag zur Aufnahme eines Hinweises auf die nicht gegebene Deckung durch eine staatliche Bürgschaft auf alle eine Forderung beinhaltenden Verträge auszuweiten. Den französischen Behörden zufolge könnte dadurch jede Gefahr einer Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Staatshaftung wegen der bloßen Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgeschlossen werden. Im Übrigen hätte die Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates aufgrund einer Entscheidung der Aufsichtsbehörde, Vermögenswerte, die für den Fortbestand der Daseinsvorsorge erforderlich seien, nicht zu veräußern, nur zur Folge, dass die Gläubiger von La Poste in der gleichen Situation wie die Gläubiger einer Aktiengesellschaft wären.

E.    Einschätzung der französischen Behörden im Hinblick auf die Einstufung der Maßnahme als Beihilfe nach ihren Vorschlägen

(107)

Nach Auffassung der französischen Behörden würden die beiden klärenden Maßnahmen es ermöglichen, die Gläubiger von La Poste über ihre Rechte aufzuklären. Den französischen Behörden dürfe daher nicht, wie unter Randnummer 74 des Einleitungsbeschlusses geschehen, vorgehalten werden, dass sie „verantwortlich für die Erwartungen der Gläubiger von La Poste hinsichtlich des Vorliegens einer Bürgschaft“ seien und dass sie absichtlich eine „unklare Rechtslage“ beibehalten würden, die dazu führen könnte, dass der Staat „verpflichtet ist, für die Schulden von La Poste aufzukommen, falls diese nicht mehr in der Lage sein sollte, ihren Verpflichtungen nachzukommen“.

(108)

Denn nach Auffassung der französischen Behörden könne zum einen daraus, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt und den Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 unterworfen ist, nicht auf das Vorliegen einer Staatsbürgschaft geschlossen werden und würden zum anderen die vorgeschlagen klärenden Maßnahmen jegliche Haftung des Staates, an die man den Markt angeblich glauben lasse, ausschließen.

(109)

Unter diesen Umständen könnten dem Staat keine etwaigen Folgen zurechnet werden. Das Kriterium der Zurechenbarkeit sei somit entgegen den Behauptungen der Kommission unter Randnummer 76 des Einleitungsbeschlusses nicht erfüllt.

(110)

Auch würde Randnummer 75 des Einleitungsbeschlusses, unter der die Kommission das Vorliegen staatlicher Mitteln unter Verweis auf die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften begründe, nicht mehr standhalten, da das Vorliegen einer Staatsbürgschaft durch nichts untermauert werde.

3.2.3.   MASSNAHME ZUR RÜCKABTRETUNG

(111)

Zur Ergänzung ihrer Vorschläge seien die französischen Behörden bereit, mit der Kommission den folgenden Ansatz zu untersuchen.

(112)

Der vorgeschlagene Ansatz beruht auf der Analyse des Standpunkts der Kommission unter Ziffer 2.1.3 ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften: „Als Beihilfe in Form einer Garantie betrachtet die Kommission auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft.“ In ihrem Einleitungsbeschluss führt die Kommission unter Randnummer 114 aus, dass sie es als problematisch erachtet, dass „Frankreich nicht alle geeigneten Maßnahmen ergreift, um zu vermeiden, dass dieser Status wirtschaftliche Auswirkungen zugunsten eines Unternehmens hat, das auf wettbewerbsbestimmten Märkten tätig ist“.

(113)

Die französischen Behörden bestreiten, dass Abschnitt 2.1.3 der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften auf La Poste zutrifft, und behaupten, die Kommission sei nicht in der Lage gewesen nachzuweisen, dass La Poste dadurch, dass sie nicht den privatrechtlichen Insolvenzverfahren unterliege, günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte.

(114)

Sie schlugen der Kommission dennoch vor, mit ihr die Einführung einer Maßnahme zur Rückabtretung zu untersuchen, bei der La Poste für den Fall, dass sich die Tatsache, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt, nachteilig auf den Spread auswirken würde, jeden einzelnen Euro an den Staat rückabtreten würde. Dabei würde ein Berechnungsmechanismus angewandt, der von der Kommission bestätigt würde und geprüft werden könnte. Nach Ansicht der französischen Behörden könnten mit einem solchen Ansatz die genannten klärenden Vorschläge vervollständigt werden, um dem Mythos von der Staatsbürgschaft ein Ende zu setzen und ein mögliches Vorliegen einer Beihilfe endgültig auszuschließen.

4.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

4.1.   BEGRIFF DER BEIHILFE

(115)

Nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

4.1.1.   BESTEHEN EINER UNBESCHRÄNKTEN STAATLICHEN BÜRGSCHAFT: VORLIEGEN STAATLICHER MITTEL

(116)

Wie unter Randnummer 56 des Einleitungsbeschlusses ausgeführt, ist La Poste aufgrund ihres Statuts als eine einem EPIC gleichgestellte juristische Person des öffentlichen Rechts sowohl hinsichtlich der Bedienung ihrer Gläubiger als auch bezüglich ihres Fortbestandes im Fall der Zahlungsunfähigkeit in einer besonderen rechtlichen Situation.

(117)

Die Kommission erinnert zunächst daran, dass La Poste nicht den Vorschriften des gemeinen Rechts über die Sanierung und Abwicklung von Unternehmen in Schwierigkeiten unterliegt (61). Die französischen Behörden streiten dies nicht ab, leugnen aber, dass es einen Mechanismus gibt, der einer Staatsbürgschaft zugunsten von La Poste gleichkommt. Nach Ziffer 1.2 Unterabsatz 2 vierter Gedankenstrich der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2008 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (nachstehend „Bürgschaftsmitteilung von 2008“ genannt) (62) werden auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Insolvenzverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft, als Beihilfe in Form einer Garantie gewertet. Infolgedessen ist das Vorbringen der französischen Behörden zu prüfen, mit dem bewiesen werden soll, dass keine staatliche Bürgschaft vorliegt.

A.    Bürgschaft für die Begleichung einzelner Forderungen

(118)

Um festzustellen, ob eine Bürgschaft für die einzelnen Forderungen vorliegt, muss zunächst geprüft werden, ob eine solche Bürgschaft — wie die französischen Behörden behaupten — durch die Rechtsvorschriften oder die Rechtsprechung ausgeschlossen wird (a).

(119)

Anschließend prüft die Kommission das Vorgehen eines Gläubigers von La Poste im Hinblick auf die Bedienung seiner Forderung für den Fall, dass La Poste in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein und ihre Schulden nicht begleichen können sollte (b). Die Kommission wird untersuchen, ob ein Gläubiger von La Poste bei dem Verfahren in einer vergleichbaren Situation wie ein Gläubiger eines privatrechtlichen Unternehmens wäre.

a)   Entgegen den Behauptungen der französischen Behörden lässt das französische Recht das Bestehen impliziter Bürgschaften und im Besonderen das Bestehen einer Staatsbürgschaft aufgrund des Status des öffentlichen Unternehmens zu

1.   Prüfung des Vorbringens der französischen Behörden  (63)

(120)

Zum Ersten versichern die französischen Behörden, dass weder mit einer Rechtsvorschrift noch durch eine gerichtliche Entscheidung der Grundsatz aufgestellt werde, dass der Staat für die Schulden der EPIC haftet.

(121)

Die Kommission stellt fest, dass selbst dann, wenn eine Staatsbürgschaft zugunsten der EPIC in keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung ausdrücklich vorgesehen wird — und übrigens auch dann, wenn eine Staatsbürgschaft zugunsten der EPIC in keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung ausdrücklich ausgeschlossen wird —, nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine implizite Bürgschaft vorliegt.

(122)

Zum Zweiten habe sich die Rechtsprechung nach Angaben der französischen Behörden insbesondere im Urteil Société de l’hôtel d’Albe  (64) und in der Rechtssache Campoloro  (65) zum Nichtvorliegen von Bürgschaften geäußert.

(123)

Entsprechend den Hinweisen ihrer Sachverständigen stellt die Kommission fest, dass der Conseil d’Etat im Urteil Société de l’hôtel d’Albe nur ablehnt, dem direkt an das Ministerium für öffentliche Arbeiten gerichteten Antrag des Gläubigers stattzugeben. Die Inanspruchnahme einer Bürgschaft setzt die Zahlungsunfähigkeit voraus. Das angeführte Urteil betrifft nicht genau die Situation, in der die Bürgschaft zum Tragen kommen kann. Ein solcher Bürgschaftsmechanismus beinhaltet nicht, dass der Staat auf einfaches Anfordern des Gläubigers verpflichtet ist, die Schulden eines öffentlichen Unternehmens zu begleichen.

(124)

Die Analyse der Kommission zur Rechtssache Campoloro wird in Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses dargelegt. Darin wird aufgezeigt, dass die Rechtssache Campoloro ganz im Gegenteil zeigt, dass das System der Staatshaftung bei der Durchführung von Verfahren zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen alle Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

(125)

Zum Dritten behauptet der Sachverständige der französischen Behörden, dass für die von La Poste seit Inkrafttreten des LOLF am 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten keine impliziten Bürgschaften erhalten werden können. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten, die über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen, räumt der Sachverständige der französischen Behörden ein, dass sich zwei Rechtsauffassungen gegenüberstehen:

nach der ersten Rechtsauffassung würden die auf der Verfassung fußenden Entscheidungsgründe (insbesondere die Gleichheit vor den öffentlichen Lasten und das Eigentumsrecht), die den Conseil constitutionnel (66) veranlasst hätten, die Nichtigkeit von Bürgschaften auszuschließen, deren Gewährung in einem Haushaltsgesetz nicht ausdrücklich genehmigt wurde, für implizite ebenso wie für explizite Bürgschaften gelten. Sollte eine implizite Bürgschaft für die Schulden von La Poste bestehen, würde somit die unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz keine Nichtigkeit dieser Bürgschaft für die von La Poste vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten nach sich ziehen;

nach der zweiten Rechtsauffassung könnten Begünstigte einer angeblichen impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte geltend machen; sollte eine implizite Bürgschaft für die Schulden von La Poste bestehen, würde somit die unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz auch für die vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten zur Nichtigkeit dieser Bürgschaft führen.

(126)

Die Kommission stellt fest, dass der Sachverständige der französischen Behörden einräumt, dass ungewiss ist, ob die unterbliebene Genehmigung einer impliziten Bürgschaft im Haushaltsgesetz die Nichtigkeit der Bürgschaft für die vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten zur Folge hat. Um festzustellen, ob die La Poste vom Staat gewährte implizite Bürgschaft durch das LOLF nichtig geworden ist, muss nach Auffassung der Kommission geprüft werden, seit wann La Poste über diese implizite Bürgschaft verfügt, und nicht, wann La Poste diese Verbindlichkeiten eingegangen ist. Denn bei der hier untersuchten Bürgschaft handelt es sich um eine Staatsbürgschaft, die den Staat und La Poste bindet (die Gläubiger von La Poste sind nur indirekt begünstigt). Im Übrigen bezieht sich die Bürgschaft nicht nur auf die Begleichung einzelner Forderungen (siehe Abschnitt 4.1.1.A dieses Beschlusses), sondern auch auf den Fortbestand des Unternehmens La Poste und/oder seiner Verpflichtungen (siehe Abschnitt 4.1.1.B dieses Beschlusses). Da die implizite staatliche Bürgschaft zugunsten von La Poste schon vor dem 1. Januar 2005 bestand, ist nach Auffassung der Kommission das Vorbringen, es könne seit dem 1. Januar 2005 keine impliziten Bürgschaften mehr geben, nicht stichhaltig.

(127)

In Erwägung 110 seines Urteils vom 25. Juli 2001 zum LOLF (67) führte der Conseil constitutionnel aus, dass die vor Inkrafttreten des LOLF gewährten Bürgschaften, die nicht erfasst wurden, nicht unwirksam sind. Der Sachverständigen der Kommission zufolge trifft diese Argumentation in vollem Umfang auf implizite Bürgschaften zu, die aufgrund des Status der öffentlichen Unternehmen gewährt wurden und noch nicht erfasst worden sein sollten und deshalb gültig bleiben.

(128)

Der Sachverständige der französischen Behörden äußert dennoch Zweifel daran, dass die Entscheidungsgründe, die den Conseil constitutionnel veranlasst haben, die Nichtigkeit der nicht im Haushaltsgesetz genehmigten Bürgschaften auszuschließen, sowohl für implizite als auch für explizite Forderungen gelten. Seiner Ansicht nach können Begünstigte einer impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte wie Begünstigte einer expliziten Bürgschaft geltend machen.

(129)

Abgesehen davon, dass sich das Vorbringen des Sachverständigen der französischen Behörden darauf beschränkt, Zweifel zu äußern, und daher nicht entscheidend ist, stellt die Kommission fest, dass nichts in Erwägung 100 nahe legt, dass nur explizite Bürgschaften nicht nichtig sind. Artikel 61 des LOLF, auf den sich die Erwägung bezieht, beschränkt sich ebenfalls nicht auf explizite Bürgschaften. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die Auffassung des Conseil constitutionnel, dass die Strafe für eine unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz nicht in der Nichtigkeit einer Bürgschaft bestehen könne, für implizite ebenso wie für explizite Brgschaften gilt. Sie vertritt daher die Auffassung, dass eine implizite, La Poste vom Staat gewährte Bürgschaft bei unterbliebener Genehmigung im Haushaltsgesetz nicht unwirksam wird.

(130)

Im Übrigen beschränkt sich der Geltungsbereich der Verpflichtung, staatliche Bürgschaften im Haushaltsgesetz zu erfassen, nach Angaben der Sachverständigen der Kommission auf die „Gewährung“ solcher Bürgschaften. Die Gewährung einer Bürgschaft umfasst die Fälle, in denen der Staat mit ausdrücklicher Willensbekundung beschließt, für eine Einrichtung oder ein Geschäft zu bürgen. Bürgschaften dagegen, die mit einem Status oder einer Verpflichtung durch die Rechtsprechung verbunden sind und sich dadurch auszeichnen, dass sie implizit und automatisch verfügbar sind, fallen nicht unter die Verpflichtung, sie im Haushaltsgesetz zu erwähnen. Diese zweite Kategorie beruht nicht auf einer Entscheidung des Staates, sondern ist die Folge eines bereits bestehenden Rechtsrahmens. Das Bestehen dieser zweiten Kategorie, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 des LOLF fällt, erklärt, dass die Rechtsprechung zur Bürgschaft für Konzessionsinhaber über das Jahr 2001 hinaus fortgilt. Sie erklärt auch, dass der Staat, wenn er Aktionär oder Gesellschafter eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe ist, dessen bzw. deren Haftung für Verbindlichkeiten nicht durch das Handelsrecht beschränkt wird, nicht verpflichtet ist, dies im Haushaltsgesetz anzugeben.

(131)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass das auf dem LOLF fußende Vorbringen der französischen Behörde nicht überzeugend ist und dass die Tatsache, dass in keinem Haushaltsgesetz erwähnt wird, dass der Staat für La Poste aufgrund von deren Status bürgt, das Bestehen einer solchen Bürgschaft nicht ausschließt. Die Kommission betont, dass sie weder an die Einstufung der Maßnahme als Bürgschaft nach dem französischen Recht gebunden ist noch daran, ob es sich um eine Bürgschaft handelt, die unter das LOLF fällt. Relevant ist aus Sicht der Kommission einzig die Einstufung dieser Maßnahme vor dem Hintergrund des Unionsrechts und insbesondere angesichts der Bürgschaftsmitteilung. Die Kommission unterstreicht, dass nach dem Unionsrecht das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft anzunehmen ist, wenn sich ein Mitgliedstaat rechtlich verpflichtet hat, die Forderung einer anderen Person bei deren Nichterfüllung zurückzuzahlen (68).

(132)

Zum Vierten hätten nach Auffassung der französischen Behörden, falls die EPIC über eine Staatsbürgschaft verfügt hätten, bei einer Änderung ihres Status Sicherungsmaßnahmen eingeführt werden müssen, um Ansprüche von Gläubigern aus der Zeit vor der Umwandlung des betreffenden öffentlichen Unternehmens zu wahren. Dass ein solcher Mechanismus nie eingeführt worden sei (siehe insbesondere die Umwandlung von France Télécom, Gaz de France, EDF und ADP) (69), sei ein Beweis dafür, dass keine Bürgschaft vorliege.

(133)

Wie die Sachverständige der Kommission erklärt, beruht eine solche Behauptung auf einer sehr großzügigen Auslegung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentumsrechts. Gemäß dem Vorbringen der französischen Behörden würde der Schutz des Eigentumsrechts es gebieten, dass alle Forderungen erhalten bleiben. Da der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentumsrechts nicht nur öffentliche Unternehmen betrifft, wäre eine solche Auslegung gleichbedeutend damit, dass bei Ereignissen während des Bestehens irgendeines Unternehmens die Forderungen geschützt werden müssen, wenn sie wegen der Entwicklungen vom Ausfall bedroht sind. Nach derzeitigem Stand des positiven französischen Rechts bleiben die Forderungen nun aber nicht erhalten. Eine Beschränkung des Vorbringens auf staatlich verbürgte Forderungen würde bedeuten, dass ein ursprünglich vom Staat garantiertes Eigentumsrecht einen höheren verfassungsmäßigen Schutz als andere Eigentumsrechte genießt. Dem ist nicht so. Schließlich ist eine Forderung ein persönliches Recht, das nicht mit dem Eigentumsrecht verwechselt werden darf, welches seinem Wesen nach ein dingliches Recht ist. Es kann nicht darum gehen, den höheren Schutz, den dingliche Rechte genießen, auf persönliche Rechte auszuweiten.

(134)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass das Eigentumsrecht nicht gebietet, dass besondere Maßnahmen vorgesehen werden, um die Rechte der Gläubiger bei der Umwandlung eines EPIC in eine Gesellschaft, die den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt, zu sichern. Das Nichtbestehen solcher Maßnahmen ist daher kein Beweis für das Nichtvorliegen einer impliziten Bürgschaft.

(135)

Nach Ansicht der französischen Behörden wäre es nicht erforderlich gewesen, eine explizite Bürgschaft für die von der Administration des Postes et Télécommunications eingegangenen Verpflichtungen zu gewähren, die auf La Poste übertragen wurden, wenn Letztere aufgrund ihres Status über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte. Dies sei jedoch mit einem Erlass vom 31. Dezember 1990 geschehen.

(136)

Die Kommission betont, dass die Tatsache, dass die französischen Behörden die Gewährung einer expliziten Bürgschaft beschlossen haben, kein Beweis dafür ist, dass keine implizite Bürgschaft vorgelegen hat. Die gleiche Argumentation gilt für das Vorbringen der französischen Behörden hinsichtlich der Bürgschaft, die der Staat für bestimmte Tätigkeiten der ERAP und der Agence Française du Développement gewährte. Dass der Staat in bestimmten Fällen beschlossen hat, eine explizite Bürgschaft zu gewähren, obwohl bereits eine implizite Bürgschaft bestand, könnte sich mit dem Bestreben um Transparenz und dem Wunsch der Gläubiger nach mehr Rechtssicherheit erklären lassen. Denn nach Ansicht des Sachverständigen der französischen Behörden „könnten Begünstigte einer impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte wie Begünstigte einer expliziten Bürgschaft geltend machen“.

(137)

Schließlich zitieren die französischen Behörden aus einem Artikel (70) von Daniel Labetoulle, dem ehemaligen Präsidenten der Section du contentieux des Conseil d’Etat. Dieser Artikel wird wie auch die Rechtssache Campoloro in dem Abschnitt dieses Beschlusses untersucht, der sich mit dem Auslösen der Staatshaftung befasst (71).

(138)

Die Kommission gelangt zu dem folgenden Schluss:

zum einen wird entgegen den Behauptungen der französischen Behörden mit keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung das Bestehen einer Staatsbürgschaft zugunsten von La Poste ausgeschlossen;

zum anderen wird dadurch, dass diese Bürgschaft in keiner Rechtsvorschrift ausdrücklich vorgesehen wird, das Bestehen einer impliziten Bürgschaft nicht ausgeschlossen.

2.   Das Bestehen impliziter Bürgschaften aufgrund des Status öffentlicher Unternehmen wird in einem Schreiben des Conseil d’Etat bestätigt

(139)

Das Bestehen einer impliziten Bürgschaft aufgrund des Status öffentlicher Unternehmen wird in einem Schreiben des Conseil d’Etat, das 1995 in der Rechtssache Crédit Lyonnais vorgelegt und bereits im Einleitungsbeschluss genannt wurde, bestätigt (72). In diesem Schreiben gründete der Conseil d’Etat eine implizite Bürgschaft allein auf dem Wesen der Einrichtung als öffentliches Unternehmen: „Der Conseil d’Etat vertritt […] die Auffassung, dass die Staatsbürgschaft für den Crédit Lyonnais und das Comptoir des Entrepreneurs anlässlich des Gesetzesentwurfs zum Eingreifen des Staates bei den Sanierungsplänen für diese Unternehmen mangels expliziter gesetzlicher Bestimmungen auf dem Status der Einrichtung als öffentliches Unternehmen beruhen wird“ (73).

(140)

Die Kommission ersuchte die französischen Behörden mehrfach, ihr dieses Schreiben im vollen Wortlaut zu übermitteln.

(141)

Die französischen Behörden antworteten (74), das betreffende Schreiben, das nicht auf Antrag der Regierung erstellt worden sei, sei unter den amtlichen Dokumenten nicht erfasst worden. Nach Angaben der französischen Behörden bestand das von der Kommission angeführte Schreiben nur in dem einen Satz aus dem Jahresbericht.

(142)

Im Übrigen sei diese Stellungnahme nicht auf La Poste übertragbar, da sie sich auf ein öffentliches Unternehmen mit einem staatlichen Rechnungsführer beziehe, der eigens bestellt worden sei, um die Verwaltung der staatlichen Unterstützung bei der Sanierung des Crédit Lyonnais zu gewährleisten; sie stamme aus der Zeit vor dem Organgesetz vom 1. August 2001 betreffend die Haushaltsgesetze (LOLF), und ihre Anwendung stehe im Widerspruch zur späteren Rechtsprechung des Conseil d’Etat.

(143)

Die Kommission stellt fest, dass die Auslegung der französischen Behörden, die Stellungnahme des Conseil d’Etat sei nicht auf La Poste übertragbar, im Widerspruch zum Inhalt dieser Stellungnahme steht. Denn darin nimmt der Conseil d’Etat überhaupt keinen Bezug auf die Aufgaben des Unternehmens. Im Übrigen bezieht er sich auf den Status als öffentliches Unternehmen und nicht auf den Status als öffentliches Unternehmen mit staatlichem Rechnungsführer. Zudem legen die französischen Behörden nicht dar, warum diese Stellungnahme nur für öffentliche Unternehmen mit staatlichem Rechnungsführer gelten soll.

(144)

Was das Vorbringen der französischen Behörden betrifft, die Stellungnahme sei nicht auf La Poste übertragbar, weil sie aus der Zeit vor dem LOLF stamme und im Widerspruch zur späteren Rechtsprechung des Conseil d’Etat stehe, so hat die Kommission oben aufgezeigt, dass das Vorliegen einer impliziten Staatsbürgschaft für La Poste durch das LOLF nicht verhindert wird.

(145)

Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass die Stellungnahme des Conseil d’Etat auf La Poste übertragbar ist und dass der Conseil d’Etat das Vorliegen einer Staatsbürgschaft aufgrund des Status als öffentliches Unternehmen einräumt.

(146)

Im Übrigen wird das Bestehen impliziter Bürgschaften aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsakten, die „finanzielle Folgen für den Staat bewirken und mit sich bringen“, in einem Schreiben des französischen Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Industrie vom 22. Juli 2003 bestätigt, das sich mit der „Erfassung impliziter oder expliziter Bürgschaftsmaßnahmen, die vom Staat gewährt wurden“ befasst. Dieses Schreiben beweist, dass eine Staatsbürgschaft auf ganz unterschiedlichen Rechtsakten beruhen kann (75).

(147)

Die Kommission stellt auch fest, dass die französischen Behörden in einer Erläuterung im Anhang des Schreibens, und zwar in Teil 3 mit der Überschrift „Die Erfahrungen mit dem Abruf von Garantiebeträgen und die Rechtsprechung des Conseil haben es ermöglicht, einige Musterbeispiele für implizite Bürgschaften herauszuarbeiten“ angeben, dass „bestimmte Rechtsformen von ihrem Aufbau her die Haftung ihrer Aktionäre beinhalten, insbesondere die Société en nom collectif (SNC, offene Handelsgesellschaft) und die Groupements d’intérêt économique (GIE, Wirtschaftliche Interessengemeinschaften). Im Fall der beiden letzten Rechtsformen werden sich Dritte systematisch an den Staat als Aktionär wenden. Gleiches gilt für die Gründung öffentlicher Unternehmen und bestimmte Übernahmen von Beteiligungen an Sociétés anonymes (Aktiengesellschaften)“. Die französischen Behörden weisen somit selbst darauf hin, dass die Gründung eines öffentlichen Unternehmens eine implizite Bürgschaft des Staates zugunsten der Gläubiger dieses Unternehmens beinhaltet.

b)   Der Gläubiger von La Poste hat die Sicherheit, dass seine Forderung beglichen wird

(148)

Die Kommission untersucht nun das Vorgehen eines Gläubigers von La Poste im Hinblick auf die Bedienung seiner Forderung für den Fall, dass La Poste in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein und ihre Schulden nicht begleichen können sollte. Die Kommission wird ermitteln, ob ein Gläubiger von La Poste nach Abschluss eines im Voraus festgelegten und veröffentlichten Verfahrens in einer Situation ist, die mit der eines Gläubigers eines privatrechtlichen Unternehmens vergleichbar ist.

(149)

Bei dieser Prüfung wird Folgendes aufgezeigt:

die klassischen Hindernisse, die der Begleichung der Schulden privatrechtlicher Unternehmen im Wege stehen, sind bei öffentlichen Unternehmen nicht gegeben (1);

das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, führt in keinem Fall zum Ausfall der Forderung (2);

die Regelung der Staatshaftung bei der Durchführung des Verfahrens zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen weist alle Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus auf (3);

selbst wenn der Gläubiger nicht befriedigt werden sollte, kann er den begründeten Irrtum beim Zustandekommen der Forderung hinsichtlich der Tatsache, dass sie in jedem Fall beglichen würde, Rechtswirkung entfalten lassen (4).

1.   Die klassischen Hindernisse, die der Begleichung der Schulden privatrechtlicher Unternehmen im Wege stehen, sind bei öffentlichen Unternehmen nicht gegeben

(150)

Wie in der Beschreibung der Maßnahme ausgeführt, unterliegt La Poste nicht den handelsrechtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren für Unternehmen in Schwierigkeiten. Ein Gläubiger von La Poste läuft somit nicht Gefahr, dass seine Forderung infolge der Einleitung eines gerichtlichen Abwicklungsverfahrens ausfällt (76) oder dass seine ursprüngliche Forderung nach Abschluss des handelsrechtlichen Sanierungs- oder Abwicklungsverfahrens nur teilweise befriedigt wird.

(151)

Wie die Sachverständige der Kommission betont, steht die Rechtspersönlichkeit von La Poste dem Vorliegen einer Bürgschaft des französischen Staates nicht im Wege. Denn während die Gesellschafter bei Handelsgesellschaften wie beispielsweise den Sociétés anonymes (SA, Aktiengesellschaften) und Sociétés à responsabilité limitée (SARL, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) nicht verpflichtet sind, die Schulden des Unternehmens, an dem sie beteiligt sind, zurückzuzahlen, gibt es zahlreiche Formen von Gesellschaften oder juristischen Personen, die eine Handelstätigkeit ausüben, bei der die privaten Gesellschafter für die Schulden des gegründeten Unternehmens haften. Dies gilt für Sociétés en nom collectif (offene Handelsgesellschaften), Groupements d’intérêt économique (wirtschaftliche Interessengemeinschaften) und Sociétés civiles (Gesellschaften des bürgerlichen Rechts). Es gibt somit im allgemeinen Recht keinen expliziten Grundsatz im Bereich der Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten. Man kann somit nicht behaupten, dass mangels eines Rechtstextes der Grundsatz gilt, dass für Verbindlichkeiten und Verluste nicht gehaftet wird. Die Unabhängigkeit, die durch die Rechtspersönlichkeit verliehen wird, und das Bestehen von Eigenkapital sind nach französischem Recht kein Kriterium, aus dem auf die Haftungsregelung für die von einer juristischen Person eingegangenen Verbindlichkeiten geschlossen werden kann. Auch lässt sich aus den bisherigen Ausführungen ableiten, dass nichts den Gesetzgeber daran hindern würde vorzusehen, dass ein öffentliches Unternehmen von einer öffentlichen Person gegründet werden kann, die nur bis zur Höhe ihrer Einlage oder ihrer anfänglichen Kapitalzuführung für Verluste aufkommen würde.

(152)

Die Sachverständige der Kommission hat diese Argumentation weitergeführt und untersucht, ob es im allgemeinen Recht einen (impliziten) Grundsatz im Bereich der Haftung für Schulden gibt, wenn die Gesellschafter oder Mitglieder eines Unternehmens keinem vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmen unterliegen, und die Antwort in den Artikeln 1871 ff. Code civil (französisches Zivilgesetzbuch) gefunden. Diese Artikel befassen sich mit Gesellschaftern, die ihre Gesellschaft nicht eingetragen haben. Artikel 1871-1 Code civil sieht den folgenden Mechanismus vor: „Sofern keine andere Organisation vorgesehen wurde, gelten für das Innenverhältnis die Bestimmungen für die Société civile, wenn die Gesellschaft bürgerlich-rechtlichen Charakter hat, bzw. die Bestimmungen für die Sociétés en nom collectif, wenn ein Handelsgewerbe betrieben wird“. Nun wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Sociétés civiles und die Sociétés en nom collectif zu den juristischen Personen zählen, deren Gesellschafter für Verbindlichkeiten unbeschränkt haften. Die Sachverständige folgert daraus, dass, falls ein Grundsatz nach allgemeinem Recht zutage treten sollte, dies ein Grundsatz der Haftung für die Schulden der juristischen Personen, die man gründet, wäre.

(153)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 bestreiten die französischen Behörden diese Schlussfolgerung. Sie fuße auf keinem Rechtstext, da Artikel 1871-1 Code civil, auf den verwiesen werde, das Innen- und nicht das Außenverhältnis betreffe. Daraus, dass Rechtstexte nichts dazu enthalten, könne kein Haftungsgrundsatz abgeleitet werden, es sei denn, man verletzte die Verfahrensrechte nach französischem Recht wie nach Unionsrecht.

(154)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass nach Artikel 1872-1 Code civil jeder Gesellschafter einer nicht eingetragenen Gesellschaft in eigenem Namen Geschäfte abschließt und gegenüber Dritten allein verpflichtet ist. Jeder Gesellschafter haftet somit unbeschränkt für die Verbindlichkeiten, die er eingegangen ist. Natürlich leitet die Kommission aus dieser Erwägung allein nicht ab, dass der Staat für die Schulden von La Poste haftet, vertritt jedoch die Auffassung, dass das Argument ihrer Sachverständigen, dass, falls ein Grundsatz nach allgemeinem Recht zutage treten sollte, dies ein Haftungsgrundsatz wäre, durch das Vorbringen der französischen Behörden nicht entkräftet wird. Im Übrigen weist die Kommission darauf hin, dass die französischen Behörden in den Erläuterungen im Anhang des Schreibens des Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Industrie vom 22. Juli 2003 (77) selbst Parallelen zwischen der Haftung des Aktionärs bei der SNC und der Haftung des Staates bei öffentlichen Unternehmen ziehen.

(155)

Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

Im Gegensatz zu den Gläubigern der dem Handelsrecht unterliegenden Unternehmen laufen die Gläubiger von La Poste (da diese nicht den handelsrechtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren für Unternehmen in Schwierigkeiten unterliegt) nicht Gefahr, dass ihre Forderungen nach einem gerichtlichen Abwicklungsverfahren vollständig oder teilweise ausfallen.

Die Rechtspersönlichkeit von La Poste steht einer staatlichen Bürgschaft zugunsten von La Poste nicht im Wege.

Da die Haftung des Staates für La Poste nicht explizit beschränkt wird, können sich die Gläubiger von La Poste zu Recht auf den Grundsatz stützen, dass der Staat für die Schulden von La Poste aufkommt, obwohl La Poste Rechtspersönlichkeit besitzt.

2.   Das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, führt in keinem Fall zum Ausfall der Forderung

(156)

Im Folgenden untersucht die Kommission das Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die von einem Gericht verurteilt wurden, um zu ermitteln, ob dieses Verfahren, wie die französischen Behörden behaupten, zu einem Ausfall der Forderung gegenüber La Poste und somit für den Gläubiger zu dem gleichen Ergebnis wie die gerichtlichen Verfahren nach allgemeinem Recht führen kann. Dieses Verfahren wurde mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und mit verschiedenen Durchführungsbestimmungen (78) eingeführt, die in diesem Beschluss im Zusammenhang mit der Beschreibung der Maßnahme aufgeführt sind.

i)   Das Gesetz vom 16. Juli 1980 verleiht dem Staat wichtige Befugnisse: die Zahlungsanweisung von Amts wegen und das Erschließen ausreichender Mittel

(157)

Wie in der Beschreibung der Maßnahme angegeben, sieht das Gesetz vom 16. Juli 1980 Folgendes vor: „wenn das Beschlussfassungsorgan der Körperschaft oder des Unternehmens diese Mittel nicht bereitgestellt oder erschlossen hat, trägt […] die Aufsichtsbehörde dafür Sorge und nimmt gegebenenfalls die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor“. Zudem wird im Dekret vom 12. Mai 1981, das in diesem Punkt durch das Dekret von 2008 nicht geändert wird, präzisiert, dass der Vertreter des Staates oder die zuständige Aufsichtsbehörde die Mittel gegebenenfalls bereitstellt, indem er bzw. sie „die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“.

(158)

Im Gesetz vom 16. Juli 1980 und in seinen Durchführungsbestimmungen wird als zuständige Behörde für die Einziehung der Schulden öffentlicher Unternehmen ausdrücklich der Staat genannt. Zudem werden ihm wichtige Befugnisse übertragen: die Zahlungsanweisung von Amts wegen und das Erschließen ausreichender Mittel.

(159)

Die französischen Behörden weisen den Gedanken, diese Mittel könnten staatliche Mittel sein, zurück. Wie im Abschnitt zu den Stellungnahmen des Mitgliedstaats ausgeführt (79), behaupten die französischen Behörden, dass der Aufsichtsbehörde mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 nur ein Eintrittsrecht eingeräumt werde. Daher könne die Aufsichtsbehörde nur die Zuständigkeiten dieses Exekutivorgans wahrnehmen; die Möglichkeit, über den Staatshaushalt zu verfügen, gehöre nicht dazu. Zur Stützung dieser Auslegung werden die vorbereitenden Arbeiten des Gesetzes vom 16. Juli 1980, rechtswissenschaftliche Aufsätze und die Entscheidungen des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro angeführt. Die französischen Behörden erkennen dennoch an, dass das Gesetz von 1980 eine finanzielle Intervention des Staates zur Unterstützung des betreffenden öffentlichen Unternehmens nicht verbietet.

(160)

Die Kommission erkennt an, dass die Texte keine ausdrückliche Verpflichtung für den Staat enthalten, bei finanziellen Schwierigkeiten außerordentliche Subventionen an ein öffentliches Unternehmen zu zahlen. Die Beweisführung für das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft entkräftet dies jedoch nicht.

(161)

Die Kommission erkennt auch an, dass die Mittel zunächst aus den eigenen Mitteln des Unternehmens bereitzustellen sind. Dennoch ist festzustellen, dass die Schulden des öffentlichen Unternehmens nach dem Versiegen der Eigenmittel nur aus staatlichen Mitteln beglichen werden können (80). Diese Feststellung steht im Einklang mit der Tatsache, dass ein Bürgschaftsmechanismus subsidiär ist, d. h. dass vor den Ressourcen des Bürgen die Ressourcen des Schuldners mobilisiert werden müssen.

ii)   Im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen ist kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren mit Ausfall der Verbindlichkeiten vorgesehen; die Unzulänglichkeit der Mittel ist gedeckt oder besteht nur vorübergehend

(162)

Im Folgenden untersucht die Kommission die Auslegung der französischen Behörden, der zufolge die Forderungen bestimmter Gläubiger nach dem im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahren ohne Rechtsbehelf ausfallen könnten (81) und die Gläubiger in einer Situation wären, die mit der Situation der Gläubiger eines den gerichtlichen Verfahren unterliegenden Unternehmens vergleichbar sei.

(163)

Die Sachverständige der Kommission (82) betont, dass das Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen dafür sprechen, dass bei Unzulänglichkeit der Mittel nur zwei Fälle in Betracht kommen: entweder die Aufsichtsbehörde stellt die erforderlichen Mittel bereit oder die Zahlung wird aufgeschoben. Zu keinem Zeitpunkt ist die Rede davon, dass das Verfahren bei anhaltender Unzulänglichkeit der Mittel beendet würde.

(164)

Denn die Situation der Unzulänglichkeit der Mittel ist zwar im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen vorgesehen, wird aber nur als vorübergehend betrachtet, bis zusätzliche Mittel erschlossen sind, was in den Texten als einzig möglicher Ausgang in Betracht gezogen wird. Zu keiner Zeit wird in Betracht gezogen, dass zusätzliche Mittel nicht oder nicht in ausreichende Maße erschlossen werden können. Den Texten zufolge nimmt die zuständige Behörde nach Erschließung der Mittel die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor. In dem genannten Rundschreiben aus dem Jahr 1989 wird noch näher auf die Unzulänglichkeit der Mittel eingegangen und darauf hingewiesen, dass diese nur vorübergehend sein darf, da dem Gläubiger in diesem Fall der Restbetrag, der erst zu einem späteren Zeitpunkt angewiesen wird, genannt werden muss. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission können „die Gläubiger bei Auswertung der Texte sicher sein, dass ihre Forderung, wenn nicht sofort, dann zu einem späteren Zeitpunkt beglichen wird“.

(165)

Weiterhin stellt die Sachverständige der Kommission zu Recht fest, dass das im französischen Recht vorgesehene Verfahren nur ein Forderungsbeitreibungsverfahren ist und dass ein Abwicklungsverfahren ausgeschlossen ist. Bei privatwirtschaftlichen Unternehmen ist die Zahlungseinstellung kraft rechtlicher Bestimmungen mit der Abwicklung verbunden. Eine drohende Zahlungseinstellung kann somit ein Erhaltungsverfahren (procédure de sauvegarde) (83) auslösen, und die gerichtliche Abwicklung wird ausdrücklich als Folge der Zahlungseinstellung dargestellt (84). Bei öffentlichen Personen im Allgemeinen und öffentlichen Unternehmen im Besonderen geben dagegen Gesetzgeber und Rechtsetzer dadurch, dass sie die Zahlungseinstellung verschleiern und in keiner Weise mit der Abwicklung verbinden, den Gläubigern zu verstehen, dass ihre Forderungen in voller Höhe beglichen werden, gegebenenfalls von einem Dritten wie dem Staat.

(166)

Schließlich stellt die Sachverständige der Kommission fest, dass die französischen Behörden im Zuge der nach dem Erlass des Einleitungsbeschlusses erfolgten Reform von 2008 nicht präzisiert haben, dass es sich bei den bereitzustellenden Mitteln um Eigenmittel des öffentlichen Unternehmens handeln muss und dass sie keine staatlichen Mittel beinhalten dürfen. Eine solche Präzisierung hätte jedoch zu einer Zeit, als die Kommission in den eingeleiteten Verfahren mit der lückenhaften Formulierung der Texte ausdrücklich eine staatliche Bürgschaft in Verbindung brachte, ein deutliches Signal gegenüber den Gläubigern setzen können. Dass die gebotene Klärung nicht erfolgt ist, ist eine weitere Bestätigung dafür, dass der Staat die Tatsache, dass er selbst die erforderlichen Mittel bereitstellen könnte, nicht dementieren möchte.

(167)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 vertreten die französischen Behörden, dass die Behauptung der Sachverständigen der Kommission, dass „die Gläubiger bei Auswertung der Texte sicher sein [können], dass ihre Forderung, wenn nicht sofort, dann zu einem späteren Zeitpunkt beglichen wird“, auf einer voreingenommenen Auswertung der Texte beruhe, welche — abgesehen von der Tatsache, dass es sich um untergeordnete Texte (Rundschreiben) handle — in keiner Weise beweisen würden, dass Mittel des Unternehmens durch staatliche Mittel ersetzt würden. Es sei nicht verboten, öffentliche Unternehmen, deren Gläubiger keine Begleichung ihrer Forderungen erwirken könnten stillzulegen. Im Übrigen vertreten die französischen Behörden die Auffassung, dass nicht automatisch eine Zahlungseinstellung vorliege, wenn öffentliche Unternehmen Forderungen nicht begleichen könnten.

(168)

Die Kommission wird nun prüfen, ob es rechtlich möglich ist, dass ein mit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung einer Geldsumme verurteiltes öffentliches Unternehmen stillgelegt und die Forderung nie beglichen wird, wie die französischen Behörden behaupten. Der Staat ist an die Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 und seiner Durchführungsbestimmungen gebunden. In dem für den Gläubiger ungünstigsten Fall führen diese Texte dazu, dass der Staat dem Gläubiger den erst zu einem späteren Zeitpunkt angewiesenen Restbetrag nennt. Gesetzt den Fall, dass darauf keine Rückzahlung folgt, hat der Gläubiger noch immer die Möglichkeit (dieser Punkt wird in Abschnitt 3 dieses Beschlusses ausgeführt), den Staat in Haftung zu nehmen. Unter diesen Umständen würde der theoretische Fall einer Stilllegung in jedem Fall nicht zum Ausfall der Schulden führen. Im Übrigen haben die französischen Behörden kein konkretes Beispiel für einen solchen Fall angeführt.

(169)

Auf der Grundlage dieser Fakten gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

Das besondere Verfahren gemäß dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen ist nur ein Forderungsbeitreibungsverfahren und schließt ein Abwicklungsverfahren aus; nach Abschluss des Verfahrens ist die Forderung nicht ausgefallen, während es den Gläubigern beim Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht nicht möglich ist, nach dem Urteil über die straffreie Einstellung des Verfahrens mangels Masse wieder gegen die Schuldner vorzugehen.

Dadurch, dass im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen der Aufschub der Zahlungsanweisung vorgesehen und eine Zahlungseinstellung nicht in Betracht gezogen wird, geben diese Texte den Gläubigern Anlass zu der Vermutung, dass die notwendigen Mittel zur Bedienung der Forderung, die sie gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts haben, immer bestehen oder bestehen werden.

Daraus folgt, dass die Unzulänglichkeit der Mittel — gegebenenfalls durch den Staat — gedeckt wird oder nur vorübergehend besteht. Kein Abwicklungsverfahren sieht dagegen die Möglichkeit vor, dass ein Dritter für die Schulden der zahlungsunfähigen Person haftpflichtig wird, außer natürlich, wenn es sich um einen Bürgen oder um eine Société à responsabilité illimitée handelt.

iii)   Die außerordentliche Subvention des Staates, die es dem öffentlichen Unternehmen ermöglichen soll, seinen Verpflichtungen nachzukommen, ist in Betracht zu ziehen und wird in einigen Texten tatsächlich in Betracht gezogen

(170)

Hierzu stellt die Sachverständige der Kommission Folgendes fest:

α)   […] (41)

(171)

Ohne dass diese Beweisführung notwendig ist, um zu beweisen, dass es sich bei der Bürgschaft aufgrund des Status von La Poste um eine staatliche Beihilfe handelt, stellt die Kommission fest, dass die Eigenmittel, die diese im Fall unzureichender Mittel mobilisieren könnte, beschränkt sind. Denn sowohl für die Veräußerung von Vermögensgegenständen (85) als auch für die Erhöhung der Preise für den postalischen Universaldienst (86) setzt der französische Gesetzgeber enge Grenzen. Die Schwierigkeiten, zusätzliche Eigenmittel zu mobilisieren, um Verbindlichkeiten nachzukommen, verstärkt die Notwendigkeit staatlicher Interventionen im Fall der Unzulänglichkeit der Mittel. Zum einen nimmt gemäß dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße mit der Unmöglichkeit, Mittel durch Veräußerung von Vermögensgegenständen zu mobilisieren, auch die Häufigkeit der Inanspruchnahme anderer Garantiemechanismen (Vorauszahlungen, Staatshaftung usw.) zu. Zum anderen könnte die Anordnung einer Regelung zum Schutz der Vermögensgegenstände durch den Gesetzgeber dem Streit über die verschuldensunabhängige Haftung des Staates bei einem etwaigen Ausfall von La Poste Nahrung geben (87).

(172)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 bestreiten die französischen Behörden die „Unmöglichkeit“ für La Poste, Eigenmittel zu mobilisieren:

was die Veräußerung von Vermögensgegenständen betreffe, liege es im Ermessen des Staates, einen Vermögensgegenstand als für die Leistung der Daseinsvorsorge „unverzichtbar“ oder nicht zu erachten; selbst wenn er sich einer solchen Veräußerung widersetzen sollte, würde dies zudem in keiner Weise beinhalten, dass er dies durch Garantiemechanismen ausgleichen müsse. Schließlich habe sich der Staat in der Praxis nie einer Veräußerung von Vermögensgegenständen auf der Grundlage von Artikel 23 des Gesetzes vom 2. Juli 1990 widersetzt, das im Übrigen dadurch, dass La Poste im Jahr 2005 nahezu ihr gesamtes Immobilienvermögens (einschließlich der Postfilialen) in eine Tochtergesellschaft eingebracht habe, die nicht unter diese Regelung der vorherigen Genehmigung falle, ungebräuchlich geworden sei;

zur Erhöhung der Preise für die Leistungen des postalischen Universaldienstes teilen die französischen Behörden mit, dass ARCEP die Preise nicht festsetze, sondern lediglich für die regulierten Tätigkeiten von La Poste ein Price cap vorgebe, unter dem sich die Preise von La Poste frei entwickeln könnten (mit Ausnahme des Preises für Briefmarken, der per Erlass des Postministers unter Beachtung des Price cap per Erlass festgesetzt werde); im Übrigen könne man sich denken, dass ARCEP kaum eine Preiserhöhung verweigern würde, die für den Fortbestand des Unternehmens und seiner öffentlichen Aufgaben unverzichtbar wäre. Schließlich betreffe dieses Price cap nur den regulierten Bereich, auf den weniger als die Hälfte des Betriebsergebnisses der Gruppe La Poste entfalle.

(173)

Die Kommission nimmt die Ausführungen der französischen Behörden zur Kenntnis und merkt hierzu Folgendes an:

die französischen Behörden behaupten, dass selbst dann, wenn sich der Staat einer Veräußerung widersetzen würde, dies keine Bürgschaft beinhalten würde. Dennoch räumten sie ein (auch wenn sie bestreiten, dass La Poste daraus ein Vorteil entsteht), dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gebunden ist (88), was die verschuldensunabhängige Haftung des Staates wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentliche Lasten auslösen könnte, wie im Folgenden bewiesen wird (89);

da sich ein Gläubiger von La Poste zur Beitreibung seiner Forderung nicht an ein anderes Unternehmen der Gruppe La Poste wenden könnte, muss der Anteil des regulierten Bereichs und des reservierten Bereichs am Umsatz von La Poste und nicht am Umsatz der Gruppe La Poste gemessen werden. Angesichts des Bereichs der Regulierung in Frankreich (90) ist klar, dass die regulierten Leistungen den überwiegenden Teil der Tätigkeiten des öffentlichen Unternehmens La Poste ausmachen. Die Preisgestaltung für einen Großteil der Tätigkeiten von La Poste unterliegt somit einem Price cap; zudem werden die Preise für den reservierten Bereich per Ministerialerlass festgesetzt.

β)   Bestimmte Aufgaben und Programme des Staatshaushalts könnten genutzt werden, um einem öffentlichen Unternehmen zu helfen, seine Schulden zurückzuzahlen

(174)

Die Sachverständige der Kommission hat die folgenden Programme ermittelt:

Programm Nr. 823, Vorschüsse für vom Staat unabhängige Einrichtungen, die öffentliche Dienstleistungen übernehmen: Ziel ist es, „dem Staat zu ermöglichen, einigen vom Staat unabhängigen Einrichtungen, die öffentliche Dienstleistungen übernehmen, Vorschüsse zu gewähren“ (91). „Mit diesen Vorschüssen soll auf Notlagen reagiert werden, gleich ob es darum geht, den Fortbestand der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, oder darum, die eine oder andere Maßnahme schneller umzusetzen. Sie ermöglichen auch die vorläufige Deckung eines unvorhergesehenen Kapitalbedarfs, die später aus dauerhaften Mitteln nachhaltig sichergestellt werden muss. Sie ermöglichen es somit, eine Finanzierung durch Banken oder den Markt zu vermeiden, und gleichzeitig, einer weiteren Zerstückelung der Schulden der öffentlichen Verwaltungen oder einem Anstieg ihrer Zinslast vorzubeugen“.

zur Aufgabe „Finanzielle Beteiligungen des Staates“ gehören die beiden Programme „Kapitaltransaktionen betreffend die finanziellen Beteiligungen des Staates“ (Programm Nr. 731) und „Entschuldung des Staates und der öffentlichen Unternehmen des Staats“ (Programm Nr. 732). Die Maßnahme Nr. 01 dieses Programms umfasst „Kapitalerhöhungen, Ausstattung mit Eigenmitteln, Aktionärsvorschüsse und ähnliche Ausleihungen“.

(175)

Für diese Vorschüsse sind umfassende Mittel vorgesehen. Im Rahmen des Programms Nr. 731 ist ausdrücklich eine Reserve von 85 Mio. EUR vorgesehen. Die Zahlungsermächtigungen der Maßnahme Nr. 01 des Programms Nr. 732 belaufen sich auf 660 Mio. EUR. Die Zahlungsermächtigungen des Programms Nr. 823 belaufen sich dagegen auf 50 Mio. EUR.

(176)

Bei finanziellen Schwierigkeiten von La Poste könnte der Staat diese Programme in Anspruch nehmen, um La Poste zu helfen. Denn kein Text schränkt die Möglichkeiten der Gewährung von Vorschüssen an EPIC ein, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und auf einem wettbewerbsbestimmten Markt tätig sind.

(177)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 gaben die französischen Behörden an, nie bestritten zu haben, dass öffentliche Unternehmen Vorschüsse des Staates erhalten könnten, die im Übrigen explizit seien, dass dies jedoch kein Ziehungsrecht der öffentlichen Unternehmen beinhalte; wie von der Sachverständigen der Kommission angegeben worden sei, könnten alle finanziellen Beteiligungen des Staates, gleich welche Rechtsform sie hätten, Aktionärsvorschüsse erhalten, so dass man daraus nicht den Schluss ziehen dürfe, dass dies nur für EPIC gelte. Zudem und entgegen den Behauptungen der Sachverständigen der Kommission würden bei diesen Vorschüssen die unionsrechtlichen Verpflichtungen umfassend berücksichtigt, da nach dem Prinzip des umsichtigen Kapitalgebers verfahren werde.

(178)

Die Kommission gelangt zu dem folgenden Schluss:

Nach den französischen Rechtsvorschriften wird der Staat berechtigt bzw. sogar darin bestärkt, bei unzureichenden Mitteln Mittelzuführungen an öffentliche Unternehmen zu gestatten, bevor diese klassische Bankdarlehen in Anspruch nehmen müssen. Der Zugang zu diesen Mitteln wird nicht durch die vorherige Einhaltung der Vorschriften für staatliche Beihilfen bedingt; diese Mittelzuführungen können die im Gesetz vom 16. Juli 1980 genannten „zusätzlichen Mittel“ darstellen.

Diese Texte sind den Gläubigern bekannt, die somit berechtigterweise annehmen können, dass die Aufsichtsbehörde in der Lage ist, die zur Bedienung ihrer Forderung notwendigen Mittel zu beschaffen.

La Poste verfügt jedoch über kein Ziehungsrecht für diese Mittel.

(179)

In der Erwägung, dass:

im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren mit einem Wegfall der Rechte und Verpflichtungen vorgesehen wird;

im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen nicht in Betracht gezogen wird, dass die Mittel nicht bereitgestellt werden können;

die Haushaltsunterlagen zeigen, dass den EPIC bei dringendem Kapitalbedarf außerordentliche Vorschüsse gewährt werden können,

ist es nach Auffassung der Kommission recht unwahrscheinlich, dass bei der Anwendung der Verfahren des Gesetzes vom 16. Juli 1980 eine Forderung eines Gläubigers ausfällt.

(180)

Die Kommission hat jedoch keinen direkten Zugang der öffentlichen Unternehmen zu den Konten der Staatskasse festgestellt, wobei unter „direktem Zugang“ die Möglichkeit zu verstehen ist, dass ein EPIC selbst entscheidet, staatliche und ihm zur Verfügung gestellte Mittel in Anspruch zu nehmen, ohne dass ein Mitwirken des Staates erforderlich wäre.

iv)   Der Vorschlag der französischen Behörden zur Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 ist unzureichend

(181)

Die Kommission betont zunächst, dass die französischen Behörden das Gesetz vom 16. Juli 1980, das in diesem Abschnitt analysiert wird, nicht geändert haben. Bei der Prüfung, ob eine Bürgschaft für La Poste vorliegt, muss unbedingt das positive Recht zugrunde gelegt werden und nicht, ob die Vorschläge der französischen Behörden, die nie bestätigt wurden, geeignet sind oder nicht, Bürgschaften auszuschließen. Mit der in diesem Abschnitt geführten Analyse der Kommission soll daher das Verfahren, das vor der Kommission abgelaufen ist, umfassend beschrieben werden.

(182)

Um festzulegen, dass die von der Aufsichtsbehörde bereitgestellten Mittel nur aus den Mitteln der Körperschaft oder des Unternehmens kommen können, schlugen die französischen Behörden vor, die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 wie folgt zu fassen: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“ (Änderungen in kursiver Schrift).

(183)

Die Kommission betont jedoch wie unter Randnummer 58 des Einleitungsbeschlusses, dass die Texte weder in ihrer jetzigen noch in der gemäß dem Vorschlag der französischen Behörden geänderten Fassung ausschließen, dass die Mittel durch eine Erhöhung der Ressourcen bereitgestellt werden, die zuvor durch eine Subvention oder Kapitalspritze aus öffentlichen Mitteln ermöglicht wurde.

(184)

Die Kommission wird nun die Rechtsbehelfe prüfen, die dem Gläubiger für den unwahrscheinlichen Fall, dass das im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehene Verfahren keine Bedienung seiner Forderung ermöglichen würde, verbleiben würden. Die Kommission wird insbesondere die Regelung der Staatshaftung untersuchen, um zu ermitteln, ob sie die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

3.   Die Regelung der Staatshaftung bei der Durchführung des Verfahrens zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen weist die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus auf

(185)

Den französischen Behörden zufolge kann die Haftung des Staates grundsätzlich nicht ausgelöst werden, sei es wegen eines Verschuldens, sei es verschuldensunabhängig (92). Die französischen Behörden erkennen jedoch an, dass ein Richter, wenn ein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben sein sollte und der Vertreter des Staates bei der Durchführung des im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahrens an dieses Erfordernis gebunden sein sollte, die Entschädigung des Gläubigers anordnen könnte. In diesem Fall hätte die Entschädigung jedoch nur zur Folge, dass der Gläubiger wieder in die Lage versetzt würde, in der er nach allgemeinem Recht gewesen wäre; dem Gläubiger entstünde somit kein Vorteil.

(186)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass die Gläubiger, zumindest die nicht bevorrechtigten Gläubiger, nach allgemeinem Recht in der Regel nicht ihre gesamte Forderung zurückerhalten. Zudem werden die Schulden des abgewickelten Unternehmens nicht von einem Dritten bezahlt, was hier der Fall ist.

(187)

Die französischen Behörden behaupten weiter, dass die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern durch die Inanspruchnahme der Haftung offenstehen, einer Bürgschaftsform nicht gleichgestellt werden können.

(188)

Die Kommission vertritt dennoch die Auffassung, was sie im Folgenden beweisen wird, dass das Auslösen der Haftung des Staates (verschuldensabhängig oder -unabhängig) bei der Durchführung des im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahrens zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Personen einem Bürgschaftsmechanismus im Sinne des Unionsrechts gleichkommt, da diese Haftung den Gläubigern die Begleichung ihrer Forderung zusichert, indem sie den Staat verpflichtet, die Forderung bei einem Ausfall von La Poste zu bedienen. Zudem ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Campoloro auf eine automatische Bürgschaft gerichtet. Obwohl es ihnen freistand, haben die französischen Behörden diese Haftungs- oder Bürgschaftsmechanismen nicht eingeschränkt.

i)   Frühere Rechtsprechung: Eine Demonstration der Spezifizität der mit der Rechtssache Campoloro eingeführten Regelung

(189)

Wie die Sachverständige betont, unterschied das Verwaltungsgericht, wenn ein Gläubiger eines dem Gesetz vom 16. Juli 1980 unterliegenden Unternehmens den Staat aufgrund der in diesem Gesetz vorgesehenen Befugnisse in Haftung nahm, vor der Rechtssache Campoloro (die weiter unten untersucht wird) zwei Schadensarten. Zum einen entstand dem Gläubiger ein Schaden wegen der unterbliebenen Begleichung seiner Forderung, für den allein die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ursächlich war. Zum anderen konnte dem Gläubiger infolge der Nichterfüllungen bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Staates (Verzug, böser Wille, Weigerung, die Verfahren einzuleiten, teilweise Einleitung der Verfahren usw.) ein weiterer Schaden entstehen. Dieser zweite Schaden ließ sich nicht anhand der Höhe der Schuld bemessen, sondern eher anhand der Kosten des Verzugs oder der Weigerung, von den im Gesetz vorgesehenen Befugnissen Gebrauch zu machen. Diese Haltung nahm der Cour administrative d’appel von Lyon in der Rechtssache Campoloro an (93).

ii)   Das Urteil des Conseil d’Etat aus dem Jahr 2005 in der Rechtssache Campoloro

(190)

Der Sachverständigen der Kommission zufolge stellt das Urteil des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro insofern einen ersten Wendepunkt dar, als eine der vorgesehenen Hypothesen streng genommen kein Haftungsfall mehr ist, sondern wie ein Bürgschaftsmechanismus wirkt.

(191)

Hinzuweisen ist zunächst auf den prinzipiellen Erwägungsgrund des Urteils des Conseil d’Etat de Section Nr. 271898 vom 18. November 2005 in der Sache Société fermière de Campoloro:

„In der Erwägung, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen dem Vertreter des Staates bei Nichterfüllung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung seitens einer Gebietskörperschaft und nach Inverzugsetzung die Befugnis geben wollte, an die Stelle der Organe dieser Körperschaft zu treten, um die zur umfassenden Erfüllung dieser gerichtlichen Entscheidung erforderlichen Mittel bereitzustellen oder zu erschließen; dass es ihm dazu, unter der Aufsicht des Gerichts, obliegt, unter Berücksichtigung der Situation der Gebietskörperschaft und der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; dass zu diesen Maßnahmen die Möglichkeit gehört, Vermögensgegenstände der Gebietskörperschaft zu veräußern, wenn diese für das reibungslose Funktionieren der öffentlichen Aufgaben, für die sie zuständig ist, nicht unverzichtbar sind; dass der Gläubiger der Gebietskörperschaft, wenn der Präfekt es unterlässt oder versäumt, die ihm vom Gesetz gegebenen Befugnisse wahrzunehmen, berechtigt ist, sich bei grobem Verschulden bei der Ausübung der staatlichen Aufsicht an den Staat zu wenden; dass zudem in dem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden die Haftung des Staates auslösen kann, wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“.

(192)

Damit führt der Conseil d’Etat einen zweistufigen Mechanismus ein.

(193)

Zunächst führt er eine Regelung für die Staatshaftung ein, die allein auf einer unterbliebenen Wahrnehmung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen eingeführten Befugnisse gründet. Es handelt sich um eine Haftung wegen groben Verschuldens. Die Wahl des groben Verschuldens liegt darin begründet, dass die Schulden der Schuldnergebietskörperschaft nicht automatisch auf den Staat übertragen werden sollen. Ein sachkundiger Kommentar hierzu (94): „Wenn der Präfekt Maßnahmen ergreift, um zu versuchen, zusätzliche Mittel bereitzustellen, diese Maßnahmen sich jedoch angesichts des Ausmaßes der Schulden der Gemeinde als unzureichend erweisen, wird das Gericht wahrscheinlich darauf erkennen, dass kein grobes Verschulden vorliegt“. Hier liegt die „klassische“ Haftung wegen groben Verschuldens vor, die nicht wie ein Bürgschaftsmechanismus im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnereinrichtung wirkt, weil die Zahlungsunfähigkeit dadurch nicht abgewendet werden kann.

(194)

Darüber hinaus wird im Urteil das Auslösen einer verschuldensunabhängigen Haftung in zwei Fällen vorgesehen.

(195)

Im ersten Fall hat der Präfekt „aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig […] verweigern können“. Hier liegt der klassische Fall der Unterlassung der Verwaltung aus Gründen des Allgemeininteresses vor, der die Haftung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten auslöst. Der Schuldner ist theoretisch nicht zahlungsunfähig, aber der Staat beschließt, sein Mittelpotenzial aus Gründen des Allgemeininteresses nicht auszuschöpfen. Diese Situation lässt keinen Bürgschaftsmechanismus erkennen, denn der Schaden für den Gläubiger beruht auf einer Entscheidung des Staates und nicht auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Folgen gleichen jedoch denen eines Bürgschaftsmechanismus.

(196)

Der zweite Fall der verschuldensunabhängigen Haftung kommt dem Bürgschaftsmechanismus dagegen näher. Der Conseil d’Etat entscheidet, dass „[…] in dem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel […], das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden die Haftung des Staates auslösen kann, wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“. Das haftungsbegründende Ereignis ist allein die finanzielle Situation der Körperschaft als Schuldner. Die Wahl einer verschuldensunabhängigen Haftungsregelung verringert die auf dem Gläubiger ruhende Beweislast, da dieser einfach die Ursache, die Kausalität und den Schaden beweisen muss.

(197)

Der Sachverständigen der Kommission zufolge treten zwei Ähnlichkeiten zwischen dieser Haftungsregelung und einer Bürgschaftsregelung zutage. Zunächst ist das haftungsbegründende Ereignis nicht objektiv dem Staat zurechenbar, weil es sich um die Situation der Schuldnereinrichtung handelt. Diese Haftungsregelung beruht auf dem gleichen Ereignis wie der Bürgschaftsmechanismus, d. h. der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Weiterhin scheint der Schaden, auf den der Conseil d’Etat Bezug nimmt, mangels weiterer Angaben in der Nichtbegleichung der Schuld selbst zu bestehen, ein Ereignis, das auch die Bürgschaft auslöst.

(198)

Der Conseil d’Etat schränkt allerdings das Auslösen der Staatshaftung auf außergewöhnliche und besondere Schäden ein. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission kann man im Hinblick auf die Außergewöhnlichkeit des Schadens im Ausschlussverfahren vorgehen. Die Forderung ist entweder gering, was zu der Annahme berechtigt, dass sie ein staatliches Unternehmen (insbesondere La Poste) nicht in die Zahlungsfähigkeit stürzen wird. Oder die Forderung ist sehr hoch, woraus sich die Außergewöhnlichkeit des Schadens ergibt. Im Hinblick auf die Besonderheit des Schadens ist anzunehmen, dass nicht viele Gläubiger hohe Forderungen gegenüber öffentlichen Unternehmen haben. Die mit dem Urteil des Conseil d’Etat eingeführte Beschränkung ist insofern nicht wirklich eine, als anzunehmen ist, dass nur die Situation hoher Forderungen wirklich betroffen ist, in der immer ein außergewöhnlich schwerer Schaden vorliegen wird.

(199)

Diese Auslegung wurde im Übrigen auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur berücksichtigt. So der (bereits genannte) Kommentar von P. Bon: „Unter dieser Annahme, die wahrscheinlich in Anbetracht des eklatanten Missverhältnisses zwischen der Höhe der Strafe, die das Gericht gegen die Gemeinde verhängt hat, und deren begrenzten Mitteln dem vorliegenden Fall entspricht, ist der Präfekt in gewisser Weise in einer Sackgasse, da zweifelhaft ist, dass er ausreichende Mittel bereitstellen kann, die es der Gemeinde ermöglichen, ihre Schuld in voller Höhe zu begleichen. Die Gerechtigkeit gebietet allerdings, dass die beiden klagenden Gesellschaften nach so vielen Jahren entschädigt werden.“ […]„Er macht den Staat zu einem Versicherer, der verpflichtet ist, für die nachteiligen Folgen dieses Unvermögens [das der Gemeinde] aufzukommen“. Nach Ansicht der Sachverständigen der Kommission wäre anstelle des Begriffs „Versicherer“ (assureur) der Begriff „Gewährsmann“ (garant obligé) treffender gewesen.

(200)

In ihrer Chronik zum Urteil Société fermière de Campoloro  (95) betonen C. Landais und F. Lenica, die bei Verkündung des Urteils für die Dokumentationsstelle des Conseil d’Etat zuständig waren, die Einzigartigkeit dieser zweiten Annahme und lehnen es ab, sie als Übertragung der Schuldenlast der Gebietskörperschaften auf den Staat auszulegen. Die Sachverständige der Kommission betont jedoch, dass die Auslegung, auch wenn sie strittig ist, bei Durchsicht des Urteils doch in Betracht gezogen werden muss. Das Ende des Kommentars ist im Übrigen aufschlussreich: Die Kommentatoren ziehen eine Anleihe oder eine außerordentliche Subvention in Betracht. Festzustellen ist, dass diejenigen, die es ablehnen, die Haftungsregelung einem Bürgschaftsmechanismus gleichzustellen, sich letzten Endes auf andere Elemente des Bürgschaftsmechanismus (Subvention) berufen.

(201)

Die Sachverständige verwirft auch die Einschätzung von D. Labetoulle in dessen Artikel über die verschuldensunabhängige Haftung im Verwaltungsrecht (96), den die französische Regierung in ihrer Stellungnahme anführte. Dieser Verfasser merkt an, dass der Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro entscheidet, dass die rechtmäßige Entscheidung des Präfekten lediglich „die Haftung des Staates auslösen kann“. Er folgert daraus, dass kein Automatismus vorliegt. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission kann man sich dieser Auslegung nicht anschließen. Denn der Conseil d’Etat entscheidet darüber, dass die Entscheidung des Präfekten die Haftung des Staates auslösen kann, „wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“. Denn ungewiss ist nicht der Grundsatz des Bestehens einer Haftung und des Auslösens dieser Haftung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, sondern das Vorliegen eines Schadens, der gewisse Besonderheiten aufweisen muss. Wie gezeigt wurde, steht allerdings bei einem außergewöhnlichen und besonderen Schaden einer Inanspruchnahme der Haftung nichts im Wege. Somit liegt auf Ebene des Grundsatzes der Inanspruchnahme einer Haftung sehr wohl ein Automatismus vor, der alle Merkmale einer Bürgschaft aufweist.

(202)

Schließlich stellt die Sachverständige der Kommission fest, dass in keinem Kommentar zum Urteil Campoloro in Betracht gezogen wird, dass die Forderung unbeglichen bleiben könnte.

(203)

Die Sachverständige der Kommission gelangt zu dem Schluss, dass mit dem Urteil des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro eine Haftungsregelung eingeführt wurde, die die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

iii)   Beilegung der Rechtssache Campoloro durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

(204)

Der EGMR hat in seinem Urteil vom 6. Dezember 2006 in der Sache Société de gestion du port de Campoloro und Société fermière de Campoloro/Frankreich  (97) den Fall Campoloro beigelegt und alle Verbindlichkeiten, die die Gemeinde Santa-Maria-Poggio gegenüber den beiden klagenden Gesellschaften hatte, dem Staat auferlegt. Die Rechtssache beweist, dass die Haftung des französischen Staates in diesem Fall wie eine implizite Bürgschaft für die Schulden der Behörden wirkt und an keine Schadensbedingung geknüpft ist.

(205)

Vor dem Gerichtshof versuchten die französischen Behörden, sich zum einen auf das Nichtvorliegen eines dem Staat zuzurechnenden Ereignisses und zum anderen auf das Nichtvorliegen einer Staatsbürgschaft für Behörden, die Rechtspersönlichkeit besitzen, zu stützen. Zu lesen ist: „[Die französische Regierung] vertritt die Auffassung, dass nur objektive Gründe, die ausschließlich mit der materiellen Unmöglichkeit für die Gemeinde zusammenhängen, ausreichende Mittel bereitzustellen, die vollständige Erfüllung der Urteile verzögert haben.“ […]„Die Regierung bleibt daher dabei, dass die Nichterfüllung der Urteile nicht auf einer vorsätzlichen Unterlassung der Behörden, des Staates oder der Gemeinde, beruht. Das Fehlen von Mitteln ist kein Vorwand, sondern Realität infolge der Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person als Schuldner.“ […]„Die Nichtbegleichung der Schuld beruht ausschließlich auf den finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinde, und diese Umstände sind weder geeignet, die Körperschaft aus ihren Verpflichtungen zu entlassen, noch, ihre Schuldenlast auf den Staat zu übertragen (CE, Batz sur Mer, 25. September 1970). Nach den nationalen Rechtsvorschriften gibt es keine Rechtsgrundlage für ein Eintreten des Staates an die Stelle der Gemeinde zur Zahlung der Entschädigungen. Diese Substitution kann genauso wenig auf Artikel 6 Absatz 1 der Konvention beruhen, da eine solche Lösung im Widerspruch zum Begriff der Rechtspersönlichkeit stehen würde, der eine Unabhängigkeit und ein Sondervermögen voraussetzt“. Obwohl die französische Regierung präzise versuchte, die oben aufgezeigten Unterschiede zwischen der Haftungsregelung und dem Bürgschaftsmechanismus geltend zu machen, wurden diese Argumente letzten Endes vom Gerichtshof nicht berücksichtigt.

(206)

Zur Vervollständigung der Beweisführung soll auch das Vorbringen der Kläger wiedergegeben werden, das im Gegenteil vom Gerichtshof berücksichtigt wurde:

„So ist im nationalen Recht keine Maßnahme vorgesehen, die im Fall der Zahlungseinstellung der Gemeinde Abhilfe schafft.“ […]„Der Staat kann sich nicht seiner Verpflichtung, die gerichtlichen Entscheidungen zu erfüllen, entledigen, indem er sich auf fehlende Mittel oder die Autonomie der Gebietskörperschaften beruft, die er bis heute nicht hat garantieren können, da die Gemeinde nicht in der Lage ist, ihre Schulden zu begleichen. Die Kläger prangern infolgedessen das Unvermögen des Staates an, positive Maßnahmen zu ergreifen, die es der Gemeinde ermöglicht hätten, den ihr obliegenden Zahlungspflichten nachzukommen.“ […]„Die Kläger stellen fest, dass der Conseil d’Etat in seinem Urteil vom 18. November 2005 entschieden hat, dass der Gesetzgeber dem Vertreter des Staates bei Nichterfüllung eines Gerichtsurteils seitens einer Gebietskörperschaft die Befugnis geben wollte, an die Stelle der Organe dieser Körperschaft zu treten, um die zur umfassenden Erfüllung dieser Gerichtentscheidung erforderlichen Mittel bereitzustellen oder zu erschließen. Auf der Grundlage dieser Versäumnisse des französischen Staates beantragen die Kläger die Feststellung der Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 und die damit verbundene Entschädigung, wobei dies keinen Widerspruch zum Begriff der Rechtspersönlichkeit oder zur Unabhängigkeit und zum Sondervermögen darstellt“.

(207)

Letztendlich hat der Gerichtshof eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt und diese insbesondere wie folgt begründet: „Diese Urteile müssen somit erfüllt werden, wobei der Gerichtshof daran erinnert, dass eine Behörde des Staates fehlende Mittel nicht zum Vorwand nehmen kann, um eine auf einer Gerichtsentscheidung beruhende Schuld nicht zu begleichen (Bourdov, Ziffer 30)“.

(208)

Der Gerichtshof stellte ferner eine Verletzung von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention fest: „Dass es den Beteiligten unmöglich ist, eine Erfüllung dieser Urteile zu erhalten, stellt eine Einmischung in ihr Eigentumsrecht dar, das unter den ersten Satz des ersten Unterabsatzes von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls fällt. Die Regierung hat diese Einmischung nicht gerechtfertigt, und der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass Mittelknappheit eine solche Unterlassung nicht legitimieren kann (ibid).“ […]„Alles in allem vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass die Kläger wegen der unterbliebenen Zahlung der Summen, auf sie in Erfüllung der genannten Urteile vom 10. Juli 1992 Anspruch hatten, eine besondere und übermäßig hohe Belastung erlitten haben und noch immer erleiden. Demnach liegt eine Verletzung von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls vor.“ Schließlich erlegte der Gerichtshof dem Staat die gesamten Schulden der Schuldnergemeinden auf: „Angesichts der bisherigen Ausführungen vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass es dem beklagten Staat obliegt, die Zahlung der Forderungen, auf die die Kläger bzw. deren Anspruchsberechtigte seit den Urteilen des Verwaltungsgerichts von Bastia vom 10. Juli 1992 Anspruch haben (ibidem), einschließlich der Zinsen bis zum Tag der Verkündung dieses Urteils, sicherzustellen.“

(209)

Die Sachverständige der Kommission leitet aus dieser Rechtsprechung ab, dass der Staat die Schulden der staatlichen Stellen begleichen muss.

(210)

Nach Auffassung der Kommission gehen daraus drei wichtige Sachverhaltsmerkmale hervor:

die Haftung wirkt wie eine implizite Bürgschaft. Zum einen wird der französische Staat zur Zahlung der gesamten Schulden verurteilt, wobei keine Aufteilung zwischen dem, was durch die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerkörperschaft und etwaigen dem Staat zuzurechnenden Versäumnissen vorgenommen wird. Besonders hinzuweisen ist auf die Ausdrucksweise, da der Gerichtshof nicht von einer möglichen Haftung des Staates spricht, sondern die Auffassung vertritt, dass es dem Staat obliegt, die Zahlung „sicherzustellen“. Diese Ausdrucksweise deutet eher von auf eine Bürgschaft als auf eine Haftung hin. Mehr noch untersucht der Gerichtshof zu keiner Zeit ein dem Staat zuzurechnendes haftungsbegründendes Ereignis, sondern lässt es bei der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bewenden. Schließlich überträgt der Gerichtshof die Schulden der verurteilten Gemeinden in voller Höhe auf den Staat. Diese Sachverhaltsmerkmale sprechen dafür, dass diese Haftungsregelung in Wirklichkeit wie ein Bürgschaftsmechanismus funktioniert. Festzustellen ist allerdings, dass die Kläger ihre Forderung erst gerichtlich anerkennen lassen müssen. Im Übrigen ist diese Bürgschaft implizit, da sie in keinem Rechtstext erwähnt wird. Dies beweist, dass ein innerstaatlicher rechtlicher Mechanismus als implizite Bürgschaft ausgelegt werden kann;

diese Haftung deckt die Schulden staatlicher Stellen, die dennoch Rechtspersönlichkeit besitzen. Die französische Regierung hat ausdrücklich geltend gemacht, dass das Vorliegen einer Rechtspersönlichkeit und von eigenem Vermögens dem Auslösen der Haftung des französischen Staates entgegenstehen. Dieses Vorbringen wurde vom Gerichtshof zurückgewiesen;

der Anwendungsbereich der Haftung des Staates erstreckt sich auf die staatlichen Stellen, die aus ihm hervorgehen. Die Bürgschaft ist daher eng mit dem öffentlich-rechtlichen Status des Schuldners verflochten.

(211)

Im Übrigen ist die vom EGMR in der Rechtssache Campoloro gewählte Lösung kein Einzelfall, sondern entspricht gängiger Rechtsprechung. So hat der EGMR in seinem Urteil vom 13. Mai 1980Artico/Italien  (98) entschieden, dass, wenn eine Nichterfüllung einer anderen Person als dem Staat zuzurechnen ist, es dem Staat als Schuldner der in Artikel 6 Absatz 1 vorgesehenen Zusicherung obliegt, so zu handeln, dass dem Kläger das mit diesem Artikel zuerkannte Recht tatsächlich zukommt. In seinem Urteil Nr. 59498/00 vom 19. März 1997 in der Rechtssache Bourdov/Russland entschied der Gerichtshof ebenfalls, dass „eine Behörde des Staates fehlende Mittel nicht zum Vorwand nehmen kann, um ihre Schuld nicht zu begleichen“.

iv)   Prüfung der Äußerungen der französischen Behörden

α)   Äußerungen zum Unterschied zwischen Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen

(212)

Nach Auffassung der französischen Behörden (99) ist die Beweisführung der Sachverständigen der Kommission nicht schlüssig; sie beschränke sich darauf, verschiedene Auslegungen des Urteils Campoloro nebeneinander zu stellen und unterscheide vor allem nicht zwischen öffentlichen Unternehmen und Gebietskörperschaften, obwohl diese Unterscheidung für die Frage, ob eine Forderung unbezahlt bleiben könne, von zentraler Bedeutung sei. Die französischen Behörden greifen hier das Gutachten ihres Sachverständigen auf. Dieser stellt die Prämisse der Argumentation der Kommission auf der Grundlage des Urteils Campoloro infrage. Die Argumentation der Kommission beruhe auf der Gleichsetzung von Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen, deren gemeinsames Merkmal sei, dass sie vom Staat verschiedene juristische Personen des öffentlichen Rechts seien. Diese beiden Arten von Einrichtungen hätten nun aber nicht den gleichen verfassungsmäßigen Status. Das Bestehen der Gebietskörperschaften sei ein verfassungsmäßiges Erfordernis, und der Staat habe die Pflicht, ihren Fortbestand zu gewährleisten. Die EPIC hätten diesen verfassungsmäßigen Status nicht und könnten aufgelöst werden. Die Rechtsprechung im Fall Campoloro, die Versäumnisse der Gebietskörperschaften betreffe, könne nicht auf öffentliche Unternehmen übertragen werden.

(213)

Die Kommission wird nun untersuchen, ob die Schlussfolgerungen, die ihre Sachverständige aus den Urteilen des EGMR und des Conseil d’Etat im Fall Campoloro gezogen hat, durch einen unterschiedlichen verfassungsmäßigen Status von Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen infrage gestellt werden können.

(214)

Die Kommission stellt fest, dass die Entscheidung des EGMR nicht auf der Notwendigkeit gründet, die betreffende Gebietskörperschaft zu erhalten, sondern darauf, die Rechte des Gläubigers zu erhalten, d. h. sein Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) und auf den Schutz seines Eigentums (Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls); unabhängig davon, ob der Schuldner ein öffentliches Unternehmen oder eine Gebietskörperschaft ist, werden die Rechte des Gläubigers auf die gleiche Weise verletzt.

(215)

Hinsichtlich des Urteils des Conseil d’Etat sind verschiedene Haftungsregelungen zu unterscheiden:

die Regelung der Haftung wegen groben Verschuldens beruht auf einer mangelhaften Wahrnehmung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Befugnisse durch den Staat; sie ist daher unabhängig von der Art des Schuldners, d. h. unabhängig davon, ob es sich um eine Gebietskörperschaft oder um ein öffentliches Unternehmen handelt.

die Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung gründet dagegen auf zwei Prämissen:

a)

Bei der ersten Annahme weigert sich der Präfekt aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Zwingende Gründe könnten das Erhalten der Gebietskörperschaft oder das Bewahren der Leistungen der Daseinsvorsorge sein. Der Sachverständige der französischen Behörden betont, dass das Erfordernis des Fortbestands nur für die Leistungen gelte und nicht für die Stelle, die sie erbringe. Bis zu einer möglichen Übertragung der Aufgaben der Daseinsvorsorge auf eine Einrichtung, die in der Lage sei, sie zu übernehmen, könne die Wahrung des Fortbestands der Daseinsvorsorge aber dennoch für den Präfekten kurzfristig beinhalten, dass er bestimmte Maßnahmen ergreife wie beispielsweise die Erhaltung der für die Aufgaben der Daseinsvorsorge erforderlichen Vermögenswerte oder die Erhöhung der Mittel zur Bezahlung der Forderung. Im Übrigen erkennen die französischen Behörden an, dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gebunden ist.

b)

Bei der zweiten Annahme kann die Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung geltend gemacht werden, wenn „in einem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel […], das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden“ ein „außergewöhnlicher und besonderer Schaden“ ist. Wie oben angegeben, ist allein die Finanzlage des Schuldners das haftungsbegründende Ereignis. Daher kann dieser Schuldner sowohl ein öffentliches Unternehmen als auch eine Gebietskörperschaft sein.

(216)

Abschließend kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der unterschiedliche verfassungsmäßige Status von Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen die Schlussfolgerungen, die die Sachverständige der Kommission aus dem Urteil Campoloro gezogen hat, nicht entkräftet. Zudem stellt die Kommission fest, dass das Vorbringen der französischen Behörden darauf abzielt, die Relevanz des Falls Campoloro für den vorliegenden Fall zu bestreiten, der keine Gebietskörperschaft betrifft, wohingegen er von den französischen Behörden in erster Linie angeführt wurde, um ihren Standpunkt zu untermauern.

β)   Äußerungen zur fehlenden Grundlage für das Auslösen der Staatshaftung

(217)

Für die französischen Behörden ist im Übrigen unverständlich, auf welcher Grundlage die verschuldensunabhängige Haftung des Staates bei einer Nichterfüllung eines öffentlichen Unternehmens ausgelöst werden könnte, da die Staatshaftung in diesem Rahmen nur ausgelöst werden könne, wenn die dem Staat zugerechnete Handlung (bzw. Unterlassung) die unmittelbare Ursache des Schadens gewesen sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe.

(218)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass mit den Urteilen des Conseil d’Etat und des EGMR eindeutig festgestellt wird, dass die verschuldensunabhängige Haftung des Staates ausgelöst werden kann.

γ)   Äußerungen zum Nichtvorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens

(219)

Schließlich können die französischen Behörden schwer nachvollziehen, warum das Gericht den Schaden als „besonders“ betrachten sollte, da er alle Gläubiger des Unternehmens betreffe, oder als „außergewöhnlich“, wenn Gläubiger eingewilligt hätten, einer Einrichtung in einer ungewissen finanziellen Lage Kredit zu gewähren.

(220)

Die Kommission stellt fest, dass das Vorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens nach der Rechtsprechung des Conseil d’Etat tatsächlich eine Voraussetzung für das Auslösen der Staatshaftung ist. Die französischen Behörden bezweifeln, dass ein außergewöhnlicher Schaden vorliegt, wenn Gläubiger eingewilligt hätten, einer Einrichtung in einer ungewissen finanziellen Lage Kredit zu gewähren. Die Kommission stellt hierzu fest, dass dieses Argument voraussetzt, dass keine Bürgschaft vorliegt (und dass die Gläubiger glauben, dass keine vorliegt), während die bisherige Analyse das Gegenteil beweist. Denn wenn die Gläubiger auf die Bürgschaft vertrauen, ist die finanzielle Lage des Unternehmens für einen Gläubiger bei seiner Entscheidung, dem Unternehmen Kredit zu gewähren, sowie bei Verhandlungen über die Bedingungen dieses Kredits weit weniger ausschlaggebend. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Schulden zu einer Zeit begründet worden sein können, als das öffentliche Unternehmen nicht in Gefahr war oder die finanziellen Schwierigkeiten vom Gläubiger nicht erkannt werden konnten. In jedem Fall muss der Begriff des außergewöhnlichen Schadens unabhängig davon, ob das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten war oder nicht, und auch unabhängig davon, ob der Schaden allen Gläubigern oder nur einem entstanden ist, gesehen werden. Nach der Rechtsprechung zur verschuldensunabhängigen Amtshaftung (100) bemisst sich der außergewöhnliche und besondere Schaden in Bezug auf das Allgemeininteresse. Um als außergewöhnlich und besonders angesehen zu werden, muss der Schaden für den Geschädigten in Bezug auf das angestrebte Allgemeininteresse unverhältnismäßig hoch sein. Die Kommission folgert daraus, dass der außergewöhnliche und besondere Charakter des Schadens zweifelsohne ein Filterkriterium darstellt, das bei einer gewissen Zahl von Forderungen zum Ausschluss einer Entschädigung führen kann, dass dieses Filterkriterium jedoch um so stärker zum Tragen kommt, je höher die Schuld ist. Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass das Vorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens nach der Rechtsprechung des EGMR keine Voraussetzung ist. Somit kann jeder Gläubiger grundsätzlich im Wege eines Gerichtsverfahrens eine Entschädigung des Staates zur Begleichung seiner Forderung erhalten.

v)   Unbeschränktheit der Haftung und/oder Bürgschaft des Staates

(221)

Die Kommission betont, dass der Gesetzgeber nicht daran gehindert wird vorzusehen — wie er dies bei einigen Unternehmen getan hat —, dass der Staat für die Schulden der EPIC nur bis zur Höhe seiner ursprünglichen Einlage (oder Kapitalzuführung) haftet. Insbesondere wird der Gesetzgeber nicht daran gehindert, eine Haftungsbeschränkung vorzusehen oder einfach darauf hinzuweisen, dass der Staat als Aktionär für die Schulden des EPIC nur bei Verschulden oder in anderen Fällen als der bloßen Zahlungsunfähigkeit des EPIC, die dem Staat selbst zuzurechen sind und für einen besonderen Schaden ursächlich sein sollten, haftbar gemacht werden kann. Es steht dem Gesetzgeber demnach frei, die Bürgschaft des Staates für die EPIC zu verhindern und das Auslösen der Staatshaftung bei Schäden, die Gläubigern entstanden sind, zu begrenzen. Solche Hinweise haben die französischen Behörden jedoch nicht gegeben.

vi)   Schlussfolgerung der Kommission

(222)

Die Kommission gelangt anhand der Ausführungen unter den Buchstaben i bis v zu dem Schluss, dass ein Gläubiger, dessen Forderung nicht nach den Verfahren des Gesetzes vom 16. Juli 1980 beglichen worden sein sollte, nach derzeitigem Stand des französischen Rechts im Gegensatz zum Abwicklungsverfahren nach dem allgemeinen Recht, bei dem die Befriedigung des Gläubigers durch den Wert der verfügbaren Aktiva begrenzt wird, den offenen Betrag seiner Forderung in voller Höhe erhalten kann, indem er die letztinstanzliche Haftung des Staates in Anspruch nimmt. Die Haftung des Staates wird wie eine Bürgschaft behandelt. Sie wird durch keinen französischen Rechtstext eingeschränkt. Sie ist untrennbar mit dem öffentlich-rechtlichen Status der Schuldnereinrichtung verbunden.

vii)   Analyse des französischen Vorschlags zur Aufnahme einer Klausel in die Verträge

(223)

Sollte die Kommission einen Beschluss erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die Maßnahme keine Beihilfe darstellt, wären die französischen Behörden bereit, ihren Vorschlag zur Aufnahme des Hinweises auf die nicht gegebene Deckung durch eine staatliche Bürgschaft auf alle eine Forderung beinhaltenden Verträge auszuweiten. Den französischen Behörden zufolge könnte dadurch jedes Risiko einer Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates infolge der bloßen Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgeschlossen werden.

(224)

Die Kommission möchte zunächst darauf hinweisen, dass die Bemerkung in Randnummer 181 natürlich auch für diesen Abschnitt dieses Beschlusses gilt. Im Übrigen erkennt die Kommission — wie im Einleitungsbeschluss ausgeführt — an, dass eine solche Maßnahme die Möglichkeiten von Gläubigern, die einen solchen Vertrag geschlossen haben, auf gerichtlichem Wege die Begleichung ihrer Forderung zu erwirken, einschränken kann. Sie hat jedoch weiterhin Bedenken hinsichtlich der Dauerhaftigkeit dieser Lösung, da die Regel der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme durch die Rechtsprechung aufgestellt wurde und die Rechtsprechung sich jederzeit ändern könnte (eine Abkehr von der Rechtsprechung ist um so weniger auszuschließen, als sie sich hin zu einer Ausweitung der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates entwickelt). In Erwiderung auf die Äußerungen der französischen Behörden betont die Kommission, dass sie dem Vorschlag der französischen Behörden damit nicht jede Wirkung absprechen möchte, aber darauf hinweisen möchte, dass der darauf beruhende Rechtsrahmen auf tönernen Füßen stehen würde.

(225)

Im Übrigen hält die Kommission den Vorschlag der französischen Behörden für unzureichend, da die Bürgschaft des Staates bei jeder Art von Haftung wirken könnte, insbesondere auch bei der außervertraglichen und strafrechtlichen Haftung, die unter einem Gesichtspunkt die gleichen Merkmale aufweisen, nämlich, dass es nicht möglich ist, gegenüber den Schuldnern im Vorfeld vertraglich vorzusehen, dass der Staat für die Schulden von La Poste nicht haftet. La Poste kann aufgrund verschiedener rechtlicher Mechanismen Schuldner eines Dritten sein, was die Bürgschaft des Staates bei Nichterfüllung beinhalten würde. Sollte La Poste beispielsweise eine andere Einrichtung (ein anderes öffentliches Unternehmen) übernehmen, würden damit die Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung auf sie übergehen. Sollte sie daraufhin die Schulden dieser Einrichtung gegenüber einem Dritten begleichen müssen, wäre in keinem Vertrag und keinem rechtlich verbindlichen Dokument vorgesehen, dass der Staat nicht zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten von La Poste gegenüber den Gläubigern der übernommenen Einrichtung verpflichtet ist, weil dies für niemanden absehbar war. Durch einen Mechanismus zur Umwandlung (Verschmelzung, Übernahme) bestimmter Einrichtungen innerhalb des öffentlichen Sektors kann La Poste zum Schuldner für bestimmte Verbindlichkeiten gegenüber Dritten werden, ohne dass eine Beschränkung der Haftung des Staates vertraglich vorgesehen werden kann. Die Aufnahme einer solchen Klausel in „Verträge“ mit „Gläubigern“ ist daher unzureichend, da nicht alle möglichen Fälle erfasst werden. Bei einer solchen Formulierung könnten Forderungen Dritter, die zunächst nicht erkennbar sind, übersehen werden. Ausreichend ist nur ein allgemein gültiger Hinweis, der besagt, dass der Staat nicht für La Poste bürgt, und der für alle Fälle und gegenüber allen Dritten gilt.

(226)

Schließlich wird selbst unter der Annahme, dass durch die Vorschläge Frankreichs jede Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass ein Gläubiger von La Poste den Staat in Haftung nimmt, um seine Forderung begleichen zu lassen (eine Annahme, die nach Auffassung der Kommission nicht verifiziert wurde), damit nicht eindeutig festgelegt, was im Fall der Zahlungsunfähigkeit von La Poste geschehen würde. Denn ein Gläubiger von La Poste, dessen Forderung im Wege eines Antrags auf Erfüllung seiner Einzelforderung nicht bedient wurde, hätte noch immer die Hoffnung, dass sie im Rahmen einer vom Staat finanzierten globalen Sanierung von La Poste beglichen wird, wie im weiteren Verlauf dieses Beschlusses aufgezeigt wird.

4.   Selbst wenn der Gläubiger nicht befriedigt werden sollte, kann er den begründeten Irrtum beim Zustandekommen der Forderung hinsichtlich der Tatsache, dass sie in jedem Fall beglichen würde, Rechtswirkung entfalten lassen

(227)

Die Beweisführung lässt sich mit der Rechtsscheintheorie (101) bestätigen. Denn selbst wenn man der Argumentation der französischen Behörden folgen würde, der zufolge keine unbeschränkte Bürgschaft für La Poste aufgrund von deren Status vorliegt, die die Kommission widerlegt, lassen die oben ausgeführten Sachverhalte die Gläubiger in begründeter Weise glauben, dass eine solche Bürgschaft dennoch vorliegt. Die Rechtsscheintheorie verstärkt die durch das Zusammentreffen einer Reihe von Indizien entfaltete Wirkung.

(228)

Die wichtigsten im Hinblick auf die Rechtsscheintheorie relevanten Indizien werden im Folgenden genannt:

mit Blick auf die Bürgschaft des Staates für EPIC lassen verschiedene Texte (das Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen) oder amtliche Dokumente (Haushaltsdokumente) die Gläubiger berechtigterweise glauben, dass der Staat bei unzureichenden Mitteln die Schulden der EPIC übernehmen würde oder dass die Haftung des Staates ausgelöst würde;

die Tatsache, dass die Rechtslage nach der Rechtssache Campoloro und den ersten von der Kommission einleiteten Verfahren zum Status der EPIC nicht geklärt wurde, nährt ebenfalls das Vertrauen der Gläubiger in das Vorliegen einer solchen Bürgschaft;

das Fehlen eines eindeutigen Hinweises auf die Folgen einer Zahlungseinstellung durch ein EPIC spricht ebenfalls dafür;

auch die Reaktion der Ratingagenturen fällt insofern hierunter, als Dritte — zu Recht oder zu Unrecht — dem Status des Schuldners bei einem Rating, das bei Finanzierungen eine maßgebliche Rolle spielt (wie in Abschnitt 4.1.2.a dieses Beschlusses bewiesen wird), eine Bedeutung beimessen.

(229)

Die Kommission schließt sich den Schlussfolgerungen ihrer Sachverständigen an und gelangt zu dem Ergebnis, dass selbst dann, wenn ein Gläubiger wie in dem von den französischen Behörden vorgetragenen Fall irrtümlicherweise zu der Auffassung gelangen sollte, dass der Staat gehalten ist, für die Schulden von öffentlichen Unternehmen und insbesondere von La Poste zu bürgen, sein Irrtum angesichts der genannten Punkte begründet wäre und Rechtswirkung entfalten könnte. Sollte die Forderung des Gläubigers im Ausnahmefall nicht beglichen werden, hätte er dennoch die Sicherheit, dass sie nicht ausfallen wird.

B.    Garantie für den Fortbestand von La Poste und/oder von deren Verpflichtungen

(230)

Selbst wenn eine Forderung nicht innerhalb einer angemessen Frist und nach Inanspruchnahme der im vorangehenden Abschnitt beschriebenen Verfahren beglichen worden sein sollte, hätte der Gläubiger weiterhin die Sicherheit, dass sie nicht ausfallen wird. Dies wird im Folgenden dargelegt. Wenn eine privatrechtliche Gesellschaft aufgelöst wird, können ihre Rechte und Verpflichtungen mit ihrer Auflösung wegfallen. Das handelsrechtliche Abwicklungsverfahren bietet keine Sicherheit, dass Forderungen bezahlt werden. Bei öffentlichen Unternehmen ist die Lage anders. Wie weiter oben ausgeführt, gibt es kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren für zahlungsunfähige öffentliche Unternehmen, bei dem ihre Schulden erlöschen. Im Fall der Auflösung aufgrund einer behördlichen Entscheidung sprechen, obwohl dies in keinem Text ausdrücklich vorgesehen wird, die Praxis und bestimmte verwaltungsrechtliche Grundsätze dafür, dass die Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens stets von einer anderen Einrichtung und andernfalls vom Staat übernommen werden. Es gibt keine willentliche behördliche Abwicklung/Auflösung eines öffentlichen Unternehmens, bei dem dessen Rechte und Verpflichtungen aufgehoben werden. Jeder Gläubiger hat daher die Gewissheit, dass er seine Ansprüche aus der Forderung gegenüber einer anderen Einrichtung geltend machen kann und dass seine Forderung somit nicht ausfällt.

(231)

Diese Beweisführung fußt auf einer praktischen Untersuchung der strukturellen Veränderungen bei öffentlichen Unternehmen. Diese von der Sachverständigen der Kommission durchgeführte Untersuchung zeigt, dass die Schuldenlast öffentlicher Unternehmen stets auf eine andere juristische Person übertragen wird, welche sie nicht zurückweisen kann.

(232)

Die Sachverständige der Kommission unterschied drei Gründe für die Auflösung öffentlicher Unternehmen (102): Zeitablauf (1), Wegfall des Auftrags (2) und der häufigste Fall, die Übertragung des Auftrags (3) mit zwangsläufigem Übergang der Rechte und Verpflichtungen.

a)   Zeitablauf bei öffentlichen Unternehmen

(233)

Der Fall des Zeitablaufs kommt bei öffentlichen Unternehmen recht selten vor. Das einzige Beispiel (103), das die Sachverständige der Kommission gefunden hat, zeigt, dass die Rechte und Verpflichtungen des öffentlichen Unternehmens und insbesondere seine Schuldenlast (die ausdrücklich genannt wird) auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragen wurden.

b)   Auflösung öffentlicher Unternehmen wegen Wegfalls ihres Auftrags

(234)

Das Wegfallen des Auftrags des öffentlichen Unternehmens beinhaltet fast immer das vorherige Entfallen einer öffentlichen Aufgabe. Dies bedeutet, dass die Behörden die eine oder andere Tätigkeit nicht mehr als Aufgabe von allgemeinem Interesse ansehen, die sie übernehmen oder sicherstellen müssen. Tendenziell werden allerdings zunehmend mehr Tätigkeiten als Leistungen der Daseinsvorsorge angesehen. Aus diesem Grund kommt dieser Fall nur sehr selten vor.

(235)

Davon auszunehmen sind allerdings öffentliche Unternehmen, die keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen und bei denen die Auflösung wegen Wegfalls des Auftrags kein vorheriges Entfallen einer öffentlichen Aufgabe beinhaltet. Hierunter fällt La Poste fällt nicht. Selbst in diesem Fall zeigt die Praxis jedoch, dass die Rechte und Verpflichtungen dieser Unternehmen durchweg von einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts und meistens vom Staat selbst übernommen werden, wie die zahlreichen Texte und Beispiele zeigen, die die Sachverständige der Kommission (104) anhand der Arbeit von S. Carpi-Petit (105) gefunden hat.

c)   Übertragung des Auftrags mit Übergang der Rechte und Verpflichtungen

(236)

Am häufigsten kommt die Übertragung des Auftrags eines öffentlichen Unternehmens auf eine andere Einrichtung mit einem Übergang der Rechte und Verpflichtungen vor. Das Prinzip des Fortbestands der Daseinsvorsorge beinhaltet eine Übertragung der für diesen Auftrag bestimmten Vermögensgegenstände und infolgedessen einen Übergang der Rechte und Verpflichtungen.

(237)

Ein Grundsatz zeichnet sich ab: Wenn der Auftrag fortbesteht, werden die Schulden des ehemaligen öffentlichen Unternehmens auf die übernehmende Einrichtung übertragen.

(238)

Am häufigsten (106) kommt es zur Übertragung der Aufgabe auf eine einzige Einrichtung, was zur Folge hat, dass das Vermögen vollständig und ungeteilt übertragen wird. Dieser Grundsatz gilt auch im Fall der Übertragung des Vermögens auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen (107).

(239)

Zudem gibt es Fälle der Vermögensteilung, die ebenfalls den Fortbestand der Rechte und Verpflichtungen der öffentlichen Unternehmen aufzeigen.

(240)

Das Dekret Nr. 74-947 vom 14. November 1974 über die Übertragung der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des ORTF auf das Institut de l’audiovisuel zeigt den Grundsatz der Benennung einer „Standard-Nachfolgeeinrichtung“ auf. Art. 1 lautet: „Diejenigen Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Office de radiodiffusion-télévision française, die nicht auf das […] Etablissement public de diffusion oder auf eine der mit diesem Gesetz gegründeten Gesellschaften übertragen wurden, können vom 1. Januar 1975 an per Erlass des Premierministers auf das Institut de l’audiovisuel übertragen werden“.

(241)

Die Fälle, in denen das Vermögen in mehreren Schritten übertragen wird, bestätigen die zuvor aufgezeigte Tendenz (108).

(242)

Wenn ein öffentliches Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, sind mehrere „Umwandlungsverfahren“ möglich:

die Auflösung mit Schließung: Der einfachste Fall ist die Auflösung mit Schließung, woraufhin das öffentliche Unternehmen aufgelöst ist;

die Auflösung mit Substitution: die Auflösung mit Substitution ist laut B. Plessix (109) die „Schließung des öffentlichen Unternehmens, die mit der Gründung einer neuen juristischen Person einhergeht, welche mit der bisherigen satzungsgemäßen Aufgabe des aufgelösten Unternehmens betraut wird. Mit anderen Worten tritt eine neue juristische Person in die Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens ein; eine neue juristische Person folgt den Aufgaben des geschlossenen Unternehmens nach.“

die Umwandlung ohne Schließung: Die Umwandlung ohne Schließung oder Auflösung beruht auf der Organisation des Fortbestands der umgewandelten Rechtspersönlichkeit.

(243)

Der Gesetzgeber hat sich in den letzten Jahren für die Umwandlung ohne Auflösung eingesetzt. Bei den ersten Umwandlungen und insbesondere bei France Télécom hat der Gesetzgeber das EPIC geschlossen und dann die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen in eine neue juristische Person mit der Rechtsform eines privatrechtlichen Unternehmens eingelegt (110). Bei den folgenden Vorgängen ändert der Gesetzgeber nur die Rechtsform, ohne eine neue juristische Person zu gründen. Somit liegt weder eine Einlage der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des EPIC, noch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit vor, sondern die Organisation des rechtlichen Fortbestands durch den Gesetzgeber, wie beispielsweise die Bestimmungen von Artikel 25 des Gesetzes Nr. 2004-803 vom 9. August 2004 über die öffentliche Elektrizitäts- und Gasversorgung und die Elektrizitäts- und Gasunternehmen (Loi no 2004-803 du 9 août 2004, relative au service public de l’électricité et du gaz et aux entreprises électriques et gazières) zeigen: „Die Umwandlung in die Gesellschaften Electricité de France und Gaz de France bringt weder die Gründung neuer juristischer Personen noch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit mit sich. Die Vermögensgegenstände, Rechte, Verpflichtungen, Verträge und Genehmigungen aller Art der Gesellschaften Electricité de France und Gaz de France in Frankreich und im Ausland sind diejenigen, die jedes der öffentlichen Unternehmen zum Zeitpunkt der Änderung seiner Rechtsform hatte. Diese Umwandlung ermöglicht keine Infragestellung dieser Vermögensgegenstände, Rechte, Verpflichtungen, Verträge und Genehmigungen und hat insbesondere keine Auswirkungen auf die von Electricité de France, Gaz de France […] geschlossenen Verträge mit Dritten. Mit den mit dieser Umwandlung verbundenen Vorgängen sind keine Gebühren, Steuern oder Abgaben irgendeiner Art verbunden“ (111).

(244)

Die Kommission schließt sich ihrer Sachverständigen an und kommt zu dem Ergebnis, dass aus der Analyse der verschiedenen Verfahren zur Auflösung öffentlicher Unternehmen folgende Schlüsse gezogen werden können:

obwohl es keine allgemeine rechtliche Regelung für die Gestaltung der Auflösung öffentlicher Unternehmen gibt, zeigt die Praxis, dass mit dem Rechtstext immer eine Übertragung der Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens entweder auf den Staat oder auf die Einrichtung, die seine Aufgaben übernimmt, geregelt wird. Nach Kenntnis der Kommission wird in keinem Rechtstext ein Wegfall der Schulden festgestellt;

übertragen werden die „Rechte und Verpflichtungen“ (droits et obligations) wobei zu den Verpflichtungen auch die Schulden zählen. In einigen Texten wird der unschärfere Begriff „Vermögen“ (patrimoine) verwendet. Nach dem Rechtswörterbuch von Cornu (112) ist das Vermögen die „Gesamtheit der Vermögensgegenstände und Verpflichtungen einer Person (d. h. ihrer in Geld schätzbaren Rechte und Lasten)“, was auch die Schulden beinhalten würde. Selbst in dem einzigen gefundenen Beispiel für eine schlichte und einfache Auflösung eines öffentlichen Unternehmens ist von einer Übertragung der „Schulden“ die Rede;

auch bei einem Wegfall des Auftrags werden die Rechte und Verpflichtungen des Unternehmens in der Praxis von einer anderen Einrichtung übernommen;

die beschriebene Praxis steht im Einklang mit der kodifizierenden Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 und dem Leitfaden für die finanzielle Organisation bei Gründungen, Umwandlungen und Schließungen öffentlicher Unternehmen. Auch wenn diese Texte nur Einrichtungen mit staatlichem Rechnungsführer betreffen, was bei La Poste nicht der Fall ist, bestätigen sie dennoch die Lehre der Praxis, nämlich, dass die Rechte und Verpflichtungen eines abgewickelten EPIC entweder dem Staat zufallen oder der juristischen Person, die die Aufgaben des EPIC übernimmt.

(245)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass diese Analyse beweist, dass der Gläubiger eines solchen öffentlichen Unternehmens die Gewissheit hat, dass seine Forderung mit der Auflösung des Unternehmens nicht ausfallen wird.

(246)

Die Beweisführung wäre unvollständig, wenn nicht auch untersucht würde, ob der Nachfolger wie der Erbe im Privatrecht die Erbschaft ausschlagen kann, insbesondere bei zu hoher Schuldenlast. Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeiten, ein „Erbe“ im Verwaltungsrecht auszuschlagen, sehr begrenzt sind.

(247)

S. Carpi-Petit (113) hierzu: „Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, das allen Erbberechtigten die Wahlmöglichkeit bietet, ist diese Wahlmöglichkeit bei der Nachfolge nach dem Verwaltungsrecht nicht grundsätzlich gegeben. Sie steht nur einigen Nachfolgeberechtigten in Abhängigkeit von der Art des Vorgangs offen. Übertragungen, die durch schlichte und einfache Schließungen bedingt werden, sind somit nicht fakultativ. Bei Übertragungen aufgrund einer Ersetzung ist der fakultative Charakter der Übertragung dagegen von der Präexistenz des ‚Erblassers‘ abhängig“. Im Hinblick auf schlichte und einfache Schließungen leitet S. Carpi-Petit aus ihrer umfassenden Studie Folgendes her: „Das Nichtbestehen einer Wahlmöglichkeit zugunsten des Staates gilt auch im Verwaltungsrecht. Dies beinhaltet, dass hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des Wahlrechts die einfachste Annahme sicherlich die der Schließung eines öffentlichen Unternehmens ohne Übernahme der Aufgaben besteht. In diesem Fall ist der Nachfolger immer der Staat. Wenn er die vom geschlossenen öffentlichen Unternehmen hinterlassenen Vermögensgegenstände ausschlägt, sind diese zwangsläufig herrenlos, was ausgeschlossen ist. Im Übrigen ist es nicht möglich, die Lasten des ‚Erbes‘ gegen ein anderes Vermögen aufzurechnen. Bei einer schlichten und einfachen Schließung eines öffentlichen Unternehmens besteht somit keine Wahlmöglichkeit“.

(248)

Hinsichtlich einer Ersetzung des öffentlichen Unternehmens, das den Auftrag wahrnimmt „gibt es bei der Nachfolge nach dem Verwaltungsrecht zwei Arten der Ersetzung. Im ersten Fall wird die juristische Person, die die natürliche Person — den Erblasser — ersetzt, zu diesem Zweck gegründet. Sie ist somit der Gesamtrechtsnachfolger für die Hinterlassenschaft. Es scheint daher folgerichtig zu sein, ihr das Wahlrecht zu verweigern“.

(249)

Die Sachverständige der Kommission merkt an, dass man gegen diese Argumentation, da es sich um schlichte und einfache Schließungen öffentlicher Unternehmen wegen Wegfalls des Auftrags handelt, einwenden könnte, dass die Tatsache, dass es dem Staat nicht möglich ist, die Vermögensgegenstände auszuschlagen, nicht zwangsläufig bedeutet, dass es ihm nicht möglich ist, die Schulden auszuschlagen. Dass es nicht möglich ist, ein „Erbe“ auszuschlagen, scheint jedoch bei öffentlichen Unternehmen hauptsächlich auf dem öffentlich-rechtlichen Status zu beruhen und nicht auf dem Umstand, dass es nicht möglich ist, herrenlose Vermögensgegenstände zu hinterlassen.

(250)

Die Kommission schließt sich ihrer Sachverständigen an und gelangt zu dem Schluss, dass die Schulden öffentlicher Unternehmen bei einer Auflösung eines öffentlichen Unternehmens, das den Auftrag zuvor wahrnahm, in der Praxis fast immer auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts übertragen werden. Ein Gläubiger dieser öffentlichen Unternehmen, zu denen auch La Poste gehört, hat dadurch die Gewissheit, dass seine offenen Forderungen nicht erlöschen werden.

C.    Schlussfolgerungen zum Vorliegen einer Staatsbürgschaft für La Poste

(251)

Auf der Grundlage der beigebrachten Nachweise für das Vorliegen einer Bürgschaft für die Rückzahlung einzelner Forderungen und für den Fortbestand der Verpflichtungen von La Poste gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

die Gläubiger von La Poste stoßen nicht auf die üblichen Hindernisse, die im Privatrecht und im öffentlichen Recht einer Begleichung der Forderung entgegenstehen können;

zur Beitreibung ihrer Forderungen können die Gläubiger von La Poste besondere Verfahren in Anspruch nehmen, die den Staat berechtigen, die Schuldnereinrichtung zu zwingen, die Forderung zu bezahlen, und die es dem Staat ermöglichen, bei Bedarf zur Bezahlung der Forderung die Ressourcen von La Poste zu erhöhen;

das französische Recht gibt den Gläubigern von La Poste zu keiner Zeit zu verstehen, dass diese endgültig in eine Situation der Überschuldung geraten könnte;

die Haushaltsdokumente lassen erkennen, dass der Staat den Einrichtungen des öffentlichen Sektors, zu denen La Poste gehört, im Fall unzureichender Mittel einen außerordentlichen Zuschuss gewähren könnte;

wenn die beschriebenen Verfahren keine Befriedigung des Gläubigers ermöglichen, kann er den Staat in Haftung nehmen, um die vollständige Begleichung seiner Forderung zu erhalten;

auch wenn sich die in Betracht gezogenen Verfahren über längere Zeit hinziehen sollten, hat der Gläubiger die Gewissheit, dass seine Forderung selbst bei strukturellen Veränderungen bei La Poste nicht ausfallen wird.

(252)

Diese Besonderheiten sind untrennbar mit dem Status von La Poste als öffentliches Unternehmen verbunden.

(253)

Die beschriebenen Verfahren beinhalten, dass der Staat letztinstanzlich bürgt. Dies lässt den begründeten Schluss zu, dass La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine unbeschränkte Bürgschaft des französischen Staates verfügt.

(254)

Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste beinhaltet eine Übertragung staatlicher Mittel im Sinne von Ziffer 2.1 der Bürgschaftsmitteilung von 2008 (114). La Poste zahlt für diese Bürgschaft keine Prämie, so dass der Staat auf die normalerweise mit Bürgschaften verbundenen Einnahmen verzichtet. Darüber hinaus erwächst aus der Bürgschaft eine potenzielle und zukünftige Gefahr der Inanspruchnahme staatlicher Mittel, da der Staat verpflichtet werden könnte, die Schulden von La Poste zu begleichen (115).

(255)

Schließlich ist die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste dem Staat zuzurechnen, weil sie auf einer Kombination aus dem öffentlich-rechtlichen Status von La Poste, aus den Grundsätzen des einzelstaatlichen Rechts und aus zwei Rechtakten, dem Gesetz vom 25. Januar 1985 (dem heutigen Code de commerce) und dem Gesetz vom 16. Juli 1980 sowie dessen Durchführungsbestimmungen beruht.

4.1.2.   VORLIEGEN EINES SELEKTIVEN VORTEILS

(256)

Die Bürgschaft ist ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, durch das La Poste günstigere Finanzierungsbedingungen als bei einer Beurteilung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält (a). Infolge der Unbeschränktheit der Bürgschaft kann die Höhe der marktüblichen Prämie, die La Poste an den Staat zahlen müsste, nicht berechnet werden, so dass die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme nicht umsetzbar ist (b). Die günstigeren Finanzierungsbedingungen, die La Poste aufgrund der unbeschränkten Staatsbürgschaft erhält, stellen einen selektiven Vorteil dar (c).

a)   Die Bürgschaft ist ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, durch das La Poste günstigere Finanzierungsbedingungen als bei einer Beurteilung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält

1.   Finanzierungsbedingungen werden vor allem auf der Grundlage des Ratings festgelegt

(257)

Die Finanzierungsbedingungen werden vor allem auf der Grundlage des Ratings (116) festgelegt: Je mehr sich das Rating eines Unternehmens aufgrund eines gestiegenen Zahlungsunfähigkeitsrisikos verschlechtert, desto höhere Zinsen verlangt der Kapitalgeber. Umgekehrt erhält ein Unternehmen mit sehr geringem Zahlungsunfähigkeitsrisiko Kredite zu sehr günstigen Konditionen.

2.   Entgegen den Behauptungen der französischen Behörden sind die Ratingagenturen die Auffassung, dass die Bürgschaft ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste ist, durch das diese ein besseres Rating als bei einer Bewertung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält

i)   Als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste beeinflusst die Bürgschaft deren Rating

α)   Analysen der Ratingagenturen (117) zum Vorliegen einer staatlichen Bürgschaft für La Poste

(258)

In einer Studie vom 22. November 2004 über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf die Ratings von Postunternehmen teilt Standard and Poor’s mit, dass der rechtliche Status von La Poste dieser eine letztinstanzliche staatliche Bürgschaft zusichere, so dass auch die Verpflichtungen von La Poste durch eine letztinstanzliche statutarische Bürgschaft der Französischen Republik abgesichert seien (118).

(259)

Am 3. April 2007 bestätigte die Ratingagentur Standard and Poor’s ihre Schlussfolgerung, der zufolge La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine letztinstanzliche Bürgschaft des französischen Staates verfügt, auch wenn diese Bürgschaft nicht sofort greife und nicht explizit sei, was sich im unterschiedlichen Rating der Französischen Republik und von La Poste widerspiegle (119).

(260)

Fitch, eine andere große Ratingagentur, wies am 31. März 2006 im Zusammenhang mit der Bestätigung des Ratings AAA von La Poste darauf hin, dass La Poste ein öffentliches Unternehmen sei, das über eine Bürgschaft des französischen Staats verfüge.

(261)

Fitch senkte das Rating von La Poste dennoch am 17. April 2008 auf AA ab und begründete diese Entscheidung damit, dass „der Status von La Poste als öffentliches Unternehmen es nicht mehr rechtfertigt, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird“. Obwohl die Ratingagentur Fitch darauf hinweist, dass sie „das Bestehen einer impliziten Bürgschaft des Staates nicht voraussetzt“, behauptet sie dennoch, dass „die statutarische Verpflichtung des Staates, für die Verpflichtungen von La Poste aufzukommen, fortbesteht“. Hierzu erinnert die Kommission daran, dass es nach dem Unionsrecht unerheblich ist, ob die Verpflichtung des Staates, für die Verbindlichkeiten von La Poste aufzukommen, aus dem herrührt, was im innerstaatlichen Recht „Garantie“ oder „Bürgschaft“ (garantie) genannt wird, oder auf einer statutarischen Verpflichtung. Denn in beiden Fällen liegt eine Bürgschaft des Staates im Sinne des Unionsrechts vor (siehe Bürgschaftsmitteilung von 2008, in der erklärt wird, dass staatliche Garantien an die Rechtsform des Unternehmens geknüpft sein und eine Verlustübernahme durch den Staat beinhalten können (120)).

(262)

Am 4. September 2009 teilte Fitch Folgendes mit (121): „Wie jedoch bei der Herabsetzung des Ratings von LP von ‚AAA‘ auf ‚AA‘ im Jahr 2008 mitgeteilt hatte, erkennt Fitch das Bestehen einer impliziten Bürgschaft des Staates für LP im Hinblick auf deren Liquidität nicht an. Denn seit 2006 können Beihilfemechanismen des Staates nur in Anspruch genommen werden, wenn der Kapitalbedarf den europäischen Wettbewerbsvorschriften entspricht; der öffentlich-rechtliche Status von LP rechtfertigt daher nicht mehr, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird. Der Zugang zu Vorschüssen der Staatskasse im Fall einer Liquiditätskrise ist somit nicht mehr sichergestellt, was bei Bedarf die staatliche Unterstützung erheblich verzögern kann“. Fitch vertritt somit die Auffassung, dass die Bürgschaft im Bereich der Liquidität seit 2006 nicht mehr in Anspruch genommen kann, weil sie gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt. Dies bestätigt, dass diese Agentur der Auffassung ist, dass vor diesem Datum eine solche Bürgschaft bestand und in Anspruch genommen werden konnte. Fitch misst dem Schreiben der Kommission vom 26. Februar 2006, mit dem diese Frankreich über ihre vorläufige Auffassung zum Vorliegen einer unbeschränkten staatlichen Bürgschaft informierte (122), maßgebliche Bedeutung bei. Allerdings berücksichtigt Fitch nicht, dass die Kommission die Bürgschaft in ihrem Schreiben als bestehende Beihilfe einstufte und dass das Schreiben vom 26. Februar 2006 nur eine vorläufige und nicht bindende Würdigung zum Vorliegen dieser Bürgschaft enthielt und eine Inanspruchnahme gegebenenfalls nicht verhindert hätte. Wenn es vor 2006 eine Bürgschaft gegeben hat, wurde somit mit dem Schreiben vom 26. Februar 2006 weder die Bürgschaft selbst noch die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme hinfällig. Dies wäre nur durch eine Aufhebung der Bürgschaft durch Frankreich selbst oder durch die Kommission auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen Akts möglich. Auch wenn Fitch irrtümlicherweise davon ausging, dass die Bürgschaft durch das Schreiben der Kommission hinfällig geworden sei, anerkennt diese Agentur dennoch weiterhin „das außergewöhnliche Maß an Unterstützung, auf das LP zugreifen kann, sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihr diese Unterstützung bei Bedarf zuteil wird“.

β)   Als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste beeinflusst die Bürgschaft deren Rating

(263)

Die Untersuchung der Analysen und Methoden von Standard and Poor’s und Fitch ergibt, dass die Bürgschaft als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung das Rating beeinflusst.

—   Standard and Poor’s (S & P) Ratingansätze

(264)

In der genannten Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staats auf die Ratings der Postunternehmen führt die Agentur S & P aus, dass sie den Ratingansatz bei Postunternehmen anhand des geschätzten Maßes der staatlichen Unterstützung für dieses Unternehmen bestimme. S & P unterscheidet zwischen Postunternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten (zum Beispiel die französische Post und die italienische Post), und solchen, die keinerlei Unterstützung vom Staat erhalten (zum Beispiel die Deutsche Post und TNT). Die Kategorie der Postunternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten, gliedert S & P in drei Unterkategorien:

Unternehmen, deren Rating gleich dem des Staates als Aktionär ist: Zu dieser Kategorie gehören Unternehmen, die stark in die Regierungsmechanismen integriert sind und wahrscheinlich nicht privatisiert werden. In diese Kategorie wurde kein Postunternehmen eingestuft;

Unternehmen, deren Rating durch Herabstufung (um bis zu zwei Kategorien, d. h. 6 Notches) aus dem des Staates als Aktionär abgeleitet wird: Hierzu gehören Unternehmen, die zwar ihre Geschäfte selbständig führen, aber auf staatlicher Politik beruhende Einrichtungen sind und in erheblichem Maße direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung erhalten, auch wenn im Hinblick darauf, wie schnell diese Unterstützung zuteil wird, ein hohes Maß an Ungewissheit besteht (123). La Poste wurde zumindest bis zur Veröffentlichung der Studie in diese Kategorie eingestuft;

Unternehmen, deren Rating auf den eigenen Leistungen des Unternehmens beruht und in Abhängigkeit von der Unterstützung des Staates heraufgestuft wird. Die Einstufung in diese dritte Kategorie setzt voraus, dass das Postunternehmen staatliche Unterstützung erhält, allerdings eher in Form von politischen Maßnahmen oder Regulierung oder einer möglichen Intervention in Notlagen als in Form einer regelmäßigen direkten finanziellen Subvention.

(265)

In dieser Studie führt die Agentur S & P aus, dass sie die Unterstützung des Staates für ein Postunternehmen (und somit den Ratingansatz für dieses Unternehmen und somit letzten Endes das Rating) anhand von vier Faktoren bewertet, die in der folgenden Reihenfolge angeführt werden: der Status des Unternehmens, die Wahrscheinlichkeit seiner Privatisierung, seine Führung und das Regulierungssystem. Im Hinblick auf den Status nennt S & P eben den Fall der französischen Post und betont dabei die „extrem starke“ Unterstützung des Staates und fügt direkt im Anschluss hinzu, dass La Poste über eine letztinstanzliche statutarische Bürgschaft der Französischen Republik verfüge (124).

(266)

S & P erklärt somit die „extrem starke“ Unterstützung des französischen Staates für La Poste mit dem Bestehen einer letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft. Aus dieser extrem starken Unterstützung folgert S & P, dass das Rating von La Poste anhand des Ratings der Französischen Republik bestimmt werden kann, wobei es um höchstens drei Kategorien, d. h. 6 Notches, herabgestuft werden kann. Das Rating von La Poste durch S & P lag tatsächlich trotz zunehmender Herabstufung nie um mehr als 4 Notches unter dem der Französischen Republik (die mit AAA bewertet ist) (125).

(267)

Die Kommission folgert aus den bisherigen Ausführungen, dass die staatliche Bürgschaft für La Poste ein grundlegendes Element bei der Bewertung durch S & P darstellt, der zufolge La Poste eine „extrem starke Unterstützung“ des Staates genießt. Eben aufgrund dieser „extrem starken“ Unterstützung wendet S & P nun aber bei La Poste den Top-Down- Ansatz an. Hätte S & P den Bottom-Up- Ansatz angewandt oder — schlimmer noch — das Rating aufgrund der staatlichen Unterstützung gar nicht heraufgesetzt, wie dies bei der Deutschen Post und TNT der Fall war, wäre La Poste schlechter bewertet worden als sie es derzeit ist. Denn in der Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen vertritt S & P die Auffassung dass die geschäftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Deutschen Post und von TNT besser als die von La Poste ist. Dennoch liegen die Ratings der Deutschen Post und von TNT, die in der Studie von S & P genannt werden, unter dem von La Poste. Wäre La Poste anhand ihrer eigenen Leistungen bewertet worden, wäre das Rating somit schlechter als es derzeit aufgrund der „extrem starken“ Unterstützung des Staates, welche S & P mit dem Bestehen der letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft erklärt, ist.

—   Letzte Ratings

(268)

In der Bewertung von La Poste vom 3. April 2007 erwähnt S & P unter den Faktoren, die beim Rating berücksichtigt worden seien, die Änderung der Kapitalstruktur, die eine Änderung des Status und den Verlust der Bürgschaft beinhaltet habe (126). S & P gibt an, die wahrscheinliche langfristige Änderung dieser drei Faktoren (Kapitalstruktur, rechtlicher Status und Bürgschaft) bereits zu berücksichtigen. Bis zu dieser Änderung wende S & P weiterhin den Top-Down- Ansatz an. Nun wurde aber im vorangehenden Abschnitt aufgezeigt, dass La Poste aufgrund dieses Ansatzes ein besseres Rating erhalten kann und erhält als bei einer Bewertung anhand ihrer eigenen Leistungen.

(269)

Die Kommission räumt dennoch ein, dass S & P in dieser Analyse vom 3. April 2007 betont, dass sich die Empfehlung der Kommission nicht auf das Rating von La Poste ausgewirkt habe, da nach Auffassung von S & P eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig eine geringere Unterstützung des Staates widerspiegle, die ein Faktor beim Rating von La Poste sei, was auch in den jüngsten Regierungsbeschlüssen zum Ausdruck gekommen sei (127). Die Kommission stellt fest, dass von S & P neben der Bürgschaft weitere Faktoren berücksichtigt werden, wenn diese zu dem Ergebnis kommt, dass La Poste starke staatliche Unterstützung genießt, die einen Top-Down- Ansatz rechtfertigt. Diese Faktoren können den Druck, der auf dem Status von La Poste lastet und der dazu führt, dass S & P bereits im Vorfeld eine Änderung des Status und ein langfristiges Entfallen der Bürgschaft berücksichtigt, aufwiegen. Dennoch betrachtet S & P die Bürgschaft als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, was das Rating beeinflusst.

(270)

In ihrer Bewertung vom 21. Januar 2009, nach der Ankündigung eines Gesetzesentwurfs zur Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft durch den französischen Staatspräsidenten vom 18. Dezember 2008, stufte die Ratingagentur S & P La Poste auf A + mit negativem Ausblick herab. Der negative Ausblick wurde mit der wahrscheinlichen Änderung des rechtlichen Status und der Eigentumsstruktur des Unternehmens in den nächsten beiden Jahren begründet (128). Nach Auffassung von S & P könnten diese Maßnahmen die Möglichkeiten des Staates, dem Unternehmen bei Bedarf außerordentliche Unterstützung bereitzustellen, einschränken. Auch hier wurde der Status, mit dem die Bürgschaft verknüpft ist, als Zeichen der starken Unterstützung des Staates für La Poste angeführt.

—   Ratings der Agentur Fitch

(271)

Fitch begründete das Rating AAA, das La Poste bis zum 17. April 2008 hatte, damit, dass La Poste eine öffentliche Gruppe sei, die über eine Bürgschaft des französischen Staates verfüge.

(272)

Am 4. Oktober 2006, als die Kommission Frankreich empfahl, die unbeschränkte Bürgschaft, über die La Poste als juristische Person des öffentliche Rechts verfügt, aufzuheben, stufte Fitch das Rating (von AAA stabil auf AAA negativ) mit der Begründung herab, dass „die Empfehlung der Europäischen Kommission als erstes Anzeichen für Druck auf den rechtlichen Status von La Poste und somit auf ihr Rating“auszulegen sei. Diese Herabstufung des Ratings sowie die Begründung dafür von Fitch veranschaulichen den Zusammenhang zwischen dem Status von La Poste und der ihr gewährten Bürgschaft einerseits und dem Rating durch Fitch andererseits.

(273)

Am 17. April 2008 stufte Fitch das Rating auf AA herab. Fitch folgt jedoch weiterhin dem Top-Down- Ansatz und begründet dies mit der Zugehörigkeit von La Poste zum öffentlichen Sektor. Wie bereits angegeben, gründet die Agentur Fitch ihre Entscheidung darauf, dass „der Status von La Poste als öffentliches Unternehmen nicht mehr rechtfertigt, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird.“ Fitch legt dar, dass das Rating von La Poste künftig auf den Beziehungen zwischen der Muttergesellschaft, in diesem Fall dem Staat, und der Tochtergesellschaft La Poste beruhen werde. Fitch folgt nun ebenfalls dem Top-Down- Ansatz, d. h. das Rating von La Poste entspricht nicht mehr dem des Staates, sondern wird unter Berücksichtigung der starken Unterstützung des Staates für La Poste, deren Schlüsselelement die statutarische Verpflichtung ist, die Verbindlichkeiten von La Poste zu übernehmen, aus dem Rating des Staates und nicht nur aus der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abgeleitet. Dieser Ansatz sowie das Rating wurden am 4. September 2009 bestätigt.

—   Schlussfolgerung

(274)

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die letztinstanzliche statutarische Bürgschaft des Staates für La Poste von Fitch — zumindest bis 2008 — und von S & P als Schlüsselelement der Unterstützung des Staates für La Poste betrachtet wird. Nun haben diese Ratingagenturen aber eben aufgrund dieser Unterstützung einen Top-Down- Ansatz gewählt, der dazu geführt hat, dass La Poste höher bewertet wurde, als wenn sie anhand ihrer eigenen Leistungen bewertet worden wäre. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass die Bürgschaft, wenn auch nicht das einzige, so doch ein maßgebliches Element des Ratings von La Poste darstellt. Da nun aber Fitch und S & P zwei wichtige Ratingagenturen sind und ihr Rating vom Markt bei der Entscheidung über die Finanzierung für ein bestimmtes Unternehmen nachweislich berücksichtigt wird, kann ein Rating dieser Agenturen (durch eine oder beide), das besser ist, als es ohne die Bürgschaft gewesen wäre, La Poste einen Vorteil verschaffen, den sie unter marktüblichen Bedingungen nicht erhalten hätte.

ii)   Widerlegung des Vorbringens der französischen Behörden

α)   Dass das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft beim Rating der den Bestimmungen des Gesetzes von 1980 unterliegenden Unternehmen wesentlich ist, wird durch die Feststellung, dass diese Unternehmen schlechter als der Staat bewertet sind, nicht widerlegt

(275)

Die französischen Behörden bestreiten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Bestimmungen des 16. Juli 1980 und begründen dies damit, dass, wenn diese Bestimmungen von den Ratingagenturen dahingehend ausgelegt worden wären, dass damit zugunsten der Gläubiger der betreffenden juristischen Personen ein einer Staatsbürgschaft gleichzustellender Mechanismus eingerichtet würde, nicht nachvollziehbar sei, dass Gebietskörperschaften mit BBB + oder AA- bewertet werden könnten. Zudem könnten die französischen Behörden nicht nachvollziehen, warum das Rating von La Poste, wenn diese über eine Staatsbürgschaft verfügt haben soll, schlechter als das des Staates gewesen sei (129).

(276)

Hierzu verweist die Kommission auf die Studie von S & P vom 22. November 2004 über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating von Postunternehmen, auf die Studie vom 14. Juni 2006 über das Rating von regierungszugehörigen Einrichtungen (130) und auf die Studie von 2007 über La Poste. Nach diesen Studien wird das Rating eines Unternehmens, das vom Staat stark unterstützt wird, aus dem Rating des Staates abgeleitet; es kann jedoch um zwei Kategorien (oder 6 Notches) herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können (131). Das schlechtere Rating von La Poste im Vergleich zum Staat lässt sich somit damit erklären, dass S & P frühzeitig einen Rückgang der staatlichen Unterstützung berücksichtigt, was zeigt, dass die Unterstützung des Staates, deren Schlüsselelement die Bürgschaft ist, es la Poste ermöglicht, ein besseres Rating zu erhalten als sie sonst erhalten hätte.

(277)

S & P ergänzt, dass La Poste im Jahr 1991 ein unabhängiges Unternehmen des öffentlichen Rechts mit dem Status des „Etablissement public“ geworden sei, der La Poste eine letztinstanzliche Bürgschaft des Staates für ihre Verpflichtungen zusichere, aber keine sofortige und explizite Bürgschaft, was sich im unterschiedlichen Rating von La Poste und der Französischen Republik widerspiegle (132). Obwohl die Ratingagentur S & P das Rating von La Poste im Vergleich zu dem Staats herabstuft, ist sie somit sehr wohl der Ansicht, dass La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine implizite Bürgschaft des Staats verfügt, und dies hat einen direkten Einfluss auf den verwendeten Ratingansatz.

(278)

Diese Gründe erklären, warum S & P beschlossen hat, La Poste und den Staat unterschiedlich zu bewerten. Die Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, zur Analyse der Gründe für das unterschiedliche Rating von Staat und Gebietskörperschaften Stellung zu beziehen, da diese Frage im Rahmen dieses Beschlusses nicht zu untersuchen ist.

β)   Die französischen Behörden ziehen falsche Schlüsse, weil sie nicht auf „sonst gleiche Bedingungen“ abstellen

(279)

Nach Auffassung der französischen Behörden beruhen die Analysen der Ratingagenturen nicht auf einer rechtlichen Analyse, sondern auf einer subjektiven Einschätzung einer möglichen Unterstützung des Staates bei Schwierigkeiten von La Poste. Zur Stützung dieser Behauptung verweist Frankreich auf die Analyse von S & P vom 3. April 2007. Wie bereits erwähnt, teilt S & P darin mit, dass das Rating von La Poste nach der Ankündigung der Kommission, eine Empfehlung zur Aufhebung der Bürgschaft abzugeben, nicht geändert worden sei, weil nach Auffassung von S & P eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig eine geringere Unterstützung des Staates, die dem Rating von La Poste zugrunde liege, widerspiegle, was durch die jüngsten Regierungsbeschlüsse bestätigt worden sei (133).

(280)

Die Kommission anerkennt, dass S & P neben der Bürgschaft weitere Faktoren berücksichtigt, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass La Poste eine starke staatliche Unterstützung gewährt wird, die einen Top-Down- Ansatz rechtfertigt. Im vorliegenden Fall haben die jüngsten Regierungsbeschlüsse, d. h. insbesondere die Entschließung zur Finanzierung der Ruhegehälter, die Beibehaltung der reservierten Postdienste, die Unterstützung beim Vertrieb des Sparbuchs A (livret A) und die Anhebung der Posttarife (die im Übrigen ebenfalls hoheitliche Akte, wenn nicht sogar staatliche Beihilfen sind), die Auswirkungen der Empfehlung der Kommission aufwiegen können. Dies bedeutet nicht, dass die Empfehlung der Kommission und ganz allgemein das Drängen auf eine Änderung des Status von La Poste und somit der Druck auf die Bürgschaft von den Ratingagenturen nicht berücksichtigt wurden. Dieser Druck wird natürlich berücksichtigt und als Nachlassen einer möglichen staatlichen Unterstützung für La Poste gewertet und beeinflusst somit das Rating. Das ist im Übrigen der Grund dafür, dass Fitch am 4. Oktober 2006, als die Kommission Frankreich aufforderte, die unbeschränkte Bürgschaft, über die La Poste als juristische Person des öffentliche Rechts verfügt, aufzuheben, das Rating (von AAA stabil auf AAA negativ) mit der Begründung herabstufte, dass „die Empfehlung der Europäischen Kommission als erstes Anzeichen für Druck auf den rechtlichen Status von La Poste und somit auf ihr Rating“ auszulegen sei, was bestätigt, dass der rechtliche Status ein Schlüsselelement ist.

(281)

Als Beispiel dafür, dass auf „sonst gleiche Bedingungen“ abgestellt werden muss, erinnert die Kommission daran, dass S & P in der Meldung von 2007 auch darauf hingewiesen hat, dass eine Änderung der Eigentumsstruktur von La Poste (und somit ein Verlust der Bürgschaft) zu einer Änderung des Ratingansatzes führen würde, dass sich das Rating von La Poste dadurch aber angesichts der erwarteten Besserung der Situation von La Poste in den kommenden Jahren nicht zwangsläufig ändern würde (134). Dies scheint zu bestätigen, dass La Poste ohne diesen Status ihre eigene Situation verbessern muss, um das Rating zu halten. Sollte die eigene Situation von La Poste dagegen konstant bleiben, dürfte die nachlassende Unterstützung des Staates für La Poste zur Herabstufung führen (135).

γ)   Das Vorbringen der französischen Behörde, mit dem bewiesen werden soll, dass der Status von La Poste und die damit verbundene Bürgschaft nicht die einzigen Faktoren sind, die von Ratingagenturen berücksichtigt werden, entkräftet die Beweisführung der Kommission nicht

(282)

Die meisten Äußerungen der französischen Behörden, mit denen aufgezeigt werden soll, dass die Bürgschaft „keine Auswirkungen auf das Rating von La Poste“ hat (136), beweisen lediglich, dass die Bürgschaft nicht der einzige Faktor ist, der von den Ratingagenturen berücksichtigt wird. Dies erkennt die Kommission an; allerdings wird dadurch nicht widerlegt, dass die Bürgschaft von den Ratingagenturen bei der Bewertung der Postunternehmen berücksichtigt wird. Im Übrigen stellen die französischen Behörden nicht auf sonst gleiche Bedingungen ab.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit den Unterlagen der Agenturen über das Rating der Postunternehmen

(283)

Die französischen Behörden untersuchen die Methoden der Ratingagenturen anhand der Studie von S & P über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen (137). Sie betonen, dass nach der von S & P beschriebenen Klassifikation bei der Einstufung in die Kategorie 1 eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt werde, dass aber nicht auf den Status des bewerteten Unternehmens verwiesen werde. Die französischen Behörden folgern daraus, dass der Status für die Ratingagenturen kein wichtiger Bewertungsfaktor ist.

(284)

Die Kommission bestreitet dies und weist darauf hin, dass S & P den Status der Unternehmen ganz eindeutig als eines der Schlüsselelemente bei der Bewertung des Maßes an staatlicher Unterstützung bezeichnet (siehe Erwägungen 264 bis 267 zur Methode von S & P).

(285)

Im Übrigen betonen die französischen Behörden, dass die italienische Post von S & P in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft worden sei, obwohl Poste Italiane privatrechtlichen Status habe und die finanzielle Leistungsfähigkeit eine Einstufung in diese Kategorie nicht rechtfertigen würde (138).

(286)

Die Feststellung, dass ein privatrechtliches Postunternehmen, in diesem Fall Poste Italiane, von einer Ratingagentur als Unternehmen angesehen wird, dem starke staatliche Unterstützung zuteil wird, und in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft wird, entkräftet die Beweisführung der Kommission im Hinblick darauf, dass das Vorliegen einer auf dem Status von La Poste beruhenden Bürgschaft von den Ratingagenturen berücksichtigt wird, nicht. Postunternehmen wie Poste Italiane können durchaus in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft werden können, ohne über eine Bürgschaft zu verfügen, wenn andere Faktoren bestätigen, dass sie ebenfalls in hohem Maße staatliche Unterstützung erhalten. Um aufzuzeigen, dass die Bürgschaft keinen Einfluss auf das Rating hat, hätte nachgewiesen werden müssen, dass Poste Italiane und La Poste hinsichtlich der verschiedenen Faktoren, die von Ratingagenturen bei der Einschätzung der staatlichen Unterstützung berücksichtigt werden, in einer vergleichbaren Lage sind und dass der einzige Unterschied zwischen den beiden Unternehmen in dem Vorliegen einer Bürgschaft für La Poste besteht. Denn damit der Vergleich einen Sinn hat, muss bewiesen werden, dass „sonst alle Bedingungen gleich sind“, was die französischen Behörden nicht getan haben.

(287)

Selbst wenn die französischen Behörden nachgewiesen hätten, dass Poste Italiane und La Poste — bis auf die bestehende Bürgschaft für die französische Post — in einer absolut vergleichbaren Situation sind (was nicht nachgewiesen wurde), ist zudem festzustellen, dass S & P das Maß an Unterstützung des italienischen bzw. des französischen Staats für ihre jeweiligen Postunternehmen unterschiedlich bewertet. So vertritt die Agentur S & P die Auffassung, dass die potenzielle Unterstützung des italienischen Staates für Poste Italiane „stark“ ist, während sie die Unterstützung des französischen Staats für La Poste als „extrem stark“ ansieht (139). Die Kommission schließt nicht aus, dass bei dieser unterschiedlichen Einschätzung auch der Einfluss der Bürgschaft eine Rolle spielt, auf die S & P in derselben Studie direkt im Anschluss an die Aussage, La Poste genieße eine extrem starke Unterstützung, hinweist (140). In jedem Fall kann nicht auf die Gründe geschlossen werden, aus denen Poste Italiane zu einem bestimmten Zeitpunkt in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft wurde. Denn zum einen bezieht sich dieses Verfahren nicht auf diese Gründe. Und zum anderen lässt die Vielzahl der Faktoren, die von Ratingagenturen bei der Bewertung berücksichtigt werden müssen, keinen Schluss auf die spezifischen Auswirkungen des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft auf das Rating zu.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit den Ratings privatwirtschaftlicher Unternehmen

(288)

Den französischen Behörden gibt es in der „Privatwirtschaft zuhauf Fälle, in denen das Rating einer Tochtergesellschaft an das der Muttergesellschaft gekoppelt ist“. Sie folgern daraus, dass dieser Ansatz keine Besonderheit des öffentlichen-rechtlichen Status darstelle.

(289)

Die Kommission bestreitet nicht, dass das Rating einer Tochtergesellschaft auch in der Privatwirtschaft an das der Muttergesellschaft und insbesondere an das geschätzte Maß an Unterstützung, das die Muttergesellschaft ihrer Tochter zu gewähren bereit ist und das sich eventuell in Bürgschaftsverpflichtungen äußern kann, gekoppelt ist. Durch dieses Vorbringen wird die Analyse der Kommission nur bestätigt. Denn es zeigt, dass der Status des öffentlichen Unternehmens und die darauf beruhende Bürgschaft ein Hinweis auf die staatliche Unterstützung sind, der von den Agenturen beim Rating von La Poste berücksichtigt wurde.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit dem Rating von La Poste

(290)

Die französischen Behörden betonen weiter, dass das Rating von La Poste von S & P im Jahr 2005 auf AA- mit stabilem Ausblick herabgestuft worden sei, obwohl sich der Status nicht geändert habe. Die französischen Behörden folgern daraus, dass das Rating von La Poste keine Folge ihres Status sei (141). Die französischen Behörden weisen weiter darauf hin, dass S & P das Rating in ihrer Meldung vom 3. April 2007 über La Poste mit der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Aufgaben und dem „strong shareholding backing“ und nicht mit dem Status begründet habe (142).

(291)

Die Kommission weist nochmals darauf hin, dass sie anerkennt, dass das Vorliegen einer Bürgschaft nicht der einzige Faktor ist, den Ratingagenturen berücksichtigen, wenn sie das Maß an Unterstützung einschätzen, das die öffentliche Hand einem Unternehmen in Schwierigkeiten zu gewähren bereit ist. Anhand der Studie von S & P über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf die Ratings der Postunternehmen (143) hat die Kommission jedoch aufgezeigt, dass eine bestehende Bürgschaft von Ratingagenturen als Schlüsselelement der Unterstützung des Staates für La Poste berücksichtigt wird.

(292)

Im Hinblick hierauf bestreitet die Kommission die Auffassung der französischen Behörden, der von S & P in der Meldung vom 3. April 2007 angeführte „strong shareholder backing“ habe nichts mit dem öffentlich-rechtlichen Status und der Bürgschaft zu tun. Denn aus der Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen geht hervor, dass der Status und die Bürgschaft bei der Einschätzung der Unterstützung des Staates für La Poste Schlüsselelemente sind.

(293)

Die Kommission bestreitet auch die Auslegung der Meldung von April 2007 durch die französischen Behörden, der zufolge S & P den Top-Down- Ansatz einzig aufgrund der Annahme gewählt habe, dass der Staat mittelfristig Alleinaktionär von La Poste bleiben dürfte, und nicht aufgrund des öffentlich-rechtlichen Status von La Poste und der mit diesem Status verbundenen Bürgschaft. Die Kommission erinnert daran, dass eine „wahrscheinliche künftige Änderung der Kapitalstruktur“, die S & P zufolge zu einem Verlust des Status als öffentliches Unternehmen und der mit diesem Status verbundenen Bürgschaft führen würde, von S & P bei ihrem Rating ausdrücklich berücksichtigt wurde (144). Somit ist klar, dass für S & P nicht nur die Änderung der Kapitalstruktur erheblich ist, sondern auch die damit verbundenen Konsequenzen (Verlust des öffentlich-rechtlichen Status und der Bürgschaft), wobei die Änderung der Kapitalstruktur den größten Schritt in Richtung der Unabhängigkeit von La Poste vom Staat darstellt.

3.   Von La Poste tatsächlich erhaltene Finanzierungsbedingungen

(294)

Die französischen Behörden bringen vor, dass die Ankündigung des Vorliegens der Bürgschaft und ihrer baldigen Aufhebung durch die Kommission keine Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste gehabt hätten. Tatsächlich habe diese bei der Emission einer Obligationsanleihe im Oktober 2006, unmittelbar nach der Ankündigung der Kommission, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, einen Spread von 12 Basispunkten über Mid Swap  (145) bei der 15-jährigen Anleihe und von 4 Basispunkten über Mid Swap bei der 7-jährigen Anleihe erhalten. Die vorangehende Emission einer 15-jährigen Anleihe im Jahr 2004 habe nun aber einen Spread von 8 Basispunkten über Mid Swap ergeben. Die französischen Behörden folgern daraus, dass die Finanzierungsbedingungen von La Poste nicht auf dem rechtlichen oder tatsächlichen Bestehen einer Bürgschaft beruhen.

(295)

Nach Auffassung der Kommission ist die Schlussfolgerung der französischen Behörden, die Ankündigung der Kommission habe sich nicht auf die Finanzierungsbedingungen ausgewirkt, unrichtig, da im Gegenteil eine Verschlechterung des Spread von 8 auf 12 Punkte festzustellen ist.

(296)

Und selbst wenn sich der Spread verringert hätte, was nicht der Fall ist, zweifelt die Kommission an den Schlussfolgerungen, die man daraus auf den Einfluss der Ankündigung der Kommission auf die Finanzierungskosten von La Poste ziehen könnte, da Anleger noch andere Faktoren berücksichtigen wie beispielsweise die finanzielle Struktur von La Poste, die sich in der Zeit von 2004 bis 2006 geändert haben kann.

(297)

Selbst bei gleichen oder unwesentlich geänderten Finanzierungsbedingungen vor und nach der Ankündigung der Kommission würde dies im Übrigen nicht beweisen, dass die Bürgschaft die Finanzierungsbedingungen nicht beeinflusst hat. Denn zum Zeitpunkt der von den französischen Behörden genannten Emission war die Bürgschaft für La Poste bereits als bestehende Beihilfe eingestuft. Sie blieb somit gültig und galt auch für die Emissionen. Erst von dem vorliegenden Beschluss zur Aufhebung festgelegten Zeitpunkt an wird die Bürgschaft gegebenenfalls eine rechtswidrige Beihilfe.

(298)

Da die Kommission bewiesen hat, dass die auf dem Status von La Poste beruhende Bürgschaft dieser infolge des positiven Einflusses auf ihr Rating einen Vorteil verschaffen kann, vertritt sie schließlich die Auffassung, dass sie die konkreten Auswirkungen dieser Bürgschaft in der Vergangenheit nicht zu beweisen braucht. Denn nach der ständigen Rechtsprechung zu Beihilferegelungen muss die Kommission die tatsächlichen Auswirkungen der Beihilfen nicht darlegen, da sonst diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen nicht anmelden, zulasten derjenigen, die Beihilfen anmelden, begünstigt werden (146). Ansonsten würde einem Mitgliedstaat, der eine unbeschränkte Bürgschaft anmeldet, die Maßnahme nur wegen deren möglichen Auswirkungen verboten, während ein Mitgliedstaat, der sie nicht angemeldet hat, sich verteidigen könnte und dabei darlegen könnte, dass die Bürgschaft dem Begünstigten keine konkreten Vorteile verschafft hat. Weiterhin muss die Kommission wie bei neuen Maßnahmen die Vereinbarkeit der bestehenden Maßnahmen mit dem Vertrag für die Zukunft prüfen und nicht unbedingt darlegen, dass die Maßnahme in der Vergangenheit mit dem Vertrag unvereinbare Auswirkungen hatte (147). Im Übrigen ist es der Kommission nicht möglich, die Rückforderung der eventuell aufgrund bestehender Beihilfen gewährten Vorteile anzuordnen. Infolgedessen ist auch eine Darlegung der konkreten Auswirkungen der Bürgschaft auf die Finanzierungsbedingungen nicht erforderlich.

b)   Angesichts der Unbeschränktheit der Bürgschaft kann die Höhe der marktüblichen Prämie, die La Poste an den Staat zahlen müsste, nicht berechnet werden, so dass die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme nicht umsetzbar ist

(299)

Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Bürgschaft für La Poste in Bezug auf Dauer, Höhe und Umfang unbeschränkt ist und unentgeltlich gewährt wird. Zudem deckt sie über den Postuniversaldienst hinaus auch wettbewerbsbestimmte Tätigkeiten ab. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass es aufgrund der Unbeschränktheit der Staatsbürgschaft für La Poste und gemäß der Entscheidungspraxis der Kommission (148) nicht möglich ist, die Höhe der marktüblichen Prämie zu berechnen, die La Poste für die Gewährung dieser unbeschränkten Bürgschaft an den Staat zahlen müsste. Denn bei jeder Bürgschaft wird die Beihilfe bei Übernahme der Bürgschaft gewährt. Im Fall einer unbeschränkten Bürgschaft, die potenziell die gesamte Schuldenlast des Unternehmens auf unbestimmte Zeit decken kann, kann jedoch die Höhe der Beihilfe zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht bestimmt und somit keine angemessene marktübliche Prämie berechnet werden (149). Die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme ist daher nicht umsetzbar.

c)   Die günstigeren Finanzierungsbedingungen, die La Poste aufgrund der unbeschränkten Staatsbürgschaft erhält, stellen einen selektiven Vorteil dar

(300)

Der Vorteil ist selektiv, weil er den Wettbewerbern von La Poste nicht gewährt wird, denn die Wettbewerber von La Poste unterliegen den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren und verfügen über keine mit dem Status als öffentliches Unternehmen verbundene unbeschränkte Staatsbürgschaft.

4.1.3.   VERZERRUNG DES WETTBEWERBS UND BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDELS

(301)

Die geprüfte Maßnahme kann zu einer Senkung der Betriebskosten von La Poste führen und somit durch die Begünstigung von La Poste den Wettbewerb im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV verfälschen. Da zudem die Bereiche, in denen La Poste tätig ist, insbesondere die Zustellung von Paketen, Postwurfsendungen und Briefen, deren Zustellung nicht La Poste vorbehalten ist, in hohem Maße für den innergemeinschaftlichen Handel geöffnet sind, könnten sich solche Maßnahmen nachteilig auf Unternehmen auswirken, die eine ähnliche Tätigkeit in Frankreich aufgenommen haben oder aufnehmen wollen. In Anwendung der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, geändert durch die Richtlinien 2002/39/EG und 2008/6/EG (150) (nachstehend „Postrichtlinie“ genannt), müssen in Frankreich alle Postdienste spätestens am 1. Januar 2011 liberalisiert sein. Unter diesen Umständen kann eine unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste im Sinne von Artikel 107 Artikel 1 AEUV den Wettbewerb verfälschen und den Handel beeinträchtigen.

4.1.4.   SCHLUSSFOLGERUNGEN ZUM BEIHILFECHARAKTER DER MASSNAHME

(302)

Die staatliche Bürgschaft, über die La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen verfügt, wird aus staatlichen Mitteln gewährt und ist somit eine Maßnahme, die durch die Begünstigung von La Poste den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass diese Bürgschaft eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

4.2.   VEREINBARKEIT

(303)

Da die Maßnahme in den Anwendungsbereich von Artikel 107 Absatz 1 AEUV fällt, muss geprüft werden, ob diese Maßnahme von der Kommission aufgrund der in Artikel 107 Absätze 2 und 3 und Artikel 106 Absatz 2 AEUV vorgesehenen Ausnahmen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann.

(304)

Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste erfüllt keine der Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmen gemäß Artikel 107 Absatz 2 AEUV, da mit der geprüften Maßnahme keiner der darin genannten Zwecke verfolgt wird.

(305)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV können Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Da die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste eine nach freiem Ermessen gewährte Einzelbeihilfe ist, keine regionalen Zielsetzungen verfolgt, unbefristet ist, an keine Investition geknüpft ist und nicht degressiv ist, fällt sie nicht unter die in Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV vorgesehene Ausnahmeregelung.

(306)

Was die in Artikel 107 Absatz 3 Buchstaben b und d AEUV vorgesehene Ausnahmeregelungen anbelangt, dient die in Rede stehende Beihilfe nicht der Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder der Behebung einer beträchtlichen Störung des Wirtschaftslebens Frankreichs. Auch dient die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste nicht der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes.

(307)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV können Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, sofern sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste betrifft weder eine Investition noch die Schaffung von Arbeitsplätzen und stellt infolgedessen eine nicht an Bedingungen geknüpfte Betriebsbeihilfe dar. Gemäß ihrer Entscheidungspraxis kann die Kommission eine solche Beihilfe nicht als Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete ansehen.

(308)

Schließlich kann die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste nicht auf der Grundlage von Artikel 106 Absatz 2 AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Diese Ausnahmeregelung sieht vor, dass für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des Vertrags und insbesondere die Wettbewerbsregeln gelten, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.

(309)

Gemäß den französischen Rechtsvorschriften ist La Poste mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut. In diesem Rahmen könnte das Postunternehmen einen finanziellen Ausgleich erhalten oder bestimmte Befugnisse genießen, mit denen von bestimmten allgemein geltenden Rechtsvorschriften abgewichen wird. Diese finanziellen Maßnahmen oder Befugnisse müssen jedoch auf das zum Ausgleich der zusätzlichen Kosten von La Poste im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen notwendige Maß begrenzt sein.

(310)

Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, legt fest, unter welchen Bedingungen die Kommission einen solchen Ausgleich als mit Artikel 106 Absatz 2 AEUV vereinbar ansieht. Unter anderem darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu decken.

(311)

Im vorliegenden Fall würde eine solche Analyse eine Bewertung der unbeschränkten staatlichen Bürgschaft für La Poste voraussetzen, mit der nachgeprüft werden müsste, dass der Wert der Bürgschaft die reinen Kosten für die Erbringung des Postuniversaldienstes nicht überschreitet. Da diese Bürgschaft jedoch unbeschränkt ist, ist eine solche Analyse nicht möglich, so dass die Anwendung der in Artikel 106 Absatz 2 AEUV vorgesehenen Ausnahmeregelung ausgeschlossen ist.

(312)

Selbst wenn eine solche Bewertung möglich wäre, dürfte der Ausgleich zudem nur für die unter den Postuniversaldienst fallenden Tätigkeiten gewährt werden. In ihrer derzeitigen Form gilt die unbeschränkte Staatsbürgschaft jedoch für alle Tätigkeiten von La Poste und somit auch für diejenigen, die nicht zum Auftrag des Postuniversaldienstes gehören.

(313)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Entwicklung des Handelsverkehrs dadurch in einem dem Interesse der Union zuwiderlaufenden Ausmaß beeinträchtigt wird.

(314)

Zudem hat Frankreich keine Fakten geltend gemacht, die die Vereinbarkeit der Beihilfe mit Artikel 107 Absatz 2 oder 3 oder mit Artikel 106 Absatz 2 AEUV beweisen, sondern es dabei bewenden lassen, das Bestehen der Bürgschaft zu bestreiten. Frankreich hat die Vereinbarkeit der Beihilfe somit nicht nachgewiesen, obwohl die Beweislast gemäß der Rechtsprechung Frankreich obliegt.

(315)

Abschließend ist die in Rede stehende Beihilfe selbst mit den Änderungen durch die Vorschläge der französischen Behörden zur Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz von 1980 und selbst bei Aufnahme einer haftungsbeschränkenden Klausel in die eine Forderung beinhaltenden Verträge von La Poste eine bestehende staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999, und gemäß der Entscheidungspraxis der Kommission im Bereich unbeschränkter Staatsbürgschaften für Unternehmen, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben (151), erfüllt diese Beihilfe keine der Voraussetzungen für die Anwendung der im AEUV vorgesehenen Ausnahmeregelungen. Infolgedessen ist die unbeschränkte Staatsbürgschaft nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

4.3.   NEUTRALITÄT HINSICHTLICH DER EIGENTUMSORDNUNG

(316)

Mit dieser Schlussfolgerung stellt die Kommission weder die Zugehörigkeit von La Poste zum Staat noch den Status als juristische Person des öffentlichen Rechts als solchen infrage. Die Kommission hält ganz einfach die Bürgschaft für La Poste, die sich nach derzeitigem Stand des französischen Rechts aus diesem Status ergibt, für problematisch.

(317)

Nach Artikel 345 AEUV lässt die Union die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt. Zudem hindert der Vertrag den Staat nicht daran, Unternehmen (ganz oder teilweise) zu besitzen. Andererseits müssen die Wettbewerbsregeln in gleicher Weise auf öffentliche wie auf private Unternehmen angewandt werden. Keine dieser Unternehmensgruppen darf durch die Anwendung der Regeln des Vertrags bevorzugt oder benachteiligt werden. Im vorliegenden Fall beruht die Bürgschaft nicht auf dem Eigentum, sondern auf dem rechtlichen Status des Unternehmens. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Rechtsform der Unternehmen zu wählen, doch müssen sie dabei die Wettbewerbsvorschriften des Vertrags beachten. Im Besonderen verhindert die bloße Tatsache, dass die Staatsbürgschaft automatisch mit einem bestimmten rechtlichen Status verbunden ist, nicht, dass sie eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (152). Diese Schlussfolgerung wird durch Artikel 345 AEUV nicht berührt. In einem wettbewerbsbestimmten Umfeld würde der Neutralitätsgrundsatz im Gegenteil die Abschaffung aller ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile für öffentliche Unternehmen zulasten ihrer privaten Wettbewerber bedingen. Diesem Ansatz folgte die Kommission beispielsweise in dem Fall, der zwei öffentlich-rechtliche Kreditinstitute in Deutschland betraf (153), sowie im Fall von EDF (154).

4.4.   GESETZESENTWURF ÜBER LA POSTE UND POSTDIENSTE

(318)

In ihrem Schreiben vom 31. Juli 2009 übermittelten die französischen Behörden der Kommission einen vom Ministerrat am 29. Juli 2009 verabschiedeten Gesetzesentwurf über La Poste und Postdienste, mit dem La Poste zum 1. Januar 2010 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird.

(319)

Mit einer Änderung dieses Gesetzesentwurfs wurde der Termin für die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft später auf März 2010 verschoben.

(320)

Artikel 1 Absatz 2 des geänderten Gesetzesentwurfs zur Änderung des Gesetzes Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 über die Organisation des öffentlichen Post- und Telekommunikationsdienstes lautet: „Die juristische Person des öffentlichen Rechts La Poste wird mit Wirkung zum 1. März 2010 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die unter La Poste firmiert […]“.

(321)

Die französischen Behörden führten aus, dass La Poste infolge der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft den gerichtlichen Abwicklungs- und Sanierungsverfahren des Handelsrechts unterliegen werde.

(322)

Die Kommission ist der Auffassung, dass die in dem von den französischen Behörden übermittelten Gesetzesentwurf vorgesehene Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft de facto zur Aufhebung der unbeschränkten Staatsbürgschaft führen wird. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass diese Umwandlung gemäß dem Unionsrecht eine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der derzeitigen staatlichen Beihilfe für La Poste ist.

(323)

Der Gesetzesentwurf soll im Januar 2010 vom französischen Parlament verabschiedet werden. Am 4. Oktober 2006 hatte die Kommission gemäß Artikel 18 der Verfahrensverordnung verlangt, die unbeschränkte Bürgschaft bis zum 31. Dezember 2008 aufzuheben. In Anbetracht der Umstände und der Tatsache, dass die Beratungen mit den französischen Behörden erst im Oktober 2009 zum Abschluss gebracht werden konnten und die Verabschiedung der Rechtsakte zur Aufhebung der Bürgschaft eine gewisse Zeit erfordert, vertritt die Kommission die Auffassung, dass es angemessen ist, von den französischen Behörden zu verlangen, dass sie die unbeschränkte Bürgschaft bis zum 31. März 2010 tatsächlich aufheben —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die unbeschränkte staatliche Bürgschaft, die Frankreich La Poste gewährt hat, stellt eine staatliche Beihilfe dar, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist. Frankreich hebt diese Beihilfe bis zum 31. März 2010 auf.

Artikel 2

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft de facto zur Aufhebung der ihr gewährten unbeschränkten Staatsbürgschaft führt. Die tatsächliche Aufhebung dieser unbeschränkten Bürgschaft bis zum 31. März 2010 ist eine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der in Artikel 1 festgestellten Beihilfe gemäß dem Recht der Union.

Artikel 3

Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses mit, welche Maßnahmen ergriffen wurden und werden, um diesem Beschluss nachzukommen.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.

Brüssel, den 26. Januar 2010

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 bzw. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 bzw. 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und Artikel 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 bzw. Artikel 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(2)  ABl. C 135 vom 3.6.2008, S. 7.

(3)  Fall N 531/05, Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der „Banque Postale“ (ABl. C 21 vom 28.1.2006, S. 2).

(4)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(5)  Da die Einstufung als bestehende Beihilfe bereits in den Randnummern 93 bis 97 des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens (siehe Fußnote 2) begründet wurde und bei der Kommission keine Stellungnahmen dazu eingegangen sind, kommt die Kommission auf diesen Punkt nicht mehr zurück und beschränkt sich darauf, die vorläufige Würdigung des Einleitungsbeschlusses zu bestätigen.

(6)  JORF (Amtsblatt der Französischen Republik) vom 17. Juli 1980, S. 1799.

(7)  JORF vom 14. Mai 1981.

(8)  Siehe Fußnote 2.

(9)  JORF vom 8. Juli 1990.

(10)  In Frankreich gibt es neben Verwaltungsträgern wie dem Staat und den Gebietskörperschaften im Wesentlichen zwei Kategorien von juristischen Personen des öffentlichen Rechts: die öffentlichen Unternehmen (Etablissements Publics) und die öffentlichen Interessensgruppen (Groupes d’Intérêt Public), die mit dem Gesetz Nr. 82-610 vom 15. Juli 1982 eingerichtet wurden. Innerhalb der Etablissements publics kann zwischen öffentlichen Verwaltungsunternehmen (établissements publics à caractère administratif, EPA), die traditionelle Aufgaben der Verwaltung wahrnehmen, und öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmen (établissements publics à caractère industriel et commercial, EPIC), die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, unterschieden werden.

(11)  In einem Bericht an den französischen Senat von 2003 betont die Commission des affaires économiques: „Jeder weiß, dass der Status der Muttergesellschaft La Poste seit der Reform von 1990 dem eines öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmens gleichzusetzen ist.“

(12)  Der Cour de Cassation berücksichtigte den mit einem Urteil des Cour d’Appel von Douai vom 22. Oktober 1998 aufgestellten Grundsatz, nach dem La Poste einem öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmen gleichgestellt ist.

(13)  Siehe insbesondere Urteil des Cour de Cassation vom 21. Dezember 1987 (1. Zivilkammer).

(14)  JORF (Amtsblatt der Französischen Republik) vom 26. Januar 1985, S. 1097.

(15)  Cour administrative d’appel, Paris 15. Februar 1991, JCP E1991, pan. 742; Cour de Cassation, Soc. 6. November 1991, JCP E 1992, pan. 85, Bull. V Nr. 476.

(16)  Es handelt sich um die in Unterabsatz 3 von Artikel 3-1 dieses Dekrets genannten Fristen.

(17)  Artikel 10 des Dekrets Nr. 2008-479 sieht vor: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder indem er die Ressourcen erhöht. Hat die Gebietskörperschaft oder das öffentliche Unternehmen den fälligen Betrag nicht innerhalb von acht Tagen nach Mitteilung über die Einstellung der Mittel zur Zahlung angewiesen, trägt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde innerhalb einer Frist von einem Monat von Amts wegen dafür Sorge“.

(18)  JORF vom 20. Februar 1990.

(19)  Bulletin officiel de la comptabilité publique. NOR: BUD R 02 00060 J.

(20)  Siehe Kapitel 3 der kodifizierenden Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 über die Finanz- und Rechnungslegungsvorschriften für französische öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen, Bulletin officiel de la comptabilité publique.

(21)  Siehe Teil IV, B: „Quelles dispositions juridiques prévoir?“ (Bestimmung des geeigneten Rechtsakts), S. 21.

(22)  Die 1965 gegründete ERAP ist ein EPIC, dessen Unternehmensgegenstand darin besteht, auf Anfordern des Staates Beteiligungen an Unternehmen der Energie-, Pharma- und Telekommunikationswirtschaft zu übernehmen.

(23)  Siehe Artikel „Fitch attribue la note préliminaire AAA au programme EMTN garanti de EU-10 MD de ERAP“ (Fitch vergibt für das mit 10 Mrd. EUR abgesicherte EMTN-Programm der ERAP das AAA-Rating). Abrufbar auf der Website der ERAP: www.erap.fr/pdf/CP_Fitch_Ratings_fr.pdf

(24)  Siehe Artikel „Moody’s attribue la notation Aaa au programme d’EMTN de l’ERAP portant sur 10 milliards d’euros“ (Moody’s vergibt für das 10-Milliarden-Euro-Programm EMTN der ERAP das Aaa-Rating). Abrufbar auf der Website der ERAP: www.erap.fr/pdf/CP_Fitch_Ratings_fr.pdf

(25)  In Anwendung von Artikel 15 des Gesetzes Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 unterliegt die Rechnungslegung von La Poste den Vorschriften für Handelsunternehmen.

(26)  Siehe Artikel „Fitch attribue la note préliminaire AAA au programme EMTN garanti de EU-10 MD de ERAP“.

(27)  Siehe insbesondere die Schreiben der französischen Behörden vom 24. April 2006, 6. Dezember 2006, 16. Januar 2007, 1. Februar 2007 und 19. März 2007.

(28)  Siehe Teil III des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(29)  Conseil d’Etat, 1. April 1938, Société de l’hôtel d’Albe, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 341. Siehe Randnummer 33 des Einleitungsbeschlusses.

(30)  Conseil d’Etat, 10. November 1999, Société de gestion du port de Campoloro, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 348; Conseil d’Etat, 18. November 2005, Société de gestion du port de Campoloro, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 515. Siehe Randnummer 34 des Einleitungsbeschlusses.

(31)  JORF Nr. 177 vom 2. August 2001, S. 12480.

(32)  Siehe Teil IIIB des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Februar 2008 und die Stellungnahmen der französischen Behörden vom 27. Oktober 2009.

(33)  Siehe Schreiben der französischen Behörden vom 27. Oktober 2009.

(34)  D. Labetoulle, „La responsabilité des AAI dotées de la personnalité juridique: coup d’arrêt à l’idée de ‚garantie de l’Etat‘“ (Haftung unabhängiger Verwaltungsbehörden mit Rechtspersönlichkeit: Schluss mit der Idee von der ‚Staatsbürgschaft‘), RJEP/CJEG Nr. 635, Oktober 2006.

(35)  Siehe Teil IV des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(36)  Siehe Absatz 78 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(37)  P. Bon, „Le Préfet face à l’inexécution par une collectivité territoriale d’un jugement la condamnant pécuniairement“ (Der Präfekt angesichts der Nichterfüllung eines Urteils, mit dem eine Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Gebietskörperschaft), RFDA — März/April 2006, S. 341. C. Landais und F. Lenica, „Le pouvoir de substitution du préfet en cas d’inexécution de la chose jugée par les collectivités territoriales“ (Das Eintrittsrecht des Präfekten im Fall der Nichterfüllung rechtskräftiger Urteile durch Gebietskörperschaften), AJDA, 23. Januar 2006, S. 137.

(38)  Conseil d’Etat, 10. November 1999, Société de gestion du port de Campoloro, siehe oben.

(39)  Conseil d’Etat, 18. November 2005, Société de gestion du port de Campoloro, siehe oben.

(40)  Conseil d’Etat, 30. November 1923, Sammlung S. 789.

(41)  Zur Gewährleistung der Vertraulichkeit wurden bestimmte Textpassagen ausgelassen. Diese Passagen werden durch Punkte in eckigen Klammern, gefolgt von einem Sternchen, gekennzeichnet.

(42)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14).

(43)  Den französischen Behörden zufolge ist die Erfüllung dieser Kriterien hinreichend, um das Vorliegen eines Vorteils auszuschließen, aber nicht notwendig. Im Besonderen wäre es kontraintuitiv, davon auszugehen, dass sich angebliche Vermutungen zu dem im Insolvenzfall zur Anwendung kommenden Verfahren in günstigeren Finanzierungsbedingungen niederschlagen könnten.

(44)  Artikel L 643-11 Code de commerce.

(45)  „Category 1: equalization of ratings with those of the state owner. This first category includes those entities […], generally loss making or with poor financial profiles, and extremely unlikely to be privatized […] given the nature of their activity, as well as their home country’s economic, social and political environment. None of the postal companies currently rated by Standard & Poor’s falls into this category […].“

(46)  „Category 2: notching down with respect to the state owner’s rating. […] La Poste and Poste Italiane currently fall within this category.“

(47)  „Category 3: notching up from the postal entity’s stand-alone rating. […] The entity’s postal activities are still a key public service, but the clear aim of the entity is to achieve a high level of operational and financial independence, either through privatization or commercial autonomy (state ownership, but independent management) […].“

(48)  „Standard & Poor’s Ratings Services lowered its counterparty credit […] ratings on French issuer AGF […] to ‚A‘ from ‚A+‘ […], following a review of AGF’s parent, the Munich-based Allianz group (AA-/Negative/A-1+). […] The downgrade of AGF, the holding company, is not specific to any issues within the French franchise and generally reflects the Allianz group’s financial leverage and fixed-charge coverage, which are increasingly aggressive relative to the group’s ratings and are a result of the group’s weakened consolidated capital base and reduced earnings.“

(49)  „The ratings also take into account the unchallenged status of both it and its parent, Germany-based Volkswagen Financial Services AG (VWFS), as core and captive finance entities to VW“ und „the ratings on VW Bank could moderately diverge (generally not more than one notch) from the ratings on VW or VWFS; currently only its outlook differs.“

(50)  „The ratings on Germany-based Volkswagen Financial Services AG (VWFS) are based on its unchallenged status as a core subsidiary of German automaker Volkswagen AG (VW; A-/Negative/A-2) and reflect its strategic importance for and close operational integration into its parent.“

(51)  „Das Rating eines Unternehmens, das vom Staat in hohem Maße unterstützt wird […], kann um zwei Kategorien herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können.“

(52)  Den französischen Behörden zufolge steht die „starke Unterstützung des Staates“, die von der Kommission unter Randnummer 84 des Einleitungsbeschlusses angeführt wird, nicht in Zusammenhang mit dem Status des Unternehmens oder einem Bürgschaftsmechanismus, sondern mit Entscheidungen wie der Gründung von La Banque Postale oder der Reform der Finanzierung der Ruhegehälter, mit denen La Poste die Mittel gegeben werden sollen, um sich unter gleichen Bedingungen wie ihre Wettbewerber und „At arm’s length“ mit dem Staat zu entwickeln. Einige dieser Maßnahmen stellen allerdings selbst staatliche Beihilfen in beträchtlicher Höhe dar (siehe insbesondere die Entscheidung der Kommission vom 10. Dezember 2007 über die Finanzierungsreform für die Ruhegehälter der bei La Poste beschäftigten Beamten). Infolgedessen können Sie keinen Beweis für das Interesse des Staates an der Entwicklung von La Poste unter „At arm’s length“-Bedingungen darstellen.

(53)  „A change in the group’s ownership structure would lead Standard & Poor’s to shift to a bottom-up rating approach, focusing more on LP’s stand-alone business and financial profiles. This rating approach may not necessarily translate into rating changes given the expected improvement in LP’s stand-alone situation in the coming years.“

(54)  „The ratings could come under pressure if the group significantly underperforms its operational and financial trajectory at the dawn of full postal deregulation, or if an ownership changes occur sooner than we expect.“

(55)  „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized.“

(56)  „The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions.“

(57)  Den französischen Behörden zufolge betrug der Spread bei der 15-jährigen Anleihe 12 Basispunkte über Mid Swap (entsprechend 33 Basispunkte über OAT (Staatsanleihen)) und bei der 7-jährigen Anleihe 4 Basispunkte über Mid Swap. Zum Vergleich führen die französischen Behörden an, dass die vorangehende Emission einer 15-jährigen Anleihe mit einem Volumen von 580 Mio. EUR zu einem Spread von 8 Basispunkten über Mid Swap geführt habe. Der Mid Swap ist der Mittelwert aus den angebotenen und vorgeschlagenen Sätzen je Laufzeit im Interbankenhandel, d. h. der feste Satz, bei dem eine Bank im Allgemeinen bereit ist, gegen einen 6-Monats-Euribor zu tauschen. Dieser Satz stellt insbesondere bei Obligationsanleihen den Referenzwert des Marktes dar.

(58)  Dekret Nr. 81-501. Zum Zeitpunkt des Vorschlags der französischen Behörden handelte es sich bei den Durchführungsbestimmungen um das Dekret Nr. 81-501 vom 12. Mai 1981 zur Durchführung des Gesetzes vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts und zur Section du rapport et des études des Conseil d’Etat.

(59)  Conseil d’Etat, 16. November 1998, Sille: „Auch wenn — wie die Richter im ersten Rechtszug erkannt haben — die Haftung des Staates, selbst die verschuldensunabhängige, wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten ausgelöst werden kann, wenn eine rechtmäßig ergriffene Maßnahme zur Folge hat, dass einer natürlichen oder juristischen Person ein besonderer Schaden von gewisser Schwere entsteht, so ist dies im vorliegenden Fall nicht gegeben, da Herr Sille als Fachmann der Immobilienbranche um die Unwägbarkeiten wissen musste, die zwangsläufig auf der Durchführung eines Bauvorhabens wie dem in diesem Fall geplanten lasten, für dessen Durchführung insbesondere die Bestimmungen des Flächennutzungsplans geändert und die Zustimmung des Gemeinderats erhalten werden mussten, so dass Herr Sille mit der Möglichkeit rechnen musste, dass dieses Vorhaben angesichts der Ergebnisse der öffentlichen Auflegung des Plans und der feindseligen Einstellung gegenüber dem Projekt von der Gemeinde aufgegeben werden könnte. Da er dieses Risiko in Kenntnis der Sachlage einging, kann er nicht geltend machen, dass er einen ungewöhnlich hohen Schaden erlitten habe und die Gemeinde für die finanziellen Folgen, die sich aus dem Verzicht auf das Projekt für ihn ergeben hätten, aufkommen müsse“.

(60)  Conseil d’Etat, 10. Juli 1996, Meunier: „Mit der Auffassung, dass sich aus der Entscheidung, das Geschäft an einem solchen Ort einzurichten, und aus einem Schreiben der Stadtverwaltung über die Möglichkeit von Erdbewegungen ergibt, dass der Beteiligte die Instabilitätsrisiken, denen sein Betrieb ausgesetzt war, in Kenntnis der Sachlage akzeptiert hat, hat der Cour administrative d’appel den Sachverhalt frei gewürdigt. Mit der Auffassung, dass einem Beteiligten aufgrund eines Schadens, der auf einem Umstand beruht, dem sich der Beteiligte bewusst ausgesetzt hat, kein Schadenersatzanspruch erwächst, hat das Gericht die für die Amtshaftung geltenden Regeln nicht missachtet“.

(61)  Nähere Einzelheiten hierzu siehe Randnummern 11 bis 13 des Einleitungsbeschlusses.

(62)  ABl. C 155 vom 20.6.2008, S. 10.

(63)  Siehe Abschnitt 3.1.1.A dieses Beschlusses.

(64)  Siehe Fußnote 29.

(65)  Siehe Fußnote 30.

(66)  Siehe Erwägung 110 des Urteils des Conseil constitutionnel Nr. 2001-448 vom 25. Juli 2001: „Wenn in Artikel 61 auf der Grundlage von Artikel 34 der französischen Verfassung die Verpflichtung vorsehen wurde, jede vom Staat gewährte Bürgschaft innerhalb von drei Jahren im Haushaltsgesetz zu genehmigen, dann kann die Strafe für eine etwaige Nichtgenehmigung nicht in der Nichtigkeit der betreffenden Bürgschaften bestehen. Durch eine solche Strafe würde die Gleichheit vor den öffentlichen Lasten und in Fällen von besonderer Schwere auch das Eigentumsrecht angetastet. Im Übrigen geht aus den parlamentarischen Arbeiten hervor, dass mit Artikel 61 die Unterrichtung des Parlaments über staatliche Bürgschaften und nicht die Nichtigkeit derjenigen Bürgschaften, die in der Vergangenheit gewährt und nicht innerhalb der gesetzten Frist genehmigt worden sein sollten, gewährleistet werden soll. Unter diesen Umständen ist Artikel 61 nicht verfassungswidrig.“

(67)  Siehe vorangehende Fußnote.

(68)  EuGeI 26. Juni 2008, SIC/Kommission, Rechtssache T-442/95, Slg. 2008, S. II-1161, Randnummern 124 bis 127. Siehe auch die Bürgschaftsmitteilung.

(69)  Siehe Absätze 62 bis 68 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(70)  Siehe Fußnote 34.

(71)  Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(72)  Siehe Fußnote 39 des Einleitungsbeschlusses. Das Schreiben ist nicht veröffentlicht, wurde aber im Bericht für 1995 erwähnt.

(73)  Dieser Teil des Schreibens wurde von den Verfassern des Berichts für 1995 veröffentlicht (S. 219).

(74)  Schreiben der französischen Behörden an die Kommission vom 9. September 2008.

(75)  Siehe Ziffer 5 des Anhangs zu diesem Schreiben, in dem verschiedene Akte genannt werden, darunter beispielsweise das „Ministerialschreiben oder eine andere Grundlage“.

(76)  Das Urteil über die straffreie Einstellung des Verfahrens mangels Masse nach einem gerichtlichen Abwicklungsverfahren ermöglicht es den Gläubigern nicht, wieder gegen den Schuldner vorzugehen; seine Forderung ist somit endgültig verloren.

(77)  Siehe Randnummer 147 dieses Beschlusses.

(78)  Auf die geltenden Bestimmungen, d. h. das Gesetz vom 16. Juli 1980, das Dekret vom 20. Mai 2008 zur Ersetzung des Dekrets vom 12. Mai 1981 und das Rundschreiben vom 16. Oktober 1989 wurde in diesem Beschluss im Kapitel über die Beschreibung der Maßnahme hingewiesen.

(79)  Siehe Abschnitt 3.1.1.B.a.1 dieses Beschlusses, der wiederum auf Abschnitt IV.A.1, S. 19-20 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008 verweist.

(80)  Wie die Sachverständige der Kommission betont, sind die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde für den Fall, dass die Mittel des öffentlichen Unternehmens nicht ausreichen, in der Tat begrenzt. Die erforderlichen Mittel können zunächst aus vorhandenen Mitteln kommen, die für andere Ausgaben vorgesehen sind und zweckentfremdet werden, um die Schulden zu begleichen. Weiterhin können sie durch Veräußerung von Vermögensgegenständen oder Preiserhöhungen beschafft werden, falls diese Verfahren in Betracht kommen. Zudem kann das öffentliche Unternehmen ein Darlehen aufnehmen. Wenn allerdings diese wenigen Möglichkeiten nicht in Betracht kommen, bleibt als Lösung nur eine Kapitalzuführung durch den Staat als Aktionär.

(81)  Unter der Annahme, dass kein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben ist.

(82)  Bericht der Sachverständigen, Abschnitt I.2.A.2, S. 18.

(83)  Art. L 620-1 Code de commerce.

(84)  Artikel L. 640-1 Code de commerce lautet: „Im Fall der Zahlungseinstellung wird, wenn eine Sanierung offensichtlich unmöglich ist, über das Vermögen jedes in Artikel L. 640-2 genannten Schuldners ein gerichtliches Abwicklungsverfahren eingeleitet“.

(85)  Die Vermögensgegenstände von La Poste wurden mit dem Gesetz vom 11. Dezember 2001, dem so genannten „Gesetz MURCEF“, als frei veräußerlich heruntergestuft. Dieses Gesetz sieht allerdings vor: „Wenn die Bedingungen für die Veräußerung oder Einbringung eines Vermögensgegenstandes die einwandfreie Erfüllung der rechtlichen Pflichten von La Poste oder der im Rahmen ihres Planvertrags übernommenen Verpflichtungen gefährden […], widersetzt sich der Staat der Veräußerung oder Einbringung und unterwirft die Durchführung dieser Vorgänge der Bedingung, dass sie der einwandfreien Erfüllung dieser Pflichten nicht schaden“.

(86)  Die Preise für die reservierten Postdienste werden von ARCEP, dem Regulierer für die Postdienste, genehmigt. Für die Preise für die Universaldienste gibt ARCEP einen Rahmen vor.

(87)  Siehe Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(88)  Siehe Ziffern 112 und 113 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(89)  Siehe Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(90)  Der französischen Regulierungsbehörde ARCEP zufolge reicht der Regulierungsbereich bis hin zu den Postdiensten, die die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Verteilung von Postsendungen im Rahmen regelmäßiger Zustellungen umfassen. Ausgeschlossen sind: die Verteilung von Postwurfsendungen, innerstädtische Kurierdienste und die Eilzustellung.

(91)  Siehe strategische Darstellung des jährlichen Leistungsplans.

(92)  Weitere Ausführungen zum Standpunkt der französischen Behörden siehe insbesondere Abschnitt 3.1.1.B.a.2 dieses Beschlusses.

(93)  Cour administrative d’appel, Lyon, 6. Juni 1996, Société fermière de Campoloro, Nr. 95LY00935.

(94)  P. Bon, siehe Fußnote 37.

(95)  Siehe Fußnote 37.

(96)  Siehe Fußnote 34.

(97)  Nr. 57516/00.

(98)  Serie A Nr. 37.

(99)  Siehe Schreiben vom 27. Oktober 2009.

(100)  Conseil d’Etat, 29. Dezember 2004, Sté d’aménagement des coteaux de Saint-Blaine, Nr. 257804: Eine Entschädigung für gemeinnützige Grunddienstbarkeiten ist möglich, wenn der Eigentümer eine besondere und übermäßig hohe Last trägt, die angesichts des angestrebten Zwecks des Allgemeininteresses unverhältnismäßig ist.

Cour administrative d’appel, Bordeaux, 14. Oktober 2003, Herr und Frau Claude X., Nr. 99BX01530: Durch die Unterbrechung des Kraftfahrzeugverkehrs auf kommunalen Straßen, die aufgrund eines Erdrutsches beschädigt wurden, kann dem eingeschlossenen Eigentümer ein außergewöhnlicher und besonderer Schaden entstehen. Das Verwaltungsgericht vertritt insbesondere die Auffassung, dass es sich aufgrund der Dauer (der Kraftfahrzeugverkehr war zur Durchführung der Arbeiten 7 Monate lang unterbrochen) um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt, der über die Lasten hinausgeht, die die beiden Benutzer der öffentlichen Straße normalerweise tragen müssen, und dass er infolgedessen ersetzt werden muss.

Tribunal administratif, Montpellier, 23. Juni 1999, Herr Van der Velden, Nr. 97-03716: Durch die endgültige Schließung eines Campingplatzes aufgrund der größeren Überschwemmungsgefahr entstand dem Eigentümer ein außergewöhnlicher und besonderer Schaden, der insofern einen Ersatzanspruch begründet, als diese Schließung zur Einstellung der einzigen gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen und zum vollständigen Verlust seines Geschäftsvermögens geführt hat.

(101)  Der Begriff des „begründeten Irrtums“ (erreur légitime), der Rechtswirkung entfalten kann, ist mit der Rechtsscheintheorie verknüpft. Nach dem französischen Rechtswörterbuch „Vocabulaire juridique“ von Cornu, ist der Rechtsschein der „Eindruck, der — absichtlich oder unabsichtlich — durch die Vereinigung äußerlicher Merkmale entsteht, in denen sich üblicherweise ein Zustand oder eine Funktion (Bevollmächtigter, Erbe, Eigentümer usw.) ausdrückt und die den Anschein erwecken, dass die Person, die mit diesen Merkmalen ausgestattet ist, tatsächlich diesen Zustand oder diese Funktion hat“. Die Rechtsscheintheorie ist eine „prätorische Theorie, gemäß der allein der Rechtsschein genügt, um Wirkung gegenüber Dritten zu entfalten, die infolge eines begründeten Irrtums die tatsächliche Rechtslage nicht erkennen konnten“. Die Rechtsscheintheorie kommt in der Rechtsprechung zur Anwendung und hat sogar zu sehr berühmten Lösungen geführt (EGMR, 7. Juni 2001, Kress). Im Privatrecht wird sie herangezogen, um einen Vertrag Rechtswirkung entfalten zu lassen, dessen eine Vertragspartie in begründeter Weise auf einen einfachen Rechtsschein vertraut hat. Zu nennen sind hier auch der Rechtsschein des Sitzes oder Wohnsitzes (domicile apparent) oder im öffentlichen Recht der Rechtsschein des faktischen Beamten (fonctionnaires de fait), deren Entscheidungen als ordnungsgemäß gelten. Diese Theorie erleichtert die Beweisführung zum Vorliegen eines rechtlichen Merkmals oder einer Rechtswirkung, wenn diese in keinem Rechtstext ausdrücklich erwähnt werden.

(102)  Unterscheidung anhand der Ausführungen in der Dissertation von S. Carpi-Petit „Les successions en droit administratif“ (Die Nachfolge im Verwaltungsrecht) PUR, 2006.

(103)  Dies geht aus dem Erlass vom 15. Juli 2002 (JORF vom 23. Juli 2002) zur Festlegung der Modalitäten zur Abwicklung der Université thématique d’Agen hervor; Artikel 1 dieses Erlasses besagt, dass der Liquidator dafür zuständig ist, „dem für das Hochschulwesen zuständigen Minister die Verteilung der nach Ablauf des Abwicklungszeitraums bestehenden Vermögensgegenstände, Forderungen und Verbindlichkeiten und des Saldos der Abwicklungsbilanz auf die Universitäten Bordeaux I und Bordeaux IV vorzuschlagen“.

(104)  

Dekret Nr. 53-404 vom 11. Mai 1953 über die Abwicklung der Caisse de compensation pour la décentralisation de l’industrie aéronautique, JORF vom 12. Mai 1953, Art. 3: „Gemäß Artikel 7 des Dekrets vom 24. Mai 1938 gehen die der Kasse gehörenden Anlagen und Einrichtungen sowie die nach Schuldentilgung verfügbaren Mittel in das Eigentum des Staates über“ (hier ist offensichtlich, dass der Saldo positiv ist).

Dekret Nr. 75-926 vom 6. Oktober 1975 über die Schließung der Bourse d’échanges de logements, Art. 2: „die Vorgänge zur Begleichung der Schulden, zur Beitreibung der Forderungen und zur Abwicklung der Vermögensgegenstände der staatlichen Wohnungstauschstelle sowie gegebenenfalls die Gerichtsverfahren als Klägerin oder Beklagte fallen in die Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen. Die Buchungen erfolgen auf das Sonderkonto der Staatskasse 904.14 ‚Abwicklung von öffentlichen Unternehmen des Staates, behördenähnlichen oder gewerblichen Einrichtungen und sonstige Abwicklungen‘.“

Dekret Nr. 81-1009 vom 12. November 1981 über die Schließung des Institut Auguste Comte pour l’étude des sciences et de l’action: Der etwaige Liquidationsüberschuss fließt an den Staat.

Dekret Nr. 83-1185 vom 27. Dezember 1983 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle de Lille-Est: „Die Aktiva und Passiva des öffentlichen Unternehmens für die Raumordnung für die Satellitenstadt Lille-Est werden zu diesem Zeitpunkt zu den im Vertrag vom 5. Dezember 1983 festgelegten Bedingungen auf den Gemeindeverbund Lille übertragen; eine Ausnahme bilden die im Anhang dieses Dekrets aufgeführten Vermögensgegenstände, die auf das Institut de recherche des transports übertragen werden“.

Dekret Nr. 83-1263 vom 30. Dezember 1983 über die Auflösung des Service national d’examen des permis de conduire: Die Buchungen erfolgen auf das Sonderkonto der Staatskasse „Abwicklung öffentlicher Unternehmen“.

Dekret Nr. 87-590 vom 30. Juni 1987 zur Festlegung der Abwicklungsbedingungen für das Centre mondial informatique et ressources humaines, Art. 1: „Mit Wirkung zum 1. Juli 1987, dem Zeitpunkt der Auflösung des Centre mondial informatique et ressources humaines (CMIRH), fallen die beweglichen Vermögensgegenstände sowie die Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung dem Staat zu“.

Dekret vom 17. November 1987 über die Auflösung des Centre d’étude des systèmes et des technologies avancées (JORF vom 18. November 1987) und Dekret Nr. 87-1167 vom 31. Dezember 1987 zur Festlegung der Abwicklungsbedingungen, Art. 1: „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Centre d’études des systèmes et technologies avancées (CESTA) fallen mit Wirkung vom 1. Januar 1998, dem Zeitpunkt der Auflösung dieser Einrichtung, dem Staat zu“.

Erlass vom 28. September 1988 zur Festlegung der Bedingungen für den Abschluss der Abwicklung der Agence de l’informatique (JORF vom 23. Dezember 1988): Die Abwicklungsvorgänge werden vom Minister für Industrie und Raumordnung wahrgenommen.

Dekret Nr. 93-775 vom 26. März 1993 über die Schließung des öffentlichen Unternehmens Musée de la Poste (JORF vom 30. März 1993): Übertragung der Rechte und Verpflichtungen auf La Poste.

Dekret vom 26. Dezember 1996 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Caisse française des matières premières (JORF vom 29. Dezember 2006): „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung werden auf den Staat übertragen“.

Dekret Nr. 97-882 vom 26. September 1997 zur Abwicklung des öffentlichen Unternehmens Centre de conférences international de Paris: Der Saldo der Liquidationsbilanz fließt an den Staat.

Dekret Nr. 99-1151 vom 29. Dezember 1999 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Musée national de la Légion d’honneur, Art. 2: „Die Aufgaben sowie die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieses öffentlichen Unternehmens werden vom selben Tag an auf den Ordre national de la légion d’honneur übertragen“.

Dekret Nr. 2000-1126 vom 22. November 2000 über den Übergang des Saldos der Liquidationsbilanz des Etablissement public d’aménagement de la ville nouvelle du Vaudreuil: Der Saldo wird auf den Staatshaushalt übertragen. Artikel 2 besagt: „Die während der Tätigkeit oder Abwicklung der Einrichtungen entstandenen und bis zum Ende des Abwicklungszeitraums nicht bekannten Rechte und Verpflichtungen werden auf den Staat übertragen“.

Dekret Nr. 2001-1383 vom 31. Dezember 2001 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement des rives de l’Etang de Berre: Artikel 6 sieht vor, dass die Übertragung der bei Abschluss der Liquidationsbilanz noch bestehenden Aktiva und Passiva sowie der während der Tätigkeit oder des Abwicklungszeitraums entstandenen und bis zum Ende der Abwicklung nicht bekannten Rechte und Verpflichtungen per Dekret auf den Staat übertragen werden. Mit dem Dekret Nr. 2004-234 vom 17. März 2004 mit verschiedenen Bestimmungen für die Abwicklung der öffentlichen Einrichtung für die Raumordnung für die Ufer des Etang de Berre werden die „während der Tätigkeit entstandenen Rechtsstreitigkeiten“ auf den Staat übertragen.

Dekret vom 29. April 2004 zur Auflösung des Syndicat mixte pour le développement de la zone industrielle et portuaire Eure-Calvados (JORF vom 6. Mai 2004), Art. 4: „Die am Tag der Abwicklung des Gemeindeverbunds bestehenden Lasten werden satzungsgemäß unter seinen Mitgliedern aufgeteilt“.

(105)  S. Carpi-Petit, „Les successions en droit administratif“, PUR, 2006.

(106)  

Erlass vom 24. Februar 2004 zur Auflösung von Les Houillères de bassin du centre et du Midi (JORF vom 28. Februar 2004): Übertragung der Tätigkeiten, Rechte und Verpflichtungen auf Charbonnage de France.

Gesetzesvertretende Verordnung Nr. 59-80 vom 7. Januar 1959 zur Reorganisation der Tabak- und Zigarettensteuermonopole: Gründung des öffentlichen Unternehmens SEITA mit Kapitalzuführung.

Dekret Nr. 65-116 vom 17. Dezember 1965 zur Zusammenlegung der Régie autonome des pétroles und des Bureau de recherches du pétrole: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Régie autonome des pétroles und des Bureau de recherches de pétrole werden von Rechts wegen auf das Entreprise de recherches et d’activités pétrolières übertragen“.

Dekret Nr. 67-796 über die Zusammenlegung der Mines domaniales de potasse d’Alsace und des Office national industriel de l’Azote, Art. 2: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Mines domaniales de potasse d’Alsace und des Office national industriel de l’azote werden von Rechts wegen auf das Entreprise minière et chimique übertragen“.

Dekret Nr. 68-369 vom 16. April 1968 über die Verschmelzung der Houillères du bassin du centre et du midi: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der somit geschlossenen Houillères du bassin werden von Rechts wegen auf die Houillères du bassin du centre et du midi übertragen“.

Dekret Nr. 69-69 vom 24. Januar 1969 über die Übertragung des ORTF: „Vom 1. Januar 1969 an werden die beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Office de coopération radiophonique auf den ORTF übertragen“.

Dekret Nr. 93-1176 vom 13. Oktober 1993 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Opéra de Bastille, Art. 2: „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Etablissement public de l’Opéra de la Bastille werden auf das Etablissement public du parc de La Villette übertragen.“

Dekret Nr. 2000-1294 vom 26. Dezember 2000 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle d’Evry und zur Übertragung seiner Rechte und Verpflichtungen auf die Agence foncière et technique de la région parisienne, Art. 2: „Die Aktiva und Passiva des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle d’Evry werden von diesem Tag an die Agence foncière et technique de la région parisienne übertragen.“ […] „Sie übernimmt alle Rechte und Verpflichtungen in Verbindung mit der vom öffentlichen Unternehmen ausgeübten Tätigkeit“.

Dekret Nr. 2004-103 vom 30. Januar 2004 über Ubifrance, die französische Agentur für die internationale Entwicklung von Unternehmen: „Übertragung der Rechte, Verpflichtungen, unbeweglichen und beweglichen Vermögensgegenstände des Centre français du commerce extérieur […] auf Ubifrance“.

Gesetz Nr. 2004-105 vom 3. Februar 2004 zur Gründung der Agence nationale pour la garantie des droits des mineurs, Art. 6: „Vorbehaltlich der Auflösung des Verbandes ‚Association nationale de gestion des retraités des Charbonnages de France et des Houillères de bassin ainsi que de leurs ayants droit‘ kraft eines Beschlusses seiner Hauptversammlung werden die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieses Verbandes auf die Agence nationale pour la garantie des droits des mineurs übertragen“.

Dekret Nr. 2004-186 vom 26. Februar 2004 zur Gründung der Université en sciences des organisations et de la décision de Paris-Dauphine: „Die Vermögensgegentände, Rechte und Verpflichtungen der Universität Paris IX werden auf die Universität Paris-Dauphine übertragen“.

(107)  

Gesetz Nr. 80-495 vom 2. Juli 1980 zur Änderung des Status des Service d’exploitation industrielle des tabacs et allumettes: Art. 2: „Das Vermögen des öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmens ‚Service d’exploitation industriel des tabacs et allumettes‘ wird nach den von der zuständigen Behörde festgelegten Modalitäten in die mit diesem Gesetz gegründete Gesellschaft eingelegt“.

Siehe auch das Dekret Nr. 80-1025 vom 19. Dezember 1980 über die Einbringung der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Caisse nationale des marchés de l’Etat, des collectivités et établissements publics in die Gesellschaft CEPME.

Gesetz Nr. 88-50 vom 18. Januar 1988 über die Umänderung der Caisse nationale de crédit agricole, Artikel 1: „Das Vermögen der Caisse nationale de crédit agricole und des Fonds commun de garantie werden auf die im ersten Absatz vorgesehene Gesellschaft übertragen, die alle Rechte und Verpflichtungen der Caisse nationale und des Fonds commun de garanti mit den damit verbundenen Bürgschaften und Sicherheiten innehat“.

Dekret vom 19. April 1989 zur Ermächtigung des Centre d’études des systèmes d’information des administrations, alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen in die Aktiengesellschaft Cesia einzulegen, und zur Auflösung dieser Einrichtung.

Gesetz Nr. 92-665 vom 16. Juli 1992 zur Anpassung der Gesetzgebung im Bereich des Versicherungs- und Kreditwesens an den europäischen Binnenmarkt: Einlage der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des EPIC Caisse nationale de prévoyance in eine Aktiengesellschaft.

Dekret Nr. 2001-1213 vom 19. Dezember 2001 zur Ermächtigung des öffentlichen Unternehmens Agence pour la diffusion de l’information technologique, sein Vermögen in eine gleichnamige Aktiengesellschaft einzulegen, zur Auflösung dieses öffentlichen Unternehmens und zur Ermächtigung der Übertragung dieser Gesellschaft auf den privaten Sektor.

(108)  Siehe beispielsweise den Vorgang zur Schließung der Caisse nationale des marchés de l’Etat, des collectivités et établissements publics: Das Dekret Nr. 80-1025 vom 19. Dezember 1980 verfügt, dass die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des öffentlichen Unternehmens in eine Aktiengesellschaft (CEPME) eingelegt werden und dass das öffentliche Unternehmen im Gegenzug Aktien erhält. Mit Dekret Nr. 80-1076 vom 23. Dezember 1980 wird das öffentliche Unternehmen dann geschlossen und sein Vermögen auf den Staat übertragen. Der gleiche Mechanismus wird bei der Schließung der Agence pour la diffusion de l’information technologique angewandt (Dekret Nr. 2001-1213 vom 19. Dezember 2001).

(109)  „Etablissements publics“, J. Cl. Administratif Fasc. 135, 2007.

(110)  Beispielsweise das Gesetz Nr. 80-495 vom 2. Juli 1980 über die Umwandlung des Service d’exploitation des tabacs et allumettes in eine Société nationale; Gesetz Nr. 96-660 vom 26. Juli 1996 über das staatliche Unternehmen France Télécom, Art. 1: „Die in Art. 1 genannte juristische Person des öffentlichen Rechts France Télécom wird vom 31. Dezember 1996 an in ein staatliche Unternehmen mit der Firma France Télécom umgewandelt, an dem der Staat direkt mehr als die Hälfte des Grundkapitals hält.“ […]„Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der juristischen Person des öffentlichen Rechts France Télécom werden von Rechts wegen zum 31. Dezember 1996 auf das staatliche Unternehmen France Télécom übertragen“. Wenn eine Behörde des Staates mit einem Zusatzhaushalt in eine privatrechtliche Gesellschaft „umgewandelt“ wird, kommt selbstverständlich nur dieses Verfahren in Betracht. Gesetz Nr. 93-1419 vom 31. Dezember 1993 über die Imprimerie nationale, Art. 1: „Alle Rechte, Vermögensgegenstände und Verpflichtungen des Staates im Zusammenhang mit den Aufgaben der Dienststelle, die unter den Zusatzhaushalt der Imprimerie nationale fallen, werden in eine staatliche Gesellschaft eingelegt, die unter ‚Imprimerie nationale‘ firmiert“. Unlängst auch Art. 78 des Haushaltsberichtigungsgesetzes für 2001, Nr. 2001-1276 vom 28. Dezember 2001, zur Umwandlung der staatlichen Stelle DCN in eine Aktiengesellschaft und zur Einlegung der damit verbundenen Rechte, Vermögensgegenstände und Verpflichtungen des Staates.

(111)  Auf die gleiche Weise wurde mit dem Gesetz Nr. 2005-357 vom 20. April 2005 über die Flughäfen bei ADP verfahren. Art. 1 lautet: „Das öffentliche Unternehmen Aéroports de Paris wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Diese Umwandlung bringt weder die Gründung einer neuen juristischen Person noch Folgen für das maßgebliche Recht für die Beschäftigen mit sich“.

(112)  G. Cornu, „Vocabulaire juridique“, PUF.

(113)  Siehe S. Carpi-Petit, „Les successions en droit administratif“, siehe oben, S. 207.

(114)  Siehe Fußnote 61.

(115)  EuGeI, EPAC/Kommission, verbundene Rechtssachen T-204/97 und T-270/97, Slg. 2000, S. II-2267, Randnummern 80 und 81.

(116)  Das Rating ist ein obligatorischer Schritt bei der Finanzierung von Unternehmen auf den Kapitalmärkten; darüber hinaus wird es bei Bankanleihen zunehmend als Referenz herangezogen. Siehe hierzu Fußnote 46 des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens.

(117)  Es handelt sich um Standard & Poor’s und Fitch, zwei der weltweit größten Ratingagenturen.

(118)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“ Standard and Poor’s, 22. November 2004: „La Poste’s legal status, which ensures a last-recourse sovereign guarantee, confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France on its obligations“.

(119)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „In 1991, LP — previously part of the government bureaucracy — became an independent publicly owned entity with EP status, which ensures LP an ultimate state guarantee on its obligations, but not a timely and explicit guarantee as reflected by the rating differentiation between LP and the Republic of France“.

(120)  Siehe Ziffer 1.2 zweiter und vierter Gedankenstrich der Bürgschaftsmitteilung.

(121)  Siehe Artikel „Fitch confirme la note ‚AA‘ attribuée à La Poste“, Fitch Ratings, Paris/London, 4. September 2009.

(122)  Siehe Randnummer 2 dieses Beschlusses.

(123)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“. Standard and Poor’s, 22. November 2004: „- Category 2: notching down with respect to the state owner’s rating. The second category includes those entities that, while autonomous in their operations, are largely public-policy-based institutions, still in receipt of substantial direct or indirect financial backing from the State. There is, however, a high level of uncertainty surrounding the level and/or timeliness of this state support. A top-down approach that assumes notching down from the sovereign rating by up to two categories (six notches) applies to such postal entities. La Poste and Poste Italiane currently fall within this category.“

(124)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“. Standard and Poor’s, 22. November 2004: „Unlike the credit quality of companies that operate in a commercial manner at arm’s length from the government, like SingPost, Deutsche Post or TPG, a major factor underpinning La Poste’s robust credit quality is its extremely strong State support. La Poste’s legal status confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France (AAAA/Stable/A-1+) on its obligations“.

(125)  Die letzte Herabstufung des Ratings von La Poste erfolgte am 21. Januar 2009, kurz nachdem der französischen Staatspräsident ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft angekündigt hatte; das Rating von La Poste wurde auf A + herabgestuft, was erneut eine Bestätigung dafür ist, dass bei sonst gleichen Bedingungen der öffentlich-rechtliche Status von La Poste sehr wohl einen erheblichen Einfluss auf das Rating hat.

(126)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „S & P continues to follow a top-down rating methodology for La Poste — which allows for a governement supported entity to be rated by up to two categories below the sovereign- as we expect the French state to remain La Poste’s 100 % shareholder in the medium term. The ratings nevertheless already factor in the long-term likelihood of a change in the group’s capital structure, which would require a change in its current ‚établissement public‘ legal status and result in the loss of the state’s ultimate guarantee on LP’s financial obligations, the elimination of which was recently recommended by the European Commission“.

(127)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized. The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions“.

(128)  Auszug aus „ADP news“ vom 21. Januar 2009: „S & P lowers ratings on La Poste with negative outlook“ […]„The announced legal status and ownership change will give the company a greater autonomy from the government, which is why its rating has a four-notch differential with the rating on the Republic of France, rated AAA/A-1 + with a ‚stable‘ outlook. S & P’s ‚negative‘ outlook reflects concerns that the changes in the company’s legal status and ownership, likely to take place in the next two years as part of a capital hike, could pressure the ratings. These initiatives could limit the government’s ability to provide the postal operator with exceptional support without improving its standalone profile in the short term, as the capital hike should not decrease La Poste’s debt relative to its cash generation“.

(129)  Siehe Ziffer 197 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(130)  „Rating Government-Related Entities: A Primer“. Standard and Poor’s, 14. Juni 2006.

(131)  Siehe auch „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The entities’ credit standing is linked to that of the government, but ratings can be notched down from those on the State by up to two categories as the financial links between these companies and the state may be increasingly subject to change in the medium or long term‘ (Die Kreditwürdigkeit der Einrichtungen ist mit der der Regierung verknüpft, aber die Ratings können um zwei Kategorien herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können).

(132)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „In 1991, LP — previously part of the government bureaucracy — became an independent publicly owned entity with EP status, which ensures LP an ultimate state guarantee on its obligations, but not a timely and explicit guarantee as reflected by the rating differentiation between LP and the Republic of France.“

(133)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized. The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions“.

(134)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „A change in the group’s ownership structure would lead Standard & Poor’s to shift to a bottom-up rating approach, focusing more onLP’s stand-alone business and financial profiles. This rating approach may not necessarily translate into rating changes given the expected improvement in La Poste’s stand-alone situation in the coming years.“ (Eine Änderung der Eigentumsstruktur der Gruppe würde Standard and Poor’s veranlassen, zu einem Bottom-Up-Ansatz überzugehen und sich zunehmend auf das geschäftliche und finanzielle Profil von La Poste selbst zu konzentrieren. Dieser Ratingansatz würde angesichts der erwarteten Besserung der Situation von La Poste in den kommenden Jahren nicht unbedingt zu einer Änderung des Ratings führen).

(135)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The ratings on La Poste could be downgraded, however, if state backing for the company were to weaken“ (Das Rating von La Poste könnte jedoch herabgestuft werden, wenn die Unterstützung des Staates für dieses Unternehmen nachlässt).

(136)  Siehe Abschnitt 3.2.1.D dieses Beschlusses und Teil V.4 der Äußerungen der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(137)  Siehe Teil V 4 a der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(138)  Siehe Ziffer 186 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(139)  Siehe Tabelle 1 in „Ratings direct“ zu La Poste, S & P, 3. April 2007.

(140)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“, Standard and Poor’s, 22 novembre 2004: „Unlike the credit quality of companies that operate in a commercial manner at arm’s length from the government, like SingPost, Deutsche Post or TPG, a major factor underpinning La Poste’s robust credit quality is its extremely strong State support. La Poste’s legal status confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France (AAAA/Stable/A-1+) on its obligations“.

(141)  Siehe Ziffer 196 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(142)  Siehe Ziffern 198-200 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(143)  „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“, Standard and Poor’s, 22. November 2004.

(144)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The ratings nevertheless already factor in the long-term likelihood of a change in the group’s capital structure, which would require a change in its current ‚établissement public‘ legal status and result in the loss of the state’s ultimate guarantee on LP’s financial obligations, the elimination of which was recently recommended by the European Commission“. Unter den ermittelten Schwachstellen von La Poste werden im Übrigen genannt: „Likely capital structure change at company or bank level in the long term“.

(145)  Der Mid Swap ist der Mittelwert aus den zu einem bestimmten Zeitpunkt angebotenen und vorgeschlagenen Sätzen je Laufzeit im Interbankenhandel, d. h. der feste Satz, bei dem eine Bank im Allgemeinen bereit ist, gegen einen 6-Monats-Euribor zu tauschen. Dieser Satz stellt insbesondere bei Obligationsanleihen den Referenzwert des Marktes dar.

(146)  EuGH 14. Februar 1990„Boussac“, Frankreich/Kommission, Rechtssache C-301/87, Slg. S.I-307, Randnummer 33.

(147)  EuGeI 11. März 2009, TF1/Kommission, Rechtssache T-354/05, Slg. S. II-113, Randnummern 166 und 167.

(148)  In ihrer Entscheidung EDF (Randnummer 57 der Entscheidung 2005/145/EG der Kommission vom 16. Dezember 2003 über staatliche Beihilfen, die Frankreich EDF und der Strom- und Gaswirtschaft gewährt hat (ABl. L 49 vom 22.2.2005, S. 9), vertrat die Kommission die Auffassung, „dass die Tatsache, dass EDF unmöglich einem gerichtlichen Sanierungs- oder Vergleichsverfahren unterliegen kann und folglich nicht Konkurs machen kann, einer allgemeinen Garantie für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens gleichkommt. Eine solche Garantie kann nicht Gegenstand irgendeiner Vergütung nach den Vorschriften des Marktes sein. Diese Garantie, die in ihrer Abdeckung, ihrer Dauer und ihrer Höhe unbegrenzt ist, stellt eine staatliche Beihilfe dar“.

(149)  Siehe Mitteilung über Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, Ziffer 2.1 dritter Absatz.

(150)  ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14.

(151)  Siehe beispielsweise die Entscheidung 2005/145/EG.

(152)  Siehe insbesondere Ziffer 1.5 der Bürgschaftsmitteilung, mit der der Neutralitätsgrundsatz bekräftigt wird, und Ziffer 2.1, unter der ausgeführt wird, dass eine staatliche Garantie auf der bloßen Tatsache der Rechtsform beruhen kann (zweiter und vierter Gedankenstrich).

(153)  Fall E 10/2000 „Anstaltslast und Gewährträgerhaftung“, Ziffer 5 des Vorschlags geeigneter Maßnahmen vom 8. Mai 2001. Abrufbar über die Website der Kommission: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2000/e010-00-1.pdf

(154)  Siehe Entscheidung 2005/145/EG.