21.9.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 247/85


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 28. Oktober 2009

über die staatliche Beihilfe C 61/03 (ex NN 42/01) Italiens zugunsten der Luftfahrtindustrie

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2009) 8097)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/564/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die fragliche Maßnahme betrifft Einzelbeihilfen für zwei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in der Luftfahrtindustrie (A139/AB139 und BA609). Die Beihilfen wurden von Italien auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 808 vom 24. Dezember 1985„Interventi per lo sviluppo e l’accrescimento di competitività delle industrie operanti nel settore aeronautico“ (nachstehend „Gesetz 808/85“ genannt) gewährt. Das genannte Gesetz wurde am 24. Dezember 1985 vom italienischen Parlament verabschiedet. Die Regelung wurde von der Kommission 1986 genehmigt (2). Die Förderung dieser beiden Vorhaben fiel nicht unter die Entscheidung 2008/806/EG der Kommission (3), weil die Frage der Anwendbarkeit des Artikels 296 EG-Vertrag nicht geklärt war und die der Kommission vorliegenden Informationen für eine abschließende Würdigung nicht ausreichten.

1.   VERFAHREN

(2)

Am 1. Oktober 2003 eröffnete die Kommission nach Eingang einer Beschwerde und Einholung eines unabhängigen externen Gutachtens per Entscheidung das förmliche Prüfverfahren (nachstehend „ursprüngliche Einleitungsentscheidung“ genannt) in Bezug auf sechs Beihilfen zugunsten von FuE-Vorhaben, die Italien nicht als Einzelbeihilfen angemeldet hatte. Bei diesen sechs Fällen hat die Kommission Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den für FuE-Beihilfen geltenden Regeln (4) geäußert.

(3)

Mit Entscheidung vom 22. Juni 2005 (5) (nachstehend „zweite Eröffnungsentscheidung“ genannt) weitete die Kommission das Verfahren auf den gesamten Geltungsbereich des Gesetzes 808/85 und damit auch auf die Vorhaben aus, die nach Auffassung Italiens unter Artikel 296 EG-Vertrag fallen. Die zweite Entscheidung wurde am 12. Oktober 2005 veröffentlicht (6).

(4)

Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 machte Italien geltend, dass die beiden Eröffnungsentscheidungen nationale Sicherheitsinteressen berührten.

(5)

In ihrer Antwort vom 15. Juli 2005 auf das Schreiben vom 17. Juni 2005 bekräftigte die Kommission, dass ihre Untersuchung ausschließlich die zivilen Aspekte betreffe und dass die Vorhaben, die nationale Sicherheitsinteressen berührten, nur zu dem Zweck untersucht worden seien, sie aus dem Geltungsbereich der abschließenden Entscheidung auszuschließen.

(6)

Am 11. März 2008 erließ die Kommission die Entscheidung 2008/806/EG über verschiedene, von Italien finanzierte FuE-Einzelbeihilfen.

(7)

Erwägungsgrund 419 der Entscheidung 2008/806/EG lautet: „Bezüglich der beiden in der zweiten Einleitungsentscheidung genannten Vorhaben, deren militärischen Charakter sie bezweifelte, ist die Kommission dagegen zu keiner Schlussfolgerung gelangt. Die Kommission behält sich das Recht vor, von Italien mit Blick auf eine zukünftige Entscheidung weitere Informationen zu verlangen“.

(8)

In einigen der Kommission im Verlauf der Untersuchung vorgelegten Schreiben hat Italien auch Informationen über die beiden in Rede stehenden Vorhaben übermittelt. Mit Schreiben vom 24. April 2007 hat Italien zwei ausführliche Vermerke zu den beiden Vorhaben übermittelt.

(9)

Am 4. Mai 2007 haben Vertreter Italiens auf einer Zusammenkunft in der Ständigen Vertretung Italiens bei der Europäischen Union Vertretern der Kommission Einsicht in aus Gründen der nationalen Sicherheit vertrauliche Dokumente über die beiden in Rede stehenden Vorhaben gewährt.

(10)

Die Kommission erbat mit Schreiben vom 5. Mai 2008 zusätzliche Informationen.

(11)

Am 9. Juli 2008 übermittelte Italien Informationen über die beiden Projekte.

(12)

Am 29. September 2008 besuchten zwei Kommissionsbeamte den italienischen Militärstützpunkt […] (7), wo der BA609 einigen Tests unterzogen wird, und den Hauptsitz des Unternehmens AgustaWestland in Cascina Costa (Provinz Varese).

(13)

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 hat Italien einen Bericht über diesen Besuch übermittelt zusammen mit einem ausführlichen Verzeichnis der besuchten militärischen Infrastrukturen und der im Zusammenhang mit dem betreffenden Vorhaben unterbreiteten Beweismittel.

(14)

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 hat Italien angekündigt, weitere Informationen über die Vorhaben zu übermitteln. Ferner erklärte sich Italien zu einer weiteren Zusammenarbeit mit der Kommission bereit, obwohl die Vorhaben nationale Sicherheitsinteressen berührten und folglich unter Artikel 296 EG-Vertrag fielen.

(15)

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 hat Italien zusätzliche Informationen über das BA609-Projekt übermittelt.

(16)

Mit Schreiben vom 31. März, 7. Mai und 24. Juli 2009 hat Italien weitere Informationen über die Durchführung des BA609-Projekts, darunter die jüngsten finanziellen Entwicklungen, übermittelt. Die Kommission hat hierauf mit Schreiben vom 22. April 2009 geantwortet.

2.   GRÜNDE FÜR DIE ERÖFFNUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(17)

In der zweiten Eröffnungsentscheidung hatte die Kommission ernste Bedenken geäußert, ob es sich bei den Projekten AB139 (bzw. A139, nachstehend „A139“ genannt) und BA609, wie von Italien geltend gemacht, um militärische Projekte handelt.

(18)

Bezüglich des Projekts A139 hat die Kommission beispielsweise festgestellt, dass auf der Website von AgustaWestland (8) für diesen Helikopter folgende Verwendungszwecke genannt sind: medizinische Noteinsätze, Brandbekämpfung, Beförderung von Schifflotsen, polizeiliche Zwecke, Offshore-Transporte, SAR und VIP/Corporate. Nach Auffassung der Kommission ist keiner dieser Verwendungszwecke militärischer Natur.

(19)

Für den BA609 fand die Kommission z. B. auf der Website von Bell Agusta (9) ein Verzeichnis häufig gestellter Fragen (FAQ), in dem das Unternehmen auf die Frage: „Ist der BA609 für zivile oder für militärische Zwecke ausgerüstet?“ antwortet: „Der BA609 ist derzeit ausschließlich für zivile Zwecke vorgesehen. Das für die Küstenwache bestimmte SAR-Modell (Search and Rescue) entspricht am ehesten dem Militärmodell. Derzeit sind keine Militärmodelle verfügbar.“

(20)

Auf der Grundlage der Informationen, die ihr bei Erlass der Entscheidung 2008/806/EG vorlagen, konnte die Kommission noch nicht zu einer abschließenden Beurteilung der beiden Vorhaben gelangen. Die Kommission behielt sich vor, vor Erlass der abschließenden Entscheidung weitere Auskünfte von Italien anzufordern, um bestimmte Aspekte zu klären. Aus diesem Grund wurden die beiden Vorhaben von der Entscheidung ausgenommen.

3.   STELLUNGNAHMEN DRITTER ZU DEN BEIDEN VORHABEN

(21)

Die anonyme Stellungnahme eines interessierten Dritten (nachstehend „interessierter Dritter“ genannt), die nach der zweiten Eröffnungsentscheidung während des Verfahrens einging, enthielt zahlreiche Anmerkungen zu den beiden in Rede stehenden Projekten.

(22)

Der interessierte Dritte bezweifelte, dass die beiden in Rede stehenden Projekte als militärisch eingestuft werden könnten. Seiner Auffassung nach sei der AW139 als rein ziviler Helikopter einzustufen, da er keine militärischen Verwendungszwecke aufweise. Dass einige AW139 an Armeen in verschiedene Ländern der Welt verkauft worden seien, ändere nichts am zivilen Charakter des Helikopters.

(23)

Der interessierte Dritte wies darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Helikoptern im Kontext der Zertifizierung und konkret bei der ersten Zertifizierung des Projekts erfolge. Außerdem erforderten die typischen Merkmale militärischer Programme eine Phase der Definition von Spezifikationen, einen Entwicklungsvertrag mit dem Verteidigungsministerium und einen Industrievertrag mit dem Verteidigungsministerium. Dem interessierten Dritten zufolge würde all dies jeweils veröffentlicht und erschiene im nationalen Verteidigungsetat.

(24)

In Bezug auf den BA609 führte der interessierte Dritte von Agusta übermittelte öffentlich zugängliche Informationen an, in denen für das Tiltrotorluftfahrzeug ausschließlich zivile Verwendungszwecke genannt sind.

(25)

Der interessierte Dritte wies außerdem darauf hin, dass Agusta für die Entwicklung der beiden Luftfahrtzeuge enorme Summen benötigte, die sich das Unternehmen nur dank einer großzügigen staatlichen Förderung beschaffen konnte.

(26)

Nach Angaben des interessierten Dritten erforderte die Entwicklung des A139 eine Investition von mindestens 700 Mio. EUR. Der interessierte Dritte hat außerdem vorgebracht, dass die Beteiligung von Agusta an dem gemeinsamen BA609-Projekt mit Bell mindestens 200 Mio. EUR gekostet habe.

(27)

Dem interessierten Dritten zufolge deckten sich die FuE-Aufwendungen von Agusta, die in den öffentlich verfügbaren Informationen genannt sind, nicht mit diesen Kosten.

4.   VON ITALIEN ÜBERMITTELTE BESCHREIBUNG DER PROJEKTE

(28)

In der zweiten Eröffnungsentscheidung hatte die Kommission Bedenken geäußert, ob es sich bei den beiden bei ihr angemeldeten Projekten (A139 und BA609), wie von Italien geltend gemacht, um militärische Projekte handelt.

(29)

Wie in der Entscheidung 2008/806/EG ausgeführt, konnte die Kommission auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen keine abschließende Beurteilung der beiden Projekte vornehmen.

(30)

Der Begünstigte der in Rede stehenden Beihilfe ist Agusta (10), ein auf Helikopter spezialisiertes Unternehmen des Konzerns Finmeccanica. Laut Italien wurde die Stellungnahme gemeinsam mit Finmeccanica abgegeben.

(31)

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass der italienische Staat sowohl zivile als auch militärische Projekte auf der Grundlage des Gesetzes 808/85 finanziert hat. Laut Angaben der italienischen Behörden (vgl. Erwägungsgründe 171 und 172 der Entscheidung 2008/806/EG) flossen von insgesamt 3 Mrd. EUR 1 311 Mio. EUR in Projekte im Bereich der nationalen Sicherheit.

(32)

Italien hat auch ein Verzeichnis der Programme im Bereich der nationalen Sicherheit übermittelt, die auf der Grundlage der in Rede stehenden Regelung finanziert wurden. Dass auf der Grundlage eines Zivilgesetzes auch militärische Projekte finanziert wurden, ist der Grund dafür, dass einige Projekte im nationalen Verteidigungsetat nicht aufgeführt sind.

(33)

Italien hat geltend gemacht, dass die Beihilfen für die beiden Projekte aus Gründen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt waren, und hat sich auf Artikel 296 EG-Vertrag berufen.

4.1.   Projekt A139

(34)

Laut Italien wurde das Projekt A139 nach einer ersten Diskussion auf NATO-Ebene als Kooperationsvorhaben mit dem russischen Unternehmen Kamov begonnen, das aber 1997 eingestellt wurde. Anschließend erteilte die italienische Regierung über das italienische Verteidigungsministerium einen offiziellen Auftrag für einen Helikopter, der als taktisches Transportmittel bei Kampfeinsätzen dienen sollte.

(35)

Italien hat der Kommission den offiziellen Auftrag auf eine Machbarkeitsstudie vom […] mit den militärischen Spezifikationen vorgelegt.

(36)

Italien hat ferner die technischen Spezifikationen des Militärhubschraubers vom […] übermittelt.

(37)

Italien hat mitgeteilt, dass die Tätigkeit von Agusta bis 1999 in der Durchführung des ursprünglichen Vorhabens und der Bereitstellung der technischen Lösungen bestand, die erforderlich waren, um den Auftrag für einen Helikopter als taktischem Transportmittel bei Kampfeinsätzen zu erfüllen. Agusta hat an einem Demonstrationsmodell Test- und Validierungsmaßnahmen durchgeführt, wie z. B. […] (1998) und […] (1999).

(38)

2000 wurde die Tätigkeit laut Angaben Italiens mit […] fortgesetzt.

(39)

Italien zufolge wurde das auf der Grundlage des Gesetztes 808/85 finanzierte Vorhaben mit der Entwicklung eines militärischen Demonstrationsmodells abgeschlossen.

(40)

Italien hat mit einer Entscheidung von 1998 Fördermittel für den A139 gewährt. Die staatliche Förderung wurde dem Unternehmen in […] Tranchen ausgezahlt.

Tabelle 1

Finanzielle Förderung für das Projekt A139

(in EUR)

Jahr

Ausgezahlte Tranche

Ausgezahlter Gesamtbetrag

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

(41)

Italien hat erläutert, dass die Verzögerungen bei der Entwicklung des Militärhubschraubers darauf zurückzuführen waren, dass die spezifischen operationellen Anforderungen an den A139 später vom Verteidigungsministerium ausgehend von den im Rahmen von Auslandseinsätzen (Albanien, Bosnien, Mazedonien, Timor und Kosovo) gesammelten Erfahrungen angepasst wurden. Diese Anpassungen betrafen […] .

(42)

Italien hat ferner dargelegt, dass beabsichtigt war, dass der A139 die bestehende Flotte von Bell 212, 205 und 412 ersetzen sollte. Allerdings habe sich Italien nach den Ereignissen vom 11. September 2001 gezwungen gesehen, seine Planung zu überarbeiten, um über […] zu verfügen.

(43)

Italien zufolge unterscheide sich der A139 von dem anschließend geplanten zivilen Helikopter AW139. Das von der Kommission untersuchte Vorhaben A139 sei in die Entwicklung des Militärhubschraubers AW149 gemündet.

(44)

Italien hat einen Vergleich der technischen Merkmale der beiden Helikopter AW139 und AW149 vorgelegt. Italien zufolge ist dem Vergleich zu entnehmen, dass

der AW139 alle Merkmale eines zivilen Helikopters aufweist,

der AW149 alle Merkmale eines militärischen Helikopters aufweist und

es nur einen ganz geringen Wissens-Spillover zwischen den beiden Helikoptern gibt, da es sich um zwei grundverschiedene Luftfahrzeuge handele.

(45)

Die nachstehende Tabelle wurde ausgehend von den Angaben Italiens erstellt. In der dritten Tabellenspalte mit dem Vergleich zwischen den beiden Helikoptern ist ausgewiesen, ob sich die für den AW149 entwickelten Bauteile von jenen des AW139 unterscheiden.

Tabelle 2

Vergleich zwischen AW139 und AW149

 

Ziviler Helikopter AW139

Militärhelikopter AW149

AW149 versus AW139

Durchmesser Hauptrotor

13,8 m

14,6 m

Neu

Durchmesser Heckrotor

2,7 m

2,8 m

Neu

Abmessungen Cockpit

 

Breite + 3 cm

Neues Strukturdesign

Kabine

 

Länge + 30 cm

Breite + 26 cm

Neues Strukturdesign

Fahrwerk

Keine hohe Stoßkraftabsorption

Höhe über dem Boden 42 cm

Hohe Stoßkraftabsorption (militärische Norm)

Höhe über dem Boden 50 cm

Neues Design

Heckausleger

 

+ 45 cm

Änderung oder neu

Abfluggewicht

6 400 kg; Zivilzertifizierung nach JAR/FAR 29

6 800-7 000 kg (ohne Einsatzsystem); Militärzertifizierung AR 56 (Mehrzweckklassifizierung) und DEF STAN 00-970 (brit. Verteidigungsministerium)

Neu

Motoren

PW PT6-67C Grundmodell

PW PT6-67C, leistungsverstärkt (laut Italien)

Neu

Kraftübertragung

 

+ 25 % Drehmomentausgleich verfügbar

Neue mechanische Elemente im selben Gehäuse

Auxiliary Power Unit

Nicht vorhanden

Accessory Drive Module

Neu

Treibstofftanks

Crashworthy gemäß Zivilnormen JAR/FAR29

Crashworthy gemäß den militärischen Anforderungen; selbstdichtend

Neues Design

Waffen

Nicht vorhanden

Maschinengewehre 7,62 mm; Montagepunkte für Abschusssysteme für Raketen von 7 × 70 mm; und Maschinengewehre von 20 mm

Neu

Außenlasten

Standardmehrzweckhaken (SAR)

Kleine Pylonen für Lasten nach NATO-Normen

Neues Design

Ballistikschutz

Nicht vorgesehen

Vorhanden

Neu

Avionik

Herkömmliche Zivilsysteme

Anpassungsfähiges System, in das je nach militärischen Anforderungen neue Einsatz-, Kommunikations- und Navigationsvorrichtungen eingebaut werden können

Neu

(46)

Italien hat auch Angaben zur Entwicklung des AW139 übermittelt. 2000 wurde ein GTV entwickelt, und 2001 wurde ein flugfähiges Demonstrationsmodell/flugfähiger Prototyp gebaut. 2000 und 2001 wurden die ersten Prototypen realisiert und es wurde mit der Entwicklung und Zertifizierung begonnen. Im Juni 2003 wurde der Helikopter von der EASA (und später von der us-amerikanischen FAA) zertifiziert. 2004 wurde eine neue Zertifizierung erteilt, so dass die ersten Grundmodelle ausgeliefert werden konnten. 2005 erfolgte die Zertifizierung von Zusatzvorrichtungen für einen vollständiger ausgerüsteten Helikopter mit weiterer Avionik wie Wetterradar sowie Infrarotsysteme, Notschwimmkörpern, Zusatztanks usw.

(47)

Italien hat auch weitere Erläuterungen zur Finanzlage von Agusta und zu dessen Finanzierung der FuE-Vorhaben übermittelt. Italien hat außerdem das Verzeichnis der an der Entwicklung des AW139 beteiligten Risk-and-Revenue-Sharing-Partner vorgelegt, dank derer die ursprünglichen Investitionen von Agusta in das Vorhaben erheblich niedriger ausfielen.

(48)

Italien hat vollständige Daten über die FuE-Aufwendungen von Agusta übermittelt. Danach hätte Agusta ca. [20-30] % seines Jahresumsatzes (von durchschnittlich [550-700] Mio. EUR im Zeitraum 1998 bis 2000) in FuE investiert. Auf die auf der Grundlage des Gesetzes 808/85 finanzierten Militärprojekte entfielen […] % des gesamten FuE-Budgets. Der Rest wurde entweder für vom Staat mitfinanzierte zivile Vorhaben (10,30 %, Finanzierung auf der Grundlage des Gesetzes 808/85) oder für mit Eigenmitteln finanzierte FuE-Vorhaben ([35-45] %) verwendet. Die finanziellen Mittel für das FuE-Projekt zur Entwicklung des AW139 erreichten […] Mio. EUR jährlich ([…] % der […] %).

(49)

Italien hat auch eine Erklärung der Rechnungsprüfer von Agusta (PriceWaterhouseCoopers) vom 15. September 2006 vorgelegt. Die Rechnungsprüfer haben Folgendes erklärt:

Die Daten über die Material-, Ausrüstungs- und sonstigen externen Kosten des Projekts wurden korrekt aus der Kostenrechnung des Unternehmens extrapoliert.

Die Arbeitskosten wurden ausgehend von den herkömmlichen Stundentarifen bestimmt, die die vom Verteidigungsministerium festgelegten Tarife nicht übersteigen.

Die Daten über die Finanzierungen stehen mit den vom Industrieministerium auf der Grundlage des Gesetzes 808 gewährten Beträgen im Einklang.

(50)

In Erwiderung auf die Behauptung des interessierten Dritten, wonach die erste Zertifizierung für die Art des FuE-Projekts maßgeblich sei, hat Italien geltend gemacht, dass die Zertifizierung kein maßgebliches Kriterium für die Einstufung eines Helikopters sei. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat Italien ein umfassendes Verzeichnis von Helikoptern vorgelegt, für die zunächst eine militärische und dann eine zivile Zertifizierung erteilt wurde bzw. umgekehrt oder die parallel beiden Zertifizierungsverfahren unterzogen wurden.

(51)

Des Weiteren hat Italien vorgebracht, dass seit Kurzem in der Regel auch für Militärhubschrauber eine zivile Zertifizierung verlangt werde und die militärische Zertifizierung sich dann auf einige Bauteile (Avionik, Waffen usw.) beschränke.

(52)

Abschließend argumentierte Italien, eine zivile Zertifizierung schließe nicht aus, dass die ursprüngliche Entwicklung eines Helikopters zu militärischen Zwecken (wie Italien zufolge der A139), die spätere Entwicklung und Zertifizierung eines zivilen Typs hingegen ausschließlich mit Eigenmitteln des Unternehmens finanziert worden sei.

4.2.   Projekt BA609

(53)

Das Projekt BA609 betrifft die Entwicklung eines Tiltrotorluftfahrzeugs, d. h. eines Luftfahrzeugs, das wie ein Helikopter senkrecht starten und landen und wie ein Flugzeug fliegen kann. Die Rotoren der Tragflächen stehen bei Start und Landung senkrecht und beim Fliegen waagerecht. Der BA609 vereint die Wendigkeit des Helikopters bei Start und Landung unter beengten räumlichen Verhältnissen mit der Langstreckenreichweite und Reisegeschwindigkeit eines Flugzeugs. Anders als andere Helikopter muss er allerdings wegen seiner Abmessungen und Merkmale auf befestigtem Boden (Zementplattform) landen, so dass er für Einsätze in der Wüste oder zum Landen auf Bohrinseln nicht geeignet ist.

(54)

Träger des Projekts BA609 ist das US-amerikanische Unternehmen Bell. Italien zufolge wurde der BA609 aus dem V22 entwickelt, einem von der US-Regierung eingesetzten Tiltrotorluftfahrzeug.

(55)

Italien behauptet, dass der Zivilhubschrauber von Bell zusammen mit Agusta über die von Bell zu 60 % und von Agusta zu 40 % kontrollierte Tochtergesellschaft Bell Agusta mit Eigenmitteln entwickelt wird.

(56)

Nach den Angaben Italiens werden der zivile und der militärische BA609 parallel zueinander entwickelt:

Tabelle 3

Abschnitte des Projekts BA609

Jahr

Entwicklungsetappen des zivilen BA609

Entwicklungsetappen des militärischen BA609

1996

Bell beginnt mit der Entwicklung

 

Oktober 1998

Vereinbarung Bell Agusta

[…]

Oktober 1998

 

[…]

Dezember 2002

Erste Bodentests des Prototypen BA609

 

März 2003

Erster Flug des ersten Prototyps

 

2004

 

[…]

September 2005

 

[…]

Juli 2006

Erster Flug des zweiten zivilen Prototyps

 

2012

Voraussichtliche Erteilung des Zertifikats

 

(57)

Im Mai 2007 hat Italien der Kommission Einsicht in die Unterlagen über die militärischen Spezifikationen gewährt.

(58)

Italien hat auch Schreiben der Marine übermittelt, in denen die Marine ein strategisches Interesse an der Entwicklung des BA609 äußerte. Italien hat mitgeteilt, dass […] den Plänen zufolge auch Tiltrotorluftfahrzeuge einsetzen könne.

(59)

Den Angaben Italiens zufolge betrafen die Arbeiten von Agusta in Italien am BA609, d. h. dem Projekt, das Italien erklärtermaßen fördert, ein militärisches Modell des BA609, das sich von dem derzeit von Bell in den USA entwickelten zivilen Modell unterscheide.

(60)

Italien hat detaillierte Angaben zu den technischen Merkmalen der beiden Modelle (militärisch und zivil) übermittelt, aus denen laut Italien schlüssig hervorgeht, dass es ein militärisches Modell gibt:

Das Militärmodell ist schwerer (8 t gegenüber 7,6 t) und weist ein höheres Abfluggewicht auf (18 000 lb gegenüber 16 800 lb).

Beim Militärmodell ist die Struktur verstärkt, um Schiebetüren, Ballistikschutz, spezielle Verstärkungen in den Zusatzlastbereichen und eine höhere Stoßkraftabsorption des Rumpfes gemäß den strengeren militärischen Anforderungen an das Aufprallenergieaufnahmevermögen zu ermöglichen.

Der Motor des Militärmodells ist der leistungsverstärkte PWC PT6C-67 (anstelle des PWC PT6C-67A).

Das Militärmodell ist mit einem Auxiliary Power Unit (APU) bestückt, dass bei Stillstand der Motoren Strom liefert und die Leistungsfähigkeit des Modells verstärkt; das zivile Modell hat keinen APU.

Das Fahrwerk des Militärmodells wurde für harte Landungen und Stöße konstruiert, die für militärische Einsätze typisch sind; das Fahrwerk des zivilen Modells ist einziehbar.

Das Militärmodell hat aufprallsichere, selbstdichtende und in der Luft betankbare Treibstofftanks, die den für andere Helikopter geltenden Anforderungen entsprechen; die Aufprallsicherheit der Treibstofftanks des zivilen Modells ist geringer.

Das Militärmodell hat noch andere spezifische Merkmale, die das zivile Modell nicht aufweist, wie Maschinengewehre von 20 mm und Raketenabschussgeräte, Vorrichtungen für zusätzliche Außenlasten für militärische Zwecke (um An- und Abtransport der Truppen usw. zu ermöglichen) und Ballistikschutz für Tragflächen und Rotoren, gepanzertes Cockpit usw.

(61)

Am 29. September 2008 statteten Vertreter der Kommissionsdienststellen auf Einladung Italiens einen Besuch vor Ort ab. Italien zeigte den Militärstützpunkt, auf dem der BA609 getestet wird, und den Hauptsitz von Agusta mit dessen FuE-Abteilung.

(62)

Italien hat folgendes gezeigt:

den Telemetriekontrollraum und die Informationen über die laufenden Vorgänge während eines Testflugs des BA609,

Flug und Landung des Prototyps Nr. 2 des BA609 (11), einschließlich des Betriebs der Rotoren im Flugzeug- und im Helikoptermodus,

den BA609, der von seinem Piloten präsentiert wurde, und

den Prototyp Nr. 3 des BA609, der in einem Hangar des Militärstützpunkts entwickelt wird.

(63)

Auf dem Militärstützpunkt stellte der von Agusta entsandte Vertreter den BA609 in einer Präsentation ausführlich vor, während ein Vertreter des italienischen Verteidigungsministeriums unter Bezugnahme auf die Anforderungen des Verteidigungsministeriums Angaben zu Einzelheiten des Militärmodells und den militärischen Einsätzen machte.

(64)

Ferner wurden Beweise für die Bedenken der für den V22 zuständigen US-amerikanischen Behörden bezüglich […] (12) vorgelegt.

(65)

Außerdem wurden Informationen über die Entwicklung von der grundlegenden Avionik der Tiltrotor-Technologie bis hin zu den Konfigurationen für die militärischen Einsätze […] unterbreitet.

(66)

Im Sicherheitsbereich des Hauptsitzes von Agusta in Cascina Costa wurden den Vertretern der Kommissionsdienststellen die folgenden, direkt mit dem BA609 in Zusammenhang stehenden Elemente gezeigt:

ein 1:1-Modell des BA609 in der Konfiguration für […] mit der spezifischen Einsatzausrüstung […];

das Einsatzsystemintegrationslabor, wo simulierte Einsätze mit […] gezeigt wurden.

(67)

Italien hat Informationen über die im Wege von zwei Beihilfeentscheidungen gewährten Mittel für den BA609 übermittelt. Die erste Entscheidung betraf den Zeitraum 1998-2000 und einen Betrag von ca. […] Mio. EUR.

(68)

Die zweite Entscheidung über weitere […] Mio. EUR betraf die Tätigkeiten im Zeitraum 2001-2004. Dieses Projekt ist noch nicht abgeschlossen, weil erhebliche Verzögerungen aufgetreten sind, und die italienische Regierung hat die letzten Tranchen […] ausgezahlt.

(69)

Italien hat eine Tabelle mit Einzelheiten zu den Beihilfebeträgen vorgelegt (13).

Tabelle 4

Finanzieller Beitrag zum Projekt BA609

(in Millionen EUR)

 

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Insgesamt

Militärische Technologien der Plattform

Tiltrotor-simulations-code

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Kraftübertragungssystemtechnik

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Flugkontrollsystem

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Flugtest HW und SW

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Zwischensumme

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Zusätzliche Militär- und Sicherheitskonfiguration des BA609

Struktur

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Airframe

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Systeme

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Avionik

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Zwischensumme

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Insgesamt

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

(70)

Italien hat auch Angaben zu den FuE-Aufwendungen von Agusta übermittelt (vgl. Erwägungsgrund 48). Die Aufwendungen für das zivile Modell des BA609 beliefen sich im Zeitraum 1998-2000 durchschnittlich auf […] Mio. EUR pro Jahr ([…] % der vorgenannten […] %).

(71)

Wie bereits in Erwägungsgrund 49 ausgeführt, hat Italien für den A139 eine Erklärung der Rechnungsprüfer von Agusta (PriceWaterhouseCoopers) vorgelegt.

(72)

Italien macht geltend, dass zwischen dem Militärmodell und dem von BellAgusta entwickelten zivilen Modell kein technologischer Spillover stattfand. Zudem sei ein etwaiger Wissenstransfer nur sehr schwer zu quantifizieren.

(73)

Italien räumt ein, dass die Basistechnologie der beiden Helikoptermodelle im Wesentlichen identisch sei und dass dies auch für das Tiltrotorluftfahrzeug gelte. Italien merkt jedoch an, dass der vorliegende Fall noch komplexer ist, weil das Vorhaben ein äußerst innovatives Luftfahrzeug betreffe, dass aus einem viel größer angelegten militärischen Vorhaben hervorgegangen sei.

(74)

Italien weist darauf hin, dass die Entwicklung des Tiltrotorluftfahrzeugs keine Auswirkungen auf den Wettbewerb habe, weil es weder in Europa noch weltweit weitere vergleichbare Projekte gebe.

(75)

Abschließend bekräftigt Italien, dass das einzige FuE-Tiltrotorvorhaben, das staatlich gefördert werden sollte, den BA609 und damit ein Luftfahrzeug betreffe, das für militärische Zwecke bestimmt sei.

4.3.   Schlussfolgerungen Italiens zu den beiden Projekten

(76)

Im Falle beider Luftfahrzeuge beruft sich Italien daher auf Artikel 296 EG-Vertrag. Dementsprechend ersucht Italien die Kommission, das laufende Prüfverfahren als gegenstandslos einzustellen, weil die in Rede stehenden Maßnahmen nicht unter die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag fallen.

(77)

Wie bereits mehrfach vorgebracht, ersucht Italien die Kommission, falls sie wettbewerbsrechtliche Bedenken hinsichtlich der von Italien ergriffenen Maßnahmen habe, diese Maßnahmen gemeinsam mit Italien auf der Grundlage von Artikel 298 Absatz 1 EG-Vertrag zu prüfen.

5.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG

(78)

Im Rahmen der Würdigung durch die Kommission soll im Wesentlichen festgestellt werden, ob die von Italien für die beiden Vorhaben gewährte Förderung unter Artikel 296 EG-Vertrag fällt.

(79)

Wenn die Maßnahme der italienischen Regierung zugunsten der beiden Vorhaben nicht unter Artikel 296 EG-Vertrag fällt, wie der interessierte Dritte behauptet, müsste die Kommission die Würdigung der beiden Vorhaben auf der Grundlage von Artikel 87 EG-Vertrag und insbesondere der Vorschriften für Würdigung von FuE-Beihilfen vornehmen. Falls die italienischen Maßnahmen aber unter Artikel 296 EG-Vertrag fallen, finden die Wettbewerbsvorschriften keine Anwendung (14).

(80)

Anhand der von Italien übermittelten Informationen und nach dem Besuch vor Ort konnte die Kommission zu einer Schlussfolgerung hinsichtlich der beiden Projekte und der Maßnahmen der italienischen Regierung zu deren Förderung gelangen.

(81)

Es sei zunächst daran erinnert, dass der militärische Charakter und Zweck der Ausrüstung an sich nicht ausreichen, um eine Abweichung von den gemeinschaftlichen Vorschriften auf der Grundlage von Artikel 296 EG-Vertrag zu rechtfertigen. Die betreffende Maßnahme muss außerdem zur Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaates erforderlich sein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften muss Artikel 296 EG-Vertrag eng ausgelegt werden und auf klar festgelegte Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Außerdem muss der Mitgliedstaat nachweisen, dass die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung erfüllt sind.

(82)

Im Rahmen der Würdigung muss zunächst die Art der beiden Forschungsvorhaben untersucht werden.

(83)

Zweitens ist zu prüfen, ob Italien den Nachweis erbracht hat, dass die ergriffenen Maßnahmen als zur Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich erachtet wurden, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen, d.h., ob sie unter Artikel 296 EG-Vertrag fallen.

(84)

Drittens wird im Rahmen der Würdigung untersucht, ob diese Förderung unter Umständen Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Markt hatte, was die Entwicklung ziviler Helikopter von Agusta angeht.

(85)

In Bezug auf die Bewertung der beiden Projekte ist hervorzuheben, dass die in Rede stehenden Maßnahmen die FuE-Phasen betreffen. Von Belang sind nicht nur die Eigenschaften des Endprodukts, sondern auch die Art der Tätigkeiten während der FuE-Phase. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich die in Rede stehenden Projekte auf die FuE-Phase beschränken und dass es nicht — wie von dem interessierten Dritten gefordert — möglich ist, sie auf der Grundlage eines Industrievertrags zu würdigen, zu dem es erst in einer späteren Phase kommt.

(86)

Italien hat beweiskräftige Belege für die beiden Projekte vorgelegt und dem Besuch eines Militärstützpunkts zugestimmt.

(87)

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Italien sowohl zivile als auch militärische Vorhaben auf derselben Grundlage, dem Gesetz 808/85, gefördert hat. Wie bereits in der Entscheidung 2008/806/EG festgestellt, hat die Heranziehung eines Zivilgesetzes als Rechtsgrundlage für die Finanzierung militärischer Projekte einerseits zu der Unsicherheit hinsichtlich der Art der geförderten Vorhaben beigetragen, ist aber andererseits auch der Grund dafür, warum diese Vorhaben nicht im Verteidigungshaushalt ausgewiesen sind.

5.1.   A139

(88)

Aus den von Italien übermittelten Unterlagen geht hervor, dass der im Rahmen des von Italien geförderten FuE-Vorhaben entwickelte A139 für Verwendungen im Bereich der nationalen Sicherheit bestimmt war.

(89)

Insbesondere im Fall des A139 betraf das in Rede stehenden Projekt ausschließlich die Entwicklung eines Demonstrationszwecken dienenden Prototypen, bei der es sich um die allererste Phase der Entwicklung eines Helikopters handelt. Italien hat erläutert, dass der Prototyp ausschließlich der Entwicklung des Militärhubschrauber AW149 diente.

(90)

Italien hat Einsicht in die militärischen Dokumente gewährt, in denen die Anforderungen an den Militärhubschrauber definiert wurden (vgl. Erwägungsgrund 35).

(91)

Ferner hat Italien Einsicht in die militärischen Dokumente mit den technischen Spezifikationen des Entwicklungsprojekts gewährt (vgl. Erwägungsgrund 36). Diese Spezifikationen sind das Ergebnis des FuE-Projekts. Die militärischen Anforderungen und die technischen Spezifikationen sind zwei Schritte, die dem interessierten Dritten zufolge für die Entwicklung militärischer Programme typisch sind.

(92)

Den vorliegenden Informationen und den Angaben Italiens zufolge diente dieser Demonstrations-Prototyp der Entwicklung eines Helikopters mit der Bezeichnung AW149, die wesentlich mehr Zeit erforderte als ursprünglich vorgesehen.

(93)

Es sei darauf hingewiesen, dass die Verwendungszwecke und die Eigenschaften des AW149 in der Tat jenen eines Militärhubschreibers entsprechen (15).

(94)

Italien hat ferner Informationen über die gesamte öffentliche Förderung zugunsten des in Rede stehenden Projekts und über die allgemeinen Investitionen in FuE-Tätigkeiten von Agusta vorgelegt. Diese Daten stehen mit der Finanzierung nur der anfänglichen Entwicklung eines Demonstrations-Prototypen im Einklang.

(95)

Italien hat eine Erklärung der Rechnungsprüfer des Unternehmens übermittelt, in der bestätigt wird, dass die Aufwendungen für das Projekt A139 als militärische Aufwendungen verbucht wurden und mit den Parametern des italienischen Verteidigungsministeriums im Einklang stehen.

(96)

Der AW149 ist in erster Linie zur Unterstützung von Kampfeinsätzen aus der Luft vorgesehen, die für die nationale Sicherheit von grundlegender Bedeutung ist.

(97)

Die von Italien vorgelegten Informationen lassen daher den Schluss zu, dass der AW149 ein Helikopter ist, der zur Wahrung der vom Verteidigungsministerium festgelegten und anschließend nach Maßgabe der vom italienischen Heer bei Einsätzen gesammelten Erfahrungen angepassten nationalen Sicherheitsinteressen von Bedeutung ist (16).

(98)

Die von Italien übermittelten Informationen zeigen, dass die italienischen Fördermaßnahmen zugunsten des A139 von Italien zur Wahrung grundlegender nationaler Sicherheitsinteressen als erforderlich angesehen wurden, da auf diese Weise militärischen Anforderungen entsprochen und die Entwicklung von Technologien zur Erzeugung von Waffen bzw. im vorliegenden Fall Militärhubschraubern, die unter die Aufstellung von Artikel 296 Absatz 2 EG-Vertrag fallen, vollständig finanziert werden konnte. Folglich kommt die Kommission ausgehend von den verfügbaren Informationen nicht zu dem Ergebnis, dass Italien sich ungerechtfertigterweise auf Artikel 296 EG-Vertrag berufen hat.

(99)

Italien macht geltend, dass das Projekt A139 keinerlei Vorteile für die Entwicklung des zivilen Helikopters AW139 gebracht hat.

(100)

Gleichzeitig sei aber darauf hingewiesen, dass die Verwendung des gleichen Akronyms (A139) für einen zivilen Helikopter (AW139) Zweifel hinsichtlich der Art des Vorhabens aufkommen ließ.

(101)

Italien hat detaillierte Informationen über die beiden Helikopter und deren Ausstattung übermittelt, aus denen hervorgeht, dass es sich bei dem zivilen A139 (AW139) und dem AW149 um zwei verschiedene Helikopter handelt.

(102)

Italien hat die Förderung zu Beginn der FuE-Phase der Entwicklung eines Helikopters gewährt, dessen Eigenschaften bestimmte strategische Verteidigungserfordernisse Italiens erfüllen.

(103)

Die von Italien übermittelten Informationen über die militärischen Eigenschaften des A139 und die Argumente des interessierten Dritten bezüglich des zivilen Charakters des AW139 sind stimmig. Andererseits ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass die FuE-Tätigkeiten im Rahmen des geförderten A139-Projekts auch für die Entwicklung des zivilen Helikopters AW139 nützlich waren (17).

(104)

Es sei daran erinnert, dass beide Helikopter Eigenschaften aufweisen, die einen doppelten Verwendungszweck zulassen. Laut Italien nutzen Unternehmen in diesem Bereich häufig die Ergebnisse von FuE-Projekten für Militärhubschrauber zur Entwicklung von zivilen Helikoptern.

(105)

Folglich kann der Schluss gezogen werden, dass Italien sich zwar gerechtfertigterweise auf Artikel 296 EG-Vertrag berufen hat, diese Maßnahmen aber allem Anschein nach den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt verzerrt haben, weil sie auch für die Entwicklung des zivilen Helikopters AW139 nützlich waren.

(106)

Nach Artikel 298 Absatz 1 EG-Vertrag muss die Kommission also zusammen mit Italien prüfen, wie diese Maßnahmen mit dem EG-Vertrag in Einklang gebracht werden können.

5.2.   BA609

(107)

Italien hat hinreichende Informationen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass derzeit ein Militärmodell des Tiltrotorluftfahrzeugs BA609 entwickelt wird.

(108)

Italien hat eine ausführliche Präsentation der geplanten Verwendungszwecke des BA609 vorgelegt. Ferner wurden Belege für den Auftrag des Verteidigungsministeriums für ein Luftfahrzeug dieses Typs vorgelegt. Dieser Auftrag ist nach Auffassung des interessierten Dritten bei militärischen Projekten erforderlich.

(109)

Italien hat darüber hinaus einen Besuch auf einem Militärstützpunkt organisiert. Anlässlich des Besuches konnten sich die Kommissionsvertreter von der Existenz der Prototypen des in der Entwicklung befindlichen Luftfahrzeugs und der 1:1-Modelle ihrer Ausrüstung und deren militärischen Verwendungszwecken überzeugen (vgl. Erwägungsgründe 62 bis 66).

(110)

Italien hat ferner Informationen über die Finanzierung der Entwicklung des Luftfahrzeugs vorgelegt.

(111)

Ferner übermittelte Italien auch eine Erklärung der Rechnungsprüfer, in der bestätigt wird, dass das Unternehmen die von der italienischen Regierung gewährten Summen ausschließlich für Militärprojekte verwendet hat.

(112)

Zudem hat Italien erläutert, dass die Eigenschaften des Tiltrotorluftfahrzeugs eine strategische Verwendung für Zwecke der nationalen Sicherheit zuließen wie beispielsweise für die Seeüberwachung, die für Italien angesichts seiner zentralen Lage im Mittelmeer von besonderer Bedeutung ist.

(113)

Insbesondere die Demonstration der Entwicklung der Avioniksysteme gab Aufschluss über die Möglichkeiten des Tiltrotorluftfahrzeugs für Einsätze zur Wahrung der nationalen Sicherheit.

(114)

Die von Italien übermittelten Informationen zeigen, dass die italienischen Fördermaßnahmen zugunsten des BA609 von Italien als zur Wahrung grundlegender nationaler Sicherheitsinteressen erforderlich angesehen wurden, da auf diese Weise militärischen Anforderungen entsprochen und die Entwicklung von Technologien zur Erzeugung von Waffen bzw. im vorliegenden Fall Militärhubschraubern, die unter die Aufstellung von Artikel 296 Absatz 2 EG-Vertrag fallen, vollständig finanziert werden konnte. Folglich kommt die Kommission ausgehend von den verfügbaren Informationen nicht zu dem Ergebnis, dass Italien sich ungerechtfertigterweise auf Artikel 296 EG-Vertrag berufen hat.

(115)

Andererseits sei auch darauf hingewiesen, dass die parallele Entwicklung von zwei Modellen eines Luftfahrzeugs, selbst wenn es sich dabei um ein so innovatives Luftfahrzeug handelt wie den BA609, unweigerlich mit einem Wissenstransfer zwischen den Projekten einhergeht. Auch wenn sich das für militärische Zwecke entwickelte Luftfahrzeug — wie von Italien nachgewiesen — wesentlich von dem zivilen Modell unterscheidet, ist es dennoch wahrscheinlich, dass es zu einem Spillover der Technologien des militärischen Luftfahrzeugs zugunsten des zivilen Projekts gekommen ist.

(116)

Dies gilt insbesondere für die anfängliche Arbeit von Agusta an der Tiltrotortechnologie.

(117)

Um diese anfängliche Arbeit richtig abschätzen zu können, sollte auch berücksichtigt werden, dass zwischen dieser im Wesentlichen Ende der 1990er Jahre geleisteten Arbeit und dem Endprodukt, dass nach den jüngsten Prognosen frühestens Ende 2013 auf den Markt gebracht wird, ein großer zeitlicher Abstand liegt (18).

(118)

Die Angaben Italiens zum militärischen Charakter des Projekts BA609 konnten mit den Angaben des interessierten Dritten über den zivilen Charakter des Luftfahrzeugs BA609 abgeglichen werden. Italien räumt durchaus ein, dass die Entwicklung der beiden Helikopter parallel verlief. Folglich ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Arbeit im Rahmen des geförderten BA609-Projekts für die derzeit stattfindende Entwicklung des zivilen Luftfahrzeugs von Nutzen war (19).

(119)

Folglich kann der Schluss gezogen werden, dass Italien sich zwar gerechtfertigterweise auf Artikel 296 EG-Vertrag berufen hat, diese Maßnahmen aber allem Anschein nach den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt verzerrt haben, weil sie auch für die Entwicklung des zivilen Luftfahrzeugs BA609 Vorteile gebracht haben.

(120)

Nach Artikel 298 Absatz 1 muss die Kommission also zusammen mit Italien prüfen, wie diese Maßnahmen mit dem EG-Vertrag in Einklang gebracht werden können.

6.   SCHLUSSFOLGERUNG

(121)

In Anbetracht der vorstehenden Würdigung stellt die Kommission fest, dass die von Italien auf der Grundlage des Gesetzes 808/85 gewährte Förderung zugunsten der beiden FuE-Projekte A139 und BA609 unter Artikel 296 EG-Vertrag fällt.

(122)

Deshalb ist dieses Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag gegenstandslos und kann eingestellt werden.

(123)

Die Untersuchung durch die Kommission hat jedoch auch ergeben, dass sich die Maßnahmen nachteilig auf die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt für die Produkte ohne militärische Verwendungszwecke ausgewirkt haben.

(124)

Aus diesen Gründen muss die Kommission nach Artikel 298 Absatz 1 EG-Vertrag zusammen mit Italien in einem gesonderten Verfahren prüfen, wie diese Maßnahmen mit dem EG-Vertrag in Einklang gebracht werden können —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die von Italien auf der Grundlage des Gesetzes 808/1985 durchgeführten Maßnahmen zugunsten der beiden FuE-Projekte A139 und BA609 fallen unter Artikel 296 EG-Vertrag. Das vorliegende Verfahren ist daher gegenstandslos.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 28. Oktober 2009

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 16 vom 22.1.2004, S. 2, und ABl. C 252 vom 12.10.2005, S. 10.

(2)  Sache N 281/84, Schreiben SG(86)5685 vom 14. Mai 1986.

(3)  ABl. L 284 vom 28.10.2008, S. 1.

(4)  Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen (ABl. C 45 vom 17.2.1996, S. 5) bzw. Gemeinschaftsrahmen für staatliche FuE-Beihilfen (ABl. C 83 vom 11.4.1986, S. 2).

(5)  K(2005) 1813 endg.

(6)  ABl. C 252 vom 12.10.2005, S. 10.

(7)  Aus Gründen des Schutzes wesentlicher Sicherheitsinteressen des Staates bzw. der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen vertrauliche Information.

(8)  http://www.agustawestland.com/products01_01.asp?id_product=15

(9)  http://www.bellagusta.com/air_ba_faq.cfm#8

(10)  Nach dem Zusammenschluss mit dem Unternehmen Westland firmiert das Unternehmen nunmehr unter dem Namen AgustaWestland.

(11)  Der Prototyp Nr. 1 wird am Hauptsitz des Luftfahrtunternehmens Bell Agusta in Texas getestet.

(12)  […]

(13)  Es besteht eine leichte Diskrepanz zwischen den von Italien in der Tabelle ausgewiesenen Zahlen und den Angaben Italiens zu den Beträgen der beiden Beihilfeentscheidungen.

(14)  Vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-26/01, Fiocchi Munizioni SpA/Kommission, Slg. 2003, II-3951, Randnr. 59.

(15)  Nach den öffentlich verfügbaren Informationen wie beispielsweise der Unternehmenswebsite eignet sich der AW149 für die Kampfeinsatzunterstützung, Kampf-SAR, Erkundung, Überwachung, Evakuierung Verwundeter, SAR und zur Unterstützung der Streitkräfteführung und -kontrolle.

(16)  Im Bereich nationale Sicherheit kommt es häufig vor, dass die Mitgliedstaaten Projekte zur Sondierung neuer Technologien initiieren, ohne dass unbedingt die Phase der industriellen Produktion erreicht wird. Es ist undenkbar, dass militärische FuE-Projekte nicht unter Artikel 296 EG-Vertrag fallen, weil sie erfolglos blieben oder weil nicht beschlossen wurde, die Projektergebnisse weiter zu nutzen. Deshalb wurde das Vorliegen von Industrieverträgen mit dem Verteidigungsministerium nicht als Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 296 auf FuE-Projekte angesehen.

(17)  Zum Beispiel in Form von geringeren FuE-Kosten oder durch den Einsatz von ursprünglich im Rahmen des militärischen Vorhabens A139 entwickelten Technologien, die unmittelbar danach für den zivilen Helikopter AW139 angewandt wurden.

(18)  Die Tatsache, dass sich das Projekt noch in der Entwicklungsphase befindet, hat noch zwei weitere Implikationen: es gibt noch keine endgültigen technischen Spezifikationen, weil das Projekt eine gänzlich neue Technologie betrifft, die ein komplexes Zertifizierungsverfahren erfordert, und ein Industrievertrag ist derzeit ausgeschlossen, weil das FuE-Projekt bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist.

(19)  Zum Beispiel in Form von geringeren FuE-Kosten oder durch den Einsatz von ursprünglich im Rahmen des militärischen Vorhabens BA609 entwickelten Technologien, die unmittelbar danach für den zivilen BA609 angewandt wurden.