29.5.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 140/1


STELLUNGNAHME DES RATES

zum aktualisierten Konvergenzprogramm Estlands für 2009-2013

2010/C 140/01

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 3,

auf Empfehlung der Kommission,

nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses —

GIBT FOLGENDE STELLUNGNAHME AB:

(1)

Am 26. April 2010 prüfte der Rat das aktualisierte Konvergenzprogramm Estlands für den Zeitraum 2009 bis 2013.

(2)

Die estnische Wirtschaft hat gerade eine schwere Rezession hinter sich. Während die Rezession die öffentlichen Finanzen spürbar belastet hat, haben der Rückgang der auf Dauer nicht tragfähigen Inlandsnachfrage und das Platzen der Immobilienblase zu einem raschen Abbau der vorher hohen binnen- und außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte geführt. Unter Berücksichtigung der erheblichen makroökonomischen Ungleichgewichte vor dem Abschwung war das weitreichende, entschlossene Vorgehen der Regierung zur Eindämmung der negativen Folgen des Wirtschaftsabschwungs für die öffentlichen Finanzen eine umsichtige Reaktion, die im Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm steht. Dadurch konnten die Risiken für die Wirtschaft, den Haushalt und das Finanzsystem beschränkt und zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit durch Preis- und Lohnanpassung in der Wirtschaft beigetragen werden. Die Aufrechterhaltung robuster monetärer Puffer zur Stützung der Wechselkursstabilität und vorsichtige Strategien im Finanzsektor, darunter die verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit, trugen dazu bei, nachteilige Entwicklungen zu verhindern. Der hohe Schuldenstand im Privatsektor wird zwar nunmehr schrittweise abgebaut, er wird die konjunkturelle Erholung dennoch belasten, da er Verbrauch und Investitionen hemmt. Zu den in Zukunft wichtigen politischen Herausforderungen gehören die Steigerung der Produktivität der Wirtschaft im Hinblick auf die weitere Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Fortschritte in Richtung dauerhafte Konvergenz sowie die Eindämmung der Gefahr von Qualifikationsverlusten durch Langzeitarbeitslosigkeit. Generell besteht die Herausforderung für die Wirtschaft darin, zu einem positiven, nachhaltigen Wachstum zurückzufinden und einen Rückfall in erhebliche außen- und binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte zu vermeiden. Eine umfangreiche Anpassung der öffentlichen Finanzen an das voraussichtlich niedrigere Wachstum in den nächsten Jahren ist bereits erfolgt, doch auf mittlere Sicht sind weitere Fortschritte erforderlich.

(3)

Auch wenn der im Zuge der Krise verzeichnete Rückgang beim tatsächlichen BIP zum großen Teil konjunkturbedingt ist, wurde auch die Höhe des Produktionspotenzials negativ beeinflusst. Über niedrigere Investitionen, restriktivere Kreditvergabe und steigende strukturelle Arbeitslosigkeit kann die Krise das Wachstumspotenzial außerdem mittelfristig beeinträchtigen. Hierzu kommt, dass die Folgen der Wirtschaftskrise die nachteiligen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf das Produktionspotenzial und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen noch verschärfen. Vor diesem Hintergrund ist es von entscheidender Bedeutung, die Strukturreformen zu beschleunigen, um das Potenzialwachstum zu stützen. Eine Voraussetzung hierfür ist, die Wirtschaft so anzupassen, dass eine nachhaltigere Wachstumsstruktur erreicht wird, bei der den Exporten eine bedeutendere Rolle zukommt. Vor allem angesichts der erheblichen Zunahme der Arbeitslosigkeit in Estland ist es wichtig, die Umsetzung von Strategien der aktiven Arbeitsmarktpolitik voranzutreiben, die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung besser an die Erfordernisse des Arbeitsmarkts anzupassen und in lebenslanges Lernen zu investieren.

(4)

Dem makroökonomischen Szenario des Programms zufolge wird 2010 auf Ganzjahresbasis das reale BIP nach einer geschätzten Schrumpfung um 14,5 % im Jahr 2009 nahezu ein Nullwachstum (– 0,1 %) aufweisen, bevor es voraussichtlich wieder auf eine durchschnittliche Wachstumsrate von 3,7 % im restlichen Programmzeitraum ansteigen wird.

Dank der Konjunkturlage wird den Prognosen zufolge im Laufe des Jahres 2010 eine allmähliche Verbesserung einsetzen. Es wird damit gerechnet, dass sich die Inlandsnachfrage 2010 weiterhin hemmend auf die wirtschaftliche Erholung auswirkt und das Wachstum hauptsächlich einem Anstieg der Auslandsnachfrage und einer Wende im Lagerhaltungszyklus zu verdanken sein wird. Inländische Wachstumsquellen sollen laut den Prognosen ab 2011 Aufwind erhalten. Bei einer Beurteilung anhand der derzeit verfügbaren Informationen (2) scheint dieses Szenario auf plausiblen Wachstumsannahmen zu beruhen, während weiterhin große Unsicherheit in Bezug auf die wirtschaftlichen Entwicklungen besteht. Die Inflationsprojektionen des Programms erscheinen realistisch, und die monetären und Wechselkursannahmen stehen mit dem Rest des makroökonomischen Szenarios in Einklang. Bei den inländischen Preisen und Löhnen ist nominal ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar, der sich 2010 sowohl dem Programm als auch der Herbstprognose der Kommissionsdienstellen von 2009 zufolge — allerdings mit einigen Unterschieden — fortsetzen dürfte. Angesichts des Einbruchs bei den Importen infolge der Rezession hat sich das vormals hohe Zahlungsdefizit in einen Überschuss umgekehrt, der mittelfristig auf einem höheren Stand bleiben soll als in der Herbstprognose der Kommissionsdienstellen vorausgesagt, denn die Erwartungen des Programms hinsichtlich der Entwicklung der Inlandsnachfrage sind gedämpfter. Im Programm wird für 2010 ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und für den gesamten Programmzeitraum ein Absinken der Erwerbsbeteiligungsquote projiziert.

(5)

An der generellen wirtschafts- und haushaltspolitischen Strategie zeigt sich die feste Überzeugung der Regierung, dass die öffentlichen Finanzen solide sein müssen. In dem Programm wird das gesamtstaatliche Defizit für 2009 auf 2,6 % des veranschlagt, womit es sehr dicht an dem Wert von 2008 (2,7 %) liegt. Dies spiegelt die umfassende, weitreichende Haushaltskonsolidierung wider, die im Laufe des Jahres 2009 vor dem Hintergrund einer wesentlichen Verschlechterung der Wirtschaftslage vorgenommen wurde. Diese Konsolidierung führte, trotz eines beträchtlichen Absinkens des nominalen BIP, zu einer leichten Zunahme der Nominaleinnahmen, vor allem dank höherer nichtsteuerlicher Einnahmen und einer Erhöhung mehrerer Steuersätze. Infolge erheblicher Einschnitte beim Staatsverbrauch wurden auch die Ausgaben auf einem mit 2008 vergleichbaren Stand gehalten. Gleichzeitig stellte die gesteigerte Inanspruchnahme der Strukturfonds der EU eine antizyklische Unterstützung für die Wirtschaft dar.

Die Verbesserung des strukturellen Saldos, d. h. des nach der gemeinsamen Methodik berechneten konjunkturbereinigten Saldos ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen, betrug dem Programm zufolge 3,5 BIP-Prozentpunkte, was auf einen äußerst restriktiven haushaltspolitischen Kurs schließen lässt. Gleichzeitig deuten die im Jahr 2009 insgesamt durchgeführten diskretionären Maßnahmen auf noch größere Konsolidierungsanstrengungen hin, die sich auf über 9 % des BIP belaufen. Die Abweichung lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass die Konsolidierungsstrategie weitgehend auf einer Umkehr des zuvor festgelegten Ausgabenwachstums beim Staatsverbrauch und bei den Sozialleistungen beruhte, und zum anderen auf die negativen Zusammensetzungseffekte auf die Steuereinnahmen, die insbesondere durch eine deutliche Abnahme des privaten Konsums und der Lohnkosten bedingt sind, sowie ferner auf Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der Berechnung von konjunkturbereinigten Salden angesichts des Ausmaßes und der Ausprägung des Abschwungs. Dem Programm zufolge wird das gesamtstaatliche Defizit ab 2010 schrittweise abnehmen, wobei bis Ende des Programmzeitraums ein Überschuss erreicht werden soll.

(6)

Im Programm wird für 2010 ein Gesamtdefizit von 2,2 % des BIP prognostiziert. Die Verbesserung des Gesamtsaldos gegenüber dem Vorjahr ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Konsolidierungsmaßnahmen, die ab der zweiten Hälfte von 2009 sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite durchgeführt wurden, nunmehr über ein ganzes Jahr hinweg ihre Wirkung entfalten können. Darüber hinaus sind 2010 die Verbrauchssteuern weiter erhöht worden, wodurch die Steuereinnahmen — trotz einer Schrumpfung des nominalen BIP um rund 1,25 % — voraussichtlich steigen werden. Den Projektionen zufolge werden sich die nominalen Ausgaben weitgehend auf dem Niveau von 2009 halten, wobei eine gewisse Zunahme der öffentlichen Gesamtinvestitionen durch eine weitere Senkung des generellen gesamtstaatlichen Verbrauchs kompensiert wird. Somit steigt die Ausgabenquote geringfügig. Insgesamt belaufen sich 2010 zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Haushaltsposition auf 0,7 % des BIP. Sie kommen zu den nunmehr über ein ganzes Jahr hinweg wirkenden Konsolidierungsbeschlüssen hinzu, die in der zweiten Hälfte 2009 getroffen wurden und 2,5 % des BIP ausmachen. Dennoch ist der geplante finanzpolitische Kurs gemessen an einer Veränderung des strukturellen Saldos weitgehend neutral. Die Diskrepanz zwischen den beiden Konzepten erklärt sich zum einen mit der verstärkten Abhängigkeit von einmaligen und befristeten Maßnahmen im Programm bei einer noch schwachen Konjunktur und zum anderen mit den obengenannten Unwägbarkeiten, die mit der Berechnung der konjunkturbereinigten Salden zusammenhängen.

(7)

Hauptziel der mittelfristigen Haushaltsstrategie des Programms ist es, bis Ende des Programmzeitraums im Jahr 2013 das länderspezifische mittelfristige Ziel, das in dem Programm als ein struktureller Saldo festgelegt ist, zu erreichen, wenn der gesamtstaatliche und der Primärsaldo voraussichtlich einen Überschuss verzeichnen. Das mittelfristige Ziel gibt angesichts der jüngsten Projektionen und Schuldenstanddaten die Zielsetzungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts mehr als ausreichend wieder. Der nach der gemeinsamen Methodik berechnete strukturelle Saldo wird sich dem Programm zufolge im Zeitraum 2011-2013 um jährlich 0,5-1 % des BIP verbessern. Die Verbesserung wird den Projektionen zufolge in erster Linie darauf zurückgehen, dass die Ausgabenquote rascher sinkt als die Einnahmenquote, wobei von einer nominalen Verringerung der meisten Primärausgaben in den letzten Programmjahren ausgegangen wird, insbesondere bei den Arbeitsentgelten und Sozialbeiträgen. Allerdings enthält das Programm keine genauen Informationen über die generellen Maßnahmen zur Absicherung dieser Konsolidierung. 2011 werden weniger einmalige Maßnahmen zur Erreichung der Haushaltsziele eingesetzt werden, in den letzten Programmjahren wird dann ganz auf diese verzichtet. Dieser Trend sowie die abnehmenden im Zeitraum 2007-2013 zur Verfügung stehenden Finanzmittel werden sich voraussichtlich dahingehend auswirken, dass der Anteil der nichtsteuerlichen Einnahmen bis Ende des Programmzeitraums auf seinen Wert von 2008 zurückgeht.

(8)

Die Haushaltsergebnisse könnten kurz- und mittelfristig schlechter ausfallen als im Programm projiziert. Wie oben erwähnt gibt es große Unwägbarkeiten hinsichtlich der makroökonomischen Rahmenbedingungen, so dass offenkundige Risiken für den Haushalt bestehen, wenngleich sich nicht sagen lässt, ob sie aufwärts oder abwärts tendieren. Weitere Unwägbarkeiten für 2010 ergeben sich aus der Abhängigkeit von volatilen Posten. Insbesondere wird möglicherweise der geplante Verkauf nicht finanzieller Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 0,5 % des BIP nicht vollständig erfolgen, während der Abzug von Dividenden von und Gewinnbeteiligungen an Staatsunternehmen von Verwaltungsentscheidungen abhängig ist und damit gewisse Umsetzungsrisiken in sich birgt. Darüber hinaus sind die höher als erwartet ausgefallenen Steuereinnahmen 2009 teilweise auf eine weit verbreitete Lagerung von Gütern zurückzuführen, die dem Verbrauchsteuersatz vor den Steuersatzerhöhungen vom Januar 2010 unterlagen, was sich wiederum negativ auf die Einnahmenentwicklung 2010 auswirken könnte.

Die Abhängigkeit von einmaligen und befristeten Maßnahmen im Programm wird zwar in den letzten Programmjahren abnehmen, es werden aber keine ausreichenden Informationen über die strukturellen Maßnahmen gegeben, die diese ersetzen werden, was wiederum Risiken für die Ziele mit sich bringt. Allerdings werden diese durch die solide Haushaltsbilanz der estnischen Behörden zum Teil abgeschwächt.

(9)

2009 machte die öffentliche Bruttoschuldenquote 7,8 % des BIP aus und lag damit weit unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert. Bedingt durch die öffentlichen Defizite wird die Schuldenquote bis Ende des Programmzeitraums laut den Prognosen auf 14,3 % des BIP anwachsen. Der Staat insgesamt soll im ganzen Programmzeitraum seine Nettovermögensposition halten.

(10)

Mittelfristige Schuldenprojektionen, die davon ausgehen, dass das BIP-Wachstum langsam wieder die vor der Krise projizierten Raten erreicht und die Steuerquoten wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehren, und die den projizierten Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben beinhalten, zeigen, dass die im Programm anvisierte Haushaltsstrategie in ihrer jetzigen Form und bei unveränderter Politik nicht zu einer Stabilisierung der Schuldenquote bis 2020 führen würde.

(11)

Die langfristigen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die öffentlichen Haushalte liegen deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Der estnische Bruttoschuldenstand ist derzeit äußerst niedrig, und würde über den gesamten Programmzeitraum an soliden öffentlichen Finanzen festgehalten, wie es in der Haushaltsplanung vorgesehen ist, würde dies dazu beitragen, die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu verringern, die im Tragfähigkeitsbericht (3) der Kommission für 2009 als niedrig eingestuft wurden.

(12)

Der Haushaltsrahmen geht von einem nominal stets ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt aus. Dieses Konzept ist seit langem Grundlage der Wirtschaftspolitik und hat zu einer soliden Haushaltsbilanz und zu Vermögensbildung geführt.

In den letzten Jahren wurde die Umsetzung dieses Konzepts weiterentwickelt, indem es besser an den Zyklus angepasst wurde: Einige Merkmale des Konzepts des strukturellen Saldos wurden übernommen, so dass nunmehr ein Überschuss am Höhepunkt des Zyklus angestrebt wird und Defizite während der Rezession hingenommen werden. Dennoch hat das Fehlen eigenständiger Ausgaben- und/oder Einnahmenkonzepte möglicherweise dazu beigetragen, dass konjunkturelle Mehreinnahmen während Phasen des konjunkturellen Aufschwungs und Höhepunkts zum Teil ausgegeben wurden. Außerdem bestehen Mängel beim mittelfristigen Haushaltsrahmen, die die Kontinuität bei den jährlichen Aktualisierungen einschränken; so werden etwa aktualisierte Konvergenzprogramme vor ihrer Annahme durch das Parlament weiterhin nicht erörtert. Das Programm enthält Pläne zur Stärkung des Haushaltsverfahrens durch eine verbesserte strategische und jährliche Planung. Durch diese Maßnahmen, die inzwischen bereits umgesetzt werden, sollen einige der oben beschriebenen Mängel behoben werden.

(13)

Mit den 2009-2010 durchgeführten Änderungen im Steuerbereich wird die Strategie fortgesetzt, verstärkt den Verbrauch sowie die Nutzung natürlicher Ressourcen zu besteuern, allerdings hat auch die Abhängigkeit von den mit dem Faktor Arbeit verbundenen Steuern zugenommen. Darüber hinaus verweist das Programm auf eine laufende Analyse der Effektivität bestehender Steuerbefreiungen und vorteilhafter Steuersätze, auf die Gewährleistung einer größeren Flexibilität im Haushaltsverfahren durch die Verringerung zweckgebundener Einnahmen, auf laufende Anstrengungen zur Bekämpfung der Steuerumgehung sowie die weitere Vereinfachung und Straffung der Steuerverwaltung. Diese Maßnahmen und eine weitere Umorientierung der Besteuerung — weg von Arbeit hin zu weniger konjunkturell anfälligen Quellen — könnten dazu beitragen, die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern sowie die Risiken für die budgetären Aussichten einzudämmen.

(14)

Die Strategie zur reibungslosen Teilnahme am WKM II, die durch eine Reihe politischer Verpflichtungen untermauert wird, die beim Beitritt zum WKM eingegangen wurden, ist auf die Sicherung einer Wechselkursstabilität durch Wahrung großer monetärer Puffer, auf finanzielle und finanzpolitische Stabilität sowie die Erhaltung der Flexibilität des Arbeitsmarkts und der Produktmärkte ausgerichtet.

Zwar erreichte die Krise Estland als sich das Land in einer vergleichsweise starken Position mit großen Haushaltsreserven, einem weitgehend gesunden Bankensektor und einer vergleichsweise hohen Lohn- und Preisflexibilität befand; allerdings konnten die früheren Maßnahmen nicht verhindern, dass es zu großen makroökonomischen Ungleichgewichten kam, wie dies die sehr starke Zunahme der Kreditvergabe, der hohe Inflationsdruck, große Leistungsbilanzdefizite und ein nicht haltbarer Immobilienboom zeigen. Um die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen während der Krise in Grenzen zu halten, verabschiedete die Regierung 2009 mehrere umfangreiche Konsolidierungspakete. Diese Konsolidierung wird sich auch nach 2009 positiv auswirken, wobei vor allem die niedrigeren Lohnkosten im öffentlichen Sektor positiv zum Abbau der Ungleichgewichte in der Volkswirtschaft beitragen. Der Bankensektor verfügt weiterhin über eine gute Kapitalausstattung und über genügend Liquidität. Auch bei der Strukturpolitik wurden Fortschritte erzielt. Das vor kurzem verabschiedete Arbeitsgesetz hat die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt erhöht und die Anpassung der Wirtschaft von der vorher von der Inlandsnachfrage geprägten Struktur zu einem nachhaltigeren Wachstum erleichtert. Was die Produktmärkte angeht, so wird mit den politischen Maßnahmen eine Verstärkung des Wettbewerbs angestrebt. Die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors handelbarer Güter, der ab 2009 von der laufenden Senkung der Lohnkosten sowie von gezielten staatlichen Programmen, auch durch eine effektive Nutzung der EU-Strukturfonds, profitierte, wird gestärkt. Die Herausforderung für die Zukunft besteht darin, zu vermeiden, dass wieder erhebliche außen- und binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte entstehen, wenn der Aufschwung Tritt fasst.

(15)

Unter Berücksichtigung der oben genannten Risiken für die Haushaltsziele kann die Haushaltsstrategie des Programms als weitgehend in Einklang mit den Anforderungen des Pakts angesehen werden. Insbesondere ist die geplante Erreichung des mittelfristigen Ziels bis Ende des Programmzeitraums vor dem Hintergrund der jüngsten drastischen Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit ein Beispiel für ein angemessen ehrgeiziges Ziel, das den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts entspricht und mit einer reibungslosen Teilnahme am WKM II vereinbar ist. Allerdings bestehen auf kurze Sicht weiterhin Risiken, die sich aus den Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit den makroökonomischen Rahmenbedingungen und der Abhängigkeit von volatilen Posten ergeben. Wird die geplante Konsolidierung mittelfristig aber nicht durch weitere Maßnahmen untermauert, ist es auch möglich, dass das mittelfristige Ziel nicht wie im Programm vorgesehen erreicht wird.

(16)

Was die im Verhaltenskodex für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme vorgesehenen Daten angeht, so weist das Programm einige Lücken bei den obligatorischen und fakultativen Angaben auf. (4)

Alles in allem lässt sich der Schluss ziehen, dass Estland in Anbetracht der erheblichen Verschlechterung der Wirtschaftslage die Konsolidierung seiner Staatsfinanzen 2009 entschlossen angegangen ist. Dies hat zum aktuellen wirtschaftlichen Anpassungsprozess beigetragen und soll die reibungslose Teilnahme am WKM II unterstützen, wobei Estland sich gleichzeitig bemüht hat, ein übermäßiges Defizit zu vermeiden. Die Wirtschaft ist im Begriff, eine schwere Rezession hinter sich zu lassen, auch wenn das durchschnittliche Wirtschaftswachstum mittelfristig beträchtlich unter den Spitzenwerten des letzten Aufschwungs verharren dürfte. Mit der 2009 vorgenommenen Haushaltskonsolidierung wurden die Finanzen der öffentlichen Hand bereits in erheblichem Ausmaß an die niedrigeren mittelfristigen Wachstumsprognosen angepasst. Jedoch muss weiterhin darauf hingewirkt werden, eine strengere Ausgabenkontrolle zu erreichen und den mittelfristigen Haushaltsrahmen zu verbessern. Im Programm wird eine schrittweise Rückführung des gesamtstaatlichen Defizits ab 2010 anvisiert, wobei bis Ende des Programmzeitraums ein Überschuss in Einklang mit dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel erreicht werden soll, auch wenn für diese Haushaltsergebnisse kurz- und mittelfristig Abwärtsrisiken bestehen.

In Anbetracht dieser Bewertung und der Notwendigkeit, für nachhaltige Konvergenz und eine reibungslose Teilnahme am WKM II zu sorgen, wird Estland aufgefordert,

i)

sicherzustellen, dass das gesamtstaatliche Defizit unter 3 % des BIP bleibt, und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf mittlere Sicht die angestrebte Rückkehr zum mittelfristigen Ziel zu stützen;

ii)

den mittelfristigen Haushaltsrahmen, insbesondere durch verbesserte Ausgabenplanung, zu verstärken und das System zur Überwachung der strategischen Ziele und der entsprechenden Berichterstattung weiter auszubauen.

Gegenüberstellung zentraler makroökonomischer und budgetärer Projektionen

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Reales BIP

(Veränderung in %)

KP Jan. 2010

–3,6

–14,5

–0,1

3,3

3,7

4,0

KOM Nov. 2009

–3,6

–13,7

–0,1

4,2

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–2,2

–3,5

2,6

4,8

5,0

k.A.

HVPI-Inflation

(%)

KP Jan. 2010

10,6

0,2

0,4

1,9

2,3

2,7

KOM Nov. 2009

10,6

0,2

0,5

2,1

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

10,6

4,2

2,8

3,0

3,2

k.A.

Produktionslücke (5)

(% des BIP-Potenzials)

KP Jan. 2010

6,2

–8,8

–8,4

–5,7

–3,1

–0,5

KOM Nov. 2009 (6)

4,7

–9,4

–9,1

–5,4

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

0,9

–5,7

–5,9

–3,9

–1,7

k.A.

Finanzierungsüberschuss/-defizit gegenüber dem Rest der Welt

(% des BIP)

KP Jan. 2010

–8,4

6,9

8,5

6,3

2,9

–1,0

KOM Nov. 2009

–8,2

6,3

3,7

2,4

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–10,5

–5,1

–5,0

–4,7

–4,7

k.A.

Gesamtstaatliche Einnahmen

(% des BIP)

KP Jan. 2010

37,1

45,0

45,7

44,0

41,5

39,2

KOM Nov. 2009

37,1

41,9

43,5

42,4

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

36,2

38,9

37,8

36,5

35,2

k.A.

Gesamtstaatliche Ausgaben

(% des BIP)

KP Jan. 2010

39,9

47,6

47,9

46,0

42,5

39,0

KOM Nov. 2009

39,9

44,8

46,7

45,4

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

38,2

40,6

38,8

36,4

35,0

k.A.

Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo (7)

(% des BIP)

KP Jan. 2010

–2,8

–2,6

–2,2

–2,0

–1,0

0,2

KOM Nov. 2009

–2,7

–3,0

–3,2

–3,0

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–1,9

–1,7

–1,0

0,1

0,2

k.A.

Primärsaldo

(% des BIP)

KP Jan. 2010

–2,5

–2,3

–2,0

–1,7

–0,6

0,7

KOM Nov. 2009

–2,5

–2,6

–2,6

–2,3

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–1,8

–1,5

–0,8

0,3

0,4

k.A.

Konjunkturbereinigter Saldo (5)

(% des BIP)

KP Jan. 2010

–4,7

0,1

0,4

–0,3

–0,1

0,4

KOM Nov. 2009

–4,2

–0,1

–0,4

–1,3

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–2,2

0,0

0,8

1,3

0,7

k.A.

Struktureller Saldo (8)

(% des BIP)

KP Jan. 2010

–4,7

–1,1

–1,5

–0,9

–0,1

0,4

KOM Nov. 2009

–4,4

–2,5

–2,4

–1,9

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

–2,4

–0,1

0,4

1,2

0,7

k.A.

Öffentlicher Bruttoschuldenstand

(% des BIP)

KP Jan. 2010

4,6

7,8

10,1

13,0

14,2

14,3

KOM Nov. 2009

4,6

7,4

10,9

13,2

k.A.

k.A.

KP Dez. 2008

3,7

3,7

3,5

3,0

2,8

k.A.

Konvergenzprogramm (KP), Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1. Die Dokumente, auf die in diesem Text verwiesen wird, sind im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/sgp/index_de.htm

(2)  In der vorliegenden Bewertung werden namentlich die Prognose der Kommissionsdienststellen vom Herbst 2009, aber auch andere, neuere Daten berücksichtigt.

(3)  Der Rat ruft in seinen Schlussfolgerungen vom 10. November 2009 zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen „die Mitgliedstaaten … auf, bei ihren kommenden Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen einen Schwerpunkt auf Strategien zu legen, die auf Tragfähigkeit ausgerichtet sind“, und „ersucht die Kommission, zusammen mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss, die Methoden zur Bewertung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen rechtzeitig für den nächsten Tragfähigkeitsbericht weiterzuentwickeln“, der 2012 vorgesehen ist.

(4)  So fehlt insbesondere der angenommene nominale effektive Wechselkurs.

(5)  Produktionslücken und konjunkturbereinigte Salden nach Neuberechnungen der Kommissionsdienststellen anhand von Programmdaten.

(6)  Ausgehend von einem geschätzten Potenzialwachstum von 2,3 %, – 0,2 %, – 0,4 % bzw. 0,2 % im Zeitraum 2008-2011.

(7)  Konvergenzprogramm: ESA95-Definition; Kommissionsdienststellen: EDP-Definition.

(8)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen. Einmalige und sonstige befristete Maßnahmen machen der letzten Programmfortschreibung zufolge im Jahr 2009 1,2 % des BIP, 2010 1,9 % des BIP und 2011 0,6 % des BIP aus (insgesamt defizitsenkend), während die Kommissionsdienststellen in ihrer Herbstprognose 2009 von 0,2 % des BIP für das Jahr 2008, von 2,4 % des BIP für das Jahr 2009, von 2,0 % des BIP für das Jahr 2010 und von 0,6 % des BIP für das Jahr 2011 (insgesamt defzitsenkend) ausgehen.

Quelle:

Konvergenzprogramm (KP), Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.