4.1.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 1/1


VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2008 DES RATES

vom 20. Dezember 2007

zur zeitweiligen Aussetzung der Einfuhrzölle auf bestimmte Getreidesorten im Wirtschaftsjahr 2007/08

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 26 und Artikel 133 Absatz 4,

auf Vorschlag der Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (1) sieht eine Regelung zum Schutz vor den möglichen nachteiligen Folgen von Einfuhren vor, die hauptsächlich auf die Stabilisierung des Gemeinschaftsmarktes abzielt.

(2)

Die entsprechend den im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) geschlossenen Übereinkommen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse anzuwendenden Zollsätze sind größtenteils im Gemeinsamen Zolltarif festgelegt. Für Einfuhren bestimmter Getreidesorten, die durch gemäß dem Vertrag geschlossene internationale Übereinkommen geregelt sind oder die auf anderen Rechtsakten des Rates beruhen, gelten jedoch besondere Zollsätze.

(3)

Da bei der weltweiten Nachfrage ein struktureller Anstieg zu beobachten ist, der mit dem steigenden Lebensstandard in den Schwellenländern und mit der zunehmenden Erzeugung von Biokraftstoffen zusammenhängt, sind die weltweiten Getreidebestände am Ende des Wirtschaftsjahrs 2007/08 das dritte Jahr in Folge rückläufig und dürften ihren tiefsten Stand seit dem Wirtschaftsjahr 1979/80 erreicht haben. In diesem Zusammenhang haben die Getreidepreise auf dem Weltmarkt seit Beginn des Wirtschaftsjahrs 2007/08 stark angezogen, wobei es zu Steigerungen um 50 % bei Weichweizen, um 30 % bei Gerste und um 20 bis 30 % bei Mais gekommen ist.

(4)

Wegen ungünstiger Witterungsbedingungen in den meisten Mitgliedstaaten wird die Getreideerzeugung im Wirtschaftsjahr 2007/08 auf 258 Mio. Tonnen geschätzt; das sind 8 Mio. Tonnen (3 %) weniger als in dem bereits mäßigen Wirtschaftsjahr 2006/07. Diese Verringerung der gemeinschaftlichen Getreideerzeugung betrifft insbesondere Weichweizen und Mais, hat jedoch auch Auswirkungen auf dem gesamten Getreidesektor und erschwert eine ausgewogene Versorgung des Gemeinschaftsmarktes. Dieses Ungleichgewicht betrifft insbesondere das Futtergetreide wegen der in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft festgestellten Unterschiede bei der Qualität und den Mengen des erzeugten Getreides sowie der sich daraus ergebenden Änderungen des Verhaltens der Marktteilnehmer bei der Verwendung der verfügbaren Getreidesorten. Der weltweite Rückgang der Erzeugung kann auch nicht durch die örtlich sehr begrenzte höhere Erzeugung von Gerste, Roggen und Hafer ausgeglichen werden.

(5)

Die Getreidepreise in der Gemeinschaft sind seit Beginn des Wirtschaftsjahrs 2007/08 spektakulär gestiegen. Der Anstieg ist sowohl nominal als auch in Bezug auf die außergewöhnlich große Differenz zwischen den Marktpreisen und den Interventionspreisen beträchtlich. Die Lage ist sowohl bei Halmgetreidesorten als auch bei Mais angespannt. Der Preis für Brotweizen in Rouen ist von 179 EUR/t zu Beginn des Wirtschaftsjahrs 2007/08 auf fast 300 EUR/t Anfang September 2007 gestiegen, während sich der Preis für Futtergerste in Rouen mit bis zu 270 EUR/t Ende September 2007 gegenüber dem Preis im Sommer 2006 mehr als verdoppelt hat. Auch bei Braugerste war ein starker Anstieg auf fast 310 EUR/t Ende September 2007 zu beobachten. Der Preis für französischen Mais in Bayonne folgte demselben Trend und stieg von 183 EUR/t zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs bis auf einen Höchststand von 255 EUR/t Mitte September 2007. Diese Lage ist auf die geringen Weichweizen- und Maisvorräte in der Gemeinschaft, die mäßige Qualität der Ernte und die Ausschöpfung der zurzeit unter 500 000 Tonnen liegenden gemeinschaftlichen Interventionsbestände zurückzuführen.

(6)

Als Reaktion auf diese angespannte Marktlage empfiehlt es sich, die Versorgung des Gemeinschaftsmarkts mit Getreide zu fördern und hierzu eine Aussetzung des Zolls bei der Einfuhr bestimmter Getreidesorten sowohl im Rahmen von Zollkontingenten mit ermäßigtem Zollsatz als auch bei Einfuhren zum Regelzollsatz vorzusehen. Die Anwendung der Maßnahme ist auf das Wirtschaftsjahr 2007/08 zu befristen.

(7)

Die Maßnahme muss bei tatsächlichen oder drohenden Störungen des Gemeinschaftsmarkts unverzüglich aufgehoben werden können. Zu diesem Zweck ist vorzusehen, dass die Kommission unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Wiedereinführung des Zolls treffen kann, wenn die Marktlage es rechtfertigt, und dass sie die Kriterien festlegen kann, nach denen beurteilt wird, ob diese Lage eingetreten ist.

(8)

Diese Maßnahmen müssen im Einklang mit dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2) erlassen werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Anwendung der Einfuhrzölle auf die Erzeugnisse der KN-Codes 1001 90 99, 1001 10, 1002 00 00, 1003 00, 1005 90 00 und 1007 00 90 wird für alle Einfuhren zum Regelzollsatz gemäß Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 oder im Rahmen von Zollkontingenten mit ermäßigtem Zollsatz, die gemäß Artikel 12 der genannten Verordnung eröffnet wurden, bis 30. Juni 2008 ausgesetzt.

(2)   Die Kommission kann die Zölle zu den Sätzen und Bedingungen gemäß Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 wieder einführen, wenn für eines oder mehrere Erzeugnisse nach Absatz 1 dieses Artikels der in den Gemeinschaftshäfen festgestellte fob-Preis unter 180 % des Interventionspreises oder bei Erzeugnissen, für die es keinen Interventionspreis gibt, unter 180 % von 101,3 EUR/t liegt.

(3)   Die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung werden erforderlichenfalls nach dem Verfahren des Artikels 25 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 erlassen.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am siebten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt für Einfuhren auf der Grundlage von Einfuhrlizenzen, die ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung erteilt wurden.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 20. Dezember 2007.

Im Namen des Rates

Der Präsident

F. NUNES CORREIA


(1)  ABl. L 270 vom 21.10.2003, S. 78. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 735/2007 (ABl. L 169 vom 29.6.2007, S. 6).

(2)  ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Beschluss geändert durch den Beschluss 2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).