15.10.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 273/18


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 14. Oktober 2008

zum Erlass von Sondervorschriften für die Einfuhr von Milch enthaltenden Erzeugnissen oder Milcherzeugnissen, deren Ursprung oder Herkunft China ist, und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/757/EG der Kommission

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 6086)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2008/798/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (1), insbesondere Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 können in Notfällen geeignete Maßnahmen bei aus Drittländern eingeführten Lebens- oder Futtermitteln getroffen werden, um die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt zu schützen und wenn dem davon ausgehenden Risiko durch Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend begegnet werden kann.

(2)

Die Europäische Kommission wurde darüber unterrichtet, dass in Säuglingsanfangsnahrung und anderen Milcherzeugnissen in China hohe Melamingehalte festgestellt wurden. Melamin ist ein chemisches Zwischenprodukt, das bei der Herstellung von Aminoharzen und Kunststoffen eingesetzt und als Monomer und Zusatzstoff bei Kunststoffen Verwendung findet. Hohe Gehalte an Melamin in Lebensmitteln können sehr schädliche Gesundheitsauswirkungen haben.

(3)

Einfuhren von Milch und Milcherzeugnissen, auch Milchpulver, deren Ursprung China ist, sind in der Gemeinschaft nicht zugelassen; allerdings könnten einige zusammengesetzte Erzeugnisse (d. h. Erzeugnisse, die sowohl ein verarbeitetes Erzeugnis tierischen Ursprungs als auch ein Erzeugnis nichttierischen Ursprungs enthalten) mit Bestandteilen aus verarbeiteter Milch auf die Märkte der Europäischen Union gelangt sein.

(4)

Die vorliegenden Angaben deuten zwar darauf hin, dass keine zusammengesetzten Erzeugnisse für die besonderen Ernährungsbedürfnisse von Säuglingen und Kleinkindern eingeführt werden, aber bestimmte zusammengesetzte Erzeugnisse könnten, je nach ihrer spezifischen Formulierung und insbesondere dem Anteil des enthaltenen Milcherzeugnisses, ohne die systematischen Grenzkontrollen nach der Entscheidung der Kommission 2007/275/EG vom 17. April 2007 mit Verzeichnissen von Tieren und Erzeugnissen, die gemäß den Richtlinien 91/496/EWG und 97/78/EG des Rates (2) an Grenzkontrollstellen zu kontrollieren sind, zur Einfuhr vorgestellt worden sein. Davon ausgehend, dass solche Erzeugnisse die wichtigste und bisweilen einzige Nahrungsquelle für Säuglinge und Kleinkinder sind, ist es angebracht, die Einfuhr solcher Erzeugnisse mit Ursprung China in die Gemeinschaft zu verbieten. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass solche Erzeugnisse unverzüglich vernichtet werden, falls sie auf dem Markt auftauchen.

(5)

Für andere zusammengesetzte Erzeugnisse (wie Kekse und Schokolade), die bei einer ausgewogenen Ernährung nur einen kleinen Teil derselben ausmachen, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die von der Europäischen Kommission beauftragt wurde, die Risiken im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Melamin in zusammengesetzten Erzeugnissen zu bewerten, eine Stellungnahme abgegeben, in der sie zu dem Schluss kommt, das größte Risiko im schlimmsten Fall (d. h. Kinder verzehren täglich Kekse und Schokolade mit einem Höchstanteil an Milchpulver — zwischen 16 % und über 20 % —, was einer Belastung mit dem höchsten in Milchpulver aus China festgestellten Gehalt gleich käme), bestehe darin, dass die annehmbare tägliche Aufnahme (TDI) an Melamin (0,5 mg/kg Körpergewicht) möglicherweise überstiegen wird.

(6)

Um das mögliche Gesundheitsrisiko durch die Belastung durch den Melamingehalt solch zusammengesetzter Erzeugnisse auszuschalten, sind die Mitgliedstaaten gemäß der Entscheidung der Kommission 2008/757/EG (3) verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle zusammengesetzten Erzeugnisse, die mindestens 15 % an Milcherzeugnissen mit Ursprung in China enthalten, vor der Einfuhr in die Gemeinschaft systematisch untersucht werden und dass alle Erzeugnisse, die nachweislich einen Melamingehalt über 2,5 mg/kg aufweisen, sofort vernichtet werden. Melamin kann aus verschiedenen Quellen in Lebens- und Futtermittel gelangen, etwa durch Migration aus Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, durch den Einsatz von Pestiziden usw. In Anbetracht der vorhandenen Daten über das Auftreten von Melamin eignet sich ein Gehalt von 2,5 mg/kg für die Unterscheidung zwischen einer unvermeidbaren Hintergrundbelastung und einer nicht hinnehmbaren Verfälschung. Dieser Gehalt wird auch dem Bedürfnis nach Gewährleistung einer großen Sicherheitsmarge gerecht. Die Mitgliedstaaten haben über erhebliche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des genauen Gehalts an Milch oder Milcherzeugnissen in zusammengesetzten Erzeugnissen berichtet. Dementsprechend besitzt der vorgenannte Wert von 15 % kaum Relevanz für die Entscheidung, ob eine Sendung vor der Einfuhr kontrolliert werden muss. Im Interesse einer Straffung und Vereinfachung der Einfuhrkontrollverfahren ist es daher zweckmäßig, Kontrollen unabhängig davon vorzuschreiben, wie hoch der Gehalt an Milch oder Milcherzeugnissen in den zusammengesetzten Erzeugnissen genau ist.

(7)

Die Mitgliedstaaten sollten ferner dafür sorgen, dass in der Gemeinschaft bereits in Verkehr gebrachte zusammengesetzte Erzeugnisse geeigneten Tests unterzogen und erforderlichenfalls vom Markt genommen werden. Die Kosten für die Untersuchungen bei der Einfuhr und die amtlichen Maßnahmen, die bei Erzeugnissen ergriffen werden, die den fraglichen Höchstgehalt übersteigen, sollten vom Futter- bzw. Lebensmittelunternehmer getragen werden, der für die Erzeugnisse verantwortlich ist.

(8)

Damit die Kommission die Angemessenheit dieser Maßnahmen zu gegebener Zeit erneut überprüfen kann, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission Beanstandungen über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel melden und alle zwei Wochen Bericht über die den Anforderungen entsprechenden Ergebnisse erstatten.

(9)

Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Für die Zwecke dieser Entscheidung sind Bezugnahmen auf China als Bezugnahmen auf die Volksrepublik China zu verstehen.

Artikel 2

Kontrollmaßnahmen

(1)   Die Mitgliedstaaten verbieten die Einfuhr in die Gemeinschaft von zusammengesetzten und Milch oder Milcherzeugnisse enthaltenden Erzeugnissen, die bestimmt sind für die besonderen Ernährungsbedürfnisse von Säuglingen und Kleinkindern im Sinne der Richtlinie 89/398/EWG (4) des Rates über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, und deren Ursprung oder Herkunft China ist. Die Mitgliedstaaten sorgen auch dafür, dass sämtliche Erzeugnisse, die nach Inkrafttreten dieser Entscheidung auf dem Markt angetroffen werden, sofort vom Markt genommen und vernichtet werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten führen Dokumentenkontrollen, Nämlichkeitskontrollen und körperliche Kontrollen — auch Laboruntersuchungen — bei allen Sendungen von zusammengesetzten Erzeugnissen einschließlich Futtermitteln durch, deren Ursprung oder Herkunft China ist und die Milcherzeugnisse enthalten.

Die Mitgliedstaaten können vor der Einfuhr anderer Futter- und Lebensmittelerzeugnisse mit hohem Proteingehalt aus China Stichproben nehmen.

Diese Kontrollen dienen vor allem dazu, sicherzustellen, dass der mögliche Melamingehalt 2,5 mg/kg Erzeugnis nicht übersteigt. Die Sendungen werden bis zur Vorlage der Ergebnisse der Laboruntersuchung festgehalten.

(3)   Die in Absatz 2 Unterabsatz 1 genannten Kontrollen werden an Kontrollstellen vorgenommen, die von den Mitgliedstaaten speziell hierfür benannt werden. Die Mitgliedstaaten veröffentlichen die Liste der Kontrollstellen und übermitteln sie der Kommission.

(4)   Die Mitgliedstaaten melden alle Ergebnisse der in Absatz 2 genannten Laboruntersuchungen, die Anlass zur Beanstandung geben, über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel. Sie erstatten der Kommission alle zwei Wochen Bericht über die den Anforderungen entsprechenden Ergebnisse.

(5)   Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass die in Absatz 2 genannten Erzeugnisse sowie Futter- und gegebenenfalls Lebensmittelerzeugnisse mit hohem Proteingehalt, die bereits in Verkehr gebracht wurden, geeigneten Kontrollen zur Feststellung des Melamingehalts unterzogen werden.

(6)   Alle Erzeugnisse, bei denen nach den Kontrollen gemäß den Absätzen 2 und 5 ein Melamingehalt von über 2,5 mg/kg Erzeugnis festgestellt wird, werden unverzüglich vernichtet.

(7)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die bei der Durchführung von Absatz 2 anfallenden Kosten von den Unternehmern getragen werden, die für die Einfuhr verantwortlich sind, und dass die Kosten für die amtlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Erzeugnissen, die nicht dieser Entscheidung entsprechen, vom Futter- bzw. Lebensmittelunternehmer getragen werden, der für das Erzeugnis verantwortlich ist.

Artikel 3

Vorherige Mitteilung

Bei allen Sendungen zusammengesetzter Erzeugnisse unter Einschluss von Futtermitteln, die Milcherzeugnisse enthalten und deren Ursprung oder Herkunft China ist, teilen die Futter- und Lebensmittelunternehmer oder deren Vertreter der in Artikel 2 Absatz 3 genannten Kontrollstelle vorher mit, an welchem Tag und um welche Uhrzeit die Sendungen voraussichtlich eintreffen.

Artikel 4

Überprüfung der Maßnahmen

Die in dieser Entscheidung festgelegten Maßnahmen werden in regelmäßigen Abständen im Lichte der Ergebnisse der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen überprüft.

Artikel 5

Die Entscheidung 2008/757/EG wird aufgehoben.

Artikel 6

Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 14. Oktober 2008

Für die Kommission

Androulla VASSILIOU

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1.

(2)  ABl. L 116 vom 4.5.2007, S. 9.

(3)  ABl. L 259 vom 27.9.2008, S. 10.

(4)  ABl. L 186 vom 30.6.1989, S. 27.