2.9.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 235/12


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 16. April 2008

über die staatliche Beihilfe C 13/07 (ex NN 15/06 und N 734/06), die Italien zugunsten von New Interline gewährt hat

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 1321)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2008/697/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Italien meldete mit Schreiben vom 23. Februar 2006 bei der Kommission eine Rettungsbeihilfe zugunsten von New Interline S.p.A. (nachstehend „New Interline“ genannt) an. Diese — unter der Nummer NN 15/06 registrierte — Beihilfe war bereits am 13. Februar 2006, d. h. vor der Anmeldung, gewährt worden. Die Kommission ersuchte mit Schreiben vom 4. April 2006 um ergänzende Informationen; Italien antwortete mit Schreiben vom 29. Mai 2006. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 erbat die Kommission weitere Informationen; Italien antwortete mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 und 6. November 2006.

(2)

Am 10. November 2006 meldete Italien einen Umstrukturierungsplan für New Interline an, der unter der Nummer N 734/06 registriert wurde. Die Kommission ersuchte mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 erneut um ergänzende Informationen; Italien antwortete mit Schreiben vom 6. März 2007.

(3)

Mit Schreiben vom 25. April 2007 setzte die Kommission Italien von ihrer am 24. April 2007 erlassenen Entscheidung in Kenntnis, die von Italien gewährte Rettungsbeihilfe zugunsten von New Interline für einen Zeitraum von sechs Monaten als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Dagegen hatte die Kommission entschieden, wegen der Verlängerung der Rettungsbeihilfe über den Sechsmonatszeitraum hinaus sowie wegen der Umstrukturierungsbeihilfe das förmliche Prüfverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(4)

Die Entscheidung der Kommission wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Kommission forderte die Beteiligten zur Stellungnahme auf. Die Beteiligten übermittelten jedoch keinerlei Informationen.

(5)

Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 setzten die italienischen Behörden die Kommission davon in Kenntnis, dass New Interline in freiwillige Liquidation gegangen war und dass sie beabsichtigten, die Anmeldung der Umstrukturierungsbeihilfe zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 bestätigten die italienischen Behörden die Rücknahme dieser Anmeldung.

(6)

Mit Schreiben vom 16. November 2007 ersuchte die Kommission Italien, nähere Angaben zum Verfahren der freiwilligen Liquidation und insbesondere zu den Folgen für die Gläubiger von New Interline zu machen. Italien antwortete mit Schreiben vom 28. Januar 2008.

2.   RETTUNGSBEIHILFE

(7)

Bei der Rettungsbeihilfe handelt es sich um eine Bürgschaft, die das italienische Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung für ein Bankdarlehen in Höhe von 2,75 Mio. EUR übernommen hat. Die Bürgschaft wurde ursprünglich für einen Zeitraum von sechs Monaten, und zwar vom 6. März 2006 bis zum 6. September 2006, übernommen. Die Kommission wurde jedoch davon in Kenntnis gesetzt, dass die Bürgschaft am Ende dieses Zeitraums nicht ausgelaufen ist.

(8)

Gemäß Randnummer 25 Buchstabe c der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (2) (nachstehend „Leitlinien“ genannt) muss der betreffende Mitgliedstaat im Falle nicht angemeldeter Beihilfen innerhalb von sechs Monaten nach der erstmaligen Anwendung der Beihilfemaßnahme entweder einen Umstrukturierungsplan oder einen Liquidationsplan vorlegen oder aber den Nachweis erbringen, dass das Darlehen vollständig zurückgezahlt und/oder die Bürgschaft ausgelaufen ist.

(9)

Die Kommission wies in ihrer Entscheidung vom 24. April 2007 darauf hin, dass die Rettungsbeihilfe am Ende des ursprünglichen Sechsmonatszeitraums nicht aufgehoben worden war und dass Italien innerhalb dieser Frist keinen Umstrukturierungsplan vorgelegt hatte. In der Entscheidung stellte die Kommission jedoch fest, dass die Beihilfe als Rettungsbeihilfe für einen Zeitraum von sechs Monaten mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar war, da sie alle Voraussetzungen der Leitlinien — mit Ausnahme der Voraussetzung der Randnummer 25 Buchstabe c — erfüllte. Da die Rettungsbeihilfe jedoch über den ursprünglichen Sechsmonatszeitraum hinaus verlängert wurde, hatte die Kommission Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und entschied, das Verfahren nach Randnummer 27 der Leitlinien einzuleiten (3).

(10)

In der vorgenannten Entscheidung wies die Kommission ferner darauf hin, dass sie prüfen werde, ob die rechtswidrig verlängerte Beihilfe gemäß Randnummer 20 der Leitlinien aus anderen Gründen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könne. Gemäß dieser Randnummer hätte die Rettungsbeihilfe gegebenenfalls als Umstrukturierungsbeihilfe angesehen werden können.

(11)

Allerdings nahm Italien später die Anmeldung der Umstrukturierungsbeihilfe zurück. Dadurch kann die Kommission ihre Entscheidung nunmehr weder auf Elemente wie insbesondere einen Umstrukturierungsplan stützen, die die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität gewährleisten, noch auf Ausgleichsmaßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen der Beihilfe abschwächen; aufgrund solcher Elemente hätte die rechtswidrig verlängerte Rettungsbeihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Umstrukturierungsbeihilfe angesehen werden können.

(12)

Die Kommission gelangt somit zu dem Schluss, dass die von den italienischen Behörden übernommene Bürgschaft für New Interline über 2,75 Mio. EUR gemäß den Leitlinien nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, da sie über den 6. September 2006 hinaus verlängert wurde.

(13)

Italien muss folglich die Rettungsbeihilfe in Höhe von 2,75 Mio. EUR von dem begünstigten Unternehmen New Interline zurückfordern.

(14)

Diesbezüglich setzte Italien die Kommission mit Schreiben vom 28. Januar 2008 davon in Kenntnis, dass der gesamte Darlehensbetrag einschließlich Zinsen am 4. Mai 2007 nicht von New Interline, sondern von den italienischen Behörden der Banca Antonveneta, die das staatlich verbürgte Darlehen gewährt hatte, zurückgezahlt worden war. Im Rahmen des Verfahrens der freiwilligen Liquidation forderten die italienischen Behörden am 7. Juni 2007 die Avvocatura Distrettuale di Bari auf, die erforderlichen Maßnahmen zur Befriedigung der Forderungen des Staates gegenüber dem Unternehmen einzuleiten.

(15)

Am 18. November 2007 stellte New Interline beim Tribunale di Bari einen Antrag auf Einleitung eines Vergleichsverfahrens („procedura di concordato preventivo“), das die Befriedigung der Forderungen der Gläubiger unter richterlicher Aufsicht ermöglicht. Ein solches Verfahren kann die Fortführung der Betriebstätigkeit des Unternehmens zur Folge haben.

(16)

Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Ergebnis des Vergleichsverfahrens nicht absehbar. In jedem Fall sollte Italien seine Forderungen im Rahmen des wie auch immer gearteten Insolvenzverfahrens sofort anmelden.

(17)

Sollte der Ausgang eines solchen Verfahrens die Fortführung der Betriebstätigkeit von New Interline zur Folge haben, weist die Kommission auf Randnummer 67 der Bekanntmachung „Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten“ (4) (nachstehend „Rückforderungsbekanntmachung“ genannt) hin, wonach die für die Durchführung der Entscheidung verantwortlichen italienischen Behörden dem Plan zur Fortführung der Betriebstätigkeit nur zustimmen dürfen, wenn die Beihilfe innerhalb der in der Rückforderungsentscheidung der Kommission gesetzten Frist in voller Höhe zurückgezahlt wird. Wird die rechtswidrige Beihilfe nicht sofort und vollständig zurückgezahlt, so darf der Mitgliedstaat weder auf einen Teil seines Rückforderungsanspruchs verzichten, noch eine andere Lösung akzeptieren, die nicht die sofortige Einstellung der Betriebstätigkeit des Beihilfeempfängers zur Folge hätte. Ohne die vollständige Rückzahlung der rechtswidrigen Beihilfe müssen sich die italienischen Behörden innerhalb der Frist für die Durchführung dieser Entscheidung mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der Fortführung der Betriebstätigkeit von New Interline widersetzen.

(18)

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Mitgliedstaat, solange die Beihilfe nicht in voller Höhe zurückgezahlt worden ist, gemäß Randnummer 68 der Rückforderungsbekanntmachung im Falle einer Liquidation jede Übertragung von Aktiva abzulehnen hat, die nicht unter Marktbedingungen und/oder in einer solchen Art und Weise erfolgt, dass die Rückforderungsentscheidung umgangen wird. Damit es zu einer „ordnungsgemäßen Übertragung von Aktiva“ kommt, muss der Mitgliedstaat sicherstellen, dass der durch die Beihilfe bewirkte unlautere Vorteil nicht auf den Erwerber der Aktiva übertragen wird. Dazu kann es kommen, wenn die Aktiva des ursprünglichen Beihilfeempfängers zu einem unter ihrem Marktwert liegenden Preis an einen Dritten verkauft oder auf ein Nachfolgeunternehmen übertragen werden, das gegründet wird, um die Rückzahlungsanordnung zu umgehen. In einem solchen Fall muss der Adressatenkreis der Rückzahlungsanordnung auf diesen Dritten ausgeweitet werden.

3.   UMSTRUKTURIERUNGSBEIHILFE

(19)

Die Kommission stellt fest, dass der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (5) die Anmeldung zurücknehmen kann, bevor die Kommission eine Entscheidung über die betreffende Beihilfe erlassen hat. In Fällen, in denen die Kommission das förmliche Prüfverfahren bereits eingeleitet hat, wird dieses Verfahren eingestellt.

(20)

Italien hat die Anmeldung der Umstrukturierungsbeihilfe in Höhe von 4,75 Mio. EUR mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 zurückgenommen. Nach den vorliegenden Informationen wurde die Umstrukturierungsbeihilfe nicht ausgezahlt.

(21)

Folglich ist das mit der Entscheidung vom 24. April 2007 eingeleitete förmliche Prüfverfahren einzustellen, da es aufgrund der Rücknahme der Anmeldung gegenstandslos geworden ist, soweit es die von Italien angemeldete Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten von New Interline betrifft —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Rettungsbeihilfe in Form einer staatlichen Bürgschaft in Höhe von 2,75 Mio. EUR, die Italien unter Verletzung des Artikels 88 Absatz 3 EG-Vertrag rechtswidrig zugunsten von New Interline S.p.A. gewährt hat, ist insoweit mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, als sie über den 6. September 2006 hinaus verlängert wurde.

Artikel 2

(1)   Italien fordert die in Artikel 1 genannte Beihilfe vom Begünstigten zurück.

(2)   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt, ab dem die Beihilfe dem Begünstigten zur Verfügung stand, bis zu deren tatsächlicher Rückzahlung berechnet werden.

(3)   Die Zinsen werden gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 nach der Zinseszinsformel berechnet.

Artikel 3

(1)   Die in Artikel 1 genannte Beihilfe wird sofort und tatsächlich zurückgefordert.

(2)   Italien stellt sicher, dass diese Entscheidung binnen vier Monaten nach ihrer Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 4

(1)   Italien übermittelt der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die folgenden Informationen:

a)

Gesamtbetrag (Hauptforderung und Zinsen), der vom Begünstigten zurückzufordern ist;

b)

ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um dieser Entscheidung nachzukommen;

c)

Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an den Begünstigten eine Rückzahlungsanordnung ergangen ist.

(2)   Italien unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfe abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Italien unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um dieser Entscheidung nachzukommen. Ferner übermittelt Italien ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Begünstigten bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 5

Das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag, das mit der Entscheidung der Kommission vom 24. April 2007 eingeleitet wurde, wird in Bezug auf die Umstrukturierungsbeihilfe (ex N 734/06) eingestellt, da die Anmeldung am 9. Oktober 2007 zurückgenommen wurde.

Artikel 6

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 16. April 2008

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 120 vom 31.5.2007, S. 12.

(2)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(3)  Gemäß Randnummer 27 der Leitlinien „wird die Kommission das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einleiten, wenn der Mitgliedstaat […] nicht nachgewiesen hat, dass das Darlehen vor Ablauf der Sechsmonatsfrist vollständig getilgt bzw. die Bürgschaft innerhalb dieser Frist ausgelaufen ist“.

(4)  ABl. C 272 vom 15.11.2007, S. 4.

(5)  ABl. C 83 vom 27.3.1999, S. 1.