13.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 183/46


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 7. März 2007

über die staatliche Beihilfe C 41/2004 (ex N 221/2004) Portugal — Investitionsbeihilfe zugunsten von ORFAMA, Organização Fabril de Malhas S.A.

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 638)

(Nur der portugiesische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2007/494/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den vorgenannten Bestimmungen (1) und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 5. Mai 2004 (Eingangsvermerk vom 19. Mai 2004) unterrichtete Portugal die Kommission von seiner Absicht, ORFAMA, Organização Fabril de Malhas S.A. (im Folgenden „ORFAMA“) eine Investitionsbeihilfe für ein Vorhaben dieses Unternehmens in Polen zu gewähren. Mit Schreiben vom 15. Juli 2004 ersuchte die Kommission um ergänzende Auskünfte, die Portugal mit Schreiben vom 30. September 2004 (Eingangsvermerk vom 5. Oktober 2004) vorlegte.

(2)

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 setzte die Kommission Portugal von ihrer Entscheidung in Kenntnis, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(3)

Mit Schreiben vom 4. Februar 2005 (Eingangsvermerk vom 9. Februar 2005) nahmen die portugiesischen Behörden im Rahmen des vorgenannten Verfahrens Stellung.

(4)

Die Entscheidung der Kommission über die Verfahrenseinleitung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (2). Die Kommission forderte betroffene Dritte auf, sich zu der Sache zu äußern. Es gingen keine Stellungnahmen ein.

II.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

(5)

ORFAMA ist Hersteller von Wirkwaren (Bekleidung) und hat seinen Firmensitz in Braga, einer Region, die unter Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag fällt. Das 1970 gegründete Unternehmen beschäftigt 655 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von rund 25 Mio. EUR. ORFAMA ist zu 45 % an einem weiteren Bekleidungshersteller, „Marrantex“, beteiligt. Die meisten seiner Produkte vertreibt ORFAMA in der Europäischen Union (50 %), den Vereinigten Staaten (38 %) und in Japan (5 %) (3).

(6)

Bei dem Vorhaben handelt es sich um die Übernahme der beiden in Łódź ansässigen Textilunternehmen Archimode SP und Wartatex SP durch ORFAMA. Beide Firmen sind Bekleidungshersteller.

(7)

Die Zusammenarbeit zwischen diesen Firmen und ORFAMA begann 1995 in Form eines Subunternehmerverhältnisses, in dessen Rahmen sich die Produktion der polnischen Firmen auf rund 30 % des Umsatzes von ORFAMA belief. Später beschloss ORFAMA, die beiden Firmen zu erwerben, um seine Präsenz in Polen und auf den osteuropäischen Märkten auszubauen.

(8)

Die portugiesischen Behörden weisen ausdrücklich darauf hin, dass ORFAMA seine derzeitige Kapazität in Portugal aufrechterhalten und sein Geschäft nicht nach Polen verlagern werde. Ziel des Vorhabens ist es, das Produktionsvolumen zu erhöhen, Kapazitäten für die Herstellung von Produkten mit höherem Mehrwert freizumachen und sich Zugang zu den Märkten in Deutschland und in Osteuropa zu verschaffen.

(9)

Die portugiesischen Behörden sind der Auffassung, dass das Vorhaben zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit der Textilindustrie in der Europäischen Union beiträgt, weil ORFAMA und die polnischen Unternehmen dem zunehmenden Wettbewerb aus den asiatischen Ländern, insbesondere aus China, ausgesetzt seien. Das Vorhaben wurde im Dezember 1999 durchgeführt.

(10)

Die Investition für den Erwerb der beiden Unternehmen belief sich auf insgesamt 9 217 516 EUR in der folgenden Verteilung: 8 900 205 EUR für Archimode und 317 311 EUR für Wartatex. ORFAMA finanzierte 97 % der Investition über Bankdarlehen und den verbleibenden Anteil aus eigenen Mitteln.

(11)

Portugal beabsichtigt, ORFAMA eine Steuervergünstigung in Höhe von 921 752 EUR zu gewähren, was 10 % der gesamten beihilfefähigen Investitionskosten für das oben genannte Vorhaben entspricht.

(12)

Die Maßnahme wurde im Rahmen einer portugiesischen Regelung angemeldet, mit der die Modernisierung und Internationalisierung von Wirtschaftsbeteiligten gefördert werden soll (4). Diese Regelung schreibt vor, dass Beihilfen an Großunternehmen gesondert anzumelden sind.

(13)

Laut den portugiesischen Behörden wurde der Beihilfeantrag am 31. März 2000 gestellt. Aus strategischen Gründen war das Vorhaben unter der Annahme, dass es nach einschlägigem portugiesischem Recht beihilfefähig sein würde, bereits kurz vor diesem Datum durchgeführt worden. Aufgrund interner Verzögerungen meldeten die portugiesischen Behörden die Beihilfe erst im Januar 2004 an.

III.   GRÜNDE FÜR DIE VERFAHRENSEINLEITUNG

(14)

In ihrer Entscheidung zur Verfahrenseinleitung in dieser Beihilfesache legte die Kommission dar, dass sie die Maßnahme nach der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag prüfen werde, um festzustellen, ob die Beihilfe der Förderung eines bestimmten Wirtschaftszweigs dient, ohne dabei die Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

(15)

Die Kommission erklärte ferner, dass sie die Maßnahme anhand der Kriterien prüfen werde, die normalerweise zur Bewertung von Beihilfen an Großunternehmen für Auslandsdirektinvestitionen angewandt werden, wie sie dies bereits in anderen Fällen getan hat, in denen Investitionen in Nicht-EU-Ländern gefördert werden sollten. Die Maßnahme wurde im Rahmen einer portugiesischen Regelung zur Förderung der Internationalisierung portugiesischer Unternehmen angemeldet. Es sei daran erinnert, dass Polen zum Zeitpunkt der Durchführung des Vorhabens wie auch der Antragseinreichung noch nicht Mitglied der Europäischen Union war. Infolgedessen war die Investition als Auslandsdirektinvestition im Rahmen der einschlägigen portugiesischen Regelung beihilfefähig.

(16)

In Fällen wie diesem wägt die Kommission in der Regel die Vorteile der Maßnahme in Bezug auf ihren Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft gegen ihre möglichen negativen Auswirkungen innerhalb der Gemeinschaft ab, wie z. B. das Risiko einer Standortverlagerung oder etwaige negative Auswirkungen auf die Beschäftigungslage. Die Kommission prüft außerdem die Notwendigkeit der Beihilfe unter Berücksichtigung der Risiken, die das Projekt für das jeweilige Land birgt, und der spezifischen Schwierigkeiten bestimmter Unternehmen (z. B. KMU). Ein weiteres Kriterium sind die möglichen positiven Auswirkungen auf ein bestimmtes Wirtschaftsgebiet. Ausgeschlossen von der Prüfung sind alle Beihilfen für den Export.

(17)

Da die Investition in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vorgenommen wird, kommt die Kommission in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass davon auszugehen ist, dass sich die Beihilfe stärker auf den Gemeinsamen Markt auswirken wird, als es bei einer Beihilfe für ein Vorhaben in einem Drittland der Fall wäre.

(18)

Die Kommission untersuchte auch, inwiefern sich das Vorhaben auf die Beschäftigung und andere Aspekte der betreffenden Regionen sowie auf die einschlägigen Wirtschaftszweige in beiden Mitgliedstaaten auswirken würde. Des Weiteren prüfte sie, ob das Vorhaben auch in Polen beihilfefähig gewesen wäre.

(19)

Ferner bestanden Zweifel daran, dass die Beihilfe notwendig war und/oder als Anreiz für den Antragsteller diente, die Investition vorzunehmen, insbesondere da das Vorhaben bereits durchgeführt worden war, als ORFAMA die staatliche Beihilfe beantragte. Abschließend stellte die Kommission in Frage, ob das Vorhaben als „Erstinvestition“ im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (5) angesehen werden könne. Die Kommission forderte Portugal auf, Stellung zu nehmen und alle zusätzlichen Informationen für eine angemessene Bewertung dieser Beihilfesache vorzulegen.

IV.   STELLUNGNAHME DER PORTUGIESISCHEN BEHÖRDEN

(20)

Die portugiesischen Behörden wiesen darauf hin, dass die Investition in der Europäischen Union getätigt werde und dazu beitrage, die Wirtschaftsbeziehungen zu den osteuropäischen Märkten zu intensivieren. Die portugiesischen Behörden machten geltend, dass ORFAMA, Archimode und Wartatex in Regionen ansässig seien, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrsche. In Polen beschäftige die Textilindustrie 331 000 Menschen, in Portugal 95 446. In Portugal seien die Beschäftigungszahlen in der Branche zwischen 2000 und 2003 um 15 Prozentpunkte zurückgegangen. Portugal trug in diesem Zusammenhang vor, dass die Investition von ORFAMA dazu beitrage, das Beschäftigungsniveau sowohl im Ursprungsland als auch im Investitionsland zu halten, und sich positiv auf die betreffenden Regionen auswirke.

(21)

Die portugiesischen Behörden waren der Auffassung, dass die Notwendigkeit der Beihilfe in der Tatsache begründet sei, dass es sich um die erste Auslandsdirektinvestition von ORFAMA handele, die ein beträchtliches finanzielles Engagement in Höhe von 9 217 516 EUR verlange, von denen 8 978 362 EUR über Bankdarlehen und der Restbetrag aus den Eigenmitteln des Unternehmens aufgebracht würden. Die Beihilfe stelle für ORFAMA einen Ausgleich für einen Teil der aufgebrachten Summe dar.

(22)

Das Vorhaben diene auch der Modernisierung der Produktion und der Informationstechnologie der polnischen Unternehmen mit dem Ziel der Produktionssteigerung und der Verbesserung von Produktqualität und Energieeffizienz. Das Unternehmen beabsichtige ferner, den Industriepark zu erneuern. Nach Ansicht der portugiesischen Behörden fördert das Vorhaben somit die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige bzw. -gebiete im Sinne des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag.

(23)

Abschließend argumentierte Portugal, dass die Beihilfe keine negativen Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel habe. Durch die fragliche Investition würden lediglich bereits bestehende Wirtschaftsbeziehungen gefestigt, indem ein Zulieferverhältnis in ein Eigentumsverhältnis übergehe. Um ihre Argumentation zu stützen, legten die portugiesischen Behörden Statistiken vor, aus denen hervorgeht, dass das Absatzvolumen von ORFAMA in Polen zwischen 1999 (Investitionsjahr) und 2003 gleich geblieben ist. Im gleichen Zeitraum ging der Gesamtabsatz von ORFAMA in der EU zurück.

(24)

Gleichzeitig gingen die Ausfuhren der betreffenden Produkte von Polen in die EU in diesem Zeitraum ebenfalls zurück.

(25)

Zu diesen Darlegungen gingen keine Stellungnahmen Dritter ein.

V.   WÜRDIGUNG

(26)

Nach Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

(27)

In ihrer Entscheidung vom 6. Dezember 2004 kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Beihilfe aus folgenden Gründen in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt: Indem ORFAMA bei Investitionen in Polen unterstützt wird, wird mit der angemeldeten Maßnahme ein bestimmtes Unternehmen oder ein bestimmter Produktionszweig begünstigt; im fraglichen Wirtschaftszweig, d. h. in der Textilindustrie, herrscht ein intensiver Handel innerhalb der EU, weshalb davon auszugehen ist, dass die Beihilfe zu einer Verfälschung des Wettbewerbs in der EU führt; die Beihilfe wird aus staatlichen Mitteln gewährt. Diese Schlussfolgerungen gelten als bestätigt, da die portugiesischen Behörden keine Einwände erhoben.

(28)

Die Kommission erklärte, dass sie die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem EG-Vertrag auf der Grundlage der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EGV prüfen werde, nach der Beihilfen „zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“ zugelassen sind, sofern sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Die Kommission hat folglich zu bestimmen, ob die Beihilfe zur Entwicklung der Produktion von Wirkwaren (Bekleidung) und/oder anderen Wirtschaftszweigen in der Europäischen Union beträgt, ohne sich dabei negativ auf die Bedingung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten auszuwirken.

(29)

In der Entscheidung zur Verfahrenseinleitung hob die Kommission auch hervor, dass sie Kriterien heranziehen werde, die sie bereits in früheren Beihilfesachen im Zusammenhang mit Auslandsdirektinvestitionen von Großunternehmen (siehe Punkt 16) angewandt habe und die dazu dienten, die Vorteile einer Maßnahme im Hinblick auf ihren Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden EU-Wirtschaftszweigs (d. h. die Notwendigkeit der Beihilfe unter Berücksichtigung der Risiken, die das Vorhaben für das jeweilige Land birgt) gegenüber ihren möglichen negativen Folgen für den Gemeinsamen Markt abzuwägen.

(30)

Nach einem allgemeinen Grundsatz des Beihilferechts ist zur Feststellung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nachzuweisen, dass diese zu einer zusätzlichen Tätigkeit des Begünstigten führt, die ohne die Beihilfe nicht einträte. Andernfalls hätte die Beihilfe eine Verfälschung des Wettbewerbs zur Folge, die nicht durch positive Auswirkungen ausgeglichen würde.

(31)

Die Kommission hatte bereits in ihrer Entscheidung zur Verfahrenseinleitung Zweifel daran angemeldet, dass die Beihilfe notwendig sei, damit ORFAMA die fragliche Investition tätigte.

(32)

Laut den verfügbaren Informationen ist ORFAMA ein auf dem Gemeinsamen Markt etablierter Hersteller von Artikeln für bekannte Marken sowie eigener Markenartikel. Die portugiesischen Behörden argumentierten in diesem Zusammenhang, dass es sich um die erste Auslandsdirektinvestition von ORFAMA handele und das Vorhaben Risiken berge, die auf strukturelle und konjunkturelle Aspekte des polnischen Marktes (darunter insbesondere die Tatsache, dass Polen damals Beitrittsverhandlungen mit der EU führte) und auf strukturelle Faktoren des Investors und der portugiesischen Wirtschaft zurückzuführen seien. Portugal legte jedoch nicht im Einzelnen dar, worin diese Risiken bestanden.

(33)

Die portugiesischen Behörden waren der Auffassung, dass die Beihilfe notwendig sei, weil es sich um die erste Auslandsdirektinvestition von ORFAMA handelte. Die Kommission weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die Handelsbeziehungen von ORFAMA mit Archimode und Wartatex bereits auf das Jahr 1990 zurückgehen, als ORFAMA diese Unternehmen mit der Bekleidungsproduktion beauftragte. Im Jahr 1995 belief sich die Produktion dieser beiden polnischen Unternehmen bereits auf fast 30 % des Umsatzes von ORFAMA. ORFAMA hatte sich somit bereits mit der Arbeitsweise dieser Firmen vertraut gemacht, bevor sie das Investitionsvorhaben durchführte, und hatte infolgedessen sowohl Erfahrung auf dem polnischen als auch auf dem internationalen Markt gesammelt. Die Begünstigte hatte ihr Ziel, die Produktion auszubauen und sich Zugang zum polnischen Markt und zu den angrenzenden Märkten zu verschaffen, also bereits teilweise erreicht, bevor sie die fraglichen Unternehmen tatsächlich erwarb bzw. die Beihilfe beantragte. Die portugiesischen Behörden scheinen dies zu bestätigen, indem sie in der Anmeldung erklären, dass die Entscheidung von ORFAMA, in Polen zu investieren, zum Teil darauf zurückzuführen sei, dass das Unternehmen den polnischen Markt und die Unternehmen, die es erworben habe, bereits teilweise kannte, und die Investition deshalb ein geringeres Risiko darstelle. Aus diesem Grund ist die Kommission der Auffassung, dass es sich bei der fraglichen Investition im Grunde um ein Finanzgeschäft handelte, bei dem die fraglichen polnischen Unternehmen im Rahmen bestehender Handelsbeziehungen erworben wurden, und nicht um eine umfangreiche erstmalige Investition im Ausland (6).

(34)

Die Kommission weist ebenfalls auf die Tatsache hin, dass ORFAMA die Beihilfe erst nach Abschluss des Investitionsvorhabens beantragte, und folglich das nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung der Gemeinschaft erforderliche Kriterium des „Anreizcharakters“ nicht erfüllt ist (7). Die Kommission stellt zudem fest, dass ORFAMA offensichtlich in der Lage war, die Investition aus eigenen Mitteln und mit Bankdarlehen zu finanzieren, die ausschließlich vor Beantragung der Beihilfe aufgenommen wurden.

(35)

Angesichts des oben dargelegten Sachverhalts, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Portugal nicht nachgewiesen hat, dass die angemeldete Beihilfe für den Ausgleich etwaiger Risiken im Zusammenhang mit diesem Vorhaben notwendig ist.

(36)

Bereits in früheren Beihilfesachen hat die Kommission den Standpunkt vertreten, dass bei Beihilfen für Auslandsdirektinvestitionen davon auszugehen ist, dass die finanzielle und strategische Stellung der Begünstigten insgesamt und somit auch gegenüber den Wettbewerbern auf dem Gemeinsamen Markt gestärkt wird (8).

(37)

Portugal argumentierte in diesem Zusammenhang, dass das Ziel der Investition darin bestanden habe, ORFAMA die Ausweitung seiner in Portugal bereits maximal ausgeschöpften Produktionskapazität sowie eine Produktionssteigerung durch den Zugang zu niedrigeren Kosten und meist qualifizierten und jüngeren Arbeitskräften in Polen zu ermöglichen. Nach Auffassung der portugiesischen Behörden trage das Vorhaben aber auch zur Stärkung der betreffenden europäischen Industrie bei, indem das Angebot von aus der EU stammenden Produkten erweitert und EU-Marken vor dem Hintergrund einer wachsenden Importkonkurrenz gefördert würden. Für Portugal sind Beihilfen an Unternehmen wie ORFAMA (und damit indirekt Archimode und Wartatex) von zentraler Bedeutung, um die Wettbewerbsfähigkeit der Textilindustrie der Europäischen Union auf dem Gemeinsamen Markt und auf den internationalen Märkten zu sichern.

(38)

Die Kommission wendet dagegen ein, dass die Investition im vorliegenden Fall in einem Land (Polen) vorgenommen wurde, das inzwischen Mitgliedstaat der EU ist. Die Beihilfe würde ihre Wirkung in einem Wirtschaftszweig (die Textilindustrie) entfalten, der in der Folge der Liberalisierung der Einfuhren im Januar 2005 derzeit einem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Andere Unternehmen in der EU könnten ebenfalls ein Interesse daran haben, ihre Geschäftstätigkeit ähnlich wie ORFAMA umzustrukturieren. Dabei würde ORFAMA gegenüber Unternehmen, die nicht in den Genuss einer solchen Beihilfe kommen, ein Vorteil gewährt.

(39)

Portugal betont zwar, dass die Beihilfe der Beschäftigungslage in den fraglichen Regionen in Portugal und Polen (Braga und Łódź) — Fördergebiete mit hoher Arbeitslosigkeit (siehe Punkt 20) — zugute käme, erläutert aber nicht im Einzelnen, in welcher Form die Beihilfe sich auf die Beschäftigungslage in diesen Regionen auswirken könnte.

(40)

Abschließend stellt die Kommission fest, dass positive Auswirkungen der Investitionen von ORFAMA auf die fraglichen Regionen (für die keine Beweise vorgelegt wurden), sofern sie einträten, grundsätzlich nicht auf die Beihilfe zurückgeführt werden können, weil diese, wie oben erläutert, im vorliegenden Fall keinen Anreizcharakter hat, da das Vorhaben abgeschlossen wurde, bevor ORFAMA die Beihilfe beantragte und diese nicht für die Investition notwendig war.

(41)

Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht wägt die Kommission sorgfältig zwischen den negativen und den positiven Auswirkungen ab und ermittelt, ob die Vorteile für die Gemeinschaft die Nachteile für den Wettbewerb und den Handel auf dem Gemeinsamen Markt überwiegen. Angesichts der obigen Ausführungen ist die Kommission nicht davon überzeugt, dass die Gewährung einer Beihilfe an ORFAMA für ihre Investition in Polen dazu beitragen würde, die Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden europäischen Wirtschaftszweigs zu verbessern, oder positive Auswirkungen auf die fraglichen Regionen hätte. Vielmehr wäre es wahrscheinlich, dass die Beihilfe auf einem Markt, auf dem intensiver Wettbewerb und reger Handel herrschen, zu einer Stärkung der Stellung der Begünstigten zuungunsten ihrer Wettbewerber führen würde, die nicht in den Genuss der Beihilfe kämen. Die Kommission ist deshalb der Auffassung, dass die positiven Auswirkungen der Beihilfe für die Gemeinschaft die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel auf dem Gemeinsamen Markt nicht aufwiegen.

VI.   SCHLUSSFOLGERUNG

(42)

Vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die portugiesischen Behörden nicht belegt haben, dass die Beihilfe notwendig ist, damit ORFAMA die fragliche Investition tatsächlich tätigt. Die Beihilfe würde somit lediglich zu einer Wettbewerbsverfälschung auf dem Gemeinsamen Markt führen, ohne jedoch zu einer zusätzlichen Tätigkeit der Begünstigten zu führen. Folglich kann die Maßnahme nicht als eine Beihilfe angesehen werden, die der Förderung der Entwicklung eines Wirtschaftszweigs im Sinne des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag dient, ohne sich dabei negativ auf die Handelsbedingungen in einer Weise auszuwirken, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Sie ist infolgedessen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die angemeldete Steuervergünstigung in Höhe von 921 752 EUR, die Portugal ORFAMA, Organização Fabril de Malhas S.A. für seine Investition in Polen zu gewähren beabsichtigt, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, weil sie nicht die Kriterien des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag erfüllt, und darf aus diesem Grunde nicht gewährt werden.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Portugiesische Republik gerichtet.

Brüssel, den 7. März 2007

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 14 vom 20.1.2005, S. 2.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Alle Daten wurden der Anmeldung entnommen.

(4)  N 96/99, ABl. C 375 vom 24.12.1999, S. 4.

(5)  Siehe Abschnitt 4.4 der Leitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9). Nach diesen Leitlinien ist unter Erstinvestition die Anlageinvestition bei der Errichtung einer neuen Betriebsstätte, bei der Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte oder bei der Vornahme einer grundlegenden Änderung des Produkts oder des Produktionsverfahrens einer bestehenden Betriebsstätte (durch Rationalisierung, Produktumstellung oder Modernisierung) zu verstehen. Erstinvestitionen werden anhand einer einheitlichen beihilfefähigen Ausgabengesamtheit (Grundstücke, Gebäude und Anlagen, immaterielle Aktiva und/oder Lohnkosten) ermittelt.

(6)  Dieser Begriff entspricht hier der „Erstinvestition“ (siehe Fußnote 5) im Abschnitt 4.4 der „Leitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung“.

(7)  Siehe Abschnitt 4.2 der „Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung“, in dem niedergelegt ist, dass der Beihilfeantrag vor Beginn der Projektausführung zu stellen ist; siehe Fußnote 5.

(8)  Siehe Entscheidung 1999/365/EG der Kommission in der Sache C-77/97 (österreichisches Unternehmen LiftGmbH/Doppelmayr), ABl. L 142 vom 5.6.1999, S. 32.