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21.12.2006 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 366/32 |
ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION
vom 4. Juli 2006
über die staatliche Beihilfe, die Belgien dem Unternehmen Ford Genk gewähren will, C 40/2005 (ex N 331/2005)
(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2006) 2931)
(Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich)
(Text von Bedeutung für den EWR)
(2006/938/EG)
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 erster Unterabsatz,
gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,
nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (1),
in Erwägung nachstehender Gründe:
VERFAHREN
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(1) |
Mit Schreiben vom 22. Juni 2005, registriert am 27. Juni 2005, meldete Belgien die geplante Beihilfe für Ford in Genk bei der Kommission an. Die Kommission forderte mit Schreiben vom 27. Juli 2005 weitere Informationen an, die mit Schreiben vom 15. September 2005, registriert am selben Tag, übermittelt wurden. |
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(2) |
Mit Schreiben vom 9. November 2005 setzte die Kommission Belgien von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten. Am 25. November 2005 fand eine Zusammenkunft mit den belgischen Behörden statt. |
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(3) |
Diese übermittelten ihre Bemerkungen mit Schreiben vom 13. Januar 2006, das am gleichen Tag registriert wurde. |
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(4) |
Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 25. Februar 2006 veröffentlicht (2). Die Kommission hat interessierte Dritte aufgefordert, ihre Bemerkungen zu der geplanten Maßnahme vorzulegen, hat jedoch keine Bemerkungen erhalten. |
BESCHREIBUNG DER BEHILFE
Begünstigter
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(5) |
Begünstigte der Beihilfe ist die Ford-Werke GmbH, Fabrieken te Genk (nachstehend „Ford Genk“). Die Ford-Werke GmbH ist Teil der Ford Motor Company. Das Werk wurde 1964 eröffnet. Ende 2003 fand im Rahmen einer allgemeinen Umstrukturierung von Ford Europe ein erheblicher Personalabbau statt, von dem rund 3 000 Beschäftigte betroffen waren. Zugleich kündigte das Unternehmen ein vor allem für ein flexibles Produktionssystem bestimmtes Investitionsprogramm von rund 700 Mio. EUR an. Demnach sollte die laufende Produktion des Modells Mondeo durch die Produktion der neuen Generation von Galaxy und eines dritten Fahrzeugs ergänzt werden. Im Werk sind zurzeit rund 5 000 Menschen beschäftigt. 2004 wurden hier 207 163 Fahrzeuge hergestellt. In Belgien ist die Unternehmensgruppe Ford außerdem mit einem Volvo-Werk in Gent vertreten. |
Ausbildungsvorhaben
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(6) |
Den von Belgien übermittelten Angaben zufolge belaufen sich die beihilfefähigen Gesamtkosten des Ausbildungsprogramms auf 33,84 Mio. EUR. Inbegriffen sind die Kosten für spezifische (25,34 Mio. EUR) und für allgemeine Ausbildungsmaßnahmen (8,5 Mio. EUR). |
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(7) |
Im Programm sind folgende beihilfefähige Kosten aufgeführt:
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(8) |
Die beihilfefähigen Gesamtkosten können folgendermaßen aufgeschlüsselt werden:
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Die Beihilfe
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(9) |
Die vorgeschlagene Beihilferegelung besteht in einem direkten Zuschuss für Ford Genk in Höhe von 12 279 423 EUR für den Zeitraum 2004-2006. Davon entfallen 4 677 408 EUR (38 %) auf die allgemeine und 7 602 015 EUR (61 %) auf die spezifische Ausbildung. Die Beihilfe soll in Form einer „Ad-hoc-Beihilfe“ von der flämischen Gemeinschaft (Vlaamse Gemeenschap) vergeben werden. Belgien hat zugesichert, dass bei den entsprechenden Kosten die Ausbildungsbeihilfe nicht mit anderen Beihilfen kumuliert wird. |
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(10) |
Der genannte Beihilfebetrag entspricht einer Beihilfeintensität von 55 % für die allgemeine und von 30 % für die spezifische Ausbildung. |
BESCHLUSS ZUR EINLEITUNG EINES VERFAHRENS NACH ARTIKEL 88 ABSATZ 2 EG-VERTRAG
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(11) |
In ihrem Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens hat die Kommission Bedenken geäußert hinsichtlich 1) der Auslegung des Umfangs der beihilfefähigen Kosten durch die belgischen Behörden und 2) der Zuordnung bestimmter Ausgabenposten zur spezifischen oder allgemeinen Ausbildung. |
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(12) |
Was die beihilfefähigen Kosten anbelangt, hat die Kommission die Vereinbarkeit folgender von Belgien geplanter Ausgaben mit Artikel 4 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Ausbildungsbeihilfen (3) geprüft:
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(13) |
Hinsichtlich der Zuordnung zur „allgemeinen“ und „spezifischen“ Ausbildung befürchtet die Kommission, dass die belgischen Behörden auf einige Projektausgaben eine zu weite Auslegung des Begriffs der allgemeinen Ausbildung angewandt haben. Die Zweifel der Kommission beziehen sich vor allem auf die Posten „Kosten für Beratungsdienste“ und „Kosten für von der Produktion abgezogenes Personal“. Nach Auskunft der belgischen Behörden schätzt die Ausbildungsabteilung von Ford Genk, dass rund 70 % der Ausgaben auf die allgemeine Ausbildung entfallen. Für diese Erklärung wurden allerdings keine Belege vorgelegt. |
BEMERKUNGEN DER BELGISCHEN BEHÖRDEN
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(14) |
Als Antwort auf die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens haben die belgischen Behörden folgende Bemerkungen übermittelt:
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WÜRDIGUNG DER BEIHILFE
Vorliegen einer staatlichen Beihilfe
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(15) |
Die von Belgien mitgeteilte Maßnahme zugunsten von Ford Genk stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar. Sie wird nämlich in Form einer staatlichen bzw. aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfe gewährt. Die Maßnahme ist selektiv, da sie ausschließlich Ford Genk betrifft; somit droht sie, den Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft zu verfälschen, indem sie ein Unternehmen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern, die diese Beihilfe nicht erhalten, begünstigt. Der Automobilmarkt ist durch einen lebhaften Handel zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet, so dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten durch die Beihilfe beeinträchtigt werden könnte. |
Rechtsgrundlage
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(16) |
Belgien hat die Genehmigung der Beihilfe aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 beantragt. In der Tat bezieht sich die Beihilfe auf ein Ausbildungsprogramm. |
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(17) |
Nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 ist die Beihilfe nicht von der in Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag vorgesehenen Anmeldepflicht befreit, wenn der einem bestimmten Unternehmen gewährte Betrag der Beihilfe für ein einzelnes Ausbildungsprojekt 1 Mio. EUR übersteigt. Im vorliegenden Fall beläuft sich die geplante Beihilfe auf 12 279 423 EUR, sie wird einem einzigen Unternehmen gewährt und bei dem Ausbildungsvorhaben handelt es sich um ein Einzelvorhaben. Somit muss die Kommission von der geplanten Beihilfe unterrichtet werden, was in diesem Fall auch erfolgt ist. |
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(18) |
Im Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 ist dargelegt, warum diese Art von Beihilfe nicht von der Anmeldepflicht freigestellt werden kann. „Ausbildungsbeihilfen in größerer Höhe sollten von der Kommission vor ihrer Durchführung einzeln geprüft werden.“ |
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(19) |
Bei der Würdigung einer einzelnen Ausbildungsbeihilfe, die wegen ihrer Höhe nicht unter die in der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 vorgesehene Gruppenfreistellung fällt und somit anhand von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c geprüft werden muss, legt die Kommission die Leitlinien der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 zugrunde. Gemäß dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 68/2001, dem zufolge die Kommission die angemeldeten Regelungen in erster Linie anhand der in der Verordnung festgelegten Kriterien prüft, untersucht die Kommission überdies, ob die beihilfefähigen Kosten genehmigt werden können. Dabei nutzt sie ihren weiten Ermessensspielraum auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag. Bei der Würdigung der Maßnahme müssen die Kohärenz der Entscheidungen und die Gleichbehandlung gewährleistet sein (4). |
Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt
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(20) |
Bei der Würdigung der Maßnahme untersucht die Kommission, ob sämtliche Punkte, zu denen sie bei der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens Bedenken geäußert hatte, unter Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 und Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Insbesondere prüft sie folgende Elemente: |
I) Beihilfefähige Kosten
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(21) |
Nach Artikel 4 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 sind die folgenden Kosten eines Ausbildungsvorhabens beihilfefähig:
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(22) |
Belgien hat eine Übersicht über die Ausbildungskosten übermittelt, der die Kommission entnehmen kann, welche geplanten Kosten beihilfefähig sind. Den von Belgien vorgelegten Angaben zufolge sind die Personalkosten der Teilnehmer des Ausbildungsvorhabens nicht höher als die Gesamtkosten der anderen beihilfefähigen Kosten.
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(23) |
Nach Artikel 4 Absatz 7 Buchstabe d der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 können als beihilfefähige Kosten die Abschreibung von Werkzeugen und Ausrüstungsgegenständen gemäß dem Anteil ihrer ausschließlichen Verwendung für das Ausbildungsvorhaben gelten. Gebäude werden nicht als potenziell beihilfefähige Kosten genannt. Im vorliegenden Fall bestehen die „Ausbildungsräume“ aus unterschiedlichen Ausrüstungsgegenständen, die sich in durch Glaswände abgeteilten Räumen befinden. Diese Räume dienen Ausbildungszwecken. Da sie sich in den Werkshallen befinden, stellen sie keine Gebäude dar; sie können als „Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände“ gemäß der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 betrachtet werden. |
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(24) |
Daher ist die Kommission der Auffassung, dass die Aufwendungen für diese Räume zu den beihilfefähigen Kosten zählen.
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(25) |
Große Unternehmen verfügen häufig über eine eigene Ausbildungsabteilung und sind daher weniger geneigt, externe Beratungsdienste in Anspruch zu nehmen. Eine mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag vereinbare Beihilfemaßnahme muss im Verhältnis zum Ziel angemessen sein und darf sie den Wettbewerb nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigen. Unter diesen Gegebenheiten ist die Kommission der Meinung, dass große Unternehmen diskriminiert würden, wenn ihnen die Anwendung von Artikel 4 Absatz 7 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 auf die Kosten für interne Ausbildungsabteilungen verwehrt würde. Insofern ist die Kommission bereit, diese Kosten den beihilfefähigen Kosten zuzurechnen. |
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(26) |
Die in dieser Entscheidung angewandten Kriterien werden auch auf alle analogen künftigen Fälle angewandt werden. |
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(27) |
Allerdings weist die Kommission die Ausführungen der belgischen Behörden zurück, wonach die Gesamtheit der betreffenden Kosten den allgemeinen Ausbildungskosten zuzurechnen sind. Ihrer Auffassung dienen die Beratungsdienste demselben (allgemeinen oder spezifischen) Zweck wie die Ausbildungsmaßnahmen, auf die sie sich beziehen. Um zu vermeiden, dass diese Beratungsdienste überkompensiert werden, muss für die Aufwendungen der Ausbildungsabteilung für „allgemeine“ und „spezifische“ Ausbildung die gleiche Höchstintensität gelten wie für die entsprechende Ausbildungsmaßnahme. Im Rahmen des allgemeinen Ausbildungsvorhabens werden die Kosten für die Ausbildungsabteilung demnach in „allgemeine“ und „spezifische“ Kosten entsprechend ihrem Anteil an den „allgemeinen“ und „spezifischen“ Ausbildungsmaßnahmen aufgeteilt. Ausgehend von den Ausbildungsmaßnahmen, für die die Kommission eine Beihilfe genehmigen kann, ist ein Anteil von 57,8 % für die allgemeine Ausbildung und von 42,2 % für spezifische Ausbildung anzunehmen. |
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(28) |
Eine höhere Beihilfeintensität würde unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen. Nach Einschätzung der Kommission trägt die den Unternehmen auferlegte Verpflichtung, einen angemessenen Anteil ihrer Kosten zu tragen, zur Wirksamkeit und Durchführbarkeit der Maßnahme bei. Eine höhere Beihilfeintensität würde die Handelsbedingungen ihrer Auffassung nach in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigen. Dieser Teil der Maßnahme ist somit gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar.
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(29) |
Bevor ein Unternehmen über Umstrukturierungsmaßnahmen entscheidet, vergleicht es den Wert der erwarteten künftigen Kostensenkung mit den Umstrukturierungskosten. Die Ausbildungskosten für Arbeitnehmer, die nach der Umstrukturierung neue Funktionen übernehmen, sind Teil der normalen Kosten und für die Umstrukturierung unerlässlich. Nachdem das Unternehmen beschlossen hatte, einen wesentlichen Teil seines Personals zu entlassen, war die zeitlich befristete Ausbildung der anderen Arbeitnehmer für die Kontinuität der Produktion und der Qualitätssicherung unentbehrlich. Das Unternehmen muss diese Ausbildungskosten für das verbliebene Personal übernehmen, damit das Know-how der entlassenen Arbeitnehmer ersetzt werden kann. Die Beihilfe würde dann lediglich dazu dienen, die normalen und unerlässlichen Umstrukturierungskosten des Unternehmens zu reduzieren, die es in jedem Fall, auch ohne eine entsprechende Beihilfe, hätte tragen müssen. Insofern erscheint die Beihilfe nicht notwendig, zumal sie keine weitere Ausbildung nach sich ziehen wird. |
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(30) |
In Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 wird die Zielrichtung der staatlichen Ausbildungsbeihilfen dargelegt: Ausbildungsmaßnahmen wirken sich im Allgemeinen zum Vorteil der gesamten Gesellschaft aus, da sie das Reservoir an qualifizierten Arbeitnehmern vergrößern, aus dem andere Unternehmen schöpfen können; dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der Gemeinschaft gestärkt. Im vorliegenden Fall führt die Umstrukturierung allerdings zu einer Verkleinerung des Reservoirs an qualifizierten Arbeitnehmern. Daher ist sie mit dem ausdrücklichen Ziel der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 unvereinbar. |
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(31) |
Eine mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag vereinbare Beihilfemaßnahme muss auch im Verhältnis zum Ziel angemessen sein und darf den Wettbewerb nicht in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigen. Da Ford Europe einer der größten Automobilhersteller auf dem Gemeinschaftsmarkt ist, müssten die Marktkräfte alleine ausreichen, um die durch die Umstrukturierung bedingten Ausbildungsmaßnahmen zu finanzieren. Eine staatliche Beihilfe für diese Ausbildungsmaßnahmen würde demnach, nach dem Wortlaut des Erwägungsgrunds 11 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001, nicht auf das Maß beschränkt bleiben, das zur Erreichung des mit Marktkräften allein nicht zu verwirklichenden Gemeinschaftsziels notwendig ist, und würde somit zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung führen. Die Kommission stellt diesbezüglich fest, dass trotz der in ihrem Beschluss über die Einleitung des Prüfverfahrens dargelegten Bedenken Belgien nicht erklärt hat, warum das Unternehmen die Ausbildungsmaßnahmen nicht ohne Beihilfe durchführt. |
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(32) |
Daher ist sie der Auffassung, dass für die Umstrukturierungskosten keine Ausbildungsbeihilfe in Frage kommt.
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(33) |
Seit einem Jahr hat die Kommission Beweismaterial dafür gesammelt, dass bestimmte Automobilhersteller ihre in verschiedenen Mitgliedstaaten liegenden Werke mit Blick auf die Produktion neuer Modelle miteinander in Wettbewerb treten lassen. Sie vergleichen verschiedene Standorte hinsichtlich der Produktion eines neuen Produkts und entscheiden dann auf der Grundlage der Gesamtproduktionskosten, d. h. aller Arten von Kosten einschließlich der in Frage kommenden staatlichen Beihilfen, vor allem der Ausbildungsbeihilfen. In Anbetracht dieser wirtschaftlichen Realität und der Gefahr, dass bestimmte Ausbildungsbeihilfen nicht dem gemeinsamen Interesse gemäß Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 dienen, sondern lediglich eine den Wettbewerb verfälschende Betriebsbeihilfe darstellen, muss die Kommission eingehender prüfen, ob die Beihilfe notwendig ist „um sicherzustellen, dass die Beihilfen auf das Maß beschränkt bleiben, das zur Erreichung des mit Marktkräften allein nicht zu verwirklichenden Gemeinschaftsziels notwendig ist“ (Erwägungsgrund 11 der genannten Verordnung) (5). Diese Prüfung ist umso mehr gerechtfertigt, als der Automobilsektor zurzeit große Überkapazitäten aufweist. |
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(34) |
In früheren Beihilfeentscheidungen hat die Kommission nicht im Einzelnen geprüft, ob eine spezifische Ausbildungsbeihilfe für die Einführungskosten erforderlich war (6). Sie kann dies aber tun, wenn sie feststellt, dass sich die Wirtschaftsbedingungen auf den betreffenden Märkten geändert haben. In Randnummer 52 des Urteils vom 30. September 2003 in den verbundenen Rechtssachen C-57/00 und C-61/00P (7) stellte der Gerichtshof fest: „Jedenfalls kann die Frage, ob die Kommission Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag in der streitigen Entscheidung richtig ausgelegt hat und ob diese Entscheidung somit gültig ist, nicht davon abhängen, wie die Kommission diese Bestimmung in der Vergangenheit ausgelegt haben mag.“ Ebenso heißt es in der Entscheidung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Juni 2005 in der RechtssacheT-171/02 in Randnummer 177 (8): „Die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der die Kommission feststellt, dass eine neue Beihilfe die Tatbestandsmerkmale dieser Ausnahme nicht verwirklicht, ist nämlich allein im Rahmen des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG zu prüfen, und nicht im Hinblick auf eine frühere Entscheidungspraxis der Kommission, ihr tatsächliches Bestehen unterstellt“. |
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(35) |
In der Automobilindustrie ist die Herstellung eines neuen Modells für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich. Die Einführung eines neuen Modells ist insofern in der Automobilindustrie etwas Normales, das regelmäßig vorkommt. Um neue Modelle produzieren zu können, müssen die Automobilhersteller ihre Arbeitnehmer für die neuen Techniken schulen. Die durch die Einführung eines neuen Modells bedingten Ausbildungskosten werden von den Automobilherstellern gewöhnlich allein aufgrund des Marktanreizes in Kauf genommen. Folglich hätten die Ausbildungsmaßnahmen in jedem Fall stattgefunden, insbesondere auch ohne die Gewährung der Beihilfe. Demnach ist die Ausbildungsbeihilfe unter diesen Gegebenheiten nicht erforderlich. Sie bietet keinen Anreiz für das Unternehmen, „zusätzliche“ Ausbildungsmaßnahmen anzubieten, die über diejenigen hinausgehen, die bereits allein aufgrund der Marktkräfte durchgeführt werden. Die Beihilfe würde Betriebskosten auffangen, die normalerweise vom Unternehmen zu tragen sind und somit den Wettbewerb verfälschen. |
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(36) |
Außerdem wird die Einrichtung einer einzigen Plattform im Werk von Genk vermutlich dazu führen, dass die neuen Modelle effizienter hergestellt werden können. Demnach wird das Unternehmen unmittelbar von der einzigen Plattform profitieren. Die Marktkräfte reichen somit für sich genommen aus, das Unternehmen dazu anzuregen, diese Rationalisierung des Herstellungsverfahrens durchzuführen und die entsprechenden Ausbildungskosten zu übernehmen. Unter diesen Umständen ist die Beihilfe nicht notwendig, da sie die normalen Umstrukturierungskosten des Unternehmens reduzieren würde. |
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(37) |
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe und das Verbot der übermäßigen Wettbewerbsverzerrung als Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag (siehe Ziffer 31) gilt auch für Ausbildungsmaßnahmen, die mit der Einführung neuer Modelle in Zusammenhang stehen. Jegliche für diese Ausbildungsmaßnahmen gewährte Beihilfe würde nicht auf das Maß beschränkt bleiben, das zur Erreichung des mit Marktkräften allein nicht zu verwirklichenden Gemeinschaftsziels notwendig ist, und würde somit den Wettbewerb in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigen. Die Kommission stellt diesbezüglich fest, dass trotz der in ihrem Einleitungsbeschluss dargelegten Bedenken Belgien nicht erklärt hat, warum das Unternehmen die Ausbildungsmaßnahmen nicht ohne Beihilfe durchführt. |
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(38) |
Für die mit der Einführung neuer Modelle verbundenen Kosten kann daher keine Ausbildungsbeihilfe gewährt werden.
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(39) |
In ihrer Antwort auf den Beschluss, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, haben die belgischen Behörden glaubhaft und im Einzelnen versichert, dass der förmliche Beihilfeantrag schon vor dem Beginn des Ausbildungsprogramms eingereicht wurde. Nach Auffassung der Kommission reichen diese Zusagen aus, um die in ihrem Einleitungsbeschluss geäußerten Zweifel auszuräumen. |
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(40) |
Aus den dargelegten Gründen muss der Betrag der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens auf 20,31 Mio. EUR reduziert werden. Davon entfallen 13,29 Mio. EUR, d. h. 65 % der Gesamtkosten, auf die Personalkosten der auszubildenden Mitarbeiter. |
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(41) |
Gemäß Artikel 4 Absatz 7 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 sind diese Kosten bis zur Höhe der Gesamtsumme der übrigen beihilfefähigen Kosten beihilfefähig. Somit ist im vorliegenden Fall eine weitere Reduzierung notwendig, um diese Kosten der Gesamtsumme der übrigen Kosten anzugleichen (9). Somit beläuft sich der Gesamtbetrag der beihilfefähigen Kosten auf 14,04 Mio. EUR. |
II) Art der Ausbildung
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(42) |
In Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 wird zwischen spezifischen und allgemeinen Ausbildungsmaßnahmen unterschieden. |
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(43) |
In Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 werden spezifische Ausbildungsmaßnahmen als Maßnahmen definiert, die vom Inhalt her in erster Linie unmittelbar an dem gegenwärtigen oder zukünftigen Arbeitsplatz des Beschäftigten in dem begünstigten Unternehmen verwendbar sind und mit denen Qualifikationen vermittelt werden, die nicht oder nur in begrenztem Umfang auf andere Unternehmen oder Arbeitsbereiche übertragbar sind. |
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(44) |
Nach Artikel 2 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 sind allgemeine Ausbildungsmaßnahmen solche, die vom Inhalt her nicht ausschließlich oder hauptsächlich an dem gegenwärtigen oder zukünftigen Arbeitsplatz des Beschäftigten in dem begünstigten Unternehmen verwendbar sind, sondern mittels derer auf andere Unternehmen und Arbeitsfelder übertragbare Qualifikationen erworben werden, durch die sich die Vermittelbarkeit des Arbeitnehmers deutlich verbessert. Eine Ausbildungsmaßnahme gilt als allgemein, wenn sie beispielsweise von mehreren unabhängigen Firmen gemeinsam organisiert wird oder von den Beschäftigten verschiedener Betriebe in Anspruch genommen werden kann. |
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(45) |
Um mit dem gemeinsamen Markt vereinbar zu sein, darf die Ausbildungsbeihilfe gemäß Artikel 4 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 68/2001 nicht die Beihilfehöchstintensitäten im Verhältnis zu den beihilfefähigen Kosten übersteigen. Die Höchstintensität wird unter anderem durch die Größe des begünstigten Unternehmens, die Region, in der das Unternehmen seinen Standort hat, und die Kategorie der beteiligten Arbeitnehmer bestimmt. Ford Genk ist ein Großunternehmen, das in einer Region (Provinz Limburg) angesiedelt ist, die für eine Beihilfe gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag in Frage kommt. Zu den Ausbildungsteilnehmern zählen keine benachteiligten Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 2 Buchstabe g der Verordnung (EG) Nr. 68/2001. Unter diesen Umständen belaufen sich die Beihilfehöchstintensitäten auf 30 % für spezifische und 55 % für allgemeine Ausbildungsmaßnahmen. |
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(46) |
Nach Auffassung der Kommission hat Belgien in seiner Antwort auf den Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens ausreichende Informationen und Garantien betreffend die Art der Ausbildung übermittelt. Vor allem hat sie die Namen der externen Unternehmen mitgeteilt, die die allgemeine Ausbildung übernehmen sollen. Außerdem hat sie zugesagt, alle Abweichungen bezüglich des geplanten Anteils der allgemeinen Ausbildungsmaßnahmen nachträglich zu korrigieren. Diese Korrektur erfolgt, sobald die Audit-Schlussfolgerungen des Wirtschaftsdienstes der flämischen Region vorliegen (auf deren Grundlage der genaue Anteil der allgemeinen Ausbildungsmaßnahmen endgültig festgelegt wird). |
Schlussbemerkungen
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(47) |
Auf das vorliegende Beihilfevorhaben finden die Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absatz 2 EG-Vertrag keine Anwendung, da mit den geplanten Maßnahmen keines der dort genannten Ziele verfolgt wird. Belgien hat sich auch nicht auf diese Vorschrift berufen. Die angemeldete Beihilfe dient weder der Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, der Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats, noch der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes. Daher kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Beihilfe, die für die in Ziffer 7 genannten Kosten bestimmt ist, nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben b oder d EG-Vertrag fällt. Auch die Ausnahmebestimmung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag greift nicht, da Ausbildungsmaßnahmen in einem Gebiet gefördert werden, das nicht unter diese Vorschrift des Vertrags fällt. Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c ist anwendbar, soweit die Förderung der Ausbildung und der regionalen Entwicklung betroffen ist. Dieser Aspekt wurde bereits während der gesamten vorstehenden Prüfung berücksichtigt. |
Schlussfolgerung
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(48) |
Nach Meinung der Kommission betrifft der in den Ziffern 21 bis 41 behandelte Teil der von Belgien angemeldeten Maßnahmen Kosten, die nicht beihilfefähig sind bzw. Beihilfen, die nicht notwendig sind, damit die entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Diese Beihilfe ist aufgrund keiner Ausnahmebestimmung des Vertrags mit dem gemeinsamen Markt vereinbar und somit unzulässig. Nach Angaben der belgischen Behörden wurde die Beihilfe noch nicht gewährt, so dass sie nicht rückerstattet werden muss. |
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(49) |
Die übrigen Maßnahmen des Vorhabens mit beihilfefähigen Kosten von 14,04 Mio. EUR, d. h. Beihilfen in Höhe von 6 240 555 EUR entsprechen den in Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag genannten Bedingungen für die Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt. |
HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Die staatliche Beihilfe, die Belgien für ein Ausbildungsvorhaben bei Ford-Werke GmbH, Fabrieken te Genk zu gewähren beabsichtigt, ist in Höhe von 6 038 868 EUR mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar.
Sie darf daher nicht gewährt werden.
Die restliche staatliche Beihilfe in Höhe von 6 240 555 EUR ist mit dem gemeinsamen Markt vereinbar.
Artikel 2
Belgien unterrichtet die Kommission innerhalb von zwei Monaten ab der Übermittlung dieser Entscheidung über die Maßnahmen, die es getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.
Artikel 3
Diese Entscheidung ist an das Königreich Belgien gerichtet.
Brüssel, den 4. Juli 2006.
Für die Kommission
Neelie KROES
Mitglied der Kommission
(1) ABl. C 47 vom 25.2.2006, S. 14.
(2) Siehe Fußnote 1.
(3) ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 20. Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 363/2004 (ABl. L 63 vom 28.2.2004, S. 20).
(4) Vergleiche beispielsweise das Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, Slg. Seite I-1125, Randziffer 44, und Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates (ABl. L 142 vom 14.5.1998, S. 1).
(5) Dieser Ansatz entspricht dem Ansatz in den Sachen General Motors Antwerp (Sache Nr. N 624/2005, förmliches Verfahren eröffnet am 26.4.2006, noch nicht im ABl. veröffentlicht), Auto Europa (Sache Nr. N 3/2006, förmliches Verfahren eröffnet am 16.5.2006, noch nicht im ABl. veröffentlicht) und WEBASTO Portugal (Sache Nr. N 653/2005, genehmigt am 16.5.2006, noch nicht im ABl. veröffentlicht). In der letztgenannten Sache war die Kommission der Ansicht, dass die Beihilfe notwendig sei und dass die Förderung des gemeinsamen Interesses die etwaigen Verzerrungen der Handelsbedingungen aufgrund einer Kombination mehrerer Faktoren überwiege: Insbesondere geht das Ausbildungsprogramm über den grundlegenden Bedarf der Begünstigten hinaus, da die überwiegende Mehrheit der Ausbildungskurse übertragbare Qualifikationen betrifft (überwiegend allgemeine Ausbildungsmaßnahmen). Ferner stellte die Kommission fest, dass die Ausbildungsmaßnahmen in einer Förderregion, in der die Qualifikationen der Arbeitskräfte begrenzt sind, darauf abzielen, neue Mitarbeiter für neue Tätigkeiten in einer neuen Fabrik zu schulen, in der eine Technologie zum Einsatz kommt, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ansonsten noch nicht genutzt wird.
(6) Vergleiche beispielsweise die Sachen C 77/2002, Volvo Cars NV, Entscheidung 2003/665/EG der Kommission vom 13. Mai 2003 (ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 24) und C 78/2002, Entscheidung 2003/592/EG der Kommission vom 13. Mai 2003, Opel Belgium NV (ABl. 201 vom 8.8.2003, S. 21).
(7) Urteil des Gerichtshofes vom 30. September 2003 in den Rechtssachen C-57/00P und C-61/00P, Freistaat Sachsen, Volkswagen AG und Volkswagen Sachsen GmbH, Slg. Seite I-9975.
(8) Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005 in der Rechtssache T-171/02, Regione autonoma della Sardegna, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht.
(9) Zur Reduzierung des Betrags der beihilfefähigen Personalkosten für die Teilnahme an der Ausbildungsmaßnahme hat die Kommission die für die Teilnahme an der spezifischen Ausbildungsmaßnahme bestimmten Personalkosten abgesenkt.