6.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 339/36


BESCHLUSS DES RATES

vom 30. November 2006

über eine Sonderfinanzhilfe der Gemeinschaft für das Kosovo

(2006/880/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 308,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 10. Juni 1999 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1244 (1999), um bis zur Einigung über eine endgültige Regelung die Schaffung eines hohen Maßes an Autonomie und Selbstverwaltung im Kosovo innerhalb der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien zu unterstützen.

(2)

Auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) hat die internationale Gemeinschaft eine internationale Friedenssicherungstruppe (KFOR) und eine zivile Übergangsverwaltung — die zivile Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo — UNMIK) eingesetzt. Die UNMIK umfasst vier Abteilungen („Säulen“); die Europäische Union finanziert die vierte Säule, die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und Entwicklung zuständig ist. Die UNMIK und insbesondere ihre Säule IV haben bei der Errichtung eines institutionellen, rechtlichen und politischen Rahmens, der der Schaffung einer gesunden, marktorientierten Wirtschaft dient, erhebliche Fortschritte erzielt.

(3)

Seither hat die UNMIK der provisorischen Selbstverwaltung (PISG) wichtige Zuständigkeitsbereiche übertragen. Insbesondere die Verantwortung für den Haushalt wurde von der UNMIK auf das zur PISG zählende Ministerium für Wirtschaft und Finanzen übertragen, wobei die Befugnis zur endgültigen Genehmigung des Haushalts beim Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs verbleibt.

(4)

Am 24. Oktober 2005 billigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Vorschlag des UN-Generalsekretärs, den politischen Prozess zur Bestimmung des künftigen Status des Kosovo einzuleiten.

(5)

Bei den Behörden des Kosovo, die die Finanzhilfe der Gemeinschaft zu erhalten berechtigt sowie für die Vereinbarung und Erfüllung der mit der Finanzhilfe verknüpften wirtschaftlichen Auflagen und finanziellen Bedingungen zuständig sind, handelt es sich daher um die UNMIK und die PISG bzw., wenn der künftige Status des Kosovo bestimmt sein wird, die für die Übernahme dieser Aufgaben und Zuständigkeiten benannte(n) Institution(en).

(6)

Im Zuge des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses, der den Rahmen für die EU-Beziehungen zu der Region darstellt, ist es wünschenswert, die Anstrengungen zur weiteren politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung im Kosovo zu unterstützen, um so eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft aufzubauen und die europäische Zukunft des Kosovo greifbar werden zu lassen.

(7)

Die Gemeinschaft hielt es bereits für angezeigt, einen Beitrag zur finanziellen Entlastung des Kosovo unter außergewöhnlich schwierigen Umständen zu leisten, und hat im Rahmen des Beschlusses 2000/140/EG des Rates vom 14. Februar 2000 über eine Sonderfinanzhilfe der Gemeinschaft für das Kosovo (2) und des Beschlusses 2001/511/EG des Rates vom 27. Juni 2001 über eine weitere Sonderfinanzhilfe für das Kosovo (3) in den Jahren 2000 und 2001 Sonderfinanzhilfen in Höhe von 35 Mio. EUR bzw. 30 Mio. EUR in Form von verlorenen Zuschüssen zur Verfügung gestellt. Die letzte Zahlung im Rahmen dieser Unterstützung erfolgte im Dezember 2002.

(8)

Diese Sonderfinanzhilfe ergänzt andere gemeinschaftliche Hilfsprogramme für den westlichen Balkan.

(9)

Im November 2005 vereinbarten die Behörden des Kosovo mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Absichtserklärung und ein Memorandum über die Wirtschafts- und Finanzpolitik, in dem die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen für 2006 einschließlich der mittelfristigen Ausrichtung festgelegt werden. Anfang März 2006 haben sie den mittelfristigen Ausgabenrahmen fertig gestellt. In dem Ausgabenrahmen wird der im Haushaltsplan enthaltene bzw. nicht enthaltene Finanzierungsbedarf in den Jahren 2006—2008 festgelegt. Dieser Schätzung zufolge werden bis Ende 2007 externe Finanzhilfen von rund 81 Mio. EUR (14 Mio. EUR im Jahr 2006 und 67 Mio. EUR im Jahr 2007) benötigt.

(10)

Wenngleich die Wirtschaftstätigkeit nach dem Konflikt wieder in Gang gekommen ist, ist doch der wirtschaftliche Entwicklungsstand des Kosovo niedrig. Das Kosovo ist nicht in der Lage, im Inland oder auf dem internationalen Finanzmarkt Kredite aufzunehmen und es kommt bei seinem derzeitigen Status nicht für eine Mitgliedschaft bei den internationalen Finanzinstitutionen infrage. Daher kann es deren Hilfsprogramme nicht in Anspruch nehmen.

(11)

Angesichts der derzeitigen Vereinbarungen gemäß der Resolution 1244 (1999) des UN-Sicherheitsrates und des relativ niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes sowie der prekären öffentlichen Finanzlage und Auslandssalden ist die Finanzhilfe der Gemeinschaft — in Verbindung mit anderen Gebern — in Form von verlorenen Zuschüssen auch weiterhin die angemessene Art der Unterstützung.

(12)

Diese Finanzhilfe ist eine wichtige Überbrückungshilfe, bis der Status des Kosovo geklärt ist. Sie wäre unabhängig von einem derzeit ausgehandelten neuen Status und würde weiterer Gemeinschafts- und internationaler Unterstützung, die voraussichtlich nach der Lösung der Statusfrage nach 2007 erforderlich sein wird, nicht vorgreifen.

(13)

Die Freigabe dieser Hilfe in Form eines Zuschusses erfolgt unbeschadet der Befugnisse der Haushaltsbehörde.

(14)

Diese Finanzhilfe sollte gewährt werden, nachdem geprüft wurde, ob die mit den Behörden des Kosovo zu vereinbarenden finanziellen und wirtschaftlichen Bedingungen nach Annahme des vorliegenden Beschlusses in zufrieden stellendem Maße eingehalten werden können.

(15)

Um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dieser Finanzhilfe zu gewährleisten, muss dafür gesorgt werden, dass das Kosovo geeignete Maßnahmen vorsieht, um Betrugsdelikte und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen, und dass Kontrollen der Kommission und Prüfungen des Rechnungshofes vorgenommen werden.

(16)

Die Finanzhilfe sollte von der Kommission in Absprache mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss verwaltet werden.

(17)

Der Vertrag sieht nur in Artikel 308 Befugnisse für den Erlass dieses Beschlusses vor —

BESCHLIESST:

Artikel 1

(1)   Die Kommission stellt dem Kosovo eine Sonderfinanzhilfe in Form eines Zuschusses von bis zu 50 Mio. EUR vor, um die Finanzlage im Kosovo zu erleichtern, die Entwicklung gesunder wirtschaftlicher und finanzpolitischer Rahmenbedingungen zu unterstützen, zur Aufrechterhaltung und Stärkung wesentlicher Verwaltungsfunktionen beizutragen und den Bedarf an öffentlichen Investitionen zu bewältigen.

(2)   Diese Finanzhilfe der Gemeinschaft wird von der Kommission in Absprache mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und im Einklang mit den Vereinbarungen oder Absprachen zwischen dem IWF und den Behörden des Kosovo verwaltet.

(3)   Die Finanzhilfe der Gemeinschaft wird für die Dauer von zwei Jahren ab dem Tag nach dem Inkrafttreten der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Vereinbarung bereitgestellt. Wenn die Umstände es erfordern, kann die Kommission jedoch nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses eine Verlängerung des Bereitstellungszeitraums um höchstens ein Jahr beschließen.

Artikel 2

(1)   Die Kommission wird ermächtigt, mit den Behörden des Kosovo nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses die mit der Finanzhilfe verknüpften wirtschaftspolitischen Auflagen und finanziellen Bedingungen festzulegen, die in einer Vereinbarung niederzulegen sind. Diese Auflagen müssen mit den in Artikel 1 Absatz 2 genannten Vereinbarungen oder Absprachen in Einklang stehen.

(2)   Vor der eigentlichen Durchführung dieser Finanzhilfe prüft die Kommission, wie zuverlässig im Kosovo die für diese makroökonomische Finanzhilfe der Gemeinschaft relevanten Finanzströme, Verwaltungsverfahren sowie die Mechanismen der internen und externen Kontrolle sind.

(3)   Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen in Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und in Abstimmung mit dem IWF, ob die Wirtschaftspolitik des Kosovo mit den Zielen dieser Finanzhilfe übereinstimmt und ob die vereinbarten politischen und finanziellen Bedingungen in zufrieden stellendem Maße eingehalten werden.

Artikel 3

(1)   Die Finanzhilfe wird dem Kosovo von der Kommission in zwei oder gegebenenfalls drei Tranchen zur Verfügung gestellt. Die erste Tranche wird nach Inkrafttreten der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Vereinbarung und unter der Voraussetzung einer zufrieden stellenden Bewertung nach Artikel 2 Absatz 2 bereitgestellt.

(2)   Die zweite Tranche und etwaige weitere Tranchen werden bei zufrieden stellender Einhaltung der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Wirtschaftspolitik und finanziellen Bedingungen, bei zufrieden stellendem Fortschritt in Richtung auf die Einhaltung der Bedingungen, die in der Vereinbarung festgelegt sind, und frühestens drei Monate nach Freigabe der vorherigen Tranche freigegeben.

(3)   Die Mittel werden an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen der PISG bzw., wenn der künftige Status des Kosovo bestimmt sein wird, an die für die Übernahme dieser Aufgaben und Zuständigkeiten benannte Institution ausschließlich zur Unterstützung des Haushaltsbedarfs des Kosovo gezahlt.

Artikel 4

Die Durchführung dieser Finanzhilfe erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (4) und den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen. Insbesondere ist in der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Vereinbarung festzulegen, dass das Kosovo geeignete Maßnahmen vorsieht, um Betrugsdelikte, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Außerdem sind in der Vereinbarung Kontrollen der Kommission, einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), welche berechtigt sind, Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vorzunehmen, sowie gegebenenfalls Vor-Ort-Prüfungen durch den Rechnungshof und durch unabhängige Rechnungsprüfer vorzusehen.

Artikel 5

Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens einmal jährlich spätestens am 15. September einen Bericht über die Durchführung dieses Beschlusses im Vorjahr und gibt eine Bewertung ab.

Artikel 6

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 30. November 2006.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

L. HYSSÄLÄ


(1)  Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)  ABl. L 47 vom 19.2.2000, S. 28.

(3)  ABl. L 183 vom 6.7.2001, S. 42.

(4)  ABl. L 248 vom 16.9.2002, S. 1.