2.3.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 61/17


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 3. Mai 2005

zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt und der Funktionsweise des EWR-Abkommens

(Sache COMP/M.3178 — Bertelsmann/Springer/GU)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 1368)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2006/171/EG)

Am 3. Mai 2005 erließ die Kommission eine Entscheidung zu einem Fusionsfall gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (1), insbesondere gestützt auf Artikel 8 Absatz 1 dieser Verordnung. Die nichtvertrauliche Fassung des vollen Wortlauts der Entscheidung kann in der verbindlichen Sprache des Falles und den Arbeitssprachen der Kommission auf der Webseite der Generaldirektion für Wettbewerb unter folgender Adresse abgerufen werden: http://europa.eu.int/comm/competition/index_en.html

(1)

Am 4. November 2004 ging bei der Kommission die Anmeldung gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates („Fusionskontrollverordnung“) eines geplanten Zusammenschlusses ein, mit dem das deutsche Unternehmen Bertelsmann AG (Bertelsmann), seine allein kontrollierte Tochtergesellschaft Gruner+Jahr AG & Co. KG (G+J) und die Axel Springer AG (Springer) die gemeinsame Kontrolle über das deutsche Unternehmen NewCo (NewCo) durch den Erwerb von Aktien an dieser neu als Gemeinschaftsunternehmen gegründeten Gesellschaft erwerben. Bertelsmann (einschließlich G+J) und Springer werden im Folgenden gemeinsam als „die Parteien“ bezeichnet.

(2)

Am 29. November 2004 teilte das Bundeskartellamt der Kommission mit, dass der vorgesehene Zusammenschluss drohe, den Wettbewerb entweder auf dem deutschen Markt für den Rotationstiefdruck oder ersatzweise auf dem deutschen Markt für zeitkritische Druckerzeugnisse insbesondere Zeitschriften ernsthaft zu beeinträchtigen.

(3)

Mit Entscheidung vom 23. Dezember 2004 stellte die Kommission fest, dass das angemeldete Vorhaben ernste Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und der Funktionsweise des EWR-Abkommens aufwirft. Die Kommission leitete deshalb ein Verfahren in dieser Sache gemäß Artikel 6 Absatz 1 c) der Fusionskontrollverordnung ein und beschloss, die gemäß Artikel 9 Absatz 3 a) der Fusionskontrollverordnung vom Bundeskartellamt aufgeworfenen Fragen selbst zu bearbeiten.

(4)

Bertelsmann ist ein international tätiges Medienunternehmen. Seine Druckereitätigkeiten sind in seiner Tochtergesellschaft Arvato AG (Arvato) zusammengefasst, die das deutsche Rotationsdruckunternehmen maul-belser in Nürnberg, das Offset-Druckunternehmen Mohn Media in Gütersloh und verschiedene andere Druckereien in Europa wie z.B. die Rotationsdruckunternehmen Eurogravure S.p.A. in Italien und Eurohueco S.A. in Spanien kontrolliert. Außerdem beabsichtigt Arvato, in den nächsten beiden Jahren neue Rotationsdruckereien in Liverpool (VK) zu errichten. G+J, der von Bertelsmann allein kontrollierte Verlagsbereich, der in der Herausgabe, dem Druck und dem Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften tätig ist, unterhält zwei Rotationsdruckanlagen in Deutschland, in Itzehoe (in der Nähe von Hamburg) und in Dresden.

(5)

Springer ist im Verlegen, Drucken und Verteilen von Zeitungen und Zeitschriften tätig und hält Anteile an Fernseh- und Rundfunkgesellschaften. Es betreibt zwei Rotationsdruckanlagen in Deutschland, in Ahrensburg (in der Nähe von Hamburg) und in Darmstadt. Springer betreibt auch drei Offset-Druckanlagen, die ausschließlich Zeitungen drucken.

(6)

Der Zusammenschluss besteht darin, dass die fünf deutschen Rotationsdruckanlagen von Arvato, G+J und Springer und die geplante Rotationsdruckanlage von Arvato im Vereinigten Königreich in NewCo zusammengelegt werden. Daraufhin werden Bertelsmann und G+J jeweils 37,45 % an NewCo und Springer die übrigen 25,1 % mit Vetorechten bei strategischen Entscheidungen halten. NewCo wird ein gemeinsames von Bertelsmann und Springer kontrolliertes Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen sein.

(7)

Der Beratende Ausschuss für Unternehmenszusammenschlüsse unterstützte auf seiner 131. Zusammenkunft vom 22. April 2005 mehrheitlich das Vorhaben der Kommission, eine Freistellungsentscheidung zu erlassen (2).

(8)

Der Anhörungsbeauftragte kam in seinem Bericht vom 27. April 2005 zu der Auffassung, dass das rechtliche Gehör der Parteien gewährleistet wurde (3).

I.   DIE RELEVANTEN MÄRKTE

Die sachlich relevanten Märkte

(9)

In Bezug auf die relevanten Produktmärkte stand im Mittelpunkt der Marktuntersuchung die Frage, ob und in welchem Maße Rotations- und Tiefdruck austauschbare Techniken sind und ob die verschiedenen Druckanwendungen wie Zeitschriften, Kataloge und Werbebeilagen getrennte Produktmärkte bilden.

(10)

Die Marktuntersuchung hat ergeben, dass der Rotationstiefdruck im Allgemeinen nicht durch den Offsetdruck ersetzt werden kann. Während der Rotationstiefdruck überwiegend für große Druckaufträge mit einer hohen Auflagen- und Seitenzahl eingesetzt wird, ist das Offset-Verfahren weitgehend auf kleinere Druckaufträge beschränkt. Die Druckkosten weichen je nach Umfang des Druckauftrages erheblich zwischen Offset- und Rotationstiefdruck ab. Während sich die Rotationsdruckpressen durch vergleichsweise höhere Fixkosten auszeichnen, weisen sie eine höhere Kapazität und höhere Leistung auf und können deshalb eine größere Seitenzahl schneller und kosteneffizienter verarbeiten. Offset-Druckpressen sind in der Anzahl der pro Exemplar zu druckenden Seiten (höchstens 72 Seiten gegenüber 172 Seiten im Rotationsdruck) in stärkerem Maße eingeschränkt. Die Marktuntersuchung hat bestätigt, dass der Offsetdruck keinen Wettbewerbsdruck auf den Rotationsdruck von Zeitschriften mit mehr als 64 Seiten und mehr als 360 000 Exemplaren sowie von Katalogen und Werbebeilagen mit mehr als 64 Seiten und mehr als 450 000 Exemplaren ausübt.

(11)

Mit einer Rotations-Druckpresse können Zeitschriften, Werbebeilagen und Kataloge gedruckt werden. Dennoch besteht zumindest für Zeitschriften ein getrennter Produktmarkt. Zeitschriften sind im Allgemeinen zeitkritischer als Werbebeilagen oder Kataloge wegen ihres aktualitätsgebundenen Inhalts und der späten Fristen für die Einfügung der Werbebeilagen. Im Zeitschriftendruck bestehen außerdem höhere Anforderungen an die Weiterverarbeitung insbesondere von Beilagen und beigefügten Produktproben. Die Weiterverarbeitungsmaschinen sind in den meisten Fällen am Druckstandort oder in seiner Nähe installiert, um die rechtzeitige Endbearbeitung der Zeitschriften zu ermöglichen, während die Weiterverarbeitung von Katalogen z.B. häufiger von Dritten durchgeführt wird. Außerdem unterscheidet sich das Vertriebssystem bei Zeitschriften erheblich vom Vertrieb von Katalogen und Werbebeilagen, weshalb der Druckvorgang an die besonderen Anforderungen von Zeitschriften angepasst werden muss. Für Kataloge und Werbebeilagen kann es offen bleiben, ob sie einen einzigen Markt oder getrennte Produktmärkte bilden, da sich bei keiner Marktabgrenzung Wettbewerbsbedenken ergeben.

Räumlich relevante Märkte

(12)

Zumindest für Deutschland ist von einem eigenen räumlichen Markt für den Zeitschriftendruck auszugehen. Für den übrigen EWR kann der räumliche Markt für den Zeitschriftendruck offen bleiben, da selbst bei der engsten Marktdefinition (nationale Märkte) keine Wettbewerbsbedenken entstehen.

(13)

Deutsche Zeitschriften werden fast ausschließlich in Deutschland gedruckt. Ein Grund hierfür sind die zeitlichen Anforderungen von Zeitschriften, weil das Risiko von Lieferverzögerungen mit der Entfernung zwischen dem Druckstandort und dem Vertriebsgebiet zunimmt. Außerdem haben zurzeit mehrere Druckereien im Ausland Schwierigkeiten bei der Belieferung deutscher Verlage. Der deutsche Zeitschriftenvertrieb ist wegen seiner dezentralen Struktur (im Gegensatz zu Frankreich, wo Paris das zentrale Vertriebsdrehkreuz bildet) vergleichsweise kompliziert. Außerdem unterteilen die Verlage Deutschland in so genannte Nielsen-Gebiete, bei denen die Zusammensetzung der Zielgruppen für die Werbung voneinander abweicht. Der Druckvorgang muss entsprechend angepasst werden, was vielen Druckereien außerhalb Deutschlands Schwierigkeiten bereitet.

(14)

Hinsichtlich Katalogen hat die Marktuntersuchung gezeigt, dass die Druckaufträge regelmäßig auf verschiedene Druckereien aufgeteilt werden, um die Liefersicherheit und die zeitgerechte Anlieferung der erforderlichen Großmengensendungen zu gewährleisten. Es hat sich allgemein bestätigt, dass die Katalogkunden in anderen Ländern Druckleistungen überwiegend aus Deutschland einführen, und dass auch die deutschen Kunden ausländische Druckereien als realistische Alternativen ansehen. Der räumlich relevante Markt für Kataloge kann als Deutschland einschließlich der Nachbarländer Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Schweiz, Österreich, Tschechische Republik, Polen und Dänemark sowie Italien und Slowakei definiert werden, der die großen ausländischen Druckereien in diesen Ländern wie Quebecor, RotoSmeets, Mondadori, Ilte, Rotocalcografica und Ringier umfasst.

(15)

Der Druck von Werbebeilagen für deutsche Kunden erfolgt offenbar weitgehend in Deutschland. Trotz eines niedrigeren Einfuhranteils als im Katalogdruck können die deutschen Kunden jedoch ohne Weiteres auf zuverlässige ausländische Druckereien zurückgreifen. Der Druck von Werbebeilagen schafft keine vergleichbaren Probleme wie der Druck von Zeitschriften hinsichtlich Weiterverarbeitung oder besonderer Vertriebsbedingungen. Außerdem sind Werbebeilagen im Allgemeinen nicht ebenso zeitkritisch wie Zeitschriften. Da die meisten Verleger von Hauptkatalogen auch Werbematerial herausgeben, wäre es für sie einfach, ihre bereits bestehenden Verbindungen zu ausländischen Druckereien auch für Werbedruckaufträge zu nutzen. Aus diesem Grund kann man davon ausgehen, dass der räumliche Umfang des Marktes für Rotationstiefdruck von Werbebeilagen der gleiche ist wie für Kataloge und aus Deutschland, seinen Nachbarländern, Italien und der Slowakei besteht.

Für den übrigen EWR kann die Definition des räumlich relevanten Marktes für den Druck von Katalogen und/oder Werbebeilagen offen bleiben, da auch bei der engsten Definition des räumlich relevanten Marktes (nationale Märkte) keine Wettbewerbsbedenken entstehen.

II.   WÜRDIGUNG

(16)

Das geplante Gemeinschaftsunternehmen wird auf den Märkten des Rotationsdruckes von Zeitschriften, Katalogen und Werbebeilagen in einer Reihe von Ländern des EWR tätig sein. Die schwerwiegendsten Auswirkungen des vorgesehenen Zusammenschlusses werden aufgrund des Standorts der fünf bestehenden, in das Gemeinschaftsunternehmen einzubringenden Druckereien in Deutschland zum Tragen kommen.

1.   Markt für den Rotationstiefdruck von Katalogen und Werbebeilagen

(17)

Die Kommission hat festgestellt, dass auf dem Markt für den Rotationstiefdruck von Katalogen und Werbebeilagen die Anteile von NewCo an dem Markt, der Deutschland, seine Nachbarländer, Italien und die Slowakei umfasst, gemäß den Angaben der Parteien gestützt auf die Mengen des Jahres 2003 zwischen [20—25] % (4) beträgt. Auf der Grundlage getrennter Märkte für Kataloge und Werbebeilagen hätte das Gemeinschaftsunternehmen einen Anteil von [15—20] % (4) auf dem Markt für den Druck von Katalogen und von [20—25] % (4) auf dem Markt für den Druck von Werbebeilagen. Für die Rotationsdrucktätigkeiten von Bertelsmann, die außerhalb des Gemeinschaftsunternehmens verbleiben, müssen jedem dieser Marktanteile zusätzliche [0—5] % (4) hinzugezählt werden. Auf getrennten Märkten und auf einem gemeinsamen Markt für Kataloge und Werbebeilagen würden Schlott und Quebecor in kurzem Abstand mit Marktanteilen von zwischen [10—15] % (4) und [10—15] % (4) und TSB mit [10—15] % (4) folgen. Es würden sich somit keine Wettbewerbsbedenken auf einem Markt ergeben, der den Druck von Katalogen und Werbebeilagen umfasst, und auch nicht auf getrennten Märkten für den Druck von Katalogen und Werbebeilagen. Davon abgesehen ergeben sich in allen übrigen möglichen räumlichen Märkten im EWR bei den Marktanteilen des Gemeinschaftsunternehmens keine Wettbewerbsbedenken (5).

2.   Markt für den Rotationstiefdruck von Zeitschriften

(18)

Der Marktanteil des Gemeinschaftsunternehmens an dem deutschen Handelsmarkt für den Rotationstiefdruck von Zeitschriften wird zwischen [0—50] % (4) betragen. Die nächstfolgenden Anbieter sind TSB und Schlott mit Anteilen von jeweils [20—25] % (4) und Burda mit einem Anteil von [0—5] % (4). Auf die Einfuhren entfallen [0—5] % (4), die weitgehend den Lieferungen der Druckereien von Burda in Vieux-Thann (Frankreich) und Bratislava (Slowakei) entstammen. Neben diesen Einfuhren wird nur eine deutsche Zeitschrift im Ausland von der niederländischen RotoSmeets gedruckt. In den übrigen betroffenen nationalen Märkten im EWR geben die Marktanteile des Gemeinschaftsunternehmens keinen Anlass für Wettbewerbsbedenken. Deshalb hat die Kommission allein den deutschen Markt untersucht.

(19)

Auf einem deutschen Markt für den Rotationstiefdruck von Zeitschriften könnten die Kunden (die Verlage) geschädigt werden, wenn NewCo in der Lage wäre, seine Preise zu erhöhen, die Kunden aber diesen Preisen nicht entgegenwirken könnten, indem sie wegen fehlender verfügbarer Kapazitäten zu anderen Druckereien überwechseln. Die von den Parteien auf dem Handelsmarkt gelieferten Mengen beliefen sich auf [150—200 kt] (4) ([100—150 kt] (4) für Bertelsmann; [45—50 kt] (4) für Springer) im Jahr 2003, weitere [10—15 kt] (4) dieser Liefermenge wurden wegen des Erwerbs von Verlagen durch die Parteien zum selbst verbrauchten Eigenbedarf. Somit betrug die von den Parteien auf dem Handelsmarkt gelieferte Menge insgesamt [100—150 kt] (4).

(20)

Die Kommission hat untersucht, ob: (1) die Wettbewerber gegenwärtig ausreichende überschüssige Kapazitäten aufweisen, um diesen Absatz in spürbarem Maße ersetzen zu können; (2) die Wettbewerber diese Kapazitäten verfügbar machen könnten, indem sie sie auf den Druck von Zeitschriften umstellen; (3) zusätzliche Kapazitäten durch die geplanten Erweiterungen entstehen würden und (4) potenzielle Wettbewerber dazu beitragen könnten, bei einer Preiserhöhung weitere Kapazitäten für den Druck von Zeitschriften verfügbar zu machen.

(21)

Gegenwärtig ungenutzte Kapazitäten: Die Kapazitätsauslastung war in diesem Wirtschaftszweig in den vergangenen Jahren relativ hoch. Nach einem vorsichtigen Ansatz einer Kapazitätshöchstauslastung von 95 % und den für das Jahr 2003 vorgelegten Zahlen kann man von einer ungenutzten Kapazität für den Druck von Zeitschriften der deutschen Wettbewerber von 17 kt ausgehen.

(22)

Kapazität durch Umstellung: Die Rotationsdruckereien können ihre Kapazität vom Katalogdruck auf den Druck von Werbebeilagen und Zeitschriften nur in begrenztem Maße umstellen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Unterschieden in den zeitlichen Abläufen, der Druckzeit und dem Umfang der verschiedenen Druckerzeugnisse. Zeitschriften werden periodisch, d. h. wöchentlich, vierzehntägig oder monatlich gedruckt. Da es sich um langfristig und periodisch gedruckte Erzeugnisse handelt, bilden sie die „Grundlast“ für eine Druckerei, die ihre Druckpressen über das ganze Jahr auslasten muss. Demgegenüber werden Kataloge für Versandhäuser oder Reiseveranstalter usw. in der Regel nur zweimal im Jahr mit einem sehr hohen Druckumfang (sowohl hinsichtlich der Auflage als auch der Druckseiten) und längeren Druckzeiten (bis zu mehreren Wochen) herausgegeben. Sie werden in der Regel im Mai/Juni und Oktober bis Dezember gedruckt und stellen für die Druckereien die „Spitzenlast“ dar. Werbebeilagen, die dritte Gruppe der Druckerzeugnisse, werden im Wesentlichen dazu verwendet, um die Druckkapazität zwischen den Katalogdruckperioden und den Tagen der Woche auszulasten, an denen Zeitschriften in einem geringeren Umfang zu drucken sind. Angesichts dieser zeitlichen Gegebenheiten hat die Mehrzahl der Druckunternehmen angegeben, dass eine unbegrenzte Umstellung vom Katalog-/Werbebeilagedruck auf den Druck von Zeitschriften nicht machbar wäre.

(23)

Die Wettbewerber, die auf die Marktuntersuchung der Kommission mit der Angabe von Zahlen reagierten, meldeten, dass bis zu [15—20] % (4) ihrer Gesamtkapazität vom Druck von Werbebeilagen und Katalogen auf Zeitschriften umgestellt werden könnten. Ein deutsches Druckunternehmen legte keine Zahlenangaben vor; entsprechend der übrigen Ergebnisse der Marktuntersuchung nahm die Kommission an, dass bei einer vorsichtigen Schätzung dieses Unternehmen, bei dem gegenwärtig der Zeitschriftendruck einen relativ geringen Anteil ausmacht, weitere [10—15] % (4) Kapazität dem Zeitschriftendruck widmen könnte. Auf dieser Grundlage könnten diese drei deutschen Druckereien zusammen rund 130 kt für den Zeitschriftendruck bereitstellen, was einen sehr großen Anteil der gesamten von den Parteien für den Druck von Zeitschriften anderer Auftraggeber ([150—200 kt] (4) im Jahr 2003) verwendeten Kapazität ausmachen würde. Der Zeitschriftendruck ist im Allgemeinen rentabler als der Druck von Werbebeilagen oder der kombinierte Druck von Werbebeilagen und Katalogen. Die Wettbewerber hätten damit nicht nur die Möglichkeit, sondern auch einen Anreiz, ihre Kapazität auf den Zeitschriftendruck umzustellen.

(24)

Geplante Kapazitätserweiterungen: Schlott, TSB und Burda, die drei Hauptwettbewerber der Parteien in Deutschland, haben die Absicht, ihre Nettokapazität um wenigstens 50 kt in den nächsten drei Jahren zu erweitern. Außerdem könnten sie ihre Nettokapazität zumindest vorübergehend erhöhen, indem sie den geplanten allmählichen Abbau älterer, jedoch weiterhin funktionsfähiger Druckpressen hinauszögern.

(25)

Potenzieller Wettbewerb: Die Wahrscheinlichkeit einer Preiserhöhung auf dem deutschen Markt für den Zeitschriftendruck wird durch das Vorhandensein mehrerer glaubwürdiger potenzieller Wettbewerber wie RotoSmeets (Niederlande), Quebecor (Frankreich), Mondadori (Italien) und, in geringerem Maße, Ringier (Schweiz) mit Druckereistandorten unweit der deutschen Grenze eingeschränkt. Diese Unternehmen wären in der Lage, die Zeitvorgaben für den Druck von Zeitschriften einzuhalten, zumindest, wenn sie auf ihre Standorte in Nähe der deutschen Grenze zurückgreifen würden. Die Unterschiede im Vertriebssystem und den Weiterverarbeitungsverfahren würden einige Anpassungen der ausländischen Druckereien und eine enge Zusammenarbeit mit ihren deutschen Kunden erfordern. Das Beispiel von Roto Smeets, gegenwärtig das einzige ausländische Druckunternehmen, das deutsche Zeitschriften druckt, macht deutlich, dass dieser Anpassungsprozess möglich ist. RotoSmeets, Quebecor und Mondadori verfügen gegenwärtig über wenigstens 32 kt freier Kapazitäten, die sie ohne Aufwand für den Druck deutscher Zeitschriften nutzen könnten. Zusätzliche Kapazitäten könnten in Kürze nach Vollendung der geplanten Kapazitätserweiterungen und Umstellungen im Produktionsmix bereitstehen.

(26)

Abgesehen von Erwägungen hinsichtlich der Kapazitäten könnte der Wettbewerb theoretisch auch durch das Wegfallen eines Wettbewerbers aufgrund des Zusammenschlusses weiter beeinträchtigt werden. Durch den Zusammenschluss würde Springer als unabhängiger Wettbewerber wegfallen. Doch selbst wenn man nur die deutschen Rotationstiefdruck-Betriebe betrachtet, können die Kunden weiterhin auf die drei großen Anbieter Schlott, TSB und Burda mit umfangreichen Druckkapazitäten zurückgreifen. Außerdem könnten glaubwürdige potenzielle Wettbewerber in diesen Markt eintreten.

(27)

Gemäß diesen Berechnungen wären die drei größten deutschen Wettbewerber Schlott, TSB und Burda in der Lage, in Erwiderung auf eine potenzielle Erhöhung des Preises für den Druck deutscher Zeitschriften zusätzliche Kapazitäten von rund 197 kt (17 kt ungenutzte Kapazität, 130 kt Produktionsumstellung, 50 kt Erweiterung der Nettokapazität) für den Zeitschriftendruck bereitzustellen, wobei der Anteil der Parteien am Handelsmarkt [100—150 kt] (4) ausmacht. Außerdem sind RotoSmeets, Quebecor und Mondadori als glaubwürdige potenzielle Wettbewerber anzusehen, auf die die deutschen Abnehmer von Zeitschriften zurückgreifen könnten, wenn das Gemeinschaftsunternehmen versuchen sollte, die Preise zu erhöhen.

3.   Koordinierung auf dem Markt für die Veröffentlichung von Zeitschriften

(28)

Die Kommission hat gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung auch ermittelt, ob die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens zur Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens von Bertelsmann (einschließlich G+J) und von Springer auf dem nachgeordneten Markt der Herausgabe von Zeitschriften führen könnte. Angesichts des relativ geringen Anteils der Druckkosten an den Gesamtkosten einer Zeitschrift und der überragenden Bedeutung des Zeitschriftenverlagsgeschäfts der Parteien gegenüber ihrem Rotationsdruckgeschäft ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Koordinierung bei der Herausgabe von Zeitschriften unwahrscheinlich wäre.

III.   SCHLUSSFOLGERUNG

(29)

Aus den dargelegten Gründen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass der vorgesehene Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil davon insbesondere als Ergebnis der Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung nicht spürbar einschränken würde, und dass er den Wettbewerb im Sinne von Artikel 2 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung und Artikel 81 EGV nicht beschränken würde. Der Zusammenschluss wird deshalb für mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung und mit dem EWR-Abkommen gemäß dessen Artikel 57 vereinbar erklärt.


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1.

(2)  ABl. C 52 vom 2.3.2006, S. 2.

(3)  ABl. C 52 vom 2.3.2006, S. 3.

(4)  Teile dieses Textes wurden bearbeitet, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Angaben weitergegeben werden; diese Teile stehen in eckigen Klammern und sind mit einem Sternchen versehen.

(5)  Selbst auf einem angenommenen deutschen Markt für Kataloge und/oder Werbebeilagen würde das Gemeinschaftsunternehmen zwar Marktanteile von zwischen 22 und 35 % erreichen, wäre jedoch kleiner als der Marktführer Schlott.