29.11.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 312/60


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 13. Juli 2005

über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen — Sache Nr. COMP/M.3625 — Blackstone/Acetex

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 2672)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(2005/839/EG)

Am 13. Juli 2005 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (1). Eine nicht vertrauliche Fassung des vollständigen Wortlauts der Entscheidung ist in den verbindlichen Sprachen der Wettbewerbssache und den Arbeitssprachen der Kommission auf der Website der GD Wettbewerb unter folgender Adresse abrufbar: http://europa.eu.int/comm/competition/index_de.html

(1)

Am 20. Januar 2005 wurde bei der Kommission ein Zusammenschlussvorhaben gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates angemeldet, demzufolge das Unternehmen Celanese Corporation („Celanese“, USA), das von Blackstone Crystal Holdings Capital Partners („Blackstone“, Cayman-Inseln) kontrolliert wird, im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ratsverordnung die Kontrolle über die Gesamtheit des Unternehmens Acetex Corporation („Acetex“, Kanada) durch Aktienkauf erwirbt.

(2)

Bei Blackstone handelt es sich um eine in den USA ansässige private Investitionsbank, die vornehmlich in den Bereichen Finanzberatung, Kapitalanlagen und Immobilienanlagen tätig ist. Wie nachstehend näher ausgeführt wird, ist mit „Celanese“ eines der von Blackstone kontrollierten Unternehmen auf den gleichen Produktmärkten vertreten wie Acetex.

(3)

Das Chemieunternehmen Celanese ist weltweit vor allen Dingen in folgenden vier Bereichen tätig: Chemikalien, Acetate, technische Polymere und Inhaltsstoffe für Nahrungsmittel. Zu den von Celanese hergestellten chemischen Erzeugnissen zählen chemische Grundstoffe wie Essigsäure, Essiganhydrid und Vinylacetatmonomer („VAM“); ferner besondere Chemikalien wie Polyvinylalkohol („PVAL“) und Emulsionen sowie Spezialchemikalien einschließlich Karbonsäuren, Alkohole, Amine und Ester.

(4)

Acetex ist im Acetyl- und im Kunststoffgeschäft tätig. Seine Hauptprodukte sind Essigsäure und VAM, mit denen es im Geschäftsjahr 2003 mehr als 70 % seines Umsatzes im Acetylbereich erzielte. Ferner stellt Acetex folgende Essigsäurederivate her: Acetylanhydrid, PVAL und Polyvinylacetat („PVAC“).

(5)

Der Beratende Ausschuss für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen hat den von der Kommission vorgelegten Entscheidungsentwurf zur Genehmigung der Fusion in seiner 132. Sitzung vom 22. Juni 2005 befürwortet (2).

(6)

Der Anhörungsbeauftragte kam in seinem Abschlussbericht vom 29. Juni 2005 zu dem Ergebnis, dass das Anhörungsrecht der Beteiligten gewahrt wurde (2).

I.   DIE RELEVANTEN MÄRKTE

Relevante sachliche Märkte

(7)

Die Kommissionsuntersuchung hat ergeben, dass folgende Märkte als relevante sachliche Märkte zu betrachten waren: Essigsäure, VAM und PVAL.

(8)

Essigsäure ist ein chemisches Zwischenerzeugnis, das in der Herstellung zahlreicher anderer Chemikalien einschließlich VAM, PVOH, Essiganhydrid, Acetatester und Monochloressigsäure verwendet wird. Die Kommission hat Essigsäure als einen gesonderten Produktmarkt eingestuft, weil das Erzeugnis nicht durch andere Produkte ersetzt werden kann.

(9)

VAM ist ein chemischer Grundstoff. Es kann auf mehreren Wegen hergestellt werden: i) durch Hinzufügung von Essigsäure zu Acetylen, ii) durch Hinzufügung von Essigsäure zu Ethylen, iii) durch Reaktion von Essiganhydrid mit Essigaldehyd. VAM ist, wie die Kommission feststellte, ein eigenständiger Produktmarkt, der keiner weiteren Untergliederung bedarf.

(10)

Essiganhydrid ist ein chemischer Grundstoff, der vor allem (zu ungefähr 75 %) zur Produktion von Celluloseacetatflocken verwendet wird, die wiederum als Rohmaterial für Acetatfilterstrang (für Zigarettenfilter, Garn und bestimmte Werkstoffe) benötigt werden. Weitere Verwendungsformen von Essiganhydrid sind u. a. die Produktion von Arzneimitteln und Reinigungsmitteln. Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass Essiganhydrid wegen fehlender Substituierbarkeit durch andere Erzeugnisse als gesonderter Produktmarkt zu betrachten ist.

(11)

PVAL ist ein wasserlösliches synthetisches Polymer, das der größeren Gruppe der Hochbarrierepolymere angehört. PVAL wird aus polymerisiertem VAM gewonnen. Die Marktuntersuchung hat gezeigt, dass es keine Ersatzprodukte für PVAL gibt. Daher wurde PVAL in dieser Entscheidung als ein gesonderter sachlich relevanter Markt eingestuft.

Relevante räumliche Märkte

(12)

Die Bestimmung des räumlichen Umfangs der relevanten Märkte für Essigsäure, VAM und Essiganhydrid bildete die entscheidende Frage in dieser Sache. Nach Auffassung der Anmelder sind die räumlichen Märkte für Essigsäure, VAM und Essiganhydrid vor allem aus folgenden fünf Gründen Weltmärkte:

Mehr als 20 % der westeuropäischen Nachfrage werden eingeführt.

Der weltweite Handel wird weder durch Transportkosten noch durch Einfuhrzölle oder innerstaatliche Vorschriften behindert.

Die großen weltweiten Hersteller beliefern Westeuropa ausschließlich über Einfuhren.

Die globalen Handelsströme verlagern sich frei zwischen Asien, Osteuropa, Westeuropa und Nordamerika in Reaktion auf Veränderungen bei den lokalen Angebots- und Nachfragebedingungen.

Die Preise in den verschiedenen geografischen Gebieten der Welt scheinen in einem hohen Zusammenhang untereinander zu stehen.

(13)

Im Markttest wurden die Argumente der Anmelder überprüft und im Allgemeinen bestätigt. Dabei hat die Kommission die Handelsströme für Essigsäure, VAM und Essiganhydrid zwischen den Erdteilen, die Preisstruktur, die Rolle der Produktions- und Transaktionskosten (Beförderung, Lagerung und Einfuhrzölle) sowie die Kapazitätsentwicklung untersucht. Ferner haben auch die meisten befragten Unternehmen oder Verbände angegeben, dass der relevante Markt für alle drei Produkte der Weltmarkt sei.

(14)

Zur Stützung ihrer Abgrenzung der räumlichen Essigsäure- und VAM-Märkte haben die Anmelder ökonometrische Studien (Preiskorrelationsanalyse und Analyse der Folgen unerwarteter Produktionsausfälle auf die Handelsströme) vorgelegt, die die These von den Weltmärkten untermauern. Die Kommission hat diese Studien sorgfältig überprüft und nachvollzogen und darüber hinaus mit genaueren Daten eine eigene Studie erstellt. Nach ihren Ergebnissen umfasst der räumliche Markt sowohl für Essigsäure als auch für VAM zumindest den EWR und Nordamerika, könnte sich aber auch auf die ganze Welt erstrecken.

(15)

Aus den oben ausgeführten Gründen hat die Kommission in dieser Sache den Weltmarkt als den räumlichen Markt für Essigsäure, VAM und Essiganhydrid eingestuft.

(16)

In einer früheren Entscheidung (3) war die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass der relevante räumliche Markt sämtlicher Hochbarrierepolymere einschließlich PVAL der Weltmarkt ist. Diese Auffassung wurde durch den Markttest weitgehend bestätigt. Auch in dieser Sache wurde daher bei PVAL der Weltmarkt als relevanter räumlicher Markt zugrunde gelegt.

II.   WÜRDIGUNG

(17)

Auf dem Weltmarkt für Essigsäure wird das neue Unternehmen einen Anteil von [20—30] (4) % bei den Kapazitäten (Celanese, [20—30] %; Acetex, [0—5] %) und [20—30] % beim Handelsmarktumsatz (Celanese, [15—25] %; Acetex, [5—10] %) erzielen. Konkurrenten sind BP als momentan größter Anbieter (Kapazitäten [20—30] %; Handelsmarkt [25—35] %) und weitere große Produzenten wie Millennium (Kapazitäten [1—10] %; Handelsmarkt [1—10] %) und Daicel (Kapazitäten [1—10] %; Handelsmarkt[1—10] %).

(18)

Die Kommission hat untersucht, ob die Kapazitäten der Wettbewerber ausreichen, um Preiserhöhungen über das Wettbewerbsniveau hinaus zu begegnen, und ob die Abnehmer im Falle einer Preisanhebung ohne Schwierigkeiten den Lieferanten wechseln können. Angesichts des hohen Konzentrationsgrades auf dem Markt musste auch die Gefahr einer etwaigen Koordinierung des Marktverhaltens geprüft werden.

(19)

Einseitige, d. h. die Marktstellung des fusionierten Unternehmens betreffende schädliche Wettbewerbsfolgen sind nach den Feststellungen der Kommission jedoch unwahrscheinlich, da die Kapazitäten stärker wachsen dürften als die prognostizierte Nachfrage und den Konkurrenten damit ausreichende Kapazitäten zur Reaktion auf Preisanhebungen zur Verfügung stehen werden. Außerdem ist es anscheinend kein Problem für Kunden, den Zulieferer zu wechseln, besonders da die weitaus meisten Kunden ihre Lieferungen von verschiedenen Anbietern beziehen. Auch eine wettbewerbswidrige Verhaltenskoordinierung ist, wie eine Prüfung der Marktstruktur, der Transparenz des Marktes, der Glaubwürdigkeit von Vergeltungsmechanismen und der Reaktion von Abnehmern und vorhandenen wie potenziellen Wettbewerbern ergab, unwahrscheinlich.

(20)

Auf dem Weltmarkt für VAM wird das neue Unternehmen einen Anteil von [25—35] % bei den Kapazitäten (Celanese [20—30] %; Acetex [0—5] %) und [35—45] % beim Handelsmarktumsatz (Celanese [30—40] %; Acetex [5—10] %) erzielen. Die Anmelder stehen im Wettbewerb zu mehreren großen Anbietern wie Dow (Kapazität [5—15] %; Handelsmarkt, [5—15] %), Millennium (Kapazität [5—15] %; Handelsmarkt [10—20] %), DuPont (Kapazität [10—20] %), Dairen (Kapazität [1—10] %; Handelsmarkt [1—10] %) und BP (Kapazität [1—10] %; Handelsmarkt [5—15] %).

(21)

Aus ähnlichen Gründen wie im Falle von Essigsäure kommt die Kommission in ihrer Entscheidung nach einer sorgfältigen Analyse der Merkmale des VAM-Marktes zu dem Ergebnis, dass einseitige Wettbewerbsfolgen unwahrscheinlich sind. Auch eine Verhaltenskoordinierung ist vor allem wegen des erheblichen Abstands zwischen den Handelsmarktanteilen der Anmelder und des größten Konkurrenten kaum zu befürchten. Ferner führen der unterschiedliche Integrationsgrad der Wettbewerber und die Verwendung unterschiedlicher Technologien zu Unterschieden in der Kostenstruktur und den Anreizen, was die Erfolgsaussichten einer etwaigen Koordinierung weiter vermindert.

(22)

Auf dem Weltmarkt für Essiganhydrid wird das neue Unternehmen einen Anteil von [15—25] % bei den Kapazitäten (Celanese [15—25] %; Acetex [0—5] %) und [30—40] % beim Handelsmarktumsatz (Celanese [25—35] %; Acetex [5—10] %) erzielen. Wettbewerber sind BP, Eastman, Jilin und Daicel mit Handelsmarkt-Anteilen von [15—25] %, [10—20] %, [5—15] % bzw. [1—10] %. Da es sich um starke Konkurrenten handelt, die momentan kostengünstig produzieren, wird das Vorhaben den wirksamen Wettbewerb auf dem Weltmarkt für Essiganhydrid nicht in nennenswertem Umfang beeinträchtigen. Die Kommission konnte auch eine wettbewerbswidrige Verhaltenskoordinierung ausschließen.

(23)

Auf dem Weltmarkt für PVAL wird das neue Unternehmen einen Anteil von [5—15] % (Celanese [5—10] %; Acetex [0—5] %) bei den of Kapazitäten und [5—15] % (Celanese [5—10] %; Acetex [0—5] %) beim Handelsmarktumsatz erzielen. Der gemeinsame Marktanteil reicht für die Ausübung von Marktmacht nicht aus, weshalb die Kommission in der Entscheidung zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das Vorhaben den wirksamen Wettbewerb auf dem Weltmarkt für PVAL nicht in nennenswertem Umfang beeinträchtigen wird.

(24)

Schließlich hat die Kommission etwaige Folgen des Fusionsvorhabens auf vertikal betroffenen Märkten gewürdigt. Sowohl Celanese als auch Acetex sind vertikal mit nachgelagerten Märkten integriert, da sie beide Essigsäure zur Herstellung von Essiganhydrid und VAM und VAM zur Herstellung von PVAL verwenden. Celanese ist auf den nachgelagerten Märkten für Emulsionen und Emulsionspulver, Celluloseacetat und Acetatester tätig. Acetex ist ein Abnehmer von Ethylen/Vinylacetat-Harz-Copolymeren und PVAc-Harzen. Wegen der niedrigen Marktanteile der Anmelder und der relativ geringen Marktanteilszuwächse auf den betroffenen Märkten sind jedoch auch keine nachteiligen Wettbewerbsfolgen auf den vertikal betroffenen Märkten zu erwarten.

III.   SCHLUSSFOLGERUNG

(25)

Aus den oben dargelegten Gründen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der angemeldete Zusammenschluss nicht zur Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung führen und den wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben nicht in nennenswertem Umfang beeinträchtigen wird. Deswegen wurde der Zusammenschluss gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung und Artikel 57 des EWR-Abkommens für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt.


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1.

(2)  ABl. C 297 vom 29.11.2005.

(3)  Entscheidung der Kommission vom 2. Juni 1999 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Sache Nr. IV/M.1469 — Solvay/BASF) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4069/89 (ABl. C 197 vom 14.7.1999, S. 2).

(4)  Teile dieses Textes wurden ausgelassen, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen bekannt gegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.