22.7.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 190/13


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 9. März 2004

über eine durch Österreich angewendete Beihilferegelung betreffend die Energieabgabenvergütung auf Erdgas und Elektrizität in den Jahren 2002 und 2003

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 325)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2005/565/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den vorgenannten Artikeln (1) und unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I   VERFAHREN

(1)

Am 8. Oktober 2002 wurde im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich das 158. Bundesgesetz 2002 veröffentlicht, dessen Artikel 6 eine Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes von 1996 vorsieht.

(2)

Die Kommission hat Österreich mit Schreiben vom 30. April 2003 von ihrem Beschluss in Kenntnis gesetzt, wegen der in diesen Gesetzen enthaltenen Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(3)

Am 20. August 2003 wurde im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich das 71. Bundesgesetz 2003 veröffentlicht, dessen Artikel 54 Nummer 6 das Energieabgabenvergütungsgesetz von 1996 in der Fassung des 158. Bundesgesetzes 2002 bis zum 31. Dezember 2003 verlängert.

(4)

Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (2) Die Kommission hat alle anderen Beteiligten zur Äußerung zu der betreffenden Beihilfe aufgefordert.

(5)

Mit Schreiben vom 4. Juli 2003, das von der Kommission am selben Tag registriert wurde (A/34759), äußerte sich Österreich zur Einleitung des Verfahrens.

(6)

Bei der Kommission ging am 12. August 2003 eine Stellungnahme der Vereinigung der österreichischen Industrie, am 18. August 2003 eine Stellungnahme der Stahl- und Walzwerk Marienhütte Ges.m.b.H. und am 14. August 2003 eine Stellungnahme der Jungbunzlauer Ges.m.b.H. ein. Die Stellungnahme der österreichischen Bundesarbeitskammer wurde mit Schreiben vom 21. November 2003 zurückgezogen.

(7)

Alle Stellungnahmen gingen fristgerecht ein (3). Die Kommission hat die Stellungnahmen an Österreich weitergeleitet, das sich jedoch nicht dazu äußerte.

(8)

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2003, das von der Kommission am 8. Dezember 2003 eingetragen wurde (A/38575), erteilte Österreich weitere Auskünfte zur Durchführung der Energieabgabenvergütung in den Jahren 2002 und 2003.

II   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

(9)

Nach dem Elektrizitätsabgabegesetz und dem Erdgasabgabegesetz, die beide am 1. Juni 1996 erlassen wurden, wird die Elektrizitäts- bzw. die Erdgasabgabe erhoben auf die Lieferung von elektrischer Energie und Erdgas, ausgenommen an Elektrizitäts- bzw. Erdgasunternehmen und an sonstige Wiederverkäufer, den Verbrauch von elektrischer Energie und Erdgas durch Elektrizitäts- bzw. Erdgasunternehmen sowie den Verbrauch von selbst hergestellter oder in das Steuergebiet verbrachter elektrischer Energie bzw. Erdgas.

(10)

Abgabenschuldner ist in der Regel der Lieferer von elektrischer Energie oder Erdgas. Der Empfänger der Energielieferung hat dem Abgabenschuldner die weiterverrechnete Energieabgabe zu ersetzen. Das liefernde Unternehmen muss den Betrag an Energieabgaben, der auf den jeweiligen Empfänger der Lieferung entfällt, spätestens in der Jahresabrechnung offen für den Empfänger ausweisen.

(11)

Die Abgabe auf elektrische Energie beträgt in dem zur Prüfung anstehenden Zeitraum 0,015 EUR/kWh. Die Abgabe auf Erdgas beträgt 0,0436 EUR je m3.

(12)

Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-143/99 (im Folgenden: „Adria-Wien-Urteil“), im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens (4), hat Österreich das Energieabgabenvergütungsgesetz von 1996 durch das 158. Bundesgesetz 2002 geändert, das in Artikel 6 vorsieht, dass ab 1. Januar 2002 alle Betriebe einen Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben auf Erdgas und elektrische Energie haben, wenn diese Abgaben insgesamt 0,35 % des Nettoproduktionswerts übersteigen. Der Nettoproduktionswert wird definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen Umsätzen im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummern 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes von 1994 und Umsätzen im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummern 1 und 2, die an das Unternehmen erbracht werden. Im Umsatzsteuergesetz von 1994 werden solche Umsätze als Lieferungen und sonstige Dienstleistungen definiert, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt ausführt. Das Gesetz schließt den Eigenverbrauch ein, aber Einfuhren aus. Die ersten 363 EUR werden nicht vergütet.

(13)

Die Abgabenvergütung gilt für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2003.

(14)

Die gezahlten Rückvergütungen belaufen sich auf ca. 330 Mio. EUR/Jahr.

(15)

Die Kommission leitete das Verfahren ein, weil Zweifel an der Beihilfenatur der Maßnahme und der Vereinbarkeit der vermuteten Beihilfe bestanden. Nach Auffassung der Kommission begünstigte das Abgabenvergütungssystem de facto energieintensive Unternehmen und war demnach selektiv. Die Kommission bezweifelte, dass die vermutete Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (5) vereinbar ist.

III   STELLUNGNAHMEN DER BETEILIGTEN

(16)

Nach Auffassung der Vereinigung der österreichischen Industrie ist die Maßnahme nicht selektiv und stellt somit keine staatliche Beihilfe dar. Österreich habe das Adria-Wien-Urteil des Gerichtshofs umgesetzt, wonach nationale Maßnahmen, die eine Vergütung von Energieabgaben auf Erdgas und elektrische Energie vorsehen, keine staatlichen Beihilfen darstellen, „wenn sie allen Unternehmen im Inland unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit gewährt werden.“ Der österreichische Verfassungsgerichtshof habe den Begündungstext zur zweiten Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof dahin gehend formuliert, Österreich könnte in die Lage kommen, die Energieabgabenvergütung auf alle Unternehmen auszudehnen. Der Gerichtshof sei sich also der Funktion der Vergütungsregelung voll bewusst gewesen und habe die möglichen Rechtsfolgen in Österreich sicherlich berücksichtigt. Wesentlich sei daher nur die Frage, „ob eine Unterscheidung im Hinblick auf die Begünstigung gemacht wird.“

(17)

Die Vereinigung der österreichischen Industrie ist der Ansicht, dass die Maßnahme de facto nicht selektiv ist. Die Zahl der begünstigten Unternehmen dürfte bei rund 2 500 bis 3 000 liegen, quer durch alle Wirtschaftsbereiche und Unternehmensgrößen.

(18)

Außerdem sei die Maßnahme nicht nur auf Unternehmen mit hohem Energieverbrauch ausgerichtet. Die Abgabenvergütung werde auf Grundlage des Nettoproduktionswertes errechnet. Dieser Wert sei abhängig von der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens. Verluste oder hohe Investitionen führten zu einem geringeren Nettoproduktionswert. In solchen Fällen würden auch Unternehmen mit einem niedrigen Energieverbrauch eine Vergütung der Energieabgaben erhalten. Auf einen längeren Zeitraum bezogen handle es sich nicht immer um den gleichen Kreis von Begünstigten.

(19)

Die Vereinigung der österreichischen Industrie hält die von der Kommission angestellten Vergleiche mit anderen Fällen für nicht zutreffend, in denen eine Maßnahme zwar nach dem Rechtstext nicht selektiv, aber de facto selektiv war. In den beschriebenen Fällen habe es sich vom Förderungsziel her um große Industrieunternehmen, zum Teil sogar um ein konkretes Unternehmen gehandelt. Die österreichische Maßnahme hingegen schränke den Kreis der Begünstigten nicht ein, weder nach Unternehmensgröße, Branche, Tätigkeit oder Investitionssumme.

(20)

Zur Vereinbarkeit stellt die Vereinigung der österreichischen Industrie fest, dass die Einhaltung der Mindestsätze, wie in der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (6) (im Folgenden: „Energiebesteuerungsrichtlinie“) vorgegeben, als ein wesentlicher Teil der Steuer zu betrachten ist.

(21)

Die Stahl- und Walzwerk Marienhütte Ges.m.b.H. beschreibt den wirtschaftlichen Kontext der Energiebesteuerung im Besonderen für Stahl und macht geltend, dass die Anwendung der regulären österreichischen Energiesteuersätze auf energieintensive Unternehmen die unverzügliche Einstellung von Produktion in Österreich zur Folge hätte.

(22)

Der Korrekturmechanismus für energieintensive Unternehmen habe keine negativen Auswirkungen auf den Steuerungseffekt des Energieabgabensystems. Die Energiekosten seien selbst ein hinreichender Anreiz, um mögliche Substitutionsmaßnahmen zu treffen, und die Energieabgabe erbringe keine zusätzlichen Effekte. Dies sei zu berücksichtigen, wenn geprüft werde, ob die Maßnahme durch die Natur des Steuersystems gerechtfertigt sei.

(23)

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe sich in der Rechtssache C-143/99 offensichtlich auch zu der Unterscheidung zwischen energieintensiven Unternehmen und sonstigen Unternehmen äußern wollen. Andernfalls hätte er die zweite Vorlagefrage des österreichischen Verfassungsgerichtshofs nicht beantwortet, denn diese Frage sei für die Entscheidungsfindung in dem vor dem österreichischen Gericht anhängigen Fall nicht relevant.

(24)

Selbst wenn eine Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft werde, habe die Kommission die berechtigten Erwartungen der betroffenen Unternehmen zu respektieren. Diese Unternehmen könnten sich auf ein Gesetz stützen, das in Österreich ausdrücklich erlassen wurde, um das Adria-Wien-Urteil umzusetzen. Es könne von einem Unternehmen nicht verlangt werden, sich mit Fragen des europäischen Rechts eingehender als ein Bona-fide-Gesetzgeber zu befassen. Außerdem habe der Gerichtshof selbst als europäisches Organ berechtigte Erwartungen geweckt, indem er die zweite Vorlagefrage des österreichischen Verfassungsgerichtshofs beantwortet habe.

(25)

Die Jungbunzlauer Ges.m.b.H. bringt in ihrer Stellungnahme vor, die Energieabgabenvergütung sei keine Beihilfe im Sinne einer direkten Geldzahlung des Staates. Die wirtschaftliche Belastung durch die Energiebesteuerung solle beim Energieendverbraucher liegen. Um dies zu erreichen, verfüge der Gesetzgeber über mehrere Optionen. Um den Verwaltungsaufwand zu vereinfachen, werde die Abgabe beim Energielieferanten erhoben. Die Unternehmen würden die Abgabe zusammen mit dem Energiepreis an den Energielieferanten zahlen und danach würde ihnen der Staat die Überbezahlung erstatten. Aufgrund dieser Struktur sei das Energieabgabenvergütungsgesetz in Form einer Vergütung konzipiert worden. Der Gesetzgeber hätte sich auch dafür entscheiden können, die Energieabgabe direkt beim Endverbraucher zu erheben. In diesem Fall hätte sich eine Vergütung erübrigt.

(26)

Dem nationalen Gesetzgeber stehe es frei, die Abgabenbelastung zu begrenzen. Die durch das Kriterium von 0,35 % des Nettoproduktionswertes vorgegebene Obergrenze sei unter beihilferechtlichen Aspekten nicht relevant, sondern lege die Energiesteuerbelastung bei gewerblicher Verwendung auf 0,35 % des Nettoproduktionswertes fest. Dies gelte auch für die vorgesehene Mindestbelastung von 363 EUR.

(27)

Der Europäische Gerichtshof habe in seinem Adria-Wien-Urteil über die österreichische Maßnahme in ihrer Gesamtheit entschieden. Wenn dies nicht beabsichtigt gewesen wäre, hätte der Gerichtshof zuerst gefragt, ob die Energieabgabenvergütung per se selektiv ist, und sich dann damit befasst, ob der Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe im Rahmen der Energievergütung eine Selektivität bewirkt. Des Weiteren werde in Randnummer 36 des Urteils klargestellt, dass die österreichische Maßnahme, die dem Gerichtshof in vollem Umfang bekannt war, keine staatliche Beihilfe darstellt.

(28)

Die Maßnahme sei nicht selektiv, sondern es handle sich um eine allgemeine wirtschaftliche Maßnahme. Diese Auffassung habe auch der Generalanwalt in der Rechtssache C-143/99 geteilt.

(29)

Die Maßnahme verfälsche nicht den Wettbewerb und beeinträchtige nicht den Handel.

(30)

Ähnliche Maßnahmen gäbe es auch in anderen Mitgliedstaaten. Außerdem würde die Richtlinie zur Besteuerung von Energieerzeugnissen ebenfalls Steuerermäßigungen und –erstattungen für Unternehmen vorsehen, um Investitionen und Arbeitsplätze zu schützen.

IV   STELLUNGNAHME ÖSTERREICHS

(31)

Mit Schreiben vom 4. Juli 2003, das bei der Kommission am 4. Juli 2003 einging, bestätigte Österreich seine Auffassung, dass die Energieabgabenvergütung eine allgemeine Maßnahme sei. Mit der zweiten Vorlagefrage habe der österreichische Verfassungsgerichtshof auch sein Motiv dargelegt, d. h., falls die ursprüngliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellte, könnte der Verfassungsgerichtshof die Beschränkung auf Unternehmen aufheben, deren Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Der österreichische Verfassungsgerichtshof habe wissen wollen, ob durch die Aufhebung der Beschränkung eine rechtswidrige staatliche Beihilfe entstehen oder ausgeweitet würde. Der Europäische Gerichtshof sei sich dessen bewusst gewesen, da es in dem Bericht des Berichterstatters Wathelet heißt, der Verfassungsgerichtshof gehe davon aus, dass im Falle einer Aufhebung der Beschränkung eine Ausdehnung auf alle Unternehmen nur zulässig sei, wenn dies keine neue Beihilfe darstelle, die im Voraus zu notifizieren ist. Andernfalls wäre die zweite Vorlagefrage rein theoretisch gewesen und hätte vom Europäischen Gerichtshof zurückgewiesen werden müssen.

(32)

Folglich habe der österreichische Verfassungsgerichtshof nur die Beschränkung auf den ursprünglichen Kreis von Vergütungsberechtigten aufgehoben und nicht das ganze Energieabgabenvergütungsgesetz.

(33)

Vor diesem Hintergrund könne nicht argumentiert werden, der Europäische Gerichtshof sei über die Struktur der österreichischen Maßnahme nicht oder falsch informiert gewesen. Vielmehr habe der Gerichtshof in Randnummer 7 des Urteils das österreichische System korrekt beschrieben und in Randnummer 36 auf die zweite Frage geantwortet, dass „nationale Maßnahmen wie diejenigen im Ausgangsverfahren keine staatlichen Beihilfen darstellen“.

(34)

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2003 teilte Österreich der Kommission mit, dass das Finanzministerium dem österreichischen Parlament vorschlagen wird, die Energieabgabenvergütung auf Elektrizität und Erdgas für die beiden Gruppen von Berechtigten rückwirkend zu ändern.

(35)

Unternehmen, auf die das Energieabgabenvergütungsgesetz bis 31. Dezember 2001 nicht anwendbar war, werden Anspruch auf eine 100 %ige Abgabenvergütung für die Abgaben erhalten, die 0,35 % ihres Nettoproduktionswertes im Jahr 2002 überschreiten. Im Jahr 2003 werden diese Unternehmen 20 % der nationalen Steuersätze auf Erdgas und Elektrizität zahlen. Diese Mindestbelastung respektiere die Mindeststeuersätze der „Energiebesteuerungsrichtlinie“, die am 1. Januar 2004 in Kraft tritt. Nach der Richtlinie liegt der Mindeststeuerbetrag im Verhältnis zur nationalen Steuer bei etwa 3,3 % für Elektrizität und etwa 14 % für Erdgas.

(36)

Unternehmen, auf die das Energieabgabenvergütungsgesetz vor dem 31. Dezember 2001 anwendbar war, zahlen in den Jahren 2002 und 2003 120 % der Mindeststeuerbeträge für Erdgas und Elektrizität, wie in Anhang I Tabelle C der Energiebesteuerungsrichtlinie festgelegt („120 %-Bestimmung“).

Die Belastung mit 120 % der Mindeststeuerbeträge auf Erdgas und Elektrizität entspricht statistisch der durchschnittlichen Abgabenbelastung für Unternehmen nach der Energiebesteuerungsrichtlinie, einschließlich der Besteuerung von Elektrizität, Erdgas und Kohle. Die 120 %-Bestimmung wird zu einer zusätzlichen Abgabenbelastung von ca. 10 bis 15 % des derzeitigen Nettosteueraufkommens führen. Die zusätzliche Belastung ist nicht so hoch, da die meisten der betroffenen Unternehmen nach den geltenden Regeln bereits erheblich mehr als die 120 % zahlen. Die Unternehmen jedoch, für die die 120 %-Bestimmung zu einer Anhebung der Abgabenbelastung führt, werden im Schnitt etwa 50 % mehr als bisher bezahlen, einige sogar weitaus mehr.

(37)

Österreich teilte der Kommission mit, dass alle laufenden Zahlungen unmittelbar nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens eingestellt wurden. Allerdings konnte Österreich keine Angaben zur Zahl der Unternehmen machen, die einen Teil der bereits gezahlten Vergütung zurückerstatten müssen, oder über die betreffenden Beträge. Österreich bestätigte, dass auf alle Rückzahlungen die geltenden EU-Referenzzinssätze angewandt werden.

V   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

(38)

Wenngleich sich das eingeleitete Verfahren auf die 2002 anwendbaren Bestimmungen des 158. Bundesgesetzes 2002 bezieht, hält es die Kommission für gerechtfertigt, auch das Jahr 2003 zu prüfen, ohne eine gesonderte Entscheidung über die Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens auf diesen Zeitraum zu treffen. Die Kommission stellt fest, dass das 71. Bundesgesetz 2003 die durch das 158. Bundesgesetz 2002 eingeführten Bestimmungen völlig unverändert lässt. Somit sind die 2002 und 2003 geltenden Bestimmungen identisch. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die Beteiligten die Möglichkeit hatten, sich zu allen für die Würdigung der Regelung relevanten Aspekten zu äußern.

(39)

Die zeitliche Verlängerung wurde von Österreich nach der Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, in Kraft gesetzt. Dies ist der Situation vergleichbar, wo ein Mitgliedstaat Rechtsvorschriften ändert, die Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sind, aber mit dieser Änderung nicht alle mutmaßlichen Verstöße beseitigt und Sachverhalte, wie in der mit Gründen versehenen Stellungnahme beschrieben, nach Übermittlung dieser Stellungnahme aufrechterhalten werden. In solchen Fällen gestattet es das Gericht der Kommission, das Verfahren fortzusetzen und ihre Schlussfolgerungen den geänderten Umständen anzupassen (7).

(40)

In seinem Schreiben vom 5. Dezember 2003 bezog sich Österreich ausdrücklich auf die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 und nahm somit seine Verteidigungsrechte in Bezug auf den gesamten Zeitraum wahr.

(41)

In der Praxis konnten sich auch Dritte zur Anwendung der Regelung sowohl 2002 als auch 2003 äußern. Zwar legte die Vereinigung der österreichischen Industrie ihre schriftliche Stellungnahme zur Energieabgabenvergütung im Jahr 2002 am 12. August vor, d. h. vor Veröffentlichung des 71. Bundesgesetzes 2003 über die Verlängerung der Energieabgabenvergütung. In weiterer Folge war die Vereinigung bei mehreren Besprechungen zwischen der Kommission und der österreichischen Regierung vertreten und äußerte sich bei dieser Gelegenheit auch zum Jahr 2003. Damit wurde ihr Recht auf Äußerung respektiert.

(42)

In der Stellungnahme der Jungbunzlauer Ges.m.b.H. vom 14. August 2003 wird das Unternehmen beschrieben und festgestellt, dass die Sachverhaltsangaben „insbesondere (auch) für das Jahr 2002“ zutreffen. Das Unternehmen äußerte sich zum Vorliegen einer Beihilfe und brachte Argumente vor, die im Wesentlichen unabhängig vom Jahr der Anwendung sind. Damit wurde das Recht auf Äußerung respektiert.

(43)

Die Marienhütte Ges.m.b.H. nahm zur Einleitung des Verfahrens am 18. August Stellung, also ebenfalls vor Veröffentlichung des 71. Bundesgesetzes 2003. Die Bemerkungen sind ebenfalls im Wesentlichen unabhängig vom Jahr der Anwendung der Energieabgabenvergütungsbestimmungen. Das Recht auf Äußerung wurde somit respektiert.

(44)

Der Kommission sind weder verspätete Stellungnahmen eingegangen, noch wurde die Vorlage einer Stellungnahme nach Ablauf der in der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens festgesetzten Frist beantragt.

(45)

Nach eingehender Prüfung kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die anstehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

(46)

Nach Auffassung der Kommission kommt die Abgabenvergütung, selbst wenn sie theoretisch für alle Unternehmen gilt, die den Schwellenwert von 0,35 % des Nettoproduktionswertes erreichen, de facto Unternehmen zugute, die einen hohen Energieverbrauch im Verhältnis zum Nettoproduktionswert aufweisen, und ist somit selektiv.

(47)

Nach Auffassung der Kommission hat sich der Gerichtshof in der Rechtssache C-143/99 nicht zu allen Aspekten der ursprünglichen Abgabenvergütungsregelung geäußert, sondern lediglich zur Beschränkung auf Unternehmen, deren Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Für die Beantwortung der beiden Vorlagefragen des österreichischen Verfassungsgerichtshofs war es nicht erforderlich, dass der Gerichtshof weitere Aspekte der Maßnahme würdigt. Die Fragen bezogen sich nicht auf das österreichische System insgesamt, sondern schwerpunktmäßig auf den eingeschränkten Anwendungsbereich. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof nur deshalb, weil umfassendere Informationen vorlagen, implizit zu einer Frage Stellung nahm, mit der er nicht befasst worden war. Der Gerichtshof bezog sich in seinem Urteil generell auf „allgemeine Maßnahmen, die eine Vergütung von Energieabgaben vorsehen“. Hätte der Gerichtshof die Absicht gehabt, sich zu allen Aspekten der österreichischen Maßnahme zu äußern, kann davon ausgegangen werden, dass dies mehr explizit geschehen wäre.

(48)

Die Kommission teilt nicht die Auffassung, dass der Gerichtshof die zweite Vorlagefrage des österreichischen Verfassungsgerichtshofes nicht beantwortet hätte, wenn er nicht beabsichtigt hätte, sich zu allen Aspekten der Energieabgabenvergütung zu äußern. Der Gerichtshof beantwortete die zweite Vorlagefrage des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zuerst. Diese Frage bezog sich nicht auf das anhängige Verfahren. Daher stellte der Gerichtshof offensichtlich seine Antwort auf die erste Frage zu dem konkreten Sachverhalt in einen eher allgemeinen Kontext und antwortete, gestützt auf die ständige Rechtsprechung, dass eine staatliche Maßnahme, die allen Unternehmen im nationalen Hoheitsgebiet ohne Unterschied zugute kommt, keine staatliche Beihilfe darstellen kann.

(49)

Präzedenzfälle zeigen, dass eine Maßnahme in ihrer Wirkung selektiv sein kann, selbst wenn sie nach dem Gesetz auf alle Wirtschaftsbereiche anwendbar ist. Dies sind nur Beispiele dafür, wie eine De-facto-Selektivität auftreten kann. Es trifft zu, dass die zur Prüfung anstehende Maßnahme keine Beschränkungen nach Unternehmensgröße, Branche, Tätigkeit oder Investitionssumme vorsieht. Allerdings hat der Schwellenwert die Wirkung, dass die Maßnahme de facto auf energieintensive Unternehmen zugeschnitten ist. Zwar machte die Vereinigung der österreichischen Industrie geltend, dass auch Unternehmen mit einem geringen Energieverbrauch von der Abgabenvergütung profitieren können, wenn sie hohe Investitionen tätigen oder hohe Verluste verzeichnen, doch wird dieses Argument nicht näher erläutert. Vielmehr wurde während des förmlichen Prüfverfahrens die Wirkung verschiedener Lösungsansätze anhand von Beispielen von Unternehmen in energieintensiven Sektoren aufgezeigt. Dies wird auch in der Stellungnahme der Marienhütte bestätigt, in der die Maßnahme ausdrücklich als Korrekturmechanismus für energieintensive Unternehmen bezeichnet wird. Des Weiteren stellt die Kommission fest, dass sich Österreich zu dem Argument der Vereinigung der österreichischen Industrie nicht geäußert hat. Insbesondere machte Österreich keine Angaben zu den tatsächlich Begünstigten, auch nicht dazu, ob sich der Kreis der tatsächlich Begünstigten nach der Novellierung des Gesetzes signifikant geändert hat. Daher liegen der Kommission keine Angaben vor, die darauf schließen ließen, dass sich die Wirkung der Maßnahme substanziell von der vor 1. Januar 2002 geltenden Maßnahme unterscheidet, die auf Unternehmen mit Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter beschränkt war. Des Weiteren stellt die Kommission fest, dass Österreich die 120 %-Bestimmung ebenfalls auf Grundlage einer Auswahl von ca. 240 energieintensiven Unternehmen berechnete und geltend machte, es lägen keine Angaben über alle vergütungsberechtigten Unternehmen vor. All dies deutet nachdrücklich darauf hin, dass die Maßnahme effektiv auf energieintensive Unternehmen ausgerichtet ist.

(50)

Die Kommission teilt auch nicht die Auffassung der Jungbunzlauer Ges.m.b.H., wonach das Kriterium von 0,35 % des Nettoproduktionswertes einer maximalen Abgabenbelastung entspricht und eine solche Obergrenze nicht beihilferelevant ist. Ohne das letztere Argument generell prüfen zu müssen, legt in diesem Fall das Kriterium keine allgemeine maximale Steuerbelastung für alle Unternehmen ohne Unterschied fest. In der Regel müssen Unternehmen die vollen Steuersätze entrichten, mit Ausnahme derjenigen, die einen Schwellenwert erreichen, der de facto so zugeschnitten ist, dass er nur auf energieintensive Unternehmen anwendbar ist. Durch Festlegung objektiver Kriterien, nämlich einer Steuerobergrenze für bestimmte Unternehmen — im vorliegenden Fall besonders energieintensive Unternehmen —, bewirkt die Maßnahme eine unterschiedliche Behandlung. Darin unterscheidet sie sich von der Mindestabgabenbelastung von 363 EUR, auf die die Jungbunzlauer Ges.m.b.H. verweist und die effektiv unterschiedslos für alle Unternehmen gilt.

(51)

In der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens äußerte die Kommission Zweifel daran, ob die Ausdehnung des Anwendungsbereichs die Wirkungen der Maßnahme effektiv ändern würde. Die Kommission stellt fest, dass weder Österreich noch die intervenierenden Parteien Angaben vorgelegt haben, die diese Zweifel ausräumen könnten. Insbesondere legte Österreich keine Zahlen vor, die nachweisen, dass signifikant mehr Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen von dem erweiterten Anwendungsbereich profitieren. In jedem Fall ist die große Zahl von Begünstigten einer Maßnahme für sich alleine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kein Beweis dafür, dass die Maßnahme als allgemeine Maßnahme einzustufen ist.

(52)

Die Kommission berücksichtigt auch, dass in mehren Mitgliedstaaten Maßnahmen mit gleicher Wirkung in Kraft sind, für die die Genehmigung als staatliche Beihilfe beantragt wurde oder die von der Kommission vom Amts wegen geprüft werden (8).

(53)

Die Kommission ist der Auffassung, dass die Selektivität der Maßnahme nicht durch die Natur und Logik des Systems zu begründen ist, da dies nicht der systemimmanenten Steuerlogik entspricht. Vielmehr stellt die Vergütung eine klare Abweichung von der allgemeinen Struktur und Funktionsweise des Steuersystems dar. Des Weiteren stellt die Kommission fest, dass eine Energieabgabe ein zweifaches Ziel verfolgt: Erstens sollen Unternehmen dazu angeregt werden, energieeinsparende Maßnahmen zu treffen. Selbst wenn die betroffenen Unternehmen bereits in großem Umfang solche Maßnahmen durchführen, um die Energiekosten zu senken, kann nicht gesagt werden, dass die Energiebesteuerung keinen zusätzlichen Steuerungseffekt hat. Der Energieverbrauch ist generell technologieabhängig und daher nur kurzfristig festgelegt. Langfristig dürften durch den technischen Fortschritt und Innovation weitere Effizienzgewinne zu erwarten sein. Die Kommission stellt außerdem fest, dass die Marienhütte Ges.m.b.H. das angebliche Fehlen eines Steuerungseffekts nicht näher begründet hat. Zweitens, selbst wenn der Energieverbrauch kurzfristig nicht weiter reduziert werden kann, wird die Abgabe erhoben, um staatliche Mittel für allgemeine Zwecke zu beschaffen, auch mit Blick darauf, dass der Energieverbrauch Kosten für die Gesellschaft verursacht, für die der Staat Abhilfe schaffen muss. Deshalb kann es nicht in der Natur und Logik des Systems liegen, dass energieintensive Unternehmen, definitionsgemäß Verschmutzungsverursacher, von der Energieabgabe freigestellt werden.

(54)

Die Kommission teilt nicht die Auffassung der Jungbunzlauer Ges.m.b.H., dass die Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstellen würde, wenn der Gesetzgeber die Abgabe vom Endnutzer erheben würde. Die Verwaltungsstruktur der Maßnahme hat in diesem Fall keinen Einfluss auf den Beihilfecharakter. Selbst wenn der Gesetzgeber die Abgabe unmittelbar beim Endnutzer erheben würde und vermutlich eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Arten von Nutzern einführen würde, würde auch diese Differenzierung eine staatliche Beihilfe darstellen.

(55)

Alle anderen Kriterien einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind erfüllt. Die Maßnahme entlastet die Unternehmen von Kosten, die sie andernfalls zu tragen hätten, und überträgt ihnen somit einen Vorteil. Die Maßnahme ist dem Staat zuzuschreiben und wird aus staatlichen Mitteln finanziert, da der Staat eine Minderung des Steueraufkommens hinnimmt. Indem die Abgabenvergütung nur bestimmten Unternehmen gewährt wird, begünstigt die Maßnahme diese im Vergleich zu anderen Unternehmen, was den Wettbewerb verfälschen kann. Zumindest einige Begünstigte sind in Sektoren tätig, in denen ein Handel zwischen Mitgliedstaaten besteht. Daher kann die Maßnahme den Handel beeinträchtigen. Abschließend ist festzustellen, dass die Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt und als neue Beihilfe einzustufen ist, da sie nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eingeführt wurde und von der Kommission zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden ist.

(56)

Die Kommission hat die Vereinbarkeit der Beihilfe anhand des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (im Folgenden „der Gemeinschaftsrahmen“) geprüft. In der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens vertrat die Kommission die Auffassung, dass beim damaligen Stand offensichtlich keine andere Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag zur Anwendung gelangen konnte. Im Laufe des förmlichen Prüfverfahrens ergaben sich keine neuen Anhaltspunkte, welche die in der Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vorgebrachten Bedenken der Kommission hätten ausräumen könnten. Deshalb kommt die Kommission zu folgendem Schluss:

(57)

In Bezug auf die Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bis zum 31. Dezember 2001 nicht anwendbar war, führte die Novellierung durch das 158. Bundesgesetz 2002 eine neue Ausnahme von einer bestehenden Steuer ein. Gemäß Randnummer 51.2 des Gemeinschaftsrahmens können die Vorschriften unter Randnummer 51.1 anwendbar sein, wenn die Steuer eine beachtliche positive Wirkung auf den Umweltschutz hat und Ausnahmen wegen einer wesentlichen Veränderung der Wirtschaftsbedingungen, die die Unternehmen in eine besonders schwierige Wettbewerbslage versetzt, notwendig werden. Österreich hat keine Angaben dazu gemacht, ob dies der Fall war. Auch hat Österreich die Steuer nicht wesentlich heraufgesetzt, so dass Randnummer 52 des Gemeinschaftsrahmens nicht zur Anwendung gelangt. Unter diesen Umständen kann ein Mitgliedstaat Steuerbefreiungen nur in Übereinstimmung mit Randnummer 53 Unterabsatz 2 gewähren, der auf die Randnummern 45 und 46 des Gemeinschaftsrahmens verweist. Danach können Betriebsbeihilfen bis zu fünf Jahren gewährt werden, wenn sich ihre Intensität auf 50 % der Mehrkosten beschränkt oder sie über einen Zeitraum von fünf Jahren degressiv verringert werden. Das österreichische Gesetz beschränkt weder die Abgabenvergütung auf 50 % der Mehrkosten noch verlangt es eine progressive Rückführung.

(58)

In Bezug auf die Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bereits vor dem 31. Dezember 2001 galt, bleibt das Abgabenvergütungssystem unverändert. Hier sieht die Maßnahme eine Befreiung von einer bestehenden Steuer vor, die bei deren Einführung beschlossen wurde. Sie fällt daher unter Randnummer 51.2 des Gemeinschaftsrahmens, der auf die Vereinbarkeitskriterien in Randnummer 51.1 verweist. Von letzterer Bestimmung scheint nur Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich anwendbar zu sein. Danach müssen Unternehmen einen wesentlichen Teil der nationalen Steuer zahlen. Österreich hat für den zur Prüfung anstehenden Zeitraum keine Angaben vorgelegt, die es ermöglichen würden, den tatsächlichen Teil der Steuer zu ermitteln, den die betroffenen Unternehmen zahlen müssen. Deshalb kann die Kommission nicht zu dem Schluss kommen, dass die Unternehmen einen wesentlichen Teil der nationalen Steuer zahlen.

(59)

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Energieabgabenvergütungsgesetz von 1996, das durch Artikel 6 des 158. Bundesgesetzes 2002 ohne weitere Änderungen bis 31. Dezember 2003 verlängert wurde, den Anforderungen des Gemeinschaftsrahmens nicht entspricht und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

(60)

In Bezug auf die Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bis zum 31. Dezember 2001 nicht galt, ist die Maßnahme in der von Österreich zugesagten Änderung mit Randnummern 53 und 45 des Gemeinschaftsrahmens vereinbar. Die Beihilfe beläuft sich auf 100 % der Mehrkosten im ersten Jahr und wird im zweiten Jahr auf 80 % reduziert. Sie wird also in dem zur Prüfung anstehenden Zeitraum linear zurückgeführt. Außerdem ist die Kommission der Auffassung, dass die Ermäßigung im zweiten Jahr den Begünstigten einen Steuerbetrag überlässt, der immer noch über dem in der Energiebesteuerungsrichtlinie ab 2004 verlangten Schwellenwert liegt.

(61)

In Bezug auf die Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bis zum 31. Dezember 2001 galt, ist die Beihilfe nach Auffassung der Kommission mit Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich des Gemeinschaftsrahmens vereinbar. Nach Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich müssen die Begünstigten einen wesentlichen Teil der nationalen Steuer zahlen. Grund hierfür ist, dass den Unternehmen ein Anreiz geboten werden soll, ihre Umweltleistung zu verbessern. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Randnummer 51.1 Buchstabe b erster Gedankenstrich, wonach eine harmonisierte Steuer herabgesetzt werden kann, wenn der von dem Begünstigten gezahlte Betrag über dem gemeinschaftlichen Mindestbetrag liegt, „damit sich die Unternehmen veranlasst sehen, etwas für die Verbesserung des Umweltschutzes zu tun.“ Während des zur Prüfung anstehenden Zeitraums war die österreichische Energieabgabe eine nationale Steuer; ab 1. Januar 2004 wird mit der Energiebesteuerungsrichtlinie eine harmonisierte Besteuerung eingeführt, welche Mindeststeuersätze für die Nutzung der Energieprodukte festlegt, die nach den österreichischen Energieabgabegesetzen besteuert und vergütet werden. Die Energiebesteuerungsrichtlinie trägt den Umweltschutzzielen ausdrücklich Rechnung (siehe insbesondere Erwägungsgründe 3, 6, 7 und 12). Deshalb ist die Kommission der Auffassung, dass die Beachtung der Mindestsätze der Energiebesteuerungsrichtlinie den Unternehmen einen Anreiz bietet, den Umweltschutz zu verbessern. Die Einhaltung der Mindestsätze kann deswegen auch als wesentlicher Teil der nationalen Steuer gesehen werden, wie dies in Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich des Gemeinschaftsrahmens verlangt wird. Österreich legt die Mindeststeuerbelastung der Unternehmen so fest, dass die Mindeststeuersätze nicht nur für Erdgas und Elektrizität, sondern auch für Kohle eingehalten werden, für die bisher in Österreich keine Energieabgabe erhoben wurde. Damit stellt Österreich sicher, dass die Mindestabgabenbelastung in den Jahren 2002 und 2003 dem Steuerniveau entspricht und auch der Mindestumwelteffekt einbezogen wird, den die Richtlinie insgesamt anstrebt.

(62)

Wenn eine rechtswidrig gewährte staatliche Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar beurteilt wird, ist sie vom Empfänger zurückzufordern. Nach der Rückforderung dieser Beihilfe sollte die vor ihrer Gewährung bestehende Wettbewerbsposition so weit wie möglich wiederhergestellt werden. In Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom22. März 1999 über Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (10) heißt es jedoch: „Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.“ Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Entscheidungspraxis der Kommission verstößt eine Rückforderungsentscheidung gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, wenn in Folge von Maßnahmen der Kommission seitens des Empfängers der Beihilfe berechtigtes Vertrauen darauf bestehen konnte, dass die Beihilfe in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht gewährt wurde.

(63)

Ein Mitgliedstaat hat dafür zu sorgen, dass nationale Maßnahmen mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Einklang stehen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, und dass Beihilfemaßnahmen der Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag notifiziert und erst nach deren Prüfung durchgeführt werden. Grundsätzlich können Unternehmen keine berechtigten Erwartungen an rechtswidrige Beihilfen stellen. Könnten sich Unternehmen erfolgreich auf ein nationales, selbst in gutem Glauben erlassenes Gesetz stützen, das aber nicht den Beihilfevorschriften entspricht und daher den Wettbewerb verfälscht, könnte das Ziel einer gemeinschaftlichen Beihilfekontrolle nicht erreicht werden.

(64)

In seinem Urteil „Van den Bergh en Jurgens“ (11) hat der Gerichtshof für Recht erkannt:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich jeder Wirtschaftsteilnehmer, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat, auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Ist ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer seine Interessen berührenden Gemeinschaftsmaßnahme vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen.“

(65)

Österreich hat der Kommission kein Argument für das Bestehen des berechtigten Vertrauens seitens der Begünstigten der Regelung vorgelegt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass die Kommission gehalten ist, außerordentliche Umstände automatisch zu berücksichtigen, die nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 einen Verzicht auf die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen rechtfertigen, wenn diese Rückforderung gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, wie den Grundsatz des Vertrauensschutzes, verstoßen würde.

(66)

Im vorliegenden Fall nimmt die Kommission einerseits zur Kenntnis, dass die vorliegende innerstaatliche Maßnahme eine erhebliche Belastung für österreichische Unternehmen im Interesse des Umweltschutzes auferlegte. Eine derartige Belastung wäre ohne die in dieser Entscheidung untersuchte Abgabenvergütung besonders für energieintensive Unternehmen eine schwere Belastung gewesen. Als die innerstaatliche Maßnahme entworfen wurde, gab es keine gefestigte Praxis für die rechtliche Beurteilung für Ausnahmen oder Reduzierungen derartiger Steuern, die formal auf verschiedene Wirtschaftszweige Anwendung finden, aber trotzdem selektiv sind, da sie einen eigentlichen, tatsächlichen und spezifischen Vorteil zugunsten bestimmter Sektoren gewähren. Andererseits ist es vorstellbar, dass im vorliegenden Fall der Wortlaut der Antwort des Gerichtshofs auf die zweite Frage im Adria-Wien-Urteil dazu geführt haben könnte, dass einige Beihilfeempfänger in gutem Glauben davon ausgingen, dass die vor einem nationalen Richter besprochenen streitigen innerstaatlichen Maßnahmen aufhören würden, selektiv zu sein, und daher nicht mehr eine staatliche Beihilfe darstellen würden, sofern ihre Begünstigung auf andere Sektoren als dem der Herstellung von körperlichen Wirtschaftsgütern ausgedehnt werden würde. Unter Berücksichtigung all dieser Erwägungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine Rückforderung gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes verstoßen würde. Im Einklang mit Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 entscheidet die Kommission daher, dass keine Rückforderung verlangt werden sollte.

(67)

Die Abgabenvergütungsregelung gilt für die Land- und Forstwirtschaft unter denselben Bedingungen wie für die anderen begünstigten Sektoren. Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen findet keine Anwendung auf die Landwirtschaft. Bei der Bewertung sektorübergreifender Beihilfen im Rahmen von Energiesteuern (12) hat die Kommission jedoch die Gleichbehandlung von Landwirtschaft und Forstwirtschaft mit anderen Wirtschaftszweigen vorbehaltlich der allgemeinen Leitlinien für Umweltschutzbeihilfen erwogen. Die obigen Ausführungen gelten daher auch für die Beurteilung von Beihilfen für die Landwirtschaft.

VI   SCHLUSSFOLGERUNG

(68)

Die Kommission stellt fest, dass Österreich das Energieabgabenvergütungsgesetz von 1996 in der Fassung des 158. Bundesgesetzes 2002, das unverändert bis zum 31. Dezember 2003 verlängert wurde, unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag rechtswidrig durchgeführt hat.

(69)

In Bezug auf Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bis 31. Dezember 2001 nicht galt, ist die Beihilferegelung mit dem Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen, insbesondere Randnummern 52 und 45, sowie sonstigen Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag unvereinbar.

(70)

In Bezug auf Unternehmen, für die das Energieabgabenvergütungsgesetz bereits vor dem 31. Dezember 2001 galt, ist die Beihilferegelung mit dem Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen, insbesondere Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich, und sonstigen Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag unvereinbar. Da keine anderen Vereinbarkeitsgründe für die Regelung angeführt werden können, ist sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

(71)

Dennoch wird, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und in Übereinstimmung mit Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999, keine Rückforderung verlangt werden.

(72)

Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die österreichische Regierung zugesagt hat, die Energieabgabenvergütung rückwirkend zu ändern. Die Kommission betrachtet die oben beschriebenen Änderungen als mit dem Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen, insbesondere Randnummer 52 in Verbindung mit Randnummer 45 und Randnummer 51.1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich, für vereinbar —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Abgabenvergütung, die Österreich im Jahr 2002 nach dem durch das 158. Bundesgesetz 2002 novellierten Energieabgabenvergütungsgesetz 1996 gewährt und unverändert bis zum 31. Dezember 2003 verlängert hat, stellt eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe dar.

Artikel 2

Österreich setzt die in Artikel 1 genannte Beihilferegelung, soweit sie fortwirkt, außer Kraft.

Artikel 3

Österreich ergreift alle notwendigen Schritte, um die Maßnahme rückwirkend, wie von den österreichischen Behörden in ihrem Schreiben vom 5. Dezember 2003 zugesagt, anzupassen.

Artikel 4

Österreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 5

Diese Entscheidung ist an die Republik Österreich gerichtet.

Brüssel, den 9. März 2004

Für die Kommission

Mario MONTI

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 164 vom 15.7.2003, S. 2.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  In Einklang mit der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1), insbesondere mit Artikel 3, endete die Frist für die Einreichung von Stellungnahmen am 18. August 2003.

(4)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2001 in der Rechtssache C-143/99: Adria-Wien Pipeline GmbH und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke GmbH gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten, Slg. 2001, S. I-8365.

Der Österreichische Verfassungsgerichtshof legte dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.

Sind gesetzliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats, die eine teilweise Vergütung von Energieabgaben auf Erdgas und elektrische Energie vorsehen, diese Vergütung aber nur Unternehmen gewähren, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag anzusehen?

2.

Bei Bejahung der ersten Frage: Ist eine derartige gesetzliche Maßnahme auch dann als Beihilfe gemäß Artikel 92 EG-Vertrag anzusehen, wenn sie allen Unternehmen ohne Rücksicht darauf gewährt wird, ob der Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht?

(5)  ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

(6)  ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51.

(7)  Siehe Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. November 1992 in der Rs. C-105/91, Kommission/Griechenland, Slg. 1992, S. I-5871, Urteil vom 10. September 1996 in der Rs. C-11/95, Kommission/Belgien, Slg. 1996, S. I-4115, Urteil vom 9. Januar 1999 in der Rs. C-365/97, Kommission/Italien, Slg. 1999, S. I-7773, und Urteil vom 4. Februar 1988 in der Rs. C-113/86, Kommission/Italien, Slg. 1988, S. 607.

(8)  Siehe N 449/2001 — Deutschland, N 123/2000 — Vereinigtes Königreich, C-42/2003 — Schweden.

(9)  Die Kommission stellt fest, dass diese Änderungen noch nicht in Kraft getreten sind.

(10)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(11)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85, Van den Bergh en Jurgens BV/Kommission, Slg. 1987, S. 1155, Rdnr. 44.

(12)  Siehe insbesondere Entscheidungen der Kommission über die deutsche Ökosteuer, NN 47/99 (ABl. C 166 vom 12.6.1999), und in der Beihilfesache N 575/A/99 (ABl. C 322 vom 11.11.2000).