32002M2669

Entscheidung der Kommission vom 19/03/2002 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.2669 - VTG / WARBURG / BRAMBLES EUROPEAN RAIL DIVISION) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. 106 vom 03/05/2002 S. 0023 - 0023


Entscheidung der Kommission vom 19/03/2002 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.2669 - VTG / WARBURG / BRAMBLES EUROPEAN RAIL DIVISION) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Brüssel, den 19/03/2002

SG (2002) D/228964

An die anmeldenden Parteien

An die anmeldenden Parteien

Sehr geehrte Damen und Herren,

Betrifft : Fall Nr. COMP/M.2669-VTG/Hapag Lloyd/Warburg/Brambles European Rail Division Anmeldung vom 18.02.2002 gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fusionskontrollverordnung)

1. Am 18.02.2002 ist die Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates [1] bei der Kommission eingegangen, wonach das Unternehmen VTG-Lehnkering AG, das von Hapag Lloyd kontrolliert wird und das Unternehmen M. M. Warburg & CO KgaA im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ratsverordnung die gemeinsame Kontrolle bei dem Unternehmen Brambles European Rail Division erwerben.

[1] ABl. L 395 vom 30.12.1989, S.1, berichtigte Fassung ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13; zuletzt geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 1310/97 (ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1, Berichtigung in ABl. L 40 vom 13.02.1998, S. 17.)

2. Nach Prüfung der Anmeldung hat die Kommission festgestellt, daß das angemeldete Vorhaben in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates fällt und hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen keinen Anlaß zu ernsthaften Bedenken gibt.

I. DIE TÄTIGKEITEN DER PARTEIEN

3. VTG Lehnkering AG ("VTG") ist ein Konzernunternehmen der Preussag AG und erbringt Speditions-Dienstleistungen im Schienengüterverkehr, vor allem die Überlassung von Eisenbahngüterwägen zu Transportzwecken an Dritte. Hapag-Lloyd AG (,Hapag Lloyd") ist die Muttergesellschaft von VTG und bietet hauptsächlich Linienschiffahrt auf See und Containertransportdienstleistungen sowie - neben vielen anderen logistischen Tätigkeiten - Schienenlogistikgeschäfte an.

4. M. M. Warburg & Co KgaA ("Warburg") ist ein im Privatbesitz befindliches Kreditinstitut, das alle Arten von Bankgeschäften betreibt.

5. Brambles European Rail Division ("ERD") umfaßt die europäischen Schienenlogistikaktivitäten der Brambles-Gruppe. Das Unternehmen erbringt Transportdienstleistungen im Schienengüterverkehr, insbesondere die Überlassung von Eisenbahngüterwägen. Daneben ist ERD in geringfügigem Ausmaß in der Wartung, Reparatur und im Umbau bzw. Neubau von Eisenbahngüterwägen tätig. ERD besteht aus folgenden Gesellschaften: CAIB Auxifer S.A., CH, CAIB Rail Holdings Ltd., GB, Ateliers de Joigny S.A., F, ETS Henri Loyez S.A., F, Brambles Espana S.A., E, Simotra S.A.S., F, and Brambles Italia S.r.l., I.

II. DER ZUSAMMENSCHLUSS

6. Gemäß dem Aktienkaufvertrag vom 12. November 2001 erwerben VTG und ihre Muttergesellschaft Hapag Lloyd gemeinsam mit Warburg Kontrolle über die in ERD zusammengefaßten Gesellschaften: VTG kauft zunächst Brambles Italia S.r.l., während Simotra S.A.S. an Hapag Lloyd übertragen wird. Eigentum an den restlichen sechs Gesellschaften wird von einer neu zu gründenden Holding "Newco" erworben, die zu 100% im Eigentum von Warburg steht. Warburg räumt allerdings Hapag Lloyd eine unwiderrufliche Call option auf diese Anteile ein, die frühestens [ ] Jahre ab und spätestens [ ] Jahre nach Gründung von Newco ausgeübt werden kann [2].

[2] Bei Ausübung dieser Option ändert sich die Kontrollstruktur in Newco, was aus heutiger Sicht eine erneute Anmeldung bei der Kommission erfordern würde.

7. Während der ersten [ ] auf die Gründung von Newco folgenden Jahre ist es Warburg nicht gestattet, ihre Anteile abzustoßen; in den darauffolgenden [ ] Jahren hat Hapag Lloyd ein Vorkaufsrecht. Diese spezielle Struktur der Transaktion wurde von den Parteien gewählt um eine Finanzierung durch Warburg zu ermöglichen. Letztere hat ein rein finanzielles Interesse an dem Zusammenschluß und verpflichtet sich, die Struktur der ERD-Gesellschaften unverändert zu lassen sowie alle zum Betrieb des Geschäfts notwendigen Investitionen zu tätigen. Da Warburg die Expertise im Bereich Schienenlogistik fehlt, wird ausschließlich VTG die täglichen Geschäfte Newco's leiten. Die strategischen Geschäftsentscheidungen wird Warburg auf der Grundlage eines gemeinsam mit VTG festgelegten Geschäftsplanes [3] treffen, von welchem nur unter Zustimmung aller drei am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen abgewichen werden kann.

[3] Rahmenvereinbarung zwischen VTG, Hapag Lloyd und Warburg vom 12.1. 2001.

8. Es ist daher davon auszugehen, daß Warburg, VTG und Hapag Lloyd gemeinsam die Kontrolle über Nerwco ausüben werden. Das Gemeinschaftsunternehmen wird weiters über die finanziellen Ressourcen, das nötige Know-how und die erforderliche Belegschaft verfügen, um auf dem Markt als selbständige Wirtschaftseinheit aufzutreten. Das angemeldete Vorhaben stellt daher einen Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3(1)(b) der Ratsverordnung (EWG) Nr. 4064/89 dar.

III. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG

9. Die Unternehmen VTG und Hapag Lloyd zusammen mit Warburg und ERD haben zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als EUR 5 Mrd. [4] (Preussag: EUR 21. 853,7 Mio., Warburg: EUR 585,4 Mio; ERD: [ ]). Zwei von ihnen haben einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von mehr als EUR 250 Mio. (Preussag: [ ], Warburg: [ ]; ERD: [ ]). Die Unternehmen erzielen nicht mehr als zwei Drittel ihres jeweiligen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. Das Vorhaben hat folglich gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung. Es handelt sich nicht um einen Kooperationsfall mit der EFTA-Überwachungsbehörde nach Artikel 57 des EWR-Abkommens.

[4] Die Umsatzberechnung erfolgte auf der Grundlage von Artikel 5 (1) der Fusionskontrollverordnung und der Bekanntmachung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes (ABl. C 66 vom 2.3.1998, S.25).

IV. VEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT

A. Sachlich relevante Märkte

Die Auffassung der Parteien

10. Der beabsichtigte Zusammenschluß betrifft verschiedene Bereiche der Schienenlogistik, insbesondere die Überlassung (=Vermietung, nicht leasing) von Kesselwägen an industrielle Großkunden (Endkunden) und Spediteure. Die Parteien betrachten als relevanten Markt das Erbringen von Speditions- und logistischer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bulk- und Tanktransporten, die mit Hilfe von Kesselwägen und Tankcontainern auf den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Binnenschiffahrt durchgeführt werden.

11. Die Parteien unterscheiden zwischen Kesselwägen und Tankcontainern und anderen Eisenbahngüterwägen, weil Kesselwägen und Tankcontainer zum Transport flüssiger und gasförmiger Stoffe bzw. bestimmter pneumatisch entladbarer Schüttgüter (z.B. Kalk oder Kohlestaub) nicht aber zum Transport anderer Waren wie z.B. Stückgut oder Schüttgut, die durch die eigene Schwerkraft entladen werden (z.B. Kohle oder Sand), geeignet sind. Die Parteien treffen hingegen keine Unterscheidung zwischen Kesselwägen zur Beförderung von flüssigen, gasförmigen und pneumatisch entladbaren Schüttgütern, da jeder von diesen nach deren Ansicht im Bedarfsfall problemlos auf eines der anderen beiden Güter umgerüstet werden könnte.

12. Dagegen treffen die Parteien keine weitere Unterscheidung zwischen der Überlassung von Transportraum einerseits und der eigentlichen Transportleistung andererseits, da ihre größeren Industriekunden diese Leistungen sowohl einzeln als auch im Paket (,sog. ,All in"-services) nachfragen könnten. VTG bietet solche integrierten Leistungen über ihre Tochter ,Transpetrol" an.

13. Die beteiligten Unternehmen sind ferner der Ansicht, daß Tank- und Bulktransporte auf den Verkehrsträgern Schiene, Straße, Binnenschiffahrt und Transport via Pipelines einen einheitlichen Markt bilden, da bereits geringfügige Preiserhöhungen bei einem Verkehrsmittel den Kunden bzw. das von ihm beauftragte Logistikunternehmen zum Ausweichen auf ein alternatives Verkehrsmittel bewegen würden. Ferner betonen die Parteien, daß zwischen den genannten Verkehrsträgern ein ausgeprägter Preis- und Qualitätswettbewerb herrsche und verweisen auf Studien/Statistiken [5], die eine zunehmende Verdrängung der Schiene und Küstenschiffahrt durch die Straße zeigen.

[5] Eurostat, Studie :" Trends in the Transport Sector 1970-1998" der Europäischen Ministerkonferenz.

14. Schließlich definieren die Parteien einen relevanten Markt für die Reparatur, Wartung und Instandhaltung von Eisenbahngüterwägen, der das Betreiben von Werkstätten zum Umbau, der Reparatur und der Modernisierung von Eisenbahngüterwägen umfasst. Auf diesem Markt ist nur ERD in geringem Umfang, nicht aber VTG tätig.

Die Ergebnisse der Marktuntersuchung

15. Die Marktuntersuchung ergab, daß ein Großteil der Kunden die Überlassung von Transportraum getrennt von anderen Komponenten der Logistikkette nachfragt (d.h. getrennt von der Durchführung des Transportes und auch getrennt von anderen Leistungen wie Lagerung, Asset based logistics, Kontraktlogistik, Supply Chain Mangement, etc.). Die meisten Kunden verfügen über ihre eigene Logistikabteilung und führen Transporte mit angemietetem Equipment und selbst gewähltem Transporteur durch. Das von den Parteien als relevanter Markt betrachtete ,All in"-Service wird demgegenüber bisher nur von wenigen Kunden nachgefragt, wenn auch nicht ausgeschlossen ist, daß der Trend mit zunehmender Diversifizierung der Unternehmen im Logistikbereich in Richtung integrierte Leistungen gehen könnte. Schließlich sind in der Überlassung von Transportraum einerseits und in der Durchführung der Transportleistung andererseits unterschiedliche Unternehmen tätig: die Überlassung betreiben hauptsächlich große Logistikunternehmen wie z.B. ERMEWA, VTG oder ERD, während die Durchführung der Transporte selbst -zumindest auf der Schiene (sog. ,Traktion") -von den jeweiligen Staatsbahnen (DB AG, ÖBB, SNCF, Schweizer Staatsbahnen, etc.) dominiert wird. [6]

[6] In der Traktion ist nur VTG -nicht aber ERD- über seine 25%ige Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen rail4chem GmbH in geringem Ausmaß tätig. Es handelt sich jedoch nicht um einen vertikal betroffenen Markt, die Marktanteile VTG's in Deutschland bewegen sich deutlich unter 25%.

16. Die von den Anmeldern vertretene Unterteilung in Kesselwägen bzw. Tankcontainer und andere Eisenbahngüterwägen wurde in der Marktuntersuchung bestätigt. [7] Darüber hinaus ergab die Befragung von Wettbewerbern und Kunden, daß Kesselwägen und Tankcontainer [8] nur begrenzt substituierbar sind: Tankcontainer können durch Kesselwägen nur ersetzt werden, sofern es direkte Bahnanschlüsse bis zum Kundenlager gibt. Ansonsten werden kosten- und zeitintensive Umladevorgänge nötig. Tankcontainer erfordern zwar keine direkten Bahnanschlüsse, sind aber nur eine begrenzte Alternative zu Kesselwägen, da sie erheblich teurer sind (was vor allem an den personalintensiven Umladevorgängen liegt) als Kesselwägen. Die Umladung von Kesselwägen auf Tankcontainer ist ferner nur eingeschränkt möglich (u.a. Umweltvorschriften, Mangel an Umladestationen, etc.). Bei vielen Kunden ist aufgrund der vorhandenen Infrastruktur (Be- und Entladeeinrichtungen) die Umstellung von Kesselwägen auf Tankcontainer ohne aufwendigen Umbau bzw. zeitintensive Tests kurzfristig nicht möglich. Auch Wettbewerber bestätigten mehrheitlich die äußerst begrenzte Substituierbarkeit von Kesselwägen und Tankcontainers. Ein Anbieter von Kesselwägen schätzte das Transportvolumen, das sich sowohl mit Kesselwägen als auch mit Tankcontainern bewältigen ließe auf lediglich 10-15%; bei Chemikalien bezifferte ein anderer Anbieter das substituierbare Volumen mit ca. 5%. Zahlreiche Anbieter - mit Ausnahme von VTG und ERMEWA - spezialisieren sich außerdem auf Tankcontainer oder Kesselwägen, je nachdem welche Verkehrsmittel sie hauptsächlich einsetzen.

[7] Die Marktabgrenzung für andere Arten von Eisenbahngüterwägen muss hier nicht weiter erörtert werden, da nur Kesselwägen vom Zusammenschluß betroffen sind.

[8] Bei der Überlassung von Tankcontainern kommt es zu keinen horizontalen oder vertikalen Überlappungen; es handelt sich um einen benachbarten Markt, auf den das Vorhaben keine Auswirkungen hat und dessen weitere Behandlung daher unterbleiben kann.

17. Es stellt sich weiters die Frage, ob Kesselwägen zur Beförderung von Flüssigkeiten im Bedarfsfall ersetzt werden können durch Kesselwägen zur Beförderung gasförmiger Stoffe oder pneumatisch entladbarer Schüttgüter und umgekehrt. Hier zeigte die Marktanalyse einen relativ hohen Grad an angebotsseitiger Substitution, zumal die meisten Anbieter alle drei Arten von Kesselwägen zur Verfügung stellen. Allerdings weichen die Marktanteile in den einzelnen Segmenten für ein und denselben Anbieter teilweise beträchtlich voneinander ab, was auf eine gewisse Spezialisierung hinweist. Auf der Nachfrageseite sind unterschiedliche Kesselwägen kaum substituierbar, da für unterschiedliche Güter unterschiedliche technische Vorrichtungen erforderlich sind (so kann z.B. ein Kesselwagen, mit dem chemische Gase transportiert werden nicht für Kohlestaub verwendet werden; eine spätere Umrüstung ist schwierig bzw. aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll).

18. Eine weiteres Marktsegment der Überlassung von Kesselwägen könnte u.U. die Überlassung von Kesselwägen zur Beförderung von Gefahrgut darstellen: Während es sich im Bereich der gasförmigen und flüssigen Stoffe (Mineralöle, Chemikalien, etc.) zu mehr als 90% um Gefahrguttransporte handelt (und von einer weiteren Unterteilung daher abgesehen werden kann) liegt deren Anteil an Schüttguttransporten nur bei ca. 15%. Eine gesonderte Betrachtung dieses Segmentes könnte sich u.U. im Hinblick auf die für Gefahrguttransporte und ihre Anbieter geltenden besonderen rechtlichen und sicherheitstechnischen Vorschriften ergeben. Die Marktuntersuchung ergab allerdings keine eindeutigen Hinweise wonach die Kunden bei der Wahl ihrer Anbieter von Gefahrentransporten besonderen Beschränkungen unterliegen würden.

19. Die Ermittlungen der Kommission ergaben schließlich - entgegen den Behauptungen der Parteien - daß beim Erbringen von Logistikdienstleistungen, insbesondere bei der Überlassung (=Vermietung) von Transportraum, zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zu unterscheiden ist. Sowohl Spediteure als auch Endkunden als Abnehmer von Logistikleistungen sind bei ihrer Wahl des geeigneten Verkehrsmittels einmal aufgrund ihrer geographischen Lage, aber auch aufgrund der von ihnen zu befördernden Produkte eingeschränkt: Gefahrguttransporte von bestimmten flüssigen oder gasförmigen Gütern werden in manchen Ländern (z.B. Deutschland) aufgrund der geltenden Rechtslage zum Großteil auf der Schiene durchgeführt. [9]

[9] Weiters ergab die Marktuntersuchung klare Bedürfnisse der Kunden sowie der Anbieter im Hinblick auf spezielle Verkehrsmittel je nach der zu befördernden Menge: große Mengen an Industriegütern wie z.B. Flüssiggas und chemische Grundstoffe oder bestimmte Schüttgüter werden z.B. überwiegend nicht auf der Straße transportiert.

20. Die meisten Kunden halten den Wechsel auf alternative Verkehrsmittel beim Transport von flüssigen und gasförmigen Produkten und pneumatisch entladbaren Schüttgütern für keine realistische Alternative, sollten sich die Preise für die Überlassung von Kesselwägen bzw. Tankcontainer spürbar und dauerhaft erhöhen. Dies erklärt sich neben der bereits oben erwähnten praktischen Hindernissen auch aus den speziellen Bedürfnissen der Kunden (insbesondere hinsichtlich der zu transportierenden Produkte, der Distanz zu den Lagern, des Sicherheitsaspekts, der Verläßlichkeit und des Zeitfaktors, etc.), welche das Verkehrsmittel nicht in erster Linie nach dem Gesichtspunkt der Kostenminierung auswählen. Demgemäß erklärten fast 100% der befragten Kunden (Spediteure sowie Endkunden), ihren Logistikanbietern das jeweilige Verkehrsmittel genau vorzugeben. Die Kunden sind also entgegen den Ausführungen der Parteien keineswegs indifferent gegenüber der Wahl des Verkehrsmittels und treffen diese Entscheidung i.d.R. autonom, d.h. ohne Einbeziehung des Anbieters.

21. Niedrigere Transportkosten (z.B. niedrigere Kosten bei Schifftransporten als auf der Schiene, jene wiederum billiger als Straßentransporte) bestimmen laut Marktuntersuchung i.d.R. nur bei ansonsten gleichen Voraussetzungen die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels. In den meisten Fällen würde allerdings bei spürbaren andauernden Preiserhöhungen aus den bereits oben erwähnten Gründen kein Wechsel zu einem anderen Verkehrsmittel stattfinden. Eine begrenzte Anzahl von Kunden erwägt die mittelfristige Umleitung eines Teils ihrer Transporte auf die Straße sofern es zu massiven Preiserhöhungen kommen sollte.

22. Auf Anbieterseite ist ein Großteil der Unternehmen (mit Ausnahme von ERMEWA und VTG) auf ein bestimmtes Verkehrsmittel (wie z.B. Bahntransporte oder Schiff) spezialisiert. Die meisten Kunden haben daher unterschiedliche Logistikdienstleister für unterschiedliche Transporte. Die meisten der befragten Anbieter halten die verschiedenen Verkehrsmittel nur in sehr begrenztem Umfang für austauschbar. Zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln wie z.B. zwischen Schiene und Lastkahn herrscht z.B. nur sehr eingeschränkte Konkurrenz, da vielerorts die erforderlichen Wasserstraßen, Ladeeinrichtungen und Terminals fehlen. Schiene und Straße sind im Bereich einiger Gefahrgüter nicht und ansonsten nur sehr begrenzt austauschbar, und zwar sofern Bahnanschlüsse zum Kunden vorliegen, es sich um kleinere bis mittlere Mengen handelt und ausreichend Zeit vorhanden [10].

[10] Es ist davon auszugehen, daß diese Voraussetzungen nur in seltenen Fällen vorliegen werden.

Schlussfolgerung zur Produktmarktabgrenzung

23. Die Ermittlungen der Kommission lassen das Bestehen eines Marktes für die Überlassung von Kesselwägen auf der Schiene erkennen, auf dem es zu horizontalen Überschneidungen der Parteien kommt. Die Frage, ob innerhalb dieses Marktes eine weitere Unterscheidung zwischen Gefahrguttransporten und anderen Transporten getroffen werden soll, muß für die Zwecke der vorliegenden Entscheidung nicht abschließend geklärt werden, da bei keiner der möglichen sachlichen Marktabgrenzungen ernste wettbewerbliche Bedenken entstehen. Auch kann die Frage offen bleiben, ob die Überlassung von Kesselwägen für Druckgase, Flüssigkeiten und für pneumatische Schüttgüter als eigene Märkte oder Teil eines gemeinsamen Marktes zu betrachten sind, da bei keiner der möglichen sachlichen Marktabgrenzungen ernste wettbewerbliche Bedenken entstehen. Bezüglich der Reparatur von Kesselwägen, die der Überlassung vorgelagert ist, kann die Frage etwaiger zusätzlicher Abgrenzungen (z.B. eigener Markt für den Neubau von Eisenbahngüterwägen) für die Zwecke des vorliegenden Falles ebenfalls offenbleiben, da bei allen möglichen alternativen Abgrenzungen wettbewerbliche Probleme nicht entstehen.

B. Räumlich relevante Märkte

Die Auffassung der Parteien

24. Nach Ansicht der Parteien ist für alle eingangs erwähnten Produktmärkte von einem einheitlichen europaweiten Markt auszugehen, der sich auf das Gebiet des EWR (ohne Island, in dem es keine Eisenbahn gibt), der Schweiz und die osteuropäischen Staaten mit Ausnahme der früheren Sowjetunion erstreckt. Zur Begründung ihrer Auffassung führen die Parteien an, daß die Kunden ihre Anbieter nicht aufgrund der geographischen Nähe oder Herkunft sondern nach reinen Preiskriterien aussuchen. Darüber hinaus machen die Parteien geltend, daß alle führenden Logistikanbieter ihre Dienste gleichermaßen im In- und Ausland anbieten.

25. Der Markt für die Reparatur, Wartung und Instandhaltung von Kesselwägen wird von den Parteien als national eingestuft, da diese in den Werkstätten desjenigen Staates erfolgen, in dem die Wagons registriert sind.

Die Ergebnisse der Marktuntersuchung

26. Ein Großteil der Marktteilnehmer im Logistikgeschäft sieht den Markt für die Überlassung von Kesselwägen auf der Schiene - wie von den Parteien dargestellt - als europaweit an, d.h. den EWR, die Schweiz und Osteuropa (mit Ausnahme der ehemaligen Sowjetunion) umfassend. Die Ermittlungen der Kommission bestätigten, daß die Kunden i.d.R. nicht an lokale bzw. nationale Anbieter gebunden sind, wenn diese auch fallweise für lokale Transporte oder aus historischen Gründen bevorzugt werden. Alle großen Logistikanbieter sind europaweit tätig, die im Gefahrgutbereich einschlägigen Normen und sonstigen Sicherheitsbestimmungen für Schienentransporte sind hinreichend harmonisiert. Der Schienenlogistikbereich ist derzeit hauptsächlich von westeuropäischen Unternehmen geprägt. Es bestehen jedoch Anzeichen für einen Markteintritt osteuropäischer Unternehmen, wie z.B. des polnischen Schienenlogistikanbieters DEC, der von GATX-Gruppe übernommen wurde und plant, seine Aktivitäten weiter nach Westeuropa auszudehnen.

27. Einige der befragten Marktteilnehmer vertraten außerdem die Auffassung, daß einzelne europäische Staaten bzw. Regionen, in concreto VK, Spanien und Portugal, Finnland und Irland u.U. nicht oder nur beschränkt Teil des oben erwähnten europaweiten Marktes seien, da in ihnen unterschiedliche technische Spezifikationen vorherrschen würden (wie z.B. andere Spurbreiten, unterschiedliche Lichtraumprofile, etc.).

28. Die Ermittlungen der Kommission bestätigten ferner aus den bereits von den Parteien vorgebrachten Gründen das Bestehen nationaler Märkte für die Reparatur, Wartung und Instandhaltung von Kesselwägen.

Schlussfolgerungen zur geographischen Marktabgrenzung

29. Die Ermittlungen der Kommission lassen das Bestehen eines Marktes für die Überlassung von Kesselwägen auf der Schiene erkennen, der den EWR, die Schweiz und die osteuropäischen Staaten mit Ausnahme der ehemaligen Sowjetunion umfaßt. Die Frage, ob einzelne europäische Staaten u.U. separate Märkte bilden muß im gegenständlichen Fall nicht abschließend beurteilt werden, da bei jeder möglichen Alternative wettbewerbliche Probleme nicht entstehen. Weiters kann letztlich die Frage, ob der Markt für die Überlassung von Kesselwägen außer den EWR-Staaten und der Schweiz auch die osteuropäischen Staaten (minus der ehemaligen Sowjetunion) einschließt, für die Zwecke dieser Entscheidung offen bleiben, da bei jeder der beiden Alternativen wettbewerbliche Probleme nicht entstehen. Die Reparatur von Kesselwägen wird aufgrund der Bindung an die Werkstätte des Registrierungslandes auf nationaler Ebene angeboten und nachgefragt.

C. Wettbewerbliche Beurteilung

Auswirkungen auf die Marktanteile

Überlassung von Kesselwägen für Tank- und Bulktransporte

a) Situation in Westeuropa (=EWR + Schweiz)

30. Bei der Betrachtung des Markts für die Überlassung von Kesselwägen hat die Kommission zwei Alternativen betrachtet, nämlich i) einen Gesamtmarkt für die Überlassung aller Kesselwägen für Tank- und Bulktransporte, und ii) getrennte Märkte für die Überlassung für Kesselwägen für Flüssiggüter, Druckgase und pneumatisch entladbare Schüttgüter.

31. Auf dem Gesamtmarkt für die Überlassung von Kesselwägen für Tank- und Bulktransporte haben die Parteien im EWR und der Schweiz (in Folge ,Westeuropa") gemeinsame Marktanteile von [30-40] %. Die Parteien sind damit etwa [ ] Mal so groß wie die größten Wettbewerber ERMEWA (Schweiz) und KVG (Deutschland).

32. In den einzelnen Segmenten bietet sich folgendes Bild: bei der Überlassung von Kesselwägen für Flüssiggüter, der mit etwa zwei Dritteln des Gesamtmarktes der bedeutendste Teilmarkt ist, haben die Parteien in Westeuropa gemeinsame Marktanteile von [30-40] %. Sie sind damit mehr als [ ] Mal so groß wie die größten Wettbewerber ERMEWA und KVG.

33. Im Segment der Überlassung von Kesselwägen für Druckgase, der etwa ein Viertel des Gesamtmarkts umfaßt, haben die Parteien in Westeuropa einen Marktanteil von [35-45] %. Sie sind damit etwa [ ] so groß wie der größte verbleibende Wettbewerber ERMEWA. Der Wettbewerber KVG ist in diesem Segment deutlich schwächer.

34. Das kleinste Segment mit etwa einem Achtel des Gesamtmarktes bildet die Überlassung von Kesselwägen für pneumatisch entladbare Schüttgüter. Auf diesem Markt erreichen die Parteien in Westeuropa kombinierte Marktanteile von [15-25] %. Damit sind die Parteien etwa [ ] Mal so groß wie die beiden größten Wettbewerber ERMEWA und KVG.

35. Es kann also zusammenfassend festgestellt werden, daß die Parteien unabhängig von der Marktabgrenzung vergleichbare Marktanteile und Größenverhältnisse zu den wichtigsten Wettbewerbern besitzen, im Segment für pneumatisch entladbare Schüttgüter ist die Marktposition sogar deutlich schwächer als auf dem Gesamtmarkt.

b) Situation auf allfälligen nationalen/regionalen Märkten

36. Aufgrund der unterschiedlichen Spurweite zwischen Finnland, Irland, Spanien und Portugal und dem Rest des EWR besteht die Möglichkeit, daß diese Länder nicht dem westeuropäischen Markt angehören. Der finnische und der irische Markt sind jedoch sehr klein und umfassen jeweils etwa 1 % des westeuropäischen Marktes. Des weiteren sind weder VTG noch ERD auf dem finnischen und irischen Markt tätig. Der spanisch-portugiesische Markt ist ebenfalls klein und umfaßt etwa 3% des westeuropäischen Marktes. Durch das Vorhaben kommt es nicht zu Überschneidungen zwischen den Parteien: ERD ist auf diesem Markt tätig, hat jedoch einen Marktanteil von unter 15%; VTG ist auf diesem Markt überhaupt nicht tätig.

37. Aufgrund des unterschiedlichen Lichtraumprofils [11] zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Rest des EWR besteht die Möglichkeit, daß das Vereinigte Königreich nicht dem westeuropäischen Markt angehört. Der Markt des Vereinigten Königreichs Markt ist jedoch klein und umfaßt etwa 4% des westeuropäischen Marktes. ERD ist Marktführer mit [30-40] % Marktanteil; VTG's Aktivitäten sind jedoch verschwindend gering ([ ]), so daß das Vorhaben ohne spürbare Auswirkungen auf die Stellung der Parteien im VK bleibt. ERD ist im Vereinigten Königreich auch auf dem Markt der Reparatur und Wartung von Kesselwägen führend und hat hier einen Marktanteil von [60-70]%. VTG ist auf diesem Markt nicht tätig. Des weiteren hat VTG auch keine Eisenbahnwaggons im Vereinigten Königreich eingestellt, so daß durch den Zusammenschluß keine vertikalen Effekte hervorgerufen werden.

[11] Dies bewirkt, daß Kesselwägen im Vereinigten Königreich normalerweise länger und schmäler sind als Kesselwägen in Kontinentaleuropa. Diese können problemlos in Kontinentaleuropa eingesetzt werden, während kontinentaleuropäische Kesselwägen im Vereinigten Königreich nur bedingt eingesetzt werden können.

38. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das angemeldete Vorhaben im Markt für die Vermietung von Kesselwägen und den seinen Untersegmenten in Westeuropa -unabhängig davon die eben genannten Länder als Teil dieses Marktes bilden oder nicht- zu signifikanten Marktanteilsadditionen und Marktführerschaft der Parteien führt. Der Verhaltensspielraum der Parteien wird jedoch durch mehrere Faktoren signifikant eingeschränkt.

Starke verbleibende Wettbewerber und Stellung der Kunden

39. Die beiden größten Wettbewerber, ERMEWA und KVG, sind beide in allen Segmenten des Marktes tätig. So verfügt ERMEWA im Rahmen von ERMEFRET über eine intensive Kooperation mit der französischen Staatsbahn SNCF, während KVG der amerikanischen GATX-Gruppe, dem größten internationalen Schienenlogistikunternehmen, angehört. Weiters gibt es zahlreiche mittelgroße Anbieter, mit deren Wettbewerb die Parteien auch nach dem Zusammenschluß konfrontiert werden. Schließlich handelt es sich beim Großteil der Kunden um internationale Konzerne und Industrieunternehmen, die große Mengen abnehmen und entsprechende Einkaufsmacht besitzen.

Wettbewerbsdruck aus den Mittel- und Osteuropäischen Ländern

40. Der Spielraum der Parteien wird auch durch Wettbewerber aus den Mittel- und Osteuropäischen Ländern (mit Ausnahme der Nachfolgestaaten der Sowjetunion) eingeengt. Die grenzüberschreitende Verwendung von Eisenbahnwagen ist durch Abkommen zwischen den Eisenbahnunternehmen wie das RIV [12] geregelt.

[12] Regolamento internazionale dei veicoli: Übereinkommen über die gegenseitige Benutzung der Güterwagen im internationalen Verkehr. Vertragsparteien sind 38 Eisenbahnen in Europa (mit Ausnahme der Nachfolgestaaten der Sowjetunion), Kleinasien und im Vorderen Orient

41. Die Übernahme der staatlichen polnischen Tankwagenflotte DEC (Dyrekcja Eksploatacji Cystern) durch den US-amerikanischen Bahnlogistikanbieter GATX Rail Corporation im vergangenen Jahr hat einen bedeutenden Wettbewerber geschaffen. DEC besitzt 11.500 Tankwagen, was 13% aller in Westeuropa eingestellten Tankwagen entspricht. DEC wurde durch diese Übernahme ein Schwesterunternehmen von KVG, einem der bedeutendsten Wettbewerber auf dem westeuropäischen Markt für die Überlassung von Kesselwagen.

42. Des weiteren bieten anstehende Privatisierungen der Kesselwagenflotten der übrigen Staatsbahnen Mittel- und Osteuropas potentiellen Wettbewerbern die Möglichkeit, in der Vermietung von Kesselwägen Fuß zu fassen. Die Marktzutrittschranken zu diesem Markt sind vor diesem Hintergrund als niedrig zu betrachten.

Wettbewerbsdruck durch den Straßentransport

43. Obwohl die Untersuchung der Kommission ergeben hat, daß es keine generelle Austauschbarkeit zwischen Bahntransport und Straßentransport gibt konnte festgestellt werden, daß in bestimmten Bereichen - vor allem bei geringeren Mengen und kürzeren Strecken - der Straßentransport einen gewissen Druck auf das Wettbewerbsverhalten der Anbieter auf der Schiene darstellt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, daß der Wettbewerbsdruck durch den Straßentransport den Handlungsspielraum der Parteien einschränkt.

Schlußfolgerungen zur wettbewerblichen Beurteilung

44. Aufgrund der zuvor angeführten Marktstellung der anmeldenden Parteien, der dargelegten Wettbewerbsbedingungen und unter Berücksichtigung sämtlicher alternativer Marktabgrenzungen schafft oder verstärkt der Zusammenschluss keine beherrschende Stellung, als deren Ergebnis wirksamer Wettbewerb im EWR oder einem wesentlichen Teil davon erheblich behindert würde.

V. SCHLUSS

45. Aus diesen Gründen hat die Kommission beschlossen, keine Einwände gegen den angemeldeten Zusammenschluß zu erheben und ihn mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen für vereinbar zu erklären. Diese Entscheidung beruht auf Art. 6(1)(b) der Fusionskontrollverordnung.

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