32001D0143

2001/143/EG: Entscheidung der Kommission vom 29. Dezember 2000 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/36.841 — Unisource) (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 4094)

Amtsblatt Nr. L 052 vom 22/02/2001 S. 0030 - 0032


Entscheidung der Kommission

vom 29. Dezember 2000

in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen

(Sache Nr. COMP/36.841 - Unisource)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 4094)

(Nur der englische, der niederländische und der schwedische Text sind verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2001/143/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages(1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1216/1999(2), insbesondere auf die Artikel 2 und 8 Absatz 3 Buchstabe a),

gestützt auf die Entscheidung 97/780/EG der Kommission vom 29. Oktober 1997 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache IV/35.830 - Unisource)(3),

im Hinblick auf den am 23. Dezember 1999 von Unisource NV (Unisource) und ihren drei Gesellschaftern Koninklijke KPN NV (KPN), Swisscom AG (Swisscom) und Telia AB (Telia) ("die beteiligten Unternehmen") gestellten Antrag auf Überprüfung der Bedingungen und Auflagen in der Entscheidung 97/780/EG,

nach Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts des Antrags und der Anmeldung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17(4),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

(1) Aufgrund der Marktentwicklung der letzten Jahre und der in dieser Zeit angelaufenen Verluste sehen sich die beteiligten Unternehmen nach eigenen Angaben veranlasst, ihre gemeinsame Tochtergesellschaft Unisource NV als Gemeinschaftsunternehmen für ihre internationale Expansionsstrategie aufzugeben. Sie haben folglich unwiderruflich beschlossen, den Tätigkeitsbereich von Unisource zu beschränken.

A. Gründung von Unisource und damit verbundene Vereinbarungen

(2) Die Unisource-Gesellschafter haben beschlossen, die strategische Allianz, die zur Gründung von Unisource geführt hat, aufzugeben. Sie wollen allerdings die Unisource-Vereinbarungen, also die Gründungsakte und die darin enthaltenen vertraglichen Vereinbarungen, bis zum Ablauf der Geltungsdauer beibehalten. Unisource soll als Holdinggesellschaft für die "AUCS Communication services vof" (AUCS) von KPN, Telia und Swisscom fortbestehen. Die AUCS, die Dienstleistungen für multinationale Unternehmen in Europa anbietet, wird inzwischen von Infonet geleitet (an dem das Unisource-Trio mit 56 % beteiligt ist).

B. Einschränkung des Tätigkeitsbereichs von Unisource

(3) Nach Angaben der beteiligten Unternehmen ist Unisource nach der Tätigkeitsbeschreibung in der Entscheidung 97/780/EG nur noch für die Bereitstellung von Mehrwert-Telekommunikationsdiensten an multinationale Unternehmen(5) tätig. Unisource bietet diese Dienste über AUCS vof (früher Uniworld) an. Am 29. Mai 1999 erwarb Unisource durch Übernahme von AT& T-Aktien das gesamte Unternehmen AUCS. Die Kommission erklärte diese Transaktion am 8. Juli 1999 in der Sache COMP/M.1581(6) für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

(4) Sämtliche anderen in der Entscheidung 97/780/EG beschriebenen Tätigkeiten wurden inzwischen aufgegeben. Folglich verbleit AUCS vof als einzige Unisource-Tochtergesellschaft.

Wettbewerbsverbote

(5) Infolge der Veräußerungen sind sämtliche in den ursprünglichen Vereinbarungen enthaltenen Wettbewerbsverbote aufgehoben. Es gibt keine Vereinbarungen mehr über einen Wettbewerbsverzicht zwischen AUCS und den Unisource-Gründern. KPN, Swisscom und Telia können am Markt für unternehmensorientierte Telekommunikationsdienstleistungen und auf allen anderen Märkten mit Unisource konkurrieren. Die Gründerunternehmen erklären, dass sich ihr Interesse an Unisource ausschließlich auf ihre finanzielle Beteiligung beschränkt.

Alleinvertriebsvereinbarungen

(6) Die in der Entscheidung 97/780/EG genannten Alleinvertriebsvereinbarungen zwischen einigen Unisource-Töchtern und den Unisource-Gesellschaftern sind inzwischen gegenstandslos, da diese Tochtergesellschaften veräußert wurden oder ihre Tätigkeit eingestellt haben.

C. Marktpräsenz

(7) Wie weiter oben ausgeführt wurde, beschränkt sich die Präsenz von Unisource auf den in der Entscheidung 97/780/EG beschriebenen sachlich relevanten Märkten auf die Bereitstellung von Mehrwert-Telekommunikationsdienstleistungen über AUCS/Infonet.

(8) Die Wettbewerbslage am Markt für globale Telekommunikationsdienstleistungen an multinationale Unternehmen wurde von der Kommission in ihrer Entscheidung vom 21. Februar 2000 in der Sache M.1741 "MCI WorldCom/Sprint"(7) untersucht. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen, die sich auf Daten von 1999 stützen, beträgt der Marktanteil von AUCS/Infonet an diesem Markt zwischen 4 und 11 %.

D. Marktaufsicht

(9) Im Unterschied zu der Marktsituation, als die Kommission ihre Freistellungsentscheidung erließ, sind die Telekommunikationsmärkte in der Gemeinschaft inzwischen liberalisiert, und jeder Mitgliedstaat verfügt über eine Regulierungsbehörde mit weitreichenden Interventionsbefugnissen.

(10) Die Kommission vertritt die Auffassung, dass KPN, Telia und Swisscom zwar weiterhin in ihren Heimatmärkten in fast allen Bereichen der Telekommunikationsdienstleistungen über sehr hohe Marktanteile verfügen, der Telekommunikationssektor aber in den Niederlanden und in Schweden inzwischen tatsächlich liberalisiert ist und im Vergleich zur Marktlage, als die Entscheidung 97/780/EG angenommen wurde, sowohl in diesen Ländern als auch in der Schweiz Wettbewerb besteht (siehe Fünfter Bericht der Kommission über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor)(8).

E. Stellungnahmen Dritter

(11) Zur Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 gingen keine Stellungnahmen Dritter ein.

II. RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen auf die Unisource-Vereinbarungen

(12) Laut Entscheidung 97/780/EG fallen die Unisource-Vereinbarungen in den Anwendungsbereich von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen. Die beteiligten Unternehmen werden diese Vereinbarungen zwar bis zum Ende der Geltungsdauer beibehalten, haben der Kommission jedoch mitgeteilt, dass sie unwiderruflich beschlossen haben, die Unisource-Allianz in ihrer ursprünglichen Gestalt aufzugeben. Ferner seien auch die Veräußerungen unwiderruflich, so dass die Unisource-Gruppe ihre Tätigkeit einstelle.

(13) Der Tätigkeitsbereich von Unisource, wie er in der Entscheidung 97/780/EG beschrieben ist, wird durch diese Entscheidung und durch die Veräußerungen erheblich beschränkt. Wie oben dargelegt, ist Unisource nur noch über AUCS/Infonet am Markt präsent. Alle anderen in der genannten Entscheidung aufgeführten Tochtergesellschaften wurden inzwischen veräußert. Ebenso wurden alle Tätigkeiten mit Ausnahme der Mehrwert-Telekommunikationsdienste aufgegeben. Es kann daher nicht länger davon ausgegangen werden, dass die Gründerunternehmen erhebliche Vermögenswerte für die Erbringung und Vermarktung von Telekommunikationsdienstleistungen in Unisource zusammengefasst haben (siehe Erwägungsgrund 75 der Entscheidung 97/780/EG).

(14) Den beteiligten Unternehmen zufolge entfallen auf die einzige verbleibende Unisource-Tochter AUCS nach den Zahlen für 1999 weniger als 3 % der Einnahmen der einzelnen Gründerunternehmen. Erklärte Absicht der beteiligten Unternehmen ist es, die Beziehungen zwischen Unisource und den Gründern auf einer rein finanziellen Ebene zu belassen. Die Gefahr einer Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründerunternehmen, wie sie in der Entscheidung 97/780/EG gesehen wurde, erscheint angesichts der Änderungen innerhalb der Unisource-Struktur wenig wahrscheinlich.

(15) Die Aufgabe des ursprünglichen Tätigkeitsbereichs der Unisource-Allianz bedeutet außerdem, dass jedes Gründerunternehmen in den in der Entscheidung 97/780/EG aufgeführten relevanten Märkten auf sich allein gestellt ist. KPN, Swisscom und Telia werden sogar mit AUCS/Infonet im Markt für die Erbringung globaler Telekommunikationsdienste an multinationale Unternehmen konkurrieren. Die Erhaltung von AUCS/Infonet als unabhängigen Marktteilnehmer wird den Wettbewerb in diesem Markt, in dem weltweit nur wenige Unternehmen aktiv sind, erhöhen(9).

B. Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen auf die Vertragsvereinbarungen

(16) Die Vertragsvereinbarungen, die nach der Entscheidung 97/780/EG unter Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen fallen, werden nicht länger angewendet.

(17) Die einzige verbleibende Tätigkeit von Unisource ist deren Beteiligung an AUCS. Es gibt kein zwischen den Gründerunternehmen und Unisource vereinbartes Wettbewerbsverbot für die von AUCS angebotenen Dienste. KPN, Telia und Swisscom steht es somit frei, mit AUCS bei der Erbringung von Mehrwert-Telekommunikationsdiensten an multinationale Unternehmen in Wettbewerb zu treten. KPN hat beispielsweise ein Gemeinschaftsunternehmen errichtet (KPN Qwest), das globale Telekommunikationsdienste anbietet. Sowohl Swisscom als auch Telia bieten solche Dienste ihren jeweiligen Kunden in direktem Wettbewerb mit Unisource/AUCS an.

(18) Die ursprünglichen Alleinvertriebsvereinbarungen bestehen nicht mehr. Sie können daher weder die Wettbewerbsbedingungen im EWR noch in der Schweiz beeinträchtigen(10). Auch haben Unisource und ihre Gesellschafter keine neuen Alleinvertriebsvereinbarungen in Bezug auf AUCS-Dienste geschlossen.

(19) Es ist daher festzustellen, dass die Unisource-Vereinbarungen den Wettbewerb auf den relevanten Märkten nicht spürbar beeinträchtigen -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Entscheidung 97/780/EG wird aufgehoben.

Artikel 2

Nach den ihr bekannten Tatsachen besteht für die Kommission kein Anlass, gegen die Kooperation zwischen Koninklijke KPN NV, Swisscom AG und Telia AB im Rahmen ihres Gemeinschaftsunternehmens Unisource aufgrund von Artikel 81 Absatz 1 EGVertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen einzuschreiten, nachdem der Umfang dieser Kooperation eingeschränkt worden ist.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist gerichtet an:

1. Koninklijke KPN NV Telecomplein 5 2516 CK Den Haag Nederland

2. Telia AB Mårbackagatan 11 S - 12386 Farsta

3. Swisscom AG Lindenhofstrasse 1 CH - 3048 Worblaufen

4. Unisource NV

"Transpolis"

Polarisavenue 97 2137 JH Hoofddorp Nederland

Brüssel, den 29. Dezember 2000

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. 13 vom 21.2.1962, S. 204/62.

(2) ABl. L 148 vom 15.6.1999, S. 5.

(3) ABl. L 318 vom 20.11.1997, S. 1.

(4) ABl. C 217 vom 29.7.2000, S. 35.

(5) Bereitstellung durchgängiger internationaler Sprach-, Daten-, Internet- und Textdienste für multinationale Unternehmen in Europa.

(6) ABl. C 328 vom 17.11.1999, S. 7.

(7) Pressemitteilung IP/00/668.

(8) KOM(1999) 537 endg. vom 10.11.1999 - abrufbar unter http://europa.eu.int/ispo.

(9) Vergleiche Entscheidung der Kommission vom 21. Februar 2000 in der Sache M.1741 "MCI WorldCom/Sprint".

(10) Vergleiche Erwägungsgrund 83 der Entscheidung 97/780/EG.