32000D0536

2000/536/EG: Entscheidung der Kommission vom 2. Juni 1999 über die von Italien dem Unternehmen Seleco SpA gewährte staatliche Beihilfe (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(1999) 1524) (Text von Bedeutung für den EWR) (Nur der italienische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 227 vom 07/09/2000 S. 0024 - 0040


Entscheidung der Kommission

vom 2. Juni 1999

über die von Italien dem Unternehmen Seleco SpA gewährte staatliche Beihilfe

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(1999) 1524)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2000/536/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a),

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. VERFAHREN

(1) Mit dem am 30. März 1994 eingetragenen Schreiben hat die autonome Region Friaul-Julisch Venetien bei der Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag das Regionalgesetz Nr. 47/94 mit Sondermaßnahmen zugunsten des Unternehmens Seleco SpA mit Sitz in Pordenone (im Folgenden "die Seleco") angemeldet.

(2) Mit Schreiben vom 12. April 1994 und 26. Juli 1994 hat die Kommission von den italienischen Behörden zusätzliche Auskünfte verlangt. Italien hat diese Schreiben nicht beantwortet. Aus Pressemeldungen erfuhr die Kommission, dass die angemeldete Maßnahme am 6. August 1994 durchgeführt worden war, bevor sich die Kommission dazu äußern konnte. Deshalb wurde die Beihilfe am 18. August 1994 aus dem Register der angemeldeten Beihilfen gestrichen und in das Register der nicht angemeldeten Beihilfen unter der Nummer NN 92/94 eingetragen. Außerdem ist der Kommission zur Kenntnis gelangt, dass das Unternehmen Ristrutturazione Elettronica SpA (im Folgenden "die REL") aufgrund einer 1994 geschlossenen Vereinbarung zur Deckung der Verluste des Geschäftsjahrs 1993 teilweise auf seine Forderungen gegenüber der Seleco verzichtet hatte.

(3) Da der Kommission von den italienischen Behörden keine zusätzlichen Auskünfte übermittelt wurden und da sie Zweifel an der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt hegte, hat sie am 27. September 1994 beschlossen, das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(4) Die italienischen Behörden sind mit Schreiben vom 10. Oktober 1994 von der Verfahrenseinleitung unterrichtet worden. Italien hat mit Schreiben vom 27. März 1995 Stellung genommen. Die Kommission hat die Beteiligten durch Veröffentlichung dieses Schreiben im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften(1) ebenfalls zur Stellungnahme aufgefordert. Auf diese Veröffentlichung gingen keine Stellungnahmen seitens Dritter ein.

(5) Die Kommission hat mit Schreiben vom 26. Oktober 1994, 30. Januar 1995, 19. April 1995, 7. Juli 1995, 25. August 1995 und 19. November 1996 die italienischen Behörden um eingehendere Auskünfte gebeten, die ihr mit Schreiben vom 10. November 1994, 31. März 1995, 27. Juni 1995, 19. Dezember 1995, 22. Januar 1996, 5. Dezember 1996 und 11. Februar 1997 erteilt wurden. Weitere Erläuterungen wurden auf einer Zusammenkunft zwischen Vertretern der Kommission und der italienischen Regierung am 22. November 1995 gegeben.

(6) Als die Kommission das Verfahren abschließen wollte, erhielt sie wiederum durch Pressemeldungen Kenntnis von anderen öffentlichen Maßnahmen zugunsten der Seleco. Mit Schreiben vom 19. November 1996 hat die Kommission die italienischen Behörden um genauere Auskünfte zu diesen Maßnahmen gebeten, die die italienischen Behörden mit Schreiben vom 5. Dezember 1996 und 11. Februar 1997 erteilt haben. Durch diese Auskünfte sah sich die Kommission veranlasst, mit Beschluss vom 3. Februar 1998 das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag auf die neuen Maßnahmen auszuweiten.

(7) Die italienischen Behörden wurden mit Schreiben vom 18. Februar 1998 über die Ausweitung des Verfahrens unterrichtet. Dazu hat sich Italien nicht innerhalb der festgesetzten Frist geäußert. Die Kommission hat alle Beteiligten durch Veröffentlichung dieses Schreibens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften(2) aufgefordert, sich zu der fraglichen Beihilfe zu äußern. Es sind jedoch keinerlei Stellungnahmen eingegangen.

(8) Da die italienischen Behörden sich nicht erklärten, wurde am 15. Juli 1998 ein Erinnerungsschreiben verschickt, in dem es hieß, dass sie im Falle einer ausbleibenden Antwort eine Anordnung erhielten. Die italienischen Behörden haben am 30. Juli 1998 um eine zusätzliche Frist bis 4. September 1998 gebeten.

(9) Infolge der formellen und informellen Mahnschreiben haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 21. September 1998 der Kommission mitgeteilt, dass am 17. April 1997 über die Seleco der Konkurs eröffnet worden war, d. h. zehn Monate vor der Mitteilung über die Ausweitung des Verfahrens. Aufgrund dessen hat die Kommission mit Schreiben vom 29. September 1998 von den italienischen Behörden zusätzliche Auskünfte über das Verfahren zur Liquidierung der Seleco gefordert. Da am 17. November 1998 nur Teilinformationen eingegangen waren, hat die Kommission am 2. Dezember 1998 eine Entscheidung zur Anordnung der Auskunftserteilung(3) erlassen, um die fehlenden Angaben zu erhalten. Die Antwort der italienischen Behörden auf diese Anordnung ist der Kommission mit Schreiben vom 18. Januar 1999 zugegangen. Um weitere Erläuterungen wurde mit Schreiben vom 28. April 1999 gebeten, auf das die italienische Regierung am 21. Mai 1999 geantwortet hat.

II. BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

II.1. Der Beihilfeempfänger

(10) Das Unternehmen Seleco mit Sitz in Pordenone (Friaul-Julisch Venetien) war auf dem Markt der Verbrauchselektronik und speziell in drei Sektoren tätig: Farbfernsehgeräte, Programmdecoder (Pay-TV) und "professionelle" Ausrüstungen (Videoprojektionsgeräte und Monitoren). Wie andere Unternehmen dieses Industriezweigs in Italien hat die Seleco in den letzten zehn Jahren regelmäßig staatliche Beihilfen von der REL erhalten(4).

(11) Die Seleco-Gruppe war hauptsächlich in Italien vertreten, besaß aber auch Tochtergesellschaften in Malta, in Spanien (bis Ende 1993), in Deutschland und in den Niederlanden. Absatzgebiet der Gruppe waren die gesamte Gemeinschaft und die EWR-Länder.

(12) Folgender Tabelle sind die Angaben für Umsatz, Gewinn und Grundkapital der Gruppe (ab 1993) zu entnehmen:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(13) Die Ergebnisse des Jahres 1996 wurden nicht mitgeteilt. Der Umsatz des Jahres 1993 bestand zu 75 % aus Farbfernsehgeräten, zu 6 % aus Decodern und zu 4 % aus Videoprojektionsgeräten.

(14) Am 17. April 1997 wurde durch Gerichtsbeschluss der Konkurs über die Seleco eröffnet. Die Passiva der Gruppe beliefen sich auf rund 154 Mrd. ITL, wovon rund 43 % bevorrechtigte Forderungen waren. Dieser Beschluss wurde der Kommission erst am 21. September 1998 aufgrund zahlreicher Mahnschreiben mitgeteilt, mit denen Angaben im Rahmen der Verfahrensausweitung verlangt wurden.

II.1.1. Die Kapitalerhöhung des Jahres 1994

(15) Das Seleco-Kapital belief sich am 31. Dezember 1993 auf 54,48 Mrd. ITL und wurde von der SOFIN, der REL und der Friulia SpA (nachstehend "die Friulia") zu folgenden Anteilen gehalten:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(16) Die SOFIN SpA war ein Privatunternehmen, die Friulia eine 100 %ig von der Region Friaul-Julisch Venetien kontrollierte Finanzierungsgesellschaft zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung der Region, während die 1982 gegründete REL vom Ministerium für Industrie, Handel und Handwerk kontrolliert wurde. Zweck letzterer Gesellschaft war die Neugestaltung des Verbrauchselektroniksektors durch Gründung von Gesellschaften, Beteiligungen und Finanzierungsmaßnahmen für Unternehmen, an denen sie Beteiligungen hielt.

(17) Die Kommission hatte bereits Gelegenheit, sich zur Tätigkeit der REL zu äußern. Mit Entscheidung vom 17. Januar 1984 hatte die Kommission die italienische Regierung aufgefordert, die Umstrukturierung des von der REL beherrschten Elektroniksektors zu beenden.

(18) Mit Entscheidung vom 20. Mai 1992(5) hat die Kommission nach Abschluss des am 16. Juli 1991 eingeleiteten Verfahrens von den italienischen Behörden die Liquidation der REL verlangt und die Zusage der italienischen Regierung zur Kenntnis genommen, die Beteiligungen der REL an den Unternehmen des Sektors an Privataktionäre zu veräußern.

(19) Das Geschäftsjahr 1993 war für die Seleco-Gruppe noch schwieriger als die Vorjahre. Das Nettoergebnis wies einen Verlust von 77,5 Mrd. ITL auf, ein Betrag, der bei weitem über dem Nettovermögen (60,6 Mrd. ITL) lag. Das italienische Gesetz bestimmt, dass sich die Aktionäre in einer derartigen Situation für die Liquidation der Gesellschaft oder für die Senkung ihres Kapitals zur Deckung der Verluste und die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft im Falle der Nichtliquidation entscheiden müssen. Aus dem Jahresbericht 1993 geht hervor, dass die Aktionäre sich für die erste Alternative entschieden haben, d. h. die Liquidation der Seleco (Entscheidung des Verwaltungsrats vom 1. Februar 1994).

(20) Die Bekanntgabe dieser Maßnahme hatte jedoch erhebliche Unzufriedenheit aufseiten der Beschäftigten zur Folge, die die Fortsetzung des Liquidationsverfahrens verhindert haben. Die Protestkundgebungen haben die nationalen und lokalen öffentlichen Stellen zum Eingreifen veranlasst, um die Aktionäre zu überreden, ihre Entscheidung zu ändern. Aus dem Jahresbericht 1993, der auch die Ereignisse der ersten Monate des Jahres 1994 erfasst, ergibt sich, dass sich die Aktionäre infolge des Eingreifens der öffentlichen Stellen auf die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft nach Ausgleich der Verluste geeinigt hatten. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Einigung in einer Direktive des italienischen Ministerrats festgehalten wurde, die der Gesellschaft mitgeteilt wurde.

(21) Aufgrund dieser Einigung war die REL verpflichtet, alle das Grundkapital übersteigenden Verluste auszugleichen, einschließlich der Teile, die von den anderen Aktionären hätten übernommen werden müssen, und teilweise auf ihre Forderungen gegenüber der Seleco zu verzichten (16,8 Mrd. von 82 Mrd. ITL). Die REL akzeptierte diesen Teilverzicht unter der Bedingung, dass die anderen Aktionäre das Seleco-Kapital bis 45 Mrd. ITL erneuern. Somit brachten die Friulia 13 Mrd. ITL und die SOFIN 19 Mrd. ITL ein. Der Restbetrag in Höhe von 10,5 Mrd. ITL wurde von einem vorwiegend aus Privatbanken bestehenden Konsortium gezeichnet, und zwar im Verhältnis zu den Forderungen gegenüber der Seleco (162 Mrd. ITL, das sind 40 % der Gesamtverschuldung).

(22) Das neue Kapital verteilt sich somit folgendermaßen:

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II.1.2. Die Kapitalerhöhung des Jahres 1996

(23) Die Kapitalerhöhung des Jahres 1994 war für das Unternehmen ebenso schwierig wie die Vorige. Wegen der Verzögerung bei der Kapitalerhöhung (Ende August) wurde die Produktionstätigkeit acht Wochen lang unterbrochen, die Belegschaft wurde um 336 Arbeitnehmer (von 1424 auf 1088) abgebaut und fünf Tochtergesellschaften gerieten in Konkurs. Die Gesellschaft hatte Verluste in Höhe von 39,2 Mrd. ITL zu verzeichnen.

(24) Ende des Geschäftsjahres 1995 hatte die Seleco neue Verluste in Höhe von 64,2 Mrd. ITL zu verzeichnen, die eine weitere Senkung des Grundkapitals (3,9 Mrd. ITL) unter die gesetzliche Grenze bewirkt haben. Diese schlechten Ergebnisse waren auf eine neuerliche Unterbrechung der Produktionstätigkeit für eine Dauer von 50 Tagen und die endgültige Schließung von drei in Konkurs geratenen Tochtergesellschaften zurückzuführen. Die Arbeitnehmerzahl sank auf 821.

(25) Die Aktionäre befanden sich daher in der gleichen Lage wie 1994. Sie hatten gezwungenermaßen erneut zwischen der Liquidation oder der Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft zu wählen und haben sich dafür entschieden, das Grundkapital auf 32,7 Mrd. ITL aufzustocken, während ein neuer Aktionär, die Privatgesellschaft SOREC, die notwendigen 28,8 Mrd. ITL einbrachte.

(26) Im Februar 1996 wies das Seleco-Kapital daher folgende Struktur auf:

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(27) Der Einstieg des neuen Privataktionärs war an eine zusätzliche öffentliche Finanzmaßnahme der REL vom Juni des gleichen Jahres gekoppelt. Es handelte sich um die 20 Mrd. ITL betragende Tilgung der sich auf 65,2 Mrd. ITL belaufenden Restschuld der Gesellschaft gegenüber der REL. Dadurch wurden der Seleco weitere Aktiva in Höhe von 48,5 Mrd. ITL zugeführt. Trotz dieser beiden Vorgänge blieb das Grundkapital wegen der aufgelaufenen Verluste noch unter der gesetzlichen Grenze.

(28) Da diese Maßnahmen nicht ausreichten, um vom rechtlichen Standpunkt aus die Fortsetzung der Tätigkeit zu gewährleisten, waren andere Maßnahmen notwendig, die folgende Formen annahmen: i) eine Obligationsanleihe in Höhe von 12 Mrd. ITL, die von der Seleco begeben und von einem Konsortium mehrheitlich privater Banken gezeichnet wurde; ii) ein von der Friulia gewährtes konvertierbares Darlehen über 12 Mrd. ITL; iii) die Veräußerung der Aktien der Seleco Multimedia srl (nachstehend "die Multimedia") zum Preis von 20 Mrd. ITL.

(29) Aus dem Jahresbericht 1995, der auch einen Gutteil des Jahres 1996 erfasst, ergibt sich trotz der Kapitalerhöhung vom Februar 1996 und der erwähnten Sondermaßnahmen für die Seleco eine weiterhin sehr schwierige Lage. Das Nettoergebnis des Geschäftsjahres 1996 war noch negativ und wurde der Kommission übrigens nicht mitgeteilt. Deshalb wurde am 17. April 1997 durch Gerichtsbeschluss der Konkurs gegenüber der Seleco eröffnet.

II.1.3. Die Gründung der Multimedia

(30) Die Gesellschaft Multimedia wurde 1995 von Herrn Rossignolo, dem größten Privataktionär der Seleco, mit einem Stammkapital von 20 Mio. ITL gegründet. Im März 1996 hat die Seleco, deren Mehrheitsaktionär (87,9 % der Aktien) SOREC war, eine private Gesellschaft im Eigentum von Herrn Rossignolo, in der Multimedia ihre rentabelsten Aktivitäten (Monitoren und Videoprojektionsgeräte) zusammengefasst, 29 Mrd. ITL als Kapital eingebracht und war so der einzige Eigentümer geworden. Aus der Multimedia wurde damit die Seleco Multimedia srl. Im Juli 1996, d. h. neun Monate vor ihrem Konkurs, hat die Seleco 33,33 % der Aktien der Seleco Multimedia srl an die Italtel (eine zu 50 % in öffentlicher und zu 50 % in privater Hand befindliche Gesellschaft), den einzigen anderen italienischen Produzenten der gleichen Art von Produkten, und 33,33 % an die Friulia verkauft. Der Verkaufspreis jedes dieser beiden Aktienpakete belief sich auf 10 Mrd. ITL. Die übrigen 33,33 übertrug die Seleco auf die Finanziaria Elettronica srl, eine Scheingesellschaft, die sie direkt zu 99 % kontrollierte. Das Aktienpaket (33,33 % des Kapitals) der Seleco Multimedia srl, die die Seleco über die Finanziaria Elettronica srl kontrollierte, wurde dem privaten Unternehmen Formenti SpA in dem gerichtlichen Zwangsverkauf zugeschlagen, der am 20. Dezember 1997 im Rahmen der Liquidation der Seleco stattfand.

II.2. Die den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Maßnahmen

(31) Folgende Maßnahmen sind Gegenstand dieses Verfahrens:

- der 1994 erfolgte Teilverzicht auf die Forderungen der REL gegenüber der Seleco (16,8 Mrd. ITL von 82 Mrd. ITL);

- die Umwandlung der Forderung von 6 Mrd. ITL in Seleco-Aktien und die sich auf 7 Mrd. ITL belaufende Zuführung neuen Kapitals (aus öffentlichen Mitteln) durch die Friulia im Rahmen der Kapitalerhöhung des Jahres 1994;

- die 10,5 Mrd. ITL betragende Beteiligung eines mehrheitlich aus privaten Banken bestehenden Konsortiums an der Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994;

- die auf 20 Mrd. ITL bezifferte Tilgung im Juli 1996 der 66 Mrd. ITL betragenden Restschuld der REL gegenüber der Seleco;

- das im April 1996 von der Friulia gewährte konvertierbare Darlehen über 12 Mrd. ITL gegen eine Verpfändung der vier Industriemarken der Seleco (Seleco, Brionvega, Elbe und Tandberg) mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Zinssatz von 7 %;

- die Wandelschuldverschreibungsanleihe in Höhe von 12 Mrd. ITL, die 1996 von einem mehrheitlich aus privaten Banken bestehenden Konsortium mit einer Laufzeit von vier Jahren und zehn Monaten und einem Zinssatz von 5 % begeben wurde;

- der Erwerb durch die Friulia und die Italtel von je einem Drittel der Aktien der Multimedia zum Preis von jeweils 10 Mrd. ITL.

III.1. Von der Kommission bei der Einleitung und Ausweitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 geäußerte Zweifel

(32) In ihrem Beschluss vom 27. September 1994 zur Einleitung des Verfahrens hat die Kommission bezweifelt, ob auf die staatlichen Maßnahmen der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers angewandt werden kann und ob die fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Die Gründe, die die Kommission zur Verfahrenseinleitung veranlasst haben, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.

(33) Zu den Maßnahmen des Jahres 1994 bemerkte die Kommission, dass sich die italienische Regierung verpflichtete, die REL zu veranlassen, ihre Beteiligung an der Seleco bis 20. Dezember 1995 gemäß der Entscheidung vom 20. Mai 1992 an Privataktionäre zu veräußern. Sie stellte fest, dass die Kapitalerhöhung bewirkt hatte, dass an die Stelle des öffentlichen Aktionärs (der REL) ein anderer, ebenfalls öffentlicher Aktionär (die Friulia) trat. Anhand der ihr vorliegenden Angaben konnte die Kommission nicht ermitteln, ob die Friulia SpA und die beteiligten öffentlichen Banken das Seleco-Kapital vor dem 20. Dezember 1995 abgestoßen hatten. Außerdem gab die Kommission zu bedenken, dass sie in der Entscheidung vom 20. Mai 1992 festgestellt hatte, dass sie grundsätzlich jede künftige Maßnahme in einem Sektor, der so lange Beihilfen erhalten hatte, ablehnen würde. Doch der Teilverzicht der REL auf ihre Forderungen gegenüber der Seleco kam der Gewährung einer neuen Beihilfe seitens letzterer gleich, da sie de facto die Erhöhung des Seleco-Kapitals durch die Friulia, die SOFIN und die Banken ermöglichte.

(34) Da die Aktienbeteiligung der Friulia und der Banken nur vorübergehend war, bezweifelte die Kommission sowohl die Rentabilität der Investitionen als auch die Einhaltung der Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten(6).

(35) Anlässlich der Verfahrensausweitung am 3. Februar 1998 fragte sich die Kommission einerseits, ob die Zinssätze für die durch die Seleco vorgenommene Tilgung ihrer Restschuld gegenüber der REL angemessen waren und ob es mit dem konvertierbaren Darlehen der Friulia seine Richtigkeit hatte. Was den ersten Vorgang betrifft, so spiegelte nach Ansicht der italienischen Behörden der Satz von 19 % genau die hohen wirtschaftlichen Risiken in Verbindung mit der ökonomischen Lage der Gesellschaft (d. h. der Seleco) wider, während sie hinsichtlich des zweiten Vorgangs die Ansicht vertrat, dass der 7 %ige Zinssatz dem Marktzins für ein Unternehmen, das sich in der Lage der Seleco befindet, entsprach.

(36) Immer noch im Rahmen der Verfahrensausweitung bezweifelte die Kommission ebenfalls, ob der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers auf den Erwerb der beiden Aktienpakete der Multimedia durch die Friulia und die Italtel anwendbar ist.

III.2. Der Standpunkt der italienischen Behörden

(37) Was den Verzicht seitens der REL auf die Rückzahlung von 16 Mrd. ITL (von einem Gesamtforderungsbetrag in Höhe von 82 Mrd. ITL) betrifft, steht nach Ansicht der italienischen Behörden dieser Vorgang mit dem Grundsatz des marktwirtschaflich handelnden privaten Kapitalgebers in Einklang.

(38) Nach der Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1992 war die REL faktisch verpflichtet, das Seleco-Kapital abzustoßen. Außerdem war die REL, die sich seit dem 19. Dezember 1992 in Liquidation befand, aufgrund des italienischen Gesetzes nur verpflichtet, ihre eigenen Schulden zu zahlen und zu versuchen, den maximalen Betrag ihrer Forderungen gegenüber anderen Gesellschaften des Elektroniksektors beizutreiben. Doch aufgrund der besonders ungünstigen Ergebnisse des Jahres 1993 stand die REL, wie im Übrigen alle anderen Aktionäre, vor der Entscheidung, den Konkurs der Seleco herbeizuführen oder den Fortbestand der Gesellschaft zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung der genannten Kommissionsentscheidung konnte sich die REL nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen, sondern nur an der Deckung der Seleco-Verluste im Geschäftsjahr 1993, und zwar unter Verzicht auf einen Teil ihrer Forderungen. Diese Lösung bot die Möglichkeit, den maximalen Betrag ihrer Forderungen beizutreiben.

(39) Außerdem hat nach Auffassung der italienischen Behörden die REL auf ihre Forderungen nicht ohne eine Gegenleistung der anderen Aktionäre verzichtet, die sich verpflichtet hatten, die Kapitalerhöhung zu 45 Mrd. ITL zu zeichnen und der REL nach und nach die Restschuld (65,2 Mrd. ITL) zurückzuzahlen.

(40) Der Beitrag der Friulia zur Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994 belief sich auf 13 Mrd. ITL, wovon 6 Mrd. ITL aus der Umwandlung eines gleich hohen Darlehens in Aktien stammten und 7 Mrd. ITL neues Kapital darstellten. Zur Rechtfertigung dieses Vorgangs verwiesen die italienischen Behörden auf das Risiko, dass im Falle des Seleco-Konkurses nicht das gesamte Darlehen hätte zurückgezahlt werden können. Um die Rentabilität der Investitionen und die wirtschaftliche Entwicklung der Seleco von 1994 bis 1998 zu prüfen, hatte die Friulia bei einem externen Berater (Peat Marwick) eine Studie in Auftrag gegeben. Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Angaben kam die Friulia zu dem Schluss, dass sich die Lage des Unternehmens dank des von dem Privataktionär für den Zeitraum 1993-1996 ausgearbeiteten Umstrukturierungsplans nach und nach verbessert hätte. Daher vertreten die italienischen Behörden die Meinung, dass sich die Friulia wie ein marktwirtschaftlich handelnder Investor verhalten hätte, und betonten außerdem, dass der Privataktionär der Seleco (SOFIN) bereit war, in die Gesellschaft erneut zu investieren, weil er von deren ökonomisch-finanzieller Rentabilität überzeugt war.

(41) An der Erhöhung des Seleco-Kapitals hat sich auch mit 10,5 Mrd. ITL ein Konsortium aus mehrheitlich privaten Banken beteiligt, die nach Aussagen der italienischen Behörden davon überzeugt waren, dass die Gesellschaft in kurzer Zeit wieder wirtschaftlich und finanziell rentabel sein würde.

(42) Das von der Friulia am 19. April 1996 gewährte konvertierbare Darlehen in Höhe von 12 Mrd. ITL mit einem Jahreszins von 7 % wurde durch ein Pfandrecht auf die vier im Besitz der Seleco SpA befindlichen Industriemarken (Seleco, Brionvega, Elbe und Tandberg) gesichert. Nach Ansicht der italienischen Behörden ist dieses Pfandrecht vollkommen gerechtfertigt, weil das mehrheitlich aus privaten Banken bestehende Konsortium zugunsten der Seleco eine gleich hohe Wandelschuldverschreibungsanleihe mit einem Jahreszins von 5 % gezeichnet hatte.

(43) Dass die Seleco im Juni 1996 zum Preis von 20 Mrd. ITL die sich auf 66 Mrd. ITL belaufende Restschuld gegenüber REL getilgt hat, war nach Meinung der italienischen Behörden durch die Anwendung eines Aktualisierungszinses von 19 % gerechtfertigt. Dieser Satz ergibt sich, wenn man den Basissatz von 13-14 %, der dem damals von den Banken für hypothekarisch gesicherte Immobiliendarlehen und für mittelfristige Finanzierungen mit entsprechenden Garantien praktizierten Satz entspricht, einen "spread" von 5-7 % hinzurechnet, in dem sich die Schwierigkeiten der Seleco-Gruppe und des Marktes, auf dem sie tätig war, widerspiegelt.

(44) Was die Entscheidung der Italtel betrifft, 33,33 % der Multimedia-Aktien zu erwerben, behaupten die italienischen Behörden, dass diese Entscheidung nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des Privataktionärs dieser Gesellschaft (der Siemens AG) möglich gewesen wäre.

(45) Wie die italienischen Behörden mitgeteilt haben, ist die SOREC, die mit 87 % nach der Kapitalerhöhung des Jahres 1996 an der Seleco beteiligt ist, ein Privatunternehmen. Hier ist zu bemerken, dass sich diese Gesellschaft seit 28. Juli 1997 in der freiwilligen Liquidation befindet.

(46) Das Scheitern des Umstrukturierungsplans 1993-1996 wäre unter anderem auf die ungünstige Lage am Markt für Verbrauchselektronik, auf dem die Gesellschaft tätig war, zurückzuführen.

(47) Die Seleco hätte sich an der Multimedia vor allem deswegen beteiligt, um sich mit dem einzigen anderen italienischen Hersteller dieser Art von Produkten (Videoprojektionsgeräte, Monitoren und Decodern), d. h. der Italtel, zusammenzuschließen und auf diese Weise von der gemeinschaftlichen Nutzung des technischen Know-hows und der Kundschaft der Seleco auf diesem Markt zu profitieren. Andererseits ermöglichte es der Verkauf der Multimedia-Aktien der Seleco, sich einen Teil der für die Deckung des Verlusts des Jahres 1995 notwendigen Barmittel zu beschaffen.

(48) Anfang 1997 ist die Seleco in Konkurs geraten. Ihre Schulden beliefen sich auf rund 154 Mrd. ITL, wovon 43 % bevorrechtigte Forderungen waren. Die Gläubiger, die zu einer ersten partiellen Aufteilung der Aktiva über einen Betrag von 40 Mrd. ITL vor Ende des Jahres 1998 zugelassen waren, waren die Beschäftigten, die 28,2 Mrd. ITL erhielten, der Medio Credito (staatliche Bank), der 8,5 Mrd. ITL plus 1 Mrd. Zinsen erhielt und die (private) Banca Antoniana, die 1,1 Mrd. ITL erhielt; dabei handelte es sich sämtlich um bevorrechtigte Gläubiger.

(49) Schließlich hat der Konkursverwalter eine Widerrufsklage gegen die Tilgung erhoben, mit der die 65,2 Mrd. ITL betragende Restschuld der Seleco gegenüber der REL zum Preis von 20 Mrd. ITL zurückgezahlt werden sollte. Das Gericht hat die Bevorrechtigung der 13-Milliarden-Schuld gegenüber der Friulia aufgehoben. Letztere hat 1 Mrd. ITL als Ausgleich für den Verlust des Pfandrechts auf die vier Industriemarken der Seleco, die ihr als Sicherheit überlassen worden waren, erhalten.

IV. BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG

(50) Nach Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 61 Absatz 1 EWR-Abkommen sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigungen bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(51) Aus nachstehenden Gründen ist die Kommission der Ansicht, dass die Maßnahmen, auf die sich dieses Verfahren bezieht, mit Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 61 Absatz 1 EWR-Abkommen unvereinbare staatliche Beihilfen darstellen. Es handelt sich um aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahmen, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, da sie eine wirtschaftliche Vergünstigung darstellen, die anderen Herstellern nicht zugute kommt. Diese Vergünstigung hat es dem Beihilfeempfänger ermöglicht, auf dem Markt künstlich zu überleben, ohne einen Großteil der notwendigen finanziellen Lasten tragen zu müssen. Die fraglichen Maßnahmen beeinträchtigen auch den innergemeinschaftlichen Handel, da das Empfängerunternehmen über Tochtergesellschaften in vielen Mitgliedstaaten verfügte und seine Produktion auch für andere EWR-Länder bestimmt war.

(52) Nach Jahren des Wachstums begann der europäische Sektor der Verbrauchselektronik ab 1992 eine rückläufige Entwicklung zu verzeichnen. Der Verbrauch war um 4 Mrd. ECU und die Produktion um 2,5 Mrd. ECU gesunken. Die Zahl der Beschäftigten hat viel eindeutiger abgenommen als in der verarbeitenden Industrie, während die Arbeitskosten überproportional zur Produktivitätssteigerung angezogen haben (44 % mehr je Einheit gegenüber 33 % Produktivitätszuwachs)(7).

(53) Die Wirtschaftsrezession ergab ein langsameres Wachstum, stärkere Konkurrenz und einen erheblichen Preiseinbruch. Dies führte zu Überkapazitäten auf dem Markt, da der Preissturz den Verkauf elektronischer Erzeugnisse gefördert hatte. Dem "Panorama der EU-Industrie" zufolge konnte die Nachfrage 1994 in zwei Segmente aufgeteilt werden: das obere und das untere. Beim ersten Segment waren die Erfolgsfaktoren der Preis, der Kundendienst und die Vertriebsqualität, während es beim zweiten Segment die Verbesserung des Markenimages und die Ausweitung der Vertriebsnetze auf die Kaufhäuser waren.

(54) Das zweite Jahr der rückläufigen Entwicklung des italienischen Marktes(8) für Verbrauchselektronik war das Jahr 1993 (- 11,6 % beim nominalen Absatz). Dieser Einbruch war auf die gleichen Gründe zurückzuführen, die auch auf europäischer Ebene entscheidend waren, aber die Preiserosion verlief rascher als in den anderen Mitgiedstaaten. Auf dem italienischen Markt investierten die Seleco-Konkurrenten viel mehr in Werbung und FuE, und einige von ihnen (Thomson, Grundig und Blaupunkt) hatten sogar neue Produkte herausgebracht. Der Vertrieb erfolgte hauptsächlich über den Kleinhandel, aber wie auch anderswo in Europa entwickelten sich die Kaufhäuser zu den wichtigsten Verkaufspunkten.

(55) Nach dem "Panorama der EU-Industrie 94" waren die Prognosen für die folgenden Jahre (1994-1997) noch sehr negativ. Auf kurze Sicht konzentrierten sich die Unternehmen auf die Preissenkung und die Produktionsrationalisierung, auf die Verbesserung der Qualität der vorhandenen Produkte und auf die Einführung neuer Produkte. Langfristig bestand die allgemeine Strategie hauptsächlich in Bemühungen im FuE-Bereich.

(56) Die Aussichten für den italienischen Markt waren ähnlich. Dem "Euromonitor" vom Februar 1994 ist zu entnehmen, dass die italienische Wirtschaft weiterhin rückläufig war und dass die Wirtschaftsrezession ihre Wirkung vor allem 1994 gezeitigt hat. Derselben Quelle zufolge stellten sich die realen Wachstumsaussichten des Fernsehgerätesektors in Italien wie folgt dar:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(57) Die fraglichen Beihilfen wurden nicht auf der Grundlage einer von der Kommission genehmigten Regelung und unter Verletzung von Artikel 88 Absatz 3 ohne vorherige Anmeldung gewährt. Es handelt sich somit um unrechtmäßige Beihilfen. Außerdem ist zu der von der Friulia vorgenommenen Kapitalzufuhr in Höhe von 13 Mrd. ITL bei der Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994 zu bemerken, dass sie zwar angemeldet, aber vorgenommen wurde, bevor sich die Kommission äußern konnte.

(58) Da es sich um die Zuführung öffentlichen Kapitals handelt, muss die Kommission prüfen, ob sich die öffentlichen Stellen wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber verhalten haben.

(59) Nach den Gemeinschaftsregeln für staatliche Kapitalzuführungen(9) handelt es sich nicht um staatliche Beihilfen, wenn neues Kapital für Unternehmen unter Umständen bereitgestellt wird, die für einen privaten Kapitalgeber, der unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen sein Geld anlegt, annehmbar wären (Ziff. 3.2). Im Einklang mit diesem Grundsatz kann durch die Prüfung der Finanzlage des Unternehmens und seiner Ertragsaussichten festgestellt werden, ob die öffentliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt.

IV.1. Der Teilverzicht der REL auf ihre Forderungen im Jahre 1994

(60) Die REL hat 1994 auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber der Seleco verzichtet (16,8 Mrd. von 82 Mrd. ITL), um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Den italienischen Behörden zufolge behielt die REL auf diese Weise den größten Teil ihrer Forderungen, die sie beigetrieben hätte, wenn sich die Seleco wieder in einer günstigeren Finanzlage befunden hätte.

(61) Jedoch stellt die Kommission fest, dass, wie aus der Jahresbilanz der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1993 hervorgeht, die Aktionäre der Seleco, von denen die REL der wichtigste war, Anfang 1994 beschlossen hatten, wegen der äußerst schlechten finanziellen Ergebnisse des Geschäftsjahres die Gesellschaft zu liquidieren. Die Verluste lagen 1,5-mal höher als das Grundkapital. Der Jahresbilanz ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Beschluss zur Liquidierung der Seleco aufgrund der Protestaktionen der Beschäftigten und der anschließenden massiven Intervention der staatlichen Stellen, insbesondere der Präsidentschaft des Ministerrats, mit dem Ziel, die Aktionäre umzustimmen, nicht ausgeführt wurde. Als Ergebnis dieser Intervention haben die Aktionäre entgegen ihrer ersten Entscheidung eine neue Erhöhung des Seleco-Kapitals vorgenommen, und die REL hat die Verluste des Unternehmens dadurch ausgeglichen, dass sie auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber der Seleco verzichtet hat (16,8 Mrd. von 82 Mrd. ITL).

(62) Daher kann das Argument der italienischen Behörden, dem zufolge die REL wie jeder private Gläubiger es getan hätte, eingeschritten war, um die Seleco-Liquidation zu verhindern und somit den größten Teil der Forderungen gegenüber der Gesellschaft zu erhalten, von der Kommission nicht akzeptiert werden. Auch wenn es die italienischen Rechtsvorschriften den Aktionären ermöglichen, die Liquidation zu vermeiden und das Gesellschaftskapital durch Verlustausgleich zu erhöhen, liegt es auf der Hand, dass ohne die politische Intervention der italienischen Behörden und das anschließende, erzwungene Eingreifen der REL die übrigen Aktionäre nicht wieder in eine Gesellschaft investiert hätten, die zwar zehn Jahre lang staatliche Beihilfen erhalten hatte, aber während dieses Zeitraums nur negative Ergebnisse aufwies (abgesehen von den sehr geringfügigen Gewinnen in den Geschäftsjahren 1991 und 1992). Die Entscheidung, die Gesellschaft zu liquidieren, wurde 1994 von allen Aktionären gefasst, einschließlich der REL, des damaligen größten Aktionärs (59 %), und lässt sich nur dadurch erklären, dass die Aktionäre, die die tatsächliche Lage ihrer Gesellschaft am besten beurteilen können, überzeugt waren, dass das Überleben der Seleco kostspieliger als ihre endgültige Liquidation sein würde und dass auf jeden Fall langfristig gesehen die Gesellschaft nicht rentabel wäre. Insbesondere musste die Liquidation für die REL, den Aktionär, der das Gesellschaftskapital ab dem Geschäftsjahr 1994 hätte abstoßen müssen und damals der größte Seleco-Gläubiger war, die Rückzahlung des größten Teils ihrer Forderungen sichern.

(63) Aus diesen Ausführungen ist zu schließen, dass die Transaktion der REL im Jahre 1994, die entgegen ihren ursprünglichen Absichten vorgenommen wurde und in dem Teilverzicht auf ihre Forderungen (16,8 Mrd. von 82 Mrd. ITL) bestand, und die Transaktion des Jahres 1996, d. h. die Tilgung der Restschuld in Höhe von 65,2 Mrd. ITL zum Preis von 20 Mrd. ITL, die unmittelbare Folge des Eingreifens der politischen Behörden waren, das darauf abzielte, die Seleco-Liquidation zu verhindern. Unter diesen Voraussetzungen kommt der im Jahre 1994 erfolgte Verzicht der REL auf 16,8 Mrd. ITL und der Aufschub des Restbetrags bis 2015 einem Verzicht auf die gesamten Forderungen (82 Mrd. ITL) und damit einer ebenso hohen staatlichen Beihilfe gleich. Das Verhalten der REL entspricht nicht nur nicht dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers, sondern ist a priori als staatliche Beihilfe gemäß den Gemeinschaftsregeln für staatliche Kapitalzuführungen (Ziff. 3.3) zu betrachten, da die Finanzlage des Unternehmens und seine Verschuldung dergestalt waren, dass die anderen Kapitalgeber der Seleco (ein privater und sonst öffentliche) nicht bereit waren, nochmals in dieses Unternehmen zu investieren. Die Entscheidung der übrigen Investoren (37 % private), das Kapital der Gesellschaft zu erhöhen, sobald die REL die Verluste ausgeglichen hat, obwohl diese Verpflichtung ihnen gleichermaßen oblag, ändert nichts an obigen Schlussfolgerungen(10). Nach Ansicht der Kommission wäre die Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994 nicht erfolgt, wenn sich die REL nicht zuvor verpflichtet hätte, den Gesamtverlust durch den genannten Teilverzicht auf ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft auszugleichen. Dies kam einem Globalverzicht auf diese Forderungen gleich, da eine sofortige endgültige Liquidation der Gesellschaft höchstwahrscheinlich war; diese Liquidation ist dann nach drei Jahren wirklich erfolgt. Die Tatsache, dass die REL später (im Jahre 1996) versucht hat, einen Teil der restlichen Forderungen ((20 von 65,2 Mrd.ITL) wieder beizutreiben, war eine Transaktion, gegen die der Konkursverwalter eine Widerrufsklage nach Artikel 67 des Konkursgesetzes Nr. 67 vom 16. März 1942(11) angestrengt hatte, weil die REL zum Zeitpunkt der Einwilligung notwendigerweise über den Stand der Seleco-Insolvenz unterrichtet gewesen sein musste, bestätigt nur die Richtigkeit des einschlägigen Standpunkts der Kommission.

IV.2. Die Umwandlung eines Kredits in Seleco-Aktien und die Kapitalzuführung durch die Friulia im Jahre 1994

(64) Im Rahmen der Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994 wandelte die Friulia das Darlehen über 6 Mrd. ITL mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Zinssatz von 9,55 % in Aktien um und brachte zusätzliche Mittel in Höhe von 7 Mrd. ITL ein. Dadurch wurde sie Seleco-Aktionär mit einer Beteiligung von 28,8 % gegenüber früher 3,7 %. Die italienischen Behörden rechtfertigen diese Maßnahme unter Berufung auf den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Investors. Einerseits hätte die Friulia die Tilgung ihres Kredits gewährleisten wollen, der im Unterschied zu dem Kredit der REL mit 3 Mrd. ITL von der (privaten) Banca Friuladria verbürgt war, die ihrerseits wiederum über eine Bürgschaft der Seleco in Höhe von 2 Mrd. ITL verfügte. Andererseits war die Friulia aufgrund des Gutachtens, das ein unabhängiger Sachverständiger zu dem Umstrukturierungsplan 1993-1996 angefertigt hatte, von der Rentabilität ihrer Investition überzeugt. Nach Ansicht der italienischen Behörden wäre daher das Verhalten der Friulia folgerichtig, da der private Aktionär neuerlich bereit war, 19 Mrd. ITL in die Seleco zu investieren.

(65) Die Kommission glaubt, dass ihre Schlussfolgerungen hinsichtlich der Art der staatlichen Beihilfe in Form des Teilverzichts der REL auf ihre Forderungen gegenüber der Seleco auch für die Intervention der Friulia gelten. Letztere gehörte zu den Seleco-Aktionären, die dem Jahresbericht 1993 zufolge die Liquidation der Gesellschaft beschlossen hatten. Andererseits war die Friulia auch Seleco-Gläubigerin, aber im Gegensatz zur REL war ein Großteil ihrer Forderung, die ein Zehntel der REL-Forderung ausmachte, verbürgt. Im Falle einer Liquidation hätte die Friulia einen verhältnismäßig höheren Anteil ihrer Forderungen als die REL beitreiben können. Das Argument der Sicherung einer bestehenden Forderung kann daher von der Kommission nicht akzeptiert werden.

(66) Wie bei der Verfahrenseinleitung angeführt, handelte es sich bei der Friulia-Beteiligung um eine zeitweilige Beteiligung. Außerdem wurde der Kaufpreis der Friulia-Aktien mit dem der SOFIN abgestimmt und war nach Aussagen der italienischen Behörden von den Wehschwankungen und der Zahl der von der Friulia erworbenen Aktien unabhängig. Die vereinbarte Vergütung entsprach dem von der Friulia gezahlten Kaufpreis, zu 75 % des Durchschnitts der Bezugssätze der Schatzministeriums aktualisiert und um 1 % erhöht. Doch gemäß Ziffer 3.3 der Gemeinschaftsrichtlinien für staatliche Kapitalzuführungen ist die Beteiligung eine vorübergehende Beteiligung, deren Dauer und Veräußerungspreis im Voraus derart festgelegt sind, dass die sich daraus für den Kapitalgeber ergebende Rendite erheblich unter dem Ertrag liegt, den er normalerweise von einer für eine vergleichbare Dauer am Kapitalmarkt getätigte Anlage erwarten könnte, von vornherein eine staatliche Beihilfe. In diesem Verfahren haben die italienischen Behörden niemals die Ansicht vertreten oder nachgewiesen, dass der Ertrag der Friulia-Beteiligung gleich oder über dem Betrag lag, den die Friulia von einer Anlage mit vergleichbarer Dauer am Kapitalmarkt hätte erwarten können. Deshalb stellt diese Beteiligung eine staatliche Beihilfe dar.

IV.2.1. Bewertung der von der Friulia in Auftrag gegebenen Studie und des Seleco-Umstrukturierungsplans 1993-1996 durch die Kommission

(67) Die Kommission glaubt bereits bewiesen zu haben, dass die Beteiligung der Friulia an der Erhöhung des Seleco-Kapitals im Jahre 1994 nicht der Vorgehensweise eines privaten Investors entspricht. Jedoch hat sie auch das Argument der italienischen Behörden zu prüfen, dem zufolge die Friulia wie jeder private Anleger von der Rentabilität der Investition überzeugt war. Die Friulia hatte eine Studie über den Umstrukturierungsplan der Seleco in Auftrag gegeben und beschlossen, sich an der Kapitalerhöhung aufgrund des Urteils, das sie sich über die Lebensfähigkeit des Unternehmens gebildet hatte, zu beteiligen.

(68) Der Umstrukturierungsplan 1993-1996 ist der zweite seit Beginn der 90er Jahre. Der erste Plan für den Zeitraum 1990-1993 sah die Rückkehr zu einem signifikanten Gewinn im Jahre 1993 vor. Der zweite Plan gründete sich auf die Annahme einer Kapitalerhöhung um 45 Mrd. ITL und sah eine Wiederherstellung der Rentabilität ab 1995 vor, d. h. nach Deckung der restlichen Umstrukturierungskosten während des Geschäftsjahrs 1994. Die Schwerpunkte des Umstrukturierungsplans waren folgende: Konzentration des Produktionsprozesses, Kostenreduzierung, Neuorganisation und Abbau der Belegschaft sowie FuE-Investitionen. Generell war vorgesehen, die Produktion von Farbfernsehgeräten um 20 % zu senken, die Produktion von Decodern (zum Verkauf auf anderen europäischen Märkten) um 75 % zu steigern und die Produktion von Monitoren und Videoprojektionsgeräten zum Verkauf auf nichteuropäischen Märkten (u. a. in den USA und in China) um 33 % zu erhöhen. Außerdem sollten vom Personal im Werk Pordenone 267 Arbeitnehmer freigesetzt werden.

(69) Auf Verlangen der Friulia wurde der Umstrukturierungsplan von einem unabhängigen Sachverständigen (KPMG Peat Marwick Corporate Finance) geprüft; dieser kam zu dem Schluss, dass der Umstrukturierungsplan der Seleco wegen der Unternehmenssituation und der ihm zugrunde liegenden Annahmen zu ehrgeizig war.

(70) Aus der Studie ging außerdem hervor, dass die kommerzielle, wirtschaftliche und finanzielle Struktur der Seleco erhebliche Mängel aufwies. In einem sehr arbeitsintensiven Sektor war die Beschäftigungsstruktur unangemessen, da die Zahl der Führungskräfte gegenüber der Belegschaft zu hoch war, und zwar hauptsächlich wegen des komplizierten Aufbaus der Gruppe (zehn Tochtergesellschaften in Betrieb und sechs in Liquidation).

(71) Der Gesellschaft gelang es nicht, ihre FuE-Maßnahmen in einem Sektor durchzuführen, in dem dies für das Überleben eines Unternehmens von grundlegender Bedeutung ist. Beispielsweise hatte das Unternehmen seit über zwei Jahren keine neuen Gehäuse für Fernsehgeräte gebaut, obwohl dieser Teil des Produkts regelmäßig erneuert werden muss. In der Studie wurde auch hervorgehoben, dass die Seleco keine Strategie für die Konzipierung und Kommerzialisierung neuer Produkte entwickelt hatte. Hinzu kam, dass das Unternehmen bei den Basiskomponenten seiner Produkte vollkommen von den anderen Großherstellern der Branche abhängig war, weshalb seine Produktion ebenso wie seine Finanzlage Schwankungen unterlag.

(72) Die Studie zeigte auch den starken Einfluss der REL bei der Finanzierung der Gruppe, vor allem in den Jahren 1991 (52 % der Finanzmittel waren REL-Darlehen) bis 1993 (42 %). Die Finanzierungsmaßnahmen der REL waren mit extrem niedrigen Kosten verbunden, die erheblich unter den Marktsätzen lagen. Es fragt sich daher, welche Folgen der vorhersehbare Rückzug der REL aus der Seleco-Finanzierung gehabt hätte und inwieweit die Gesellschaft in der Lage gewesen wäre, ihren Finanzierungsbedarf auf dem Kapitalmarkt zu decken.

(73) Die dem Plan zugrunde liegenden Annahmen trugen nicht den Schwächen der Gruppe Rechnung. Vor allem sah der Plan eine Senkung der Produktionskosten vor, was eine Senkung der Arbeitskosten voraussetzte. In der Studie wird betont, dass die Seleco Ende 1993 ihre Arbeitskosten durch Einschaltung der Lohnausgleichskasse vermindert hatte. Der Plan sah die gleiche Strategie (Solidaritätsverträge) für die Zukunft vor. Derartige Prognosen waren nicht realistisch, da Seleco davon ausging, dass diese Verträge landesweit geschlossen würden, eine Annahme, die der Untersuchung zufolge höchst unwahrscheinlich war.

(74) Die Strategie der Gruppe zielte auf die Verbesserung des Ansehens des Unternehmens ab, das sich aufgrund der in den Vorjahren verzeichneten ungünstigen Ergebnisse verschlechtert hatte. Diese Investitionen hatten strategischen Charakter, weil die Wahl der Kaufhäuser als Vertriebskanal nicht die Wahrnehmung der Produkte durch den Verbraucher verbessern konnte. Letztere hatten immer bewiesen, dass sie den hochwertigen Kundendienst schätzten, von dem sie durch den Vertrieb im Fachhandel profitierten. Der Studie zufolge wären erhebliche Investitionen in die Werbung notwendig gewesen, ohne dass unmittelbare Ergebnisse zu erwarten gewesen wären.

(75) Der Erfolg des Plans hing daher vom Einsatz sämtlicher Finanzmittel und von externen Faktoren ab, auf die das Unternehmen keinerlei Einfluß hatte, z. B. die starke Verhandlungsposition der Kaufhäuser und der Abschluss von Solidaritätsverträgen.

(76) Zusammenfassend ist der Studie folendes zu entnehmen:

- Die Aussichten auf eine signifikante Abnahme des Absatzvolumens, das durch eine 8 %ige Preiserhöhung ab der zweiten Hälfte des Jahres 1994 ausgeglichen werden sollte, waren unbegründet;

- die Seleco verfügte nicht über die Mittel, um ihr Produkt als ein technologisch hochwertiges Produkt zu lancieren;

- die Annahme in Verbindung mit der Preiserhöhung trug nicht der Verhandlungsposition der Kaufhäuser Rechnung und damit der weiteren Abnahme der Gewinnspannen der Seleco, die seit jeher ihr Schwachpunkt waren. Da die Seleco ein durchschnittliches Preisniveau ansetzte, konnte sie sich weder von den Gewinnspannen her (hohe Preise) noch von der Menge her (unzureichende Marktanteile) behaupten;

- die Entwicklung des einzigen wirklich rentablen Seleco-Bereichs (professionelle Ausrüstungen), für den 1995 ein Anstieg von 21 % vorgesehen wurde, konnte sich durch die Finanzkrise der Gruppe nur verlangsamen.

(77) Die Kommission stellt fest, dass die Seleco-Strategie nicht situationsgerecht war. Im Jahre 1994 stand das Unternehmen vor der Notwendigkeit, zwischen einem der beiden Extreme der Produktskala, ganz oben oder ganz unten, und für jedes Produkt das geeigneteste Vertriebsnetz zu wählen. Die Seleco aber, die Produkte der unteren bis mittleren Klasse herstellte, wollte mit den Produkten der oberen Klasse auf dem Kaufhausmarkt konkurrieren. Dies entsprach keiner kaufmännischen Logik, da ihre Produkte sich nicht von denjenigen der Konkurrenten unterschieden und nur schwer die Aufmerksamkeit der Verbraucher hätten auf sich ziehen körnen, da sie nicht wie in den Fachgeschäften aufgewertet wurden.

(78) Die Seleco-Strategie beruhte auf falschen Annahmen hinsichtlich der Preisentwicklung. Aus allen Studien, einschließlich der von der Friulia in Auftrag gegebenen, geht hervor, dass ein derartiger Anstieg unmöglich ist. Die Preise würden im Gegenteil bis zum Jahresende weiter sinken und dann bis auf eine Höhe steigen, die leicht unter dem im Plan angegebenen Niveau (2 %) liegen würde. Um die restlichen Umstrukturierungskosten im Geschäftsjahr 1994 aufzufangen, wie vom Plan vorgesehen, wäre ein spektakulärer Anstieg des Umsatzes nötig gewesen, der angesichts der früheren Entwicklung, der künftigen Aussichten der Seleco und ihres Marktes unwahrscheinlich war.

(79) Daraus ergibt sich, dass, selbst wenn die Seleco die Mittel zur Verwirklichung der im Plan festgelegten Ziele gehabt hätte, dies viel mehr Zeit als vorgesehen erfordert hätte. In Anbetracht der Ergebnisprognosen wären außerdem Kapitalnachschüsse durch die Aktionäre notwendig gewesen. Es ist durch nichts zu belegen (und die italienischen Behörden haben dies auch nicht behauptet), dass die Seleco die notwendigen Mittel besessen hätte, um während der Durchführung des Plans aus eigener Kraft zu überleben. Auch die von der Friulia in Auftrag gegebene Untersuchung äußert sich nicht zu diesem Punkt.

(80) Das gleiche gilt auch für die Bilanzvorausschätzungen, da die Unternehmensplanung auf unrealistischen Annahmen und ungeeigneten Strategien beruhte.

(81) Nach Auffassung der Kommission war die von der Friulia in Auftrag gegebene Untersuchung angemessen und vernünftig, und der Sachverständige hat auf der Grundlage des Umstrukturierungsplans sowie der Marktbedingungen und -prognosen die gebührenden Schlussfolgerungen zur Rentabilität des Unternehmens gezogen. Die Kommission stellt fest, dass die in der Studie zum Ausdruck gebrachte Einschätzung mit ihrer eigenen Beurteilung übereinstimmt.

(82) Die Entwicklung der Gesellschaft in den beiden folgenden Jahren bestätigt diese Bewertung. Über die Hälfte der Farbfernseher- und die Decoderproduktion der Seleco blieb unverkauft, der einzige Wachstumsbereich war der der Monitore und der Videoprojektionsgeräte.

(83) Somit ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die Friulia von ihrer Investition keine von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber annehmbare Rendite erwarten konnte. Daher ist die 13 Mrd. ITL betragende Einbringung in das Seleco-Kapital in vollem Umfang eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

IV.3. Die Intervention der öffentlichen Banken im Jahre 1994

(84) Ein Konsortium mehrheitlich privater Banken hatte sich mit 10,5 Mrd. ITL an der Erhöhung des Seleco-Kapitals beteiligt. Die Vereinbarung zwischen den Banken und den Seleco-Aktionären bekräftigt eindeutig, dass es sich um eine rein ergänzende Maßnahme handelte. Die Banken hatten eine Beteiligung am Seleco-Kapital akzeptiert, nachdem sie von den Seleco-Altaktionären (REL, Sofin und Friulia) die feste Zusage erhalten hatten, dass die Verluste des vorangehenden Geschäftsjahres von der REL ausgeglichen würden und dass die übrigen Aktionäre 35 Mrd. ITL nachschießen würden. Außerdem haben sie sich damit einverstanden erklärt, die Rückzahlung der Seleco-Schulden im Verhältnis zu den gehaltenen Mitteln neu auszuhandeln.

(85) Da die verschiedenen öffentlichen und privaten Banken eine Kapitalerhöhung im Verhältnis zu ihren Forderungen gegenüber der Seleco gezeichnet haben (162 Mrd. ITL Forderungen, das sind rund 40 % der Gesamtverschuldung des Unternehmens zum 31. Dezember 1993), schließt die Kommission, dass ihre Intervention unvermeidlich war und vor allem die Sicherung der Forderungen zum Ziel hatte. Deshalb fällt die Intervention der Banken nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

IV.4. Die Tilgung der Restschuld gegenüber der REL im Jahre 1996

(86) Die Seleco hatte im Jahre 1996 von der REL die Restschuld in Höhe von 65,2 Mrd. ITL zum Preis von 20 Mrd. ITL zurückgekauft.

(87) Eine Analyse dieses Vorgangs im Hinblick auf seine Merkmale könnte zu dem Schlulss führen, dass der der Seleco daraus entstandene Vorteil dem Unterschied zwischen dem Satz für die Aktualisierung der Schuld (19 %), der, wie es bei der Verfahrensausweitung gesagt wurde, das Risiko zweimal berücksichtigt, und dem Satz entspricht, für den sich ein privater Investor entschieden hätte, d. h. dem tatsächlichen Marktzins zuzüglich eines angemessenen Risikozuschlags. Jedoch ist die Kommission aus den in Abschnitt IV.1 genannten Gründen der Ansicht, dass diese zweite Transaktion lediglich eine zeitliche Fortführung der ersten und mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers ebenso unvereinbar ist.

(88) In jedem Fall muss die Kommission feststellen, dass der Fälligkeitstermin (2015) der Restschuld (65,2 Mrd. ITL) und der Zeitraum, in dem die Schuldentilgung erfolgte, d. h., etwa zehn Monate vor dem Seleco-Konkurs, die Konkursverwalter veranlasst hat, gegen diese Transaktion eine Widerrufsklage anzustrengen (nach Artikel 67 des Gesetzes betreffend Konkurse), weil sie überzeugt waren, dass die REL, die bis 1994 Seleco-Aktionär war, im Jahre 1996 über die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft informiert gewesen sein musste.

(89) Aufgrund der Erwägungen in Abschnitt IV.1 ist daher die Gesamtheit der (nicht beglichenen oder sub iudice) Forderungen der REL gegenüber der Seleco als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag zu betrachten.

IV.5. Das von der Friulia 1996 gewährte konvertierbare Darlehen

(90) Das fragliche Darlehen über 12 Mrd. ITL hatte bei einem Zinssatz von 7 % eine Laufzeit von fünf Jahren. Als Sicherheit erhielt die Friulia vier im Eigentum der Seleco befindliche Industriemarken. Nach Auffassung der italienischen Behörden hatte sich Friulia wie ein privater Investor verhalten, da das Konsortium der mehrheitlich privaten Banken zugunsten der Seleco wahrscheinlich im gleichen Jahr - die italienischen Behörden haben niemals den Zeitpunkt der Bankenintervention genannt - eine Obligationenanleihe über 12 Mrd. ITL mit einem Zinssatz von 5 % gezeichnet hat.

(91) Nach Ansicht der Kommission ist der Vergleich zwischen dem Verhalten der Friulia und dem der Banken unzutreffend. Anders als die regionale Entwicklungsgesellschaft haben die Banken, die die Seleco-Obligationen erworben haben, Forderungen in Höhe von 20,5 Mrd. ITL gegenüber der Gesellschaft gehabt, von denen nur ein geringer Teil gesichert war. Die Friulia dagegen hatte keine Forderungen gegenüber der Seleco. Zweitens ist die Transaktion anders geartet (die italienischen Behörden haben nie das Gegenteil bewiesen). Im Falle der Banken handelt es sich um eine Obligationsanleihe, während es im Falle der Friulia um ein konvertierbares Darlehen geht. In diesem Zusammenhang bemerkt die Kommission, dass bei der Liquidation einer in Konkurs geratenen Gesellschaft dem italienischen Gesetz zufolge die Schulden aus einer Obligationenanleihe vor den anderen, ungesicherten Forderungen befriedigt werden. Auch wenn die Friulia für ihr Darlehen Sicherheiten erhalten hätte, wären diese Sicherheiten vom Gericht annuliert worden, weil, wie in Artikel 67 des Konkursgesetzes vorgesehen, nachgewiesen werden konnte, dass die Friulia ein Jahr vor dem Konkurs der Seleco über die Insolvenz des Unternehmens unterrichtet war. Anders als die Friulia haben die Banken eingegriffen, um ihre Forderungen abzusichern, und weil öffentliche Interventionen erfolgt waren (durch die REL und die Friulia), deren Betrag viel höher lag (60,5 Mrd. ITL gegenüber 12 Mrd. ITL).

(92) Die Kommission bezweifelt außerdem, dass die Sicherheiten angemessen waren. Wie aus der 1994 von der Friulia in Auftrag gegebenen Untersuchung hervorgeht (siehe Abschnitt IV.2.1 ), hatte sich das Ansehen der Seleco in den letzten Jahren so verschlechtert, dass nur sehr hohe Investitionen in Werbekampagnen dieses Ansehen langfristig hätten verbessern können. Dass die Seleco-Marken am Markt von geringem Wert waren, wird durch den Preis bestätigt, zu dem drei Marken (ohne Elbe) verkauft wurden, als die Geschäftsbereiche der in Liquidation befindlichen Gesellschaften veräußert wurden: wenig über 1 Mrd. ITL. Zwar kann die Kommission ihre eigenen Schlussfolgerungen nicht auf A-posteriori-Analysen stützen, stellt aber fest, dass der Buchwert dieser Marken viel höher lag, ihr realer Wert jedoch weit unter den ausgeliehenen 12 Mrd. ITL blieb. Folglich hätte beim Zinssatz nicht nur die prekäre Lage der Seleco berücksichtigt werden müssen (Risikozuschlag), sondern auch die Unzulänglichkeit der von der Gesellschaft geleisteten Sicherheiten.

(93) Außerdem stellt die Kommission fest, dass den Angaben der italienischen Behörden zufolge der damals anwendbare Marktzins für ein ähnliches Darlehen wie das der Friulia 13-14 % betrug. Als die italienischen Behörden den Aktualisierungssatz rechtfertigten, der bei der von der Seleco 1996 vorgenommenen Tilgung der Restschuld gegenüber REL angewandt wurde, haben sie behauptet, dass der Satz von 19 % die Summe eines Basissatzes von 13-14 %, der 1996 auf mittelfristige Finanzierungen mit angemessenen Sicherheiten angewandt wurde, und eines Risikozuschlags von 5-7 % war, der die Lage des Unternehmens widerspiegelte. Daraus schließt die Kommission, dass der von der Friulia angewandte Satz nicht dem Marktzinssatz entspricht.

(94) Die Kommission stellt außerdem fest, dass die Friulia nicht wie ein privater Investor gehandelt hat. Wie die gerichtliche Annullerung der Sicherheit eindeutig beweist, war die Friulia zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens angesichts der Finanzlage der Seleco durchaus davon unterrichtet, dass ihre Investition niemals rentabel wäre. Ferner meint die Kommission, dass die Friulia als Seleco-Aktionär bei der Darlehensgewährung wissen musste, dass die rentablen Geschäftsbereiche der Seleco einen Monat zuvor bereits auf die Multimedia übergegangen waren. Andererseits hat die Friulia drei Monate nach der Gewährung des Darlehens ein Drittel der Multimedia-Aktien erworben.

(95) Daraus folgt, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Investor niemals das fragliche Darlehen gewährt hätte und dass somit der gesamte Betrag in Höhe von 12 Mrd. ITL eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

IV.6. Die Obligationsanleihe eines Bankenkonsortiums im Jahre 1996

(96) Ein mehrheitlich aus privaten Banken (zu 71 %) bestehendes Bankenkonsortium hat 1996 eine Wandelschuldverschreibungsanleihe mit einem Zinssatz von 5 gezeichnet. Da es sich vorwiegend um private Banken handelt, deren Verhalten nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt, und da die minderheitlich vertretenen öffentlichen Banken die gleichen Bedingungen wie die Konsortialbanken angewendet haben, ist zu schließen, dass die Intervention der Banken nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Daher stellt die Kommission fest, dass die Konsortialbanken zum Zeitpunkt des Konkurses gegenüber der Seleco Forderungen in Höhe von 20,5 Mrd. ITL hatten, so dass es sich um eine zwangsläufige Intervention mit dem Hauptziel handelte, diese Forderungen zu sichern.

IV.7. Die Investition der Friulia und der Italtel in die Multimedia

(97) In Anbetracht der Bedingungen, unter denen die Multimedia gegründet wurde, enthalten die Investitionen der Italtel (die das Einverständnis ihres Privataktionärs Siemens einholen musste, um die Beteiligung an der Multimedia erwerben zu können) und der Friulia an sich kein Element einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag. Es handelt sich um die Beteiligung an einem Unternehmen, das in einem besonders dynamischen und attraktiven Marktsegment tätig ist, wie aus Abschnitt II.1.3 hervorgeht.

V. VEREINBARKEIT DER BEIHILFEN MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT

(98) Die 1994 und 1996 von der REL und der Friulia gewährten Beihilfen können nicht aufgrund der in Artikel 87 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmebestimmungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, weil es sich weder um Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher noch um Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, handelt. Auch kommen sie nicht für die Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c) in Frage, ebenso wenig wie für die Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a), b) und d). Der Beihilfeempfänger hat seinen Standort nicht in einem Fördergebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a) oder c), so dass die Beihilfen nicht dazu bestimmt sind, wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse zu fördern, eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats zu beheben oder die Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes zu fördern.

(99) Die Kommission muss sich daher darauf beschränken zu prüfen, ob die besagten Beihilfen für die Ausnahmebestimmung nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) in Frage kommen und insbesondere ob sie als Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet werden können. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage ist die Seleco in der Tat als ein Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen.

(100) Damit die Kommission eine Umstrukturierungsbeihilfe genehmigen kann, muss sie nachweisen, dass das Empfängerunternehmen ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, das den Kriterien der einschlägigen Gemeinschafsleitlinien entspricht (siehe Erwägungsgrund 34 dieser Entscheidung). Außerdem ist ein mit den allgemeinen Bedingungen der Ziffer 3.2.2 dieser Leitlinien übereinstimmender Umstrukturierungsplan erforderlich. Vor allem müsste sich die Kommission überzeugen, dass die Seleco 1994 konkrete Aussichten auf eine Wiederherstellung der ökonomisch-finanziellen Rentabilität hatte und dass der Umstrukturierungsplan auf realistischen Annahmen beruhte. Zweitens muss sich die Kommission vergewissern, dass die Beihilfe nicht zu Wettbewerbsverfälschungen führt und in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten und Vorteilen der Umstrukturierung steht.

(101) Den einschlägigen Gemeinschaftsleitlinien zufolge ist unter einem Unternehmen in Schwierigkeiten ein Unternehmen zu verstehen, das sich nicht aus eigener Kraft oder mit Mitteln der Anteilseigner erholen kann. Die finanzielle Schwäche des Unternehmens ist im Allgemeinen auf eine unzureichende Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit und ungünstige Zukunftsaussichten zurückzuführen. Zu den typischen Symptomen gehören eine rückläufige Rentabilität oder zunehmende Verluste, sinkende Umsätze und zunehmende Verschuldung. Wie in Abschnitt II dieser Entscheidung gezeigt, ist die Seleco als ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Gemeinschaftsleitlinien zu betrachten.

(102) Aus den in Abschnitt IV.2.2 genannten Gründen ist die Kommission der Ansicht, dass der Umstrukturierungsplan der Seleco auf unrealistischen Annahmen und einer unangemessenen und unzusammenhängenden Strategie hinsichtlich der Positionierung des Unternehmens basierte. Die Prognosen für die künftigen Betriebsbedingungen beruhten zum großen Teil auf unternehmensexternen Elementen, über die es keinerlei Kontrolle hatte. Auch wenn es in einigen Wachstumssegmenten (professionelle Ausrüstungen und Videorecorder) tätig war, hat die Seleco ihre Bemühungen auf das einzige gesättigte Marktsegment, d. h. auf Farbfernsehgeräte, konzentriert.

(103) Da im Falle der Seleco das in den Gemeinschaftsleitlinien enthaltene Kriterium der Wiederherstellung der ökonomisch-finanziellen Rentabilität nicht erfuellt wurde, brauchen die anderen Kriterien nicht geprüft zu werden. Trotzdem sieht sich die Kommission zu einigen Bemerkungen in diesem Zusammenhang veranlasst.

(104) Die Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt setzt Maßnahmen voraus, mit denen soweit wie möglich die nachteiligen Folgen dieser Beihilfen für die Wettbewerber gemildert werden. Die Seleco aber hat gut zehn Jahre lang öffentliche Beihilfen erhalten, ohne dass sich ihre Lage entscheidend verbessert hätte. Diese Abhängigkeit von öffentlichen Beihilfen hatte darüber hinaus die Kommission veranlasst, die italienischen Behörden vor der Gewährung weiterer staatlicher Beihilfen an das Unternehmen zu warnen. In der Entscheidung vom 20. Mai 1992 hat die Kommission den italienischen Behörden mitgeteilt, dass jede neue Beihilfe eine ablehnende Entscheidung nach sich ziehen würde. Deshalb ist davon auszugehen, dass dieses Kriterium nicht eingehalten wurde.

(105) Die in den Gemeinschaftsleitlinien vorgesehene Höhe und Intensität der Beihilfe sind auf das für die Umstrukturierung unbedingt notwendige Mindestmaß zu beschränken und müssen in einem angemessenen Verhältnis mit den auf Gemeinschaftsebene erwarteten Vorteilen stehen. Deshalb müssen die Beihilfeempfänger in der Regel erheblich zum Umstrukturierungsplan mit ihren eigenen Mitteln oder zu Marktbedingungen aufgenommenem Fremdkapital beitragen. Im vorliegenden Fall betrug bei der Kapitalerhöhung des Jahres 1994 das Verhältnis der Kapitalzuführung des öffentlichen Sektors gegenüber der Kapitalzuführung des privaten Sektors 49 % zu 51 %. Ohne die öffentliche Kapitalzuführung hätte der Privataktionär keine neue Kapitalerhöhung akzeptiert, da die Aktionäre bereits beschlossen hatten, dass die Liquidation der Seleco die beste Lösung darstellt.

(106) Nach dem Scheitern des Umstrukturierungsplans, das aus den in Abschnitt IV.2 genannten Gründen vorhersehbar war, konnten nur neue Kapitalzuführungen die Gesellschaft am Leben erhalten. Diese Kapitalzuführungen wurden 1996 bei der zweiten Kapitalerhöhung und finanziellen Sanierung der Gesellschaft vorgenommen. In diesem Fall betrug die zusätzliche Kapitalzuführung des privaten Sektors 30,8 Mrd. ITL und des öffentlichen Sektors 60,5 Mrd. ITL. Infolge der beiden Kapitalerhöhungen (1994 und 1996) betrug die Zuführung öffentlicher Mittel zugunsten der Seleco 55,4 % und die Zuführung privater Mittel 44,6 %.

(107) Allerdings hat die Kommission zu bedenken, dass bei der ersten Kapitalerhöhung die Mittel vorwiegend von privaten Investoren bereitgestellt wurden, diese Kapitalzuführung jedoch nur theoretisch mehrheitlich privat ist. Aus den in den Abschnitten IV.1. und IV.4 genannten Gründen hat die Art und Weise, wie die REL ihre sich auf 82 Mrd. ITL belaufenden Forderungen gegenüber der Seleco beigetrieben hat, schon 1994 einem fast vollständigen Verzicht auf diesen Betrag geführt. Der de facto mehrheitliche Charakter der öffentlichen Intervention des Jahres 1994 wird dadurch bestätigt, dass, wie in Abschnitt II.1.1 veranschaulicht, alle Seleco-Aktionäre (öffentliche und private) zu dieser Zeit bereit waren, die Gesellschaft zu liquidieren, und diese Lösung nur dank des Eingreifens der italienischen Behörden vermieden wurde. Außerdem bestätigt die Entwicklung des Unternehmens im Jahre 1994 (41,6 Mrd. ITL Verlust) und 1995 (64,2 Mrd. ITL Verlust), dass die Liquidation der Gesellschaft im Jahre 1994 die einzig richtige Entscheidung war. Bei der zweiten Kapitalerhöhung/Finanzierung belief sich die öffentliche Kapitalzuführung auf 60 % der investierten Gesamtmittel. Daher stellt die Kommission fest, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weder bei der ersten noch bei der zweiten Kapitalerhöhung beachtet wurde.

(108) Der Umstrukturierungsplan für den Zeitraum 1993-1996 erlaubte es aus den in IV.2.1 genannten Gründen nicht, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitraums auf der Grundlage realistischer Annahmen hinsichtlich der künftigen Tätigkeitsbedingungen wiederherzustellen. Zu der Kapitalerhöhung/Refinanzierung des Jahres 1996 bemerkt die Kommission, dass die italienischen Behörden keinen anderen Umstrukturierungsplan übermittelt haben, der es ihnen ermöglicht, die Annehmbarkeit dieser zweiten Kapitalerhöhung zu begründen.

(109) Aufgrund dessen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die in den Gememschaftsleitlimen für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten vorgesehenen Kriterien nicht eingehalten wurden. Da die Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag nicht anwendbar ist, sind die Beihilfen daher als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu betrachten.

VI. SCHLUSSFOLGERUNGEN

(110) Italien hat die am 30. März 1994 angemeldete Umwandlung eines Darlehens über 6 Mrd. ITL in Aktien und die Zuführung neuen Kapitals in Höhe von 7 Mrd. ITL durch die Friula zugunsten der Seleco vollzogen, ohne dass sich die Kommission zuvor äußern konnte. Die Kommission stellt außerdem fest, dass die anderen Beihilfen ebenfalls unter Zuwiderhandlung gegen Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag gewährt wurden.

Es handelt sich insbesondere um folgende Beihilfen:

- den Teilverzicht seitens der REL auf Forderungen in Höhe von 16,8 Mrd. ITL von einem Gesamtbetrag von 82 Mrd. ITL im Jahre 1994 und Tilgung der Restschuld in Höhe von 65,2 Mrd. ITL zum Preis von 20 Mrd. ITL im Jahre 1996;

- die Gewährung seitens der Friulia eines konvertierbaren Darlehens über 12 Mrd. ITL zum Zinssatz von 7 % p. a. unter Verpfändung von vier Industriemarken der Seleco im Jahre 1996.

(111) Diese Beihilfen sind daher unrechtmäßig. Aus den bereits genannten Gründen sind sie außerdem mit dem Gemeinsamen Markt insofern unvereinbar, als sie für keine Ausnahmebestimmung nach Artikel 87 Absätze 2 und 3 in Frage kommen.

(112) Wenn die Kommission feststellt, dass eine Beihilfe unrechtmäßig und mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 88 Äbsatz 2 unvereinbar ist, fordert sie den Mitgliedstaat auf, die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, wie vom Gerichtshof in seinen Urteilen vom 12. Juli 1973, Rechtssache 70/72 Kommission gegen Deutschland(12), vom 24. Februar 1987, Rechtssache 310/85 Deufil gegen Kommission(13) und vom 20. September 1990, Rechtssache C-5/89 Kommission gegen Deutschland(14).

(113) Folglich müssen die italienischen Behörden alle notwendigen Maßnahmen treffen, um die wirtschaftliche Lage wieder herzustellen, in der sich das Unternehmen ohne die Gewährung der unzulässigen Beihilfen befunden hätte. Sie müssen die unrechtmäßigen und unvereinbaren Beihilfen zurückfordern, zuzüglich der Zinsen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Empfänger bereitgestellt wurden, bis zur endgültigen Rückzahlung durch das sich zur Zeit in Liquidation befindliche Empfängerunternehmen Seleco. Im Hinblick auf die einwandfreie Befolgung der Entscheidung der Kommission wird der Mitgliedstaat aufgefordert, sich wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber zu verhalten (und wenigstens mit derselben Sorgfalt wie für die Rückzahlung seiner eigenen Forderungen wie Steuerschulden oder geschuldete Sozialabgaben vorzugehen), unverzüglich die Rückforderung der Beihilfen einzuleiten und dabei auf alle verfügbaren juristischen Mittel zurückzugreifen, einschließlich der Zwangsverwaltung der Unternehmensaktiva und der notwendigen Liquidation des Unternehmens, falls es zu der fraglichen Rückzahlung nicht in der Lage sein sollte. Die Erträge aus der Veräußerung der Aktiva erlauben die Befriedigung der verschiedenen Gläubiger, unter ihnen der Mitgliedstaat, auch wenn sich herausstellen sollte, dass sie zur Begleichung der gesamten Schulden des Unternehmens nicht ausreichend sind, sodass auch die Beihilfe nicht in vollem Umfang zurückgezahlt werden kann. Unter diesen Umständen bleibt die Liquidation des Unternehmens aus Wettbewerbssicht jedoch von Bedeutung, weil der Teil des vom liquidierten Unternehmen besetzten Marktes frei wird und das Unternehmen den Gläubigern zur Verfügung steht, die somit die Möglichkeit erhalten, die Aktiva zu erwerben und sie gewinnbringender zu verwenden.

(114) Jedoch gibt es Umstände, die diesen Prozess behindern, die Durchführbarkeit der Rückforderungsentscheidung in Frage stellen und die Regeln für staatliche Beihilfen wirkungslos werden lassen können. Dies tritt ein, wenn infolge der Nachprüfung oder der Entscheidung der Kommission die Aktiva und Passiva "ongoing-concern" des Unternehmens auf eine andere Gesellschaft übertragen werden, die von denselben Personen kontrolliert wird, und zwar unter dem Marktpreis oder im Zuge undurchschaubarer Verfahren. Ein derartiges Vorgehen kann darauf gerichtet sein, die Aktiva den Folgen der Entscheidung der Kommission zu entziehen und die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit unendlich fortzusetzen.

(115) Wie bei jedem Rückforderungsverfahren muss der Staat als sorgfältiger Gläubiger handeln und dazu alle verfügbaren Instrumente seiner Rechtsordnung einsetzen, z. B. um die Gläubiger vor betrügerischen Handlungen durch Vorgehensweisen der in Liquidation befindlichen Unternehmen in der verdächtigen Zeit vor dem Konkurs zu schützen und um die Unwirksamkeit derartiger Vorgehensweisen feststellen zu lassen.

(116) Damit die Entscheidung nicht wirkungslos bleibt und die Verzerrungen am Markt nicht fortdauern, kann die Kommission verlangen, dass die Rückforderung sich nicht auf das ursprüngliche Unternehmen beschränkt, sondern auf das Unternehmen ausgedehnt wird, das die Tätigkeit des ursprünglichen Unternehmens unter Einsatz der übertragenen Produktionsmittel fortsetzt, wenn bestimmte Elemente der Übertragung die Feststellung erlauben, dass die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen anhalten.

(117) Von diesen Elementen prüft die Kommission den Gegenstand der Übertragung (Aktiva und Passiva, Fortbestand der Belegschaft, gebündelte Aktiva), den Übertragungspreis, die Identität der Aktionäre und Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens, den Zeitpunkt der Übertragung (nach Beginn der Untersuchung, der Verfahrenseinleitung und der abschließenden Entscheidung) und schließlich die ökonomische Folgerichtigkeit der Transaktion.

(118) Im vorliegenden Fall hat die Seleco im März 1996 ihre rentabelsten Aktivitäten (Videoprojektionsgeräte und Monitoren) in der Gesellschaft Multimedia zusammengefasst, die im Vorjahr von ihrem einzigen Privataktionär, Herrn Rossignolo, gegründet worden war; sie hat dieser Gesellschaft Kapital in Höhe von 29 Mrd. ITL zugeführt und ist Alleineigentümerin geworden. Dies hat dazu beigetragen, die Seleco im doppelten Sinne ihrer Substanz zu berauben (Aktivitäten und Kapital); dies geschah nach der Entscheidung der Kommission vom 10. Oktober 1994 zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag. Die Multimedia wird zu 100 % von der Seleco kontrolliert, deren Alleineigentümerin sie geworden ist. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass diese Transaktion sich nicht auf die Übertragung der Aktiva beschränkt hat und dass die Übertragung der Hauptgeschäftsbereiche der Seleco mit einer entsprechenden Übertragung des Personals (oder eines Teils des Personals) und damit auch einer Übertragung zumindest der geschuldeten Sozialabgaben auf die Multimedia einherging.

(119) Vier Monate nach dieser Transaktion (und neun Monate vor ihrem Konkurs) hat die Seleco zwei Drittel ihrer Aktien an die Multimedia veräußert, da letztere damals vollkommen im Besitz ersterer war, und zwar zu je einem Drittel an drei Aktionäre: Italtel, Friulia und Seleco. Faktisch blieb die Multimedia unter der Kontrolle der Seleo, die ihre Beteiligung einer Scheingesellschaft übertragen hat (der Finanziaria Elettronica srl, die sie zu 99 % kontrolliert) und/oder auf ihren Aktionär, die Friulia (mit 3,49 % der dritte Seleco-Aktionär im Februar 1996 mit einem Grundkapital von 32,759 Mrd. ITL, die der Seleco aber ein konvertierbares Darlehen über 12 Mrd. ITL gewährt hatte).

(120) Die einwandfreie Ausführung der Entscheidung zur Rückforderung der unrechtmäßigen und unvereinbaren Beihilfen erfordert deshalb, dass die italienischen Behörden nicht nur gegen die Seleco, sondern auch gegen die Multimedia sowie gegen jedes andere Unternehmen vorgehen, auf das die betreffenden Aktiva hätten übertragen werden können, um diesen Entscheidungen ihre Wirkung zu nehmen -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die folgenden staatlichen Beihilfen, die Italien zugunsten der Seleco SpA gewährt hat, sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar:

a) der Teilverzicht seitens der Ristrutturazione Elettronica SpA auf Forderungen in Höhe von 16,8 Mrd. ITL von insgesamt 82 Mrd. ITL im Jahre 1994;

b) die Tilgung durch die Seleco SpA der Restschuld gegenüber der Ristrutturazione Elettronica SpA in Höhe von 65,2 Mrd. ITL zum Preis von 20 Mrd. ITL im Jahre 1996;

c) die Umwandlung in Aktien seitens der Friulia SpA eines Kredits in Höhe von 6 Mrd. ITL, der dieser Gesellschaft im Jahre 1992 gewährt worden war;

d) die Kapitalzuführung in Höhe von 7 Mrd. ITL durch die Friulia SpA im Jahre 1994;

e) die Gewährung durch die Friulia SpA eines konvertierbaren Darlehens in Höhe von 12 Mrd. ITL zum Zinssatz von 7 % unter Verpfändung von vier Industriemarken der Seleco SpA im Jahr 1996.

Artikel 2

(1) Italien trifft alle erforderlichen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannten Beihilfen, die den Empfängern bereits unrechtmäßig gezahlt wurden, von der Seleco SpA und ersatzweise für den nicht von der Seleco SpA rückforderbaren Teil von der Gesellschaft Seleco Multimedia srl und jedem anderem Unternehmen zurückzufordern, auf das die entsprechenden Aktiva übertragen wurden, um dieser Entscheidung ihre Wirkung zu nehmen.

(2) Die Rückforderung erfolgt nach den Verfahren des innerstaatlichen Rechts. Auf die zurückzufordernden Beträge werden ab dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Empfänger bereitgestellt wurden, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung Zinsen erhoben. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zum Zeitpunkt der Gewährung dieser Beihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.

Artikel 3

Innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung teilt Italien der Kommission die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 2. Juni 1999

Für die Kommission

Karel Van Miert

Mitglied der Kommission

(1) ABl. C 373 vom 29.12.1994, S. 5.

(2) ABl. C 155 vom 20.5.1998, S. 10.

(3) Noch nicht veröffentlichte Entscheidung.

(4) Staatliche Einrichtung für die Umstrukturierung des Verbrauchselektroniksektors in Italien, deren Tätigkeit Gegenstand der Entscheidungen vom 17. Januar 1984 und 17. September 1985 war. Mit der Entscheidung vom 20. Mai 1992 (ABl. C 166 vom 3.7.1992, S. 6) hat die Kommission die Beihilfen genehmigt, die von der REL einem Dutzend Unternehmen des Verbrauchselektroniksektors, von denen die Seleco SpA das Wichtigste war, gewährt wurden.

(5) Siehe Fußnote 4.

(6) ABl. C 368 vom 23.12.1994, S. 12.

(7) Quelle:

"Panorama der EU-Industrie '94", Eurostat.

(8) Quelle:

"Euromonitor", Februar 1994. Fernseh- und Videoprodukte in Italien.

(9) Bull. EG 9-1984.

(10) Daraus ließe sich schließen, dass die Transaktion der REL zum Ergebnis hat, den anderen Seleco-Aktionären eine Beihilfe in der Höhe zu gewähren, die ihren Anteilen am Verlustausgleich entspricht. Nach Ansicht der Kommission ist diese Wirkung jedoch indirekt und zweitrangig im Vergleich zu der direkten und selektiven Maßnahme zugunsten der Seleco.

(11) Amtsblatt der Italienischen Republik Nr. 81 vom 6.4.1942, S. 81.

(12) Slg. 1973, S. 813.

(13) Slg. 1987, S. I-901.

(14) Slg. 1990, S. I-3437.