31999D0395

1999/395/EG: Entscheidung der Kommission vom 28. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens zugunsten der SNIACE SA mit Sitz in Torrelavega, Kantabrien (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(1998) 3437) (Text von Bedeutung für den EWR) (Nur der spanische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 149 vom 16/06/1999 S. 0040 - 0056


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 28. Oktober 1998

über Beihilfen Spaniens zugunsten der SNIACE SA mit Sitz in Torrelavega, Kantabrien

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(1998) 3437)

(Nur der spanische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(1999/395/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere auf Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1,

nach Aufforderung der anderen Beteiligten zur Äußerung gemäß diesem Artikel(1) und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. VERFAHREN

(1) Mit Schreiben vom 17. April 1997 erhielt die Kommission von einer Anwaltssozietät eine ausführliche Beschwerde der österreichischen Lenzing AG, des größten Herstellers von Viskosefasern in der Gemeinschaft, wegen angeblicher Beihilfen zugunsten des spanischen Wettbewerbers "Sociedad Nacional de Industrias y Aplicaciones de Celulosa Española SA" (im folgenden: "SNIACE"). Die Beschwerde enthielt neue Informationen, die in der ersten Beschwerde vom 4. Juli 1996 nicht eingeschlossen waren, hinsichtlich deren die Kommission zu dem Schluß gekommen war, daß kein ausreichender Nachweis für staatliche Beihilfen vorlag. Die neuen der Kommission übermittelten Informationen enthielten die Abschrift eines von einer privaten Beraterfirma angefertigten Rentabilitätsplans für SNIACE. Der Beschwerdeführer machte geltend, SNIACE habe über einen bis in die späten 80er Jahre zurückreichenden Zeitraum von mehreren Jahren beträchtliche staatliche Beihilfen erhalten. Davon wurde die Kommission weder gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag noch gemäß dem Beihilfekodex für die Kunstfaserindustrie unterrichtet. Die Beihilfe habe den Wettbewerb in einem unter strukturellen Überkapazitäten leidenden Sektor verfälscht und dazu gedient, SNIACE künstlich am Leben zu erhalten.

(2) Es folgten langwierige Voruntersuchungen, zu denen auch Treffen zwischen der GD IV, dem Beschwerdeführer und den spanischen Behörden am 17. Mai 1997 bzw. am 16. Juni 1997 gehörten. Die Beschwerde wurde am 17. Juli 1997 unter NN 118/97 als nicht notifizierte Beihilfe registriert.

(3) Mit Schreiben vom 7. November 1997 setzte die Kommission Spanien von ihrem Beschluß in Kenntnis, ein Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag wegen vermuteter Beihilfen einzuleiten (siehe unten).

(4) Der Beschluß der Kommission über die Einleitung eines Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften(2) veröffentlicht. Die Kommission forderte alle anderen Beteiligten zur Äußerung zu der vermuteten Beihilfe auf.

(5) Spanien antwortete auf die Mitteilung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens mit einem Schreiben vom 19. Dezember 1997, das weitere Informationen zur Erhärtung ihres Standpunkts enthielt, daß keiner der untersuchten Sachverhalte eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

(6) Mit Schreiben vom 23. Februar 1998 ersuchte die Kommission um Klarstellung bestimmter Punkte. Spanien antwortete darauf mit Schreiben vom 16. April 1998.

(7) Die Kommission erhielt Stellungnahmen von anderen Beteiligten und leitete sie Spanien zu, dem die Möglichkeit eingeräumt wurde, dazu Stellung zu nehmen. Der Standpunkt Spaniens wurde mit Schreiben vom 24. Juni 1998 mitgeteilt.

II. SNIACE

(8) SNIACE wurde 1939 gegründet und stellt Zellulose, Papier, Viskosefasern, Kunstfasern und Natriumsulfat her. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Torrelavega, Kantabrien, eine seit 1995 förderfähige Region für Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a). Davor war es förderfähige Region für Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c).

(9) SNIACE hat gegenwärtig etwa 600 Mitarbeiter und ist einer von fünf Viskosefaserherstellern in der Gemeinschaft mit einer Produktionskapazität von ca. 32000 t (etwa 9 % der Gesamtkapazität der Gemeinschaft). SNIACE stellt außerdem Kunstfasern her, nämlich Polyamidseidengarne. In den letzten Jahren hat SNIACE folgende Ergebnisse erzielt:

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(10) Bei Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 stellte die Kommission fest, daß das Unternehmen über mehrere Jahre finanzielle Schwierigkeiten hatte, die auch in verschiedenen Presseberichten behandelt wurden. Auf einen Antrag des Unternehmens im Jahr 1992 ordneten die spanischen Gerichte im März 1993 die Einstellung der Zahlungen an. Dieser Beschluß wurde im Oktober 1996 nach einem Gläubigerübereinkommen wieder aufgehoben, in dem die privaten Gläubiger von SNIACE zustimmten, 40 % der Schulden in Aktien umzuwandeln. Die öffentlichen Gläubiger waren an dieser Vereinbarung nicht beteiligt.

(11) Ende 1997 betrugen die laufenden Verpflichtungen des Unternehmens 8,37 Mrd. ESP im Vergleich zu 4,54 Mrd. ESP Umlaufvermögen; das Eigenkapital des Unternehmens belief sich auf 1,73 Mrd. ESP. Die Probleme des Unternehmens in den letzten Jahren, zu denen auch arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen gehörten, haben zeitweilig zu Produktionsstopps geführt. Über einen großen Teil des Jahres 1993 stand die Produktion still, und auch 1996 ruhte sie über längere Zeit bis Anfang 1997. Im Februar 1997 wurde sie wieder aufgenommen, und gegenwärtig ist das Unternehmen in vollem Betrieb.

III. AUSFÜRHLICHE BESCHREIBUNG DER BEIHILFEMASSNAHMEN

(12) Die Kommission leitete ein Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 wegen folgender vermuteter Beihilfeelemente ein:

a) Nichtentrichtung geschuldeter Umweltabgaben durch SNIACE seit 1987: Die Kommission sah in der mehrjährigen Nichtentrichtung von Umweltabgaben durch SNlACE an die staatliche Wasserbehörde (Confederación Hidrográfica del Norte) ein mögliches Element staatlicher Beihilfe. Da das Unternehmen anscheinend seit einigen Jahren in finanziellen Schwierigkeiten steckte, kann die Nichtentrichtung dieser Abgaben dazu beigetragen haben, den Konkurs zu verhindern;

b) Nichtbeitreibung von Sozialversicherungsbeiträgen seit 1991: Die Kommission bezweifelte, daß die Bedingungen von zwei Umschuldungsvereinbarungen mit der Sozialversicherungsanstalt den Marktbedingungen entsprachen:

i) eine Vereinbarung vom 8. März 1996 über die Umschuldung von Forderungen in Höhe von 2,9 Mrd. ESP aus dem Zeitraum Februar 1991 bis Februar 1995, mit der eine Zahlung in 96 Monatsraten von 1996 bis März 2004 zum gesetzlichen Zinssatz von 9 % festgelegt wurde, und

ii) eine Vereinbarung vom 7. Mai 1996 mit einem tilgungsfreien ersten Jahr und 84 Monatsraten zum gesetzlichen Zinssatz von 9 %;

c) eine Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP, genehmigt auf der Grundlage des Gesetzes 7/1993: Die Kommission äußerte Zweifel daran, daß das Gesetz 7/1993, aufgrund dessen die kantabrische Regionalregierung SNIACE eine Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP genehmigte, ein Element staatlicher Beihilfe enthält;

d) Finanzierungsvereinbarungen für den geplanten Bau einer Abwasserbehandlungsanlage: Die Kommission erklärte, sie sei nicht sicher, daß die Finanzierungsvereinbarung für die geplante Abwasserbehandlungsanlage keine Beihilfe enthält;

e) Schuldennachlaß in Höhe von 116 Mio. ESP durch den Stadtrat von Torrelavega: Die Kommission stellte fest, daß sich die Schulden des Unternehmens durch den Beschluß des Stadtrats von Torrelavega de facto um 116 Mio. ESP vermindert hätten und daß die Tatsache des Abschlusses einer "Sondervereinbarung" mit dem Unternehmen bedeute, daß der Stadtrat ein Ermessen ausgeübt habe und folglich staatliche Beihilfe im Spiele sein könnte; und

f) Vereinbarungen zwischen SNIACE und dem Lohngarantiefonds (Fondo de Garantia Salarial, FOGASA) über die Rückzahlung von 1,702 Mrd. ESP für Lohnrückstände, die der FOGASA im Auftrag von SNIACE an die Belegschaft gezahlt hat:

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(13) Die Kommission bezweifelte, daß die Bedingungen der vorstehend genannten Vereinbarungen den Marktbedingungen entsprachen.

IV. STELLUNGNAHMEN DER ANDEREN BETEILIGTEN

(14) Es liegen Stellungnahmen von einem Mitgliedstaat (Vereinigtes Königreich) und mehreren Konkurrenten von SNIACE in der Gemeinschaft sowie des Internationalen Kunstseiden- und Kunstfaserausschusses (CIRFS) vor. Die Bemerkungen des bayrischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technik gingen erst lange nach Ablauf der Frist ein und können deshalb in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden.

(15) Säteri, Hersteller von Viskosestapelfasern, erklärte, er sei mit unlauteren Wettbewerbspraktiken von SNIACE konfrontiert worden, insbesondere in Italien, dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich. Aufgrund rechtswidriger Beihilfen hätte SNIACE die Preise von Säteri um 10 bis 20 % unterbieten können. Svenska Rayon, ebenfalls Hersteller von Viskosestapelfasern, stellte fest, SNIACE habe den Markt für Viskosestapelfasern über mehrere Jahre durch den Verkauf zu künstlich niedrig gehaltenen Preisen unterminiert. Dadurch sei Svenska Rayon besonders auf dem italienischen Markt benachteiligt worden.

(16) Nylstar beanstandete den durch SNIACE verzerrten Wettbewerb im Polyamidseidensektor, insbesondere auf dem spanischen Markt. Textil Finanz, das zum Radici Konzern gehört, äußerte sich ebenfalls sehr besorgt über die möglichen Auswirkungen rechtswidriger Beihilfen zugunsten von SNIACE im Sektor Polyamidseidengarne. Bemberg sprach von unlauterem Wettbewerb durch SNIACE im Sektor Polyamidseidengarne, insbesondere in Italien, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich und der Schweiz, der darin bestehe, daß Verkäufe bzw. Verträge aufgrund des von SNIACE angebotenen Preisniveaus verlorengingen, das nicht den aktuellen Marktbedingungen entspreche.

(17) Courtaulds plc, der zweitgrößte Hersteller von Viskosestapelfasern in Europa, bezog sich auf die Überkapazitäten in diesem Sektor und die von ihm in den vergangenen zehn Jahren zur Einschränkung der Kapazität und Senkung der Kosten durchgeführten Maßnahmen, die zum Verlust von Arbeitsplätzen im Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich geführt haben. Nach seinen Ausführungen hat die Abwanderung der Textilhersteller in Niedriglohnländer zu einem langfristigen Rückgang des Garnverbrauchs in Europa um jährlich 1,5 bis 2 % geführt. Anstelle dessen seien Garne, Stoffe und Bekleidung importiert worden, hauptsächlich aus Asien und Indien. Die Kapazität in Europa ging dadurch zwischen 1980 und 1998 von 687000 t auf 355000 t zurück. Allein Courtaulds habe seine Kapazität im Laufe der letzten 20 Jahre um 195000 t reduziert, so 1997 um 30000 t in seinem Werk in Grimsby. Courtaulds erklärte, daß Handelsstatistiken eindeutige Beweise dafür enthalten, daß SNIACE zu Preisen unter denen seiner Mitbewerber anbietet. Es wurde festgestellt, daß die Preise von SNIACE im Vereinigten Königreich, in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich und Belgien mindestens 20 % unter den Durchschnittspreisen von Courtaulds lagen. Außerdem ist die Größe der Anlage von SNIACE nach Auffassung von Courtaulds unökonomisch.

(18) Die die Lenzing AG vertretende Anwaltssozietät, deren ursprüngliche Beschwerde zur Einleitung des Verfahrens führte, wiederholte ihren Standpunkt, daß die verschiedenen Beihilfemaßnahmen rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien. Dabei hob sie besonders hervor, daß es sich um Ermessensentscheidungen handele, und nicht, wie von Spanien ausgeführt, um allgemeine Maßnahmen. Ferner bekräftigte sie ihre These, daß die Beihilfemaßnahmen dazu gedient hätten, das Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten.

(19) CIRFS stellte sich als Vertretungsorgan der europäischen Kunstfaserindustrie vor. Seine Mitglieder erbringen 92 % der Produktion von Viskosestapelfasern und 76 % der Produktion von Polyamidseidengarnen (den beiden Hauptprodukten der SNIACE). CIRFS trat für eine strikte Anwendung der Beihilferegeln durch die Kommission ein und betonte, daß der Markt für Viskosestapelfasern in der Gemeinschaft gesättigt sei und der Verbrauch langfristig gesehen zurückgehe. Bis zum Jahr 2002 wird ein weiterer Rückgang um 7 % prognostiziert. Die europäischen Hersteller bauten die Kapazität weiter ab, um sie dem Bedarf besser anzupassen. Außerdem sei die Kapazitätsauslastung 1996 und 1997 für einen so kapitalintensiven Sektor mit 81 % bzw. 84 % unbefriedigend. Bei der Herstellung von Viskosestapelfasern wird normalerweise eine Kapazitätsauslastung von mindestens 90 % angestrebt, um eine angemessene Kapitalrendite zu erzielen. Der CIRFS ging davon aus, daß 1997 alle fünf Hersteller der Gemeinschaft in der Viskoseproduktion Verluste erlitten haben. Der Sektor Polyamidseidengarne befindet sich laut Aussage des CIRFS auf lange Sicht gesehen ebenfalls in einer allmählichen Abwärtsentwicklung. Im Zusammenhang mit einem marktgetriebenen Prozeß der Rationalisierung und Umstrukturierung werde die Kapazität in der gesamten Gemeinschaft schrittweise eingeschränkt, um sie besser auf den Bedarf einzustellen. Die Kapazitätsauslastung liege auch weiterhin unter den für eine befriedigende Gewinnmarge erforderlichen 90 %.

(20) Das Vereinigte Königreich vertrat die Auffassung, daß SNIACE aufgrund staatlicher Beihilfen im Geschäft geblieben sei und dies angesichts der bestehenden Überkapazität in der Kunstfaserindustrie unvermeidlich zum Verlust von Arbeitsplätzen in anderen Teilen Europas führen werde.

(21) Darüber hinaus brachten Lenzig und Courtaulds - ausgehend von Presseberichten - ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck, daß SNIACE durch die staatliche Sparkasse Caja de Cantabria eine weitere Beihilfe in Form eines Kredits mit Gewinnbeteiligung in Höhe von 2000 Mio. ESP gewährt wurde, der nicht den normalen Marktbedingungen entspricht.

V. STELLUNGNAHME SPANIENS

(22) Spanien wiederholte im allgemeinen die vor der Einleitung des Verfahrens vertretenen Standpunkte, insbesondere die These, daß die zuständigen spanischen Behörden normale, gesetzlich geregelte Verfahren für den Umgang mit Steuer- und Sozialversicherungsschulden angewandt hätten und dem Unternehmen in keiner Weise eine Vorzugsbehandlung zukommen lassen hätten.

Nichtentrichtung geschuldeter Umweltabgaben durch SNIACE seit 1987

(23) Nach Angaben Spaniens begann die Confederación Hidrográfica del Norte gemäß den Bestimmungen des Wassergesetzes (Gesetz 29/1985 vom 2. August 1985) und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen im Jahr 1988 mit der Erteilung der Bescheide über die Abwassergebühren für das Jahr 1987 und die darauffolgenden Jahre sowohl für Haushalte als auch für Industriebetriebe, die ihr Abwasser in die Kanalisation dieses Einzugsbereichs einleiten. SNIACE erhielt 1988 den Bescheid Nr. 282/88, in dem die Angaben, die von ihr für die im Produktionsprozeß 1987 vorgenommenen Einleitungen in die Abwasserkanalisation zu entrichten waren, auf 210 Mio. ESP festgesetzt waren.

(24) Das Unternehmen focht diesen Bescheid mit einer Klage beim Tribunal Económico Administrativo Regional de Asturias (TEARA) an, mit der Begründung er sei rechtswidrig.

(25) Artikel 81 der Verfahrensordnung für verwaltungs- bzw. finanzrechtliche Klagen, die per Dekret 1999/1981 vom 20. August 1981 erlassen wurde und 1988 in Kraft war, sieht vor, daß die Durchsetzung angefochtener Gebührenbescheide auszusetzen ist, wenn der Kläger beim Gericht eine Bankgarantie in Höhe des geschuldeten Betrags hinterlegt. Gemäß dieser Vorschrift hinterlegte SNIACE beim TEARA eine von der Banco Español de Crédito ausgestellte Garantie in Höhe von 210 Mio. ESP zur Deckung des Bescheids Nr. 282/88. TEARA sah diese Garantie als ausreichend an, setzte die Vollstreckung des Gebührenbescheids bis zur Entscheidung über die Klage aus. Mit der Entscheidung in der Hauptsache gab es der Klage von SNIACE statt und hob den Gebührenbescheid unter Freigabe der Bankgarantie auf. Die Confederación Hidrográfica del Norte legte hiergegen beim Tribunal Económico Administrativo Central (TEAC) Rechtsmittel ein.

(26) 1989 erließ die Confederación Hidrográfica del Norte einen an die SNIACE gerichteten Bescheid für 1988 über Abgaben in Höhe von 315 Mio. ESP (Bescheid Nr. 271/89), und die SNIACE erhob genau wie im Vorjahr Klage beim TEARA und stellte eine Bankgarantie der Banco Español de Crédito, in deren Ergebnis die Vollstreckung des Bescheids gemäß den vorgenannten Verfahrensregeln ausgesetzt wurde. Mit den gleichen rechtlichen Argumenten wie im Vorjahr gab TEARA der Klage von SNIACE statt, hob den Gebührenbescheid Nr. 271/89 auf und gab ebenso wie im vorangegangenen Fall die von SNIACE gestellte Bankgarantie frei. Die Confederación Hidrográfica del Norte wiederum legte gegen diese zweite Entscheidung Rechtsmittel beim TEAC ein.

(27) Das TEAC verband die beiden Klagen in einem Verfahren, in dem am 28. November 1990 das Urteil gesprochen wurde, das die Rechtmäßigkeit der Gebührenbescheide für 1987 und 1988 (Bescheide Nr. 282/88 und Nr. 271/89) bestätigte. Da die Bankgarantien aufgrund der früheren Entscheidungen des TEARA freigegeben worden waren, übergab die Confederación Hidrográfica del Norte beide Bescheide der Staatlichen Finanzkasse (Agencia Tributaria del Estado) zur Zwangsvollstreckung.

(28) Im April 1990 erhielt SNIACE einen Abwassergebührenbescheid für das Jahr 1989 unter der Nr. 421/90 in Höhe von 525 Mio. ESP. Wie bei den Bescheiden 1987 und 1988 erhob sie Klage beim TEARA und stellte eine Bankgarantie der Banco Español de Crédito.

(29) Unter Berücksichtigung des Urteils des TEAC vom 28. November 1990 wies der TEARA die Klage von SNIACE diesmal (am 8. März 1991) ab, bestätigte die Rechtmäßigkeit des Bescheids Nr. 421/90 und behielt die Bankgarantie in Erwartung des Ausgangs der von SNIACE erhobenen Klage ein. Da die Bankgarantie einbehalten worden war, überwies die Banco Español de Crédito der Confederación Hidrográfica del Norte nach Abweisung der Klage von SNIACE durch das Gericht die 525 Mio. ESP für die Garantie zuzüglich der entsprechenden Verzugszinsen.

(30) Spanien betonte, daß die Verfahrensordnung für verwaltungs- und finanzrechtliche Klagen, erlassen per Dekret 1999/1981 vom 20. August 1981, die Entscheidung über die Stellung einer Bankgarantie dem Kläger überläßt. Der Vorteil einer Bankgarantie besteht darin, daß, sobald sie angenommen ist, die Zwangsvollstreckung des angefochtenen Bescheids bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage ausgesetzt wird.

(31) Angesichts dieser Lage war es für Spanien aus rechtlicher Sicht logisch, daß SNIACE bei den Klagen gegen die Abwasserbescheide 1988, 1989 und 1990 Bankgarantien gestellt hat, da es keine einheitliche Auffassung zu deren Rechtmäßigkeit gab. Nachdem jedoch das TEAC die Bescheide am 28. November 1990 für rechtmäßig befunden und die Confederación Hidrográfica del Norte die Bankgarantie zur Deckung des Bescheids Nr. 421/90 (in Höhe von 525 Mio. ESP zuzüglich Zinsen) für verfallen erklärt hatte - wobei dies nach Rückgabe der Bankgarantien für die Jahre 1987 und 1988 durch TEARA die einzige Garantie war, von der Gebrauch gemacht werden konnte - kann man davon ausgehen, daß SNIACE schwerlich eine Bank gefunden hätte, die ihr für Klagen, die wahrscheinlich abgelehnt worden wären, eine Bankgarantie stellt.

(32) Infolgedessen wurde für die Bescheide von 1991 und den darauffolgenden Jahren, obwohl SNIACE auch dagegen Klage beim TEARA erhob, weder eine Bankgarantie gestellt, noch wurde das Einzugsverfahren ausgesetzt. Nach Ablauf der Frist für die freiwillige Zahlung wurden die Bescheide in jedem Fall der Staatlichen Finanzkasse zur Zwangsvollstreckung übergeben.

(33) Nach Angaben Spaniens setzen sich die Schulden von SNIACE wie folgt zusammen:

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(34) Die Verzugszinsen wurden bis zum 1. März 1998 berechnet. Sie werden zum gesetzlichen Zinssatz des jeweiligen Jahres ab Fälligkeitsdatum berechnet und sind bei Rückzahlung der Schuld fällig.

(35) Alle Schulden von SNIACE aus Abwassergebühren, die der Staatlichen Finanzkasse zum Einzug übergeben wurden, sind jetzt Gegenstand von Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß der Allgemeinen Einzugsverordnung, drittes Buch, (Königliche Verordnung 1684/1990 vom 20. Dezember, geändert durch die Königliche Verordnung 448/1995 vom 24. März).

(36) Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist inzwischen im Stadium der Pfändung (embargo), d. h., es wurden Maßnahmen zur Pfändung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens in Höhe der Gesamtschuld eingeleitet.

(37) Die Einnahmen aus der Pfändung von Geldbeträgen und kurzfristigen Krediten wurden bereits auf die Rückzahlung der Schulden angerechnet und sind unter der Spalte "Eingezogen" der vorstehenden Schuldenaufstellung berücksichtigt. Der nächste Schritt im Zwangsvollstreckungsverfahren ist die Vollstreckung durch öffentliche Versteigerung des unbeweglichen Vermögens, einschließlich des der Pfändung unterliegenden Werkes und der dazugehörigen Anlagen und Ausrüstungen von SNIACE.

(38) Spanien hat darauf hingewiesen, daß die Zwangsvollstreckung in das pfändbare unbewegliche Vermögen von SNIACE Probleme schafft, die sich sowohl aus der Situation des Unternehmens als auch aus der Art der gepfändeten Gegenstände ergeben:

a) Das Gelände des gepfändeten Werkes samt Anlagen und Ausrüstungen ist offiziell als Gelände für gewerbliche Zwecke ausgewiesen, und sowohl das Werk als auch seine Anlagen und Ausrüstungen sind für die Wirtschaftstätigkeit von SNIACE ausgelegt. Das bedeutet, der Markt für einen Verkauf ist sehr begrenzt, da das Gelände ausschließlich für industrielle Zwecke genutzt werden kann und der Umbau der Anlagen für eine andere Tätigkeit sehr kostspielig wäre. Außerdem ist das Grundstück bereits durch verschiedene Banken für über 5000 Mio. ESP mit Hypotheken für Betriebskredite belastet, die SNIACE vor Einleitung des Verfahrens zur Einziehung der Forderungen aus Abwassergebühren gewährt wurden. Diese Hypotheken, die aus der Zeit vor der Pfändung stammen, bleiben im Fall eines Verkaufs des Anlagevermögens bestehen, was die Verkaufsaussichten stark verringert.

b) SNIACE ist ein arbeitendes Unternehmen mit einer großen Belegschaft. Der Verkauf des Werkes und seiner Anlagen und Ausrüstungen würde wahrscheinlich die Einstellung der Produktion und die Schließung des Unternehmens bedeuten. Dies wiederum würde zu einer weiteren Verschuldung aufgrund nichtbezahlter Löhne und Gehälter sowie von Entlassungsabfindungen führen. Selbst wenn sich ein Käufer für das Anlagevermögen fände, müßten aus der Masse zunächst die Lohnkredite bezahlt werden, da sie nach spanischem Recht Vorrang gegenüber den Forderungen der Finanzkasse haben.

c) Die Schulden, die zur Pfändung des Anlagevermögens geführt haben, sind derzeitig Gegenstand einer Reihe von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und als solche nicht definitiv. Obwohl die Zwangsvollstreckung nicht ausgesetzt wurde, da SNIACE gegenüber den Gerichten keine Garantie bietet, müssen die Steuerbehörden beim Verkauf des Anlagevermögens zumindest sehr sorgsam vorgehen, da dies ein irreversibler Akt ist, der für ungültig erklärt werden könnte, wenn die Gerichte zugunsten von SNIACE entscheiden. Bisher war das Vorgehen der Verwaltung in solchen Fällen stets von Umsicht gekennzeichnet. Das Gesetz 1 vom 26. Februar 1998 über die Rechte und Pflichten der Steuerzahler regelt diesen Fall ausdrücklich und liefert damit einen weiteren Anhaltspunkt dafür, daß die Steuerbehörden bei irreversiblen Entscheidungen im Zusammenhang mit Schulden, die noch nicht definitiv anerkannt sind, mit Sensibilität vorgehen sollten. Dieses am 19. März 1998 in Kraft getretene Gesetz beschränkt die Befugnis der Steuerbehörden, gepfändete Gegenstände zu veräußern, wenn die Erfuellung der die Pfändung rechtfertigenden Forderung durch eine Garantie gesichert ist. Hinsichtlich der von der Finanzkasse unternommenen Schritte zur Sicherung der Begleichung der Schulden weist Spanien darauf hin, daß die Finanzkasse alle im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Guthaben und Rechtstitel wurden zusammen mit dem Werk und den für die Tätigkeit des Unternehmens genutzten Anlagen und Ausrüstungen gepfändet.

(39) Nach den Ausführungen Spaniens haben die während der Zwangsvollstreckung zur Beitreibung der Schuld entstandenen Schwierigkeiten zu Verhandlungen mit dem Unternehmen und der Confederación Hidrográfica del Norte, der auf die Bezahlung der Abwassergebühren durch die SNIACE Anspruch erhebenden Körperschaft, geführt, um eine Vereinbarung im gegenseitigen Einverständnis über die Begleichung der Schulden gemäß den Bestimmungen über Zahlungsverzug und Ratenzahlungen im Rahmen der Allgemeinen Einzugsverordnung zu erreichen. Gegenwärtig wird über die Bedingungen für die Ratenzahlungen und Garantien, die SNIACE zusagen müßte, verhandelt.

(40) Spanien wies darauf hin, daß die Verhandlungen über Ratenzahlungen noch nicht unbedingt bedeuten, daß diese Option zustande kommt; das Ergebnis wird von der Übereinstimmung mit den einschlägigen rechtlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Garantien, abhängen.

Nichtbeitreibung von Sozialversicherungsbeiträgen seit 1991

(41) Nach den Ausführungen Spaniens wurde gemäß den Artikeln 40 ff. der Allgemeinen Verordnung über die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge, erlassen durch die Königliche Verordnung 1637/1995 vom 6. Oktober (Staatsanzeiger vom 24. Oktober 1995), eine weitere Umschuldungsvereinbarung für die Schulden bei der Sozialversicherung ausgehandelt, nämlich eine Vereinbarung vom 30. September 1997 über die Umschuldung von Forderungen in Höhe von insgesamt 3510387323 ESP aus dem Zeitraum von Februar 1991 bis Februar 1997 zuzüglich Aufschlägen in Höhe von 615056349 ESP in 120 Monatsraten; danach sind im ersten und zweiten Jahr nur Zinszahlungen zum gesetzlichen Zinssatz von 7,5 % zu leisten und vom dritten bis zum zehnten Jahr Rückzahlung des Darlehensbetrags zuzüglich jährlich ansteigender Zinssätze von 5 %, 5 %, 10 %, 10 %, 15 %, 15 %, 20 %und 20 %.

(42) Im Rahmen der neuen Vereinbarung über den Zahlungsaufschub hatte die SNIACE bis April 1998 216118863 ESP an die Sozialversicherung zurückgezahlt.

(43) Dazu erläuterte Spanien, daß dieses neue Schuldenmoratorium die Forderungen aus der vorgenannten Vereinbarung vom 8. März 1996 einschließt, für die am 7. Mai 1996 ein weiterer Zahlungsaufschub gewährt wurde und die aufgrund der Nichtzahlung der Schuldenrückzahlungsraten ungültig geworden war, wobei das Unternehmen keinen der fälligen Beträge gezahlt hat.

(44) Nach den Ausführungen Spaniens hat die Allgemeine Sozialversicherungsanstalt in voller Übereinstimmung mit den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen gehandelt. Ihr Verhalten kann nicht als Gewährung staatlicher Beihilfe ausgelegt werden. Die in Frage kommenden Gesetze und Verordnungen gelten generell für alle Unternehmen für sämtliche darin beschriebenen Situationen und sind nicht an spezifische Unternehmen oder Sektoren gebunden. Die von der Sozialversicherungsanstalt eingeleiteten Maßnahmen zur Einziehung der von SNIACE geschuldeten Beiträge entsprachen zu jedem Zeitpunkt dem in der Allgemeinen Verordnung über die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge gesetzlich geregelten Verfahren.

(45) Dazu merkte Spanien an, daß der Aufschub von Schuldenzahlungen allgemein zulässig und keine Ermessensentscheidung der Behörden ist. Das Verfahren für einen solchen Zahlungsaufschub ist in den Artikeln 40 bis 43 der Allgemeinen Verordnung über die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge, erlassen durch die Königliche Verordnung 1637/1995 vom 6. Oktober 1995, geregelt. Dieser Verordnung zufolge können Sozialversicherungsschulden auf Antrag der Zahlungspflichtigen, die ihre Verpflichtungen aufgrund ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Lage nicht erfuellen können, aufgeschoben oder in Raten bezahlt werden (Artikel 40). Zahlungsaufschub wird stets gewährt, wenn ein Unternehmen dies beantragt und die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfuellt. Der Beschluß über einen Zahlungsaufschub liegt im Interesse der Einziehung der Schulden durch die Sozialversicherung, da jedes andere Herangehen zur Schließung des betreffenden Unternehmens führen könnte und damit jegliche Aussichten auf Sicherung der Zahlung zunichte gemacht würden.

(46) Ergänzend teilte Spanien mit, daß SNIACE als Garantie für die Rückzahlung der Schulden die Aufnahme einer Hypothek im ersten Rang zugunsten der Allgemeinen Sozialversicherungsanstalt und des Lohngarantiefonds (FOGASA) auf den Betrieb in Torrelavega und dessen Anlagen und Ausrüstungen angeboten habe. Einer Schätzung der American Appraisal España SA zufolge belief sich der tatsächliche Wert des betroffenen Betriebsvermögens zum 31. Dezember 1996 auf 25580000 ESP. Da die Gewährleistung der vollen rechtlichen Wirkung einer solchen Garantie komplizierte und schwierige Maßnahmen erforderte, beantragte SNIACE eine Fristverlängerung für die Stellung der Garantie. Gemäß Artikel 21 der Verordnung vom 22. Februar 1996 wurde diese Verlängerung am 19. Dezember 1997 vom Generaldirektor der Sozialversicherungsanstalt für sechs Monate gewährt, d. h., in dieser Zeit würden Pfändungsanzeigen der Sozialversicherung nicht vollzogen werden.

(47) Da die genannten Schwierigkeiten während des Aufschubs anhielten und das Unternehmen keinen endgültigen Termin für eine definitive Lösung festlegen konnte, stellte es während der Verlängerungsperiode einen Antrag auf "Substitution der Sicherheit", um zu sichern, daß Pfändungsanzeigen nicht vollstreckt werden. Den Angaben Spaniens zufolge wird gegenwärtig geprüft, ob die neue Sicherheit zur Deckung der aufgeschobenen Schuld ausreicht.

(48) Dieser Zahlungsaufschub kann nach Angabe Spaniens nicht als staatliche Beihilfe für das betroffene Unternehmen gewertet werden, da die Bedingungen, unter denen die Schulden zu bezahlen sind - mit Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz vom Tage der Gewährung des Aufschubs an - mit den allgemeingültigen und zwingend vorgeschriebenen Regeln des spanischen Rechts übereinstimmen.

(49) Mit Schreiben vom 24. Juni 1998 stellte Spanien jedoch fest, daß seine Position dem Standpunkt des Beschwerdeführers nicht widerspricht, wonach ein Zahlungsaufschub für Schulden im Ermessen der Regierung liege und eine Einzelfallprüfung erfordert. Danach heißt es zwar in Artikel 20 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bezüglich der Befugnis der Behörden, einen Zahlungsaufschub für Sozialversicherungsschulden zu gewähren, "podrán" [können], doch hätte die Behörde aus der Sicht Spaniens nur bei absolut wörtlicher Auslegung Ermessensbefugnis. Es begründete diesen Standpunkt damit, daß Ermessen nicht gleich Willkür ist, denn Willkür würde eine von Beliebigkeit bestimmte und nicht einheitliche Anwendung des Gesetzes auf ähnliche Situationen bedeuten. In Wirklichkeit ist es so: Wann immer ein Unternehmen einen Zahlungsaufschub beantragt, da ihm seine wirtschaftliche oder finanzielle Lage die Bezahlung der Schulden unmöglich macht, wird ein solcher Zahlungsaufschub gewährt, vorausgesetzt, das Unternehmen erfuellt die gesetzlichen Erfordernisse (die natürlich eine Prüfung des Einzelfalls einschließen). In diesem Zusammenhang weist Spanien darauf hin, daß dies die allgemeine Praxis sei und in allen Fällen die gleichen Kriterien angewendet würden.

(50) Schließlich führt Spanien das Argument ins Feld, daß die Gewährung eines Zahlungsaufschubs die Interessen der Sozialversicherung hinsichtlich der Eintreibung von Schulden besser schützt als jede andere Verfahrensweise, die zur Schließung des Unternehmens führen könnte und damit zum Verlust der Möglichkeit, die Gesamtschuld oder wenigstens einen erheblichen Anteil davon zurückzuerhalten. Daher wird die Methode bevorzugt, die für die Sozialversicherung am günstigsten ist.

Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP, genehmigt auf der Grundlage des Gesetzes 7/1993

(51) Spanien hält seinen Standpunkt aufrecht, daß keine staatliche Beihilfe im Spiel ist, da die Kreditbürgschaft niemals förmlich ausgereicht wurde. Es wiederholte, daß die Regionalregierung gemäß Artikel 2 des Gesetzes 7/1993 vom 16. September 1993 befugt war, SNIACE eine Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP zu gewähren. Dazu kam es in der Praxis nicht, da das Gesetz die Gewährung der Bürgschaft von einer Reihe strenger Voraussetzungen abhängig macht, die bis dato nicht erfuellt wurden. Deshalb wurde die Bürgschaft nicht gewährt und wurde nicht wirksam. Darüber hinaus hatte das Unternehmen nicht einmal darum ersucht. Spanien wiederholte, daß es die Kommission vor einer eventuellen förmlichen Ausreichung dieser Bürgschaft unterrichten würde.

(52) Nach spanischem Privatrecht (Artikel 440 Handelsgesetzbuch und Artikel 1822 bis 1856 Zivilgesetzbuch) ist eine Bürgschaft ein formgebundener Rechtsakt, d. h., wenn das Bürgschaftsdokument dem Unternehmen, das zur Übernahme des Risikos bereit ist, nicht vorgelegt wird, dann entsteht die Bürgschaft nicht und begründet weder Rechte noch Pflichten. Eine Bürgschaft ist mehr als eine bloße Absichtserklärung. Zur Anwendung der fraglichen Bürgschaft müssen folgende Voraussetzungen erfuellt sein:

a) Bestätigung der Übereinstimmung mit dem Gesetz 7/1993,

b) Würdigung der zu stellenden Bürgschaft aus rechtlicher Sicht,

c) allgemeiner Prüfbericht,

d) Vorschlag des Ministers für Wirtschaft und Finanzen der Regionalregierung für ein Bürgschaftsangebot,

e) Genehmigung der Bürgschaft durch die Regionalregierung und Ausstellung des Bürgschaftsdokuments.

f) Austellung des Bürgschaftsdokuments.

Finanzierungsvereinbarungen für den geplanten Bau einer Abwasserbehandlungsanlage

(53) Spanien erklärte, daß der Bau einer Abwasserbehandlungsanlage im Rahmen eines komplexen Abwasserbehandlungsprogramms für den Besaya-Fluß und nicht zur alleinigen Nutzung durch SNIACE geplant sei, sich das Projekt jedoch derzeitig erst in der Planungsphase befinde.

(54) Gegenwärtig trifft das Unternehmen Maßnahmen zur Errichtung einer Abwasserrückgewinnungsanlage. Alle Aktionen im Zusammenhang mit der Behandlung der Abwässer, die das Unternehmen in den Besaya-Fluß einleitet, erfolgen im Rahmen eines allgemeinen Programms für die Abwasserbehandlung im Einzugsgebiet der Flüsse Saja und Besaya, das von nationaler Bedeutung ist und gegenwärtig einer technischen Begutachtung unterzogen wird. Bis zum Abschluß dieser Phase kann keine Aussage darüber getroffen werden, welche Maßnahmen letztendlich von den Firmen, die Abwässer in den Besaya einleiten, getroffen werden müssen.

(55) Entsprechend den technischen Studien, die bisher im Rahmen des allgemeinen Programms für die Abwasserbehandlung im Einzugsgebiet der Flüsse Saja und Besaya durchgeführt wurden, müssen die von den Industrieunternehmen in diesem Raum, einschließlich SNIACE, abgegebenen Abwässer von den Firmen selbst an der Quelle behandelt werden. Behandelte Abwässer dürfen in das Abwassersystem eingeleitet werden, wenn die in der Abwasserverordnung festgelegten Grenzwerte eingehalten werden und die Verbraucher Gebühren für die zulässige Abwasserlast bezahlen. Die Option, sämtliche Industrieabwässer neben den Kläranlagen für städtische Abwässer in einer speziellen Anlage zu behandeln, wurde wegen der Kompliziertheit einer solchen Lösung verworfen.

(56) Mit Schreiben vom 16. April 1998 führte Spanien ferner aus, daß SNIACE bereits ohne jegliche öffentliche Hilfe die Bestandteile einer Abwasserbehandlungsanlage erworben habe und es folglich keine konkreten Pläne für die Gewährung einer Hilfe dieser Art gäbe.

Schuldennachlaß in Höhe von 116 Mia. ESP durch den Stadtrat von Torrelavea

(57) Spanien wies darauf hin, daß der Stadtrat von Torrelavega in jeder Hinsicht im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt habe und die "Freistellung" von der Zahlung des besagten Steuerbetrags nach spanischem Recht keinen "Schuldenerlaß" darstelle.

(58) Der Stadtrat von Torrelavega war an der im Rahmen des Zahlungseinstellungsverfahrens geschlossenen Gläubigervereinbarung vom Oktober 1996 nicht beteiligt, sondern hatte statt dessen auf der Grundlage der Regelungen der spanischen Steuergesetzgebung zum "Teilerlaß" ("quita"-"Teilerlaß oder Nachlaß mit Zahlungsmoratorium") und zum "Zahlungsmoratorium" ("espera") eine separate Sondervereinbarung getroffen, mit der er die gleichen Verluste akzeptierte wie ein privater Gläubiger. Das heißt konkret, es wurden eine Senkung des Schuldenbetrags und eine Fristenverlängerung, wie sie in der Gläubigervereinbarung festgelegt sind, sowie Ratenzahlungen über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einer rückzahlungsfreien Zeit und Zinssätzen wie in der Gläubigervereinbarung festgelegt. Der einzige Grund für den Abschluß einer Sondervereinbarung war die Sicherung der Eintreibung der Steuerverpflichtungen von SNIACE gegenüber den Kommunalbehörden, da der "nachgelassene" Betrag in keiner Form von einer Bürgschaft gedeckt war und es keine pfandrechtsfreien Vermögenswerte gab. Die Vereinbarung entsprach voll und ganz Artikel 129 Absatz 4 des Allgemeinen Steuergesetzes.

(59) Nach den Ausführungen Spaniens unterscheidet das spanische Konkursrecht deutlich zwischen dem Erlaß der Steuerschuld einerseits und dem Teilerlaß oder Nachlaß eines Steuerbetrags verbunden mit einem Zahlungsaufschub andererseits. Der Erlaß einer Steuerschuld kann nur durch Gesetz gewährt werden und kommt gewöhnlich in Katastrophenfällen, die einen Steuererlaß erfordern, zur Anwendung. Der Nachlaß von Steuerbeträgen mit Zahlungsaufschub wird ausschließlich im Hinblick auf die Eintreibung oder die Möglichkeit eines Zwangseinzugs mindestens eines Teils der Schuld gewährt, und zwar nur in Konkursverfahren, in denen, wie in diesem Fall, die unanfechtbare Vorzugsstellung der Hypothekengläubiger (Banco Español de Crédito) mit einem Pfandrecht an Grund und Boden sowie Gebäuden andere Eintreibungsmaßnahmen unmöglich machen.

(60) Die Kommission erhielt von Spanien eine Kopie des Beschlusses des Stadtrats von Torrelavega 4358/97 vom 15. Dezember 1997, in dem u. a. der Betrag der Steuerschuld von SNIACE zum damaligen Zeitpunkt mit 216245424 ESP zuzüglich 37523859 ESP Gewerbesteuer für 1996 angegeben wird, wozu noch Zuschläge und satzungsmäßige Zinszahlungen hinzugerechnet werden können. Ein Betrag von 101093800 ESP ist durch Beschlagnahme gesichert und für 45000000 ESP steht eine Sicherung noch aus; nach Artikel 73 des Allgemeinen Steuergesetzes genießt die Grundsteuer bei einer öffentlichen Last auf dem Grundstück ("hipoteca legal tácita") besonderen Vorrang.

(61) Spanien betonte, daß sich der "Schuldennachlaß" auf Steuerveranlagungen bezog, für die es keine Vorrangforderungen oder früheren Beschlagnahmen gab, sowie auf solche, die, wie die Gewerbesteuer (Impuesto sobre Actividades-Económicas IAE), hätten gestrichen werden können und sollen, da sie sich auf die Geschäftstätigkeit eines ganzen Jahres bezogen (für die Jahre 1995 und 1996 war eine solche nicht gegeben, da das Unternehmen mehrere Monate stillgelegt war):

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(62) Der Steuernachlaß in Höhe von 116 Mio. ESP kann nach Auffassung Spaniens nicht als direkte oder indirekte staatliche Beihilfe angesehen werden, weil der Beschluß des Stadtrats nur darauf gerichtet war, die nicht eintreibbaren Schulden "auszuklammern", von denen einige (wie die Veranlagung der Gewerbesteuer für 1995 und 1996 und Aufschläge für die Zwangseintreibung) zum Teil erlassen werden müssen, da die Veranlagung auf der Grundlage der Tätigkeit eines vollen Jahres erfolgte, obwohl das Unternehmen 1995 und 1996 kaum gearbeitet hatte. Der Gewerbesteuersatz wird von der Zentralregierung festgelegt und geht von einer ununterbrochenen Wirtschaftstätigkeit aus. Das heißt, es wird ein dem normalen Tätigkeitsniveau des Unternehmens entsprechender Personalbestand und Energieverbrauch angenommen. In Wirklichkeit ruhte die Produktion in dieser Zeit, und die Steuerbeträge für beide Jahre müßten automatisch erlassen werden.

(63) Folglich stellte von der durch die "Schuldennachlaßvereinbarung" betroffenen Gesamtsumme ein Betrag in Höhe von 100216447 ESP eine nichteintreibbare Schuld dar, nämlich die Gewerbesteuer, deren Berechnung fehlerhaft war, und die Aufschläge, die ein reiner Rechnungsposten bezüglich der tatsächlich vom Nachlaß betroffenen Steuerschuld waren, so daß der Betrag unter dieser Position lediglich als Buchungsinformation ohne jegliche praktische Auswirkungen verstanden werden sollte.

(64) Die übrigen Beträge für Wasser-, Abwasser- und Müllgebühren enthalten ebenfalls schwere Kalkulationsfehler, da zumindest bei der Berechnung der Gebühren für Abwasser und Müllabfuhr von einer durchgehenden Wirtschaftstätigkeit ausgegangen wurde, was für die Jahre 1994, 1995 und 1996 nicht zutraf. Deshalb werden die alten Gebührenbescheide durch neue ersetzt, die sich auf die tatsächliche Tätigkeitsdauer des Unternehmens stützen werden. Die Veranlagung der Gewerbesteuer für die Jahre 1995 und 1996 mit 79497353 ESP war deshalb völlig unrealistisch und wurde letztlich teilweise aufgehoben.

(65) Der Rest der in dem Beschluß erfaßten Schulden wäre unter keinen Umständen auf dem Zwangswege eintreibbar, da sie keinen Vorrang genießen, und deshalb hat der Beschluß des Stadtrats keine praktischen Auswirkungen für das Unternehmen, da er sich auf Beträge bezieht, die nicht eingezogen werden können bzw. die wegen fehlender wirtschaftlicher Tätigkeit des Unternehmens aufgehoben werden mußten.

(66) Daraus schloß Spanien, daß die Kommunalbehörden von Torrelavega einfach im Interesse eines wirksamen Schutzes ihrer finanziellen Interessen gehandelt und alles versucht haben, um die Schulden von SNIACE einzutreiben. Ihr Vorgehen war völlig rechtens und hätte niemals Auswirkungen in Form einer Schmälerung der kommunalen Mittel von Torrelavega gehabt; auch kann ihr Vorgehen nicht als direkte oder indirekte staatliche Hilfe für SNIACE gewertet werden, da der Schuldennachlaß auf Beträge beschränkt war, die aus verschiedenerlei Gründen tatsächlich nicht beigetrieben werden konnten.

Vereinbarungen zwischen SNIACE und dem Lohngarantiefonds FOGASA über die Rückzahlung von 1,702 Mrd. ESP für Lohnrückstände, die der FOGASA im Auftrag von SNIACE an die Belegschaft, gezahlt hat

(67) Spanien bestätigte, daß der FOGASA (Lohngarantiefonds) die Bezahlung rückständiger Löhne und Abfindungen an die Mitarbeiter von zahlungsunfähigen oder im Konkurs befindlichen Unternehmen übernimmt. Diese Leistungen werden direkt an die Arbeitnehmer gezahlt, d. h., der Anspruch auf Lohngarantien ist ausschließlich den Arbeitnehmern vorbehalten und schließt unter keinen Umständen die Gewährung von Beihilfen oder Krediten an Unternehmen mit Schulden aus den Arbeitskosten ein. Die Verordnung vom 20. August 1985 regelt den Abschluß von Vereinbarungen über die Rückzahlung von Beträgen, die der Lohngarantiefonds ausgezahlt hat, und sieht ausdrücklich die Möglichkeit von Vereinbarungen über Zahlungsaufschub und Ratenzahlungen vor, die unter Beachtung der Bestimmungen der Verordnung vom Lohngarantiefonds abgeschlossen werden können.

(68) Gemäß Artikel 32 der Verordnung vom 20. August 1985 zur Durchführung der Königlichen Verordnung 505/1985 vom 6. März 1985 schloß der FOGASA zwei Rückzahlungsvereinbarungen mit SNIACE:

a) am 5. November 1993

Gesamtbetrag einschließlich Zinsen: 1362708700 ESP,

Rückzahlungszeitraum: acht Jahre,

Fälligkeit der Raten: alle sechs Monate,

Zinssatz: 10 %, d. h. der gesetzliche Zinssatz für 1993, gemäß Verordnung vom 20. August 1985,

Sicherheit: Hypothek;

b) am 31. Oktober 1995

Gesamtbetrag einschließlich Zinsen: 339459878 ESP,

Rückzahlungszeitraum: acht Jahre,

Fälligkeit der Raten: alle sechs Monate,

Zinssatz: 9 %, d. h. der geseztliche Zinssatz für 1995, gemäß Verordnung vom 20. August 1985,

Sicherheit: Hypothek.

(69) Der von SNIACE im Rahmen der beiden Vereinbarungen zurückgezahlte Betrag belief sich bis Juni 1998 auf 186963594 ESP.

(70) Nach Ansicht Spaniens beinhalten die Vereinbarungen keine staatlichen Beihilfen und Subventionen im Sinne von Artikel 81 des novellierten Allgemeinen Haushaltsgesetzes, d. h. keine Bereitstellung von öffentlichen Mitteln durch den Staat oder seine autonomen Körperschaften an öffentliche oder private Personen oder Körperschaften zur Förderung einer Tätigkeit im sozialen Interesse oder zur Durchsetzung eines staatlichen Ziels, oder, allgemein, keine Form von Hilfe aus dem Staatshaushalt oder den Haushalten seiner autonomen Körperschaften und keine teilweise oder gänzlich aus Fonds der Gemeinschaft finanzierten Subventionen oder Beihilfen. Es handelt sich vielmehr um Kredite, auf die die betreffende Körperschaft aufgrund des Übergangs der materiellen Rechte und Verfahrensrechte der Arbeitnehmer, die Leistungen erhalten haben, dem Unternehmen gegenüber Anspruch hat.

(71) Abschließend führte Spanien aus, daß die genannten Verordnungen und Regelungen allgemein für alle Unternehmen in den darin spezifizierten Situationen gelten und nicht nur für spezifische Unternehmen und Sektoren. Der FOGASA zahlt den Arbeitnehmern die Beträge, die ihnen das Unternehmen schuldet, und nimmt niemals Zahlungen an das betroffene Unternehmen vor, denn das ist gesetzlich verboten.

(72) Außer den Stellungnahmen zu den im Rahmen des Verfahrens untersuchten Fragen reagierte Spanien auch auf die Äußerungen Dritter, wonach der Kredit in Höhe von 2000 Mio. ESP von der Caja de Cantabria zugunsten von SNIACE staatliche Beihilfen enthält. Es wies die Ausführungen zurück und erklärte u. a., daß die Caja de Cantabria ein dem Privatrecht unterliegendes Kreditinstitut ist, das seine Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von Gewinn- und Solvenzkriterien treffen muß. Unter Berücksichtigung der derzeitig zur Verfügung stehenden Informationen akzeptiert die Kommission, daß die angeblich von der Caja de Cantabria gewährte Beihilfe nicht in den Rahmen des Verfahrens fällt. Die Kommission kann jedoch die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Beihilfen involviert sind, und behält sich das Recht vor, ihre Untersuchungen in dieser Sache außerhalb des Verfahrens weiterzuführen.

VI. BEURTEILUNG DER VERMUTETEN BEIHILFE

(73) Zunächst muß die Kommission entscheiden, ob die Maßnahmen, die Gegenstand des Verfahrens sind, staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag enthalten. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen lautet die Beurteilung der Kommission wie folgt:

(74) SNIACE ist einer von fünf Viskosefaserherstellern in der Gemeinschaft. Seine Erzeugnisse werden in andere Mitgliedstaaten ausgeführt, und zwischen den Herstellern herrscht Konkurrenz. Der innergemeinschaftliche Handel mit Viskosefasern (KN-Code 5504 10 00 ) betrug 1997 101000 t. SNIACE ist in einem strukturschwachen Sektor tätig, was bei einigen Mitbewerbern zur Rationalisierung der Produktionskapazität geführt hat. Im EWR ging die Produktion von Viskosefasern in der Zeit von 1992 bis 1997 von 760000 t auf 684000 t zurück (eine Reduzierung um 10 %), und der Verbrauch sank im gleichen Zeitraum um 11 %. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung lag in diesem Zeitraum bei 84 %, was für einen so kapitalintensiven Sektor niedrig ist. Zusätzlich zur Belieferung des spanischen Markts hat SNIACE traditionell auch andere europäische Märkte versorgt, vor allem Italien und Frankreich. Außerdem stellt SNIACE Kunstfasern, nämlich Polyamidseidengarn, her. In diesem Sektor bestehen ebenfalls erhebliche Überkapazitäten, und von 1995 bis 1997 lag die durchschnittliche Kapazitätsauslastung nur bei 76 %.

Nichtentrichtung von Umweltabgaben durch SNIACE seit 1987

(75) Zum 1. März 1998 war der Gesamtbetrag der unbezahlten Schulden an Umweltabgaben für Abwasser und Abfälle einschließlich Aufschlägen und Zinsen für den Zeitraum 1987 bis 1995 auf etwa 6268766095 ESP angewachsen (und nicht, wie von Spanien angegeben, auf 6354149834 ESP, da es die 1987 und 1988 bereits geleisteten Zahlungen nicht berücksichtigt hatte). Auf der Grundlage des Urteils des Obersten Finanzgerichts vom 28. November 1990 über die Rechtmäßigkeit der Bescheide von 1987 und 1988 wurde das Zwangseinzugsverfahren für diese Schulden offensichtlich bereits vor acht Jahren eingeleitet. Wie Spanien selbst einräumt, hatte das Vollstreckungsverfahren in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung, da SNIACE keine Bankgarantie für die angefochtenen Umweltabgabenbescheide gestellt hat (ausgenommen für 1988).

(76) Die Kommission erkennt jedoch an, daß nach spanischem Recht nicht die Confederación Hidrográfica del Norte, sondern die Steuerbehörden für die Eintreibung dieser Schulden von SNIACE zuständig sind. Per Juni 1998 wurden 85383739 ESP eingezahlt, knapp über 1 % der Gesamtforderung. Inzwischen wachsen die Schulden einschließlich Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz und Zuschlägen weiter an.

(77) Die Kommission stellt fest, daß sich die Eintreibung der Schulden als schwierig erwiesen hat, vor allem aufgrund der prekären Finanzlage von SNIACE und des Einspruchs gegen die jährlichen Bescheide. Dadurch, daß die Steuerbehörden bisher nicht zur Zwangsvollstreckung gegriffen haben, was möglicherweise den Konkurs des Unternehmens verursacht hätte, haben sie wahrscheinlich ihre Aussichten, zumindest einen Teil der geschuldeten Umweltabgaben zu erhalten, vergrößert, was wegen der Existenz von Gläubigern von höherer Rangordnung anders nicht zu erreichen gewesen wäre.

(78) Die von der Kommission durchgeführte Untersuchung läßt demzufolge beim derzeitigen Stand nicht den Schluß zu, daß die Nichtentrichtung der Umweltabgaben tatsächlich eine staatliche Beihilfe darstellt. Angesichts der komplizierten Rechtslage in der Frage, ob Spanien SNIACE durch die Nichteintreibung unbezahlter Umweltabgaben eine Vorzugsbehandlung gewährt hat, beabsichtigt die Kommission, die Entscheidung über diesen Punkt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Nichtbeitreibung von Sozialversicherungsbeiträgen seit 1991

(79) Die Kommission stellt nicht in Abrede, daß die Sozialversicherungsanstalt, wie von Spanien angeführt, zum Schutz ihrer Interessen gehandelt habe. Dabei möchte die Kommission ausdrücklich hervorheben, daß sie das allgemeine Sozialversicherungssystem Spaniens in keiner Weise in Frage stellt.

(80) Spanien hat allerdings eingeräumt, daß eine Zwangsvollstreckung zur Beitreibung der Forderungen der Sozialversicherungsanstalt möglicherweise zur Schließung des Unternehmens geführt hätte. Daraus ist ersichtlich, daß die mehrjährige Duldung der verzögerten Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge seitens SNIACE durch die Sozialversicherungsanstalt dem Unternehmen einen erheblichen Vorteil gebracht hat.

(81) Offensichtlich ist auch, daß die einschlägigen Sozialversicherungsvorschriften den Behörden in der Behandlung von Einzelfällen einen Ermessensspielraum zugestehen, und genau das war hier der Fall. Dabei sieht sich die Kommission gezwungen hervorzuheben, daß sie der Grad des Ermessens, den die Sozialversicherungsanstalt in diesem speziellen Fall nutzen konnte, und dazu noch bei einem Unternehmen mit offensichtlich mangelnder Lebensfähigkeit, bewogen hat, die Ausführungen Spaniens zurückzuweisen, das Vorgehen der Sozialversicherung im Fall von SNIACE sei eine allgemein übliche Maßnahme(3).

(82) Trotz der Tatsache, daß die Sozialversicherungsanstalt in Übereinstimmung mit den einschlägigen Gesetzen gehandelt hat, scheint die Behandlung der Schulden von SNIACE durch mehrere Umschuldungsvereinbarungen nicht mit den vorherrschenden Marktbedingungen zu korrespondieren. Die Kommission nimmt üblicherweise einen Vergleich mit dem zu dem betreffenden Zeitpunkt für den entsprechenden Mitgliedstaat festgelegten Referenzzinssatz vor. Für Spanien wurde jedoch bis August 1996 kein solcher Zinssatz festgelegt. Um zu entscheiden, ob ein solcher Satz den Marktbedingungen entspricht, hat die Kommission in früheren Fällen von Umschuldung bei Sozialversicherungsbeiträgen(4) den in Spanien von Privatbanken für Kredite mit einer Laufzeit von über drei Jahren erhobenen durchschnittlichen Zinssatz zum Vergleich herangezogen. Nach den Statistiken der Spanischen Zentralbank lag der von Privatbanken für Kredite mit einer Laufzeit von über drei Jahren erhobene Zinssatz im betreffenden Zeitraum im Durchschnitt bei: 1991: 18,24 %, 1992: 17,28 %; 1993: 16,19 %, 1994: 12,51 %, 1995: 13,09 %, 1996: 11,06 %(5). Auch die übrigen Bedingungen der Umschuldungsabkommen, d. h. der zeitliche Aufschub der Rückzahlung des Großteils des Betrags und der Zinsen (offensichtlich um dem Unternehmen die Erholung zu ermöglichen), stimmen nicht mit Krediten unter normalen Marktbedingungen überein.

(83) Daraus muß die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die Umschuldungsvereinbarungen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag enthielten, die der Kommission nicht nach Maßgabe von Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag notifiziert wurden, was rechtswidrig war. Der Umfang der rechtswidrigen Beihilfe ist schwer zu bestimmen, aber er entspricht mindestens dem finanziellen Vorteil, der sich aus der Anwendung des niedrigeren Zinssatzes vom Beginn des Entstehens der Schulden an ergab.

Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP, genehmigt gemäß Gesetz 7/1993

(84) Unglücklicherweise hat Spanien der Kommission die Absicht der kantabrischen Regionalversammlung, die zur Debatte stehende Bürgschaft zu gewähren, nicht notifiziert. Hinzu kommt, daß das Unternehmen u. a. Polyamidfasern herstellt, ein Erzeugnis, das in den Kontrollrahmen der Beihilferegelungen für die Kunstfaserindustrie fällt. Hingegen kann die Kommission den Standpunkt akzeptieren, daß die Regionalversammlung selbst keine Bürgschaften gewährt und eine Reihe zusätzlicher separater Verwaltungsschritte notwendig gewesen wäre, um die Garantie in Kraft treten zu lassen. Außerdem liegt der Kommission kein Beweis dafür vor, daß die Verabschiedung des Gesetzes SNIACE einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hat. Unter der Voraussetzung, daß Spanien in Zukunft jeden Vorschlag zur Formalisierung der Garantie der Kommission notifiziert, kommt die Kommission daher zu dem Schluß, daß das Gesetz 7/1993 SNIACE keinen besonderen Vorteil gewährt und daher auch keine staatliche Beihilfe darstellt.

Finanzierungsvereinbarungen für den geplanten Bau einer Abwasserbehandlungsanlage

(85) Aufgrund der von Spanien bereitgestellten Informationen nimmt die Kommission zur Kenntnis, daß sich das regionale Abwasserprogramm im Einzugsgebiet der Flüsse Saja und Besaya in der Phase der technischen Begutachtung befindet und daß bis zum Abschluß dieser Phase kein Urteil darüber möglich ist, welche Maßnahmen letztlich im Zusammenhang mit den Einleitungen von Firmen (einschließlich SNIACE) in den Besaya ergriffen werden müssen. Die Kommission nimmt ferner die von Spanien gegebene Zusicherung zur Kenntnis, daß von SNIACE bereits eingeleitete Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau einer Abwasserbehandlungsanlage ohne jegliche öffentliche Mithilfe erfolgten und darüber hinaus keine öffentliche Hilfe vorgesehen ist. Die von der Kommission durchgeführte Prüfung hat demzufolge keine Beihilfeelemente in diesem Punkt feststellen können.

Schuldennachlaß in Höhe von 116 Mio. ESP durch den Stadtrat von Torrelavega

(86) Die Informationen Spaniens lassen erkennen, daß das Vorgehen des Stadtrats von Torrelavega davon bestimmt war, alle laut spanischem Recht zwangsvollstreckbaren Forderungen gegenüber SNIACE zu sichern. Die Kommission hat ferner geprüft, ob das Verhalten des öffentlichen Gläubigers in diesem Fall von der Absicht geleitet war, die Aussichten auf die Beitreibung der nichtbezahlten Gebühren erheblich zu verbessern und ob sein Vorgehen mit dem privater Gläubiger vergleichbar ist. Wie die Kommission bei Einleitung des Verfahrens eingeräumt hat, konnten die Behörden dadurch, daß sie sich nicht an der im Oktober 1996 im Rahmen des Verfahrens der Zahlungseinstellung von den privaten Gläubigern geschlossenen Vereinbarung (in der u. a. die Umwandlung von 40 % der Schulden in Aktien vorgesehen ist) beteiligten, im Prinzip ihre sämtlichen Forderungen sichern. Ferner akzeptiert die Kommission, daß die separate Vereinbarung zwischen dem Stadtrat von Torrelavega und SNIACE, die parallel zur Gläubigervereinbarung abgeschlossen wurde, dem Unternehmen anscheinend keine großzügigere Behandlung als die Vereinbarung der Privatgläubiger gewährt hat. Im Gegenteil, der "Schuldennachlaß" war im wesentlichen auf Beträge beschränkt, die tatsächlich nicht eintreibbar waren, vor allem weil das Unternehmen über lange Zeiträume der Jahre 1995 und 1996 nicht wirtschaftlich tätig war und die fälligen Beträge folglich neu veranlagt werden mußten, obwohl der Kommission bisher keine Daten über die Neuveranlagung vorliegen.

(87) Demzufolge kann die Kommission anhand der vorliegenden Informationen akzeptieren, daß das Vorgehen der Kommunalbehörden von Torrelavega SNIACE im Rahmen des Verfahrens keinen ungerechtfertigten Vorteil gebracht oder zu einem Erlaß der Schulden geführt hat und somit keine staatliche Beihilfe darstellt.

Vereinbarungen zwischen SNIACE und dem Lohn Garantiefonds FOGASA über die Rückzahlung von 1,702 Mrd. ESP für Lohnrückstände, die der FOGASA im Auftrag von SNIACE an die Belegschaft hat

(88) Wie schon bei der Einleitung des Verfahrens festgestellt, wiederholt die Kommission, daß sie nichts gegen die Intervention des FOGASA insoweit einzuwenden hat, als dieser im Auftrag des Unternehmens und nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen (des FOGASA) die rechtmäßigen Forderungen der Belegschaftsmitglieder von SNIACE bedient, deren Erfuellung anderenfalls nicht möglich gewesen wäre. Der ständigen Praxis der Kommission zufolge ist jedoch jeder vom Staat nach seinem Ermessen zu diesen Kosten geleistete Betrag als Beihilfe zu betrachten und nicht als allgemeine Maßnahme, wenn einem Unternehmen daraus finanzielle Vorteile entstehen, unabhängig davon, ob die Zahlungen direkt an das Unternehmen erfolgen oder den Beschäftigten über eine staatliche Institution zufließen.

(89) Nach dem Verständnis der Kommission über die Vereinbarungen liegt es im Ermessen des FOGASA, die Rückzahlungen über einen Zeitraum von acht Jahren aufzusplitten und aufzuschieben. Die aufgeschobenen Zahlungen unterliegen dem gesetzlichen Zinssatz. Diese Vereinbarungen stimmen zwar mit dem geltenden Recht überein, entsprechen jedoch anscheinend nicht den allgemeinen Marktbedingungen. Aus den gleichen Gründen wie bei den vorgenannten Schulden aus den Sozialversicherungsbeiträgen (es gab für Spanien bis August 1996 keinen Referenzzinssatz) führte die Kommission einen Vergleich mit dem von privaten Banken für Kredite mit einer Laufzeit von über drei Jahren erhobenen durchschnittlichen Zinssatz für den in Frage kommenden Zeitraum durch, wobei sich folgende Zinssätze ergaben: 1993: 16,19 %, 1994: 12,51 %, 1995: 13,09 %, 1996: 11,06 %. Diese Zinssätze liegen weit über den in den Vereinbarungen zugrunde gelegten Sätzen. Ferner zweifelt die Kommission weiterhin daran, daß das Unternehmen angesichts seiner finanziellen Schwierigkeiten in der Lage ist, seinen Verpflichtungen aus diesen Vereinbarungen nachzukommen. Trotz wiederholter Aufforderungen hat Spanien bisher keine detaillierten Angaben über die Art der zugunsten des FOGASA als Sicherheit eingetragenen Hypothek zur Verfügung gestellt.

(90) Dem für die Schulden aus Sozialversicherungsbeiträgen gewählten Ansatz folgend muß daher geschlossen werden, daß die Umschuldungsvereinbarungen mit dem FOGASA staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag enthielten, die der Kommission nicht notifiziert wurden, was rechtswidrig war. Ebenso wie bei den Schulden aus den Sozialversicherungsbeiträgen ist die Quantifizierung des genauen Betrags der rechtswidrigen Beihilfe schwierig, aber die Beihilfe kommt mindestens dem finanziellen Vorteil gleich, der sich aus der Tatsache ergibt, daß die für die Umschuldungsvereinbarungen zu zahlenden Zinssätze nur bei 10 % bzw. 9 % liegen.

(91) Nach der Feststellung, daß die Nichtentrichtung von Umweltabgaben, die Umschuldung der Sozialversicherungsschulden und die Rückzahlungsvereinbarungen mit dem FOGASA rechtswidrige staatliche Beihilfen enthalten, muß die Kommission entscheiden, ob solche Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

(92) Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt, daß Beihilfen mit den in ihm spezifizierten Merkmalen grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Die in Artikel 92 Absatz 2 EG-Vertrag geregelten Ausnahmen von diesem Prinzip gelten angesichts der Art und der Ziele der Beihilfen nicht für den vorliegenden Fall.

(93) Zu den in Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a) und c) vorgesehenen Ausnahmen für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung bestimmter Gebiete merkt die Kommission an, daß die Region, in der SNIACE seinen Standort hat, seit September 1995 für Regionalhilfe nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) und zuvor für Regionalhilfe nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) beihilfefähig war. Die SNIACE gewährte Beihilfe entspricht jedoch nicht den Merkmalen der Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftsgebiete im Sinne dieses Artikels, da sie in der Form von Betriebsbeihilfe gewährt wurde, d. h. nicht an Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen gebunden war. Außerdem konnte eine Betriebsbeihilfe in Gebieten nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) nur ausnahmsweise unter diese Ausnahmeregelung fallen, nämlich nur dann, wenn sie in eingeschränkter Form und unter Kontrolle an Unternehmen in Schwierigkeiten gegeben wurde (siehe unten).

(94) Was die Ausnahme gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) betrifft, so war die Beihilfe offensichtlich nicht dazu bestimmt, ein Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse zu fördern oder eine beträchtliche Störung im spanischen Wirtschaftsleben zu beheben; Spanien hat allerdings auch nicht versucht, die Beihilfe mit solchen Gründen zu rechtfertigen.

(95) Zur Ausnahme gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d) des Vertrags ist festzustellen, daß die Beihilfe eindeutig nicht dazu bestimmt war, die Kultur zu fördern und das kulturelle Erbe zu erhalten.

(96) In der Beurteilung der Maßnahmen zugunsten von SNIACE geht die Kommission somit von dem nicht regionalgebundenen spezifischen Element von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) des Vertrags aus, in dem eine Ausnahme für "Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete" vorgesehen ist, "soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft". Angesichts der finanziellen Lage von SNIACE während des Zeitraums, in dem die Beihilfe gewährt wurde, könnte diese als Beihilfe für ein Unternehmen in Schwierigkeiten gewertet werden.

(97) Die Kommission ist der Auffassung, daß Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten die größte Gefahr für eine Verlagerung von Arbeitslosigkeit und branchenbezogenen Problemen von einem Mitgliedstaat in einen anderen bedeuten, da sie als Mittel zur Erhaltung des Status quo dienen und die in der Marktwirtschaft wirkenden Kräfte daran hindern, die normalen Konsequenzen zu bewirken, d. h., daß nichtkonkurrenzfähige Unternehmen im Prozeß der Anpassung an die sich verändernden Wettbewerbsbedingungen verschwinden. Gleichzeitig kann eine solche Beihilfe durch ihren Einfluß auf die Preispolitik der Beihilfeempfänger, wenn sich diese mit der Unterbietung der Preise auf dem Markt zu halten suchen, zersetzende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel haben.

(98) Aus diesem Grund hat die Kommission im Verlauf der Jahre einen speziellen Ansatz für die Beurteilung von Beihilfen für in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen entwickelt. In den Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten(6) sind eine Reihe von Voraussetzungen für diese Beihilfen festgelegt. Sie unterscheiden zwischen Beihilfen zur Rettung und Beihilfen zur Umstrukturierung:

(99) Rettungsbeihilfen, d. h. Beihilfen, um das Unternehmen am Leben zu erhalten, während die Ursachen für seine Schwierigkeiten aufgedeckt werden und ein Sanierungsplan ausgearbeitet wird, sind unter folgenden Voraussetzungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar:

a) Es muß sich um Liquiditätsbeihilfen in Form von Kreditbürgschaften oder von rückzahlbaren Krediten zum Marktzinssatz handeln;

b) ihre Höhe muß auf den für die Weiterführung des Unternehmens notwendigen Betrag begrenzt sein (z. B. zur Deckung der Lohnkosten, der laufenden Versorgung);

c) sie dürfen nur für den Zeitraum gezahlt werden (in der Regel höchstens sechs Monate), der erforderlich ist, um den notwendigen und durchführbaren Sanierungsplan zu konzipieren; und

d) sie müssen durch akute soziale Gründe gerechtfertigt sein und dürfen keine nachteiligen Auswirkungen auf die Lage des Wirtschaftszweigs in den anderen Mitgliedstaaten haben.

(100) Umstrukturierungshilfen werden grundsätzlich nur genehmigt, wenn sie im Gemeinschaftsinteresse liegen und für sie ein tragfähiges Umstrukturierungs-/Sanierungsprogramm vorhanden ist, das der Kommission im Detail vorgelegt werden muß. Ein Umstrukturierungsplan muß folgende Voraussetzungen erfuellen:

a) Der Plan muß die langfristige Rentabilität und Lebensfähigkeit des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitraums auf der Grundlage realistischer Annahmen hinsichtlich seiner künftigen Betriebsbedingungen wiederherstellen.

b) Der Plan muß nachteilige Auswirkungen auf die Konkurrenten nach Möglichkeit ausgleichen.

c) Umfang und Intensität der Beihilfe müssen sich auf das für die Umstrukturierung notwendige Mindestmaß beschränken und in einem angemessenen Verhältnis zu dem aus Gemeinschaftssicht erwarteten Nutzen stehen. Deswegen wird von den Beihilfeempfängern normalerweise ein erheblicher Beitrag zum Umstrukturierungsplan aus eigenen Mitteln oder durch Fremdfinanzierung verlangt.

(101) Ab 1977 wurde schließlich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, der Kunstfaserindustrie Beihilfen zu gewähren, eingeschränkt, um der Gewährung von Beihilfen, die zu einer Kapazitätserhöhung bei der Produktion der wichtigsten Kunstfasern führen könnten, zu steuern. Da SNIACE Kunstfasern produziert und die besagte Beihilfe teilweise durch Förderung solcher Tätigkeiten erfolgte, können die in Frage stehenden Maßnahmen nur dann als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewertet werden, wenn sie auch dem Beihilfekodex für die Kunstfaserindustrie genügen. Obwohl die Beihilfe über mehrere Jahre zurückreicht, muß sie anhand der derzeitig gültigen Fassung des Beihilfekodex untersucht werden. Dieser regelt u. a. Investitionsbeihilfen für das Schmelzspinnen und die Texturisierung von vier Fasern - Polyester, Polyamid, Acryl und Polypropylen. Ferner ist eindeutig festgelegt, daß Beihilfen für größere Unternehmen (Unternehmen, die nicht mehr als KMU zählen) von der Kommission nur genehmigt werden (bis zu 50 % der jeweiligen Obergrenze), wenn die Beihilfe zu einer erheblichen Reduzierung der betreffenden Kapazität führt oder der Markt für das in Frage stehende Erzeugnis durch einen strukturell bedingten Liefermangel gekennzeichnet ist und die Beihilfe nicht zu einer bedeutenden Erhöhung der Kapazität führt.

(102) Im vorliegenden Fall hat Spanien weder versucht, die Maßnahmen als Rettungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen zu deklarieren, noch hat es irgendeinen Beweis für einen tragfähigen Umstrukturierungsplan oder eine geplante Reduzierung des Marktanteils von SNIACE vorgelegt. Dies spricht für die Annahme, daß die Beihilfe einfach dazu bestimmt war, dem Unternehmen das Überleben am Markt zu ermöglichen.

(103) Was den der Kommission vom Beschwerdeführer vor der Einleitung des Verfahrens übergebenen Rentabilitätsplan betrifft, so hat Spanien nur seinen Standpunkt bekräftigt, daß die Schlußfolgerung der Beraterfirma, "die Tragfähigkeit von SNIACE kann nur durch die Gewährung von Subventionen gesichert werden, die Investitionsprojekte und eine Umschuldung ermöglichen" eine rein private Ansicht aus einer privaten Studie ist und nicht unbedingt den Standpunkt der spanischen Behörden wiedergibt.

(104) Darüber hinaus ist der Kommission kein Plan von SNIACE bekannt, der zu einer erheblichen Einschränkung der Produktionskapazität im Kunstfaserbereich führen würde. Außerdem ist auch die Kapazitätsauslastung in diesem Sektor, in dem es einen umfangreichen innergemeinschaftlichen Handel gibt, weiterhin unbefriedigend.

VII. SCHLUSSFOLGERUNG

(105) Die Kommission stellt fest, daß Spanien demzufolge rechtswidrig eine Beihilfe in Form einer Umschuldung von Verbindlichkeiten aus Sozialversicherungsbeiträgen und von zwei Rückzahlungsabkommen mit dem FOGASA gewährt hat, die gegen Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag verstößt und mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen unvereinbar ist.

(106) Da die Beihilfe unrechtmäßig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, muß sie zurückgezahlt und ihre ökonomische Wirkung aufgehoben werden -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die staatliche Beihilfe, die Spanien zugunsten der Sociedad Nacional de Industrias y Aplicaciones de Celulosa Española SA (SNIACE) gewährt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar,

a) insofern als der Zinssatz unter dem Marktzinssatz lag - Vereinbarung vom 8. März 1996 (geändert durch die Vereinbarung vom 7. Mai 1996) zwischen SNIACE und der Sozialversicherungsanstalt zur Umschuldung einer Kreditsumme von 2903381848 ESP, erneut geändert durch die Vereinbarung vom 30. September 1997 zur Umschuldung einer Kreditsumme von 3510387323 ESP -, und

b) insofern als der Zinssatz unter dem Markzinssatz lag - Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 zwischen SNIACE und dem Lohngarantiefonds FOGASA über 1362708700 ESP bzw. 339459878 ESP (einschließlich Zinsen).

Die übrigen Maßnahmen, die im Rahmen des nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag eingeleiteten Verfahrens geprüft wurden, nämlich eine Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP, genehmigt durch das Gesetz 7/1993, die Finanzierungsvereinbarungen für den geplanten Bau einer Abwasserbehandlungsanlage und der durch den Stadtrat von Torrelavega gewährte Schuldennachlaß, stellen keine Beihilfen dar, und das Verfahren kann eingestellt werden. Spanien unterrichtet die Kommission jedoch binnen zwei Monaten ab Datum der Entscheidung über die steuerliche Neuveranlagung der Geschäftstätigkeit von SNIACE für die Jahre von 1995 bis heute durch den Stadtrat von Torrelavega. Zu den im Zeitraum 1987 bis 1995 nicht entrichteten Umweltabgaben wird die Kommission zum gegebenen Zeitpunkt eine Entscheidung erlassen.

Artikel 2

(1) Das Königreich Spanien ergreift die notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern.

(2) Die Beitreibung erfolgt nach spanischem Recht. Die beizutreibenden Beträge erhöhen sich um die Zinsen, die ab dem Tag der Auszahlung der Beihilfe an den Empfänger bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung auf der Grundlage des einschlägigen Bezugssatzes berechnet werden.

Artikel 3

Spanien teilt der Kommission binnen zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen werden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet.

Brüssel, den 28. Oktober 1998

Für die Kommission

Karel VAN MIERT

Mitglied der Kommission

(1) ABl. C 49 vom 14.2.1998, S. 2.

(2) ABl. C 49 vom 14.2.1998, S. 2.

(3) Generalanwalt Jacobs stellt in seinen Schlußanträgen vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-256/97, D.M. Transport SA fest: "Klar ist, daß unter bestimmten Umständen die fortwährende großzügige Duldung von verspäteten Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen dem begünstigten Unternehmen erhebliche kommerzielle Vorteile bringen kann und im Extremfall einer Befreiung von der Zahlung solcher Beiträge gleichkommt" (Randnummer 33).

(4) Z. B. im Fall Tubacex (ABl. L 8 vom 11.1.1997)

(5) Die danach in Spanien angewandten Referenzinsssätze betrugen: 1.8.1996 bis 1.11.1996: 13,45 %, 1.11.1996 bis 1.1.1997: 11,40 %, 1.1.1997 bis 1.8.1997: 10,56 %, 1.8.1997 bis 1.1.1998: 6,22 %, 1.1.1998 bis heute: 6,20 %.

(6) ABl. C 368 vom 23.12.1994, S. 12.