31998L0030

Richtlinie 98/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt

Amtsblatt Nr. L 204 vom 21/07/1998 S. 0001 - 0012


RICHTLINIE 98/30/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2, Artikel 66 und Artikel 100a,

auf Vorschlag der Kommission (1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrags (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Nach Artikel 7a des Vertrags umfaßt der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Es müssen Maßnahmen zur Fortführung der Vollendung des Binnenmarkts getroffen werden.

(2) Nach Artikel 7c des Vertrags ist der unterschiedliche Entwicklungsstand einiger Volkswirtschaften zu berücksichtigen, doch müssen Ausnahmeregelungen vorübergehender Art sein und dürfen das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes so wenig wie möglich stören.

(3) Die Verwirklichung eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarktes ist ein wichtiger Bestandteil der Vollendung des Energiebinnenmarkts.

(4) Die Richtlinie 91/296/EWG des Rates vom 31. Mai 1991 über den Transit von Erdgas über große Netze (4) und die Richtlinie 90/377/EWG des Rates vom 29. Juni 1990 zur Einführung eines gemeinschaftlichen Verfahrens zur Gewährleistung der Transparenz der vom industriellen Endverbraucher zu zahlenden Gas- und Strompreise (5) stellen eine erste Stufe auf dem Weg zur Vollendung des Erdgasbinnenmarkts dar.

(5) Zur Verwirklichung des Erdgasbinnenmarkts sind nunmehr weitere Maßnahmen erforderlich.

(6) Die uneingeschränkte Anwendung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere der Bestimmungen über den freien Warenverkehr im Binnenmarkt und der Wettbewerbsvorschriften, und die der Kommission im Rahmen dieses Vertrags verliehenen Befugnisse werden durch diese Richtlinie nicht berührt.

(7) Die Verwirklichung des Erdgasbinnenmarkts muß schrittweise erfolgen, damit sich die Erdgasindustrie flexibel und in geordneter Art und Weise dem neuen Umfeld anpassen kann und damit den unterschiedlichen Marktstrukturen in den Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden kann.

(8) Die Verwirklichung des Binnenmarktes im Erdgassektor soll Verbund und Interoperabilität der Netze, beispielsweise durch kompatible Gasbeschaffenheiten, begünstigen.

(9) Für die Organisation und Funktionsweise des Erdgassektors sind eine Reihe gemeinsamer Vorschriften zu erlassen. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip stellen diese Vorschriften lediglich einen Rahmen allgemeiner Grundsätze dar, deren Umsetzung im einzelnen den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die dasjenige System beibehalten oder wählen können, das ihrer besonderen Situation am besten entspricht, insbesondere im Hinblick auf die Genehmigung und Überwachung von Versorgungsverträgen.

(10) Externe Erdgaslieferungen sind von besonderer Bedeutung für den Kauf von Erdgas in Mitgliedstaaten, die in hohem Maße auf Gasimporte angewiesen sind.

(11) Erdgasunternehmen müssen in aller Regel tätig sein können, ohne diskriminiert zu werden.

(12) Die Auflage gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen kann in einigen Mitgliedstaaten erforderlich sein, um Versorgungssicherheit sowie Verbraucher- und Umweltschutz zu gewährleisten, die der freie Wettbewerb allein ihres Erachtens nicht unbedingt garantieren kann.

(13) Langfristige Planung kann eines der Mittel sein, um diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu erfuellen, wobei der Möglichkeit Rechnung zu tragen ist, daß Dritte Zugang zu dem Netz erhalten wollen. Die Mitgliedstaaten können die geschlossenen Verträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung im Interesse der Information über die Versorgungslage überwachen.

(14) Artikel 90 Absatz 1 des Vertrags verpflichtet die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden, zur Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften.

(15) Artikel 90 Absatz 2 des Vertrags unterwirft Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, diesen Vorschriften, wenn bestimmte Bedingungen erfuellt sind. Die Umsetzung dieser Richtlinie wird sich auf die Tätigkeit solcher Unternehmen auswirken. Damit nicht die Erfuellung der den Erdgasunternehmen übertragenen Verpflichtungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse de jure oder de facto verhindert wird, sollten die Mitgliedstaaten, wie in Artikel 3 Absatz 3 vorgesehen, insbesondere nicht verpflichtet sein, Artikel 4 auf ihre Verteilungsinfrastruktur anzuwenden.

(16) Die Mitgliedstaaten müssen deshalb, wenn sie den Unternehmen des Erdgassektors gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, die einschlägigen Vertragsbestimmungen in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften einhalten.

(17) Für die Genehmigungen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Regelungen für den Bau oder den Betrieb einschlägiger Anlagen erteilt werden können, sind grundlegende Kriterien und Verfahren festzulegen. Diese Bestimmungen berühren nicht die einschlägigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die eine Genehmigungspflicht für den Bau oder Betrieb einschlägiger Anlagen vorsehen. Die gestellten Anforderungen dürfen jedoch nicht zu einer Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen des Sektors führen.

(18) Das Europäische Parlament und der Rat haben mit ihrer Entscheidung 1254/96/EG vom 5. Juni 1996 über eine Reihe von Leitlinien betreffend die transeuropäischen Netze im Energiebereich (6) einen Beitrag zum Ausbau einer integrierten Infrastruktur des Erdgassektors geleistet.

(19) Die technischen Vorschriften für den Betrieb der Netze und Direktleitungen müssen transparent sein und die Interoperabilität der Netze gewährleisten.

(20) Für Fernleitungs-, Speicher- und LNG-Unternehmen müssen ebenso wie für Verteiler- und Versorgungsunternehmen grundlegende Vorschriften ausgearbeitet werden.

(21) Es ist vorzusehen, daß die zuständigen Behörden Zugang zur internen Buchführung der Unternehmen haben, wobei die Vertraulichkeit gewahrt bleiben muß.

(22) Die Buchführung aller integrierten Erdgasunternehmen muß ein hohes Maß an Transparenz aufweisen. Die Buchführung muß für die einzelnen Aktivitäten getrennt erfolgen, falls dies erforderlich ist, um Diskriminierungen, Quersubventionen und andere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, wobei gegebenenfalls zu berücksichtigen ist, daß für die Zwecke der Buchführung die Fernleitung die Wiederverdampfung einschließt. Für juristische Personen, wie etwa Börsen oder Terminbörsen, die außer dieser Handelsfunktion keine der Funktionen von Erdgasunternehmen wahrnehmen, sollte keine getrennte Buchführung vorgeschrieben werden. Eine integrierte Buchführung für die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen und damit verbundene Tätigkeiten kann als Teil der in der vorliegenden Richtlinie vorgeschriebenen Buchführung für Tätigkeiten außerhalb des Erdgassektors erfolgen. Die in Artikel 23 Absatz 3 genannten einschlägigen Informationen umfassen gegebenenfalls Informationen über die Buchführung in bezug auf vorgelagerte Rohrleitungen.

(23) Der Netzzugang muß entsprechend dieser Richtlinie offen sein und zu einer ausreichenden und gegebenenfalls vergleichbaren Marktöffnung in den einzelnen Mitgliedstaaten führen. Gleichzeitig darf die Marktöffnung keine unnötigen Ungleichgewichte in der Wettbewerbssituation für Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten schaffen.

(24) Angesichts der unterschiedlichen Strukturen und der besonderen Merkmale der Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten sollten verschiedene Netzzugangsverfahren vorgesehen werden, für die objektive, transparente und nichtdiskriminierende Kriterien zu gelten haben.

(25) Im Interesse eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarktes ist für den Zugang zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen zu sorgen. Dieser Zugang zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen ist namentlich in Anbetracht der besonderen wirtschaftlichen, technischen und operationellen Merkmale, die für solche Netze gelten, gesondert zu behandeln. Die Bestimmungen dieser Richtlinie berühren unter keinen Umständen die einzelstaatlichen Steuerregelungen.

(26) Es sind Bestimmungen für die Genehmigung, den Bau und den Betrieb von Direktleitungen vorzusehen.

(27) Es sind Sicherungsklauseln und Streitschlichtungsverfahren vorzusehen.

(28) Es muß vermieden werden, daß es zu mißbräuchlichen Ausnutzungen einer marktbeherrschenden Stellung oder zu Verdrängungspraktiken kommt.

(29) Da sich in einigen Mitgliedstaaten besondere Anpassungsschwierigkeiten ergeben können, sollten zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen vorgesehen werden.

(30) Langfristige Verträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung sind eine Marktrealität zur Sicherung der Gasversorgung der Mitgliedstaaten. Insbesondere für den Fall, daß ein Erdgasunternehmen aufgrund von Verträgen mit unbedingter Zahlungsverpflichtung in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät oder geraten würde, sollten Ausnahmen von bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie vorgesehen werden. Diese Ausnahmen dürfen den Zweck dieser Richtlinie, nämlich die Liberalisierung des Binnenmarktes für Erdgas, nicht unterlaufen. Alle nach dem Inkrafttreten der vorliegenden Richtlinie eingegangenen oder erneuerten Verträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung müssen mit Sorgfalt geschlossen werden, damit eine nennenswerte Marktöffnung nicht behindert wird. Deshalb sind Dauer und Umfang der betreffenden Ausnahmen zu begrenzen, und sie müssen unter Aufsicht der Kommission in einem transparenten Verfahren genehmigt werden.

(31) Für Märkte und Investitionen in anderen Gebieten, die noch keinen ausreichenden Entwicklungsstand aufweisen, sind spezifische Bestimmungen erforderlich. Dauer und Umfang der Ausnahmen für diese Märkte und Gebiete sind zu begrenzen. Im Interesse von Transparenz und Einheitlichkeit kommt der Kommission bei der Genehmigung der betreffenden Ausnahmen eine gewichtige Rolle zu.

(32) Diese Richtlinie begründet eine weitere Liberalisierungsstufe; auch nach ihrer Durchführung werden jedoch Hemmnisse für den Erdgashandel zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen. Im Interesse eines besseren Funktionierens des Erdgasbinnenmarkts sind, ausgehend von den gewonnenen Erfahrungen, Vorschläge zu unterbreiten. Zu diesem Zweck muß die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Anwendung dieser Richtlinie Bericht erstatten -

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Artikel 1

Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Fernleitung, die Verteilung, die Lieferung und die Speicherung von Erdgas erlassen. Sie regelt ferner die Organisation und Funktionsweise des Erdgassektors, auch in bezug auf verfluessigtes Erdgas (LNG), den Marktzugang, den Betrieb der Netze und die Kriterien und Verfahren für die Erteilung von Fernleitungs-, Verteilungs-, Liefer- und Speichergenehmigungen für Erdgas.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. "Erdgasunternehmen" eine natürliche oder juristische Person, die von den Funktionen Gewinnung, Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Kauf oder Speicherung von Erdgas, einschließlich verfluessigtes Erdgas, mindestens eine wahrnimmt und die kommerzielle, technische und/oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen wahrnimmt, mit Ausnahme der Endverbraucher;

2. "vorgelagertes Rohrleitungsnetz" Rohrleitungen oder ein Netz von Rohrleitungen, deren Betrieb und/oder Bau Teil eines Öl- oder Gasgewinnungsvorhabens ist oder die dazu verwendet werden, Erdgas von einem oder mehreren solcher Vorhaben zu einer Aufbereitungsanlage, zu einem Terminal oder zu einem an der Küste gelegenen Endanlandeterminal zu leiten;

3. "Fernleitung" den Transport von Erdgas durch ein Hochdruckfernleitungsnetz, mit Ausnahme von vorgelagerten Rohrleitungsnetzen, im Hinblick auf die Versorgung von Kunden;

4. "Fernleitungsunternehmen" eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Fernleitung wahrnimmt;

5. "Verteilung" den Transport von Erdgas über örtliche oder regionale Leitungsnetze im Hinblick auf die Versorgung von Kunden;

6. "Verteilerunternehmen" eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Verteilung wahrnimmt;

7. "Versorgung" die Lieferung und/oder den Verkauf von Erdgas, einschließlich verfluessigtes Erdgas, an Kunden;

8. "Versorgungsunternehmen" eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Versorgung wahrnimmt;

9. "Speicheranlage" eine einem Erdgasunternehmen gehörende und/oder von ihm betriebene Anlage zur Speicherung von Erdgas, mit Ausnahme des Teils, der für eine Gewinnungstätigkeit genutzt wird;

10. "Speicherunternehmen" eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Speicherung wahrnimmt;

11. "LNG-Anlage" eine Kopfstation zur Verfluessigung von Erdgas oder zur Entladung, Speicherung und Wiederverdampfung von verfluessigtem Erdgas;

12. "Netz" alle Fernleitungs- und/oder Verteilernetze und/oder LNG-Anlagen, die einem Erdgasunternehmen gehören und/oder von ihm betrieben werden, einschließlich seiner Anlagen, die zu Hilfsdiensten eingesetzt werden, und der Anlagen verbundener Unternehmen, die für den Zugang zur Fernleitung und Verteilung erforderlich sind;

13. "Verbundnetz" eine Anzahl von Netzen, die miteinander verbunden sind;

14. "Direktleitung" eine zusätzlich zum Verbundnetz errichtete Erdgasleitung;

15. "integriertes Erdgasunternehmen" ein vertikal oder horizontal integriertes Unternehmen;

16. "vertikal integriertes Unternehmen" ein Erdgasunternehmen, das mindestens zwei der folgenden Funktionen wahrnimmt: Gewinnung, Fernleitung, Verteilung, Lieferung oder Speicherung von Erdgas;

17. "horizontal integriertes Unternehmen" ein Unternehmen, das von den Funktionen Gewinnung, Fernleitung, Verteilung, Lieferung oder Speicherung von Erdgas mindestens eine wahrnimmt und außerdem eine weitere Tätigkeit außerhalb des Gasbereichs ausübt;

18. "verbundenes Unternehmen" ein verbundenes Unternehmen im Sinne von Artikel 41 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß (7) und/oder ein assoziiertes Unternehmen im Sinne von Artikel 33 Absatz 1 derselben Richtlinie und/oder ein Unternehmen, das denselben Aktionären gehört;

19. "Netzbenutzer" jede natürliche oder juristische Person, die in das Netz einspeist oder daraus versorgt wird;

20. "Kunden" Erdgasgroßhändler oder -endverbraucher und Erdgasunternehmen, die Erdgas kaufen;

21. "Endverbraucher" einen Verbraucher, der Erdgas für den Eigenbedarf kauft;

22. "Großhändler" alle natürlichen und juristischen Personen - soweit ihre Existenz von den Mitgliedstaaten anerkannt wird -, die Erdgas kaufen und verkaufen, ohne innerhalb oder außerhalb des Netzes, in dem sie eingerichtet sind, eine Fernleitungs- oder Verteilungsfunktion wahrzunehmen;

23. "langfristige Planung" die langfristige Planung der Versorgungs- und Transportkapazitäten von Erdgasunternehmen zur Deckung der Erdgasnachfrage des Netzes, zur Diversifizierung der Versorgungsquellen und zur Sicherung der Versorgung der Kunden;

24. "entstehender Markt" einen Mitgliedstaat, in dem die erste kommerzielle Lieferung aufgrund seines ersten langfristigen Erdgasliefervertrags nicht mehr als zehn Jahre zurückliegt;

25. "Sicherheit" sowohl die Sicherheit der Versorgung mit und Bereitstellung von Erdgas als auch die Betriebssicherheit.

KAPITEL II ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN FÜR DIE ORGANISATION DES SEKTORS

Artikel 3

(1) Die Mitgliedstaaten tragen entsprechend ihrem institutionellen Aufbau unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips dafür Sorge, daß Erdgasunternehmen unbeschadet des Absatzes 2 nach den in dieser Richtlinie festgelegten Grundsätzen und im Hinblick auf die Errichtung eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarkts betrieben werden, und daß hinsichtlich der Rechte und Pflichten allen Unternehmen die gleiche Behandlung zuteil wird.

(2) Die Mitgliedstaaten können bei uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 90, den Erdgasunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegen, die sich auf die Sicherheit, einschließlich der Versorgungssicherheit, die Regelmäßigkeit, die Qualität und den Preis der Lieferungen sowie auf den Umweltschutz beziehen können. Diese Verpflichtungen müssen klar definiert, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein; diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sowie deren etwaige Änderungen werden veröffentlicht und der Kommission von den Mitgliedstaaten unverzüglich mitgeteilt. Als Mittel zur Erfuellung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Bereich der Versorgungssicherheit können die Mitgliedstaaten, die dies wünschen, eine langfristige Planung vorsehen; dabei ist der Möglichkeit Rechnung zu tragen, daß Dritte Zugang zu dem Netz erhalten wollen.

(3) Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Regelungen des Artikels 4 in bezug auf die Verteilung nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfuellung der den Erdgasunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de jure oder de facto verhindern würde und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den Interessen der Gemeinschaft zuwiderläuft. Zu den Interessen der Gemeinschaft gehört insbesondere der Wettbewerb um zugelassene Kunden in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie und mit Artikel 90 des Vertrags.

Artikel 4

(1) In Fällen, in denen eine Genehmigung (z. B. eine Lizenz, Erlaubnis, Konzession, Zustimmung oder Zulassung) für den Bau oder den Betrieb von Erdgasanlagen erforderlich ist, erteilen die Mitgliedstaaten oder eine von ihnen benannte zuständige Behörde nach den Absätzen 2 bis 4 Genehmigungen zum Bau und/oder Betrieb derartiger Anlagen, Leitungen und dazugehöriger Einrichtungen in ihrem Hoheitsgebiet. Die Mitgliedstaaten oder eine von ihnen benannte zuständige Behörde können auf derselben Grundlage ferner Genehmigungen für die Lieferung von Erdgas, auch an Großhändler, erteilen.

(2) Mitgliedstaaten, die über ein Genehmigungssystem verfügen, legen objektive und nichtdiskriminierende Kriterien fest, die ein Unternehmen erfuellen muß, das eine Genehmigung für den Bau und/oder den Betrieb von Erdgasanlagen oder eine Genehmigung für die Lieferung von Erdgas beantragt. Die Kriterien und die nichtdiskriminierenden Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen werden spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie veröffentlicht.

(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die Gründe für die Verweigerung einer Genehmigung objektiv und nichtdiskriminierend sind und dem Antragsteller bekanntgegeben werden. Die Begründung der Verweigerung wird der Kommission zur Unterrichtung mitgeteilt. Die Mitgliedstaaten führen ein Verfahren ein, das dem Antragsteller die Möglichkeit gibt, gegen eine Verweigerung Rechtsbehelfe einzulegen.

(4) Bei der Erschließung neu in die Versorgung einbezogener Gebiete und allgemein im Interesse eines effizienten Betriebs können es die Mitgliedstaaten unbeschadet des Artikels 20 ablehnen, eine weitere Genehmigung für den Bau und den Betrieb von Verteilerleitungsnetzen in einem bestimmten Gebiet zu erteilen, wenn in diesem Gebiet bereits solche Leitungsnetze gebaut wurden oder in Planung sind und die bestehenden oder geplanten Kapazitäten nicht ausgelastet sind.

Artikel 5

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß für den Anschluß von LNG-Anlagen und Speicheranlagen, von anderen Fernleitungs- oder Verteilernetzen und von Direktleitungen an das Netz technische Vorschriften mit Mindestanforderungen betreffend Auslegung und Betrieb ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Diese technischen Vorschriften müssen die Interoperabilität der Netze sicherstellen und objektiv und nichtdiskriminierend sein. Sie werden der Kommission gemäß Artikel 8 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (8) mitgeteilt.

KAPITEL III FERNLEITUNG, SPEICHERUNG UND LNG

Artikel 6

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Fernleitungs-, Speicher- und LNG-Unternehmen die Artikel 7 und 8 einhalten.

Artikel 7

(1) Jedes Fernleitungs-, Speicher- und/oder LNG-Unternehmen hat unter wirtschaftlichen Bedingungen und unter gebührender Beachtung des Umweltschutzes sichere, zuverlässige und leistungsfähige Fernleitungs-, Speicher- und/oder LNG-Anlagen zu betreiben, zu warten und auszubauen.

(2) Die Fernleitungs-, Speicher- und/oder LNG-Unternehmen unterlassen auf jeden Fall jegliche diskriminierende Behandlung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten ihrer verbundenen Unternehmen.

(3) Jedes Fernleitungs-, Speicher- und/oder LNG-Unternehmen erteilt jedem anderen Fernleitungs- und/oder Speicherunternehmen und/oder jedem Verteilerunternehmen ausreichende Informationen, um zu gewährleisten, daß der Transport und die Speicherung von Erdgas in einer mit dem sicheren und leistungsfähigen Betrieb des Verbundnetzes zu vereinbarenden Weise erfolgen kann.

Artikel 8

(1) Unbeschadet des Artikels 12 und sonstiger rechtlicher Verpflichtungen zur Offenlegung von Informationen behandelt jedes Fernleitungs-, Speicher- und/oder LNG-Unternehmen wirtschaftlich sensible Informationen, von denen es bei der Ausübung seiner Geschäftstätigkeit Kenntnis erlangt, vertraulich.

(2) Fernleitungsunternehmen ist es untersagt, wirtschaftlich sensible Informationen, die sie von Dritten im Zusammenhang mit der Gewährung eines Netzzugangs oder mit Verhandlungen hierüber erhalten, beim Verkauf oder Erwerb von Erdgas durch sie selbst oder verbundene Unternehmen zu mißbrauchen.

KAPITEL IV VERTEILUNG UND VERSORGUNG

Artikel 9

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die Verteilerunternehmen die Artikel 10 und 11 einhalten.

(2) Die Mitgliedstaaten können den Verteiler- und/oder Versorgungsunternehmen die Verpflichtung auferlegen, Kunden in einem bestimmten Gebiet und/oder Kunden einer bestimmten Kategorie zu beliefern. Der Tarif für diese Lieferungen kann festgelegt werden, z. B. um die Gleichbehandlung der Kunden zu gewährleisten.

Artikel 10

(1) Jedes Verteilerunternehmen hat unter wirtschaftlichen Bedingungen und unter gebührender Beachtung des Umweltschutzes ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Netz zu betreiben, zu warten und auszubauen.

(2) Es unterläßt auf jeden Fall jegliche diskriminierende Behandlung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten seiner verbundenen Unternehmen.

(3) Das Verteilerunternehmen erteilt jedem anderen Verteiler- und/oder Fernleitungsunternehmen und/oder jedem Speicherunternehmen ausreichende Informationen, um zu gewährleisten, daß der Transport von Erdgas in einer mit dem sicheren und leistungsfähigen Betrieb des Verbundnetzes zu vereinbarenden Weise erfolgen kann.

Artikel 11

(1) Unbeschadet des Artikels 12 und sonstiger gesetzlicher Verpflichtungen zur Offenlegung von Informationen behandelt jedes Verteilerunternehmen wirtschaftlich sensible Informationen, von denen es bei der Ausübung seiner Geschäftstätigkeit Kenntnis erlangt, vertraulich.

(2) Verteilerunternehmen ist es untersagt, wirtschaftlich sensible Informationen, die sie von Dritten im Zusammenhang mit der Gewährung eines Netzzugangs oder mit Verhandlungen hierüber erhalten, beim Verkauf oder Erwerb von Erdgas durch sie selbst oder verbundene Unternehmen zu mißbrauchen.

KAPITEL V ENTFLECHTUNG UND TRANSPARENZ DER BUCHFÜHRUNG

Artikel 12

Die Mitgliedstaaten oder die von ihnen benannten zuständigen Behörden, einschließlich der in Artikel 21 Absatz 2 und Artikel 23 Absatz 3 vorgesehenen Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten, haben das Recht auf Einsichtnahme in die Buchführung der Erdgasunternehmen gemäß Artikel 13, die sie für die Erfuellung ihrer Aufgaben einsehen müssen. Die Mitgliedstaaten und die von ihnen benannten zuständigen Behörden, einschließlich der Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten, wahren die Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen. Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen vom Grundsatz der Vertraulichkeit vorsehen, wenn dies für die Erfuellung der Aufgaben der zuständigen Behörden erforderlich ist.

Artikel 13

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Buchführung der Erdgasunternehmen gemäß den Absätzen 2 bis 5 erfolgt.

(2) Ungeachtet ihrer Eigentumsverhältnisse oder ihrer Rechtsform erstellen und veröffentlichen die Erdgasunternehmen ihre Jahresabschlüsse und lassen diese überprüfen, und zwar gemäß den nationalen Rechtsvorschriften über die Jahresabschlüsse von Gesellschaften, die in Umsetzung der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (9) erlassen worden sind.

Unternehmen, die zur Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse gesetzlich nicht verpflichtet sind, halten eine Ausfertigung des Jahresabschlusses in ihrer Hauptverwaltung zur Verfügung der Öffentlichkeit.

(3) Zur Vermeidung von Diskriminierungen, Quersubventionen und Wettbewerbsverzerrungen führen integrierte Erdgasunternehmen in ihrer internen Buchführung für ihre Erdgasfernleitungs-, -verteilungs- und -speicherungstätigkeiten getrennte Konten sowie gegebenenfalls konsolidierte Konten für ihre Tätigkeiten außerhalb des Erdgassektors in derselben Weise, wie sie dies tun müßten, wenn die betreffenden Tätigkeiten von separaten Firmen ausgeführt würden. Diese interne Buchführung enthält für jede Tätigkeit eine Bilanz sowie eine Ergebnisrechnung.

Kommt Artikel 16 zur Anwendung und erfolgt der Netzzugang auf der Grundlage einer Gesamtabrechnung für Fernleitung und Verteilung, so können die Konten für Fernleitung und Verteilung zusammengelegt werden.

(4) In der internen Buchführung geben die Unternehmen unbeschadet der innerstaatlich anwendbaren Vorschriften für die Rechnungslegung die Regeln, einschließlich der Abschreibungsregeln, an, nach denen die Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens sowie die ausgewiesenen Aufwendungen und Erträge den gemäß Absatz 3 separat geführten Konten zugewiesen werden. Änderungen dieser Regeln sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Diese Änderungen müssen erwähnt und ordnungsgemäß begründet werden.

(5) Im Anhang zum Jahresabschluß sind die Geschäfte größeren Umfangs, die mit verbundenen Unternehmen getätigt worden sind, gesondert aufzuführen.

KAPITEL VI NETZZUGANG

Artikel 14

Für den Netzzugang können die Mitgliedstaaten eines der in den Artikeln 15 und 16 genannten Systeme oder beide Systeme wählen. Diese Systeme werden nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien gehandhabt.

Artikel 15

(1) Beim Netzzugang auf Vertragsbasis treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit die Erdgasunternehmen und die zugelassenen Kunden, die sich innerhalb oder außerhalb des Verbundnetzgebiets befinden, einen Netzzugang aushandeln können, um untereinander Lieferverträge auf der Grundlage freiwilliger kommerzieller Vereinbarungen schließen zu können. Die Parteien müssen dazu verpflichtet werden, den Netzzugang nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auszuhandeln.

(2) Die Verträge für den Netzzugang müssen mit den betreffenden Erdgasunternehmen ausgehandelt werden. Die Mitgliedstaaten verlangen, daß die Erdgasunternehmen innerhalb des ersten Jahres nach dem Beginn der Anwendung dieser Richtlinie und in der Folge einmal jährlich ihre wesentlichen geschäftlichen Bedingungen für die Nutzung des Netzes veröffentlichen.

Artikel 16

Die Mitgliedstaaten, die sich für ein System mit geregeltem Netzzugang entscheiden, treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Erdgasunternehmen und den zugelassenen Kunden, die sich innerhalb oder außerhalb des Verbundnetzgebiets befinden, auf der Grundlage veröffentlichter Tarife und/oder sonstiger Bedingungen und Verpflichtungen für die Nutzung des Netzes ein Netzzugangsrecht zu gewähren. Dieses Recht auf Zugang kann den zugelassenen Kunden dadurch gewährt werden, daß es ihnen ermöglicht wird, Versorgungsverträge mit anderen konkurrierenden Erdgasunternehmen als dem Eigentümer und/oder Betreiber des Netzes oder einem verbundenen Unternehmen zu schließen.

Artikel 17

(1) Erdgasunternehmen können den Netzzugang verweigern, wenn sie nicht über die nötige Kapazität verfügen oder der Netzzugang sie daran hindern würde, die ihnen auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß Artikel 3 Absatz 2 zu erfuellen, oder in bezug auf die in Artikel 25 festgelegten Kriterien und Verfahren und die von dem Mitgliedstaat gemäß Artikel 25 Absatz 1 gewählte Alternative aufgrund von Verträgen mit unbedingter Zahlungsverpflichtung ernsthafte wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten bestehen. Die Verweigerung ist ordnungsgemäß zu begründen.

(2) Die Mitgliedstaaten können die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, daß Erdgasunternehmen, die den Netzzugang aufgrund unzureichender Kapazität oder eines mangelnden Netzverbunds verweigern, für den erforderlichen Ausbau Sorge tragen, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist oder wenn ein potentieller Kunde bereit ist, hierfür zu zahlen. In den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten Artikel 4 Absatz 4 anwenden, ergreifen sie diese Maßnahmen.

Artikel 18

(1) Die Mitgliedstaaten benennen die zugelassenen Kunden; unter "zugelassenen Kunden" sind die Kunden in ihrem Hoheitsgebiet zu verstehen, die die Rechts- und Geschäftsfähigkeit haben, nach den Artikeln 15 und 16 Erdgaslieferverträge zu schließen, wobei alle in Absatz 2 genannten Kunden einzubeziehen sind.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß zumindest die folgenden Kunden als zugelassene Kunden benannt werden:

- Betreiber von gasbefeuerten Stromerzeugungsanlagen, und zwar unabhängig von ihrem Jahresverbrauch; zur Wahrung des Gleichgewichts auf ihrem Elektrizitätsmarkt können die Mitgliedstaaten jedoch für die Zulassung der Betreiber von Kraft-Wärmekopplungsanlagen einen Schwellenwert einführen, der die für andere Endverbraucher vorgesehene Höhe nicht überschreiten darf. Derartige Schwellenwerte sind der Kommission mitzuteilen;

- andere Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 25 Millionen Kubikmeter Gas je Verbrauchsstätte.

(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die Festlegung der zugelassenen Kunden gemäß Absatz 1 zu einer Marktöffnung von mindestens 20 % des jährlichen Gesamtgasverbrauchs auf dem einzelstaatlichen Gasmarkt führt.

(4) Der in Absatz 3 genannte Prozentsatz ist fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 28 % und zehn Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 33 % des jährlichen Gesamtgasverbrauchs auf dem einzelstaatlichen Gasmarkt anzuheben.

(5) Führt die Festlegung der zugelassenen Kunden nach Absatz 1 zu einer Marktöffnung von mehr als 30 % des jährlichen Gesamtgasverbrauchs auf dem einzelstaatlichen Gasmarkt, so kann der betreffende Mitgliedstaat die Festlegung der zugelassenen Kunden dahingehend ändern, daß die Marktöffnung auf 30 % oder mehr des jährlichen Gesamtgasverbrauchs auf dem einzelstaatlichen Gasmarkt verringert wird. Die Mitgliedstaaten ändern die Festlegung der zugelassenen Kunden in ausgewogener Weise, so daß keine speziellen Nachteile für bestimmte Arten oder Kategorien von zugelassenen Kunden entstehen, sondern bestehende Marktstrukturen berücksichtigt werden.

(6) Die Mitgliedstaaten ergreifen die folgenden Maßnahmen, um sicherzustellen, daß sich ihr Erdgasmarkt über einen Zeitraum von zehn Jahren weiter öffnet:

- Der in Absatz 2 zweiter Gedankenstrich festgelegte Schwellenwert für andere zugelassene Kunden als Betreiber gasbefeuerter Stromerzeugungsanlagen ist fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 15 Millionen Kubikmeter jährlich je Verbrauchsstätte und zehn Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 5 Millionen Kubikmeter jährlich je Verbrauchsstätte zu senken;

- der in Absatz 5 genannte Prozentsatz ist fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 38 % des jährlichen Gesamtgasverbrauchs auf dem einzelstaatlichen Gasmarkt und zehn Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie auf 43 % dieses Verbrauchs anzuheben.

(7) Die schrittweise Marktöffnung gemäß diesem Artikel findet auf entstehende Märkte ab dem Zeitpunkt Anwendung, zu dem die Ausnahmeregelung abläuft.

(8) Verteilerunternehmen, die nicht bereits als zugelassene Kunden nach Absatz 1 benannt sind, haben die Rechts- und Geschäftsfähigkeit, um über die Erdgasmenge, die ihre Kunden, die als zugelassene Kunden benannt wurden, innerhalb ihres Verteilernetzes verbrauchen, Erdgaslieferverträge unter den Bedingungen der Artikel 15 und 16 zu schließen, um diese Kunden zu versorgen.

(9) Die Mitgliedstaaten veröffentlichen bis zum 31. Januar eines jeden Jahres die Kriterien für die Festlegung der zugelassenen Kunden nach Absatz 1. Diese Informationen werden der Kommission zusammen mit allen anderen zweckdienlichen Angaben, die die Erfuellung der Marktöffnung gemäß diesem Artikel belegen, im Hinblick auf ihre Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften mitgeteilt. Die Kommission kann einen Mitgliedstaat auffordern, seine Benennungen zu ändern, wenn durch sie Hindernisse für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Richtlinie hinsichtlich des einwandfreien Funktionierens des Erdgasbinnenmarkts entstehen. Kommt der betreffende Mitgliedstaat der Aufforderung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach, so wird nach dem Verfahren I des Artikels 2 des Beschlusses 87/373/EWG des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (10) ein endgültiger Beschluß gefaßt.

Artikel 19

(1) Ungleichgewichte bei der Öffnung der Erdgasmärkte werden bis zu dem in Artikel 28 genannten Zeitpunkt wie folgt vermieden:

a) Erdgaslieferverträge gemäß den Artikeln 15, 16 und 17 mit einem zugelassenen Kunden aus dem Netz eines anderen Mitgliedstaates dürfen nicht untersagt werden, wenn der Kunde in den beiden betreffenden Netzen als zugelassener Kunde betrachtet wird.

b) In Fällen, in denen Geschäfte nach Buchstabe a) mit der Begründung abgelehnt werden, daß der Kunde nur in einem der beiden Netze als zugelassener Kunde gilt, kann die Kommission auf Antrag des Mitgliedstaats, in dem der zugelassene Kunde ansässig ist, unter Berücksichtigung der Marktlage und des gemeinsamen Interesses der ablehnenden Partei auferlegen, die gewünschten Erdgaslieferungen auszuführen.

(2) Parallel zu dem in Artikel 28 vorgesehenen Verfahren und Zeitplan und spätestens nach Ablauf der Hälfte des in jenem Artikel genannten Zeitraums prüft die Kommission unter Zugrundelegung der Marktlage und unter Berücksichtigung des gemeinsamen Interesses die Anwendung des Absatzes 1 Buchstabe b). Die Kommission bewertet die Lage im Licht der gesammelten Erfahrungen und erstattet Bericht über etwaige Ungleichgewichte bei der Öffnung der Erdgasmärkte im Zusammenhang mit Absatz 1 Buchstabe b).

Artikel 20

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit

- Erdgasunternehmen, die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen sind, die in Artikel 18 beschriebenen Kunden über eine Direktleitung versorgen können;

- jeder zugelassene Kunde im Sinne des Artikels 18 in ihrem Hoheitsgebiet von Erdgasunternehmen über eine Direktleitung versorgt werden kann.

(2) In Fällen, in denen eine Genehmigung (z. B. eine Lizenz, Erlaubnis, Konzession, Zustimmung oder Zulassung) für den Bau oder den Betrieb von Direktleitungen erforderlich ist, legen die Mitgliedstaaten oder eine von ihnen benannte zuständige Behörde die Kriterien für die Erteilung von Genehmigungen für den Bau oder den Betrieb von Direktleitungen in ihrem Hoheitsgebiet fest. Diese Kriterien müssen objektiv, transparent und nichtsdiskriminierend sein.

(3) Die Mitgliedstaaten können die Genehmigung zur Errichtung einer Direktleitung entweder von der Verweigerung des Netzzugangs auf der Grundlage des Artikels 17 oder von der Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens gemäß Artikel 21 abhängig machen.

Artikel 21

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die Parteien über den Netzzugang nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verhandeln und daß keine Partei ihre Verhandlungsposition mißbraucht, um den erfolgreichen Abschluß dieser Verhandlungen zu vereiteln.

(2) Die Mitgliedstaaten benennen eine von den Parteien unabhängige zuständige Stelle, die für die umgehende Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen zuständig ist. Diese Stelle hat insbesondere die Aufgabe, Streitigkeiten im Zusammenhang mit Verhandlungen und Zugangsverweigerungen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, beizulegen. Sie unterbreitet ihre Schlußfolgerungen unverzüglich oder, falls möglich, innerhalb von zwölf Wochen, nachdem sie mit den betreffenden Streitigkeiten befaßt worden ist. Die Inanspruchnahme der Stelle geschieht unbeschadet der Rechtsbehelfe des Gemeinschaftsrechts.

(3) Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten ist jeweils die Streitbeilegungsstelle des Netzes des Erdgasunternehmens zuständig, das die Nutzung des Netzes oder den Netzzugang verweigert. Sind bei grenzübergreifenden Streitigkeiten mehrere solcher Stellen für das betreffende Netz zuständig, so sorgen diese Stellen in gegenseitigem Benehmen dafür, daß diese Richtlinie übereinstimmend angewandt wird.

Artikel 22

Die Mitgliedstaaten schaffen geeignete und wirksame Mechanismen für die Regulierung, die Kontrolle und die Sicherstellung von Transparenz, um den Mißbrauch von marktbeherrschenden Stellungen, insbesondere zum Nachteil der Verbraucher, und Verdrängungspraktiken zu verhindern. Diese Mechanismen tragen den Bestimmungen des Vertrags, insbesondere dessen Artikel 86, Rechnung.

Artikel 23

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Erdgasunternehmen und die Kunden, die nach Artikel 18 als zugelassene Kunden zu benennen sind, ungeachtet ihres Niederlassungsorts im Einklang mit den Bestimmungen dieses Artikels Zugang zu den vorgelagerten Rohrleitungsnetzen, einschließlich der Einrichtungen, die die mit einem derartigen Zugang verbundenen technischen Dienstleistungen erbringen, jedoch mit Ausnahme der Netzteile und Teile von Einrichtungen, die für örtliche Produktionstätigkeiten auf einem Gasfeld verwendet werden, erhalten können. Diese Maßnahmen werden der Kommission gemäß Artikel 29 mitgeteilt.

(2) Der Mitgliedstaat legt entsprechend den einschlägigen Rechtsinstrumenten fest, in welcher Weise der Zugang gemäß Absatz 1 zu ermöglichen ist. Die Mitgliedstaaten legen dabei folgende Ziele zugrunde: offener Zugang zu fairen Bedingungen, Schaffung eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarkts und Vermeidung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, wobei einer gesicherten und regelmäßigen Versorgung, den bestehenden Kapazitäten und den Kapazitäten, die nach vernünftigem Ermessen verfügbar gemacht werden können, sowie dem Umweltschutz Rechnung getragen wird. Folgendes kann berücksichtigt werden:

a) Notwendigkeit der Verweigerung des Zugangs, wenn technische Spezifikationen nicht auf zumutbare Art und Weise miteinander in Übereinstimmung zu bringen sind,

b) Notwendigkeit der Vermeidung von nicht auf zumutbare Art und Weise zu überwindenden Schwierigkeiten, die die Effizienz der laufenden und der künftigen Kohlenwasserstoffgewinnung, auch bei Feldern mit geringer wirtschaftlicher Rentabilität, beeinträchtigen könnten,

c) Notwendigkeit der Anerkennung gebührend belegter und angemessener Erfordernisse, die der Eigentümer oder Betreiber des vorgelagerten Rohrleitungsnetzes für Erdgastransport und -aufbereitung geltend macht, und der Wahrung der Interessen aller anderen möglicherweise betroffenen Benutzer des vorgelagerten Rohrleitungsnetzes oder der einschlägigen Aufbereitungs- oder Umschlagseinrichtungen, und

d) Notwendigkeit der Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren zur Erteilung von Genehmigungen für Produktions- oder vorgelagerte Entwicklungstätigkeiten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht.

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen für eine Streitbeilegungsregelung - zu der auch eine von den Parteien unabhängige Stelle gehört, die zu allen einschlägigen Informationen Zugang hat -, mit der Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Zugang zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen zügig beigelegt werden können, wobei den in Absatz 2 genannten Kriterien und der Zahl der Parteien, die möglicherweise an Verhandlungen über den Zugang zu derartigen Netzen beteiligt sind, Rechnung zu tragen ist.

(4) Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten gilt die Streitbeilegungsregelung des Mitgliedstaats, der für das vorgelagerte Rohrleitungsnetz, das den Zugang verweigert, zuständig ist. Sind bei grenzübergreifenden Streitigkeiten mehrere Mitgliedstaaten für das betreffende Netz zuständig, so sorgen diese Mitgliedstaaten in gegenseitigem Benehmen dafür, daß die vorliegende Richtlinie übereinstimmend angewandt wird.

KAPITEL VII SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 24

(1) Treten plötzliche Marktkrisen im Energiesektor auf oder ist die Sicherheit von Personen, Geräten oder Anlagen oder die Unversehrtheit des Netzes gefährdet, so kann ein Mitgliedstaat vorübergehend die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen.

(2) Diese Maßnahmen dürfen nur ein Mindestmaß an Störungen im Funktionieren des Binnenmarktes hervorrufen und nicht über das zur Behebung der plötzlich aufgetretenen Schwierigkeiten unbedingt erforderliche Ausmaß hinausgehen.

(3) Der betreffende Mitgliedstaat teilt diese Maßnahmen unverzüglich den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mit; diese kann beschließen, daß der betreffende Mitgliedstaat diese Maßnahmen zu ändern oder aufzuheben hat, soweit sie den Wettbewerb verzerren und den Handel in einem Umfang beeinträchtigen, der dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

Artikel 25

(1) Entstehen einem Erdgasunternehmen wegen seiner im Rahmen eines oder mehrerer Gaslieferverträge eingegangenen unbedingten Zahlungsverpflichtungen ernsthafte wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten oder werden solche Schwierigkeiten befürchtet, so kann an den betreffenden Mitgliedstaat oder an die benannte zuständige Behörde ein Antrag auf eine befristete Ausnahme von Artikel 15 und/oder Artikel 16 gestellt werden. Die Anträge werden je nach Wahl des Mitgliedstaates für jeden Einzelfall entweder vor oder nach der Verweigerung des Netzzugangs gestellt. Die Mitgliedstaaten können es dem Erdgasunternehmen auch freistellen, ob es einen Antrag vor oder nach der Verweigerung des Netzzugangs stellen möchte. Hat ein Erdgasunternehmen den Zugang verweigert, so wird der Antrag unverzüglich gestellt. Den Anträgen werden alle sachdienlichen Angaben über die Art und den Umfang des Problems und die von dem Gasunternehmen zu dessen Lösung unternommenen Anstrengungen beigefügt.

Falls nach vernünftigem Ermessen keine Alternativlösungen zur Verfügung stehen, kann der Mitgliedstaat oder die benannte zuständige Behörde unter Beachtung der Bestimmungen des Absatzes 3 die Bewilligung einer Ausnahme beschließen.

(2) Der Mitgliedstaat oder die benannte zuständige Behörde übermitteln der Kommission unverzüglich ihre Entscheidung über die Genehmigung einer Ausnahme zusammen mit allen einschlägigen Angaben zu der betreffenden Ausnahme. Diese Angaben können der Kommission in einer zusammengefaßten Form übermittelt werden, die es der Kommission ermöglicht, eine wohlbegründete Entscheidung zu treffen. Die Kommission kann binnen vier Wochen nach Eingang der Mitteilung verlangen, daß der betreffende Mitgliedstaat bzw. die betreffende benannte zuständige Behörde die Entscheidung über die Genehmigung einer Ausnahme ändert oder zurücknimmt. Kommt der betreffende Mitgliedstaat bzw. die betreffende benannte zuständige Behörde der Aufforderung nicht innerhalb von vier Wochen nach, so wird nach dem Verfahren I des Artikels 2 des Beschlusses 87/373/EWG umgehend ein endgültiger Beschluß gefaßt.

Die Kommission behandelt wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich.

(3) Der Mitgliedstaat oder die benannte zuständige Behörde und die Kommission berücksichtigen bei der Entscheidung über die Ausnahmen nach Absatz 1 insbesondere folgende Kriterien:

a) das Ziel der Vollendung eines wettbewerbsorientierten Gasmarktes;

b) die Notwendigkeit, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfuellen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten;

c) die Stellung des Erdgasunternehmens auf dem Gasmarkt und die derzeitige Wettbewerbslage auf diesem Markt;

d) die Schwere der aufgetretenen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten von Erdgasunternehmen und Fernleitungsunternehmen bzw. zugelassenen Kunden;

e) den Zeitpunkt der Unterzeichnung sowie die Bedingungen des betreffenden Vertrags oder der betreffenden Verträge und inwieweit diese Marktänderungen berücksichtigen;

f) die zur Lösung des Problems unternommenen Anstrengungen;

g) inwieweit das Unternehmen beim Eingehen der betreffenden unbedingten Zahlungsverpflichtungen unter Berücksichtigung dieser Richtlinie vernünftigerweise mit dem wahrscheinlichen Auftreten von ernsten Schwierigkeiten hätte rechnen können;

h) das Ausmaß, in dem das Netz mit anderen Netzen verbunden ist, sowie den Grad an Interoperabilität dieser Netze;

i) die Auswirkungen, die die Genehmigung einer Ausnahme für die korrekte Anwendung dieser Richtlinie in bezug auf das einwandfreie Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes haben würde.

Eine Entscheidung über einen Ausnahmeantrag in bezug auf Verträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen worden sind, sollte nicht zu einer Lage führen, in der es unmöglich ist, wirtschaftlich tragfähige Absatzalternativen zu finden. Auf jeden Fall wird davon ausgegangen, daß keine ernsthaften Schwierigkeiten vorliegen, wenn die Erdgasverkäufe nicht unter die in Gaslieferverträgen mit unbedingter Zahlungsverpflichtung vereinbarte garantierte Mindestabnahmemenge sinken oder sofern der betreffende Gasliefervertrag mit unbedingter Zahlungsverpflichtung angepaßt werden oder das Erdgasunternehmen Absatzalternativen finden kann.

(4) Erdgasunternehmen, die keine Ausnahmegenehmigung nach Absatz 1 erhalten haben, dürfen den Netzzugang wegen im Rahmen eines Gasliefervertrags eingegangener unbedingter Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht länger verweigern. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß alle einschlägigen Bestimmungen des Kapitels VI eingehalten werden.

(5) Die im Rahmen der obigen Bestimmungen genehmigten Ausnahmen müssen ordnungsgemäß begründet werden. Die Kommission veröffentlicht die Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.

(6) Die Kommission legt binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie einen Bericht über die bei der Anwendung dieses Artikels gemachten Erfahrungen vor, damit das Europäische Parlament und der Rat zu gegebener Zeit prüfen können, ob dieser Artikel angepaßt werden muß.

Artikel 26

(1) Mitgliedstaaten, die nicht direkt an das Verbundnetz eines anderen Mitgliedstaats angeschlossen sind und nur einen externen Hauptlieferanten haben, können von Artikel 4, Artikel 18 Absätze 1, 2, 3, 4 und 6 und/oder Artikel 20 abweichen. Als Hauptlieferant gilt ein Lieferant mit einem Marktanteil von mehr als 75 %. Die betreffende Ausnahme erlischt automatisch, sobald mindestens eine der genannten Bedingungen nicht mehr gegeben ist. Alle derartigen Ausnahmen sind der Kommission mitzuteilen.

(2) Ein als entstehender Markt eingestufter Mitgliedstaat, der durch die Anwendung dieser Richtlinie in erhebliche Schwierigkeiten geriete, die nicht mit den in Artikel 25 genannten vertraglichen Abnahmeverpflichtungen zusammenhängen, kann von Artikel 4, Artikel 18 Absätze 1, 2, 3, 4 und 6 und/oder Artikel 20 dieser Richtlinie abweichen. Die entsprechende Ausnahme erlischt automatisch, sobald der betreffende Mitgliedstaat nicht mehr als entstehender Markt anzusehen ist. Alle derartigen Ausnahmen sind der Kommission mitzuteilen.

(3) Falls die Anwendung dieser Richtlinie in einem geographisch begrenzten Gebiet eines Mitgliedstaates, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Fernleitungsinfrastruktur, erhebliche Schwierigkeiten verursachen würde, kann der Mitgliedstaat im Hinblick auf die Förderung der Investitionen bei der Kommission für Entwicklungen in diesem Gebiet eine befristete Ausnahme von Artikel 4, Artikel 18 Absätze 1, 2, 3, 4 und 6 und/oder Artikel 20 beantragen.

(4) Die Kommission kann die in Absatz 3 genannte Ausnahme unter Berücksichtigung insbesondere der nachstehenden Kriterien genehmigen:

- Bedarf an Infrastrukturinvestitionen, die in einem wettbewerbsorientierten Marktumfeld nicht rentabel wären;

- Umfang der erforderlichen Investitionen und Aussicht auf Rückzahlung;

- Größe und Entwicklungsstand des Gasnetzes in dem betreffenden Gebiet;

- Aussichten für den betreffenden Gasmarkt;

- geographische Größe und Merkmale des betreffenden Gebiets oder der betreffenden Region sowie

- sozioökonomische und demographische Faktoren.

Eine Ausnahme darf nur genehmigt werden, wenn in diesem Gebiet noch keine Gasinfrastruktur errichtet worden ist oder die Errichtung einer derartigen Infrastruktur weniger als zehn Jahre zurückliegt. Die befristete Ausnahme darf nicht für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren ab der ersten Versorgung mit Gas in dem betreffenden Gebiet gewährt werden.

(5) Vor einer Entscheidung nach Absatz 4 unterrichtet die Kommission die Mitgliedstaaten unter Wahrung der Vertraulichkeit über die gemäß Absatz 3 gestellten Anträge. Die Entscheidung sowie die Ausnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

Artikel 27

(1) Die Kommission legt vor Ablauf des ersten Jahres nach Inkrafttreten dieser Richtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über den nicht mit dieser Richtlinie zusammenhängenden Harmonisierungsbedarf vor. Sie fügt dem Bericht gegebenenfalls die für das reibungslose Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts notwendigen Harmonisierungsvorschläge bei.

(2) Das Europäische Parlament und der Rat nehmen zu diesen Vorschlägen spätestens zwei Jahre nach ihrer Vorlage Stellung.

Artikel 28

Die Kommission überprüft die Anwendung dieser Richtlinie und legt einen Bericht über die Erfahrungen mit dem Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes und der Durchführung der allgemeinen Vorschriften des Artikels 3 vor, damit das Europäische Parlament und der Rat zu gegebener Zeit im Lichte der gesammelten Erfahrungen prüfen können, ob Vorschriften zur weiteren Verbesserung des Erdgasbinnenmarktes erlassen werden können, die zehn Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie wirksam würden.

Artikel 29

Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie binnen zwei Jahren nach dem in Artikel 30 genannten Zeitpunkt nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon.

Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Absatz 1 erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Artikel 30

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Artikel 31

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 22. Juni 1998.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

J. M. GIL-ROBLES

Im Namen des Rates

Der Präsident

J. CUNNINGHAM

(1) ABl. C 65 vom 14.3.1992, S. 14, und ABl. C 123 vom 4.5.1994, S. 26.

(2) ABl. C 73 vom 15.3.1993, S. 31, und ABl. C 195 vom 18.7.1994, S. 82.

(3) Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 17. November 1993 (ABl. C 329 vom 6.12.1993, S. 182), gemeinsamer Standpunkt des Rates (EG) Nr. 17/98 vom 12. Februar 1998 (ABl. C 91 vom 26.3.1998, S. 46) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 30. April 1998 (ABl. C 152 vom 18.5.1998).

(4) ABl. L 147 vom 12.6.1991, S. 37. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 95/49/EG (ABl. L 233 vom 30.9.1995, S. 86).

(5) ABl. L 185 vom 17.7.1990, S. 16. Richtlinie zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 1994.

(6) ABl. L 161 vom 29.6.1996, S. 147. Zuletzt geändert durch die Entscheidung 1047/97/EG (ABl. L 152 vom 11.6.1997, S. 12).

(7) ABl. L 193 vom 18.7.1983, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 1994.

(8) ABl. L 109 vom 26.4.1983, S. 8. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 96/139/EG (ABl. L 32 vom 10.2.1996, S. 31).

(9) ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/8/EG (ABl. L 82 vom 25.3.1994, S. 33).

(10) ABl. L 197 vom 18.7.1987, S. 33.