31996Y0801(03)

Entschliessung des Rates vom 8. Juli 1996 zur Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Bereich des Binnenmarkts

Amtsblatt Nr. C 224 vom 01/08/1996 S. 0005 - 0006


ENTSCHLIESSUNG DES RATES vom 8. Juli 1996 zur Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Bereich des Binnenmarkts (96/C 224/03)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Erklärung zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Anhang zur Schlußakte des Vertrags über die Europäische Union,

gestützt auf die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates vom 26. und 27. Juni 1995 in Cannes,

nach Kenntnisnahme des Berichts der Gruppe unabhängiger Sachverständiger für die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ("Molitor-Gruppe") vom 21. Mai 1995 sowie der diesbezüglichen Bemerkungen der Kommission,

nach Kenntnisnahme des Berichts der Kommission an den Europäischen Rat mit dem Titel "Eine bessere Rechtsetzung - Bericht über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, über Vereinfachung und Kodifikation",

Nach Kenntnisnahme der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel "Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt (SLIM): Ein Pilotprojekt",

in Erwägung nachstehender Gründe:

Eine der wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union ist die Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Angesichts des verschärften Wettbewerbs in der Wirtschaft setzt die Erreichung dieses Ziels insbesondere Maßnahmen voraus, die den Unternehmen eine Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen und eine positive Beschäftigungswirkung entfalten;

Durch die Binnenmarktvorschriften konnte ein großer Wirtschaftsraum ohne Binnengrenzen geschaffen werden, der ein starker Stimulierungs- und Liberalisierungsfaktor für die europäische Wirtschaft und die Beschäftigung ist, den es zu erhalten gilt.

Die Verwirklichung des Binnenmarkts bewirkt bereits als solche eine Vereinfachung, da durch sie entweder eine gemeinschaftliche Vorschrift an die Stelle einer ganzen Reihe nationaler Bestimmungen tritt oder der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zur Anwendung kommt.

Eine normative Vereinfachung, durch die übermäßige und ungerechtfertigte Kosten vermieden werden sollen, die die Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit behindern, ist jedoch für die Organe der Europäischen Union, die Regierungen der Mitgliedstaaten und die europäischen Wirtschaftskreise eine wichtige Aufgabe.

Die angestrebte Vereinfachung muß den gemeinschaftlichen Besitzstand und die weitere gemeinschaftliche Harmonisierung in den betroffenen Sektoren wahren, wo dies erforderlich ist, und zwar insbesondere die in diesen Regelungen verankerten Anforderungen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes, der Sicherheit, der Lauterkeit der Handelsgeschäfte, des Umweltschutzes sowie des Schutzes von Arbeitnehmern und Verbrauchern.

Ferner müssen die Binnenmarktvorschriften im Interesse der Wirtschaft und der Bürger zugänglicher und verständlicher gemacht werden, insbesondere durch eine Verbesserung der Qualität dieser Vorschriften durch Kodifizierung, größere Textkohärenz und bessere Lesbarkeit. Es wurden bereits Maßnahmen zur Vereinfachung und Kodifizierung der bestehenden Rechtsvorschriften in Angriff genommen, die - wo dies erforderlich ist - nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf eine Straffung dieser Vorschriften abzielen.

Künftige Gesetzgebungsinitiativen sollten sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf Gemeinschaftsebene den Bedürfnissen und Erfordernissen der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Rechnung tragen.

Zudem ist in einigen Sektoren ein besonderer Bedarf an Vereinfachung der bestehenden Rechtsvorschriften festgestellt worden. Daher sollten entsprechende konkrete Schritte unternommen werden, um den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen zu verringern.

Auch eine zu komplizierte einzelstaatliche Gesetzgebung kann das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen; daher sollten auf einzelstaatlicher Ebene die gleichen Bemühungen um eine Vereinfachung unternommen werden, um das Entstehen neuer Handelshemmnisse zu vermeiden, die eine erneute Abschottung des Binnenmarktes zur Folge hätten -

HINSICHTLICH KÜNFTIGER GESETZGEBUNGSINITIATIVEN:

NIMMT ZUR KENNTNIS, daß die Kommission allgemeine Leitlinien für die Ausübung ihres eigenen Initiativrechts ausgearbeitet hat, um die Qualität der neuen Gesetzgebungsvorschläge unter dem Gesichtspunkt ihrer wahrscheinlichen Auswirkung für die jeweiligen Wirtschafts- und Fachkreise zu verbessern;

UNTERSTREICHT die Notwendigkeit, die neuen Rechtsvorschriften auf einzelstaatlicher Ebene effektiv umzusetzen und während des gesamten Gesetzgebungsvorgangs zu berücksichtigen, daß die globale Kohärenz der Rechtsvorschriften in ein und demselben Sektor sichergestellt sein muß;

ERSUCHT die Kommission, Analysekriterien auszuarbeiten und sich dabei auf die Erfahrungen und Informationen der Mitgliedstaaten zu stützen und diese hinzuzuziehen;

ERINNERT daran, daß zu detaillierte Vorschriften in der Regel vermieden und nur dann vorgesehen werden sollten, wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Einklang mit dem EG-Vertrag unbedingt notwendig ist;

HINSICHTLICH DER BESTEHENDEN RECHTSVORSCHRIFTEN:

NIMMT ZUR KENNTNIS, daß bei der Kodifizierung und anderen Methoden der Vereinfachung bereits Fortschritte erzielt worden sind, verpflichtet sich, die von der Kommission bereits vorgelegten Kodifizierungsvorschläge beschleunigt zu prüfen, und FORDERT die Kommission AUF, so bald wie möglich die bereits angekündigten weiteren Vorschläge zu unterbreiten;

PFLICHTET der Kommission darin BEI, daß diese Maßnahmen darüber hinaus durch konkrete Aktionen zur Förderung der Ziele der Transparenz, Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der Rechtsvorschriften verstärkt werden müßten;

IST sich mit der Kommission darin EINIG, daß eine dieser Maßnahmen in einer ersten Phase darin bestehen sollte, in einer begrenzten Anzahl von Sektoren ein Pilotprojekt einzuleiten, um anhand der Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften insbesondere die Möglichkeiten zu prüfen, die sich aus diesen Rechtsvorschriften für die Unternehmen ergebenden Auflagen und Formalitäten zu reduzieren, und daß dieses Pilotprojekt als Test für eine umfangreichere Aktion dienen könnte, die sich auf andere Sektoren erstreckt;

NIMMT daher die Initiative der Kommission WOHLWOLLEND ZUR KENNTNIS, in vier Sektoren Arbeitsgruppen aus anerkannten Sachverständigen zu bilden, die in transparenter und ausgewogener Weise ausgewählt werden und ermitteln sollen, welche Möglichkeiten bestehen, um die geltenden Rechsvorschriften zu vereinfachen;

NIMMT die von der Kommission hierfür getroffene Auswahl der betreffenden Sektoren ZUR KENNTNIS, nämlich das permanente statistische Erhebungssystem (Intrastat), Zierpflanzen, Bauprodukte und gegenseitige Anerkennung der Diplome;

IST sich darin EINIG, daß diese Initiative dem Anliegen Rechnung trägt, in kurzer Zeit erste Ergebnisse bei der Vereinfachung zu erzielen;

HINSICHTLICH DER ANSTEHENDEN MASSNAHMEN:

ERSUCHT die Mitgliedstaaten,

a) generell für die Vereinfachung und Erleichterung der Verwaltungsformalitäten bei künftigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften einzutreten und besonders die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die KMU aufgrund ihrer besonderen Struktur haben,

b) durch ihre Mitwirkung die Arbeit der mit dem Pilotprojekt beauftragten Gruppen auch bei den Aspekten, die das einzelstaatliche Recht betreffen, zu unterstützen,

c) die Möglichkeiten der Vereinfachung der nationalen binnenmarktrelevanten Rechtsvorschriften sowie der damit verbundenen Formalitäten zu prüfen und dabei den für die KMU bestehenden Schwierigkeiten besondere Beachtung zu schenken,

d) sich im Beratenden Ausschuß für Koordinierung im Bereich des Binnenmarkts, der durch den Beschluß 93/72/EWG der Kommission (1) eingesetzt wurde, gegenseitig über die auf einzelstaatlicher Ebene durchgeführten oder geplanten Maßnahmen zur Vereinfachung der bestehenden und künftigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu unterrichten;

ERSUCHT die Kommission,

a) die Mitgliedstaaten in den für die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zuständigen Ausschüssen sowie im Beratenden Ausschuß für Koordinierung im Bereich des Binnenmarkts regelmäßig und vollständig über den Fortgang der Arbeiten der mit dem Pilotprojekt betrauten Arbeitsgruppen zu informieren,

b) dem Rat bis November 1996 einen Bericht mit den Schlußfolgerungen des unter Buchstabe a) genannten Pilotprojekts vorzulegen und dabei

- konkrete Vorschläge für die Art und Weise der Vereinfachung der Rechtsvorschriften in den vier Sektoren zu unterbreiten,

- die Effizienz der Methodik zu evaluieren und

c) nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Koordinierung im Bereich des Binnenmarkts so früh wie möglich im Jahr 1997 anzugeben, wie dieses Projekt anschließend auf andere Sektoren ausgedehnt werden könnte.

(1) ABl. Nr. L 26 vom 3. 2. 1993, S. 18.