31995M0533

ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 10/02/1995 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.533 - TWD / Akzo Nobel / Kuagtextil) gemäss der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Nur der Deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. C 046 vom 23/02/1995 S. 0005


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 10/02/1995 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.533 - TWD/Akzo Nobel/Kuagtextil) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

(Nur der Deutsche Text ist verbindlich).

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FUSIONSVERFAHREN

ARTIKEL 6 (1) b ENTSCHEIDUNG

Einschreiben mit Empfangsbestätigung

An die anmeldenden Parteien

Betr.: <ind> Fall Nr. IV/M.533 - TWD/AKZO NOBEL-KUAGTEXTIL

<ind> Anmeldung vom 10. Januar 1995 nach Artikel 4 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 4064/89

Sehr geehrte Damen und Herren,

1. <ind> Am 10. Januar 1995 meldeten die Textilwerke Deggendorf GmbH, Deggendorf/D (TWD), ein Unternehmen der Heinrich Kunert GmbH, Wien, und die Akzo Nobel Faser AG, Wuppertal (ANF) ein Vorhaben an, wonach TWD beabsichtigt 51 % der Geschäftsanteile der Kuagtextil GmbH, Konz (Kuag) zu erwerben. Kuag gehört direkt und indirekt über ANF zu 100 % zur Gruppe Akzo Nobel N.V., Arnheim/NL (ANA) (vgl. Fall Nr. IV/ M.390 - AKZO/Nobel Industrier). Kuag betreibt das europaweite Geschäft der ANA mit textilen Polyester- Filamentgarnen (PES-F-Tex) und wird nach dem Anteilserwerb durch TWD ein 51:49 % - Gemeinschaftsunternehmen von TWD und ANF sein.

I. <ind> Die Parteien

2. <ind> TWD betreibt in Deutschland und über Tochtergesellschaften in Deutschland, Österreich und Portugal das Geschäft der Heinrich Kunert GmbH, Wien mit Polyamid- und Polyestergarnen, mit Rohlingen für die Strumpfindustrie und mit Teppichgarnen aus Polyamid-Stapelfasern.

<ind> ANF gehört zur Faser-Gruppe der ANA und ist in der Herstellung und im Vertrieb von Chemiefasern sowie von zugehörigen technischen Geräten und Komponenten tätig. ANA insgesamt ist als Unternehmen der Grosschemie in den Produktbereichen Fasern Pharmazeutika, Lacke und Beschichtungen und Chemie tätig.

II. <ind> Das Vorhaben

3. <ind> Durch den Anteilserwerb der TWD wird aus der Kuag ein 51:49 - Gemeinschaftsunternehmen gebildet, in welchem bereits seit Anfang 1994 das PES-F-Tex Geschäft der ANA-Gruppe in Europa konzentriert ist, so daß ANA auf diesem Markt, ausser über die ANF-Minderheitsbeteiligung an der Kuag, nicht mehr tätig sein wird. TWD erweitert dagegen mit der beabsichtigten industriellen Führerschaft in der Kuag seine bestehenden Aktivitäten bei textilen Polyester-Filamentgarnen in Europa.

III. <ind> Der Zusammenschluß

<tab> Gemeinsame Kontrolle

4. <ind> TWD und ANF werden imVerhältnis 51:49 am Gesellschaftskapital des beabsichtigten GU beteiligt sein. Die Verträge sehen jedoch eine gemeinsame Kontrolle vor.

<ind> Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erfordern Einstimmigkeit. Das Gleiche gilt für den paritätisch zu besetzenden Gesellschafterausschuß, der über die Jahresplanung des GU und über weitere Maßnahmen der Unternehmensstrategie zu entscheiden hat (JV-Vertrag § 2 (3), § 4 (5), § 9 (1), § 10 (3); Gesellschaftsvertrag Kuag § 12, § 13 (4) und Anl. 2).

<ind> Vollfunktions-GU/ Keine Koordinierung

5. <ind> Die Kuag wird als GU eine autonome Wirtschaftseinheit bilden, die alle notwendigen Marktfunktionen ausübt. Sie wird alle beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter innehaben, die erforderlich sind um eine selbständige Fertigung und Vermarktung von PES-F- Tex durchzuführen, weil Kuag - bei industrieller Führung durch TWD - über eigene PES-F-Tex- Fertigungs- und Verarbeitungsanlagen sowie über Vertriebsstrukturen in den Werken Konz, Wuppertal und Oberbruch verfügt.

6. <ind> Nach dem Zusammenschluß wird ANF bis Ende 1995 seine PES-Stapelfaserproduktion einstellen und - wie beim benachbarten PA-Markt - nur technische Fasern fertigen. Auf diesen Märkten ist TWD nicht tätig, so daß insoweit ein Koordinierungsrisiko zwischen den Muttergesellschaften nicht besteht.

7. <ind> In der Beschaffung von PES-Chips wird ANF das GU nach dem geltenden Liefervertrag zwar noch für weitere [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] Jahre beliefern. Dabei wird aber ab [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] auf arm's-length-Basis eine neue [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] Preisregelung wie zwischen unabhängigen Unternehmen angewendet, so daß die Versorgung der Kuag-Spinnerei auch über das bestehende Leitungssystem von ANF im Werk Oberbruch zu Marktpreisen erfolgt.

8. <ind> Der überwiegend direkte Kuag-Vertrieb wird insoweit durch zwei nicht ausschließliche, kurzfristig kündbare Agenturverträge ergänzt als

<ind> - <ind> ANF gegenüber seinen vorwiegend Viskose verarbeitenden Kunden ausserhalb Deutschlands als Vertriebsagent der Kuag tätig wird ([Geschäftsgeheimnis - ein nicht unbedeutender Teil] des Kuag-Absatzes)

<ind> <ind> und

<ind> - <ind> Kuag bei seinem PES-F-Tex-Vertrieb in Westeuropa als Vertriebsvermittler für textile Viscose-Filamentgarne der ANF zusätzliche Kunden erschließt ([Geschäftsgeheimnis - < 10 %] des ANF-Absatzes dieser Erzeugnisse).

<ind> Der Aufbau jeweils eigener Vertriebsstrukturen von Kuag bzw. ANF gegenüber Kunden, die hauptsächlich nicht von dem jeweiligen Vertragspartner angebotene Produkte benötigen, wäre unwirtschaftlich. Die Preishoheit liegt auch insoweit beim jeweiligen Hersteller.

9. <ind> Im Bereich F & E macht ANF dem GU vertraglich das einschlägige Know-how unentgeltlich zugänglich, weil die Schutzrechte selbst auch für andere Tätigkeiten benötigt und daher nicht übertragen werden können. Der F & E-Vertrag stellt sicher, [Als Geschäftsgeheimnis entfernt]

10. <ind> Zusätzlich gelten aufgrund der örtlichen Einbindung der Kuag in die Standorte Oberbruch und Wuppertal der ANF folgende praktisch erforderliche Vereinbarungen über Lieferungen und Leistungen:

<ind> - <ind> Vier Mietverträge über Industriegebäude und Büroräume für Kuag in Oberbruch und Wuppertal (2), die im Eigentum von ANF bleiben, bzw. Gewerberäume und Industriegebäude für ANF in Oberbruch (2), die in das Eigentum des GU übergehen;

<ind> - <ind> ein Vertrag über Wege- und Leitungsrechte in Oberbruch;

<ind> - <ind> sechs Verträge über Dienstleistungen und Lieferungen in Oberbruch für Kuag (3) und ANF (1), in Wuppertal für Kuag (1) und an beiden Standorten für Kuag (1), weil sich ANF und Kuag diese Standorte und deren Infrastruktur entsprechend ihrer unterschiedlichen Aktivitäten teilen. Diese Leistungen erfolgen nach einer Übergangszeit wie beim Bezug von PES- Chips auf arm's length-Basis zu [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] Preisregelungen (kommerziellen Bedingungen) wie zwischen unabhängigen Unternehmen und

<ind> - <ind> zwei Sozialverträge bezueglich der sozialen Einheit von Kuag/ANF gültig bis 31.12.1996 bei 12-monatiger Kündigungsfrist.

11. <ind> Keiner dieser Verträge gefährdet die Fähigkeit des GU, dauerhaft alle Funktionen einer autonomen Wirtschaftseinheit zu erfuellen, weil sie ihrer Natur nach nicht dazu geeignet sind, der Muttergesellschaft ANF einen entscheidenden Einfluß auf das GU zu eröffnen. Die Mietverträge betreffen nur die strukturelle Einheit von Gebäuden und Grundstücken am jeweiligen Standort. Hingegen wird das GU Eigentümer aller geschäftlichen Vermögenswerte wie Werksanlagen, Maschinen und Ausrüstungen und von Lagern. Die Lieferverträge werden nach einer Übergangszeit wie dargestellt verändert. Dementsprechend wird das GU dauerhaft alle Funktionen in F & E, Beschaffung, Herstellung und Vertrieb von PES-F-Tex autonom ausüben und das angemeldete Vorhaben ist als konzentratives GU im Sinne von Artikel 3 (2) der Fusionskontrollverordnung (FKVO) anzusehen, weil ANF mit einer Fertigung industrieller Polyesterfasern (PES-F-Ind) auf diesem Markt des GU und der TWD nicht weiter tätig bleiben wird (Rz. 3) (vgl. Fall Nr. IV/ M.113-Courtaulds/SNIA, Rz. 6-8).

IV. <ind> Gemeinschaftsweite Bedeutung

12. <ind> Der Zusammenschluß wird eine gemeinschaftsweite Bedeutung haben. Der gemeinsame aggregierte weltweite Umsatz von TWD/Heinrich Kunert GmbH, Wien (1993: 296 MECU) und ANF/ANA (1993:7 600 MECU) liegt auch 1994 über 5 000 MECU, da sich jedenfalls keine für die Zuständigkeitsfrage erheblichen Abweichungen ergeben werden. Der aggregierte gemeinschaftsweite Umsatz jeder der zwei beteiligten Parteien liegt 1994 auch über 250 MECU (1993: 270 MECU für TWD/Kunert und 4 040 MECU für ANF/ANA). Die Umsätze in Österreich wurden dabei als Gemeinschaftsumsätze berücksichtigt, weil Österreich zum Zeitpunkt der Anmeldung der Gemeinschaft angehört. Die beteiligten Unternehmen erreichen auch nicht mehr als 2/3 ihres jeweiligen gemeinschaftsweiten Umsatzes in einem und demselben Mitgliedstaaten (TWD/Kunert 64 %, ANF/ANA 30 % in Deutschland).

V. <ind> Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt

<ind> Relevanter Produktmarkt

13. <ind> Textile Polyesterfilamentgarne sind Ergebnis aufeinander folgender chemischer Prozesse, die im Prinzip mit denen anderer Chemiefasern vergleichbar sind (vgl. Entscheidung Nr. IV/M 214 vom 30.09.92, Abl. Nr. L 7/13 vom 13.01.93 Dupont/ICI), sich aber hinsichtlich der Einsatzstoffe, Zwischenprodukte und, trotz begrenzter aus ähnlichen Gebrauchseigenschaften für verschiedene Verwendungen resultierender Substitutionsbeziehungen, doch wesentlich von diesen anderen Chemiefasern des Wirtschaftszweiges unterscheiden.

<ind> Grundrohstoff für PES-F ist Paraxylol, aus dem DMT (Dimethyl-Terephtalat) und TPA (Terephtalsäure) gewonnen werden; DMT und TPA werden alternativ bei der Herstellung von Polyesterfasern eingesetzt. Weiterer Rohstoff für Polyester ist Monoäthylenglykol. Daneben werden Hilfsstoffe wie Katalysatoren, Mattierungsmittel und andere Additive verwandt; ihre Anteile liegen jedoch i.d.R. unter 1 % des Einsatzgewichtes. Die Einsatzfaktoren (ca.-Angaben in t je t Chips) der Hauptrohstoffe sind:

<tab> DMT-Route <ind> TPA-Route

DMT/TPA <tab> 1,05 <tab> 0,88

Glykol <ind> 0,35 <ind> 0,34

Bei der DMT-Route wird Methanol zurückgewonnen.

14. <ind> Für PES-Polymer (Chips) besteht in Westeuropa eine Kapazität von rd. 2 Mio t, wovon etwa 50 % Spinnqualität ist, während durch einen weiteren Produktionsschritt PES-Polymere für andere PES-Produkte erzeugt werden. Der Eigenverbrauch integrierter Faserhersteller liegt bei etwa 800 000 t.

15. <ind> Die Produktion von Polyesterfasern erfolgt nach dem Schmelzspinnprozeß, bei dem die aus PES-Chips entstandene Spinnmasse durch Spinndüsen extrudiert wird. Nach dem sofortigen Erkalten entstehen Filamentgarne oder Spinnkabel, die sodann vertreckt werden; erst dann wird die erforderliche kristalline Struktur erreicht. Der Prozeß kann ein- oder zweistufig sein. Diese Filamentgarne (Endlosgarne) sind, ggf. nach weiteren textilen Prozessen wie Texturieren, Zwirnen, Färben, Schären etc. und nachdem sie auf die geeigneten Aufmachungen gebracht worden sind (Webbäume, Teilkettbäume etc.), unmittelbar für die Herstellung textiler Flächengebilde einsetzbar.

16. <ind> Spinnfasern (= Stapelfasern) werden aus den verstreckten Spinnkabeln durch Schneiden auf die gewünschte Stapellänge (z.B. Baumwoll- oder Wollstapel) hergestellt. Diese Fasern werden in einem mechanischen Spinnprozeß in Baumwoll- oder Woll-Spinnereien zu Garnen verarbeitet; dabei findet meist eine Mischung mit Natur- (Baumwolle, Wolle) oder Viscose-Fasern statt, so daß Mischgarne für die verschiedensten Einsatzgebiete zur Verfügung stehen. Ein Teil der Polyester-Spinnfasern (PES-S-Tex) wird direkt zu Flächengebilden mittels Vlies-Technik (non-woven-Prozesse) verarbeitet. Da sich Stapelfasern hinsichtlich ihres Fertigungsprozesses und der abweichenden Verwendungszwecke und Kundengruppen - was wesentlich Folge der Mischung mit anderen Fasern ist - von PES-F-Tex unterscheiden, ist insoweit von verschiedenen Produktmärkten auszugehen. Soweit ANA in Europa noch PES-S- Tex fertigt, wird diese Produktion bis Ende 1995 eingestellt.

17. <ind> Angesichts relativ ähnlicher physikalischer Eigenschaften von textilen Polyamidfasern (PA-F-Tex) und den entsprechenden Polyesterfasern gibt es einen weitgehend abgeschlossenen Substitutionsprozeß zwischen PA und PES, der von einem 20-30 % niedrigeren PA-Preis unterstützt wird (Fall Nr. IV/M.399-Rhône-Poulenc/SNIA-Nordfaser, Rz. 16). Das genaue Ausmaß dieser Substitution im Hinblick darauf, ob beide Fasern einen gemeinsamen Markt bilden, kann indes offenbleiben, weil durch den hier zu prüfenden Zusammenschluß auch auf der Grundlage der engsten Produktmarktabgrenzung eine beherrschende Stellung nicht entsteht oder verstärkt wird und Koordinierungsrisiken fehlen, wenn ANA nur technische Fasern und TWD nur textile Fasern fertigen, also auf getrennten Produktmärkten tätig sind.

18. <ind> Eine weitere Überschneidung der Verwendungszwecke besteht zwischen PES-F-Tex und Viskosefasern in zwei Einsatzgebieten: Futterstoffe und Damenoberbekleidung (DOB). Unterschiedliche Eigenschaften im Hinblick auf Verarbeitung, Gebrauch, Pflege- und Trageeigenschaften sowie der erheblich niedrigere Preis von PES-F-Tex haben jedoch nur eine einseitige Randsubstitution zu Lasten von Viscose im unteren Preis- und Qualitätssegment der Futter- und DOB-Stoffe zur Folge, während wichtige Einsatzgebiete von Viskose einerseits von PES-F-Tex andererseits davon unberührt bleiben (vgl. Rz.8). Im übrigen sprechen auch die bereits in früheren Verfahren festgestellten physischen und preislichen Unterschiede zwischen den verschieden Chemiefasern gerade insoweit für verschiedene Produktmärkte (vgl. Courtaulds/SNIA a.a.O. Rz. 9-14).

19. <ind> Die Preis- bzw. Kostenunterschiede zwischen PES-F-Tex- und Viskosefasern lassen sich wie folgt konkretisieren:

<ind> PES ist ein vergleichsweise billiger Rohstoff, Viscose ein teurer. Die Garnkosten der Webereien für Futterstoffgewebe unterscheiden sich in etwa wie folgt

<ind> <ind> <ind> DM/lfd. m Gewebe (Geschäftsgeheimnis - PES < 1,00 Viscose < 3,00)

<ind> PES <ind> ....

<ind> Viscose <ind> ....

<ind> Damit sind die beiden Futterstoffe jedenfalls in unterschiedlichen Marktsegmenten angesiedelt. Die unterschiedlichen Einstandskosten schlagen aber auch auf die Futterstoffpreise (Verkaufspreis der Webereien) im Bereich der Konfektion durch (Geschäftsgeheimnis - PES <2,00 Viscose <5,00)

<ind> PES <ind> ... DM/lfd. m

<ind> Viscose <ind> ... DM/lfd. m

<ind> Die Stoffe werden daher sowohl zum Füttern sehr unterschiedlicher Kleidungsstücke eingesetzt. Auch die entsprechenden DOB-Oberstoffe sind aber aus der Sicht des Handels und der Verbraucherinnen sehr unterschiedliche Produkte.

20. <ind> Angesichts der Preisunterschiede, der unterschiedlichen Verwendungsqualität als Futterstoff wie als DOB-Material und der nur einseitigen Randsubstitution von Viscose durch PES bildet PES-F-Tex auch einen gegenüber Viscose verschiedenen und getrennten sachlich relevanten Produktmarkt. Auch wenn es also sachgerecht ist, im Ergebnis einen bestimmten Produktmarkt für PES-F-Tex zu definieren, gibt es doch einen gewissen Grad an Substitution zu anderen Endlosgarnen auf synthetischer und zellulosischer Grundlage. Dies gilt - wie dargestellt - insbesondere für PA und Viscose und ist in die wettbewerbliche Beurteilung des Vorhabens einzubeziehen.

<ind> Relevanter geographischer Markt

21. <ind> Angesichts der Feststellungen in den bisherigen Fusionskontrollverfahren zu Chemiefaserfällen (Courtaulds/SNIA; DuPont/ICI, Rhône-Poulenc/SNIA-Nordfaser a.a.O., Rhône-Poulenc/SNIA II v. 08.09.93; Rhône-Poulenc - SNIA I v. 10.08.92) und der jeweils im Hinblick auf den maßgeblichen geographischen Markt festgestellten vergleichbaren Preis-, Angebots- und Nachfragestrukturen innerhalb der Gemeinschaft für die jeweiligen Chemiefasermärkte, ist auch für PES-F-Tex von einem gemeinschaftsweiten geographisch maßgeblichen Markt auszugehen.

22. <ind> Das Marktvolumen für PES-F-Tex im EWR liegt bei 365 000 t p.a. oder etwa 1 200-1 500 MECU. Daran haben Importe aus Drittländern einen Anteil von etwa 32 %. Die wichtigsten Herkunftsländer sind die Schweiz, die Türkei, die USA, Taiwan, Indonesien und Thailand. Dabei liegen die Zollsätze für PES-F-Tex allgemein zwischen 5 und 10 %. Die Importe von ANA- Beteiligungsgesellschaften (51 % an Polyenka S.A., Sao Paulo/Brasilien) sind unbedeutend mit [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] in 1993. Für ANA-Minderheitsbeteiligungen in Lateinamerika und Indien (49 % an Enka de Colombia S.A.; 49 % an Enkador S.A./Ecuador; 40 % an Fibras Qimicas S.A./Mexiko; 40 % an Century Enka Ltd./Indien) sind genaue Liefermengen nach Westeuropa unbekannt. Sie dürften aber ähnlich niedrig liegen, da die Kapazitäten und Produktarten dem Bedarf auf diesen Märkten angepasst und daher nicht für den europäischen Markt geeignet sind.

<ind> <ind> <ind> Wirkungen des Zusammenschlusses

23. <ind> Das Vorhaben wird nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil davon führen.

<ind> <ind> Betroffener Markt

24. <ind> Der angemeldete Zusammenschluß zwischen TWD und ANF in der Kuag wird zu einer Marktanteilsaddition auf dem PES-F-Tex Markt in Westeuropa führen, weil sich hier die bisherige Tätigkeit von ANF und TWD überlappen. Die wettbewerbliche Struktur auf diesem Markt zeigt die folgende Verteilung der Marktanteile im Jahr 1993 (Mengenbasis):

Marktanteile PES-F-Tex

im EWR

Nr. <tab> Unternehmen <tab> Land <tab> Absatz (1000 t) (Geschäftsgeheimnis - jeweils zwischen 15 und 55) <tab> Anteil (%) (Geschäftsgeheimnis - zwischen 5 und 15 %)

1 <tab> Hoechst <tab> D

2 <tab> Rhône-Poulenc <tab> F

3 <tab> Montefibre <tab> I <tab>

4 <tab> Unifi <tab> IRL <tab>

5 <tab> Kuag <tab> NL/D <tab>

6 <tab> Radici <tab> I/UK/CH <tab>

7 <tab> TWD <tab> D <tab>

<tab> Sonstige <tab> <tab> 130,1 <tab> 35,5

<tab> Insgesamt <tab> <tab> 365,0 <tab> 100

<ind> Schätzungen der Parteien und eigene Feststellungen der Kommission zur Marktstruktur ergeben eine im wesentlichen übereinstimmende Marktstruktur. Nach dem angemeldeten Zusammenschluß wird der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen von [Geschäftsgeheimnis - zwischen 10 und 15 %] also bedeuten, daß TWD/Kuag nach den Farbwerken Hoechst zum - gemessen am Marktanteil - zweitstärksten Wettbewerber werden.

25. <ind> Angesichts dieses geringen Marktanteils der beteiligten Unternehmen kommt eine alleinige Beherrschung des PES-F-Tex Marktes nicht in Betracht.

26. <ind> Die vergleichsweise homogene Verteilung der Marktanteile auf die nach dem Zusammenschluß führenden sechs Unternehmen indiziert darüberhinaus auch eher ein weites Oligopol ohne Reaktionsverbundenheit, die eine kollektive Beherrschung bewirken könnte.

27. <ind> Ausserdem zeigt, auch nach Auffassung von Wettbewerbern der Parteien, die Vielzahl kleinerer (integrierter) Wettbewerber, daß der weitgehend unproblematische Zugang zur Beschaffung der PES-Chips und die ausgereifte Produktionstechnik den Marktzutritt auch für "upstream"-integrierte PES-F-Tex-Hersteller aus der Textilindustrie in wettbewerbswirksamem Ausmaß erleichtern. Diese Anbieter decken gemeinsam mit den Importen aus Ländern ausserhalb Westeuropas (EWR) demgemäß auch über 1/3 des Bedarfs im Markt und wirken einer etwaigen kollektiven Beherrschung entgegen, weil sie eine Reaktionsverbundenheit erschweren.

28. <ind> Schließlich bedeutet auch der begrenzte Wettbewerbsdruck, der von den anderen Chemiefasern wie PA und von den Viscosefasern durch Randsubstiution auf den PES-F-Tex- Markt wirkt, daß der Verhaltensspielraum gerade auch der nach den Marktanteilen führenden Hersteller tendenziell begrenzt wird.

VI. <ind> Ergänzende Beschränkungen

29. <ind> Die erwähnten ergänzenden Vereinbarungen (Rz. 10) haben ANF und Kuag Anfang 1994 geschlossen, als das PES-F-Tex Geschäft in der Kuag konzentriert wurde. Sie werden als Übergangsregelungen nach dem Zusammenschluß mit TWD fortgeführt und nach Beendigung auf "arms-length"-Basis abgeschlossen. Dies gilt für Lieferanten, Preise und Bedingungen. Die bisherigen konzerninternen Verrechnungspreise werden ab[Als Geschäftsgeheimnis entfernt] durch das GU auf [Als Geschäftsgeheimnis entfernt] Preise zu kommerziellen Bedingungen umgestellt. Die beiden Verträge über soziale Einheit sind nur bis 31.12.96 abgeschlossen und mit 12-Monatsfrist kündbar. Ausserdem enthält der Anteilskaufvertrag zwischen TWD und ANF/ANA eine Wettbewerbsausschlußklausel nach der ANF/ANA nicht mit Kuag auf dem europäischen Markt für PES-F-Tex in Wettbewerb treten, solange sie mit mindestens 25 % am GU beteiligt sind zuzueglich weiterer 5 Jahre.

30. <ind> Die ergänzenden Verträge über PES-Chips und sonstige Lieferungen und Leistungen begründen keine exklusiven Kauf- und Angebotsverpflichtungen und berühren nicht die Autonomie des GU. Sie dienen dazu dem GU in einer Übergangszeit, zumindest bis Ende 1996, an den gemeinsam mit ANF genutzten Standorten eine kontinuierliche Versorgung mit solchen Produkten und Leistungen zu sichern, die für die übernommene PES-F-Tex Fertigung erforderlich sind und insoweit eine erforderliche Beschränkung durch den angemeldeten Zusammenschluß darstellen.

31. <ind> Die Verträge über soziale Einheit an den Standorten Oberbruch und Wuppertal sichern für eine Übergangszeit den sozialen Frieden und sind insofern eine erforderliche Beschränkung durch den Zusammenschluß mit jährlicher Kündigungsfrist. Die Wettbewerbsausschlußklausel ist Ausdruck der Verpflichtung der ANF/ANA-Gruppe gegenüber dem GU und gewährleistet deren "good will" gegenüber Kuag. Sie ist darauf gerichtet, daß der dauerhafte Rückzug von ANF/ANA aus dem PES-F-Tex Geschäft des GU wie vorgesehen abgesichert wird und ist daher gleichfalls als eine erforderliche, den Zusammenschluß ergänzende Beschränkung anzusehen.

32. <ind> Die beiden nicht exklusiven und kurzfristigen Agenturverträge, der F & E - Vertrag und die vier Mietverträge über bebaute Grundstücke sind wesentliche Bestandteile des Zusammenschlusses. Deshalb besteht insoweit nicht das Problem sie inhaltlich als ergänzende Beschränkungen einzuordnen.

VII. <ind> Ergebnis

33. <ind> Der Marktanteil des beabsichtigten GU auf dem betroffenen Markt ist mit weniger als 15 % im Hinblick auf Einzelmarktbeherrschung unbedenklich. Die relativ gleichmässige Marktanteilsverteilung auf dem betroffenen Markt auf sechs führende Anbieter mit jeweils Anteilen zwischen 5-15 %, der den up-stream integrierten Herstellern aus der Textilindustrie offene Zugang zur PES-Chip-Beschaffung und der erhebliche Anteil einer Vielzahl solcher kleinerer Wettbewerber und der Importe lassen auch nicht erwarten, daß durch das Vorrücken von TWD/Kuag in dieser Gruppe eine Oligopolverengung mit einer beherrschenden Reaktionsverbundenheit entsteht. Dem wirkt zusätzlich die Randsubstitution durch andere Faserarten entgegen.

34. <ind> Aus den erwähnten Gründen hat die Kommission entschieden, dem angemeldeten Zusammenschluß nicht zu widersprechen und ihn als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und dem Artikel 57 des EWR-Abkommens zu erklären. Diese Entscheidung ergeht in Anwendung von Artikel 6 (1) (b) der Verordnung des Rates Nr. 4064/89.

Für die Kommission