31994D0256

94/256/EGKS: Entscheidung der Kommission vom 12. April 1994 über ein Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 112 vom 03/05/1994 S. 0045 - 0051


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 12. April 1994 über ein Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (94/256/EGKS)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, insbesondere auf Artikel 95 Absätze 1 und 2,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses und mit einstimmiger Zustimmung des Rates,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I Die Stahlindustrie der Gemeinschaft befindet sich gegenwärtig in ihrer schwierigsten Phase seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre. Der allgemeine Konjunkturrückgang mit erheblichen Auswirkungen auf gewerbliche Tätigkeiten im allgemeinen und auf die Stahlindustrie im besonderen und ein grosses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage mit einem entsprechenden Preisverfall sind hierfür die Ursache. Darüber hinaus ist der Weltmarkt ingesamt geschwächt, es wird Druck durch Einfuhren ausgeuebt, und ein Handelsstreit mit den USA hat wichtige Exporte auf diesen Markt beeinträchtigt. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, daß sich die finanzielle Lage fast aller Stahlunternehmen in der Gemeinschaft verschlechert hat.

II Im November 1993 notifizierte Deutschland der Kommission einen Plan zur Umstrukturierung und Teilprivatisierung des Stahlunternehmens EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt - nachfolgend "EKO Stahl" genannt.

Das im Bundesland Brandenburg, im Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR, ansässige Unternehmen war nach dem zweiten Weltkrieg unter dem dort damals herrschenden sozialistischen Wirtschaftssystem als Kombinat gegründet worden. Nach der deutschen Vereinigung im Jahr 1990 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Einziger Aktionär ist die Treuhandanstalt (THA), eine als Holding tätige Anstalt des öffentlichen Rechts für die Staatsbetriebe der ehemaligen DDR.

Der am 4. November 1993 vorgelegte Umstrukturierungsplan, der am 12. November 1993 abgeändert wurde, sieht eine Umwandlung der EKO Stahl in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und den Verkauf von 60 % der Anteile an die italienische Riva-Gruppe vor. Der Erwerber ist vertraglich verpflichtet, auf die entsprechende Forderung der THA die verbleibenden Anteile zwischen April 1999 und Juni 1999 auf der Grundlage des Ertragswerts zu übernehmen.

Die Entscheidung, die Mehrheit der Anteile an Riva zu verkaufen, fiel nach einer allgemeinen, unbeschränkten Ausschreibung, die im Oktober 1993 abgeschlossen wurde. Nach eingehender Prüfung der drei abgegebenen Angebote kam die THA zu dem Schluß, daß die Riva-Gruppe das beste Angebot vorgelegt hatte. Ein von der THA erstellter Angebotsvergleich und weitere Zusatzinformationen zur Beurteilung der einzelnen Vorschläge sind von Deutschland übermittelt worden.

Der Umstrukturierungsplan sieht eine Modernisierung der bestehenden Roheisen-, Rohstahl-, Kaltwalz- und Weiterverarbeitungsanlagen ohne Änderung ihrer derzeitigen Kapazitäten sowie die Einrichtung einer neuen Warmbreitbandanlage mit einer Kapazität von 900 kt/J vor, um die technologische Lücke in der Produktionskette zu schließen, die bislang durch das kostspielige Mieten auswärtiger Warmwalzkapazitäten überbrückt wird. Die bestehenden Schneidanlagen für warmgewalzte Bänder (Längsteilanlagen) werden geschlossen.

Für die Roheisenkapazitäten sind Investitionen in Höhe von 280 Millionen DM vorgesehen, für Rohstahl 150 Millionen DM, für Warmwalzanlagen 400 Millionen DM und für Kaltwalzanlagen 270 Millionen DM. 450 Millionen DM der Gesamtinvestition sollen von Riva, 350 Millionen DM von der THA und 300 Millionen DM durch regionale Investitionsbeihilfen aufgebracht werden.

Um bis zur Privatisierung auftretende Verluste abzudecken, will die THA 163 Millionen DM aufwenden. Um künftige Verluste bis zum Abschluß der Umstrukturierung zu decken, akzeptierte die THA einen negativen Kaufpreis von 180 Millionen DM, die an Riva ausgezahlt und sofort dem Kapital der neuen GmbH mit weiteren 120 Millionen DM zugeführt werden. Riva soll sich mit 30 Millionen DM an der Deckung der Verluste beteiligen, die in der Umstrukturierungsphase auftreten.

Der Umstrukturierungsplan sieht einen Beschäftigungsabbau von rund 1 600 Stellen von 3 500 im Jahr 1993 auf 1 900 im Jahr 1996 vor, was einem Abbau um 45,7 % entspricht. Seit Ende 1989 sank die Zahl der Beschäftigten insgesamt um 9 610 Arbeitnehmer (von zuvor 11 510 Arbeitnehmern), d. h. um 83,5 %.

Deutschland teilte der Kommission darüber hinaus mit, daß die Riva-Gruppe beabsichtige, eine ihrer Warmwalzanlagen in der ehemaligen DDR - eine Mittelprofilstrasse mit einer Kapazität von 320 kt/J, die im Besitz der HES Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH (Hennigsdorf/Brandenburg) steht - zu schließen.

Bei der Prüfung des Umstrukturierungsplans stellte die Kommission fest, daß dieser Plan Beihilfen von insgesamt 813 Millionen DM umfasst, die mit dem EGKS-Vertrag und mit der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission (1) (Beihilfenkodex Stahl - nachfolgend "Beihilfenkodex" genannt) unvereinbar sind. 300 Millionen DM können nach Artikel 5 dritter Gedankenstrich des Beihilfenkodex als mit dem ordnungsgemässen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar gelten. Dieser Artikel lässt die in den allgemeinen Regelungen vorgesehenen regionalen Investitionsbeihilfen zu, wenn sie Stahlunternehmen im Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR gewährt werden und die Beihilfen mit einer Verringerung der Gesamtproduktionskapazität in diesem Gebiet einhergehen.

Diese Beihilfen werden Gegenstand einer gesonderten Entscheidung der Kommission ein.

III Der vom Erwerber und der THA entworfene Umstrukturierungsplan ist darauf angelegt, die Lebensfähigkeit von EKO Stahl bis Ende 1997 herzustellen. Der vorliegende Plan basiert auf der Bereitschaft eines privaten Investors mit Erfahrungen im Stahlsektor, Privatkapital in erheblicher Höhe einzusetzen. Ein unabhängiger Berater, der von der Kommission und Deutschland mit der Evaluierung der Zukunftsperspektiven für EKO Stahl beauftragt worden war, hat eindeutig festgestellt, daß das Unternehmen langfristig nur dann lebensfähig ist, wenn Warmwalzkapazitäten geschaffen werden. Der Investor, der im Rahmen einer offenen, unbeschränkten Ausschreibung ausgewählt wurde, hat seine Bereitschaft gezeigt, das Risiko für die künftige Lebensfähigkeit des Unternehmens ohne weitere Hilfe als die im Umstrukturierungskonzept vorgesehene auf sich zu nehmen.

IV Durch die äusserst schwierige Lage auf dem gemeinschaftlichen Stahlmarkt ist der betreffende Sektor in mehreren Mitgliedstaaten und auch in Deutschland bedroht. Das Vorhaben, die EKO Stahl mit einer wirtschaftlich gesunden und tragfähigen Struktur auszustatten, trägt zur Verwirklichung der Ziele des Vertrags - insbesondere der Artikel 2 und 3 - bei. Nach Ansicht der Kommission sind die von Deutschland vorgeschlagenen staatlichen Finanzierungsmaßnahmen erforderlich, um dieses Vorhaben durchzuführen. Da eine derartige aussergewöhnliche Situation im Vertrag nicht eigens geregelt ist, muß die Kommission auf Artikel 95 Absatz 1 des Vertrags zurückgreifen, um der Gemeinschaft die Verwirklichung der in den Artikeln 2 und 3 genannten Ziele zu ermöglichen.

Gleichzeitig muß aber die genehmigte Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt und sichergestellt werden, daß insbesondere angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten auf dem gemeinschaftlichen Stahlmarkt die Handelsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt werden. Daher sind Gegenleistungen zu fordern, die in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der ausnahmsweise genehmigten Beihilfen stehen, damit ein hoher Beitrag zu den in diesem Sektor erforderlichen Strukturanpassungen geleistet wird.

V Der Umstrukturierungsplan sieht die Schaffung einer neuen Warmbreitbandkapazität von 900 kt/J vor. Eine Reduzierung der Produktion warmgewalzter Fertigerzeugnisse ist bei EKO Stahl selbst jedoch nicht möglich. Die neuen Warmwalzkapazitäten werden für die langfristige Lebensfähigkeit des Unternehmens als notwendig angesehen, da die bestehende Lücke in der Produktionskette unwirtschaftlich ist und einen Wettbewerbsnachteil bedeutet.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Bedingungen, die während der Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie der Gemeinschaft in der ersten Hälfte der achtziger Jahre und für die spanische wie portugiesische Stahlindustrie nach dem Beitritt Spaniens und Portugals zur Gemeinschaft galten, eine globale Verringerung der Produktionskapazitäten in dem betreffenden Gebiet als Gegenleistung für die Beihilfen zuließen.

Verglichen mit der Stahlindustrie der Zehnergemeinschaft und der Stahlindustrie von Spanien und Portugal befand sich der Stahlsektor in der ehemaligen DDR aufgrund der strukturellen Unzulänglichkeiten der Planwirtschaft beim Beitritt zur Gemeinschaft in einer besonders schlechten Wettbewerbsposition. Da es sich zudem um die erste Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie in den fünf neuen Bundesländern handelt, ist es nur gerecht, in diesem Fall ebenfalls eine Anrechnung der globalen Kapazitätsreduzierung in diesem Gebiet zuzulassen.

Mit der Aufstockung der Warmwalzkapazitäten von 900 kt/J in Eisenhüttenstadt als Teil des Umstrukturierungsplans, dem zusagten Kapazitätsabbau in Hennigsdorf und der Verringerung der Gesamtkapazitäten in der ehemaligen DDR, die als Gegenleistung für die Regionalbeihilfen nach Artikel 5 des Beihilfenkodex an Stahlunternehmen im Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR und für die Beihilfe an die Sächsische Edelstahlwerke GmbH, Freital/Sachsen (SEW Freital), notwendig sind, beläuft sich der hieraus resultierende Kapazitätsabbau, der gegen die Beihilfen zugunsten von EKO Stahl aufgerechnet werden kann, auf 462 kt/J.

Diese Nettoverringerung der Gesamtkapazität bei warmgewalzten Fertigerzeugnissen stellt einen angemessenen Beitrag zur Verringerung der wettbewerbsverzerrenden Wirkung der eingesetzten Beihilfen dar. Damit sich der Kapazitätsaufbau allerdings so wenig wie möglich auf den geschwächten Stahlmarkt in der Europäischen Gemeinschaft auswirkt, sind folgende Auflagen einzuhalten: Die Produktion der neuen Anlage ist so zu staffeln, daß ihre Kapazität von 900 kt/J erst in drei Jahren erreicht wird. Die Kapazität dieser Anlage darf nach der letzten Stillegung oder nach der letzten im Rahmen des Sanierungsplans ausgezahlten Investitionsbeihilfe - je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist - mindestens fünf Jahre lang 900 kt/J nicht überschreiten. Für weitere fünf Jahre ist die Produktion auf deutlich unter 2 Millionen t/J zu begrenzen. Die in den ersten fünf Jahren von der neuen Anlage produzierten warmgewalzten Coils dürfen nur für die Weiterverarbeitung in den Kaltwalzanlagen des Unternehmens verwendet werden.

Es kommt wesentlich darauf an, daß die von Deutschland angebotene globale Stillegung endgültig und unwiderruflich ist, so daß die betreffenden Kapazitäten den Stahlmarkt der Gemeinschaft nicht länger belasten. Die stillgelegten Anlagen müssen deshalb verschrottet oder in Länder ausserhalb Europas verkauft werden.

VI Während der gesamten Umstrukturierung ist nicht nur zu gewährleisten, daß die genehmigte Beihilfe das Unternehmen in die Lage versetzt, bis Ende 1998 seine Lebensfähigkeit wiederzuerlangen und die Beihilfe auf das unbedingt notwendige Mindestmaß begrenzt wird, sondern es ist auch sicherzustellen, daß es durch die finanziellen Umstrukturierungsmaßnahmen nicht von vornherein einen unangemessenen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen des Sektors erhält, indem seine finanzielle Nettobelastung von Beginn an auf unter 3,5 % des Jahresumsatzes - dem derzeitigen Gemeinschaftsdurchschnitt für Stahlunternehmen - fällt. Darüber hinaus sollten dem Unternehmen oder seinem Rechtsnachfolger keine Steuererleichterungen für frühere oder künftige Verluste gewährt werden, die nach dem Umstrukturierungsplan bereits durch Beihilfen gedeckt werden. Ferner sind etwaige zusätzliche Darlehen zu marktüblichen Bedingungen zu gewähren und keine Vorzugsbedingungen für Neuverschuldungen gegenüber dem Staat einzuräumen. Investitionsbeihilfen dürfen nur bis zur Höhe der tatsächlichen Investitionskosten gewährt werden, soweit sie zur Durchführung des der Kommission vorgelegten Umstrukturierungsplans erforderlich sind. Sind die Insvestitionskosten niedriger als ursprünglich veranschlagt, so muß die Investitionsbeihilfe entsprechend gekürzt werden.

VII Die Anwendung dieser Entscheidung erfordert eine strenge Überwachung durch die Kommission während der gesamten Umstrukturierung und bis Ende 1998.

Damit die Kommission die Überwachung wirksam durchführen kann, fordert sie Deutschland zu einer engen und umfassenden Mitarbeit und zur Einhaltung strenger Berichterstattungspflichen auf.

Folgende Punkte sind besonderes zu beachten:

- Einhaltung der Verpflichtung, die Warmwalzkapazitäten von Hennigsdorf zu schließen,

- Einhaltung der Verpflichtungen bezueglich der Kapazitätsbeschränkungen der neuen Warmwalzanlagen von EKO Stahl und der Verwendung der in diesen Anlagen produzierten Erzeugnisse,

- Fortschritte bei der Wiederherstellung der Lebensfähigkeit,

- Vergabe der Beihilfen nach dem Umstrukturierungsplan sowie Herkunft und Bedingungen zusätzlicher Finanzierungsmittel,

- durchgeführte Investitionen,

- Stellenabbau,

- Produktion und Auswirkungen auf den Markt,

- finanzielle Leistungsfähigkeit.

Die Kommission wird dem Rat Halbjahresberichte zur Information vorlegen.

Ferner ist sicherzustellen, daß die Beihilfe nicht für unlautere Wettbewerbspraktiken mißbraucht wird. Die Kommission kann gemäß Artikel 47 EGKS-Vertrag zusätzlich stichprobenartige Kontrollen vornehmen lassen, um die übermittelten Angaben und insbesondere die Einhaltung der mit der Beihilfegenehmigung verbundenen Auflagen zu überprüfen. Reicht ein Mitgliedstaat in diesem Zusammenhang bei der Kommission eine Beschwerde ein, nach der die staatlichen Beihilfen das Unternehmen in die Lage versetzen, die Preise zu unterbieten, leitet die Kommission eine Untersuchung nach Artikel 60 EGKS-Vertrag ein.

Stellt die Kommission auf der Grundlage der übermittelten Angaben fest, daß die in ihren Entscheidungen nach Artikel 95 festgelegten Voraussetzungen nicht erfuellt wurden, so kann sie die Aussetzung der Beihilfezahlungen bzw. die Rückerstattung bereits gewährter Beihilfen verlangen. Kommt ein Mitgliedstaat der diesbezueglichen Entscheidungen nicht nach, findet Artikel 88 EGKS-Vertrag Anwendung.

Die Kommission kann eine vierteljährliche Berichterstattung beschließen. Die Kommission kann einen mit Zustimmung Deutschlands ausgewählten unabhängigen Berater damit beauftragen, sie bei der Überwachung zu unterstützen.

Die Kommission stellt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sicher, daß das beihilfebegünstigte Unternehmen die Bedingungen dieser Entscheidung - einschließlich der geforderten Fortschritte bei der Wiederherstellung der Lebensfähigkeit - und seine übrigen Verpflichtungen aus dem EGKS-Vertrag einhält. Ergeben sich aus den Kontrollberichten wesentliche Abweichungen von den Zahlen, aufgrund deren die Prüfung der Lebensfähigkeit erfolgt ist, kann die Kommission verlangen, daß geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Umstrukturierungsmaßnahmen zu stützen.

VIII Eine Entscheidung nach Artikel 95 EGKS-Vertrag zur Genehmigung staatlicher Beihilfen stellt angesichts von Artikel 4 Buchstabe c) EGKS-Vertrag eine aussergewöhnliche Maßnahme dar. Aus den obengenannten Gründen kann die Kommission die Beihilfen jedoch ausnahmsweise vorbehaltlich der Beachtung der von ihr festgelegten Bedingungen genehmigen. Die genehmigten Beihilfen, die bis Ende 1997 die Lebensfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen sollen, sind allerdings als endgültig zu betrachten. Wird die Lebensfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt nicht wiedererlangt, so beantragt Deutschland für dieses Unternehmen keine weiteren Ausnahmen nach Artikel 95 EGKS-Vertrag -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Folgende Beihilfehöchstbeträge, die Deutschland an die EKO Stahl AG/GmbH zu vergeben beabsichtigt, sind mit dem ordnungsgemässen Funktionieren des Gemeinsamen Markts vereinbar, sofern die Voraussetzungen und Anforderungen der Artikel 2 bis 6 eingehalten werden:

- Ausgleich der seit dem 1. Juli 1990 bis zur Privatisierung des Unternehmens aufgelaufenen Verluste in Höhe von 163 Millionen DM;

- Ausgleich der künftigen Verluste in der Umstrukturierungsphase bis Ende 1996 in Höhe von 300 Millionen DM;

- Investitionsbeihilfe in Höhe von 350 Millionen DM.

(2) Deutschland sorgt dafür, daß die gesamten Beihilfen nach Artikel 95 EGKS-Vertrag und der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS für den Umstrukturierungsplan des Unternehmens EKO Stahl unter keinen Umständen eine Gesamtintensität von 70 % überschreiten und daß die Investitionsbeihilfe den einzelnen Investitionskosten genau zugeordnet sind.

(3) Dem neuen Eigentümer von EKO Stahl dürfen in Verbindung mit der Schließung seiner Produktionsanlagen in Hennigsdorf keine weiteren Beihilfen (mit Ausnahme von Sozialbeihilfen nach der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS) gewährt werden.

(4) Die Beihilfen wurden so berechnet, daß die Lebensfähigkeit des Unternehmens bis Ende 1997 wiederhergestellt werden kann. Wird die Lebensfähigkeit bis dahin nicht wiedererlangt, beantragt Deutschland für dieses Unternehmen keine weitere Ausnahme nach

Artikel 95

EGKS-Vertrag.

(5) Die Beihilfen dürfen nicht für unlautere Wettbewerbspraktiken verwendet werden.

(6) Unbeschadet der Beihilfemaßnahmen des Umstrukturierungsplans nach diesem Artikel sind etwaige Darlehen an das Unternehmen zu marktüblichen Bedingungen zu gewähren; tilgungsfreie Zeiten oder eine Vorzugsbehandlung von Schulden gegenüber dem Staat sind unzulässig.

Artikel 2

(1) Die Produktionskapazität der neuen Warmbreitbandanlage, die die neue Gesellschaft erwerben wird, hat möglichst genau der Hoechstkapazität von 900 000 t/J Warmbreitband zu entsprechen.

Deutschland hat der Kommission vor Erwerb der neuen Anlage nachzuweisen, daß die neue Gesellschaft nach Prüfung der Verfügbarkeit gebrauchter und neuer Anlagen auf dem entsprechenden Markt die obengenannte Bedingung erfuellt hat.

Überschreitet die technische Kapazität der von der Kommission genehmigten Anlage 900 000 t/J, so ist die neue Warmbreitbandanlage mit einer technischen Sperre zu versehen, die die Kapazität der Anlage auf 900 000 t/J begrenzt.

(2) Die Produktion der neuen Warmbreitbandanlage ist so zu steigern, daß ihre Kapazität von 900 000 t/J erst in drei Jahren ab 1994 erreicht wird.

Die Kapazitätsbeschränkung gilt für fünf Jahre nach der Stillegung der letzten Anlage oder nach der letzten im Rahmen des vorliegenden Umstrukturierungsplans ausgezahlten Investitionsbeihilfe, wenn dies der spätere Zeitpunkt ist.

Nach Ablauf der vorgenannten Fünfjahresfrist setzt eine weitere Frist von fünf Jahren ein, in der die Kapazität für die Warmbreitbandproduktion bei EKO Stahl auf deutlich unter 2 Millionen t/J begrenzt wird.

Während der ersten fünf Jahre der Kapazitätsbegrenzung sorgt Deutschland dafür, daß die Produktion der bei EKO Stahl eingerichteten Warmwalzkapazitäten vom jetzigen und von den künftigen Eigentümern ausschließlich für die Weiterverarbeitung in den Kaltwalzanlagen von EKO Stahl verwendet wird.

(3) Deutschland sorgt dafür, daß die mit dieser Entscheidung genehmigten Beihilfen nicht zur Steigerung der derzeitigen Stahlkapazitäten von EKO Stahl über die auf 900 kt/J begrenzte Warmbreitbandanlage hinaus verwendet werden kann. Die im Rahmen des geförderten Umstrukturierungsplans verbleibenden Kapazitäten dürfen nur im Wege einer Produktivitätssteigerung für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der letzten Stillegung oder nach der letzten im Rahmen des vorliegenden Umstrukturierungsplans ausgezahlten Investitionsbeihilfe, je nachdem, welches der spätere Zeitpunkt ist, erhöht werden.

Artikel 3

(1) Folgende Produktionsanlagen sind endgültig stillzulegen:

- Die Mittelprofilstrasse Nr. 450 der HES Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH, Hennigsdorf/Brandenburg, mit einer Kapazität von 320 kt/J ist bis spätestens 30. Juni 1994 stillzulegen. Die Stillegung muß endgültig und unwiderruflich sein.

- Der endgültige, unwiderrufliche Abbau von Warmwalzkapazitäten in der ehemaligen DDR vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1996 einschließlich der Stillegung der Anlage in Hennigsdorf beläuft sich auf 2 057 kt/J; darin enthalten sind die als Gegenleistung für die Ausnahmen nach Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS erforderlichen Stillegungen und die Beihilfe zugunsten der Sächsischen Edelstahlwerke GmbH, Freital/Sachsen, gemäß Artikel 95 EGKS-Vertrag, nicht jedoch die im Umstrukturierungsplan für EKO Stahl vorgesehenen neuen Kapazitäten.

(2) Die Endgültigkeit dieser Stillegungen wird entweder durch den Abbruch der betreffenden Anlagen oder ihren Verkauf in aussereuropäische Länder gewährleistet.

Artikel 4

Die Genehmigung der Beihilfen gemäß Artikel 1 ist darüber hinaus an folgende Bedingungen gebunden:

1. Die finanzielle Belastung der neuen EKO Stahl GmbH beträgt zum Zeitpunkt ihrer Privatisierung netto mindestens 3,5 % des Jahresumsatzes.

2. Das Unternehmen oder sein Rechtsnachfolger beantragt und erhält Steuererleichterungen weder für die bis zur Privatisierung aufgelaufenen Verluste noch für künftige Verluste, wenn diese bereits durch staatliche Beihilfen gedeckt sind.

3. Das begünstigte Unternehmen führt sämtliche Umstrukturierungsmaßnahmen durch, die in dem der Kommission vorgelegten Umstrukturierungsplan aufgeführt sind, und zwar entsprechend dem darin enthaltenen Zeitplan.

Artikel 5

(1) Deutschland gewährleistet seine volle Mitarbeit im Rahmen der folgenden Überwachungsmaßnahmen:

a) Deutschland unterbreitet der Kommission halbjährlich, d. h. spätestens am 15. März und 15. September, Berichte mit den im Anhang genannten vollständigen Angaben über die begünstigte Gesellschaft und die Umstrukturierung. Der erste Bericht ist der Kommission bis 15. März 1994 und der letzte bis 15. September 1998 zu übermitteln, sofern die Kommission nicht etwas anderes beschließt.

b) Die Berichte enthalten vollständige Angaben, damit die Kommission den Umstrukturierungsprozeß sowie die Schaffung und Nutzung von Kapazitäten verfolgen kann, sowie hinreichende Finanzangaben, damit sie prüfen kann, ob ihre Bedingungen erfuellt werden. Die Berichte enthalten mindestens die im Anhang aufgeführten Angaben, wobei die Kommission sich vorbehält, den Anhang aufgrund der im Laufe der Überwachung gewonnenen Erkenntnisse zu ändern. Deutschland hat die Aufgabe, die begünstigte Gesellschaft zur Herausgabe sämtlicher relevanter Daten zu veranlassen, auch wenn diese unter anderen Umständen als vertraulich betrachtet werden.

(2) Die Kommission erstellt auf der Grundlage der Berichte Halbjahresberichte, die sie dem Rat bis spätestens 1. Mai bzw. 1. November übermittelt, damit dieser sie gegebenenfalls erörtern kann. Plant die begünstigte Gesellschaft Investitionen zur Schaffung oder Erweiterung von Kapazitäten, so unterrichtet die Kommission den Rat durch einen Bericht über die Finanzierung, in dem nachgewiesen wird, daß diese keine staatlichen Beihilfen enthält.

Artikel 6

(1) Die Kommission kann jederzeit beschließen, daß die Berichte gemäß Artikel 5 Absatz 1 vierteljährlich erstellt werden, wenn sie dies zur Erfuellung ihrer Überwachungsaufgaben für erforderlich hält. Die Kommission kann jederzeit einen mit Zustimmung Deutschlands ausgewählten unabhängigen Berater damit beauftragen, die Ergebnisse der Überwachung auszuwerten, etwaige erforderliche Nachforschungen anzustellen und dem Rat Bericht zu erstatten.

(2) Die Kommission kann gemäß Artikel 47 EGKS-Vertrag erforderlichenfalls Kontrollen in der begünstigten Gesellschaft vornehmen, um die Richtigkeit der in den Berichten gemäß Artikel 5 Absatz 1 enthaltenen Angaben und insbesondere die Erfuellung der in dieser Entscheidung festgelegten Bedingungen zu überprüfen. Reicht ein Mitgliedstaat eine Beschwerde ein, nach der die staatlichen Beihilfen das Unternehmen in die Lage versetzen, die Preise zu unterbieten, so leitet die Kommission eine Untersuchung insbesondere nach Artikel 60 EGKS-Vertrag ein.

(3) Durch Prüfung der in Artikel 5 Absatz 1 genannten Berichte stellt die Kommission sicher, daß die Anforderungen insbesondere des Artikels 1 Absatz 6 eingehalten werden.

Artikel 7

(1) Unbeschadet etwaiger Sanktionen, die die Kommission auf der Grundlage des EGKS-Vertrags auferlegen kann, kann sie jederzeit die Aussetzung der Behilfezahlungen oder die Rückforderung bereits gewährter Beihilfen verlangen, wenn sie aufgrund der ihr übermittelten Angaben feststellt, daß die in dieser Entscheidung festgelegten Bedingungen nicht eingehalten werden. Kommt Deutschland einem solchen Verlangen nicht nach, so gilt Artikel 88 EGKS-Vertrag.

(2) Stellt die Kommission auf der Grundlage der in Artikel 5 Absatz 1 genannten Berichte eine wesentliche Abweichung von den der Prüfung der Lebensfähigkeit zugrundeliegenden Finanzangaben fest, so kann sie Deutschland auffordern, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Umstrukturierungsmaßnahmen der begünstigten Gesellschaft zu stützen.

Artikel 8

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

Brüssel, den 12. April 1994

Für die Kommission

Karel VAN MIERT

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. L 362 vom 31. 12. 1991, S. 57.

ANHANG

Von der Kommission verlangte Angaben a) Kapazitätsabbau

- (voraussichtliches) Datum der Produktionsstillegungen,

- (voraussichtliches) Datum des Abbruchs (1) der betreffenden Werke,

- bei Veräusserung von Anlagen (voraussichtliches) Datum des Verkaufs sowie Identität und Land des Erwerbers,

- Verkaufspreis.

b) Investitionen

- Einzelheiten der durchgeführten Investitionen,

- Datum des Abschlusses der Investition,

- Investitionskosten, Finanzierungsquellen und Höhe etwaiger Beihilfen,

- Datum etwaiger Beihilfezahlungen.

c) Arbeitsplatzabbau

- Anzahl und Zeitplan der abgebauten Arbeitsplätze,

- Gesamtkosten,

- Aufschlüsselung der Finanzierung.

d) Produktion und Auswirkungen auf den Markt

- monatliche Produktion von Rohstahl und Fertigungserzeugnisse je Kategorie,

- Art, Umfang, Preise und Märkte der abgesetzten Produkte.

e) Finanzielle Leistungsfähigkeit

- Entwicklung ausgewählter finanzieller Schlüsselzahlen zur Gewährleistung von Fortschritten bei der Wiederherstellung der Lebensfähigkeit (die finanziellen Ergebnisse und Schlüsselzahlen sind so darzustellen, daß sie mit dem finanziellen Umstrukturierungsplan des Unternehmens verglichen werden können),

- Höhe der Netto-Zinsbelastung,

- Einzelheiten und Zeitplan der erhaltenen Beihilfen und damit gedeckte Kosten,

- Bedingungen etwaiger zusätzlicher Darlehen (gleich welcher Herkunft).

f) Privatisierung

- Verkaufspreis und Behandlung bestehender Passiva,

- Verwendung der Verkaufserlöse,

- Verkaufsdatum,

- finanzielle Stellung des Unternehmens zum Zeitpunkt des Verkaufs.

g) Gründung des neuen Unternehmens oder neuer Werke einschließlich Kapazitätserhöhungen

- Identität sämtlicher privaten und öffentlichen Anteilseigner,

- Finanzquellen der Anteilseigner für die Gründung des neuen Unternehmens oder neuer Werke,

- Bedingungen der Beteiligung der privaten und öffentlichen Anteilseigner,

- Führungsstruktur des neuen Unternehmens.

(1) Siehe Entscheidung Nr. 3010/91/EGKS der Kommission, ABl. Nr. L 286 vom 16. 10. 1991, S. 20.