Richtlinie 92/73/EWG des Rates vom 22. September 1992 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel
Amtsblatt Nr. L 297 vom 13/10/1992 S. 0008 - 0011
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 23 S. 0187
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 23 S. 0187
RICHTLINIE 92/73/EWG DES RATES vom 22. September 1992 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission (1), in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament (2), nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (3), in Erwägung nachstehender Gründe: Die bestehenden Unterschiede in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten können den Handel mit homöopathischen Arzneimitteln in der Gemeinschaft behindern und so zu Diskriminierungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Herstellern solcher Arzneimittel führen. Das wesentliche Ziel aller Regelungen für die Herstellung, den Vertrieb oder die Verwendung von Arzneimitteln muß die Sicherstellung der Volksgesundheit sein. Trotz der grossen Unterschiede im Rechtsstatus der alternativen Heilverfahren in den Mitgliedstaaten ist den Patienten freier Zugang zu dem Arzneimittel ihrer Wahl zu ermöglichen, mit den nötigen Garantien bezueglich der Qualität der Arzneimittel und der Sicherheit ihrer Anwendung. Anthroposophische Arzneimittel, die in einer offiziellen Pharmakopöe beschrieben und nach einem homöopathischen Verfahren zubereitet werden, sind hinsichtlich der Registrierung und der Genehmigung für das Inverkehrbringen homöopathischen Arzneimittel gleichzustellen. Die in der Richtlinie 65/65/EWG (4) und in der Zweiten Richtlinie 75/319/EWG (5) festgelegten Vorschriften eignen sich nicht immer für homöopathische Arzneimittel. Die homöopathische Medizin wird in einigen Mitgliedstaaten offiziell anerkannt, während sie in anderen Mitgliedstaaten nur geduldet ist. Selbst wenn die homöopathischen Arzneimittel nicht überall offiziell anerkannt sind, so werden sie doch in allen Mitgliedstaaten verschrieben und verwendet. Es besteht vor allem die Notwendigkeit, den Patienten, die diese Arzneimittel verwenden, einen eindeutigen Hinweis auf deren homöopathischen Charakter und ausreichende Garantien in bezug auf deren Qualität und Unbedenklichkeit zu geben. Die Vorschriften betreffend Herstellung, Kontrolle und Inspektion der homöopathischen Arzneimittel müssen harmonisiert werden, um den Handel mit sicheren und hochwertigen Arzneimitteln in der gesamten Gemeinschaft sicherzustellen. Angesichts der Besonderheiten dieser Arzneimittel, wie etwa ihrer sehr geringen Wirkstoffkonzentration, und der Schwierigkeit der Anwendung der herkömmlichen statistischen Methoden bei klinischen Versuchen erscheint es wünschenswert, ein besonderes vereinfachtes Registrierungsverfahren für solche traditionellen homöopathischen Arzneimittel vorzusehen, die ohne therapeutische Indikation und in einer Zubereitungsform und einer Dosierung, die kein Risiko für den Patienten darstellen, in Verkehr gebracht werden. Dagegen sollten bei einem homöopathischen Arzneimittel, das mit therapeutischem Indikationsanspruch oder in einer mit potentiellen Risiken verbundenen Darreichungsform in Verkehr gebracht wird - wobei diese Risiken mit der zu erwartenden therapeutischen Wirksamkeit ins Verhältnis zu setzen wären -, die üblichen Regeln für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln angewendet werden. Vor allem den Mitgliedstaaten mit homöopatischer Tradition muß jedoch die Möglichkeit gelassen werden, besondere Regeln zur Bewertung der Ergebnisse der Versuche zur Sicherheit und Wirksamkeit dieser Arzneimittel anzuwenden, wobei diese der Kommission mitzuteilen sind - HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: KAPITEL I Anwendungsbereich Artikel 1 (1) Homöopathisches Arzneimittel im Sinne dieser Richtlinie ist jedes Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung einer entsprechenden Monographie, nach einem in den derzeitig offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren aus Produkten, Substanzen oder Verbindungen, die homöopathische Ursubstanzen genannt werden, hergestellt worden ist. (2) Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten. Artikel 2 (1) Die Bestimmungen dieser Richtlinie finden Anwendung auf für den Menschen bestimmte homöopathische Arzneimittel - mit Ausnahme der nach einer Offizinal- oder Magistralformel gemäß Artikel 1 Nummern 4 und 5 der Richtlinie 65/65/EWG zubereiteten sowie der den Kriterien des Artikels 2 Absatz 4 derselben Richtlinie entsprechenden homöopathischen Arzneimittel. (2) Die Arzneimittel nach Absatz 1 sind auf dem Etikett durch den deutlich lesbaren Hinweis auf die homöopathische Beschaffenheit zu kennzeichnen. KAPITEL II Herstellung, Kontrolle und Inspektion Artikel 3 Herstellung, Kontrolle, Einfuhr und Ausfuhr von homöopathischen Arzneimitteln unterliegen den Bestimmungen des Kapitels IV der Richtlinie 75/319/EWG. Artikel 4 Die Maßnahmen zur Überwachung und die Sanktionen nach Kapitel V der Richtlinie 75/319/EWG sind ebenso wie die Artikel 31 und 32 der genannten Richtlinie auf homöopathische Arzneimittel anwendbar. Der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b) der genannten Richtlinie ist jedoch für die entsprechend Artikel 7 der vorliegenden Richtlinie registrierten oder gegebenenfalls gemäß Artikel 6 Absatz 2 zugelassenen homöopathischen Arzneimittel nicht erforderlich. Artikel 5 Die Mitgliedstaaten tauschen untereinander alle notwendigen Informationen zur Gewährleistung der Qualität und Unbedenklichkeit der in der Gemeinschaft hergestellten und in Verkehr gebrachten homöopathischen Arzneimittel aus, insbesondere die in den Artikeln 30 und 33 der Richtlinie 75/319/EWG genannten Informationen. KAPITEL III Inverkehrbringen Artikel 6 (1) Die Mitgliedstaaten wachen darüber, daß die in der Gemeinschaft hergestellten und in Verkehr gebrachten homöopathischen Arzneimittel entsprechend den Artikeln 7, 8 und 9 registriert oder genehmigt sind. Jeder Mitgliedstaat berücksichtigt in angemessener Weise die bereits von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Registrierungen oder Genehmigungen. (2) Ein Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, auf ein besonderes vereinfachtes Registrierungsverfahren für homöopathische Arzneimittel im Sinne von Artikel 7 zu verzichten. Der Mitgliedstaat teilt dies der Kommission mit. Dieser Mitgliedstaat ist dann verpflichtet, in seinem Gebiet spätestens am 31. Dezember 1995 die Verwendung der von anderen Mitgliedstaaten entsprechend den Artikeln 7 und 8 registrierten Arzneimittel zu gestatten. (3) Die Werbung für Arzneimittel im Sinne von Absatz 2 des vorliegenden Artikels und von Artikel 7 Absatz 1 unterliegt den Bestimmungen der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel (¹), mit Ausnahme des Artikels 2 Absatz 1 jener Richtlinie. Jedoch können nur die Angaben gemäß Artikel 7 Absatz 2 in der Werbung für diese Arzneimittel verwendet werden. Ferner kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet jegliche Werbung für Arzneimittel im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 7 Absatz 1 untersagen. Artikel 7 (1) Einem besonderen vereinfachten Registrierungsverfahren können nur homoöpathische Arzneimittel unterliegen, die alle nachstehend aufgeführten Bedingungen erfuellen: - orale oder äusserliche Anwendung; - Fehlen einer besonderen therapeutischen Indikation auf dem Etikett oder in den Informationen zu dem Arzneimittel; - Verdünnungsgrad, der die Unbedenklichkeit des Arzneimittels garantiert. Vor allem darf das Arzneimittel weder mehr als einen Teil pro Zehntausend der Urtinktur noch mehr als ein Hundertstel der gegebenenfalls in der Allopathie verwendeten kleinsten Dosis enthalten; dies gilt für die Wirkstoffe, bei deren Anwesenheit in einem allopathischen Arzneimittel letzteres verschreibungspflichtig wird. Die Mitgliedstaaten legen bei der Registrierung die Einstufung des Arzneimittels hinsichtlich der Abgabe fest. (¹) ABl. Nr. L 113 vom 30. 4. 1992, S. 13. (2) Das Etikett und gegebenenfalls die Packungsbeilage der in Absatz 1 genannten Arzneimittel sind ausser mit dem deutlich erkennbaren Vermerk "Homöopathisches Arzneimittel" ausschließlich mit den folgenden Hinweisen zu versehen: - wissenschaftliche Bezeichnung der Ursubstanz bzw. Ursubstanzen und Verdünnungsgrad; dabei sind die Symbole der nach Artikel 1 Absatz 1 zugrunde gelegten Pharmakopöen zu verwenden; - Name und Anschrift des für das Inverkehrbringen Verantwortlichen und gegebenenfalls des Herstellers; - Anwendungsweise und gegebenenfalls Darreichungsform; - deutlich lesbares Verfallsdatum (Monat, Jahr); - pharmazeutische Form; - Fassungsvermögen des Verkaufsmodells; - besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung, falls zutreffend; - gegebenenfalls besonderer Warnhinweis; - Chargennummer; - Registriernummer; - "Homöopathisches Arzneimittel ohne genehmigte therapeutische Indikationen"; - Hinweis an den Anwender, bei während der Anwendung des Arzneimittels fortdauernden Krankheitssymptomen einen Arzt aufzusuchen. (3) Abweichend von Absatz 2 können die Mitgliedstaaten verlangen, daß bestimmte Etikettierungsmodalitäten befolgt und mithin folgende Angaben gemacht werden: - Preis des Arzneimittels; - Bedingungen für die Erstattung durch die Sozialversicherungsorgane. (4) Die Kriterien und Regeln des Verfahrens nach den Artikeln 5 bis 12 der Richtlinie 65/65/EWG sind mit Ausnahme des Nachweises der therapeutischen Wirksamkeit auf das besondere vereinfachte Registrierungsverfahren für homöopathische Arzneimittel entsprechend anwendbar. Artikel 8 Der von dem für das Inverkehrbringen Verantwortlichen vorgelegte Antrag für das besondere vereinfachte Registrierungsverfahren kann sich auf eine Serie von Arzneimitteln erstrecken, die aus derselben bzw. denselben homöopathischen Ursubstanz bzw. Ursubstanzen gewonnen worden sind. Diesem Antrag wird vor allem zum Nachweis der pharmazeutischen Qualität und der Einheitlichkeit der Chargen dieser Arzneimittel folgendes beigefügt: - wissenschaftliche oder sonstige in einer Pharmakopöe enthaltene Bezeichnung der homöopathischen Ursubstanz(en) mit Angabe der verschiedenen zu registrierenden Anwendungsweisen, Darreichungsformen und Verdünnungen; - Unterlagen, in denen die Gewinnung und die Kontrolle der Ursubstanz(en) beschrieben und deren homöopathischer Charakter anhand einer entsprechenden Literatur belegt wird; - Unterlagen zur Herstellung und Kontrolle für jede Darreichungsform und Beschreibung der Verdünnungs- und Dynamisierungsmethode; - Herstellungserlaubnis für die betreffenden Arzneimittel; - Kopie der möglicherweise in anderen Mitgliedstaaten für dieselben Arzneimittel erhaltenen Registrierungen oder Genehmigungen; - eine oder mehrere Proben oder Muster der zu registrierenden handelsüblichen Arzneimittel; - Angaben zur Haltbarkeit des Arzneimittels. Artikel 9 (1) Die nicht unter Artikel 7 dieser Richtlinie fallenden homöopathischen Arzneimittel werden entsprechend den Artikeln 4 bis 21 der Richtlinie 65/65/EWG - einschließlich der Vorschriften über den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit - und entsprechend den Artikeln 1 bis 7 der Richtlinie 75/319/EWG genehmigt und etikettiert. (2) Ein Mitgliedstaat kann in seinem Hoheitsgebiet entsprechend den dortigen Grundsätzen und besonderen Merkmalen der homöopathischen Medizin besondere Vorschriften für die pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Versuche der homöopathischen Arzneimittel, die nicht den Bestimmungen des Artikels 7 Absatz 1 unterliegen, einführen oder beibehalten. Macht ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch, so teilt er der Kommission die geltenden besonderen Vorschriften mit. KAPITEL IV Schlußbestimmungen Artikel 10 (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1993 nachzukommen. Sie setzen die Kommission hiervon unverzueglich in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. (2) Die Anträge auf Registrierung oder Genehmigung für das Inverkehrbringen von unter diese Richtlinie fallenden Arzneimitteln, die nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt eingereicht werden, müssen den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen. (3) Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens bis zum 31. Dezember 1995 einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie. Artikel 11 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 22. September 1992. Im Namen des Rates Der Präsident R. NEEDHAM (1) ABl. Nr. C 108 vom 1. 5. 1990, S. 10 und ABl. Nr. C 244 vom 19. 9. 1991, S. 8.(2) ABl. Nr. C 183 vom 15. 7. 1991, S. 322, und ABl. Nr. C 241 vom 21. 9. 1992.(3) ABl. Nr. C 332 vom 31. 12. 1991, S. 29.(4) ABl. Nr. 22 vom 9. 2. 1965, S. 369/65. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 89/341/EWG (ABl. Nr. L 142 vom 25. 5. 1989, S. 11).(5) ABl. Nr. L 147 vom 9. 6. 1975, S. 13. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 89/341/EWG (ABl. Nr. L 142 vom 25. 5. 1989, S. 11).