31992D0465

92/465/EWG: Entscheidung der Kommission vom 14. April 1992 über eine Beihilfe des Landes Berlin an die Daimler-Benz AG Deutschland (C 3/91 ex NN 5/91) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 263 vom 09/09/1992 S. 0015 - 0025


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 14. April 1992 über eine Beihilfe des Landes Berlin an die Daimler-Benz AG Deutschland (C 3/91 ex NN 5/91) (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (92/465/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 93 Absatz 2 erster Unterabsatz,

nachdem den Parteien gemäß dem genannten Artikel Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

I

Anfang Juli 1990 wurde bekannt, daß die Daimler-Benz AG (DB) beabsichtigt, vom Berliner Senat für 92,9 Millionen DM ein großflächiges Grundstück am ehemaligen Potsdamer Platz, wo noch bis vor kurzem ein Teil der Berliner Mauer stand, zu erwerben.

Am 13. Juli 1990 erhielt die Kommission eine Beschwerde hinsichtlich des geringen Preises, zu dem das Grundstück an DB verkauft wurde.

Diese Position wurde auch durch Presseberichte bestätigt, denen zufolge der Marktpreis mehr als 400 % über dem vom Berliner Senat festgesetzten Preis liegen soll (was einer Subvention von ca. 400 Millionen DM entspräche). Das Schreiben vom 13. Juli wurde später zurückgenommen.

Auf die Auskunftsverlangen der Kommission vom 26. Juli und 9. Oktober 1990 hin übermittelten die deutschen Behörden mit Schreiben vom 25. Juli, 5. September, 20. September und 28. November 1990 ausführliche Angaben über die Transaktion unter Beifügung folgender Unterlagen:

- Kopie des Wertgutachtens der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (SBW) vom 28. Mai 1990;

- Kopie des Kaufvertrags;

- Kopien von Auszuegen aus deutschen Gesetzen und Verordnungen, die sich auf Grundstückstransaktionen der öffentlichen Verwaltung beziehen;

- Kopien der entsprechenden Bodenrichtwertatlanten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin (GGB), die Bodenwerte per 31. Dezember 1988 für Teile von Berlin ausweisen;

- Erläuterungen zur Grundstückswertermittlung;

- Angaben zu anderen Grundstücksverkäufen in demselben Gebiet;

- zwei Wertermittlungen von 1990 für vergleichbare Grundstücksverkäufe in demselben Gebiet;

- Hintergrundinformationen über die Mietpreisentwicklung in Berlin.

Der Kaufvertrag vom 16. Juli 1990 sieht vor, daß das Land Berlin das Areal von 61 710 m2 frei von allen Lasten für 92 873 550 DM an DB verkauft. Der Preis basiert auf einer Geschoßflächenzahl (GFZ) von 4,0, wobei sich der Kaufpreis bei abweichender GFZ - nach unten begrenzt bis GFZ 3,5 - um 25 DM/m2 je 0,1 GFZ erhöht oder verringert. Die Bebauung hat entsprechend dem Ergebnis eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs mit dem Ziel einer angestrebten Bruttogeschoßfläche von 265 000 m2 zu erfolgen, wovon 20 bis 30 % für Fremdnutzung (Einzelhandel, Kultur, Restauration, Erholung, Wohnen usw.) und der Rest für Büronutzung vorgesehen sind. Der Kaufpreis war innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsabschluß zu zahlen. Für den Fall, daß innerhalb von vier Jahren keine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt, dann DB vom Vertrag zurücktreten. Andererseits kann das Land Berlin von dem Vertrag zurücktreten, wenn bestimmte Planungsverpflichtungen und Baufristen von DB nicht eingehalten werden.

In ihrer Stellungnahme erklärte die Bundesregierung, der Preis stütze sich ausschließlich auf den Verkehrswert des Grundstücks, der von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze und Verordnungen ermittelt wurde, und enthalte daher keine staatliche Beihilfe. Spekulative Preiserhöhungen im Zusammenhang mit der Vereinigung der beiden Teile Berlins und der künftigen Neuordnung des fraglichen Gebiets der Stadt können nach Darstellung der deutschen Regierung nicht in die Verkehrswertermittlung einbezogen werden und dürfen nach geltendem Recht auch nicht einbezogen werden. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts seien folgende preismindernde Faktoren berücksichtigt worden:

- Eine Teilfläche der Grundstücke kann aufgrund der Denkmalwürdigkeit des darauf befindlichen alten Baumbestands nicht bebaut werden;

- es bestehen Dienstbarkeiten zugunsten öffentlicher Versorgungsunternehmen;

- der Käufer hat Erschließungskosten zu tragen;

- der Kaufpreis musste innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsabschluß gezahlt werden, obwohl eine Wartezeit bis zur baulichen Nutzung besteht.

Am 28. Februar 1991 beschloß die Kommission, im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 zwischen dem Land Berlin und DB das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einzuleiten, nachdem die Analyse der der Kommission damals vorliegenden Erkenntnisse ergeben hatte, daß der Verkaufspreis höchstwahrscheinlich erheblich unter dem Verkehrswert des Grundstücks lag, da die Wertermittlung der SBW in vielerlei Hinsicht unüblich und in hohem Masse kritisierbar war. Ausserdem hatte die Kommission Bedenken gegen das Verwaltungsverfahren, das der Berliner Senat in dieser Sache durchgeführt hatte. Durch Festsetzung des Verkaufspreises unter Verkehrswert konnte der Verkauf mithin eine indirekte Beihilfe an den Käufer enthalten. Da die Investitionen, die auf dem Grundstück vorgenommen werden sollten, den Handel mit Dienstleistungen betreffen, die mit den Kfz- und anderen Aktivitäten von DB verbunden sind, für die ein intensiver innergemeinschaftlicher Handel besteht, drohte diese Beihilfe nach Auffassung der Kommisison den innergemeinschaftlichen Wettbewerb im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag zu verzerren. Ausserdem erschien es der Kommission zweifelhaft, daß eine der Ausnahmeregelungen des Artikels 92 EWG-Vertrag für die mit dieser Verkaufstransaktion möglicherweise verbundene staatliche Beihilfe in Frage kommt.

Im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 forderte die Kommission die zuständigen deutschen Behörden auf, gemäß §§ 198 und 199 Bundesbaugesetz vom 12. Dezember 1986 eine völlig unabhängige, neutrale Expertengruppe wie den GGB mit einem Zweitgutachten über den Verkehrswert des Grundstücks per Mai 1990 zu beauftragen, in dem nicht nur die erste Wertermittlung und die dieser zugrundeliegenden Erkenntnisse, sondern auch die von der Kommission in diesem Verfahren aufgeworfenen Fragen berücksichtigt werden sollten.

Mit Schreiben vom 20. März 1991 forderte die Kommission die Bundesregierung auf, sich binnen einem Monat zu äussern und alle für die Beurteilung des Falls zweckdienlichen Angaben mitzuteilen. Auch den anderen Mitgliedstaaten und interessierten Dritten wurde Gelegenheit zur Äusserung gegeben.

II

Im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag übermittelte die Bundesregierung ihre Bemerkungen mit Schreiben vom 17. April 1991. Für die Beurteilung des Falls bezeichnete sie folgende Information als maßgebend:

- DB hat bereits 1988 Interesse bekundet, in Berlin zu investieren. Die Festlegung auf den Potsdamer Platz erfolgte im September 1989. Das fragliche Areal liegt zwar geographisch im Zentrum Berlins, stellt aber zur Zeit noch Stadtbrache dar.

- Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf der Grundlage einer Geschoßflächenzahl (GFZ) von 4,0 ermittelt. Dies kann beispielsweise eine 100 %ige Überbauung der Grundstücksfläche mit vier Geschossen oder eine 25 %ige Überbauung mit 16 Geschossen usw. bedeuten. Die GFZ gibt lediglich ein Flächenverhältnis an. Eine abweichende GFZ hat eine Änderung des Kaufpreises zur Folge.

- Seit Juli 1990 sind in der Nähe der ehemaligen Berliner Mauer insgesamt 15 Grundstücke veräussert worden, wovon ein Grundstück auf das vergleichbare Kerngebiet, acht auf Wohn- bzw. Mischgebiete und sechs auf das Gewerbe- bzw. Industriegebiet entfallen.

- DB erhält für den Grundstückserwerb keine öffentlichen Fördermittel. Ob das - zunächst auf 700 bis 800 Millionen DM geschätzte - Bebauungsprojekt von DB später eine Förderung erhält, steht noch nicht fest.

- Ausser im Fall der Enteignung (vgl. Bundesbaugesetz) brauchen Wertermittlungen für Grundstücksverkäufe des Berliner Senats nicht systematisch von unabhängigen Gutachterausschüssen vorgenommen zu werden, sondern können, wie im vorliegenden Fall, von der zuständigen Verwaltung des Berliner Senats, d. h. der SBW, durchgeführt werden.

- Der Vertrag sieht vor, daß im Bereich der alten Potsdamer Strasse eine Bebauung ausgeschlossen ist.

- Die in der Einleitung des Verfahrens erwähnten Verhandlungen mit dem "Verein für bergbauliche Interessen" werden noch geführt.

- Das Land Berlin darf sich beim Verkauf landeseigener Grundstücke nicht spekulativ verhalten, sondern muß städtebauliche und wirtschaftliche Impulse setzen.

Der Kommission wurde gleichzeitig auch mitgeteilt, daß der Berliner Senat den GGB mit Schreiben vom 11. April 1991 aufgefordert hat, den Verkehrswert des von DB in der Nähe des Potsdamer Platzes erworbenen Areals per April und Mai 1990 neu zu ermitteln und zu den von der Kommission in ihrer Einleitung des Verfahrens geäusserten Bedenken gegen die erste Verkehrswertermittlung Stellung zu nehmen. Diese Arbeit würde zwei Monate in Anspruch nehmen. Mit Schreiben vom 24. Mai 1991 sicherten die deutschen Behörden die zweite Verkehrswertermittlung für Mitte Juli zu.

Die deutschen Behörden übermittelten die amtliche zweite Verkehrswertermittlung vom 9. Juli 1991 mit Schreiben vom 25. September 1991. Dem Schreiben beigefügt waren ausserdem eine vom 22. Juli 1991 datierte diesbezuegliche Stellungnahme der SBW (die die erste Verkehrswertermittlung vorgenommen hatte), eine Hintergrundaufzeichnung der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, die vom 18. September 1991 datierte Stellungnahme des Käufers DB im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag sowie eine weitere, ebenfalls vom 18. September 1991 datierte Verkehrswertermittlung, die ein privater Gutachter im Auftrag von DB vorgenommen hatte.

Von zwei anderen Mitgliedstaaten (Frankreich und Dänemark) gingen im Rahmen des Verfahrens Bemerkungen ein, die die Aktion der Kommission unterstützten. Diese Bemerkungen wurden der deutschen Regierung mitgeteilt. Diese wies in ihrer Erwiderung auf die französischen Bemerkungen darauf hin, daß der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie in diesem Fall nicht anwendbar ist, da DB an dem fraglichen Standort ihre Tochtergesellschaft Daimler-Benz Interservices AG (Debis) ansiedeln wird, die von ihrer Kfz-Tochtergesellschaft Mercedes-Benz AG völlig unabhängig ist. Eine Kfz-Produktion an diesem Standort käme nicht in Betracht.

DB führt in ihren Bemerkungen aus, daß der Grundstückskaufvertrag kein Element staatlicher Beihilfe an DB im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag enthält. DB trägt dazu folgende Argumente vor:

- Im April/Mai 1990 stand die Wiedervereinigung Deutschlands keineswegs fest, und das verkaufte Areal lag in einem Gebiet, das durch die Lage an der damals noch bestehenden Berliner Mauer geprägt war.

- DB teilt die Kritik der SBW und des privaten Gutachters an der vom GGB vorgenommenen pauschalen Aufteilung in drei Teilflächen, an der Wahl des für den Vergleich herangezogenen Kerngebiets und an der Nichtbeachtung der Mehrkosten für Unterhaltung und Instandsetzung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes.

- Aus den verschiedenen Ermittlungen geht hervor, daß der Verkehrswert nur annäherungsweise geschätzt werden kann und folglich eine gewisse Bandbreite beinhaltet, innerhalb deren der vereinbarte Kaufpreis liegt.

- Die Beihilfenprüfung darf nicht allein auf den Verkehrswert abgestellt werden, sondern es müssen auch der besondere städtebauliche Beitrag und eine Signalwirkung für nachfolgende Investoren sowie die Bereitschaft von DB berücksichtigt werden, ein Grundstück innerhalb der grösseren unbebauten Teilfläche und ein angrenzendes Gebäude neben der kleineren unbebauten Teilfläche, die beide für die Zwecke von DB nicht erforderlich sind, weit über dem Verkehrswert zu erwerben.

- DB schätzt ihre zusätzlichen Verpflichtungen und Belastungen aus dem Kaufvertrag (Erwerb und Abbruch des an die kleinere unbebaute Teilfläche angrenzenden Bellevü-Tower, Finanzierungkosten bis zur Baureife, Kosten des städtebaulichen Ideenwettbewerbs, Mindererlöse aus der Überlassung von 25 % der Netto-Nutzfläche an Dritte für andere Nutzung als Büronutzung) auf 207,8 Millionen DM, also mehr als den vom GGB geschätzten Verkehrswert.

- Alle vorgenannten Aspekte des Grundstückserwerbs (städtebaulicher Beitrag von DB) machen den Grundstückskaufvertrag zu einer speziellen Transaktion, die nicht mit einem normalen Grundstückskaufvertrag für industrielle Zwecke vergleichbar ist.

Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso eine - unterstellte - staatliche Beihilfe die Wettbewerbsstellung von DB beeinflussen könnte, da nur ca. 35 % des umbauten Raums für eigen genutzte Büroräume (Debis) vorbehalten sind, so daß unklar ist, inwieweit dadurch der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Ausserdem sei der für DB bestehende Vorteil, eigen genutzte Büros in dieser und nicht in einer anderen Gegend Berlins zu haben, weder markt- noch wettbewerbsrelevant und ohne Bezug auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten.

Schließlich werde die Kommission für den Fall, daß sie das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe feststellen sollte, zu prüfen haben, ob diese gemäß Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) und Absatz 3 Buchstabe c) zulässig ist. Berlin gehöre zu den Teilen Deutschlands, die durch die deutsche Teilung am stärksten betroffen sind, und leide noch immer unter den Folgen dieser Teilung. Eine staatliche Beihilfe für den Wiederaufbau des in Frage stehenden Teils Berlins mit dem Ziel, die städtebauliche Entwicklung Berlins zu fördern, müsse als mit dem Vertrag vereinbar angesehen werden.

Nach einer ersten Prüfung der vorstehenden Stellungnahmen nahm die Kommission im Dezember 1991 den Vorschlag der deutschen Behörden an, die verschiedenen Aspekte des Falls gemeinsam zu erörtern. Bei dieser Gelegenheit wurde die Einsetzung einer Ad-hoc-Sachverständigengruppe beschlossen, die den zusätzlichen Aufwand und Nutzen im Zusammenhang mit dem späteren Kauf eines angrenzenden Grundstücks für das Projekt von DB quantifizieren sollte. Dies würde es der Kommission gestatten, ihre Erkenntnisse über alle mit dem Fall zusammenhängenden Fakten zu vervollständigen. Mit Schreiben vom 21. Februar 1992 übermittelten die deutschen Behörden alle notwendigen Berechnungen und ergänzenden Informationen, über die sich die Sachverständigengruppe geeinigt hatte.

III

Das Gutachten des GGB vom 9. Juli 1991 war von allen sieben unabhängigen Sachverständigen des GGB erstellt und unterzeichnet worden. Es gelangte zu der Schlußfolgerung, daß sich der Verkehrswert des Grundstücks per April 1990 auf 179 706 000 DM belief. Der Verkehrswert per Mai 1990 wäre der gleiche, da sich Entwicklungstendenzen auf dem Grundstücksmarkt nur über einen längeren Zeitraum als einen Monat feststellen lassen. Zur Ermittlung dieses Verkehrswertes berücksichtigte der GGB folgende Aspekte:

- die rechtlichen Gegebenheiten, die nicht nur die grundbuchamtliche Beschreibung des Grundstücks und den Kaufvertrag, sondern auch baurechtliche Festsetzungen und Regelungen einbeziehen;

- Lage, tatsächliche Eigenschaften des Areals und sonstige Beschaffenheit, die für eine Aufteilung in drei gesonderte Teilflächen sprechen, nämlich die bebaute Fläche mit dem historischen Weinhaus Huth, die unbebaute Fläche zwischen Potsdamer Strasse, Einhornstrasse und Linkstrasse (ohne die 500 m2 in privater Hand) und die unbebaute Fläche zwischen Einhornstrasse, Linkstrasse, Schellingstrasse und Reichpietschufer (ohne die bebaute Fläche mit dem Bellevü-Tower);

- die für den Verkehrswert der drei Teilflächen maßgeblichen Kriterien, in denen - neben den gesetzlichen Standardkriterien - auf die neuen städtebaulichen Konzepte Bezug genommen wird, die als Folge der für diesen Teil der Stadt ausgeschriebenen Stadtplanungswettbewerb entwickelt werden; dabei gilt die vertragliche Verpflichtung, Teile des umbauten Raums für andere als Büronutzung vorzusehen, in Kerngebieten als Standardregel, während das unbebaute Land als erschließungsbeitragsfreies Land gilt.

Die Wertermittlung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Verkehrswert der ersten unbebauten Teilfläche (46 363 m2) wurde nach den folgenden analytischen Schritten ermittelt:

- Der Potsdamer Platz dürfte später eine ähnliche Qualität haben wie das Gebiet um den Ernst-Reuter-Platz, die Hardenbergstrasse und die Fasanenstrasse, so daß der durchschnittliche Bodenrichtwert dieser Gebiete Ende 1988 (2 335 DM/m2) als Ausgangswert gewählt werden kann.

- Eine Schätzung des durchschnittlichen Grundstückswertanstiegs zwischen Ende 1988 und April 1990 ergibt bei Anwendung einer Regressionsanalyse einen Wertanstieg um 65 % (3 853 DM/m2).

- Eine Berichtigung für Standortunterschiede wie technische und soziale Infrastruktur, Verkehrsanbindung und künftige Nutzungserwartung ergibt unter Anwendung einer Multifaktorenanalyse eine Reduzierung des Bodenwerts um 10,7 % (3 441 DM/m2).

- Eine Korrektur für abweichende bauliche Nutzung ergibt unter Verwendung von Umrechnungsköffizienten einen Mehrwert von 20,2 % (4 136 DM/m2).

- Eine sonst übliche Korrektur für großflächige Baugrundstücke ist aufgrund der idealen Planungsmöglichkeiten und des Seltenheitswerts der Kaufgelegenheit nicht vorzunehmen.

- Eine Korrektur wegen der Denkmalschutzwürdigkeit der alten Potsdamer Strasse und der Planungsunsicherheit hinsichtlich des kleinen Grundstücks in privater Hand ergibt einen Abschlag des Bodenwerts in Höhe von 5 % (3 929 DM/m2).

- Eine Korrektur für erwartete Bauverzögerungen bis zum Eintritt der verbindlichen städtebaurechtlichen Voraussetzungen führt bei einem Abzinsungsfaktor für drei Jahre und einem Zinssatz von 8,7 % zu einer Wertminderung um 22,2 % (3 059 DM/m2).

- Eine Multiplikation des endgültigen Bodenwerts von 3 059 DM/m2 mit der Gesamtfläche von 46 363 m2 ergibt einen Verkehrswert von 141 824 417 DM.

Bei der Bewertung der zweiten unbebauten Teilfläche (14 285 m2) wurde nach folgenden analytischen Schritten vorgegangen:

- Eine Korrektur des endgültigen Bodenwerts der ersten Teilfläche (ohne Korrektur für Denkmalschutzauflagen in Höhe von 5 %, d. h. 3 220 DM/m2) wegen der weniger zentralen Lage, verglichen mit den für die erste Teilfläche gewählten Vergleichsgrundstücken, ergibt eine Wertminderung um 25 % (2 415 DM/m2).

- Eine Korrektur für den angrenzenden Bellevü-Tower wegen Einhaltung der vorgeschriebenen Abstände zwischen zwei Gebäuden ist nicht erforderlich, da die Geschoßflächenzahl von 4,0 noch eingehalten werden kann.

- Die Multiplikation des endgültigen Bodenwerts von 2 415 DM/m2 mit der Gesamtfläche von 14 285 m2 ergibt einen Verkehrswert von 34 498 275 DM.

Die Bewertung des historischen Weinhauses (1 062 m2) erfolgte nach folgenden analytischen Schritten:

- Ausgangspunkt sind die jährlichen Mieteinnahmen nach Korrektur für bestimmte Teile mit künstlich niedriger Miete (247 267 DM).

- Von diesem Rohertrag sind die jährlichen Bewirtschaftungskosten abzuziehen, was einen jährlichen Reinertrag von 111 217 DM ergibt.

- Der kapitalisierte Ertragswert wird errechnet, indem der jährliche Reinertrag durch den Standard-Liegenschaftszinssatz von 3 % dividiert wird (3 707 233 DM).

- Nach einer Korrektur für von den Mietern getragene Renovierungskosten für zwei Büros ergibt sich ein endgültiger Verkehrswert von 3 383 763 DM.

Nach Addition der Verkehrswerte aller drei Teilflächen und Abrundung beläuft sich der Verkehrswert des gesamten Areals auf 179 706 000 DM.

Unter Bezugnahme auf die Bemerkungen der Kommission in der Einleitung des Verfahrens nennt der GGB für die Unterschiede in der Wertermittlung der SBW und seinem eigenen Gutachten folgende Gründe:

1. Verwendung eines anderen Vergleichsgebiets, wo der Bodenrichtwert zwischen 2 000 und 2 500 DM/m2 anstatt 900 bis 1 100 DM/m2 beträgt;

2. Einbeziehung der Preisentwicklung über April/Mai 1990 hinaus bis Anfang 1991;

3. zur Berücksichtigung des vorgesehenen erhöhten Nutzungsmasses wurden neue Umrechnungsköffizienten auf der Basis von Grundstücksverkäufen der Jahre 1989/90 verwendet. Diese Koeffizienten sind bisher noch nicht veröffentlicht worden;

4. das nördliche unbebaute Areal wurde nicht in sechs Bewertungseinheiten aufgeteilt, sondern als einheitliches Baugrundstück bewertet. Die Trasse der alten Potsdamer Strasse wurde als Bauland integriert und nicht als selbstständige, das Baugrundstück trennende Grundstücksfläche bewertet;

5. zur Ermittlung des Verkehrswerts des bebauten Grundstücks (Weinhaus) wurde nicht das Vergleichswertverfahren, sondern das Ertragswertverfahren herangezogen.

In ihrer Stellungnahme vom 22. Juli 1991 zum Gutachten des GGB verteidigt die SBW die ihrer ersten Wertermittlung zugrundeliegenden Annahmen und sieht sich insbesondere nicht in der Lage, die Auffassung des GGB hinsichtlich der Folgen der alten Potsdamer Strasse für die Wertermittlung zu teilen. Die SBW unterbreitete deshalb in einem Anhang eine Variante zur Wertermittlung des GGB mit abweichenden Annahmen bezueglich der alten Potsdamer Strasse und gelangt zu der Schlußfolgerung, daß sich damit das Ergebnis der vom GGB vorgenommenen Bewertung um 8,2 Millionen DM verringern würde.

Die im Auftrag von Daimler-Benz erstellte Studie des privaten Gutachters vom 18. Juli 1991 kritisiert im Gutachten des GGB die Ausweisung des gesamten Areals als Bauland, den Vergleich mit Grundstücken im Geschäftsviertel Ernst-Reuter-Platz/Hardenbergstrasse sowie einige Details der vom GGB gewählten Methode. Der private Gutachter gelangt zu einer Alternativschätzung des Verkehrswerts in Höhe von 99,24 Millionen DM.

Die in Teil II erwähnte Sachverständigengruppe hat sich mit der Frage befasst, wie hoch die zusätzlichen Kosten und Vorteile per 1. Januar 1991 zu veranschlagen sind, die sich für das Bebauungsprojekt von DB aus dem im Dezember 1990 (d. h. sechs Monate nach der Grundstückstransaktion mit dem Senat) erworbenen privaten Grundstück der Eichhornstrasse 5-6 mit dem Bellevü-Tower ergeben. Nach Ansicht der Kommission war diese Kaufentscheidung für DB nicht nur mit Verpflichtungen und Belastungen, sondern auch mit künftigen finanziellen Vorteilen verbunden, da sich durch die Einbeziehung dieses Grundstücks für DB die Möglichkeiten verbesserten, die im Kaufvertrag vorgesehene Geschoßflächenzahl von 4,0 zu erhöhen, da keine Bauabstände für die auf dem oben erwähnten zweiten Grundstück zu errichtenden Gebäude zu beachten sind. Tatsächlich wurde mit Beschluß des Berliner Senats vom 11. Dezember 1991 die Geschoßflächenzahl für das DB-Projekt und andere Bauprojekte in der Nähe des Potsdamer Platzes auf 5,0 erhöht.

Die sich für das Bebauungsprojekt von DB aus dieser Transaktion ergebenden Mehrkosten wurden mit 59,1 Millionen DM, die damit verbundenen zusätzlichen Vorteile hingegen mit 6,1 Millionen DM veranschlagt, so daß sich im Endergebnis der zusätzliche Nettoaufwand auf 53 Millionen DM beläuft. Diese Berechnung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

- Der Aufpreis von 42,5 Millionen DM, den DB für den Kauf des Bellevü-Tower zahlte, entspricht der Differenz zwischen dem Kaufpreis (64,2 Millionen DM) und dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechend der Bodenrichtwertkarte des GGB zum 31. Dezember 1990 nach Hochrechnung auf eine Geschoßflächenzahl von 5,0 (21,7 Millionen DM).

- Die Finanzierungskosten in Höhe von 5,7 Millionen DM entsprechen der Differenz zwischen der Zinsbelastung nach dem offiziellen Zinssatz von 8,9 % für eine Dauer von 2,5 Jahren bis Mitte 1993, abgezinst auf den für den Abriß des Gebäudes vorgesehenen Termin 1. Januar 1991 (8,2 Millionen DM), und dem Wert der Mieteinnahmen zum 1. Januar 1991 (2,5 Millionen DM).

- Die Kosten für die Freimachung des Gebäudes und für die Umsiedlung der jetzigen Bewohner in Höhe von 7,1 Millionen DM entsprechen der Summe aus dem abgezinsten Zinskostenzuschuß, den DB an die Universitätsverwaltung zu zahlen haben wird, die ab 1993 rund 300 Studenten in einem neuen Studentenwohnheim unterzubringen haben wird (6,3 Millionen DM), und den abgezinsten Mietkosten, die DB für die Unterbringung von rund 250 Aussiedlern und Asylanten bis Auslaufen des derzeitigen Mietvertrags zu zahlen haben wird (0,8 Millionen DM).

- Die Abrißkosten in Höhe von 3,8 Millionen DM entsprechen dem abgezinsten Betrag des vorliegenden besten Abrissangebots, das von durchschnittlichen Abrißkosten in Höhe von 110 DM/m3 ausgeht.

- Die aus der Zusammenlegung mit dem Bellevü-Grundstück resultierende Werterhöhung des Senatsgrundstücks wird mit 6,1 Millionen DM veranschlagt; dieser Betrag ergibt sich aus der Multiplikation der Fläche mit der Differenz zwischen dem Wertausgleich pro m2, entsprechend den Umrechnungsköffizienten des GGB bei einer Erhöhung der Geschoßflächenzahl von 4,0 auf 5,0 (348,10 DM) und der im Vertrag bereits vorgesehenen Anpassungszahlung (250 DM).

IV

Der Daimler-Benz-Konzern gehört zu den grössten Industrieunternehmen Europas. 1990 erzielte er einen weltweiten Umsatz von 85,5 Milliarden DM, davon 55,6 Milliarden DM auf dem Markt der Gemeinschaft. Mercedes-Benz (Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge) trägt zu diesem Umsatz mit mehr als zwei Dritteln bei, während AEG und die Deutsche Ärospace mit je 15 % und DB Interservices (Debis) mit 3 % beitragen.

Die am 1. Juli 1990 gegründete Debis fasst alle Dienstleistungsaktivitäten des Konzerns (Datenverarbeitung, Finanzdienste, Versicherung, Kompensationsgeschäfte und Marketingdienste) zusammen, die zum Teil direkt mit anderen Bereichen des DB-Konzerns abgewickelt werden. Schwerpunkt der Finanzdienstaktivitäten ist beispielsweise das Leasen von Verträgen mit Mercedes-Benz-Kunden.

1990 setzte Mercedes-Benz weltweit 823 700 Fahrzeuge ab. Die 535 400 in der Gemeinschaft abgesetzten Fahrzeuge machen 3,1 % bzw. 15,6 % der Pkw- bzw. Nutzfahrzeugzulassungen (Lieferwagen und Lastwagen) in der Gemeinschaft aus. Mit der Entscheidung, Teile von Debis in Berlin anzusiedeln, soll die Position des Unternehmens in Osteuropa gestärkt werden. Nach eigenen Aussagen will Daimler-Benz beim Wiederaufbau Ostdeutschlands und dem übrigen Comecon eine maßgebliche Rolle spielen.

V

Wie die Kommission bei der Einleitung des Verfahrens erklärte, richtet sich die Frage, "ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, . . . danach, ob die Verkaufsbedingungen des Landes Berlin von den im Geschäftsverkehr üblichen Gepflogenheiten und Kriterien in einem Masse abweichen, daß sie eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellen". Dies ist nach wie vor Ausgangspunkt für die Überlegungen im vorliegenden Fall (2).

Nach dem für das Land Berlin geltenden Recht (Landeshaushaltsordnung und Grundstücksordnung) dürfen Grundstücke nur zu ihrem vollen Wert veräussert werden. Im Bundesbaugesetz ist der Verkehrswert eines Grundstücks definiert als "der Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre". Dieses Bundesbaugesetz schreibt ferner vor, daß die Wertermittlung von einem unabhängigen Gutachterausschuß vorzunehmen ist, dessen Hauptaufgabe nicht in der Verwaltung des Grundbesitzes der Landesbehörde besteht, für die das Wertgutachten erstellt werden soll. Die Landesbehörde kann gegebenenfalls einen oder mehrere höherrangige Gutachterausschüsse mit der Erstellung eines Zweitgutachtens beauftragen.

Angesichts der vorstehenden Überlegungen hatte die Kommission bei der Einleitung des Verfahrens Bedenken hinsichtlich des von den Berliner Behörden durchgeführten Verwaltungsverfahrens. Die Wahl der SBW als Gutachtergremium für die Grundstückswertermittlung ist fragwürdig, da diese öffentliche Stelle bei Grundstücksverkäufen des Berliner Senats unter Umständen nicht als ein unabhängiger Gutachterausschuß nach dem Bundesbaugesetz anzusehen ist, weil sie Teil der Berliner Senatsverwaltung ist und keine Eigenständigkeit besitzt. Zudem hielt es die Kommission für bedenklich, daß im vorliegenden Fall kein Zweitgutachten von einem oder mehreren höherrangigen Sachverständigengremien angefordert wurde, insbesondere angesichts der Ermessensentscheidungen über die zugrunde zu legenden Ausgangshypothesen und angesichts der öffentlichen Kontroverse über die Wertermittlung der SBW. In diesem Zusammenhang wies die Kommission ferner darauf hin, daß es durchaus ein völlig unabhängiges öffentliches Gremium in Gestalt des GGB gibt.

In ihrem Schreiben vom 17. April 1991 führten die deutschen Behörden aus, daß im Fall des Landes Berlin die Verkehrswertermittlung für ein Grundstück nicht unbedingt von einem unabhängigen Gutachterausschuß vorzunehmen ist. Zum Beweis hierfür wurden verschiedene Kopien von das Land Berlin betreffenden Rechtsvorschriften übermittelt. Obgleich für das Land Berlin möglicherweise keine rechtliche Verpflichtung zur Einschaltung des GGB bestand, ist die Kommission nach wie vor überzeugt, daß der Senat angesichts der aussergewöhnlichen Grösse und Art des verkauften Grundstücks, des Fehlens jedes Referenzwerts und der Schwierigkeiten bei der Beurteilung darüber, wie dieser Stadtteil in die künftige städtebauliche Planung integriert wird, nicht mit ausreichender Gewißheit davon ausgehen konnte, daß das Grundstück zu seinem vollen Wert verkauft würde.

Die Kommission akzeptiert, daß das Fehlen einer unabhängigen Bewertung indessen nicht mehr ist als ein Indiz für eine mögliche Unterbewertung des Verkehrswerts des Grundstücks. Eine Bestätigung dieser Möglichkeit und eine objektive Berechnung des Verkehrswerts wären nach Auffassung der Kommission nur dann möglich, wenn ein Zweitgutachten angefordert würde, das in Übereinstimmung mit dem Bundesbaugesetz vom 12. Dezember 1986 diesmal von einem völlig unabhängigen und neutralen Sachverständigenausschuß erstellt wird. Zu diesem Zweck hatte die Kommission bei der Einleitung des Verfahrens die zuständigen deutschen Behörden ersucht, ein solches unabhängiges Zweitgutachten erstellen zu lassen.

Mit Schreiben vom 11. April 1991 hat der Berliner Senat beim GGB beantragt, den Verkehrswert des Grundstücks neu zu berechnen, wobei nicht nur die erste Wertermittlung und die ihr zugrundeliegenden Erkenntnisse, sondern auch die von der Kommission bei der Einleitung des Verfahrens aufgeworfenen Fragen berücksichtigt werden sollten. Die einzige Meinungsverschiedenheit mit der Kommission bezueglich der Bedingungen dieser Neubewertung betrifft den Wertermittlungszeitpunkt, für den der Berliner Senat (wie bei der Erstbewertung) den Monat April 1990 vorzog, während die Kommission den Monat Mai 1990 vorschlug, wobei sie sich in ihrem Antrag auf den Zeitpunkt der Erstbewertung stützte. Der Berliner Senat gab deshalb die Wertermittlung für zwei Termine - einmal per April 1990 und einmal per Mai 1990 - in Auftrag. Mit der Aufforderung an den GGB, auch zu den von der Kommission geäusserten Bedenken zur Methode der Erstbewertung Stellung zu nehmen, betonte der Senat die Notwendigkeit einer einheitlicheren und unparteiischen Bewertungsmethode.

Der Berliner Senat und die Kommission waren sich folglich von diesem Zeitpunkt an über die Wahl des Gutachters und die Bedingungen der Zweitbewertung mit Ausnahme des Wertermittlungszeitpunkt, über den weiterhin eine Meinungsverschiedenheit bestehen konnte, einig.

Unbeschadet des Ergebnisses dieser unabhängigen Zweitbewertung waren sich deshalb beide Parteien implizit darüber einig, daß der GGB ein unparteiisches und professionelles Gutachten über den vollen Wert des von DB erworbenen Grundstücks abgeben würde. Die Frage, ob der Kaufpreis ein Element staatlicher Beihilfe enthält, würde sich deshalb von nun an ganz nach dem Ergebnis dieser Zweitbewertung bestimmen.

In seinem Gutachten vom 7. Juli 1991 gab der GGB den Verkehrswert des Grundstücks per April und Mai 1990 mit 179 706 000 DM an. Die einzige bisher noch bestehende Meinungsverschiedenheit zwischen der Kommission und dem Berliner Senat über die Konditionen der Zweitbewertung entfiel in diesem Gutachten, da beide Bewertungen für April und Mai zum gleichen Ergebnis gelangten. Das Ergebnis der Zweitbewertung beinhaltet, daß der Kaufpreis von 92 873 550 DM um 86 832 450 DM unter dem vollen Wert des Grundstücks liegt.

Die deutschen Behörden übermittelten die Zweitbewertung mit Schreiben vom 25. September 1991. Diesem Schreiben waren ferner beigefügt die Stellungnahme des SBW zur Rechtfertigung ihrer Erstbewertung, die Bemerkungen von Daimler-Benz im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag (wobei Daimler-Benz auch ihre Stadtplanungsverpflichtungen bezifferte) sowie das private Gutachten.

Zu den Argumenten, die die SBW, der private Gutachter und DB zu dem GGB-Gutachten vortrugen, möchte die Kommission zunächst generell anmerken, daß diese Argumente überzeugender gewesen wären, wenn sie vorgebracht worden wären, bevor der Berliner Senat die Konditionen der von der Kommission geforderten Zweitbewertung akzeptierte und bevor der GGB sein Gutachten vorlegte. Was die von DB auf eigene Initiative nach Erhalt des GGB-Gutachtens in Auftrag gegebene Alternativbewertung betrifft, so lehnt es die Kommission ab, eine zweite Berechnung vorzunehmen, für die die eine Partei eine offiziell ernannte siebenköpfige Gutachterkommission im nachhinein ohne jeden zwingenden Grund durch einen privaten Gutachter ersetzen möchte. Im übrigen ist die Kommission nicht der Auffassung, daß der Inhalt dieser weniger ausführlichen Bewertung es rechtfertigt, das amtliche Gutachten zu verwerfen.

Was die Kritik an verschiedenen Aspekten der vom GGB verwendeten Methode betrifft, so ist die Kommission der Meinung, daß der offiziell bestellte Gutachterausschuß Zugang zu allen statistischen Informationen und neuesten Methoden hat, wie sie von professionellen Gutachtern bei der Wertermittlung von Grundstücken benutzt werden. Zu dem Vorbringen von DB, beim Verkehrswert müsse auch den Verpflichtungen und Belastungen Rechnung getragen werden, in die das Unternehmen im Rahmen der Planungsanforderungen für diesen Stadtteil eingewilligt hat, möchte die Kommission daran erinnern, daß das Gutachten des GGB alle vertraglichen Verpflichtungen von DB einschließlich jener berücksichtigt, die die gewerbliche Nutzung des Grundstücks teilweise einschränken. Dabei wird auf die Ausführungen des Gutachtens über die für die Bestimmung des Verkehrswerts maßgeblichen Kriterien Bezug genommen (siehe weiter oben).

Die einzigen weder im Kaufvertrag noch in den beiden Bewertungen ausdrücklich vorgesehenen und jetzt von DB quantifizierten zusätzlichen Verpflichtungen ergeben sich aus dem Kauf und dem Abriß des Bellevü-Tower und der Einbeziehung des Bellevü-Grundstücks in das Bebauungsprojekt. Diese zum Zeitpunkt des Kaufs nicht bekannten und von Daimler-Benz offensichtlich erst später übernommenen zusätzlichen Kosten konnten jedoch den Verkehrswert im April/Mai 1990 und folglich den Kaufpreis nicht beeinflusst haben.

Unter diesen Umständen gelangt die Kommission zu der Schlußfolgerung, daß die Differenz von 86,8 Millionen DM zwischen der vom GGB vorgenommenen Grundstücksbewertung und dem von DB gezahlten Kaufpreis eine staatliche Beihilfe des Landes Berlin an DB darstellt.

In der Einleitung des Verfahrens hatte die Kommission ausgeführt, daß die Beihilfe, dank der DB das Grundstück unter seinem vollen Wert erwerben konnte, eine Beihilfe an DB im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellt. Da die Investitionen, die auf dem Grundstück vorgenommen werden sollen, den Handel mit Dienstleistungen betreffen, die mit den Kfz- und anderen Aktivitäten des Konzerns verbunden sind, für die ein intensiver innergemeinschaftlicher Handel besteht, droht diese Beihilfe den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zu verzerren.

Hierbei ist es unerheblich, ob Teile des umbauten Raums weitervermietet werden oder nicht, da diese Vermietungen gewerbliche Vermietungen darstellen, die DB Gewinne sichern können. Auch kann die Kommission nicht der Analyse von DB folgen, der subventionierte Kaufpreis sei deshalb nicht markt- und wettbewerbsrelevant, weil DB ein anderes Grundstück in Berlin zu ähnlichen Konditionen zu erwerben versucht hätte, wenn sie das Grundstück am Potsdamer Platz nicht unter den Bedingungen des Vertrages vom 16. Juli 1990 hätte erwerben können. Der GGB hat auf die Seltenheit dieser Kaufgelegenheit für DB hingewiesen, so daß sich DB praktisch keine Grundstücksalternativen dieser Grössenordnung in Citylage boten. Die staatliche Beihilfe hat folglich nicht notwendigerweise die Standortwahl von DB beeinflusst, sondern kann eher als ein unverhoffter Gewinn betrachtet werden, der den Wettbewerb zu verzerren droht, da er zu einer Erhöhung der Gewinnspannen in den Dienstleistungs- und/oder Industrietätigkeiten von DB führen kann.

VI

Diese Beihilfe, die nicht in den Anwendungsbereich einer genehmigten Beihilferegelung fällt, hätte der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag mitgeteilt werden müssen. Da die Bundesregierung die Beihilfe nicht vorher mitgeteilt hat, war die Kommission auch nicht in der Lage, sich zu den Maßnahmen zu äussern, bevor sie durchgeführt wurden. Die Beihilfe ist folglich rechtswidrig, da sie unter Verletzung von Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gewährt wurde.

Da die Verfahrensvorschriften des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag, die auch für die öffentliche Ordnung ihre Bedeutung haben, zwingend sind und der Gerichtshof ihre direkte Wirkung in seinem Urteil vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 (3) bestätigt hat, kann die Rechtswidrigkeit der fraglichen Beihilfe nicht nachträglich geheilt werden.

VII

In ihren Bemerkungen hat Daimler-Benz geltend gemacht, daß eine etwaige Beihilfe aufgrund von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar wäre.

In der Tat sind nach diesem Artikel mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar "Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind".

Zweifellos gehört West-Berlin zu den unter diesen Artikel fallenden Gebieten. So hat die Kommission schon früher und zuletzt im März 1989 (vgl. Staatliche Beihilfe N 266/88) zahlreiche im Berlinförderungsgesetz vorgesehene Beihilfen zugunsten der Wirtschaft West-Berlins auf der Grundlage von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) und in Übereinstimmung mit der gemeinsamen Erklärung der sechs Gründermitgliedstaaten der EWG unter Berücksichtigung der besonderen Lage Berlins und der Notwendigkeit, Berlin die Unterstützung der freien Welt zu sichern, genehmigt.

Die Kommission hat ihrerseits in ihrer Mitteilung über die Gemeinschaft und die deutsche Vereinigung vom 21. August 1990 (4) die Auffassung vertreten, daß die wirtschaftliche Rechtfertigung für die Beibehaltung der Berlinförderung entfallen ist. Die Kommission, die die Absicht der deutschen Behörden begrüsst, diese Beihilfen vollständig abzuschaffen, hat ihren Willen bekundet, anläßlich der laufenden Prüfung der Beihilfen zugunsten der Zonenrandgebiete und West-Berlins eine Entscheidung über die Frist für die nach ihrer Ansicht notwendige und gerechtfertigte Abschaffung dieser Beihilfen zu treffen.

Die deutschen Behörden und DB haben jedoch darauf hingewiesen, daß DB bereits 1988 Interesse bekundete, in Berlin zu investieren, und die Festlegung auf den Potsdamer Platz im September 1989, also vor der Öffnung der Berliner Mauer, erfolgte. Selbst im April 1990, als die Wertermittlung für das gewählte Grundstück vorgenommen wurde, war noch kein Beschluß zur Wiedervereinigung Deutschlands gefasst worden und der Termin einer solchen Wiedervereinigung sehr ungewiß. Zu jenem Zeitpunkt war das Gebiet um den Potsdamer Platz noch in keiner Weise in das West-Berliner Stadtgebiet integriert; ebensowenig bestanden konkrete Pläne für die Neuentwicklung dieses Stadtteils.

Eine besondere Komplikation für jeden damals am Erwerb eines großflächigen Grundstücks in diesem Stadtteil interessierten Investor war die Unsicherheit über die Eigentumsverhältnisse bestimmter Teilflächen sowie die Unmöglichkeit, grössere Grundstücke ohne den sonst üblichen Nachteil, daß kleinere Grundstücke innerhalb dieser Areale verkaufsunwilligen Privatleuten gehören, zusammenzulegen. Es überrascht deshalb nicht, daß jede der drei Grundstücksalternativen, die DB im Januar 1990 vom Berliner Senat angeboten wurden, diese Mängel aufwies.

Mit dem Abriß der Berliner Mauer Anfang 1990 entfielen indessen keineswegs die offenkundigen Nachteile der Teilung Deutschlands und speziell die für diesen Stadtteil bestehenden Nachteile. Diese Situation stand jedem konkreten Interesse seitens grosser privater Investoren - abgesehen von DB - entgegen, da jedes private Projekt auf ein neues Stadtplanungskonzept, noch nicht festgelegte Bauvorschriften und öffentliche Investitionen im Bereich der Verkehrsanbindung und der Versorgungseinrichtungen hätte Rücksicht nehmen müssen. Diese Umstände und speziell die Tatsache, daß die Stadtplanungsauflagen noch nicht festgelegt worden waren, schufen nicht nur grosse Ungewißheit, sondern bedeuteten auch, daß jeder potentielle Investor finanzielle Risiken auf sich zu nehmen bereit sein musste, die zu quantifizieren nahezu unmöglich war.

Unter diesen Umständen räumt die Kommission ein, daß der Berliner Senat ausreichende Argumente gehabt hätte, um nachzuweisen, daß eine spezifische Beihilfe notwendig und gerechtfertigt war, um die obengenannten Nachteile auszugleichen und einen Pionier-Investor zu gewinnen, der bereit wäre, das damit verbundene Risiko einzugehen und mit einem grossen Stadtbauprojekt einen Beitrag zu den Stadtplanungszielen für diesen Stadtteil zu leisten.

Ausserdem sieht der Kaufvertrag verschiedene ausdrückliche Verpflichtungen für DB, die noch im einzelnen festgelegt werden müssen, sobald das Stadtplanungskonzept definitiv ist, sowie eine implizite zusätzliche Verpflichtung für DB vor, nach Möglichkeit den Bellevü-Tower zu erwerben, diesen "städtebaulichen Schandfleck" abzureissen und das Grundstück in das Bebauungsprojekt einzubeziehen. Nach Prüfung der ihr mit Schreiben vom 25. September 1991 übermittelten Daten war die Kommission zwar weiterhin überzeugt, daß der Kaufvertrag ein Element staatlicher Beihilfe enthält, räumte aber ein, daß der Berliner Senat eine staatliche Beihilfe gewähren konnte und daß eine solche staatliche Beihilfe zum Ausgleich der Nachteile notwendig war, die DB durch die Umstände, die den Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt vor der Vereinigung begleiteten, erwuchsen. Soweit diese Umstände im Vertrag nicht ausdrücklich ihren Niederschlag gefunden haben, könnten sie bei der Bewertung des Grundstücks nicht berücksichtigt werden, jedoch eine staatliche Beihilfe zum Ausgleich dieser Nachteile rechtfertigen.

Die Kommission erklärte sich deshalb Ende 1991 bereit, zusammen mit den Sachverständigen des Berliner Senats und mit DB die finanziellen Folgen der DB in dem Kaufvertrag auferlegten zusätzlichen Verpflichtungen und Belastungen zu prüfen. Zu diesem Zweck ermittelte die Kommission den Nettoaufwand, der DB durch ihre Entscheidung, das Grundstück Eichhornstrasse 5-6 in das Bebauungsprojekt einzubeziehen, entstehen würde. Dieser Nettoaufwand könnte ohne weiteres als Ausdruck der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden, die sich im Juli 1990, d. h. vor der deutschen Vereinigung, aus der Teilung des Landes ergaben. Eine Beihilfe zum Ausgleich dieser zusätzlichen realen Wirtschaftskosten ließe sich dementsprechend auf der Grundlage von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) EWG-Vertrag rechtfertigen. Die Kommission betonte jedoch, daß sie sich nicht mit dem von DB in deren Äusserung im Rahmen des Verfahrens genannten Nettoaufwand einverstanden erklären konnte, den DB auf 112,5 Millionen DM von insgesamt 207,8 Millionen DM Verpflichtungen und Belastungen aus dem Kaufvertrag geschätzt hatte.

Wie weiter oben ausgeführt, erbrachte die im Januar und Februar 1992 vorgenommene technische Prüfung die Schlußfolgerung, daß der Nettoaufwand, der DB durch den Kauf des Bellevü-Tower und die Einbeziehung des Bellevü-Grundstücks in das Bebauungsprojekt entsteht, mit 53 Millionen DM zu veranschlagen ist. Die Kommission ist deshalb der Auffassung, daß eine Beihilfe von höchstens 53 Millionen DM an DB nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

Die in dem Kaufvertrag enthaltene verbleibende staatliche Beihilfe in Höhe von 33,8 Millionen DM ist jedoch mit Artikel 92 EWG-Vertrag unvereinbar.

Artikel 92

Absatz 3 EWG-Vertrag nennt die Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein können. Die Vereinbarkeit mit dem Vertrag muß hier im Gemeinschaftskontext und nicht in bezug auf einen einzigen Mitgliedstaat festgestellt werden. Um das ordnungsgemässe Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten und den Grundsätzen des Artikels 3 Buchstabe f) Rechnung zu tragen, sind die in Artikel 92 Absatz 3 verankerten Ausnahmen vom grundsätzlichen Beihilfeverbot des Artikels 92 Absatz 1 bei der Untersuchung einer Beihilferegelung oder einer Einzelbeihilfe eng auszulegen. Insbesondere ist ihre Anwendung nur dann möglich, wenn sich die Kommission davon überzeugt hat, daß die Marktkräfte als solche nicht ausreichen, um den potentiellen Beihilfeempfänger ohne Beihilfe zu einem Vorgehen zu veranlassen, das zur Erreichung eines der in Artikel 92 Absatz 3 genannten Ziele beitragen würde.

Zu der in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) vorgesehenen Ausnahme ist daran zu erinnern, daß die Kommission stets die Auffassung vertreten hat, daß keine Region Westdeutschlands durch eine so ernste wirtschaftliche und soziale Lage gekennzeichnet ist, daß eine solche Ausnahme vom grundsätzlichen Beihilfeverbot des Artikels 92 Absatz 1 in Anspruch genommen werden kann, der zufolge Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können.

Zu der in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) vorgesehenen Ausnahme ist festzustellen, daß mit der indirekten Beihilfe für den fraglichen Grundstücksverkauf weder ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse gefördert noch eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats behoben werden soll.

Nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) können Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, genehmigt werden.

Zum Regionalbeihilfenaspekt ist anzumerken, daß nach Ansicht von DB Berlin wegen der nach wie vor spürbaren Folgen der Teilung Deutschlands weiterhin zu den förderungswürdigen Regionen Deutschlands zählen müsste. Der Aspekt der Teilung Deutschlands ist aber ein Argument, das im Rahmen von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) zu prüfen ist. Bezueglich der Förderungswürdigkeit einer Region im Rahmen von Regionalbeihilfen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) hat die Kommission eine Analysemethode in zwei Prüfschritten beschlossen und veröffentlicht (5). Nach den Kriterien des ersten Prüfschritts muß unter Zugrundelegung der für Deutschland geltenden Schwellenwerte (1990) die betreffende Region entweder eine Bruttowertschöpfung pro Kopf der Bevölkerung von höchstens 74 % des (westdeutschen) Landesdurchschnitts oder eine Arbeitslosigkeit von mehr als 143 % des Landesdurchschnitts haben. West-Berlin ist aber weit von diesen Schwellenwerten entfernt (Bruttowertschöpfung 1986: 102 %; Arbeitslosigkeit 1987 bis 1990: 119,4 %).

Im zweiten Prüfschritt können noch andere ökonomische Indikatoren herangezogen werden; unter bestimmten Umständen und vor allem in den Regionen, die nahe an die im ersten Prüfschritt angewendeten Schwellenwerte heranreichen, kann der zweite Prüfschritt eine angemessene Rechtfertigung für eine Regionalbeihilfe liefern.

West-Berlin ist aber weit davon entfernt, die Schwellenwerte des ersten Prüfschritts zu erreichen. Ausserdem ist festzustellen, daß West-Berlin anläßlich der Festlegung des neuen Verzeichnisses der westdeutschen Fördergebiete am 25. Januar 1991 nicht als regionalförderungswürdig im Rahmen der Aufgabe von allgemeinem Interesse "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen", die die wichtigste Regelung für deutsche Regionalbeihilfen darstellt, ausgewiesen wurde.

Wie die nachstehenden Wirtschaftsindikatoren zeigen, liegt Berlin im (westdeutschen) Landesdurchschnitt. So beträgt der Bruttolohn in der Region West-Berlin 98 % des westdeutschen Durchschnitts, was unter Berücksichtigung der für West-Berlin bestehenden beträchtlichen Steuervorteile netto einem Lohnniveau entspricht, das über dem westdeutschen Durchschnitts liegt. Ausserdem ist festzustellen, daß die Infrastrukturausstattung West-Berlins 99 % des westdeutschen Durchschnitts erreicht.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen können Regionalbeihilfen zugunsten von West-Berlin nicht im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.

Zu erwähnen ist ferner noch, daß indirekte Ad-hoc-Beihilfen, die zusätzlich ausserhalb jeder transparenten Beihilferegelung gewährt werden, grundsätzlich nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar im Sinne dieses Artikels gelten können.

Unter Würdigung der vorstehenden Ausführungen kann für die fragliche Beihilfe die Ausnahme des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag - regionale Aspekte - nicht in Anspruch genommen werden.

Was die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag vorgesehene Ausnahme zugunsten von "Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige" betrifft, so kann die Kommission bestimmte Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ansehen, wenn dies die Handelsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt. Die Entwicklung der Dienstleistungstätigkeiten von Daimler-Benz kommt für eine solche Ausnahme nicht in Betracht, da kein Grund besteht, Unternehmen dieses Sektors zu fördern, und dieser Wirtschaftszweig nicht als wesentlich für die gesamte Gemeinschaft betrachtet werden kann.

VIII

Bei Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, verfügt die Kommission über die Möglichkeit, die ihr Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag gibt und die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72 (6) und in einem weiteren Urteil vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85 (7) bestätigt hat, von den Mitgliedstaaten zu verlangen, daß sie die Empfänger zur Rückzahlung der gewährten Beihilfe auffordern. Die deutschen Behörden müssen deshalb die dem Unternehmen Daimler-Benz vom Land Berlin gewährte rechtswidrige Beihilfe innerhalb von zwei Monaten zurückfordern. Die Beitreibung hat nach den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften zu erfolgen, zu denen auch die Vorschriften über die Zahlung von Verzugszinsen bei Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat gehören, falls die Rückzahlung nach Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist erfolgt -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 zwischen der Daimler-Benz AG und dem Land Berlin über ein Areal von 61 740 m2 am Potsdamer Platz in Berlin enthält eine staatliche Beihilfe in Höhe von 86 832 450 DM, die rechtswidrig ist, da sie dem Unternehmen unter Verletzung von Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gewährt wurde. Von dieser Beihilfensumme ist jedoch ein Betrag in Höhe von 53 Millionen DM nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Der restliche Beihilfebetrag von 33 832 450 DM ist dagegen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar im Sinne von Artikel 92 des EWG-Vertrags.

Artikel 2

Die Bundesregierung wird hiermit aufgefordert, dafür zu sorgen, daß die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe durch eine Rückzahlung von 33 832 450 DM durch Daimler-Benz an das Land Berlin innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung erstattet wird. Dieser Betrag erhöht sich um den Zinsvorteil, den das Unternehmen möglicherweise zu Unrecht genießt, falls die Rückzahlung nach Ablauf der Zweimonatsfrist erfolgt.

Artikel 3

Die Bundesregierung teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die sie getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Brüssel, den 14. April 1992 Für die Kommission

Leon BRITTAN

Vizepräsident

(1) ABl. Nr. C 128 vom 18. 5. 1991, S. 5. (2) Bei der Prüfung der Frage, ob diese Grundstückstransaktion gegebenenfalls Elemente einer staatlichen Beihilfe enthält, hielt sich die Kommission an eine ähnliche Argumentation wie in ihrer Entscheidung 92/11/EWG - Toyota - vom Juli 1991 (siehe ABl. Nr. L 6 vom 11. 1. 1992, S. 36). (3) Slg. 1973, S. 611. (4) KOM(90) 400/1 endg. vom 21. 8. 1990, S. 70. (5) ABl. Nr. C 212 vom 12. 8. 1988, S. 2. (6) Slg. 1973, S. 813. (7) Slg. 1987, S. 901.