31992D0427

92/427/EWG: Entscheidung der Kommission vom 27. Juli 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.800 und 33.335 - Quantel International - Continuum/Quantel SA) (Nur der französische und englische Text sind verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 235 vom 18/08/1992 S. 0009 - 0018


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 27. Juli 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.800 und 33.335 - Quantel International - Continuum/Quantel SA) (Nur der englische und der französische Text sind verbindlich) (92/427/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

aufgrund der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, insbesondere Artikel 3 Absatz 1,

im Hinblick auf den gegen Quantel SA (nachstehend QSA) gerichteten Antrag der Quantel International (nachstehend QLI) - jetzt Continuum genannt (nachstehend QLI/C) - an die Kommission vom 20. Juli 1988 auf Feststellung eines Vertragsverstosses nach

Artikel 3

der Verordnung Nr. 17,

im Hinblick auf die von QSA am 17. Oktober 1989 vorgenommene Anmeldung bei der Kommission,

aufgrund der Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 1990, in dieser Sache das Verfahren einzuleiten,

nachdem dem beteiligten Unternehmen (QSA) Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Beschwerdepunkten der Kommission gemäß Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (2) zu äussern,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

A. Beschwerde und Anmeldung

(1) Am 20. Juli 1988 reichte Quantel International, jetzt Continuum genannt, bei der Kommission eine Beschwerde ein. Quantel warf darin ihrer ehemaligen Muttergesellschaft Quantel SA vor, diese habe sich geweigert, ihr für ihre Laserprodukte den Zugang zum Gemeinschaftsmarkt zu gestatten. Quantel SA begründete ihre Verhaltensweise mit einer Aktienübertragungsvereinbarung und dem dazugehörigen Protokoll vom 17. bzw. 26. Juli 1985, die nach Ansicht von Quantel International im Widerspruch zu Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages stehen.

(2) Auf das Schreiben der Kommission vom 2. August 1989 mit einem Vorentwurf der Einwände gegen die zur Rede stehenden Vereinbarungen meldete QSA diese am 17. Oktober 1989 bei der Kommission an. In ihrer Anmeldung teilte QSA mit, daß sie darin einwilligte, ihre Gebietsschutzansprüche auf einen Fünfjahreszeitraum von dem Tag des Inverkehrbringens der Produkte zu begrenzen, um den Erfordernissen der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 der Kommission (3), geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, zu genügen, deren Anwendung auf die in Rede stehenden Vereinbarungen sie forderte.

Die Dienststellen der Kommission teilten mit Schreiben vom 11. April 1990 mit, daß die fragliche Vereinbarung nicht in den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellung nach der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 falle. Folglich könne QSA der Rechtsvorteil des Freistellungsverfahrens nach Artikel 7 der genannten Verordnung nicht zugute kommen. Dieses Schreiben war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gericht Erster Instanz in den verbundenen Rechtssachen T 29/90 und T 36/90.

(3) Am 4. Juli 1990 beschloß die Kommission, das Verfahren einzuleiten. Am 30. Juli 1991 wurde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an QSA gerichtet, ohne daß die Kommission Argumente im Hinblick auf ein Verfahren zur Entziehung der vorgenannten Gruppenfreistellung nach Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 geltend gemacht hätte. Am 8. April 1992 haben QSA und Continuum eine geschäftliche Übereinkunft zur Aufhebung des vorgenannten Protokolls getroffen. Die Kommission wurde davon erst am 10. Juni 1992 unterrichtet.

B. Anrufung der Gerichte und der nationalen Wettbewerbsbehörde

(4) QLI/C erhob bei der Kommission sowie bei den zuständigen französischen Wettbewerbsbehörden Beschwerde gegen Quantel SA. Aufgrund dessen hat der Wettbewerbsrat, der am 30. Mai 1988 befasst wurde, am 13. August 1990 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an QSA gerichtet und entschieden, die für den 26. November 1991 vorgesehene Entscheidung auszusetzen.

(5) QSA klagte ihrerseits in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz auf Erlaß einer gerichtlichen Verfügung, mit dem Ziel, QLI/C den Verkauf in diesen Ländern zu verbieten. In Deutschland ließ QSA am 8. Juni 1989, anläßlich einer Handelsmesse in München, eine einstweilige Verfügung der Optilas GmbH, dem deutschen Vertriebshändler von QLI/C zustellen, wonach Optilas und QLI/C verboten wurde, in Deutschland unter der Bezeichnung "Quantel International" Laserprodukte gewerblich anzubieten oder zu verkaufen. Das Gericht vertrat ferner die Ansicht, daß die Bestimmungen der Vereinbarung über die territoriale Zuweisung für QLI/C gültig und bindend seien. Indessen wurde diese Verfügung vom Berufungsgericht in München am 31. Mai 1990 aufgehoben, nachdem QSA ihre Klage zurückgezogen hatte. In Frankreich beantragte QSA beim Handelsgericht Corbeil (Essonne) den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen QLI/C, wonach QLI/C das Marketing und der Verkauf in Europa und in Frankreich von Festkörper-Laser und Farbstoff-Laser sowie die Anwendung von Festkörper- und Farbstoff-Laser im Bereich wissenschaftlicher, medizinischer und industrieller Nutzung verboten werden sollte. QSA, deren Klage von dem für Eilsachen zuständigen Gericht am 23. Juni 1988 abgewiesen wurde, legte gegen diese Entscheidung Berufung ein. Mit Urteil vom 27. Oktober 1988 hob das Berufungsgericht Paris (14. Kammer) diese einstweilige Verfügung auf und verfügte gegen die Unternehmen QLI/C und Optilas, "das Marketing und den Verkauf von Festkörper- und Farbstoff-Laser sowie ihre Anwendungen im Bereich wissenschaftlicher, medizinischer und industrieller Nutzung in Frankreich einzustellen". Dieses Urteil wurde schließlich vom Kassationsgericht (Cour de Cassation) am 25. März 1991 mit der Begründung aufgehoben, daß die Vereinbarung eine territoriale Marktaufteilung zwischen den Unternehmen bewirkte; daraus habe sich eine Wettbewerbsbeeinträchtigung sowohl im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht als auch auf das nationale Recht ergeben, womit die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowie der französische Wettbewerbsrat befasst worden seien, da diese Beeinträchtigung die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge haben könne.

Schließlich wurde auch ein Verfahren in der Schweiz eröffnet, wo QLI/C wegen unlauterem Wettbewerb der Marktzutritt verboten wurde.

C. Beteiligte Unternehmen

Quantel SA

(6) Quantel SA (QSA) mit Sitz in Les Ulis, Frankreich, produziert Laser zur Verwendung in Wissenschaft und Forschung. Das Unternehmen wurde 1970 von dem Wissenschaftler Dr. Georges Bret gegründet. QSA besitzt eine Forschungsabteilung und eine Produktionsanlage; sie gehört dem französischen Militär- und Luftfahrtkonzern Aérospatiale. 1985 belief sich der Umsatz von QSA auf 52 Millionen ffrs bzw. 7,4 Millionen ECU.

(7) Bei Abschluß der Vereinbarungen 1985 wurde QSA zu 93 % von dem französischen Unternehmen für Luftfahrtausrüstung (SFENA) mit einem Umsatz von 1 246 Millionen ffrs bzw. 178 Millionen ECU gehalten.

(8) SFENA wurde von Aérospatiale kontrolliert. Die Beteiligungen an der SFENA entfielen auf folgende Unternehmen:

Siela 34,50 %,

Crouzet 23,07 %,

Aérospatiale 32,84 %,

Banken und Privataktionäre 9,50 %.

1985 hielt die Gesellschaft Aérospatiale 50,3 % von Siela und 43,6 % von Crouzet. Folglich kontrollierte sie SFENA 1985 zu 60 %, während das letztgenannte Unternehmen seinerseits QSA zu 93 % beherrschte. Die Beherrschung kam in dem Verwaltungsrat von QSA zum Ausdruck. Dieser setzte sich aus sieben Mitgliedern zusammen, von denen fünf Vertreter der Aérospatiale oder SFENA waren. Der Umsatz von Aérospatiale betrug 1988 5,5 Milliarden ECU.

(9) Aérospatiale hat jetzt das Gesamtvermögen von QSA auf dem Wege über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Unilas zurückgekauft.

Quantel International (QLI/C)

(10) Quantel International, jetzt Continuum genannt (QLI/C), Santa Clara, Kalifornien, ist eine ehemalige Tochtergesellschaft der QSA. Ihre Produktionstätigkeiten entsprechen denjenigen ihrer ehemaligen Muttergesellschaft QSA. Die Laser von QLI/C werden von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA zur Beobachtung und Ortung der Satelliten verwendet. Continuum ist von der japanischen Gesellschaft HOYA Corporation, die Spezialist ist auf dem Gebiet der Optik, Glasfaserkabel und Laser, übernommen worden.

(11) 1985 betrug der Umsatz von QLI/C 6,7 Millionen Dollar (5,9 Millionen ECU).

D. Der Markt

(12) Typisch für die Laserprodukte in dem zur Rede stehenden Fall ist vor allem, daß sie eine beträchtliche Menge von Licht (Energie) in ausserordentlich kurzer Zeit - mehrere Nanosekunden (1 Milliardstel Sekunde) bis zu einem Bruchteil einer Pikosekunde (1 Millionstel einer Millionstel Sekunde) - ausstrahlen können. Sie werden für die wissenschaftliche Forschung in neuen Bereichen verwendet, z. B. der nichtlinearen Optik, bei der Messung ultrakurzer Zeiten und der genauen Messung grosser Entfernungen. Diese durch Lasermedium, Pumpart und Anwendung definierte Erzeugniskategorie bildet den relevanten Markt. Sie können durch kein anderes Erzeugnis ersetzt werden.

(13) Für die Definition des relevanten Marktes müssen drei umfassende Klassifikationen herangezogen werden: das Lasermaterial (z. B. Festkörper, Farbstoffe, Gas), Pumpart (kontinuierlich oder durch Impulse) und Anwendungen (wissenschaftliche, medizinische oder industrielle/militärische).

(14) Lasermaterial: Ein Laser kann durch verschiedene Medien stimuliert werden, insbesondere und im wesentlichen durch Fettkörper, d. h. wenn der Laser durch Kristalle eines Gemischs, Yttrium-Aluminium-Granat, genannt YAG, strahlt, durch Farbstoffe und durch Gase (z. B. Excimer, Argon). Laser einer gegebenen Untergruppe des Lasermaterials können Laser einer anderen Untergruppe nicht ersetzen, ausser in Grenzfällen (siehe nachstehend die Erläuterungen zu Excimer).

(15) Pumpart: Es gibt zwei Betriebsarten, nämlich kontinuierliches Pumpen und Impulspumpen (PS: Impulspumpen ist nicht zu verwechseln mit der Emission von Impulslicht). Festkörperlaser im Impulsbetrieb können nicht durch Festkörperlaser im kontinuierlichen Betrieb ersetzt werden. QSA wie auch QLI/C begrenzen ihre Verkäufe auf YAG-Laser mit Impulsbetrieb und auf Farbstofflaser im YAG-Impulsbetrieb, die Riesenimpulse (sehr kurze und sehr starke Lichtimpulse) ausstrahlen.

(16) Die Laser von QLI/C und QSA arbeiten im Impulsbetrieb und strahlen sehr kurze leistungsstarke Impulse aus. Sie werden entweder bei Versuchen verwendet, die sehr genaue Zeitmessungen - in der Grössenordnung einer Milliardstel Sekunde - oder eine sehr hohe Leistung erfordern. Diese sehr hohen Geschwindigkeits- und Leistungskriterien gehen weit über die Grenzen der Laser mit kontinuierlichem Pumpbetrieb hinaus und entsprechen einer ganz bestimmten Anwendungsspanne.

(17) Anwendungen: Die Anwendungen sind wissenschaftlicher Art (oder anders ausgedrückt, gehören in den Bereich der Forschung und Entwicklung), medizinischer und industrieller/militärischer Art. Laser, die für FuE verwendet werden, können Laser für medizinische oder gewerbliche und militärische Zwecke nicht ersetzen. QSA und QLI/C beliefern nur den Markt für Wissenschaft und für FuE.

(18) Infolgedessen ist der relevante Markt der Markt für YAG-Laser und für Farbstofflaser mit Riesenimpulsen für die wissenschaftliche Forschung.

(19) In der Kategorie der Anwendungen in der Wissenschaft und in der Forschung und Entwicklung können noch andere Unterscheidungen getroffen werden, je nach der Lichtausstrahlung (d. h. kurzer, langer oder kontinuierlicher Impuls) oder der erzeugten Wellenlänge. Diese Merkmale, Licht- und Wellenlänge sind nötig, um einem gegebenen wissenschaftlichen Bedarf zu entsprechen; sie sind häufig ausschlaggebend für die Wahl des Lasergeräts. So gibt es eine Kategorie von Gas-Lasern (Excimer), die bei Verwendung zum Pumpen mit Farbstofflasern recht leicht eine bestimmte Spanne ultravioletter sichtbarer Wellenlänge erzeugen, die in manchen Fällen mit einem Farbstofflaser im YAG-Betrieb konkurrieren können. Ein Excimer-Laser, der zum Pumpen eines Farbstoff-Lasers verwendet wird, kann als solcher einen YAG-Laser für den gleichen Zweck ersetzen, aber nur in einer sehr schmalen Anwendungsspanne. In den meisten Fällen wird der Excimer-Laser über diese begrenzte Anwendung des Farbstofflaser-Betriebs hinausgehend verwendet.

(20) Die mangelnde Substituierbarkeit (sowohl bei Lasern im kontinuierlichen Betrieb im Gegensatz zu Lasern im Impulsbetrieb als auch bei YAG-Lasern im Gegensatz zu Excimer-Lasern) wird durch die nachstehenden Faktoren noch bestätigt:

(21) Andere Technologie: Was den YAG-Laser im Gegensatz zu dem Excimer-Laser betrifft, so arbeiten zwar beide Kategorien im Impulsbetrieb, doch gibt der YAG-Laser ein Infrarot-Strahlenbündel mit sehr kurzen Impulsen ab, der Excimer-Laser dagegen ein ultraviolettes Strahlenbündel mit längeren Impulsen. In wissenschaftlichen Kreisen (d. h. unter potentiellen Benutzern von Lasern zu wissenschaftlichen Zwecken oder für FuE) wird offen zugegeben, daß die Impulse in den verschiedenen Sektoren des Spektralbereichs, z. B. infrarot und ultraviolett, für ganz verschiedene Aufgaben verwendet werden, da ihre Wechselwirkung mit der Materie ebenfalls sehr verschieden ist. So dienen beispielsweise Infrarot-Strahlenbündel mit sehr kurzen Impulsen für die Infrarot-Spektroskopie und die atmosphärische Ortung durch Lidar (Auffangen und Entfernungsmessung durch Licht), während die Photochemie und die durch Laserquellen induzierte Fluoreszenz ultraviolette Strahlen, in der Regel mit längeren Impulsen, erfordern.

(22) Was den Laser im kontinuierlichen Betrieb im Gegensatz zu dem Laser im Impulsbetrieb betrifft, liefern Laser im kontinuierlichen Betrieb eine gleichbleibende mittlere Leistung, Laser im Impulsbetrieb dagegen eine Spitzenleistung. Die durchschnittliche Spitzenleistung eines Lasers im Impulsbetrieb beträgt das Millionenfache eines Lasers im kontinuierlichen Impuslbetrieb und kann sogar eine Milliarde erreichen. Infolgedessen sind ihre Verwendungen ganz unterschiedlich. So ist bei den meisten Forschungs- und Entwicklungsversuchen in der Spektroskopie ein Farbstofflaser im kontinuierlichen Impulsbetrieb erforderlich, während bei den meisten Photochemie-Versuchen ein Laser im Impulsbetrieb benötigt wird.

(23) Verschiedene Produktionseinheiten: Für die Herstellung jeder Laser-Kategorie sind eine besondere Fertigungsausrüstung und ein ganz bestimmtes Know-how erforderlich. Daher fertigt eine gegebene Produktionseinheit nur eine Laser-Kategorie, entweder YAG-Laser oder aber Excimer-Laser. Coherent Radiation, der zweitgrösste amerikanische Laserproduzent, der ein sehr grosses Angebot von YAG-Lasern für wissenschaftliche Anwendungen erzeugt, hat das deutsche Unternehmen Lambda Physics gekauft; Lambda Physics hat als erstes Unternehmen Excimer-Laser hergestellt. Indes bestehen die Produktionseinheiten getrennt fort, die YAG-Einheit in den Vereinigten Staaten und die Excimer-Einheit in Deutschland.

(24) Inanspruchnahme des gleichen Vertriebshändlers: Die Laser-Fabrikanten treffen in der Regel alle Vorkehrungen, damit die Vertriebshändler keine konkurrierenden Produktlinien anbieten. Eine Vielzahl von Vertriebshändlern in der Gemeinschaft und anderswo bieten jedoch die YAG-Festkörpergruppe eines Unternehmens und die Excimer-Gruppe eines anderen Unternehmens mit vollem Einverständnis der Hersteller an. Das ist beispielsweise der Fall bei Optilas BV, Coherent Ltd, GMP, DB Electronics, Coherent Physik. Käme es zu bedeutsamen Überschneidungen und zum Wettbewerb zwischen den beiden Produktpaletten, würden sie die Vertriebshändler nicht gewöhnlich beide anbieten.

(25) In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen wird als relevanter Markt der Markt für Festkörper-Laser und Farbstoff-Laser im Impulsbetrieb für die wissenschaftliche Forschung bezeichnet.

(26) Die Marktstellung der Beteiligten: Der europäische Markt der gewerblichen Lasererzeugung für Forschung und Entwicklung machte nach Schätzungen der Sachverständigen 40 bis 44 % des Weltmarkts aus; hingegen entfielen etwas über 10 % der Gesamtlieferungen von Lasermaterial auf das wissenschaftliche Anwendungsgebiet, also rund 11,4 Millionen Dollar bzw. 8,7 Millionen ECU auf den Markt für Festkörper- und Farbstofflaser mit sehr kurzen Impulsen. QSA, unter Ausschluß der von der Abteilung Studien durchgeführten Verkäufe sowie der Direktverkäufe, gab ihre Lieferungen an diesen Markt für 1988 mit 1,92 Millionen Dollar, d. h. 1,5 Millionen ECU an. Somit hält dieses Unternehmen einen Marktanteil in der Grössenordnung von 16 %.

(27) Die Lieferungen von QLI/C in der Gemeinschaft sind derzeit unerheblich, da dieses Unternehmen infolge der Anwendung der zur Rede stehenden Vereinbarung durch QSA keinen Zugang zum europäischen Markt hat.

E. Die Vereinbarung

Die ursprüngliche Vereinbarung

(28) 1985 erhielt QSA, inzwischen zu 93 % Tochtergesellschaft der SFENA und ihrerseits Mitglied des französischen Konzerns Aérospatiale von dem letztgenannten den Auftrag, ihre amerikanische Tochtergesellschaft zu veräussern. Der Gründer von QSA, Herr Bret, gründete ein Unternehmen Laser Advances, um die Investoren, die er für den Kauf von QLI interessiert hatte, umzugruppieren. Nachdem der Rückkauf abgeschlossen war, übernahm Laser Advances das Unternehmen Quantel International (QLI) und dessen Firmennamen. QLI nahm sodann eine Kapitalaufstockung vor, um neue Aktionäre wie die französische Bank Paribas und die französischen Investmentgesellschaften Scribe, Süz und Banexi zu beteiligen.

(29) Der Rückkauf von QLI erfolgte durch eine Vereinbarung zur Aktienübertragung vom 26. Juli 1985. Für die Aktien wurden 1,05 Millionen Dollar gezahlt. Der Vereinbarung über die Aktienübertragung war ein Protokoll vom 17. und 26. Juli 1985 beigefügt, das bestimmte Maßnahmen für die künftige Gestaltung der Produktion und des Vertriebs der beiden Unternehmen festlegte. Aus dem Wortlaut dieses Protokolls resultiert der Rechtsstreit.

(30) Aus dem Wortlaut des Protokolls geht hervor, daß dieses im Anschluß an die Übertragung der Kontrolle über QLI und die bereits bestehenden Beziehungen zwischen QSA und QLI vereinbart worden war. Es betraf die kommerziellen Aspekte der Unternehmensveräusserung wie Preise, Zahlungsbedingungen und Auftragsvergabesystem für Produkte, die QSA von QLI kaufen sollte, und es enthielt auch einen industriellen Teil, wonach die Partner den Austausch von Know-how vereinbarten und gemeinsame Arbeiten an Erzeugnissen vereinbarten, die zur Zeit der Veräusserung entwickelt wurden. Diese Vereinbarung umfasste drei Kategorien von Erzeugnissen, die sämtlich im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung entwickelt wurden:

- den Farbstoff-Laser "Datachrom" - wie die Partner zugaben, wurde er von QSA finanziert und endgültig entwickelt; QLI erhielt eine kostenlose Lizenz für ihre Vertragsgebiete;

- die Festkörper-Laser mit langen Impulsen, deren Entwicklung an QLI übertragen wurde, mit einer kostenlosen Lizenz für QSA;

- den "Picochrom-Laser", für den eine Komponente von QSA entwickelt worden war und die andere gerade von QLI entwickelt wurde. Nach Durchführung des Vorhabens sollten beide Vertragspartner Zugang zu der Technologie erhalten.

Für diese Erzeugnisse sah Artikel V eine Aufteilung der Weltmärkte vor, während der europäische Markt QSA vorbehalten blieb.

(31) Das Protokoll enthielt eine Bestimmung, wonach QLI/C das während der Gültigkeit der Vereinbarung entwickelte Know-how für bestimmte Anwendungsgebiete, nämlich die Verwendung von Lasern mit CO2-Wellenleiter und Laserkreisel im militärischen Bereich, in der Luft- und Raumfahrt, und die Optik mit veränderlicher Krümmung (Artikel I.2) nicht verwenden durfte.

(32) In dem Protokoll wird auch erwähnt, daß andere als die darin ausdrücklich genannten Laserprodukte Gegenstand "einer anschließenden gemeinsamen Entwicklung" sein können, aber nur, wenn eine gesonderte Vereinbarung getroffen werde (Artikel IV). Es kam aber keine derartige Vereinbarung zustande.

(33) Die Vereinbarung von 1985 wurde für einen Anfangszeitraum bis 31. Dezember 1988 getroffen und konnte im gegenseitigen Einvernehmen um einen weiteren Dreijahreszeitraum verlängert werden. Jedoch sollten nach Artikel X bestimmte Vorschriften - einschließlich Artikel V (die Gebietszuweisung) - weiterhin gültig bleiben, obwohl die Ausdrucksweise keinen Aufschluß darüber gibt, ob die Beteiligten lediglich beabsichtigen, für einen Verlängerungszeitraum nur bestimmte Vorschriften zu verlängern oder nach Ablauf der Vereinbarungen insgesamt bestimmte Abmachungen beizubehalten.

(34) Als die Anlaufzeit der Vereinbarung dem Ende zuging, teilte QLI/C der QSA mit, daß sie nicht beabsichtigte, die Vereinbarung zu verlängern, weil sie nunmehr auf dem europäischen Markt vordringen wolle. Die Beteiligten einigten sich auf eine neu ausgehandelte Lösung, die eine teilweise Öffnung des europäischen Markts für QLI/C vorsah, die den Vertrieb ihrer Produkte durch das QSA-Vertriebsnetz übernehmen sollte. für den französischen Markt wurde QSA Alleinvertriebshändler vor QLI/C in Frankreich für einen Dreijahreszeitraum ab Januar 1989.

Aufgrund der neuen Vereinbarung schloß QLI/C Vertriebsvereinbarungen in Deutschland, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und in Italien ab. Jedoch kündigte QSA in einem Schreiben vom 17. März 1988 an QLI/C unter Hinweis auf Artikel X des ursprünglichen Protokolls die Vereinbarung und erklärte, daß sie den Umstand "aus den Augen verloren habe", daß die Bestimmungen über die Gebietszuweisung tatsächlich nach Ablauf der Vereinbarung weiterhin galten. Dieses Unternehmen nahm anschließend Verbindung zu mehreren ihrer europäischen Vertriebshändler auf, um ihnen vorzuschreiben, keine Produkte von QLI/C auf dem Gemeinsamen Markt zu verkaufen und um geltend zu machen, daß sie allein Inhaber des Warenzeichens und des Logos sei. Der letztgenannte Anspruch wurde von QLI entschieden in Abrede gestellt und ist Gegenstand anderer gerichtlicher Klagen.

(35) QLI/C bestätigte ihrerseits, daß das Vorgehen von QSA eine unlautere Wettbewerbshandlung darstellte und einem Bruch der Vertragsbeziehungen gleichkam; das Unternehmen machte geltend, Artikel V des Protokolls verstosse jedenfalls gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages. Es klagte sowohl bei der Kommission als auch bei den zuständigen französischen Wettbewerbsbehörden. QSA beantragte gegen QLI/C in Frankreich und in Deutschland den Erlaß einstweiliger Verfügungen, wonach dem letztgenannten Unternehmen verboten werden sollte, in diesen Ländern Verkäufe zu tätigen (siehe oben Randnummer 4 und 5).

(36) Auf die Beschwerde von QLI/C, die QSA von der Komission zur Äusserung übermittelt worden war, brachte QSA vor, daß die Vereinbarung entweder nicht unter Artikel 85 Absatz 1 falle, weil sie den Bestimmungen der Mitteilung über die Vereinbarungen von geringer Bedeutung (4) unterliege oder daß ihr der Rechtsvorteil einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 zugute kommen könne, und zwar nach der aufgrund der Rechtssache 42/84 Remia (5) entwickelten Rechtslehre oder aufgrund der Tatsache, daß es sich um eine FuE-Vereinbarung handele, für die nach der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 eine Gruppenfreistellung erteilt werden könne.

(37) Mit Schreiben vom 2. August 1989 unterrichtete die Kommission QSA über ihren seinerzeitigen Standpunkt, wonach die Vereinbarungen vom 17. und vom 26. Juli 1985, auf die QSA sich berief, um den Wettbewerb von QLI/C zu unterbinden, einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 darstellten, weil die Umsatzschwellen der Mitteilung über die Vereinbarung geringer Bedeutung überschritten worden seien. Ebensowenig könne ihnen eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 zugute kommen. Die Rechtsprechung in der Rechtssache Remia sei im vorliegenden Fall gegenstandslos, namentlich weil die Vereinbarungen nicht mitgeteilt worden seien. Die Freistellungsverordnung Nr. 418/85 auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung sei nicht anwendbar, weil die Vereinbarungen nicht in erster Linie die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung bezweckten.

Die Vereinbarung

(38) Nach Empfang dieses Schreibens teilte QSA am 17. Oktober 1989 die Vereinbarung von 1985 mit. Dieser Mitteilung war eine Erläuterung beigefügt, in der QSA darlegte, daß sie nunmehr ihre Gebietsschutzansprüche gemäß dem Protokoll von 1985 auf einen Fünfjahreszeitraum vom Datum des erstmaligen In-den-Handel-Bringens der Erzeugnisse innerhalb des Gemeinsamen Marktes begrenzen wolle, um der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 nachzukommen. QSA räumte ein, daß sich die Fertigstellung von Produkten oder Komponenten, für die sie (QSA) verantwortlich sei, verzögert habe, was sie jedoch teilweise darauf zurückführte, daß QLI/C ihr die Technologie nicht protokollgemäß übermittelt habe. QSA legte mehrere Daten für den Beginn des Fünfjahreszeitraums fest, je nachdem zu welchem Zeitpunkt sie nach ihren Schätzungen in der Lage wäre, die einzelnen Erzeugnisse erstmals auf dem Gemeinschaftsmarkt anzubieten.

(39) Der Gebietsschutz wurde für die nachstehenden Zeiten gefordert:

Produkt Erstmalige Vermarktung durch QSA (tatsächlich oder geplant) Ablauf der Schutzdauer (+ 5 Jahre) Datachrom Juli 1988 Juli 1993 Festkörper-Laser Dezember 1988 Dezember 1993 Festkörper-Laser mit langen Impulsen Juli 1989 Juli 1994 Pikosekunde Dezember 1989 Dezember 1994

(40) In ihrer Mitteilung verlangte QSA ferner, daß ihr der Rechtsvorteil der Freistellung gemäß Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 zugute komme, da die Kommission sich länger als sechs Monate nach der Anmeldung der betreffenden Vereinbarung nicht geäussert habe, was bedeute, daß sie keinen Widerspruch gegen die Freistellung erhebe, freilich ohne genau anzugeben, welche Klausel der Vereinbarung dies gerechtfertigt hätte.

Mit Schreiben vom 11. April 1990 setzten die Dienststellen der Kommission das Unternehmen QSA vorläufig davon in Kenntnis, daß die in Rede stehende Vereinbarung die Anwendungsvoraussetzungen der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 nicht erfuelle und ihr mithin der Rechtsvorteil des Freistellungsverfahrens nicht zugute kommen könne. Dieses Schreiben war Gegenstand eines von QSA eingeleiteten Verfahrens vor dem Gericht Erster Instanz (verbundene Rechtssachen T 29/90 und T 36/90) (siehe oben Randnummer 2).

II. RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. Artikel 85 Absatz 1

Die Marktaufteilung

(41) Nach Artikel 85 Absatz 1 sind alle Vereinbarungen, die bezwecken oder bewirken, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten. QSA und QLI/C sind Unternehmen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1, und die Vereinbarung und das Protokoll vom 17. bzw. vom 26. Juli 1985, die von QSA geltend gemacht wurden, bezwecken und bewirken, den Zugang der europäischen Verbraucher zu Lasern von QLI/C auf dem Gemeinschaftsmarkt ständig zu verhindern. Dabei handelt es sich um eine Wettbewerbsbeschränkung unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1. Diese Aufteilung der geographischen Märkte selbst zwischen einem Drittland (USA) und der Gemeinschaft beeinträchtigt dem Wesen nach den Handel zwischen Mitgliedstaaten, wenn sie auf die Verhinderung der Einfuhr von Erzeugnissen gerichtet ist, die sonst in mehreren Mitgliedstaaten vertrieben worden wären, in den Gemeinsamen Markt (Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache EMI-Records/CBS, 51/76 (6). Diese Wettbewerbsverzerrung stellt einen schweren Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages dar, weil sie auf einem bestimmten Markt dazu beiträgt, auf technologischem und Handelsgebiet den Gemeinsamen Markt von einem Drittstaat zu isolieren, indem sie QLI/C an der Produktion und dem Vertrieb der genannten Waren hindert.

(42) Die Marktaufteilung unter den Beteiligten nach Artikel V des Protokolls verstösst gegen Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe c) EWG-Vertrag. Selbst wenn ein bestimmter Gebietsschutz eine begrenzte Zeit lang nach der Veräusserung von QLI/C an Laser Advances gerechtfertigt gewesen wäre - eine Zeitspanne, die nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist und zwischen zwei und fünf Jahren betragen kann -, kann eine solche Beschränkung im vorliegenden Fall wegen ihrer übermässig langen Dauer für die Übertragung des veräusserten Unternehmens nicht mehr als erforderlich angesehen werden (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der bereits zitierten Rechtssache 42/84, Remia). Wenn ausserdem nach Auffassung der Kommission und des Gerichtshofes mitunter ein gewisser Schutz im Rahmen von Unternehmensveräusserungen gerechtfertigt war, so ging es im allgemeinem darum zu vermeiden, daß der Verkäufer, der das "veräusserte Unternehmen in allen seinen Einzelheiten besonders gut kennt" . . . "nämlich seine frühere Kundschaft unmittelbar nach der Unternehmensveräusserung wieder zurückgewinnen (könnte) und so dem veräusserten Unternehmen die Existenzgrundlage entziehen könnte". (Urteil in der Rechtssache Remia, Randnummer 19). Diese Entscheidungsgründe sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da mit dieser Vereinbarung der Schutz des Verkäufers gegenüber dem Käufer gesichert werden soll.

Spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung

(43) Der Rechtsvorteil der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrages fallen, kann diese Vereinbarung und dem Protokoll nicht zugute kommen. Gemäß dieser Bekanntmachung fallen Vereinbarungen zwischen Unternehmen nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1, wenn der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen nicht mehr als 5 % des Marktes beträgt und ihr Gesamtumsatz 200 Millionen ECU nicht überschreitet. Dieser Umsatz schließt den Umsatz sämtlicher Unternehmen ein, die eine Kontrollbeteiligung an einem vertragschließenden Unternehmen oder einem Unternehmen halten, das ein vertragschließendes Unternehmen kontrolliert.

(44) Wie bereits festgestellt, wurde die Marktanteilsschwelle überschritten, da QSA einen Marktanteil von rund 16 % hält; ausserdem liegt der Gesamtumsatz weit über 200 Millionen ECU, wenn man den Umsatz ihrer Muttergesellschaft SFENA und des Unternehmens, das die letztgenannte kontrolliert, nämlich Aérospatiale, berücksichtigt, deren Jahresumsatz allein rund 5 Milliarden ECU beträgt.

Entgegen der Behauptung QSAs in ihrer Anmeldung und ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, ist also die aus dieser Vereinbarung resultierende Wettbewerbsbeeinträchtigung spürbar.

Verordnung (EWG) Nr. 418/85

(45) QSA hat gegenüber der Kommission - sowohl in ihrer Antwort auf die Übermittlung der von QLI/C eingereichten Klage als auch in ihrer Anmeldung sowie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte - vorgebracht, daß die Vereinbarung und das Protokoll vom 17. bzw. vom 26. Juli 1985 als eine Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung zu betrachten seien, denen mithin der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung für derartige Vereinbarungen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 zugute kommen könne. Dieser Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.

(46) Die Verordnung (EWG) Nr. 418/85 gilt für Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die die gemeinsame Forschung und Entwicklung für Erzeugnisse oder Verfahren sowie die gemeinsame Verwertung ihrer Ergebnisse "zum Gegenstand haben" (Artikel 1).

Der spezielle Gegenstand der Vereinbarung und ihres Protokolls ist nicht die Durchführung eines FuE-Programms zwischen den beiden Unternehmen. Aus dem Wortlaut des Vertrages über die Übertragung der Aktien und des dazugehörigen Protokolls vom 17 bzw. 26. Juli 1985 (siehe Randnummern 30 und 31) geht nämlich hervor, daß die Veräusserung eines Unternehmens Gegenstand der Vereinbarungen war und daß die Klauseln über die gemeinsame Entwicklung für diese Veräusserung nebensächlich waren. Die den Klauseln über die gemeinsame Entwicklung unterliegenden Produkte (Datachrom-Farbstofflaser, Festkörper-Laser mit langen Impulsen, Pikochrom-Farbstofflaser) befanden sich zum Zeitpunkt der Veräusserung in verschiedenen Phasen der Entwicklung durch den einen oder anderen Beteiligten. Es ist durchaus verständlich, daß die Beteiligten vorgesehen hatten, die Entwicklung dieser Produkte nach den Modalitäten der Vertragsbeziehung abzuschließen, die vor der Veräusserung zwischen den Vertragsschließenden bestanden hatte .

(47) Zu den anderen Produkten (siehe Randnummer 32) stellt Artikel 4 des Protokolls klar, "sie können Gegenstand einer gemeinsamen Entwicklung werden und in diesem Fall wird eine Sondervereinbarung zwischen QLI und QSA unterzeichnet". Der Kommission wurde keine derartige Vereinbarung mitgeteilt: Dieses Protokoll kann also nicht einer Vereinbarung über gemeinsame Forschung und Entwicklung gleichgestellt werden.

(48) Artikel 2 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 macht nämlich ausserdem die Freistellung von der Bedingung abhängig, daß "die Arbeiten der gemeinsamen Forschung und Entwicklung im Rahmen eines Programms durchgeführt werden, das die Art dieser Arbeiten sowie das Gebiet umschreibt, auf dem sie vorgenommen werden sollen . . .".

Das von der Verordnung verfolgte Ziel, zu diesen Tätigkeiten anzuregen, indem sie - unter bestimmten Bedingungen - die Teilung von Kosten und Nutzen gestattet, wird im vorliegenden Fall nicht erreicht. Anstatt die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen durch Verbindung der Ressourcen der beiden Parteien im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel zu verstärken, beschränkt sich die Vereinbarung darauf, die Teilung des Gewinns, der zukünftig von jeder Partei unabhängig erzielt wird, entsprechend ihren Bedingungen zu regeln. Gegenstand der Vereinbarung ist daher nicht die gemeinsame Entwicklung, sondern es sind lediglich die Bedingungen der Teilung zweier künftig unabhängiger Unternehmen sowie die Teilung des Gewinns der Arbeit.

(49) Im übrigen gilt die Freistellung nicht, wenn eine Vereinbarung Klauseln enthält, die durch die Verordnung verboten sind (Artikel 6), was für die Klauseln der Vereinbarungen vom 17. bzw. 26. Juli 1985 zutrifft. Vorab sei festgestellt, daß die Verordnung (EWG) Nr. 418/85 Klauseln über die Beschränkung des Gebietsschutzes nur für einen Fünfjahreszeitraum gewährt, während im vorliegenden Fall die Gebietszuweisungsklausel, wie sie anfänglich von QSA ausgelegt wurde, zeitlich unbefristet war, wenn auch im Anschluß an das Schreiben vom 2. August 1989 daran einseitig eine Änderung vorgenommen wurde, um die Schutzdauer zu begrenzen. Sodann enthielt die Vereinbarung eine Beschränkung des Verwertungsbereichs zwischen Wettbewerbern (siehe Randnummer 31) sowie ein sogar passives Wettbewerbsverbot seitens QLI/C, was auf alle Fälle und im Gegensatz zu dem, was QSA in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte behauptet, durch Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben e) und f) der Verordnung untersagt ist.

B. Artikel 85 Absatz 3

Die Anmeldung durch QSA

(50) Diese Vereinbarung wurde bei der Kommission erst am 17. Oktober 1989 angemeldet, also über vier Jahre nach ihrem Inkrafttreten und nachdem die Kommission QSA von ihrer diesbezueglichen ablehnenden Stellungnahme in Kenntnis gesetzt hatte. Diese Anmeldung, selbst verspätet, gewährt den Verträgen Schutz vor Geldbussen für den Zeitraum nach Anmeldung bei der Kommission (Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17).

Es sollte deshalb einerseits geprüft werden, ob Geldbussen für Handlungen vor der Anmeldung auferlegt werden können, und andererseits, ob die verspätete Anmeldung der Vereinbarungen von 1985 durch QSA geeignet ist, ihre rechtliche Würdigung durch die Kommission zu ändern.

Artikel 15

der Verordnung Nr. 17

(51) Auch wenn Geldbussen für Handlungen zwischen dem Datum der Unterschrift des Vertrages (26. Juli 1985) und dem Datum der Vertragsanmeldung bei der Kommission (17. Oktober 1989) verhängt werden könnten, so scheint dies in diesem besonderen Fall jedoch nicht angemessen. Dies ist insbesondere der Fall, weil die Mehrzahl der im Protokoll und seinen Anhängen genannten Produkte zum Zeitpunkt der Anmeldung des Vertrages aufgrund gegenseitiger Verzögerung der Parteien bei der Endfertigung noch nicht in den Handel gebracht waren (siehe Randnummer 38). Die in Frage stehenden Verträge haben daher nur eine begrenzte Wirkung auf den Handel mit diesen Produkten entfalten können.

Unvereinbarkeit der Vereinbarung mit Artikel 85 Absatz 3

(52) Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat (Urteil vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64 - Grundig-Consten (7)), kann die Frage, ob die für die Freistellung erforderliche Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung vorliegt, nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Produktions- und Vertriebstätigkeit der Vertragsparteien ergibt. Der Inhalt des Begriffs der Verbesserung darf nicht von den Besonderheiten des jeweiligen Vertragsverhältnisses abhängen. Diese Verbesserung muß insbesondere spürbare objektive Vorteile mit sich bringen, die geeignet sind, die mit ihr verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

Die Kommission erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß die Beweislast eines solchen Vorteils QSA obliegt. Weder in ihrer Anmeldung noch in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat QSA ein dahingehendes Vorbringen entwickelt, noch der Kommission irgendeinen objektiven Anhaltspunkt geliefert, um die Wirksamkeit der Vereinbarung gemessen an einer objektiv feststellbaren Verbesserung der Produktion und des Vertriebs ihrer Erzeugnisse zu würdigen, die eben dadurch die mit einer Wettbewerbsbeschränkung verbundenen Nachteile ausgleicht.

(53) Somit bildet die Wettbewerbsbeschränkung, die sich aus der Anwendung des Artikels V des Protokolls ergibt, eine Marktzutrittsschranke für einen Anbieter, da sie dazu geführt hat, QLI/C für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren langfristig vom gemeinsamen Markt auszuschließen. Diese Wettbewerbsverzerrung wird von keinem technischen und wirtschaftlichen Vorteil ausgeglichen, der auf der Vereinbarung der Vertragspartner zur Entwicklung, Herstellung und zum Inverkehrbringen der betreffenden Erzeugnisse beruht.

Artikel V des Protokolls, der ausdrücklich eine räumliche Teilung der Märkte vorsieht, fügt sich in der Tat vollständig in den Zusammenhang der geschäftsmässigen Trennung der beiden Gesellschaften ein. Die Tatsache, daß QSA anschließend erklärt hat, die Dauer auf fünf Jahre zu begrenzen, reicht im übrigen nicht aus, um das durch Artikel V entstehende Problem zu lösen. Dieser sieht nämlich eine absolute räumliche Aufteilung der Märkte vor, wohingegen Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f) der Verordnung (EWG) Nr. 418/85, woher der Fünfjahreszeitraum entlehnt ist, eine weitaus engere Regelung enthält. Die Vorschrift duldet nur eine Verpflichtung, von einer aktiven Verkaufspolitik für die aus der Vereinbarung hervorgehenden Produkte Abstand zu nehmen. Die Vereinbarung muß aber in jedem Fall einen Vertrag zur gemeinsamen Forschung und Entwicklung beinhalten.

(54) Es stellt sich die Frage, ob infolge der Anmeldung dieser einseitig von QSA geänderten Vereinbarung davon ausgegangen werden darf, daß die Vereinbarung und das Protokoll vom 17. und 26. Juli 1985 die Bedingungen von Absatz 3 des Artikels 85 EWG-Vertrag im Hinblick auf eine Einzelfreistellung erfuellen. Obwohl QSA nach der erstmaligen Vermarktung des Erzeugnisses die Gebietsschutzdauer für unbestimmte Zeit auf fünf Jahre verkürzt hat, stellt die Kommission insoweit fest, daß die Schutzdauer je Erzeugnis darauf hinauslaufen würde, daß ihr nach der Veräusserung des Unternehmens ein Gebietsschutz für eine Gesamtdauer von acht bis neun Jahren je nach den Erzeugnissen gegenüber QLI/C eingeräumt wird. Diese Dauer überschreitet bei weitem die Schutzdauer, die im Fall eines Erwerbs in aller Regel als angemessen gilt (in der Regel von zwei bis fünf Jahren), wohingegen, wie bereits erörtert (siehe Randnummer 42), die Rechtsprechung des Gerichtshofes nur in diesem und nicht im gegenteiligen Fall einen Schutz zulässt, d. h. den Schutz des Verkäufers gegen den Erwerber. Sie ist deshalb selbst im Rahmen des Artikels 85 Absatz 3 als übermässig lang zu betrachten.

Artikel 3

der Verordnung Nr. 17

(55) Gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission durch Entscheidung feststellen, daß ein Verstoß gegen die Vorschriften des Artikels 85 des Vertrages vorliegt und die Unternehmen und Vereinigungen verpflichten, diesen zu beenden.

Obgleich die späte geschäftliche Vereinbarung zwischen QSA und QLI/C erst etwa ein Jahr nach der Meitteilung der Beschwerdepunkte den Verstoß beendete und eine Verpflichtung zur Einstellung der Anwendung des Artikels V des Protokolls gegenstandslos macht, erachtet es die Kommission für notwendig, eine förmliche Entscheidung in diesem besonderen Fall zu treffen. Eine solche Entscheidung kann selbst dann erlassen werden, wenn die Parteien die beanstandeten Vereinbarungen bereits aufgehoben haben, insbesondere dann, wenn die Kommission erst mit mehrmonatiger Verzögerung davon in Kenntnis gesetzt und das gesamte Verwaltungsverfahren durchlaufen wurde (Urteil Rs. 8-72, Cementhandelaren/Kommission vom 17. Oktober 1972) (8).

Jedenfalls im Hinblick auf eine Vermeidung ähnlicher oder gleichwertiger Zuwiderhandlungen in der Zukunft besteht Anlaß zur Erhellung bestimmter rechtlicher, an die vorliegende Sache geknüpfter Fragen. Diese betreffen einerseits den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 418/85 und andererseits die Grenzen wettbewerbsbeschränkender Nebenabreden, die im Fall einer Unternehmensaufteilung statthaft sind. Es gibt ferner Anlaß zu bekräftigen, daß eine Vereinbarung, die bezweckt, den Gemeinsamen Markt oder einen erheblichen Teil desselben technologisch und handelsmässig von einem Drittland abzuschneiden, unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fällt und keine Einzelfreistellung erhalten kann (Entscheidung 85/618/EWG (9) Siemens-Fanuc) -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Vereinbarung und das Protokoll vom 17. bzw. 26. Juli 1985 zwischen Quantel International und Quantel SA stellten insofern einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages dar, als sie eine Marktaufteilung festlegten.

Artikel 2

Die Vereinbarung und das Protokoll vom 17. bzw. 26. Juli 1985 fielen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 418/85.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Unternehmen

a) Quantel SA

Zone Industrielle de Courtaböuf - BP 23

F-91941 Les Ulis Cedex

b) Continuum

3150 Central Expreß Way

USA - Santa Clara, California 95051

gerichtet. Brüssel, den 27. Juli 1992 Für die Kommission

Leon BRITTAN

Vizepräsident

(1) ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62. (2) ABl. Nr. 127 vom 20. 8. 1963, S. 2268/63. (3) ABl. Nr. L 53 vom 22. 2. 1985, S. 5. (4) ABl. Nr. C 231 vom 12. 9. 1986, S. 2. (5) Slg. 1985, S. 2545. (6) Slg. 1976 S. 811. (7) Slg. 1966, S. 321. (8) S. 1972, S. 977 und 989. (9) ABl. Nr. L 376 vom 31. 12. 1985, S. 29.