31992D0213

92/213/EWG: Entscheidung der Kommission vom 26. Februar 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 und 86 EWG- Vertrag (Sache IV/33 544 - British Midland/Aer Lingus) (Nur der englische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 096 vom 10/04/1992 S. 0034 - 0045


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 26. Februar 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag (Sache IV/33 544 - British Midland/Är Lingus) (Nur der englische Text ist verbindlich) (92/213/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen (1),

im Hinblick auf die von British Midland Airways am 26. April 1990 gegen Är Lingus eingelegte Beschwerde,

im Hinblick auf den Beschluß der Kommission vom 4. Juli 1991, ein Verfahren in diesem Fall zu eröffnen,

nachdem den beteiligten Unternehmen Gelegenheit gegeben wurde, ihre Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten der Kommission gemäß Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 4261/88 der Kommission vom 16. Dezember 1988 über die Beschwerden, Anträge sowie über die Anhörung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates (2) vorzutragen,

nach Konsultierung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen auf dem Gebiet der Luftfahrt,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

A. Die Parteien

(1) Är Lingus ist das nationale Luftfahrtunternehmen von Irland. Es unterhält eine Flotte von 31 Düsenflugzeugen (von denen nur drei im Langstreckenverkehr eingesetzt werden) und Turboprop-Flugzeugen. Im Jahr 1990 beförderte es vier Millionen zahlende Fluggäste im Linienverkehr (hiervon mehr als drei Millionen im europäischen Verkehr) und legte eine Strecke von vier Milliarden Fluggast-Kilometern (hiervon mehr als 1,7 Milliarden im europäischen Verkehr) zurück. Es beschäftigt mehr als 7 000 Arbeitnehmer. Im Jahr 1990 erzielte es bei einem Gesamtumsatz von über 1,2 Milliarden US-Dollar aus Luftverkehrsleistungen Einnahmen in Höhe von fast 700 Millionen; sein Reingewinn belief sich auf mehr als 8 Millionen US-Dollar gegenüber 52 Millionen US-Dollar im Jahr 1989.

(2) British Midland ist die wichtigste Betriebsgesellschaft der Airlines of Britain Holdings plc, die zu 25 % der SAS gehört. Es unterhält eine Flotte von 23 Düsenflugzeugen, die ausnahmslos im Verkehr innerhalb des Vereinigten Königreichs und mit den Nachbarstaaten eingesetzt werden. Es beschäftigt 2 000 Arbeitnehmer. Im Jahr 1990 beförderte British Midland 3 Millionen Fluggäste. Die Gesamteinnahmen in diesem Jahr übertrafen 300 Millionen US-Dollar, doch es hatte Verluste in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar zu verzeichnen. British Midland zählt zu den europäischen Luftfahrtunternehmen mit den höchsten Wachstumsraten.

B. Verweigerung des Interlining

(3) Das Interlining gilt als eine der grossen Errungenschaften der IATA. Es ist das Ergebnis einer Vereinbarung ( "Multilateral Interline Traffic Agreement" - MITA, Definition in der IATA-Entschließung 780), wonach den Luftfahrtunternehmen erlaubt wird, Leistungen für andere Gesellschaften zu verkaufen. Dadurch kann ein einziger Flugschein ausgestellt werden, auch wenn einzelne Abschnitte eines Fluges von verschiedenen Gesellschaften wahrgenommen werden. Die Tarife und Konditionen richten sich nach der Gesellschaft, über deren Strecke der Fluggast befördert werden soll. Die ausgebende Gesellschaft stellt dem Fluggast den Gesamtpreis für alle Streckenabschnitte in Rechnung. Sie entrichtet über die IATA-Verrechnungsstelle den fälligen Flugpreis an die fliegende Gesellschaft abzueglich einer Gebühr von 9 % für Aufwendungen beim Verkauf, der Bearbeitung und für sonstige Dienstleistungen.

Wenn eine - auch der IATA nicht angeschlossene - Fluggesellschaft sich an MITA beteiligen möchte, stellt sie einen entsprechenden Antrag, der von IATA an alle beteiligten Gesellschaften weitergeleitet wird. Dem Antrag wird in der Regel stattgegeben, Ablehnungen beziehen sich auf die Konvertibilität von Währungen oder die finanzielle Solidität des Antragstellers. In einem solchen Fall können die Gesellschaften besondere Verträge schließen, die z.B. einseitiges Interlining vorsehen, d. h. der Antragsteller akzeptiert, daß die nationale Luftverkehrsgesellschaft Flugscheine in seinem Namen ausstellt, daß er dies im Gegenzug aber nicht tun kann.

Von dem Interline-System, in das die grosse Mehrheit der Fluggesellschaften weltweit einbezogen ist, wird rund 95 % des Linienflugverkehrs erfasst.

(4) Die Luftfahrtunternehmen sind ferner bereit, auf Wunsch der Kunden Änderungen an den Flugscheinen vorzunehmen. Diese mit der IATA-Entschließung 736 geregelten "Änderungen auf Kundenwunsch" werden gewöhnlich im Rahmen des Interline-Systems vorgenommen. Wird eine Änderung von einer anderen als der ausgebenden oder der für einen Streckenabschnitt bezeichneten Gesellschaft vorgenommen, ist ein Bestätigungsvermerk einer der beiden vorgenannten Gesellschaften erforderlich. Eine grosse Anzahl von Fluggesellschaften haben untereinander vereinbart, auf dieses Erfordernis zu verzichten.

(5) Die Hauptvorteile des Systems zur Durchführung des Interlining und der Änderungen auf Kundenwunsch (im folgenden zusammengefasst als "Interline-System" bezeichnet) bestehen darin, daß mit einem einzigen Flugschein Beförderungsleistungen verschiedener Gesellschaften in Anspruch genommen werden können (z. B. Hinflug mit der ausgebenden Gesellschaft und Rückflug mit einer anderen Gesellschaft auf derselben Strecke bzw. Hinflug mit der ausgebenden Gesellschaft und Weiterflug zu von dieser nicht angeflogenen Bestimmungsorten), und daß Änderungen hinsichtlich Buchungen, Streckenführung oder auf dem Flugschein vermerkter Gesellschaften auf Veranlassung des Kunden ohne weiteres vorgenommen werden können.

Der Vorteil für die Fluggesellschaften besteht darin, daß sie mit diesem System ihr Flugnetz und ihre Flüge ergänzen können. Den Verlust von Fluggästen zugunsten anderer Gesellschaften können sie durch den Hinzugewinn der Kunden dieser Fluggesellschaften im Rahmen des Systems ausgleichen.

Das Interline-System ist ein bedeutsamer Bestandteil des weltweiten Luftverkehrs. Es wird von rund 20 % der Fluggäste auf innergemeinschaftlichen Flügen in Anspruch genommen, wobei je nach ausgebender Fluggesellschaft bis zur Hälfte der Fluggäste im Besitz von Flugscheinen sind, die ihnen das Umsteigen auf Flüge ermöglichen, die von anderen Gesellschaften wahrgenommen werden.

(6) In der Praxis bestehen die Fluggesellschaften nicht in jedem Fall auf der Einhaltung der Vereinbarungen über Interlining und Verzicht auf Zustimmungsvermerk. Flugscheine, die von einem Reisebüro ohne Befugnis aufgrund einer Interline-Vereinbarung ausgegeben werden, werden in den meisten Fällen von der wahrnehmenden Fluggesellschaft entgegengenommen und der ausgebenden Gesellschaft in Rechnung gestellt. Sollte sich das Berechnen als zu kompliziert oder unwirtschaftlich erweisen, verzichtet die wahrnehmende Gesellschaft hierauf unter der Annahme, daß die ausgebende Gesellschaft wahrscheinlich vergleichbare Forderungen an sie hat. In gleicher Weise werden auf Flughäfen Änderungen auf Kundenwunsch vorgenommen, ohne daß auf einem Bestätigungsvermerk der ausgebenden oder der bezeichneten Fluggesellschaft bestanden wird. Solch flexibles Verhalten in der Praxis ist jedoch von geringer Bedeutung und Nützlichkeit; es verursacht den Fluggesellschaften und ihren Kunden in vielen Fällen Unannehmlichkeiten und ist kein gleichwertiger Ersatz für eine ordnungsgemässe Vereinbarung.

Das Fehlen einer Interline-Vereinbarung kann für die betroffenen Gesellschaften ein schwerwiegender Nachteil sein. Vor allem Geschäftsreisende (die in der Regel zu den unbeschränkten, jedoch teureren C- und Y-Tarifen fliegen und üblicherweise ungefähr 60 % der Einnahmen einer Fluggesellschaft aus dem Passagierverkehr bewirken) unternehmen häufig Reisen mit mehreren Bestimmungsorten und Fluggesellschaften und müssen in der Lage sein, ihre Reisepläne unter möglichst geringem Aufwand ändern zu können. Sie schätzen die mit einem einzigen, zum Interlining berechtigenden Flugschein verbundene Bequemlichkeit und Flexibilität, die es ihnen erspart, für jeden einzelnen Flug einen getrennten Flugschein erwerben und einige hiervon infolge geänderter Reisepläne ungenutzt zurückgeben zu müssen. Hinzu kommt, daß Reisebüros keine Flugscheine im Namen einer Gesellschaft ausgeben können, wenn einige Flüge auf diesem Flugschein von einer anderen Gesellschaft geflogen werden, die sich dem Interlining mit der ersten Gesellschaft verweigert; dies würde z. B. ein Reisebüro daran hindern, einen Flugschein für einen Hinflug mit British Midland und einen Rückflug mit Är Lingus auszustellen. Die Reisebüros sind bestrebt, den mit der Ausgabe getrennter Flugscheine verbundenen Zeitverlust und Arbeitsaufwand zu vermeiden. Flugscheine, die nicht zum Interlining berechtigen, werden häufiger zurückgegeben (weil aufgrund geänderter Reisepläne ein zusätzlicher Flugschein gekauft werden musste), wodurch das Reisebüro seiner Provision verlustig geht.

(7) Är Lingus hatte im Jahr 1964 der Einbeziehung von British Midland in MITA zugestimmt.

Nach dem Erwerb der Flugrechte für die Strecke London (Heathrow)-Dublin gab British Midland am 22. Februar 1989 seine Absicht bekannt, diese Strecke ab dem 28. April 1989 zu befliegen. Am 7. April 1989 kündigte Är Lingus seine Zustimmung zur Teilnahme von British Midland an MITA mit Wirkung zum 7. Mai auf. Ferner lehnte es die Austauschbarkeit seiner Flugscheine mit denen von British Midland auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin ab. British Midland konte bis zum Rückzug von British Airways aus dieser Strecke Ende März 1991 am Interlining teilhaben. Är Lingus hat seine Interline-Vereinbarung mit British Airways, der einzigen anderen diese Strecke befliegenden Gesellschaft nicht gekündigt.

Är Lingus erklärte in Pressemitteilungen zu jener Zeit folgendes:

"Wir haben uns zur beherrschenden Fluggesellschaft auf den Strecken zwischen den beiden Hauptstädten entwickelt und beabsichtigen, diese Stellung zu verteidigen . . . British Midland verfügt nicht über die Mittel, eine vergleichbare Kapazität oder Qualität anzubieten, weshalb sie auf unsere Leistungen im Rahmen einer Interline-Vereinbarung zurückgreifen möchten." (Airline World, 24. April 1989).

C. Tarifkonsultationen

(8) Är Lingus beteiligte sich an der von IATA in Genf am 7. bis 8. Februar 1991 durchgeführten "Gemischten Sonderzusammenkunft der Koordinierungskonferenzen für Fracht- und Fluggasttarife".

Zu Beginn der Zusammenkunft erklärte der Vertreter von Är Lingus, daß seine Gesellschaft an Konsultationen betreffend die Strecken von Dublin nach Amsterdam, London und Paris nicht teilnehmen würde. Auf der Zusammenkunft wurde die Fortschreibung der aussergewöhnlichen Tariferhöhungen (IATA-Entschließungen 003 w und 003 ww, 003 m und 003 mm) erörtert, die auf den Sonderkonferenzen der IATA am 29. August 1990 und 31. Oktober 1990 beschlossen worden waren. Die Erörterungen erstreckten sich auf den weltweiten Verkehr einschließlich des innergemeinschaftlichen Verkehrs. Auf der Zusammenkunft wurde beschlossen, eine Verlängerung der bestehenden Entschließungen anzustreben.

Är Lingus beteiligte sich trotz seiner Erklärung an den Erörterungen der Zusammenkunft und der abschließenden Abstimmung.

D. Die relevanten Märkte

i) Luftverkehrsleistungen

(9) Als British Midland im März 1989 seine Absicht bekanntgab, die Strecke London (Heathrow)-Dublin zu befliegen, waren lediglich Är Lingus und British Airways auf dieser Strecke vertreten. Zu jener Zeit entfielen auf Är Lingus rund 75 % und auf British Airways rund 25 % der auf dieser Strecke beförderten Fluggäste (3).

British Midland konnte in dem Jahr nach seinem Marktzutritt rund 15 % Marktanteil an dieser Strecke erringen; Är Lingus und British Airways hingegen verloren rund 1 / 7 ihres Marktanteils und erreichten 64 bzw. 21 %. Im darauffolgenden Jahr wuchs der Marktanteil von British Midland auf 21 %, während der Anteil von Är Lingus mehr oder weniger unverändert blieb und der Anteil von British Airways auf 17 % zurückging.

British Airways stellte seinen Dienst auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin im März 1991 ein und schloß mit Är Lingus eine Vermarktungsvereinbarung, die Är Lingus in die Lage versetzen sollte, 160 000 zusätzliche Fluggäste jährlich, d. h. rund 10 % dieses Marktes zu gewinnen. In dem Zeitraum zwischen April und Juni 1991 konnte Är Lingus seinen ursprünglichen Marktanteil an der Fluggastbeförderung von 75 % zurückerlangen.

Zwischen 1989 und Mitte 1991 erteilten die britischen und irischen Behörden ausser Är Lingus, British Airways und British Midland keinem anderen Unternehmen die Zulassung für einen Linienflugdienst zwischen London (Heathrow) und Dublin.

(10) Zwischen Dublin und anderen Londoner Flughäfen als Heathrow bestehen folgende Flugdienste:

- Zum Zeitpunkt der Verweigerung des Interlining beflogen sowohl Är Lingus als auch Dan Air die Verbindung von Dublin nach Gatwick. Är Lingus hatte hieran einen Anteil von 80 % und verfügte über eine Interline-Vereinbarung mit Dan Air. Letzteres Unternehmen zog sich im April 1990 aus dieser Strecke zurück, so daß Är Lingus diese Verbindung nunmehr alleine befliegt.

- Zum Zeitpunkt der Verweigerung des Interlining betrieb Är Lingus die Verbindung Dublin nach London (Stansted). Inzwischen wurde dieser Dienst an Ryan Air übertragen, die diese Verbindung nunmehr alleine befliegt.

- Einige Monate lang betrieben die Firma Capital und - bis Mitte 1991 - Ryan Air einen Flugdienst zwischen Dublin und Luton; derzeit wird diese Strecke aber nicht beflogen.

Die Zahl der jährlich zwischen Dublin und den vier Londoner Flughäfen beförderten Fluggäste lag in den vergangenen Jahren in dem Bereich von 2 bis 2,5 Millionen und verzeichnete jährliche Zuwachsraten von mehr als 20 %. Hiervon entfielen im Jahr 1990 rund 75 % auf Heathrow, 13 % auf Luton, 10 % auf Gatwick und 2 % auf Stansted. Der Anteil von Är Lingus an dem Verkehr London-Dublin belief sich zum Zeitpunkt der Verweigerung des Interlining auf 66 %, ging im Jahr 1990 zurück und wird nun wiederum mit 66 % angegeben.

(11) Im Jahr 1989 wurde auf dieser Strecke sowohl von Är Lingus als auch von British Airways ein recht hoher Auslastungsfaktor von rund 75 % erzielt (gegenüber 66 % beim gesamten europäischen Streckennetz dieser beiden Unternehmen und 62 % in diesem Wirtschaftszweig). Dieser Faktor ging zu Beginn des Jahres 1990 auf den noch immer hohen Wert von 70 % zurück. British Midland bewegte sich zu jener Zeit in einem Bereich von 45 bis 50 %. Im Jahr 1991 betrieb Är Lingus in den verkehrsreichsten Zeiten 18 tägliche Hin- und Rückfluege zwischen London (Heathrow) und Dublin, British Midland acht Flüge. Är Lingus erwirtschaftet nach eigenen Angaben hohe Verluste auf dieser Strecke.

ii) Vertrieb von Luftverkehrsleistungen

(12) Der Anteil der Fluggesellschaften an den auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin beförderten Fluggästen entspricht ihrem Anteil am Flugscheinverkauf im Vereinigten Königreich und in Irland. Die Stellung der Luftfahrtunternehmen ist auf ihrem Inlandsmarkt in der Regel stärker als auf einem Auslandsmarkt.

Rund 15 bis 20 % der Flugscheine werden an Geschäftsreisende zu den höheren, freien C- oder Y-Tarifen verkauft.

(13) Von British Airways und Är Lingus sowie, mit erheblichen Abweichungen, von British Midland werden auf den Strecken Dublin-Heathrow und Dublin-Gatwick im wesentlichen die gleichen Tarife angewandt. Ryan Air hingegen bot auf den Strecken Dublin-Stansted und Dublin-Luton erheblich günstigere Tarife an.

II. RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. Artikel 86 EWG-Vertrag

a) Beherrschende Stellung

i) Relevante Märkte

(14) Das Vorgehen von Är Lingus zeitigt Auswirkungen auf den Märkten für die Bereitstellung und den Verkauf von Luftverkehrsleistungen zwischen Dublin und London (Heathrow).

Die Merkmale des Land- und Seeverkehrs auf dieser Strecke (Geschwindigkeit, Bequemlichkeit, mehrfacher Wechsel der Beförderungsmittel) unterscheiden sich dagegen in ausreichendem Masse von denen des Luftverkehrs, so daß eine Substitution der Nachfrage bei den meisten Reisenden ausgeschlossen werden kann. Für einige Reisende, insbesondere preisbewusste Freizeitreisende, mögen Luftverkehr zu seinen günstigsten Tarifen und Landverkehr austauschbar sein. Das Angebot an Luftverkehrsleistungen zu diesen niedrigen Tarifen ist jedoch begrenzt. Eine grosse Anzahl Reisender - und nicht nur solche, die nicht einen Tag für eine Reise zwischen Dublin und London aufwenden können - sind an einer langsamen Beförderung zu Lande oder einem Flug zu einschränkenden Bedingungen nicht interessiert, weshalb sie diese beiden Beförderungsarten nicht für austauschbar halten. Es besteht eine erhebliche Nachfrage nach einer schnellen, flexiblen und bequemen Verkehrsverbindung zwischen den beiden Städten, die nur im Luftverkehr befriedigt werden kann. Die von solchen Kunden für den Flug gezahlten Preise sind wesentlich höher als die im Landverkehr, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß durch die wesentlich preisgünstigere Beförderung im Landverkehr der Absatz von Luftverkehrsleistungen zu wesentlich höheren Preisen behindert würde. Gerade für diese Gruppe von anspruchsvollen Reisenden ist die Möglichkeit des Interlining von ganz besonderer Bedeutung.

Bisher wurde die vorhandene Möglichkeit, von Dublin nach anderen Londoner Flughäfen als Heathrow zu fliegen, nur von wenigen Reisenden wahrgenommen. Insbesondere Geschäftsleute ziehen in der Regel Heathrow vor, unter anderem weil die anderen Londoner Flughäfen nicht so häufig wie Heathrow angeflogen werden und weniger günstige Anschlußmöglichkeiten bieten, weshalb sie für einen Weiterflug von London aus weniger geeignet sind. Ferner ist zu bedenken, daß einige Fluggäste mit dem Kauf ihres Flugscheins andere Londoner Flughäfen als Heathrow wählen können. Die Weigerung von Är Lingus, Änderungen von oder nach British-Midland-Flügen zuzustimmen, beeinträchtigt jedoch Flugreisende, die bereits über einen Flugschein von London (Heathrow) nach Dublin verfügen und für die ein Wechsel zu einem anderen Londoner Flughafen unmöglich ist (z. B. weil ihr Fahrzeug in Heathrow geparkt ist) bzw. in der Regel sehr umständlich wäre (weil sie ihre Vorkehrungen ändern müssten oder das Erreichen ihres Bestimmungsortes mehr Zeit erfordern würde). Die Einbeziehung anderer Londoner Flughäfen als Heathrow in den sachlich relevanten Markt würde den Marktanteil von Är Lingus keinesfalls so weit verringern, daß eine Marktbeherrschung ausgeschlossen werden könnte.

Auch auf der Angebotsseite sind die Substitutionsmöglichkeiten beschränkt. Von 1989 bis Mitte 1991 durften keine anderen Luftverkehrsunternehmen Linienflugdienste zwischen London (Heathrow) und Dublin anbieten. Der Flughafen Heathrow ist ausserdem bekanntermassen überlastet - falls überhaupt Zeitnischen für einen Flugdienst nach Dublin erhältlich sind, lägen die Alternativkosten dabei sehr hoch.

(15) Um zu ermitteln, welche Auswirkungen die Verweigerung des Interlining auf den Absatz der Flugscheine hat, werden das Vereinigte Königreich und Irland als zwei getrennte räumliche Märkte angesehen. Der Vertrieb von Luftbeförderungsleistungen erfolgt weiterhin überwiegend auf nationaler Ebene: die Reisebüros erbringen ihre Dienstleistungen innerhalb eines Landes unter im wesentlichen gleichen Bedingungen, die Fluggesellschaften organisieren ihren Absatz auf nationaler Ebene, die Flugpreise werden in Landeswährung angegeben, Werbepreise und Rabatte können auf bestimmte Länder beschränkt werden, Verkäufe über die Grenzen hinweg sind selten und werden von den Luftfahrtunternehmen bekämpft, die Bearbeitung und Verrechnung der Flugscheine erfolgt im Rahmen von auf nationaler Ebene organisierten IATA-Bankverrechnungsplänen und die Marktanteile für Streckengruppen werden gewöhnlich nach einzelnen Ländern aufgeteilt, wobei die einheimischen Luftfahrtunternehmen im Inland über wesentlich höhere Anteile als in anderen Ländern verfügen.

Im vorliegenden Falle bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den ab Irland und ab Großbritannien verlangten Flugpreisen - sie weichen um 90 bis 130 % von den im jeweils anderen Mitgliedstaat angewandten Tarifen ab. Auch bei den Marktanteilen gibt es erhebliche Abweichungen: Är Lingus erreicht mit dem Verkauf seiner Leistungen auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin im Vereinigten Königreich lediglich drei Viertel seines entsprechenden Anteils in Irland. Entsprechend beträgt der Marktanteil britischer Luftfahrtunternehmen in Irland weniger als zwei Drittel ihrer Anteile auf dem Markt des Vereinigten Königreichs.

(16) Die Kommission ermittelt somit den Mißbrauch auf den Märkten der Erbringung von Luftverkehrsleistungen auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin und den Vertrieb solcher Leistungen für diese Strecke sowohl in Irland als auch im Vereinigten Königreich.

ii) Erheblicher Teil des Gemeinsamen Marktes

(17) Die Strecke London (Heathrow)-Dublin zählt zu den verkehrsreichsten in der Gemeinschaft. Auf ihr werden jährlich rund 1,7 Millionen Fluggäste befördert. Von der Verweigerung des Interlining ist somit ein wichtiger Reisemarkt betroffen.

Sowohl das Vereinigte Königreich als auch Irland sind wesentliche Teile des Gemeinsamen Marktes. Der Absatz der Beförderungsleistungen für die Strecke Dublin-London (Heathrow) erreicht einen Umfang zwischen 50 und 100 Millionen ECU pro Jahr.

iii) Marktbeherrschung

(18) Die Marktanteile von Är Lingus sind selbst für einen oligopolistisch geprägten Wirtschaftszweig wie den Luftverkehr ungewöhnlich hoch:

- Sein Anteil an den auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin beförderten Fluggästen belief sich zum Zeitpunkt der Verweigerung des Interlining auf 75 %, ging danach auf 60 bis 65 % zurück und erholte sich im Anschluß an den Rückzug von British Airways im März 1991 dann wieder bis auf über 75 %. Der Marktanteil von British Airways zu jener Zeit ging überwiegend auf Är Lingus über. Auch bei der Einbeziehung anderer Londoner Flughäfen würden sich die Marktanteile von Är Lingus nicht wesentlich ändern.

- Sein Anteil des Absatzes der Beförderungsleistungen auf dieser Strecke entspricht seinem Anteil der beförderten Fluggäste, und übertraf in beiden räumlichen Märkten 50 %. Die Kommission verfügt zwar nicht über Angaben über die Marktanteile im Anschluß an den Rückzug von British Airways aus dieser Strecke, schließt jedoch aus der Tatsache, daß der Anteil von Är Lingus am Verkehr zwischen London (Heathrow) und Dublin spürbar zugenommen hat, daß auch dessen Anteil am Vertrieb in einem vergleichbaren Umfang gestiegen ist.

(19) Ferner haben es die britischen und irischen Behörden von 1989 bis Mitte 1991 ausser Är Lingus, British Midland und British Airways keiner anderen Fluggesellschaft gestattet, auf dieser Strecke Flüge der dritten und vierten Freiheit durchzuführen, oder Flüge der fünften Freiheit zuzulassen. Auch ist Heathrow ein chronisch überlasteter Flughafen, auf dem die Nachfrage nach Zeitnischen das Angebot erheblich übersteigt. Deshalb sind die Gesellschaften bestrebt, für den Abflug von Heathrow Zeitnischen zu verwenden, mit denen sich die höchsten Gewinne erzielen lassen. Die Verwendung von Nischen für zusätzliche Flüge nach Dublin, einer Strecke mit relativ hohem Verkehrsangebot, auf der sich gegenwärtig keine Gewinne erzielen lassen, würde in den meisten Fällen zu hohen Opportunitätskosten gegenüber alternativen Streckenentscheidungen führen.

Angesichts der Bedeutung von Heathrow sowohl für Geschäftsreisende als auch für Anschlußreisende hat der von den übrigen Londoner Flughäfen ausgehende Wettbewerb nur begrenzte Auswirkungen auf die Verbindungen von und nach Heathrow. Überdies würde Är Lingus auch bei Einbeziehung dieser übrigen Flughäfen noch einen hohen Marktanteil von zwei Drittel haben.

(20) Der sehr hohe Anteil von Är Lingus an dem relevanten Markt und das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken auf der entsprechenden Strecke lassen auf eine Marktbeherrschung schließen. Auch ist Är Lingus die nationale irische Fluggesellschaft, der von den meisten Fluggästen auf dieser Strecke, bei denen es sich um irische Staatsangehörige handelt, der Vorzug gegeben wird. Är Lingus bietet in Irland das umfangreichste Netz von Auslandsfluegen an und hält einen hohen Anteil an diesen Flügen. Dadurch kann es - im Gegensatz zu den ausländischen Fluggesellschaften - erhebliche Marktmacht ausüben.

(21) Die Tatsache, daß Är Lingus die Beschwerden von Reisebüros und Geschäftsreisenden, die sich durch die Verweigerung des Interlining benachteiligt sahen, übergehen konnte, lässt auf eine erhebliche Unabhängigkeit im Geschäftsgebaren von Är Lingus schließen.

Nach der Ankündigung von British Midland, Flüge auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin anzubieten, verbesserte Är Lingus sein Leistungsangebot und glich bestimmte Tarifkategorien denen von British Midland an; die Reaktion von Är Lingus beschränkte sich jedoch im wesentlichen auf die Übernahme bestimmter Tarife von British Midland für Vergnügungsreisen. Auch dienten diese Maßnahmen im wesentlichen der Vorwegnahme des Marktzutritts von British Midland, da es nach der Anfangsphase der Vorbereitung auf dieses Ereignis sein Vorgehen erheblich abschwächte.

(22) British Midland war zwar in der Lage, in den Jahren nach seinem Eintritt in diese Strecke einen beträchtlichen Marktanteil von 15 % zu erzielen, doch wird der Nachweis für eine Marktbeherrschung von Är Lingus dadurch nicht entkräftet. Är Lingus konnte die Anzahl der von ihm auf dieser Strecke beförderten Fluggäste nämlich nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar erhöhen. Sein Anteil an den beförderten Fluggästen und verkauften Leistungen ging nach dem Marktzutritt von British Midland in einem nicht sehr grossen Umfang zurück, nahm jedoch wieder zu, nachdem British Airways sich aus dieser Strecke zurückgezogen hatte. Der Erfolg von British Midland ist wohl im wesentlichen auf seine Fähigkeit zurückzuführen, sich das erhebliche Wachstum der Anzahl der auf dieser Strecke zwischen 1989 und 1990 beförderten Fluggäste durch die Bereitstellung seiner Kapazitäten zunutze zu machen.

(23) Hieraus ist zu schließen, daß Är Lingus in erheblichem Masse unabhängig vorgehen kann. Das Unternehmen war zwar einem gewissen Wettbewerb ausgesetzt, konnte diesen Wettbewerb jedoch mit einem relativ geringen Aufwand erfolgreich eindämmen.

b) Mißbrauch

(24) Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung erfasst die "Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen" (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, S. 541).

(25) Die Verweigerung des Interlining ist kein üblicher Leistungswettbewerb. Interlining ist eine in diesem Wirtschaftszweig lang geuebte Gepflogenheit mit anerkannten Nutzwirkungen sowohl für die Gesellschaften als auch deren Fluggäste. Die Verweigerung des Interlining aus anderen Gründen als Schwierigkeiten bei der Währungskonvertibilität oder Zweifeln an der Kreditwürdigkeit des Wettbewerbers ist ein höchst ungewöhnlicher Schritt und wurde bisher von dem europäischen Luftfahrtgewerbe nicht als eine übliche Wettbewerbsstrategie angesehen. Är Lingus selbst hielt an Interline-Vereinbarungen mit British Airways und Dan Air fest, den beiden anderen Luftverkehrsunternehmen, mit denen es auf der Strecke London-Dublin im Wettbewerb steht.

Är Lingus hat geltend gemacht, daß Interlining zwar in den meisten Fällen für alle beteiligten Gesellschaften vorteilhaft sei, daß es jedoch im Falle von British Midland durch das Interlining Marktanteile an den neuen Wettbewerber verlieren würde. Selbst wenn dies nachgewiesen werden könnte, wäre die Verweigerung des Interlining nicht allein durch das Argument zu rechtfertigen, daß das Interlining Einnahmeverluste zur Folge hätte. Är Lingus hat nicht geltend gemacht, daß Interlining mit British Midland wesentliche Auswirkungen auf seine Kosten hätte, während es jedoch Anzeichen dafür gibt, daß eine Verweigerung des Interlining für British Midland eine deutliche Benachteiligung wäre.

(26) Sowohl die Verweigerung des Interlining als auch die Rücknahme eines bestehenden Interlining können je nach Fall die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs behindern. Die Verpflichtung zum Interlining hängt von den wettbewerblichen Auswirkungen einer Weigerung ab. Die Verpflichtung besteht insbesondere, wenn es objektiv wahrscheinlich ist, daß die Verweigerung oder die Rücknahme des Interlining durch eine marktbeherrschende Fluggesellschaft aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Kosten und die Einnahmen der anderen Fluggesellschaft hinsichtlich des betreffenden Flugdienstes einen wesentlichen Einfluß auf die Fähigkeit der anderen Fluggesellschaft, einen neuen Flugdienst zu beginnen oder einen bestehenden aufrechtzuerhalten, hat, und wenn die marktbeherrschende Fluggesellschaft keinen objektiven, wirtschaftlichen Grund für die Verweigerung (wie z. B. Bedenken hinsichtlich der Kreditwürdigkeit) - abgesehen von ihrem Wunsch, zu vermeiden, diesem bestimmten Konkurrenten zu helfen - anzuführen vermag. Es ist unwahrscheinlich, daß es eine solche Rechtfertigung gibt, wenn die marktbeherrschende Fluggesellschaft eine Fluggesellschaft, der sie vorher das Interlining gewährt hat, aussondert, nachdem diese Fluggesellschaft den Wettbewerb auf einer wichtigen Strecke aufgenommen hat, anderen Konkurrenten aber weiterhin das Interlining erlaubt.

(27) Wenn eine Gesellschaft einen neuen Flugdienst aufnimmt, rechnet sie in der Regel mit Verlusten in der Anlaufzeit, in der sie einen wirtschaftlichen Betrieb aufbauen und ein ausreichendes Interesse in der Reisewirtschaft und bei den Reisenden hervorrufen muß. Sie kann nicht damit rechnen, die Auslastungszahlen und Einnahmen zu erzielen, die erforderlich wären, um vom Anfang an mit dem neuen Flugdienst Gewinne zu erzielen. Aus diesen Gründen wird ein Marktzutritt stets mit Schwierigkeiten verbunden sein.

Diese Schwierigkeiten werden bei einer Verweigerung des Interlining gewöhnlich noch grösser. Ein neuer Marktteilnehmer ohne Interlining-Möglichkeiten würde von den Reisebüros und den Reisenden bald als zweitrangige Fluggesellschaft eingestuft werden, wodurch sich die Schwierigkeit erhöhen würde, die für einen gewinnbringenden Betrieb erforderliche Marktstellung zu erringen. Die Reisebüros sind bestrebt, die mit der Ausgabe von Flugscheinen für Fluggesellschaften ohne Interlining-Möglichkeiten verbundenen Zeitverluste, zusätzlichen Arbeiten und auch Einnahmeverluste zu vermeiden. Ferner hält es eine grosse Anzahl von Reisenden für erforderlich, Flugscheine ändern zu können und für komplizierte Reisen mit Umsteigemöglichkeiten nur einen einzigen Flugschein erwerben zu müssen; die Verweigerung des Interlining bewirkt den Verlust dieser Reisenden für den neuen Marktteilnehmer. Insbesondere sind von einer solchen Weigerung die gut informierten Geschäftsreisenden betroffen, die auf flexible Flugscheine angewiesen sind und einen unverhältnismässig hohen Beitrag zu den Einnahmen des neuen Marktteilnehmers leisten; eine spürbare Minderung dieser Einnahmen würde spürbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des neuen Marktteilnehmers haben.

Die Überprüfung der Ergebnisse von British Midland auf der Strecke Dublin-London (Heathrow) bestätigt, daß es sich hierbei um spürbare Auswirkungen handelt. Die Auslastungszahlen von British Midland sind spürbar niedriger als von Är Lingus auf dieser Strecke. Dieser Unterschied geht in grossem Masse auf die Benachteiligung von British Midland aufgrund der verweigerten Interlining-Möglichkeit mit Är-Lingus-Flugscheinen zurück. Diesen Zahlen kann man entnehmen, daß Reisende es aufgrund der fehlenden Interlining-Möglichkeiten bei British Midland vorziehen, auf die Dienste der Gesellschaft mit der grössten Anzahl von Flügen auf dieser Strecke, d. h. Är Lingus zurückzugreifen. Die dadurch bei British Midland bewirkten Einnahmeverluste wären auf mehrere Millionen ECU pro Jahr zu schätzen.

(28) Die Verweigerung des Interlining behindert auch die Aufrechterhaltung oder Entfaltung des Wettbewerbs, indem sie den Wettbewerbern erhebliche Kosten auferlegt. Wenn eine angestammte Gesellschaft auf einer Strecke eine grosse Anzahl von Flügen anbietet, einen hohen Anteil an der Kapazität auf sich vereinigt und sich weigert, einem neuen Marktteilnehmer Interlining-Möglichkeiten einzuräumen, wird letzterer eine Wahl treffen müssen. Er kann entweder mit einer geringen Anzahl von Flügen beginnen, um die Anfangsverluste einzudämmen, muß dann aber mit einer langen, gewinnlosen Anlaufzeit rechnen. Oder er kann von Anfang an eine seinem Marktanteil nicht entsprechende, hohe Anzahl von Flügen durchführen, um insbesondere Geschäftsreisende zu gewinnen, die ihre Reisen mit einem Hoechstmaß an Flexibilität planen und deshalb eine hohe Flugfrequenz verlangen. In beiden Fällen wird der neue Anbieter mit höheren Anlaufkosten zu rechnen haben.

Auf der Strecke London-Dublin konnte British Midland den Wettbewerb nicht mit einer geringen Anzahl von Verbindungen aufnehmen. In einem solchen Fall hätte es den Stand einer Gesellschaft von geringer Bedeutung erlangt und nur geringe Aussichten gehabt, einen ausreichenden Anteil an Geschäftsreisenden zu gewinnen, den es zur Steigerung seiner Einnahmen benötigte. Dadurch hätten sich die Aussichten von British Midland verringert, sich zu einem leistungsfähigen Wettbewerber zu entwickeln, so daß es sich hätte veranlasst sehen können, die Flüge nach Dublin aufzugeben, um seine Zeitnischen in Heathrow gewinnbringender auszunutzen.

(29) Es trifft zu, daß dieses Vorgehen von Är Lingus nicht zum Rückzug von British Midland aus dieser Strecke geführt hat und daß es British Midland gelungen ist, eine hinreichende Anzahl von Verbindungen aufzubauen und einen erheblichen Marktanteil an dieser Strecke zu erringen. Es trifft ferner zu, daß die Verweigerung des Interlining British Midland nicht daran gehindert hat, Geschäftsreisende zu gewinnen. Ungeachtet der Weigerung von Är Lingus können Fluggäste von British Midland auf der Strecke Dublin-London (Heathrow) ihre Flugscheine nach einer beachtlichen Anzahl anderer British-Midland-Flüge ändern, was bei British-Airways-Flügen bis zum Rückzug dieser Gesellschaft aus dieser Strecke ebenfalls möglich war; ferner befördert British Midland Fluggäste, die mit Flugscheinen anderer Gesellschaften als Är Lingus reisen (British Airways bis zu dessen Rückzug und sonstige wie z. B. Fluggesellschaften dritter Länder, die Reisende nach London befördern, die von dort mit British Midland nach Dublin weiterreisen). Wenn Är Lingus jedoch das Interlining nicht aufgekündigt hätte, wären British Midland geringere Verluste entstanden, hätte es höhere Einnahmen erzielen können, den Fluggästen leistungsfähigere Dienste anbieten und sich zu einem stärkeren und erfolgreicheren Wettbewerber entwickeln können.

Die Tatsache, daß British Midland trotz dieser ihm durch Är Lingus auferlegten Benachteiligung auf dieser Strecke bestehen konnte, ist in erster Linie auf seine Entschlossenheit zurückzuführen, auch angesichts ungewöhnlicher Schwierigkeiten zu bestehen; sie lässt nicht darauf schließen, daß die Weigerung keinen Einfluß auf den Wettbewerb hatte. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Weigerung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung eine Behinderung der Entfaltung des Wettbewerbs bezweckte und bewirkte. Eine Rechtfertigung für die Weigerung kann nicht daraus hergeleitet werden, daß der Wettbewerber willens und in der Lage war, trotz der ihm auferlegten Benachteiligungen den Flugdienst auf der betreffenden Strecke fortzuführen.

(30) Är Lingus hat mit seinem - wenn auch nicht vollständig erfolgreichen - Vorgehen der selektiven und ausschließenden Maßnahmen die Entfaltung des Wettbewerbs auf der Flugstrecke London (Heathrow)-Dublin eingeschränkt.

Die Verweigerung des Interlining besteht in diesem Fall aus einer im Geschäftsleben unüblichen und erheblichen Benachteiligung eines Wettbewerbers durch die Erhöhung seiner Kosten und die Beschneidung seiner Einnahmen. Är Lingus war nicht in der Lage, Leistungssteigerungen als Folge seiner Weigerung anzuführen oder seine Verhaltensweise durch berechtigte Geschäftsinteressen zu rechtfertigen. Seine Furcht vor dem Verlust von Marktanteilen, die grundlegende Bedeutung der betreffenden Flugstrecke für diese Gesellschaft und die Tatsache, daß die Gewinne von Är Lingus unter Druck geraten sind, rechtfertigen nicht ein derartiges Verhalten gegenüber einem neuen Marktteilnehmer.

c) Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten

(31) Die Verweigerung des Interlining betrifft Fluggesellschaften aus zwei Mitgliedstaaten und bezieht sich auf einen Flugverkehr von besonderer Bedeutung für diese beiden Staaten. Sie schränkt die Interlining-Möglichkeiten der Reisenden in der Gemeinschaft ein und hindert Reisebüros daran, für das Interlining nutzbare Flugscheine auszustellen. Die Auswirkungen dieser Weigerung sind somit nicht auf einen Mitgliedstaat beschränkt, sondern beeinträchtigen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.

d) Schlußfolgerung

(32) Die Kommission ist der Auffassung, daß die durch Är Lingus entzogene Befugnis von British Midland,

i) Dokumente für die Beförderung von Fluggästen zwischen London (Heathrow) und Dublin gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an diesen Dokumenten gemäß den allgemein üblichen Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen,

einen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag darstellt.

B. Artikel 85 EWG-Vertrag

(33) Die von der IATA am 7. und 8. Februar 1991 durchgeführte Gemischte Sonderzusammenkunft der Koordinierungskonferenzen für Fracht- und Fluggasttarife wurde von rund 50 Fluggesellschaften aus aller Welt einschließlich Är Lingus und den nationalen Gesellschaften aus zehn weiteren Mitgliedstaaten besucht. Auf der Tagesordnung stand die Prüfung der jüngsten Entwicklungen bei den Betriebskosten. Ziel der Zusammenkunft war die Wiedervorlage einer die jüngsten Entwicklungen berücksichtigenden Vereinbarung über neue Fluggast- und Frachttarife an die Regierungen.

Dieser Austausch von Informationen über die Kosten und Tarifziele der Fluggesellschaften im Hinblick auf die Ausarbeitung einer gemeinsamen Position betreffend die Fluggast- und Frachttarife ist eine Vereinbarung - oder zumindest eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zur Abstimmung von Preisbeschlüssen zwischen Unternehmen. Tarifkonsultationen sind daher eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag. Indem sie sich auf den Luftverkehr zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erstrecken, beeinträchtigen diese Vereinbarungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Diese Tarifkonsultationen fallen somit unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag.

(34) Den Fluggesellschaften wurde jedoch gestattet, unter den Bedingungen von Artikel 3 der am 1. Februar 1991 in Kraft getretenen Gruppenfreistellungsverordnung (EWG) Nr. 84/91 der Kommission (4) Tarifkonsultationen abzuhalten. Gemäß dieser Verordnung können Konsultationen über Fluggast- und Frachttarife zur Verbreitung des Teilstreckenverkehrs, d. h. des Interlining, zum Vorteil sowohl der Fluggesellschaften als auch ihrer Kunden beitragen.

Die Konsultationen dürfen jedoch nicht über den rechtmässigen Zweck der Erleichterung des Interlining hinausgehen. Die an den Konsultationen beteiligten Fluggesellschaften sind gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b) und d) der genannten Verordnung zum Interlining mit allen anderen beteiligten Gesellschaften verpflichtet.

Die an Fluggast- und Frachttarifkonsultationen beteiligten Gesellschaften sind somit verpflichtet, bei Flügen in der Gemeinschaft die Flugscheine anderer Gesellschaften anzuerkennen, die direkte oder indirekte Leistungen auf den von den Konsultationen erfassten Strecken erbringen oder zu erbringen beantragt haben.

(35) Obwohl Är Lingus an den Konsultationen im Februar 1991 beteiligt war, hat es nach eigenen Aussagen zu Beginn der Zusammenkunft erklärt, daß es an den Konsultationen betreffend die Strecken von Dublin nach Amsterdam, London und Paris nicht mitwirken würde (5). Mit dieser Erklärung wollte es sich wahrscheinlich davor schützen, auf diesen Strecken fremde Flugscheine anerkennen zu müssen. Andere auf diesen Strecken tätige Gesellschaften wie z. B. Air France, British Airways und British Midland legten einen derartigen Vorbehalt nicht ein; auch hatte sich Är Lingus von den Beratungen physisch nicht zurückgezogen. Bei den Gesprächen wurden die entsprechenden Strecken in der gleichen Weise wie alle übrigen Strecken behandelt. Auch wenn Är Lingus sich zu diesen Strecken nicht ausdrücklich geäussert hatte, konnte es die Absichten seiner Wettbewerber auch in bezug auf die betreffenden Strecken in Erfahrung bringen. Besondere Bemerkungen einer anderen Fluggesellschaft zu diesen Strecken wären von Är Lingus sicherlich gehört worden. Är Lingus war sowohl an den allgemeinen Gesprächen als auch an der Abstimmung über eine zwei- bis dreiprozentige Preiserhöhung auf den europäischen Strecken beteiligt. Die auf der Zusammenkunft gezogenen Schlußfolgerungen gelten deshalb auch für die von Är Lingus genannten Strecken; sie enthalten keine unmittelbaren Hinweise auf die Identität der Teilnehmer oder der Abstimmenden oder auf den Inhalt und das Ergebnis der Konsultationen. Die von Är Lingus ausgenommenen Strecken waren somit Gegenstand der Konsultationen.

(36) Selbst wenn man anerkennen würde, daß die Strecken von Dublin nach Amsterdam, London und Paris nicht Gegenstand der fraglichen Konsultationen waren, hätte dies nicht Är Lingus von seiner Verpflichtung zur Anerkennung der Flugscheine von British Midland entbinden können. Die Tarifkonsultationen betrafen Strecken zwischen Dublin und bestimmten Zielorten, die direkt von Är Lingus oder indirekt von British Midland entweder mit einem Wechsel des Flugzeugs in London (Heathrow) (z. B. nach Birmingham, East Midlands) oder mit Wechsel des Flugzeugs und des Flughafens (z. B. nach den Kanalinseln bzw. Brüssel) angeflogen werden. Ferner hat British Midland Flüge nach Zielorten beantragt, für die Är Lingus keinen Vorbehalt eingelegt hat, z. B. von London (Heathrow) nach Brüssel, Kopenhagen, Düsseldorf, Frankfurt, Malaga, Mailand, Palma de Mallorca und Rom. Über die Verbindung Dublin-London (Heathrow) könnte die Gesellschaft indirekte Flüge von Dublin nach diesen Zielorten anbieten.

(37) Är Lingus hat somit die Voraussetzungen von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b) und d) der Verordnung (EWG) Nr. 84/91 nicht erfuellt.

Die Kommission ist der Auffassung, daß Är Lingus gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, indem es an den Tarifkonsultationen vom 7. und 8. Februar 1991 teilgenommen, British Midland jedoch nicht erlaubt hat,

i) Beförderungsdokumente für Flüge in der Gemeinschaft gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an diesen Beförderungsdokumenten gemäß den allgemein üblichen Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen.

Är Lingus nahm nicht an den Tarifkonsultationen vom 2. bis 11. September 1991 teil, bei denen die ab 1. April 1992 geltenden Tarife erörtert wurden.

C. Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates (6)

(38) Aus diesen Gründen ist die Kommission zu der Schlußfolgerung gelangt, daß Är Lingus gegen Artikel 85 Absatz 1 und Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen hat.

(39) Gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 kann die Kommission wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 oder Artikel 86 EWG-Vertrag Geldbussen von 1 000 bis 1 000 000 ECU oder darüber hinaus festsetzen, wobei der Betrag jedoch 10 % des Umsatzes der an dem Verstoß beteiligten Unternehmen in dem der Zuwiderhandlung vorausgehenden Jahr nicht übersteigen darf. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse sind sowohl die Schwere als auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

(40) Die Kommission ist der Auffassung, daß Är Lingus gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, indem es an Tarifkonsultationen beteiligt war, ohne die Bedingungen der Verordnung (EWG) Nr. 84/91 einzuhalten.

Dieser Verstoß fand am 7. und 8. Februar 1991 statt und seine Wirkungen dauerten zumindest bis zum Inkrafttreten der bei der nächsten Tarifkonsultation erörterten Tarife, d. h. bis 1. April 1992, an.

(41) Är Lingus hat nach Auffassung der Kommission gegen Artikel 86 verstossen, indem es British Midland die Befugnis entzogen hat

i) Beförderungsdokumente auf der Strecke zwischen Dublin und London (Heathrow) gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an seinen Beförderungsdokumenten gemäß den allgemein anwendbaren Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen.

Dieser Verstoß begann am 7. April 1989 und dauert bis zur Gegenwart an.

(42) Die Kommission hält die Festsetzung einer Geldbusse gegen Är Lingus in bezug auf den Verstoß gegen Artikel 86 für gerechtfertigt. Angesichts der Tatsache, daß die Verordnung (EWG) Nr. 84/91 erst kurze Zeit in Kraft war, als der Verstoß gegen

Artikel 85

begangen wurde, hält es die Kommission nicht für angemessen, wegen des gleichzeitigen Verstosses gegen Artikel 85 ebenfalls eine Geldbusse festzusetzen.

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse berücksichtigt die Kommission die Tatsache, daß Är Lingus mit seinem Vorgehen die Wettbewerbsstruktur in besonders schwerwiegender Weise dadurch zu beeinträchtigen sucht, daß es einen neuen Wettbewerber beim Zugang zu einem wichtigen Markt benachteiligt. Die Kommission hat ferner berücksichtigt, daß es Är Lingus nicht gelungen ist, British Midland als Wettbewerber auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin auszuschalten, obwohl nicht bezweifelt werden kann, daß British Midland auf dieser Strecke ohne die Verweigerung des Interlining durch Är Lingus erfolgreicher hätte wirtschaften können.

D. Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87

(43) Die Verweigerung des Interlining hat British Midland bisher daran gehindert, den Wettbewerb mit Är Lingus gleichberechtigt und ohne spürbare Benachteiligung aufzunehmen. Es ist Är Lingus deshalb aufzuerlegen, das Interlining nicht mehr zu verweigern und British Midland zu erlauben, innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung sich am Interlining zu beteiligen.

Är Lingus wird ferner auferlegt, mit British Midland eine Vereinbarung zu treffen, die letzterem Unternehmen die Möglichkeit zum Interlining auf der Strecke London (Heathrow)-Dublin verschafft und ausserdem durch sein Geschäftsverhalten (Vornahme der üblichen Buchungen und Bestätigungen wie bei anderen Interline-Partnern) zu gewährleisten, daß die Durchführung dieser Vereinbarung nicht behindert wird.

(44) Die Kommission erkennt jedoch an, daß Är Lingus nicht auf Dauer zum Interlining mit British Midland verpflichtet werden kann. Wenn die beherrschende Gesellschaft ein dichtes Flugnetz aufgebaut und damit einen berechtigten Wettbewerbsvorteil erworben hat, braucht sie diesen nicht unbedingt mit ihren Wettbewerbern zu teilen. Auch können neue Marktteilnehmer nicht damit rechnen, auf die Flugfrequenzen und Streckennetze ihrer Wettbewerber unbegrenzt zurückgreifen zu können, sondern müssen sich bemühen, ein dichtes Netz an Verbindungen und Frequenzen selbst aufzubauen und eine Marktstellung zu erringen, mit der sie ein hinreichendes Interesse bei Reisebüros und Flugreisenden erwecken können.

Die Kommission ist deshalb der Auffassung, daß ein Interlining nur für den Zeitraum verpflichtend sein soll, der für British Midland erforderlich ist, um einen Flugdienst aufzubauen ohne eine übermässige Benachteiligung zu erleiden, die ihm von einem marktbeherrschenden Wettbewerber im Widerspruch zu den üblichen Geschäftsgepflogenheiten auch dieses Wettbewerbs zugefügt wird.

Eine Reihe von Faktoren erschweren es jedoch British Midland, auf der Strecke Heathrow-Dublin Fuß zu fassen: Är Lingus verfügt in seinem Heimatland über eine beträchtliche wirtschaftliche Stärke und im Vergleich mit British Midland über einen sehr hohen Anteil am Passagieraufkommen und hohe Flugfrequenzen. Da in Heathrow zu wenig Zeitnischen verfügbar sind, könnte British Midland die Strecke nach Dublin nicht häufiger befliegen, ohne zugleich die Frequenz auf einigen seiner übrigen Strecken zu verringern. Strebt British Midland eine mit Är Lingus vergleichbare Stellung an und will ebenfalls einen Flugdienst von sehr hoher Frequenz zwischen London (Heathrow) und Dublin anbieten, so würde das Unternehmen ausreichend Zeit benötigen, um wirtschaftlich stärker zu werden und einen angemessenen Flugplan auszuarbeiten. Die Kommission hält eine Verpflichtung zum Interlining während eines Zeitraums von zwei Jahren angesichts der im Jahr 1989 bestehenden Verpflichtung und der seither eingetretenen Umstände für angemessen.

Sollten sich die Marktgegebenheiten während dieses Zeitraums wesentlich ändern, wird die Kommission diese Auflage erneut prüfen. Sie wird nach Ablauf dieses Zeitraums untersuchen, ob diese Auflage angesichts der dann vorherrschenden Marktbedingungen, der Markterfolge von British Midland und der dieser Gesellschaft in den Weg gelegten Hindernisse verlängert werden muß -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Är Lingus plc hat gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen, indem es British Midland Airways Limited am 7. Mai 1989 die Befugnis entzogen hat

i) Beförderungsdokumente für Flüge zwischen Dublin und London (Heathrow) gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an seinen Beförderungsdokumenten gemäß den allgemein üblichen Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen.

(2) Är Lingus plc hat gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen, indem es an den Tarifkonsultationen vom 7. und 8. Februar 1991 teilgenommen hat, ohne British Midland Airways Limited die Befugnis zu erteilen

i) Beförderungsdokumente für Flüge innerhalb der Gemeinschaft gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an den Beförderungsdokumenten für Flüge innerhalb der Gemeinschaft gemäß den allgemein anwendbaren Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen.

Artikel 2

Är Lingus plc hat binnen zwei Monaten vom Datum der Zustellung dieser Entscheidung an die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Verstösse einzustellen und für einen Zeitraum von zwei Jahren ab diesem Zeitpunkt British Midland Airways Limited die Befugnis zu erteilen

i) Beförderungsdokumente für Flüge zwischen Dublin und London (Heathrow) gemäß seinen Tarifen und den sonstigen Bestimmungen der IATA-Entschließung 780 auszugeben oder zu vervollständigen und

ii) Änderungen an seinen Beförderungsdokumenten gemäß den allgemein anwendbaren Verfahren nach IATA-Entschließung 736 vorzunehmen.

Är Lingus hat der Kommission alle Maßnahmen mitzuteilen, die es zum Zwecke der Erfuellung dieser Auflage ergreift.

Artikel 3

Wegen der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Verstösse wird eine Geldbusse von 750 000 ECU gegen Är Lingus plc festgesetzt.

Die Geldbusse ist binnen drei Monaten vom Datum der Zustellung dieser Entscheidung an auf das Konto Nr. 310-0933000-43 bei der Banque Bruxelles Lambert, Agence Européenne, Rond-Point Schuman 5, B-1040 Brüssel, zu überweisen.

Nach Ablauf dieses Zeitraums werden Zinsen zu dem Satz fällig, der vom Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit in seinen Ecu-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats angewandt wird, in dem diese Entscheidung erlassen wurde, zuzueglich 3,5 Prozentpunkten, d. h. 13,75 %.

Bei Zahlung in der Landeswährung des Mitgliedstaats, in dem die zur Auszahlung genannte Bank niedergelassen ist, wird der am Tag vor der Auszahlung geltende Wechselkurs angewandt.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an Är Lingus plc, Dublin Airport, Dublin, Irland, gerichtet.

Diese Entscheidung ist ein vollstreckbarer Titel nach Artikel 192 EWG-Vertrag. Brüssel, den 26. Februar 1992 Für die Kommission

Leon BRITTAN

Vizepräsident

(1) ABl. Nr. L 374 vom 31. 12. 1987, S. 1. (2) ABl. Nr. L 376 vom 31. 12. 1988, S. 10. (3) Rund 10 bis 20 % der auf dieser Strecke beförderten Fluggäste setzen ihren Flug über London bzw. Dublin hinaus fort. Wenn man diese Anschlußreisenden ausnimmt, um den Umfang des eigentlichen Quell/Zielverkehrs zu ermitteln, ergibt sich bei den Anteilen der Fluggesellschaft keine spürbare Änderung. (4) ABl. Nr. L 10 vom 15. 1. 1991, S. 14. (5) Im Anschluß an diese Erklärung erläuterte ein Vertreter der Kommission die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 84/91 und gab den Teilnehmern, die sich der Verpflichtung zum Interlining entziehen wollten, den Rat, den Konsultationen fern zu bleiben. (6) ABl. Nr. L 374 vom 31. 12. 1987, S. 1.