31991D0538

91/538/EWG: Entscheidung der Kommission vom 7. Mai 1991 über den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung in Belgien (Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 294 vom 25/10/1991 S. 0043 - 0046


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 7. Mai 1991 über den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung in Belgien (Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich) (91/538/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 93 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2759/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch (1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1249/89 (2), insbesondere auf Artikel 21,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (3), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1628/91 (4), insbesondere auf Artikel 24,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äusserung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrags (5) und gestützt auf diese Äusserung,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I

(1) Die Kommission hat Ende 1986 eine umfassende Prüfung aller in den Mitgliedstaaten erhobenen Sonderabgaben in der Landwirtschaft und der Fischerei sowie der Verwendung dieser Abgaben u. a. zur Finanzierung von Beihilfen beschlossen. Im Hinblick auf die hierfür erforderlichen Informationen ist im Laufe des Jahres 1987 ein Standardschreiben an alle Mitgliedstaaten gerichtet worden. Die belgischen Behörden haben darauf mit Schreiben vom 7. Juni 1988 geantwortet. Mit Schreiben vom 10. April 1989 hat die Kommission zusätzliche Informationen bei den belgischen Behörden angefordert, die dieser Anfrage mit Schreiben vom 6. Juli 1989 nachgekommen sind.

(2) Die fraglichen Maßnahmen wurden mit dem Gesetz vom 24. März 1987 über die Tiergesundheit, insbesondere Artikel 32 Absatz 2, und dem Königlichen Erlaß vom 11. Dezember 1987 über die Pflichtbeiträge für den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung eingeführt.

Zweck dieses Fonds ist die Beteiligung an der Finanzierung von Entschädigungen, Subventionen und anderen Leistungen betreffend die Bekämpfung von Tierkrankheiten sowie die Verbesserung von Hygiene, Gesundheit und Qualität der Tiere und tierischen Erzeugnisse. Die Mittel dieses Fonds werden teilweise durch Pflichtbeiträge aufgebracht. Die Höhe dieser Pflichtbeiträge wurde mit dem Königlichen Erlaß vom 11. Dezember 1987 festgesetzt.

(3) Gemäß den Artikeln 2 und 3 dieses Erlasses werden folgende Pflichtbeiträge erhoben:

- 315, 105 bzw. 20 bfrs je geschlachtetes Rind, Kalb bzw. Schwein zu Lasten der Schlachthöfe;

- 315, 105 bzw. 20 bfrs je ausgeführtes lebendes Rind, Kalb bzw. Schwein zu Lasten der Ausführer (6).

(4) Der Fonds beteiligt sich zur Zeit an folgenden Programmen:

- Tilgung der klassischen Schweinepest;

- Bekämpfung der Brucellose.

II

(5) Mit Schreiben vom 20. Oktober 1989 hat die Kommission die belgische Regierung davon unterrichtet, daß sie beschlossen habe, hinsichtlich dieser Beihilfen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu eröffnen, da diese Beihilfen teilweise durch Pflichtbeiträge finanziert würden, die auch auf Tiere erhoben werden, die aus den übrigen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Zudem sind diese Pflichtbeiträge als diskriminierende inländische Abgaben im Sinne von Artikel 95 EWG-Vertrag anzusehen, da sie ausschließlich den heimischen Erzeugern zugute kommen.

Die Kommission hat der belgischen Regierung im Rahmen dieses Verfahrens eine Frist zur Äusserung gesetzt.

Sie hat ausserdem die übrigen Mitgliedstaaten sowie die anderen Beteiligten als die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich zu dieser Angelegenheit zu äussern.

Die Bemerkungen der anderen Beteiligten wurden der belgischen Regierung mit Schreiben vom 12. April 1991 (Az. 10546) übermittelt.

III

(6) Mit Schreiben vom 20. November 1989 haben die belgischen Behörden der Kommission folgendes mitgeteilt:

a) Die Behauptung, die Erhebung der Abgabe werde auf eine Stufe übertragen, die zwangsläufig dem Überschreiten der Grenze des eingeführten Erzeugnisses folgt, erscheine nicht gerechtfertigt, da der Steuertatbestand das Schlachten sei und somit der Einführer des lebenden Tieres, der dieses an einen belgischen Verarbeitungsbetrieb verkauft, nicht der Abgabe unterliege.

b) Selbst wenn die Abgabe bei der Einfuhr erhoben würde, wäre sie mit Artikel 95 EWG-Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofes vereinbar, da sie ungeachtet des Ursprungs auf der Schlachtstufe erhoben werde. In seinem Urteil vom 31. Mai 1979 (Denkavit 132/78) (7) habe der Gerichtshof festgestellt, daß eine Abgabe dann Teil einer allgemeinen inländischen Gebührenregelung ist und somit nicht unter die Bestimmungen fällt, die Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle verbieten, wenn sie ein einheimisches und ein gleichartiges eingeführtes Erzeugnis in gleicher Höhe auf der gleichen Handelsstufe erfasst und der Steuertatbestand für beide Erzeugnisse derselbe ist. Die auf der Schlachtstufe erhobene Abgabe erfuelle diese Bedingungen voll und ganz.

c) Der Gerichtshof hat in der Rechtssache 47/69 (8) sein Urteil folgendermassen begründet:

"Die Kommission muß bei ihrer Beurteilung alle für die streitige Maßnahme charakteristischen unmittelbaren und mittelbaren Umstände berücksichtigen, das heisst nicht nur die den nationalen Gewerbezweigen gewährte Beihilfe im eigentlichen Sinne, sondern auch die mittelbare Beihilfe, die sowohl in deren Finanzierungsweise als auch in der engen Verbindung liegen kann, die den Umfang der Beihilfe vom Ertrag der Abgabe abhängig macht. . . . Die streitige Finanzierungsweise hat protektionistische Auswirkungen, die über die Beihilfe im eigentlichen Sinne hinausgehen, da bei ihr die Höhe der staatlichen Beihilfe automatisch mit dem Ertrag der Abgabe und insbesondere ihres von Einfuhrerzeugnissen herrührenden Ertrags ansteigt."

Diese Begründung kann nicht angeführt werden, um die mit dem beanstandeten Königlichen Erlaß eingeführte Abgabe auf eingeführte Tiere, die auf der Schlachtstufe erhoben wird, zu verurteilen.

Es besteht nämlich kein Zusammenhang zwischen der Höhe der zur Bekämpfung von Tierkrankheiten an die Erzeuger gezahlten Entschädigungen und Subventionen und dem Ertrag der Abgabe.

Hierzu ist folgendes anzumerken:

i) Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften machen die Höhe der Beihilfen nicht vom Ertrag der Abgabe, sondern von der Notwendigkeit der Bekämpfung von Tierkrankheiten und vom Wert der geschlachteten Tiere abhängig.

ii) Gemäß Artikel 32 Absatz 2 des Gesetzes vom 24. März 1987 macht der Ertrag der Abgabe nur einen Teil der Finanzierung des Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung aus; ein wesentlicher Teil der Finanzierung stammt aus dem Budget des Landwirtschaftsministeriums.

d) Die Bekämpfung von Tierkrankheiten in Belgien kommt auch den Erzeugern in den übrigen Mitgliedstaaten, insbesondere den Grenzgebieten zu Belgien zugute. Die Gesundung der belgischen Viehbestände gewährleistet in der Tat einen grösseren Schutz der Bestände in den Nachbarstaaten. Zudem werden die gesundheitlichen Risiken für eingeführte Tiere durch die Gesundung der belgischen Bestände verringert.

(7) Mit dem der Kommission nicht mitgeteilten Königlichen Erlaß vom 23. November 1990 wurden die Bestimmungen über die Erhebung von Pflichtbeiträgen zugunsten des Fonds vom 1. Januar 1991 an verlängert.

IV

(8) Die belgischen Behörden haben insofern gegen ihre Verpflichtung aus Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag verstossen, als sie diese Beihilfen nicht in Form eines Entwurfs mitgeteilt haben.

Diese durch Pflichtbeiträge und Mittel aus dem Staatshaushalt finanzierten Beihilfen sind geeignet, im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und durch die Begünstigung der betreffenden Produktionszweige den Wettbewerb zu verfälschen oder zu verfälschen zu drohen.

(9) Die Aktivitäten des Fonds im Bereich der Tiergesundheit sind jedoch dergestalt, daß für sie die Ausnahme gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag geltend gemacht werden kann. Das Programm zur Tilgung der klassischen Schweinepest wurde nämlich gemäß der Richtlinie 80/1095/EWG des Rates (9), zuletzt geändert durch die Richtlinie 87/487/EWG (10), eingeführt, das Programm zur Bekämpfung der Brucellose durch Umsetzung der Richtlinie 64/432/EWG des Rates (11), zuletzt geändert durch die Richtlinie 91/13/EWG (12).

(10) Dieses Argument ist indessen nicht entscheidend, da die Beihilfen zum Teil durch Abgaben finanziert werden, die auf aus den übrigen Mitgliedstaaten eingeführte Erzeugnisse erhoben werden.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Finanzierung einer einzelstaatlichen Beihilfe durch eine Pflichtabgabe ein wesentlicher Bestandteil dieser Beihilfe. Bei der Beurteilung einer solchen Beihilfe sind sowohl die Beihilfe als auch ihre Finanzierung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu prüfen.

So sind diese Beihilfen zwar der Form und den Zielen nach mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, doch hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rechtssache 47/69 ihre Finanzierung durch steuerähnliche Abgaben, die auch auf eingeführte Gemeinschaftserzeugnisse erhoben werden, protektionistische Auswirkungen, die über die Beihilfe im eigentlichen Sinne hinausgehen.

Diese Schutzwirkung liegt unabhängig von dem Ausmaß vor, in dem der Pflichtbeitrag zur Finanzierung der Beihilfe beiträgt. Sie wird nicht durch die - von den belgischen Behörden unterstrichene - Tatsache aufgehoben, daß nur ein Teil der betreffenden Beihilfe durch diese Abgabe finanziert wird. Die Schutzwirkung besteht selbst dann, wenn - wie von den Behörden geltend gemacht - kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Beihilfe und dem Ertrag der Abgabe besteht. Wenn die Abgabe nicht zur Finanzierung beitrüge, stuenden weniger Mittel für die Beihilfen zur Verfügung, und als Alternative wäre entweder der Anteil aus dem Staatshaushalt oder die Abgabe auf in Belgien erzeugte Tiere zu erhöhen.

(11) Ferner sollte der Grundsatz der Nichterhebung von Abgaben auf eingeführte Erzeugnisse auch auf die Schlachtstufe ausgedehnt werden, damit die Freistellung von der Einfuhrabgabe nicht durch ihre blosse Übertragung auf die der Einfuhr folgenden Stufen ersetzt wird.

(12) Da gemäß der Richtlinie 64/432/EWG zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen die Mitgliedstaaten, die Tiere (Rinder und Schweine) versenden, verpflichtet sind, auf die Einhaltung einer Reihe von Gesundheitsmaßnahmen zu achten, mit denen u. a. gewährleistet werden soll, daß ansteckende Krankheiten nicht durch eingeführte Tiere verschleppt werden, dienen die genannten Abgaben in der Praxis zur Finanzierung von Beihilfen, die den belgischen Tierhaltern zugute kommen.

Es sollte schließlich darauf hingewiesen werden, daß sich alle Mitgliedstaaten aufgrund der genannten Richtlinie verpflichtet haben, Tilgungsprogramme durchzuführen. Das Argument der belgischen Behörden, daß die Aktivitäten im Bereich der Tiergesundheit auch den Tierhaltern und den Händlern in den Nachbarstaaten zugute kommen, gilt für alle Mitgliedstaaten, die nach dieser Gemeinschaftsregelung verpflichtet sind, Tilgungsmaßnahmen zu treffen. Es ist daher nicht zulässig, daß auf die aus den übrigen Mitgliedstaaten eingeführten Tiere eine Abgabe erhoben wird, um diese Maßnahmen im Bereich der Tiergesundheit in Belgien zu finanzieren.

(13) Überdies sind diese auf der Schlachtstufe erhobenen Pflichtabgaben auf eingeführte Tiere als diskriminierende inländische Abgaben im Sinne von Artikel 95 des Vertrages anzusehen, da sie ausschließlich den heimischen Erzeugern zugute kommen.

Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 73/79 (13) belastet eine inländische Abgabe die Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten schwerer als die inländischen Erzeugnisse, wenn sie ausschließlich oder hauptsächlich zur Finanzierung von Beihilfen dient, die allein den einheimischen Erzeugnissen zugute kommen.

Die Gründe, die die belgischen Behörden geltend gemacht haben, um die Erhebung der Pflichtbeiträge auf der Schlachtstufe als mit Artikel 95 EWG-Vertrag vereinbar darzustellen, können somit nicht als stichhaltig angesehen werden, da dabei ausser acht gelassen wird, daß die zum Teil durch den Ertrag der Abgabe finanzierten Maßnahmen im Bereich der Tiergesundheit nicht den Einführern zugute kommen.

(14) Die unter Punkt I beschriebenen, vom Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung finanzierten Beihilfen können deshalb wegen ihrer Finanzierungsweise nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden und müssen daher aufgehoben werden -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die von der belgischen Regierung im Rind- und Schweinefleischsektor eingeführten Beihilfen, die durch die im Königlichen Erlaß vom 11. Dezember 1987 über Pflichtbeiträge für den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung vorgesehenen Pflichtabgaben finanziert werden, sind im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und müssen aufgehoben werden, da die Pflichtabgabe auf der Schlachtstufe auch auf die aus den übrigen Mitgliedstaaten eingeführten Erzeugnisse erhoben wird.

Artikel 2

Die belgische Regierung teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen sie getroffen hat, um dieser Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an das Königreich Belgien gerichtet. Brüssel, den 7. Mai 1991 Für die Kommission

Ray MAC SHARRY

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. L 282 vom 1. 11. 1975, S. 1. (2) ABl. Nr. L 129 vom 11. 5. 1989, S. 12. (3) ABl. Nr. L 148 vom 28. 6. 1968, S. 24. (4) ABl. Nr. L 150 vom 15. 6. 1991, S. 16. (5) ABl. Nr. C 24 vom 1. 2. 1990, S. 12. (6) Gegenwärtig belaufen sich die Beiträge auf 630, 200 bzw. 40 bfrs je geschlachtetes oder ausgeführtes Rind, Kalb bzw. Schwein (Königlicher Erlaß vom 23. November 1990). (7) Slg. 1979, S. 1923. (8) Slg. 1970, S. 487. (9) ABl. Nr. L 325 vom 1. 12. 1980, S. 1. (10) ABl. Nr. L 280 vom 3. 10. 1987, S. 24. (11) ABl. Nr. 121 vom 29. 7. 1964, S. 1977/64. (12) ABl. Nr. L 8 vom 11. 1. 1991, S. 26. (13) Slg. 1980, S. 1533.