31990D0555

90/555/EKSG: Entscheidung der Kommission vom 20. Juni 1990 über von den italienischen Behörden zugunsten der Stahlwerke Tirreno und Siderpotenza geplante Beihilfen (Nr. 195/88-Nr. 200/88) (Nur der italienische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 314 vom 14/11/1990 S. 0017 - 0018


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 20. Juni 1990 über von den italienischen Behörden zugunsten der Stahlwerke Tirreno und Siderpotenza geplante Beihilfen (N195/88 - N200/88) (Nur der italienische Text ist verbindlich) (90/555/EGKS)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl,

gestützt auf die Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften für die Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (1), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 4,

nach Aufforderung an die Beteiligten, sich gemäß dem vorstehenden Artikel zu äussern, und unter Berücksichtigung dieser Äusserungen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I 1. Die italienischen Behörden haben der Kommission mit Schreiben vom 20. April 1988 gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS (Stahlbeihilfekodex) zwei Beihilfevorhaben zugunsten der Stahlwerke Tirreno und Siderpotenza gemeldet.

Die Beihilfe an das Stahlwerk Tirreno besteht aus einem zinsgünstigen Darlehen in Höhe von 668 Millionen Lire entsprechend einem Zinszuschuß von 501 Millionen Lire (rund 330 000 ECU) zu Lasten des Staates und einem staatlichen Zuschuß in Höhe von 334 Millionen Lire (rund 220 000 ECU) zur Förderung von Investitionen zur Einsparung von Energie in Höhe von 1 671 Millionen Lire (rund 1,1 Millionen ECU).

Die Beihilfe an das Stahlwerk Siderpotenza besteht aus einem zinsgünstigen Darlehen von 1 021 Millionen Lire entsprechend einem Zinszuschuß von 867 Millionen Lire (rund 570 000 ECU) zu Lasten des Staates und einem staatlichen Zuschuß von 765 Millionen Lire (rund 504 000 ECU) zur Förderung von Investitionen zur Verbesserung des Umweltschutzes eines Umfangs von 2 550 Millionen Lire (rund 1,68 Millionen ECU).

2. Mit Schreiben vom 22. Juni 1988 erbat die Kommission zusätzliche Angaben zu den vorgesehenen Beihilfen, insbesondere zu der Art der zu fördernden Investitionen und zu den Konditionen der beantragten Darlehen (Zinssätze, Laufzeiten). In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß die Investitionsbeihilfen zur Förderung der Energieeinsparung keiner der in dem Stahlbeihilfenkodex vorgesehenen Ausnahmen entsprächen. Die italienischen Behörden wurden ferner gebeten, anzugeben, ob die Beihilfen an Siderpotenza im Rahmen einer allgemeinen Umweltschutzbeihilfenregelung zur Anpassung von Stahlwerksanlagen an neue Normen gewährt würden, und die betreffenden Normen zu nennen. Eine Ausnahmegenehmigung für Beihilfen zugunsten des Umweltschutzes könne ausschließlich aufgrund von Artikel 3 der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS erteilt werden, wobei das Nettosubventionsäquivalent der zu gewährenden Beihilfe 15 % der Investitionskosten nicht übersteigen dürfe.

II

Die italienischen Behörden haben dieses Schreiben unbeantwortet gelassen, so daß die Kommission nicht in der Lage war, die Vereinbarkeit der vorgesehenen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen. Sie leitete deshalb ein Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS ein und setzte die italienischen Behörden hiervon mit Schreiben vom 13. Januar 1989 in Kenntnis. Die übrigen Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten wurden durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (2) informiert.

3. Mit Fernschreiben vom 9. August 1989 teilten die italienischen Behörden im Rahmen des Verfahrens mit, daß ein zinsgünstiges Darlehen in Höhe von 688 Millionen Lire zu einem Satz von 4,25 % mit einer Laufzeit von neun Jahren zugunsten des Stahlwerks Tirreno vorgesehen, jedoch noch nicht ausgezahlt worden sei. Unter Einbeziehung der Zinsen wären hierfür öffentliche Mittel in Höhe von 387,44 Millionen Lire entsprechend 255 000 ECU erforderlich. Für das Stahlwerk Siderpotenza war ein noch nicht ausgezahltes, zinsgünstiges Darlehen in Höhe von 1 020 Millionen Lire zu einem Satz von 4,25 % mit einer Laufzeit von zehn Jahren vorgesehen. Die hierfür vom Staat zu tragende Zinslast würde sich auf einen Betrag von 673,2 Millionen Lire entsprechend 438 000 ECU belaufen. In dem Fernschreiben wurde ferner mitgeteilt, daß diese Beihilfe im Rahmen der allgemeinen Beihilferegelung zugunsten von Süditalien im Rahmen des Gesetzes Nr. 183 vom 2. Mai 1976 gewährt würde, wodurch die Einhaltung der Bestimmungen des Stahlbeihilfenkodex gewährleistet wäre. Das genannte Gesetz ermöglicht zwar grundsätzlich die Vergabe von Beihilfen zugunsten des Umweltschutzes, bezieht sich jedoch nicht ausdrücklich auf die einschlägigen Bestimmungen des Stahlbeihilfenkodex. (1) ABl. Nr. L 340 vom 18.12.1985, S. 1. (2) ABl. Nr. C 73 vom 23.3.1990, S. 5.

4. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1989 teilte die Kommission den italienischen Behörden mit, daß ihre Antwort insofern unvollständig sei, als daraus weder die neuen Umweltschutznormen, mit denen die Stahlwerksanlagen in Einklang zu bringen wären, noch die Art und Weise hervorgingen, mit der die Hoechstgrenze von 15 % Nettosubventionsäquivalent eingehalten werden könnte.

Die Kommission wies ausserdem darauf hin, daß sie bei Ausbleiben einer angemessenen Antwort innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen befugt sei, eine endgültige Entscheidung anhand der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen. Auch dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

III

Sowohl die Produktion von Tirreno (Stahlträger) als auch die von Siderpotenza (Betonstahl) sind im Anhang I des EGKS-Vertrags (Code Nr. 4.400) aufgeführt und fallen somit in den Anwendungsbereich dieses Vertrages.

Gemäß Artikel 4 Buchstabe c) des Vertrages gelten als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl jegliche von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten innerhalb der Gemeinschaft ; sie sind daher verboten und aufzuheben.

Dieses Verbot umfasst sowohl alle Einzelbeihilfen zugunsten der Stahlindustrie als auch allgemeine, regionale oder sonstige Stahlbeihilfen:

Die einzigen möglichen Abweichungen von diesem generellen Beihilfeverbot sind in der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS sowie der sie seit dem 1. Januar 1989 ersetzenden Entscheidung Nr. 322/89/EGKS (1) erschöpfend aufgeführt. Diese Ausnahmebestimmungen wurden mit dem Ziel vorgesehen, die Stahlindustrie hinsichtlich des Zugangs zu öffentlichen Mitteln zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung aus Gründen des Umweltschutzes sowie von Werksstillegungen gegenüber anderen Industriezweigen nicht zu benachteiligen.

Diese Ausnahmebestimmungen bezwecken keinesfalls eine Lockerung der Gemeinschaftsdisziplin für Beihilfen an die Stahlindustrie, die angesichts der schweren Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt ist, die ihrerseits mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen in einem Wirtschaftszweig verursachen könnten, der trotz der unlängst ergriffenen Sanierungsmaßnahmen nach wie vor krisenanfällig ist. Die deshalb erforderliche Aufrechterhaltung der Gemeinschaftsdisziplin bedingt, daß Beihilfen an ein Stahlunternehmen erst genehmigt werden dürfen, nachdem sich die Kommission davon hat überzeugen können, daß die Vorgaben des Beihilfekodex tatsächlich erfuellt sind.

Hinsichtlich des Stahlwerks Tirreno kann von einer Erfuellung dieser Voraussetzungen offensichtlich keine Rede sein, da Energieeinsparungen kein möglicher Ausnahmegrund sind. Nachdem die Kommission die italienischen Behörden über diesen Sachverhalt unterrichtet hatte, sind ihr von dieser keine Gegenargumente übermittelt worden, die sie zu einer Änderung ihres Standpunktes hätten veranlassen können.

Auch im Fall Siderpotenza konnten die italienischen Behörden der Kommission nicht nachweisen, daß die Voraussetzungen zur Anwendung der Ausnahmebestimmungen erfuellt sind ; dies gilt sowohl für das Vorhandensein neuer Normen im Bereich des Umweltschutzes, zu deren Einhaltung die geförderte Investition erforderlich gewesen sei, als auch für die Intensitäts-Hoechstgrenze von 15 % NSÄ der Investitionskosten.

Nach den Berechnungen der Kommission ergibt sich ein Nettosubventionsäquivalent von bis zu 43,42 % bestehend aus 13,42 % NSÄ für das zinsgünstige Darlehen sowie einem Subventionsäquivalent von bis zu 30 % für den Zuschuß zu den Investitionskosten, womit die genannte Hoechstgrenze bei weitem übertroffen wird.

Die erforderlichen Voraussetzungen sind somit in beiden Fällen nicht erfuellt -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Beihilfen der italienischen Regierung zugunsten des Stahlwerks Tirreno in Form eines zinsgünstigen Darlehens von 688 Millionen Lire zu einem Zinssatz von 4,25 % und mit einer Laufzeit von zehn Jahren sowie eines Zuschusses von 334 Millionen Lire sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und dürfen nicht gewährt werden.

Die Beihilfen der italienischen Regierung zugunsten des Stahlwerks Siderpotenza in Form eines zinsgünstigen Darlehens von 1 020 Millionen Lire zu einem Zinssatz von 4,25 % und mit einer Laufzeit von neun Jahren sowie eines Zuschusses von 765 Millionen Lire sind ebenfalls mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und dürfen nicht gewährt werden.

Artikel 2

Die italienische Regierung teilt der Kommission binnen zwei Monaten ab der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die sie getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 20. Juni 1990

Für die Kommission

Leon BRITTAN

Vizepräsident

(1) ABl. Nr. L 38 vom 10.2.1989, S. 8.