31987D0017

87/17/EWG: Entscheidung der Kommission vom 17. Dezember 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG- Vertrag (IV/30.937 - Pronuptia) (Nur der französische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 013 vom 15/01/1987 S. 0039 - 0047


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ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 17. Dezember 1986

betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag

(IV/30.937 - Pronuptia)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(87/17/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN

GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrags (1) - zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, insbesondere auf die Artikel 6 und 8,

im Hinblick auf den am 22. April 1983 von der französischen Aktiengesellschaft Pronuptia de Paris mit Sitz in Paris (Frankreich) eingereichten Antrag auf Erteilung eines Negativattestes sowie die Anmeldung des Musterfranchisevertrages, den sie von allen ihren Franchisenehmern unterzeichnen zu lassen beabsichtigt,

im Hinblick auf die Zusammenfassung der gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 veröffentlichten Mitteilung (2),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

A. Das Unternehmen Pronuptia de Paris

(1) Pronuptia de Paris (nachstehend Pronuptia genannt) ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital in Höhe von 3 300 000 ffrs. Sie wurde 1958 gegründet und ist auf den Verkauf von Hochzeitskleidung und der dazugehörigen Accessoires spezialisiert. Mit Urteil vom 9. Dezember 1985 hat das Tribunal de Commerce in Paris für Pronuptia ein »règlement judiciaire" zugelassen und gleichzeitig die unmittelbare Weiterführung des Unternehmens genehmigt.

(2) Pronuptia übt ihre Tätigkeiten in erster Linie in Frankreich und mehreren anderen europäischen Ländern aus, ist jedoch auch in Ländern wie Kanada, Japan, dem Libanon und den Vereinigten Staaten vertreten.

(3) In Frankreich besteht das Vertriebsnetz des Unternehmens aus 135 franchisierten Verkaufsstellen, fünf Tochtergesellschaften und acht Zweigstellen.

(4) In den anderen Mitgliedstaaten, in denen Pronuptia das Franchising für die Vermarktung ihrer Erzeugnisse einsetzt (Deutschland, Belgien, Spanien, Griechenland, Irland, Luxemburg und Vereinigtes Königreich), beläuft sich die Anzahl der franchisierten Verkaufsstellen auf etwas über 100.

Pronuptia hat ausserdem Tochtergesellschaften in Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich.

(5) Der weltweit von dem gesamten Pronuptia-Netz erzielte Umsatz betrug 1985 rund 250 Millionen ffrs.

(6) Nach eigenen Aussagen ist Pronuptia »weltweit die grösste Festartikel vertreibende Handelskette . . . (und) die einzige auf dem französischen Markt für den Absatz von Hochzeitskleidung gebildete Gruppe, die somit keinerlei Wettbewerb ausgesetzt ist" (3).

In Frankreich besitzt Pronuptia einen Marktanteil von ungefähr 30 % für Hochzeitskleidung. In den anderen EG-Ländern ist ihre Marktstellung dagegen eher bescheiden.

B. Die Erzeugnisse und der relevante Markt (1)

(7) Innerhalb ihres Vertriebsnetzes bietet Pronuptia nicht nur Brautkleider an, sondern auch die dazugehörigen Accessoires (Strümpfe und Strumpfhosen, Handschuhe, Schuhe, Taschen, Strumpfbänder, Schals usw.), den Kopfschmuck (Hüte, Schleier usw.), die Kleidung für den Hochzeitszug, die Wäsche, die Herrenanzuege usw. Auf diese Weise stellt Pronuptia den Verbrauchern eine etwa 1 000 Artikel pro Jahr (einschließlich sämtlicher Erzeugnisse) umfassende Kollektion zur Verfügung.

(8) Die von Pronuptia angebotenen Waren stammen aus drei Bezugsquellen, die drei Gruppen von Lieferanten entsprechen:

a) ausschließlich von Pronuptia kreierte und im Zulieferverfahren hergestellte Waren: die angemeldeten Brautkleidmodelle, die geschützt sind und das Warenzeichen »Pronuptia" tragen;

b) weitere nicht von Pronuptia selbst entworfene Modelle, die der Modedesigner des Unternehmens jedoch bei einem Lieferanten ausgewählt hat oder die ein Lieferant für Pronuptia entworfen hat und die ebenfalls das Warenzeichen »Pronuptia" tragen;

c) Waren, die weder von Pronuptia entworfen noch ausschließlich für dieses Unternehmen geschaffen wurden und die die Franchisenehmer unmittelbar von Lieferanten ihrer Wahl beziehen und die von den Lieferanten in Rechnung gestellt werden.

Die unter Buchstabe a) und b) genannten Waren, die von Pronuptia auf Lager gehalten und in Rechnung gestellt werden, stellen etwa zwei Drittel der von dem Verkaufsnetz abgesetzten Erzeugnisse dar. Pronuptia verkauft diese Erzeugnisse an alle seine Franchisenehmer zum gleichen Preis.

(9) Auf dem betreffenden Sektor sind zahlreiche Hersteller in Frankreich und in anderen Ländern des Gemeinsamen Marktes tätig. Dazu gehören beispielsweise in Frankreich »Les Mariées de Christina", »Les Mariées de Marcel" (Maggy Rouff), »Les Mariées de France", »Les Mariées de Rêve", Claude Hervé, »Les Mariées de Laura" und in Deutschland die Firmen Vera Mont, Pagels und Horrn sowie die Handelskette Team Brantude International. Die genannten Hersteller setzen gewöhnlich nicht das Franchisingsystem für den Absatz ihrer Waren ein.

Ausserdem zu erwähnen ist der Wettbewerb seitens kleiner Schneiderbetriebe und der grossen Modeschöpfer, die auch alle Brautkleider anbieten.

C. Der Franchisevertrag »Pronuptia"

(10) Pronuptia beabsichtigt, den angemeldeten Franchisevertrag von allen ihren Franchisenehmern sowohl in Frankreich als auch in den anderen Staaten des Gemeinsamen Marktes und Drittländern unterzeichnen zu lassen.

Pronuptia möchte, daß sich die Kommission im Wege einer Entscheidung zu ihrem Antrag auf Freistellung äussert.

(11) Der Mustervertrag von Pronuptia (in diesem Zusammenhang Franchisegeber genannt) enthält folgende wesentliche Bestimmungen:

- Der Franchisegeber räumt dem Franchisenehmer für ein bestimmtes geographisches Gebiet die ausschließliche Nutzung des Warenzeichens »Pronuptia de Paris" ein. Der Franchisenehmer wird seinen Handel, der hauptsächlich Waren im Zusammenhang mit der Brauttoilette betrifft, unter dem Wortzeichen »Pronuptia" oder einem vom Franchisegeber akzeptierten abgeleiteten Wortzeichen ausüben. Der Franchisegeber schreibt dem Franchisenehmer 10 % des Betrages seines Versandhandels in diesem Gebiet gut, sofern es sich um gewöhnlich vom Franchisenehmer verkaufte Waren handelt (Artikel 1).

- Der Franchisegeber verpflichtet sich, den Franchisenehmer insbesondere hinsichtlich folgender Fragen zu unterstützen: Warenforschung, Standortfrage, Aufmachung und Ausstattung der Verkaufsstelle, ständige Weiterbildung des Personals, Werbung - wobei er ihm Material zur Verfügung stellt und die Übereinstimmung mit dem Firmenimage kontrolliert -, Informationen über neue Produkte, Ankäufe, statistische Analysen, Ideen für die Verkaufsförderung usw. (Artikel 3).

- Der Franchisenehmer unterlässt es, das Warenzeichen sowie das Wortzeichen anders als in Verbindung mit seinem Gesellschaftsnamen, gefolgt von dem Vermerk »Franchisenehmer von Pronuptia de Paris" zu verwenden (Artikel 2).

- Der Franchisenehmer muß die vom Franchisegeber ausgearbeiteten Handelsverfahren anwenden und das ihm zur Verfügung gestellte Wissen und die Erfahrung verwenden (Artikel 4 erster Gedankenstrich).

- Der Franchisenehmer hat den Franchisevertrag nur in den von dem Franchisegeber genehmigten Räumen anzuwenden, die nach dessen Anweisungen eingerichtet und gestaltet sind (Artikel 4 zweiter Gedankenstrich).

- Der Franchisenehmer muß für seine örtliche Werbung die Zustimmung des Franchisegebers einholen (Artikel 4 dritter Gedankenstrich).

- Als Gegenleistung für die von dem Franchisegeber überlassenen Rechte und erbrachten Leistungen muß der Franchisenehmer dem Franchisegeber (1) eine anfängliche Pauschalvergütung sowie eine proportionelle laufende Vergütung von 4 bis 5 % auf den Gesamtumsatz beim Direktverkauf an die Verbraucher zahlen, der in den Räumen erzielt wurde, auf die der Franchisevertrag Anwendung findet (Artikel 5).

- Der Franchisenehmer verpflichtet sich, in demselben Masse wie die genannte Vergütung zur Werbung und Verkaufsförderung für das Warenzeichen Pronuptia beizutragen. Die Verwendung dieses Beitrags obliegt dem Franchisegeber, der sich allerdings mit dem Franchisenehmer absprechen wird, um das bestmögliche Resultat zu erzielen (Artikel 6).

- Der Franchisenehmer verpflichtet sich zur Zahlung einer jährlichen Mindestvergütung (Artikel 7).

- Der Franchisenehmer darf die verkauften Artikel nur bei dem Franchisegeber und bei den von diesem genehmigten Lieferanten beziehen. Die Bestellungen bei letzteren können ausgeschlossen werden, wenn der Franchisegeber in der Lage ist, selbst eine ausschließliche Versorgung sicherzustellen (Artikel 8 Absätze 1 und 3).

Der Franchisenehmer kann die nicht mit dem wesentlichen Gegenstand des Franchisevertrags verbundenen Artikel bei einem Lieferanten seiner Wahl beziehen. Der Franchisegeber behält sich allerdings eine nachträgliche Kontrolle der genannten Artikel sowie das Recht vor, ihre Vermarktung zu untersagen, wenn er sie für das Image des Warenzeichens Pronuptia für ungeeignet hält (Artikel 8 Absätze 4 und 5).

Der Franchisenehmer verpflichtet sich, die Aufträge für mindestens 50 % der anhand der Aufträge des Vorjahres geschätzten Verkäufe im voraus zu erteilen und die in den Katalogen erscheinenden Waren auf Lager zu haben (Artikel 8 Absätze 7 und 8).

Der Franchisenehmer kann bei jedem Franchisenehmer innerhalb des Absatzgebietes Pronuptia-Erzeugnisse beziehen (Artikel 8 Absatz 9).

- Der Franchisenehmer kann seine Verkaufspreise frei festsetzen. Bei den von dem Franchisegeber in den Geschäftsunterlagen genannten Preisen handelt es sich lediglich um Richtpreise. Der Franchisegeber empfiehlt dem Franchisenehmer, die von dem Franchisegeber bei seinen Aktionen zur Verkaufsförderung angegebenen Preise nicht zu überschreiten (Artikel 9).

- Der Vertrag kann tatsächlich oder rechtlich nicht ohne schriftliche Zustimmung des Franchisenehmers abgetreten werden. Bei Verkauf, Verpachtung, im Falle des Todes oder der Unfähigkeit des Franchisenehmers aus einem anderen Grund, seine Tätigkeiten in der üblichen Weise auszuführen, behält sich der Franchisegeber das Recht zur Kündigung des Vertrages vor (Artikel 10). Der Vertrag kann auch bei Antrag auf Konkurseröffnung, Vermögensliquidation, Aufgabe der Handelstätigkeit oder Nichterfuellung der Verpflichtungen durch eine der Parteien gekündigt werden (Artikel 13).

- Der Vertrag wird für fünf Jahre geschlossen; er wird stillschweigend jeweils um ein Jahr verlängert, es sei denn, seine Kündigung erfolgt mindestens sechs Monate vor Ablauf eines Einjahreszeitraums (Artikel 11).

- Der Franchisenehmer unterlässt es während der Vertragsdauer und ein Jahr danach, unmittelbar oder mittelbar im gleichen Gebiet oder in einem anderen Gebiet, das mit einer anderen Pronuptia-Verkaufsstelle im Wettbewerb steht, eine vergleichbare Tätigkeit aufzunehmen. Der Franchisenehmer wird allerdings ermächtigt, seine Tätigkeit nach Vertragsende in dem zugewiesenen Gebiet weiterhin auszuüben:

i) wenn er das Franchisesystem mehr als 10 Jahre angewandt hat,

ii) wenn er seine vertraglichen Verpflichtungen erfuellt hat,

iii) wenn er kein mit Pronuptia im Wettbewerb stehendes Vertriebsnetz von dem erworbenen Wissen und der Erfahrung profitieren lässt (Artikel 12).

(12) Auf Wunsch der Kommission hat Pronuptia den gemeldeten Vertrag dahingehend geändert, daß er mit seiner tatsächlichen Anwendung übereinstimmt, indem in dem Vertrag insbesondere erklärt wird, daß der Franchisenehmer:

a) die Pronuptia-Erzeugnisse bei anderen Franchisenehmern kaufen kann;

b) die nicht mit dem wesentlichen Gegenstand des Franchise-Vertrags verbundenen Artikel - vorbehaltlich einer im nachhinein erfolgenden qualitativen Kontrolle des Franchisegebers - bei Lieferanten seiner Wahl kaufen kann;

c) seine Verkaufspreise frei festsetzen kann, da die von dem Franchisegeber genannten Preise lediglich Richtpreise sind, oder Preise, die der Franchisegeber dem Franchisenehmer nicht zu überschreiten empfiehlt, sofern diese Preise vom Franchisegeber bei seinen Aktionen zur Verkaufsförderung angegeben werden. Pronuptia hat ausserdem die Klausel gestrichen, wonach dem Franchisenehmer auferlegt ist, bei der Festsetzung seiner Preise dem Image der Marke des Franchisegebers nicht zu schaden.

D. Rechtsstreit zwischen einem deutschen Franchisegeber und Franchisenehmer

(13) Im Vorauf eines Rechtsstsreits, in dem sich 1981 das deutsche Unternehmen Pronuptia GmbH (Tochtergesellschaft von Pronuptia) und einer seiner Franchisenehmer gegenüberstanden und der einen Franchisingvertrag zum Gegenstand hatte, der im wesentlichen dem in der vorliegenden Angelegenheit behandelten Mustervertrag entsprach, ersuchte der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, über bestimmte Fragen im Wege der Vorabentscheidung zu entscheiden, insbesondere:

- ob Artikel 85 Absatz 1 auf Franchiseverträge der hier betroffenen Art Anwendung findet und, sofern dies der Fall ist,

- ob die Verordnung Nr. 67/67/EWG der Kommission (1) für die genannten Verträge gilt und falls ja,

- ob bestimmte Klauseln in diesen Verträgen unter die genannten Verordnung Nr. 67/67/EWG fallen.

Der Gerichtshof hat sein Urteil am 28. Januar 1986 erlassen.

(14) Darin definiert der Gerichtshof den in der vorliegenden Angelegenheit betroffenen Franchisevertrag als ein System, mit dem »ein Unternehmen, das sich auf einem Markt als Vertriebsunternehmen etabliert hat und so eine Geschäftskonzeption hat entwickeln können, unabhängigen Händlern gegen Vergütung die Möglichkeit einräumt, unter Benutzung seiner Geschäftsbezeichnung und durch Übernahme der Geschäftsmethoden, die seinen Erfolg begründen haben, auf anderen Märkten Fuß zu fassen. Es handelt sich weniger um eine Vertriebsform als vielmehr um eine Art wirtschaftlicher Verwertung eines Wissensschatzes ohne Einsatz von eigenem Kapital" (Randnummer 15 des Urteils).

(15) Die Verwendung eines gleichen Wortzeichens, die Anwendung gleicher Handelsverfahren sowie die Zahlung von Vergütungen für die eingeräumten Vorteile sind nach Auffassung des Gerichtshofs Faktoren, die die Franchiseverträge von den Alleinvertriebsverträgen und den selektiven Vertriebssystemen unterscheiden (Randnummer 15 des Urteils).

(16) Der Gerichtshof erkennt an, daß Vertriebsfranchising für ein ordnungsgemässes Funktionieren zwei Voraussetzungen erfuellen muß, daß nämlich der Franchisegeber:

- »in der Lage sein muß, den Franchisenehmern sein Know-how zu vermitteln und ihnen die für die Anwendung seiner Methoden erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen", ohne Gefahr zu laufen, daß dies Konkurrenten zugute kommt (Randnummer 16 des Urteils), und

- »in der Lage sein muß, die Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der Identität und des Namens der durch die Geschäftsbezeichnung symbolisierten Vertriebsorganisation angezeigt sind" (Randnummer 17 des Urteils).

(17) Der Gerichtshof hat, nachdem er bestätigte, daß ein auf den Vertrieb ausgerichtetes Franchisesystem »an sich dem Wettbewerb nicht beeinträchtigt" (Randnummer 15 des Urteils), für Recht erkannt, daß »die Vereinbarkeit der Verträge über Vertriebsfranchising mit Artikel 85 Absatz 1 von den einzelnen Bestimmungen dieser Verträge abhängt sowie von dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem diese Verträge stehen".

(18) Sodann hat der Gerichtshof entschieden, daß folgende Bestimmungen keine Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 darstellen: »die Bestimmungen, die unerläßlich sind, damit das vermittelte Know-how und die vom Franchisegeber gewährte Unterstützung nicht den Konkurrenten zugute kommen" und »die Bestimmungen über die Kontrolle, die zur Wahrung der Identität und des Ansehens der durch die Geschäftsbezeichnung symbolisierten Vertriebsorganisation unerläßlich ist".

(19) Dagegen hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß »die Bestimmungen zur Aufteilung der Märkte zwischen Franchisegeber und Franchisenehmern oder unter den Franchisenehmern Wettbewerbsbechränkungen gemäß Artikel 85 Absatz 1 darstellen . . . (und) geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen".

(20) Der vorliegende Fall soll unter Berücksichtigung der vorgenannten Leitlinien und Grundsätze beurteilt werden.

(21) Auf die Veröffentlichung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 haben Dritte der Kommission ihre Bemerkungen mitgeteilt.

Daraus ist insbesondere der Wunsch ersichtlich, die Kommission möge den fraglichen Mustervertrag in seinem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang besonders sorgfältig und vorsichtigt prüfen, bevor sie darüber eine befürwortende Entscheidung erlässt. Ausserdem wurden hinsichtlich einiger Vertragsbestimmungen Vorbehalte angemeldet. Sie beziehen sich insbesondere auf das Richtpreissystem und das Wettbewerbsverbot sowie auf diejenigen Bestimmungen, die sich als Marktaufteilung erweisen. Es ist diesbezueglich zu betonen, daß diese Bestimmungen gemäß den Grundsätzen und Leitlinien des bereits genannten »Pronuptia"-Urteils des Gerichtshofes geprüft und beurteilt worden sind, wobei den wirtschaftlichen Zusammenhängen dieses Falls sorgfältig Rechnung getragen wurde.

(1) ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

(2) ABl. Nr. C 178 vom 16. 7. 1986, S. 2.

(3) Das Know-how von Pronuptia, Band 1, Abschnitt I, 1 und II, 1 und 3.

(1) Nicht berücksichtigt wurden bestimmte, von Pronuptia im Zusammenhang mit Hochzeiten angebotene Dienstleistungen (Hochzeitsreise, Photograph, Traiteurbetrieb usw.), da sie zur Zeit nur in Frankreich und dann auch nur angeboten werden, wenn der Franchisenehmer dies wünscht. Die genannten Dienstleistungen wirken sich deshalb offenbar auf den betreffenden Sektor nicht aus.

(1) Die anfängliche Pauschalvergütung ist von der vom Franchisevertrag erfassten Bevölkerung abhängig und schwankt zwischen 15 und 20 cts. je Einwohner. Durchschnittlich werden etwa 300 000 Einwohner von einem Franchisevertrag erfasst. Die Vergütung liegt deshalb zwischen 45 000 und 60 000 ffrs.

(1) ABl. Nr. 57 vom 25. 3. 1967, S. 849/67.

II. RECHTLICHE BEURTEILUNG

A. Artikel 85 Absatz 1

(22) Nach Artikel 85 Absatz 1 sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

(23) Der hier betroffene Muster-Franchisevertrag, den Pronuptia von allen ihren Franchisenehmern unterzeichnen zu lassen beabsichtigt, stellt eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 dar.

a) Nicht unter Artikel 85 Absatz 1 fallende Bestimmungen

(24) Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Verpflichtung für den Franchisegeber, den Franchisenehmer insbesondere hinsichtlich der Warenforschung, Standortfrage, Aufmachung der Verkaufsstelle, Werbung, Weiterbildung des Personals, Warenauswahl und der neuen Erzeugnisse usw. zu unterstützen (Artikel 3 des Vertrages) nicht unter Artikel 85 Absatz 1 fällt, da sie zur Hauptleistung des Franchisegebers gegenüber dem Franchisenehmer gehört.

(25) Wie der Gerichtshof befand (s. oben Ziffer 18) und sogar mit Beispielen belegte, sind keine Wettbewerbsbeschränkungen gemäß Artikel 85 Absatz 1:

i) die Bestimmungen, die unerläßlich sind, damit das vermittelte Know-how und die vom Franchisegeber gewährte Unterstützung nicht den Konkurrenten zugute kommen, was insbesondere zutrifft auf:

- das dem Franchisenehmer auferlegte Verbot, während der Vertragsdauer und ein Jahr danach unmittelbar oder mittelbar im gleichen Gebiet oder in einem anderen Gebiet, das mit einer anderen Pronuptia-Verkaufsstelle im Wettbewerb steht, eine vergleichbare Tätigkeit aufzunehmen (Art. 12). Das Wettbewerbsverbot während der Vertragsdauer ist zum Schutz des überlassenen Know-hows und der gewährten Unterstützung unerläßlich. Beides bietet sich ihrer Art nach für eine Verwendung zugunsten von anderen Erzeugnissen an, wodurch, zumindest indirekt, Wettbewerber begünstigt würden. Andere Mittel zur Vermeidung dieses Risikos könnten sich als weniger wirksam erweisen. Im übrigen kann die Ausdehnung des Wettbewerbsverbotes auf ein Jahr nach Vertragsende im vorliegenden Fall als ein angemessener Zeitraum in dem vom Gerichtshof genannten Sinn (Randnummer 16 des Urteils) und weiter deshalb als angemessen betrachtet werden, weil Pronuptia gegebenenfalls ermöglicht wird, im Gebiet des ehemaligen Franchisenehmers eine neue Verkaufsstelle einzurichten, auf der das Unternehmen wegen der Einräumung des Alleinvertriebsrechts an den Franchisenehmer während der Dauer des Vertrages keine Tätigkeit ausüben durfte. Im übrigen ist zu betonen, daß das genannte über die Vertragsdauer hinausgehende Wettbewerbsverbot nicht abolsut ist. Es gilt nämlich nicht für den Franchisenehmer, der bestimmte Vorausstzungen erfuellt (Artikel 12 Absatz 2). In diesem Fall kann dieses Verbot also nicht als eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 betrachtet werden. Die Beurteilung dieser Klausel berührt auch nicht die weiteren rechtlichen Möglichkeiten, die den Franchisenehmern durch das nationale Recht bei Vertragsende eröffnet sind;

- das dem Franchisenehmer auferlegte Verbot, sein Geschäft zu verkaufen oder zu verpachten, was andernfalls zur Kündigung des Vertrages durch den Franchisegeber führen könnte (Artikel 10) und

ii) die Bestimmungen über die Kontrolle, die zur Wahrung der Identität und des Ansehens der durch die Geschäftsbezeichnung symbolisierten Vertriebsorganisationen unerläßlich ist, was insbesondere gilt für:

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, die von Pronuptia angegebenen Handelsverfahren anzuwenden und das zur Verfügung gestellte Wissen und die Erfahrung zu nutzen (Artikel 4 erster Gedankenstrich);

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, den Franchisevertrag in Räumen durchzuführen, die nach den Anweisungen des Franchisegebers eingerichtet und gestaltet sind (Artikel 4 zweiter Gedankenstrich);

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, für seine örtliche Werbung die Zustimmung des Franchisegebers einzuholen (Artikel 4 dritter Gedankenstrich). Es verdient hervorgehoben zu werden, daß diese Kontrolle nur die Art der Werbung betrifft und sichern soll, daß die Werbung dem Markenimage des Pronuptia-Vertriebsnetzes entspricht;

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, angesichts der Art und der Qualität der in diesem Fall betroffenen Waren (Modeartikel) sowie im Hinblick darauf, ein einheitliches Firmenimage zu wahren, die den wesentlichen Gegenstand des Franchisevertrages bildenden Artikel ausschließlich beim Franchisegeber und den von ihm angegebenen Lieferanten zu beziehen (Artikel 8 Absatz 1); Es ist darauf hinzuweisen, daß der Franchisenehmer die betreffenden Artikel bei sämtlichen am Pronuptia-Vertriebsnetz beteiligten anderen Franchisenehmern einkaufen kann (Artikel 8 Absatz 9);

- die nachträgliche qualitative Kontrolle, die sich der Franchisegeber bei den nicht mit dem wesentlichen Gegenstand des Franchisevertrags verbundenen Artikeln vorbehält, die der Franchisenehmer bei Lieferanten seiner Wahl beziehen kann, und das Recht, die Vermarktung der genannten Artikel zu untersagen, sofern sie für das Image des Warenzeichens Pronuptia schädlich sind (Artikel 8 Absätze 4 und 5);

- das Verbot für den Franchisenehmer, den Vertrag ohne vorherige Zustimmung des Franchisegebers abzutreten (Artikel 10).

(26) Der betreffende Mustervertrag enthält ausserdem weitere Bestimmungen, die ihrem Gegenstand, ihrer Art und ihrer Auswirkung nach nicht unter Artikel 85 Absatz 1 fallen. Hierzu gehören:

- das dem Franchisenehmer auferlegte Verbot, das Warenzeichen und das Wortzeichen anders als in Verbindung mit dem Gesellschaftsnamen, gefolgt von dem Vermerk »Franchisenehmer von Pronuptia de Paris" (Artikel 2) zu verwenden. Hierbei handelt es sich nämlich nur um eine nähere Bestimmung des Franchisevertrages;

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, dem Franchisegeber eine anfängliche Pauschalvergütung sowie eine proportionelle laufende Vergütung von 4 bis 5 % auf den Gesamtumsatz beim Direktverkauf an die Verbraucher zu zahlen, der in den Räumen erzielt wurde, auf die der Franchisevertrag Anwendung findet (Artikel 5), da diese Verpflichtung die Gegenleistung für die von dem Franchisegeber überlassenen Rechte und erbrachten Leistungen darstellt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß eine solche Vergütung nicht die Artikel belastet, die der Franchisenehmer an die anderen zum Pronuptia-Vertriebsnetz gehörenden Franchisenehmer verkauft;

- die dem Franchisenehmer auferlegte Verpflichtung, in demselben Masse wie die genannte Vergütung zur Werbung und Verkaufsförderung für das Warenzeichen Pronuptia beizutragen (Artikel 6). Diese Verpflichtung, die zwar die wirtschaftliche Freiheit des Franchisenehmers hinsichtlich des von ihm für die Werbung bereitgestellten Betrags, der Art und Weise ihrer Gestaltung sowie ihrer Zweckmässigkeit einschränkt, scheint im vorliegenden Fall nicht geeignet zu sein, den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt spürbar zu beeinträchtigen;

- die Bestimmung über die vom Franchisegeber genannten Richtpreise sowie die Empfehlung an den Franchisenehmer, die vom Franchisegeber bei seinen Verkaufsförderungsaktionen genannten Preise nicht zu überschreiten (Artikel 9).

Für die Richtpreise ist zu betonen, daß die Kommission keine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zwischen dem Franchisegeber und den Franchisenehmern oder unter den Franchisenehmern hinsichtlich der tatsächlichen Anwendung dieser Preise festgestellt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann die einfache Mitteilung von Richtpreisen durch den Franchisegeber nicht als wettbewerbsbeschränkend angesehen werden, wie der Gerichtshof in seinem obengenannten Urteil feststellte (unter Buchstabe e) der Urteilsformel).

Die sachlichen Feststellungen sowie die obigen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Richtpreise können entsprechend im Zusammenhang mit den Preisen angeführt werden, die der Franchisegeber bei seinen Aktionen zur Verkaufsförderung angibt und die er dem Franchisenehmer empfiehlt, nicht zu überschreiten, da die empfohlenen Preise nicht als solche geeignet sind, den Franchisenehmer in seiner Freiheit bei der Preisfestsetzung zu beeinträchtigen. Die Kommission behält sich das Recht vor, einzuschreiten, wenn der Franchisegeber die Freiheit der Franchisenehmer beeinträchtigen sollte, ihre Verkaufspreise frei festzusetzen.

(27) Wie der Gerichtshof feststellte (Ziffer 15), unterscheiden sich die Vertriebsfranchisingverträge nach ihrer Art und dem auf Gegenseitigkeit beruhenden Inhalt der Leistungen her sowohl von den Alleinvertriebsverträgen als auch von den selektiven Vertriebssystemen.

Vor diesem Hintergrund stellen die den Franchisenehmern auferlegten Verpflichtungen

- zur Zahlung einer jährlichen Mindestvergütung (Artikel 7),

- zur Erteilung der Aufträge für mindestens 50 % der anhand der Aufträge des Vorjahres geschätzten Verkäufe im voraus (Artikel 8 Absatz 7),

- zur Lagerhaltung (Artikel 8 Absatz 8),

im vorliegenden Fall keine Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 dar.

Solche Verpflichtungen könnten bei einem selektiven Vertriebssystem als Wettbewerbsverfälschungen angesehen werden, wenn sie von dem Vertriebsnetz die Unternehmen ausschließen, die zwar die für die Zulassung erforderlichen einheitlichen qualitativen Voraussetzungen erfuellen, jedoch nicht bereit sind, die genannten Verpflichtungen zu akzeptieren, und wenn sie bewirken, daß die Vertriebshändler gezwungen sind, im Verkauf bestimmten Artikeln den Vorzug vor anderen zu geben. In dem hier von Pronuptia praktizierten Vertriebsfranchisingsystem ist die Lage jedoch anders. Ein solches System wird im wesentlichen dadurch charakterisiert, daß der Franchisegeber dem Franchisenehmer das ausschließliche Recht einräumt, für ein geographisch abgegrenztes Gebiet seine Zeichen und sein kommerzielles Know-how zu verwenden und weiter durch die Freiheit des Franchisegebers bei der Auswahl seiner Franchisenehmer. Der Ausschluß jeden anderen Unternehmens auf dem dem Franchisenehmer eingeräumten Gebiet ist eine diesem Vertriebsfranchisingsystem inhärente Folge. Als eine solche Folge kann man weiter die Tatsache ansehen, daß der Franchisenehmer schon wegen der an sein Verkaufslokal geknüpften Ausschließlichkeit der Marke und des Firmenzeichens und dem ihm auferlegten Wettbewerbsverbot seine Verkaufsbemühungen auf die den Gegenstand des Franchisevertrags bildenden Waren konzentriert.

Unter diesen Voraussetzungen kann die tatsächliche Wettbewerbslage auf dem Markt von den betreffenden Verpflichtungen als solchen nicht beeinflusst werden.

b) Unter Artikel 85 Absatz 1 fallende

Bestimmungen

(28) Wie der Gerichtshof feststellte und sogar mit Beispielen belegte (Randnummer 23 und 24 des Urteils und Urteilsformel) »stellen die Bestimmungen, die die Märkte zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer oder unter den Franchisenehmern aufteilen, Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 dar". Dies trifft zu auf:

- die Bestimmung, mit der der Franchisegeber dem Franchisenehmer für ein bestimmtes geographisches Gebiet die ausschließliche Nutzung seiner Zeichen einräumt (Artikel 1 Absatz 1) und

- die Verpflichtung des Franchisenehmers, den Franchisevertrag nur in den zu diesem Zweck ausgewählten Räumen anzuwenden (Artikel 4 zweiter Gedankenstrich).

Durch die Kombination der oben genannten Bestimmungen werden die einzelnen Franchisenehmer nämlich vor dem Wettbewerb der anderenFranchisenehmer geschützt.

Daß ausserdem in dem Vertrag steht (Artikel 1 Absatz 5), daß der Franchisegeber unter bestimmten Voraussetzungen in dem Gebiet des Franchisenehmers Versandhandel betreiben kann, sofern er ihm 10 % des Betrages dieses Versandhandels gutschreibt, bedeutet, daß der Franchisegeber seine Tätigkeit ausser in dem genannten Fall nicht in den seinen Franchisenehmern vorbehaltenen Gebieten seine Tätigkeit ausüben darf.

(29) Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, »daß Verträge über Vertriebsfranchising, die Bestimmung zur Aufteilung der Märkte zwischen Franchisegebern und Franchisenehmern oder unter den Franchisenehmern enthalten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten jedenfalls auch dann beeinträchtigen könne, wenn sie zwischen Unternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat geschlossen worden sind, sofern sie die Franchisenehmer daran hindern, in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung zu errichten" (Randnummer 26 des Urteils). Dies trifft auf den vorliegenden Fall um so mehr zu, als Pronuptia nicht unerhebliche Marktanteile auf dem französischen Markt der betreffenden Erzeugnisse besitzt und sich ihr Vertriebsnetz auf mehrere Länder des Gemeinsamen Marktes erstreckt (vgl. Ziffern 4 und 6).

(30) Unter diesen Voraussetzungen stellen die oben genannten Bestimmungen (Ziffer 28) unter Artikel 85 Absatz 1 fallende Wettbewerbsbeschränkungen dar, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

B. Artikel 85 Absatz 3

(31) Nach Artikel 85 Absatz 3 können die Bestimmungen des Absatzes 1 für nicht anwendbar erklärt werden auf Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne daß den beteiligten Unternehmen

a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerläßlich sind, oder

b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

(32) Der Gerichtshof hat für Recht erkannt, daß die Verordnung Nr. 67/67/EWG nicht für Vertriebsfranchisingverträge der hier betroffenen Art gilt. Nach der Feststellung, daß sich solche Verträge durch Faktoren auszeichnen, die sie von Alleinvertriebsverträgen unterscheiden (Ziffer 15), hat der Gerichtshof insbesondere geltend gemacht, daß in Artikel 2 der genannten Verordnung ausdrücklich die Alleinvertriebsverträge genannt werden und daß im übrigen in diesem Artikel als Bestimmungen, die dem ausschließlichen Konzessionär zur Auflage gemacht werden können, weder die Verpflichtung zur Zahlung von Vergütungen noch die Verpflichtungen, die zum Schutz der Identität und des Namens der Vertriebsorganisationen unerläßlich sind, und auch nicht die vom Franchisegeber übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich des vermittelten Know-hows und der dem Franchisenehmer geleisteten Unterstützung genannt werden. Der vorliegende Mustervertrag kann deshalb weder seiner Art noch seinem Inhalt nach in den Genuß der in der Verordnung Nr. 67/67/EWG genannten Freistellung kommen.

(33) Die Verordnung Nr. 67/67/EWG ist seit dem 1. Juli 1983 nicht mehr in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt ist die neue Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 der Kommission (1), über die Gruppenfreistellung von Alleinbetriebsvereinbarungen in Kraft getreten.

Aufgrund des Wortlauts dieser Verordnung kann festgestellt werden, daß die wiedergegebenen Argumente des Gerichtshofs auch angeführt werden können, um gegebenenfalls zu der Schlußfolgerung zu gelangen, daß die Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 auf die hier betroffenen Verträge keine Anwendung findet. Wie bereits die Verordnung Nr. 67/67/EWG nennt die neue Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 nämlich nur die Alleinvertriebsvereinbarungen und erfasst keine der oben genannten Bestimmungen, die die Verträge über Vertriebsfranchising kennzeichnen.

Es war deshalb zu untersuchen, ob für den hier behandelten Mustervertrag eine Einzelfreistellung nach Artikel 85 Absatz 3 ausgesprochen werden kann.

(34) Der Muster-Franchisevertrag für das Pronuptia-Vertriebsnetz trägt durch die Kombination aller seiner Bestimmungen zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung der betreffenden Erzeugnisse bei. Er ermöglicht es nämlich:

- dem Franchisegeber, sein Vertriebsnetz auszuweiten, ohne Investitionen vornehmen zu müssen, die er angesichts seiner eher bescheidenen Wirtschaftlichen Grösse möglicherweise nicht oder nicht so schnell vornehmen könnte, um sich Verkaufstellen einzurichten. Die Franchisebewerber übernehmen die für die Einrichtung der neuen Verkaufsstellen erforderlichen Investitionen und erhalten dafür als Gegenleistung nicht nur das Recht, die Zeichen des Franchisegebers zu verwenden und von ihrem Ansehen zu profitieren, sondern auch das Recht, seine Erfahrungen, das kommerzielle Know-how und die Verkaufsförderungstechniken zu verwenden, die es ihnen ermöglichen, mit geringen Kosten oder Risiken einen grösseren Kundenkreis anzusprechen.

Die sich ergänzenden Interessen des Franchisegebers und des Franchisenehmers fallen im vorliegenden Fall in dem Franchisevertrag zusammen. Mit dessen Verwirklichung wird der Markt für neue Konkurrenten zugänlich gemacht, und auf diese Weise der Wettbewerb zwischen Marken intensiviert werden, wobei gleichzeitig der Wettbewerb gegenüber Vertriebsunternehmen durch Filialen gesteigert wird;

- dem Franchisegeber, den Verbrauchern ein hinsichtlich der verwendeten Handelsverfahren und der angebotenen Produktpalette einheitliches Vertriebsnetz zur Verfügung zu stellen;

- dem Franchisegeber, aufgrund seine engen und unmittelbaren Verbindungen zu den Franchisenehmern, schnell durch diese über die Änderungen der Gewohnheiten und des Geschmacks der Verbraucher informiert zu werden und dies sodann bei seiner Produktionsplanung zu berücksichtigen;

- dem Franchisenehmer, der aufgrund der Kombination der in Ziffer 28 genannten Bestimmungen für den Alleinvertrieb in dem eingeräumten Gebiet zuständig ist, seine Verkaufsbemühungen auf dieses Gebiet zu konzentrieren, indem er dort eine aktivere Politik gegenüber den potentiellen Verbrauchern verfolgt, ohne jedoch zu verhindern, daß die Verbraucher die betreffenden Erzeugnisse ausserhalb des genannten Gebiets einkaufen und daß die Franchisenehmer diese Erzeugnisse frei untereinander beziehen und absetzen können;

- dem Franchisenehmer dank der genannten territorialen Ausschließlichkeit und seiner Nähe zum tatsächlichen Marktgeschehen, im voraus Absatzprogramme auszuarbeiten, die es dem Franchisegeber ermöglichen, seine eigenen Produktionsprogramme dementensprechend anzupassen und die Versorgung mit den betreffenden Erzeugnissen besser zu gewährleisten.

(35) Bei dem das Pronuptia-Vertriebsnetz regelnden Mustervertrag werden die Verbraucher angemessen an dem durch die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung entstehenden Gewinn beteiligt.

Man kann nämlich davon ausgehen, daß den Verbrauchern die Vorteile eines in sich geschlossenen Vertriebsnetzes, bei dem die einheitliche Qualität der Erzeugnisse gewährleistet wird, und die zur Verfügungstellung eines kompletten Sortiments der mit dem Gegenstand des Franchisevertrages verbundenen Artikel und Accessoires zugute kommen. Die Verbraucher werden auch Nutzen aus dem Interesse ziehen, das der Franchisenehmer als unabhängiger Händler, der persönlich und unmittelbar am bestmöglichen Ablauf seines Geschäfts interessiert ist, dessen finanzielle Risiken er allein eingeht, daran hat, seine Kundschaft sorgfältig zu versorgen, zu unterstützen und ihren Bedarf zu verfolgen. Ausserdem profitieren die Verbraucher direkt von den Vorteilen, die sich aus einer beständigen Versorgung mit Erzeugnissen ergeben, die an die Anforderungen angepasst sind, die sich für den Markt in Form des Geschmacks der Kunden und der Mode stellen. Schließlich kann man gelten lassen, daß der in dem Sektor bestehende Wettbewerbsdruck (Ziffer 9) und die Freiheit der Verbraucher, die Waren an irgendeiner Stelle innerhalb des Vertriebsnetzes beziehen, ebenso Faktoren sind, die die Franchisenehmer veranlassen können, einen angemessenen Teil der sich durch die Rationalisierung der Produktion und des Vertriebs ergebenden Vorteile an die Verbraucher weiterzugeben. Darüberhinaus können die Verbraucher erkennen, daß sie einen selbständigen Händler vor sich haben (siehe Randziffer 11, dritter Gedankenstrich), den sie zivilrechtlich haftbar machen können.

(36) Der Pronuptia-Mustervertrag enthält im übrigen keine Einschränkungen, die zur Erreichung der oben genannten Verbesserungen nicht unerläßlich sind. Die in Ziffer 28 genannten einschränkenden Bestimmungen können im vorliegenden Fall nämlich als unerläßlich angesehen werden, da wahrscheinlich kein Franchisebewerber bereit gewesen wäre, die notwendigen Investitionen vorzunehmen und eine nicht unerhebliche anfängliche Pauschalvergütung zu zahlen, um Zugang zu einem solchen Franchisesystem zu finden, wenn er nicht in seinem Gebiet auf einen gewissen Schutz vor den anderen Franchisenehmern und dem Franchisegeber selbst zählen kann. Ausserdem ist daran zu erinnern, daß die Franchisenehmer die betreffenden Erzeugnisse völlig frei untereinander kaufen und verkaufen können.

(37) Der Pronuptia-Mustervertrag und das auf seiner Anwendung aufbauende System sind offenbar nicht geeignet, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren auszuschalten. Wie nämlich bereits festgestellt wurde (Ziffer 9), sind in den EG-Ländern mehrere Hersteller, die ihre Erzeugnisse gewöhnlich nicht unter Einsatz des Franchisesystems verkaufen, tätig, sowie weitere Unternehmen, deren Waren mit den Pronuptia-Erzeugnisse konkurrieren können.

Die Franchisenehmer befinden sich ausserdem untereinander im Wettbewerb, da sie ihre Waren an sämtliche Verbraucher innerhalb oder ausserhalb des eingeräumten Gebiets sowie an alle anderen Franchisenehmer verkaufen dürfen. Im übrigen können sie ihren Verkaufspreis nach Belieben festsetzen.

(38) Sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 sind somit im vorliegenden Fall erfuellt.

C. Artikel 6 und 8 der Verordnung Nr. 17

(39) Nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 17 bezeichnet die Kommission, wenn sie eine Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 angibt, darin den Zeitpunkt, von dem an die Erklärung wirksam wird. Dieser Zeitpunkt kann nicht vor dem Tag der Anmeldung liegen.

(40) Nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 17 ist die Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 für eine bestimmte Zeit abzugeben.

(41) Der angemeldete Mustervertrag über Vertriebsfranchising erfuellt in der Form, in der er angewandt wird, die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3. Die Freistellungserklärung wird somit vom Zeitpunkt der Anmeldung an, d.h. dem 22. April 1983, wirksam. Die Freistellung kann für acht Jahre gewährt werden. Dieser Zeitraum scheint im vorliegenden Fall angesichts der Gültigkeitsdauer des Mustervertrages von fünf Jahren in Verbindung mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Entscheidung gerechtfertigt zu sein -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag wird aufgrund von Artikel 85 Absatz 3 auf den Muster-Franchisevertrag in der Zeit vom 22. April 1983 bis 21. April 1991 für nicht anwendbar erklärt, den Pronuptia gegenüber ihren Franchisenehmern in der EWG anwendet.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist gerichtet an SA Pronuptia de Paris, 8, place de l'Opéra, F-75009 Paris.

Brüssel, den 17. Dezember 1986

Für die Kommission

Peter SUTHERLAND

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. L 173 vom 30. 6. 1983, S. 1.