Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft
Amtsblatt Nr. L 043 vom 15/02/1983 S. 0001 - 0003
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 16 Band 1 S. 0063
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 01 Band 4 S. 0003
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 16 Band 1 S. 0063
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 01 Band 4 S. 0003
***** VERORDNUNG (EWG, EURATOM) Nr. 354/83 DES RATES vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 235, gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 203, auf Vorschlag der Kommission (1), nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2), in Erwägung nachstehender Gründe: Die Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft haben im Rahmen ihrer Tätigkeit eine umfangreiche Aktensammlung angelegt. Diese Archive sind ein Gut dieser Gemeinschaften, die beide Rechtspersönlichkeit besitzen. Sowohl in den Mitgliedstaaten als auch bei den internationalen Organisationen ist es allgemein üblich, die Archive nach Ablauf einer Anzahl von Jahren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es empfiehlt sich, gemeinsame Vorschriften für die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Gemeinschaften zu erlassen. Ein Teil der Schriftstücke und des sonstigen Archivguts der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft befindet sich in den Archiven der Mitgliedstaaten. Diese wenden hinsichtlich der Frist und der Bedingungen für die Freigabe ihrer Archive unterschiedliche Vorschriften an. Es sollte verhindert werden, daß zur Geheimhaltung eingestufte Schriftstücke und sonstiges Archivgut der Gemeinschaftsorgane der Öffentlichkeit über die einzelstaatlichen Archive unter weniger strengen Bedingungen als den in dieser Verordnung festgelegten zugänglich werden. Die Auswertung und kritische Analyse der Archive der Europäischen Gemeinschaften dienen nicht nur der Geschichtsforschung im allgemeinen, sondern können gleichzeitig die Tätigkeiten der betroffenen Personenkreise auf Gemeinschaftsebene erleichtern und so zu einer besseren Verwirklichung sämtlicher Ziele der Gemeinschaften beitragen. In den Verträgen sind keine besonderen Befugnisse für den Erlaß gemeinsamer Vorschriften für die Gemeinschaftsarchive vorgesehen. Es empfiehlt sich, sich auf die Festlegung einiger wesentlicher Grundsätze zu beschränken und es jedem Gemeinschaftsorgan anheimzustellen, die für die interne Anwendung dieser Grundsätze erforderlichen Vorschriften zu erlassen - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 (1) Die Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft - nachstehend »Organe" genannt - erstellen historische Archive und machen sie der Öffentlichkeit unter den in dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen nach Ablauf einer Frist von dreissig Jahren, von dem Zeitpunkt der Anfertigung der Schriftstücke oder des sonstigen Archivguts an gerechnet, zugänglich. Für die Anwendung dieser Verordnung werden der Wirtschafts- und Sozialausschuß und der Rechnungshof den in Artikel 4 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und in Artikel 3 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft genannten Organen gleichgestellt. (2) Im Sinne dieser Verordnung a) bezeichnet der Begriff »Archive der Europäischen Gemeinschaften" die Gesamtheit der Schriftstücke und des sonstigen Archivguts jeder Art, unabhängig von ihrer Form und ihrem materiellen Träger, die ein Organ, einer seiner Vertreter oder einer seiner Bediensteten in Ausübung seiner Amtstätigkeit angefertigt oder empfangen hat und /oder der Europäischen Atomgemeinschaft - nachstehend »Europäische Gemeinschaften" genannt - betreffen; b) bezeichnet der Begriff »historische Archive" den Teil der Archive der Europäischen Gemeinschaften, der unter den in Artikel 7 dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen zur ständigen Aufbewahrung ausgewählt wurde. (3) Schriftstücke und sonstiges Archivgut, die vor Ablauf der in Absatz 1 vorgesehenen Frist weitergegeben werden konnten, sind der Öffentlichkeit weiterhin ohne jede Beschränkung zugänglich. (4) Nach Ablauf der in Absatz 1 vorgesetzten Frist von dreissig Jahren wird Zugang zu den historischen Archiven jedem gewährt, der einen entsprechenden Antrag stellt und bereit ist, die diesbezueglichen internen Vorschriften jedes Organs einzuhalten. (5) Die historischen Archive sind in Form von Kopien zugänglich. Die Organe können jedoch die Originale der Schriftstücke und des sonstigen Archivguts zugänglich machen, wenn der Benutzer ein hinreichend begründetes besonderes Interesse geltend macht. Artikel 2 Diese Verordnung gilt nicht für die Personalakten der Europäischen Gemeinschaften sowie Schriftstücke und sonstiges Archivgut mit Angaben über das Privat- oder Berufsleben einer bestimmten Person. Artikel 3 (1) Nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind: a) Schriftstücke und sonstiges Archivgut, die in einen der Geheimschutzgrade gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 3 des Rates vom 31. Juli 1958 zur Anwendung des Artikels 24 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (1) eingestuft und nicht freigegeben worden sind; b) Die der Euratom-Versorgungsagentur gemäß Kapitel VI des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgelegten oder von ihr geschlossenen Verträge; c) Schriftstücke und sonstiges Archivgut betreffend Rechtssachen, die vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als Rechtsprechungsorgan behandelt wurden. (2) Ebenfalls nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind die Schriftstücke und das sonstige Archivgut, die nach anderen bei den einzelnen Organen bestehenden Vorschriften und Praktiken als vertraulich behandelt werden oder unter einen strengeren Geheimhaltungsgrad fallen, sofern sie nicht nach Artikel 5 freigegeben worden sind. Artikel 4 (1) Schriftstücke und sonstiges Archivgut, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie einem Organ zur Kenntnis gebracht wurden, unter das Berufs- oder Betriebsgeheimnis fielen, sind der Öffentlichkeit nach Ablauf von dreissig Jahren nur zugänglich, wenn das Organ, in dessen Besitz sich die Schriftstücke oder das sonstige Archivgut befinden, der betreffenden Person oder dem betreffenden Unternehmen zuvor seine Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, mitgeteilt hat und wenn diese Person oder dieses Unternehmen innerhalb einer in den Durchführungsbestimmungen nach Artikel 9 festzulegenden Frist keine Einwände erhoben hat. (2) Absatz 1 gilt auch für Schriftstücke und sonstiges Archivgut eines Organs, in denen ausschließlich oder teilweise Informationen, die unter das Berufs- oder Betriebsgeheimnis fallen, enthalten sind. Artikel 5 (1) Im Interesse der Einhaltung der in Artikel 1 Absatz 1 vorgesehenen Frist von dreissig Jahren prüft jedes Organ rechtzeitig, spätestens jedoch im fünfundzwanzigsten Jahr nach ihrer Anfertigung, die noch als vertraulich geltenden oder in einen strengeren Geheimhaltungsgrad eingestuften Schriftstücke und sonstiges Archivgut, um gegebenenfalls über ihre Freigabe zu entscheiden. Die Schriftstücke und das sonstige Archivgut, die bei der ersten Prüfung nicht freigegeben wurden, werden regelmässig, spätestens jedoch alle fünf Jahre, einer neuen Prüfung unterzogen. (2) Bei Schriftstücken und sonstigem Archivgut, die von einem Mitgliedstaat oder einem anderen Organ stammen, halten die Organe die von dem Mitgliedstaat oder dem anderen Organ festgelegte Einstufung ein. Im Hinblick auf eine möglichst weitgehende Freigabe der Archive der Europäischen Gemeinschaften können die Organe und die Mitgliedstaaten jedoch Verfahren vereinbaren, nach denen auf der Grundlage von im gegenseitigen Einvernehmen festgelegte Kriterien diese Schriftstücke und das sonstige Archivgut freigegeben werden können. Artikel 6 (1) Die Mitgliedstaaten sehen davon ab, die in ihren öffentlichen Archiven befindlichen Schriftstücke und das dort befindliche sonstige Archivgut der Organe, die einer Geheimhaltungseinstufung unterliegen und deren Einstufung nicht aufgehoben wurde, unter weniger strengen Bedingungen als denen der Artikel 1 bis 5 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (2) Absatz 1 gilt auch für Schriftstücke und sonstiges Archivgut der Mitgliedstaaten, in denen der Inhalt der dort genannten Schriftstücke ganz oder teilweise wiedergegeben ist. Artikel 7 Spätestens fünfzehn Jahre nach ihrer Anfertigung gibt jedes Organ die in seinen Archiven befindlichen Schriftstücke und das sonstige Archivgut an die historischen Archive ab. Sie werden sodann aufgrund von Kriterien, die jedes Organ entsprechend Artikel 9 festlegt, durchgesehen, um die zur Aufbewahrung bestimmten Schriftstücke und sonstiges Archivgut von solchen zu trennen, die keinerlei administrativen oder geschichtlichen Wert haben. Artikel 8 (1) Jedes Organ kann seine historischen Archive an dem seiner Ansicht nach geeignetsten Ort unterbringen. (2) Auf Wunsch stellt jedes Organ den Mitgliedstaaten und den anderen Organen, sofern es sich nicht um den Mitgliedstaat handelt, in dem sich das Organ befindet oder um Organe, die sich im gleichen Mitgliedstaat befinden, einen vollständigen Satz von Mikrokopien seiner historischen Archive zur Verfügung, soweit diese gemäß dieser Verordnung der Öffentlichkeit zugänglich sind. Artikel 9 Jedes Organ ist ermächtigt, die internen Durchführungsbestimmungen für die Anwendung dieser Verordnung zu erlassen. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Brüssel am 1. Februar 1983. Im Namen des Rates Der Präsident O. SCHLECHT (1) ABl. Nr. C 132 vom 2. 6. 1981, S. 6. (2) ABl. Nr. C 327 vom 14. 12. 1981, S. 45. (1) ABl. Nr. 17 vom 6. 10. 1958, S. 406/58.