31983D0560

83/560/EWG: Entscheidung der Kommission vom 16. November 1983 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG- Vertrags (IV/30.696 - Vertriebssystem der Ford Werke AG) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 327 vom 24/11/1983 S. 0031 - 0039


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ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 16. November 1983

betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/30 696 - Vertriebssystem der Ford Werke AG)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(83/560/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN

GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrags (1) -, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Griechenlands, insbesondere auf Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1,

im Hinblick auf die am 30. Januar 1963, 29. Oktober 1964, 14. September 1973 und 14. Mai 1976 von der Ford Werke AG, Köln, Bundesrepublik Deutschland, gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 angemeldeten Vertriebsverträge für Ford-Fahrzeuge,

im Hinblick auf die Kommissionsentscheidung vom 2. Juli 1982 zur Einleitung des Verfahrens,

nach Anhörung der beteiligten Unternehmen und betroffener Dritter gemäß Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 5 der Verordnung der Kommission Nr. 99/63/EWG (2) vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 17 -

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

A. Die Unternehmen

(1) Die Ford Motor Company (nachfolgend Ford US) ist eine im Bundesstaat Delaware, USA, eingetragene Gesellschaft mit Hauptsitz in Dearborn, Michigan, USA.

(2) Die Ford Werke AG (nachfolgend Ford Deutschland) ist eine nach deutschem Recht eingetragene Gesellschaft mit Sitz in Köln. Sie ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft der Ford US.

(3) Die Ford Motor Company Limited (nachfolgend Ford Britain) ist eine in England eingetragene Gesellschaft mit Sitz in Brentwood. Sie ist wie Ford Deutschland eine Tochtergesellschaft der Ford US.

(4) Ähnliche Tochtergesellschaften der Ford US bestehen in allen übrigen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Luxemburgs, wo Ford US durch ihre belgische Tochtergesellschaft, die Ford Motor Company (Belgium) NV, vertreten ist.

(5) Die Ford of Europe Incorporated (nachfolgend Ford Europe) ist eine ebenfalls im Bundesstaat Delaware, USA, eingetragene Gesellschaft. Sie ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft der Ford US und verfügt über Geschäftsstellen im Vereinigten Königreich, in der Bundesrepublik Deutschland und in Belgien. Ford Europe ist für

die Koordinierung bei der Zuweisung bestimmter wirtschaftlicher Aktivitäten unter den Ford-Unternehmen verantwortlich.

Alle diese Gesellschaften bezeichnen sich als »Ford-Gruppe".

B. Die Herstellung der Ford-Kraftfahrzeuge

1. Das Erzeugnis

(6) Bei dem betreffenden Erzeugnis handelt es sich um neue Ford-Kraftfahrzeuge (Personenkraftwagen) und Teile davon.

Die Ford-Fahrzeuge lassen sich in bestimmte Fahrzeugmodelle unterteilen, wie »Fiesta", »Escort", »Taunus" / »Cortina" (Bezeichnung des »Taunus" im Vereinigten Königreich), »Sierra", »Granada" und »Capri".

Jedes Modell wird z. B. in bezug auf Motor, Getriebe oder Antrieb in bestimmten Ausführungen hergestellt. Diese verschiedenen Ausführungen haben ebenfalls besondere und verschiedene Ausstattungen. Darunter kann unterschieden werden zwischen Ausstattungen, die nach den einzelstaatlichen Gesetzen und den Strassenverkehrsordnungen der Mitgliedstaaten verbindlich sind, und solchen, die der Nachfrage des Verbrauchers entsprechen oder die nach Auffassung des Herstellers oder seiner Händler für ein Absatzgebiet geeignet sind. Linkslenker-Fahrzeuge (LL-Fahrzeuge) oder Rechtslenker-Fahrzeuge (RL-Fahrzeuge) fallen unter die zweite Kategorie, sie gehören zu den nicht verbindlichen Ausstattungen eines Fahrzeugs.

2. Die Herstellung

(7) Ford Deutschland, die Produktionsstätten in Köln, in Saarlouis (Deutschland) und in Genk (Belgien) hat, stellt die gesamte Palette von Ford-Fahrzeugen her, die in Europa mit Linkslenkung abgesetzt werden. Sie stellt auch bestimmte Ford-Fahrzeugmodelle, wie »Granada" und »Capri", in allen Ausführungen in RL-Ausstattung her. Einige andere Ford-Fahrzeugmodelle, wie z. B. »Sierra", »Escort" und »Fiesta", werden nur in einigen Ausführungen in RL-Ausstattung hergestellt. Bis Mitte 1982 fertigte sie auch bestimmte rechtsgelenkte Ausführungen des »Cortina". Zwischen der Herstellung von links- und rechtsgelenkten Ausführungen bestehen keine wesentlichen Kostenunterschiede.

(8) Ford Britain stellt derzeit in ihren Anlagen in Dagenham und Halewood im Vereinigten Königreich bestimmte Ausführungen des »Fiesta", »Escort" und »Sierra" her. Bis Mitte 1982 produzierte sie auch bestimmte Ausführungen des »Cortina". Die von Ford Britain hergestellten Modelle sind fast ausschließlich RL-Fahrzeuge.

Ford Britain erwirbt von Ford Deutschland RL-Fahrzeuge, die von diesem Unternehmen hergestellt wurden. Diese Verkäufe entsprechen einem erheblichen Teil der gesamten Produktion und Ausfuhren von Ford Deutschland.

C. Die zu beurteilenden Bestimmungen des Vertriebsvertrags von Ford Deutschland

(9) Ford Deutschland, die nicht nur Hersteller von Ford-Fahrzeugen, sondern auch ein Ford-Absatzunternehmen ist, hat am 14. Mai 1976 bei der Kommission einen Mustervertrag zwischen Ford Deutschland und ausgesuchten Haupthändlern (Ford-Händlern), den Haupthändler-Vertrag, angemeldet.

(10) Artikel 1 dieses Vertrages bezieht sich auf die normalen Serienausführungen von Personenkraftwagen, die ihrerseits nach Modell-Linien (»Fiesta", »Escort", »Taunus", »Capri", »Granada") bestimmt sind.

(11) Nach Artikel 2 dieses Vertrages verpflichtet sich Ford Deutschland, den Ford-Händlern alle ihre Erzeugnisse (Kraftfahrzeuge und Original-Teile) zu verkaufen. Der Haupthändler seinerseits übernimmt die Verpflichtung, diese Ford-Erzeugnisse an Endverbraucher oder Wiederverkäufer zu verkaufen. Eine Einschränkung des im Vertrag verwandten Fahrzeugbegriffs nach besonderen Spezifikationen (z. B. der Art der Lenkung der Fahrzeuge (LL oder RL) erfolgt nicht. Der Vertrag bestimmt »Fahrzeuge" als »die normalen Serienausführungen aller Personenkraftwagen . . ."

(12) Der Ford-Händler ist berechtigt, Fahrzeuge an Endverbraucher in der Gemeinschaft zu verkaufen, ohne Rücksicht darauf, wo sie ansässig sind; das gleiche gilt für den Verkauf an andere Einzelhändler, die von einer Gesellschaft der Ford-Gruppe innerhalb der Gemeinschaft zum Verkauf von Ford-Fahrzeugen ermächtigt sind (Artikel 2).

(13) Artikel 5 Absatz 1 bestimmt, daß der Ford-Händler ohne vorherige schriftliche Zustimmung von Ford Deutschland keinen Vertrag oder eine andere Vereinbarung über den Verkauf von neuen Fahrzeugen abschließen oder weiterlaufen lassen darf, die nicht von Ford Deutschland oder einer Gesellschaft der Ford-Gruppe hergestellt oder geliefert werden. Dies gilt auch für den direkten und indirekten Handel sowohl aus den Betriebsstätten des Händlers als auch aus sonstigen Verkaufsstützpunkten.

Artikel 5 Absatz 2 untersagt es dem Händler, ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Ford Deutschland hochwertige branchen fremde Waren in nennenswertem Umfang zu vertreiben oder eine irgendwie geartete andere Betätigung im Automobilgeschäft mittels anderer Personen oder Gesellschaften auszuüben.

(14) Artikel 6 überträgt den Ford-Händlern ein Marktverantwortungsgebiet. Ford Deutschland verpflichtet sich gegenüber dem Ford-Händler, grundsätzlich keinem anderen Ford-Händler zu gestatten, in diesem Marktverantwortungsgebiet direkt oder indirekt Stützpunkte für den Vertrieb oder die Aufbereitung von Ford-Neuwagen oder Gebrauchtwagen neu zu errichten oder zu mieten (Absatz 2). Nur innerhalb des Marktverantwortungsgebiets hat der Händler das Recht, an von Ford Deutschland genehmigten Standorten eine Unterorganisation zu unterhalten (Absatz 3). Absatz 8 verpflichtet den Händler, ein bestimmtes Verkaufsziel zu erreichen.

(15) Der Haupthändler-Vertrag enthält weitere Bestimmungen, die entweder die Ford-Händler in ihrem Geschäftsverhalten beschränken oder die Auswirkungen der oben (Randnummern 11 bis 14) erwähnten Artikel verstärken dürften. Schließlich erscheint auch die praktische Anwendung gewisser Bestimmungen des Haupthändler-Vertrags wettbewerbsbeschränkend zu sein.

Keine dieser Bestimmungen und Anwendungen ist jedoch Gegenstand dieser Entscheidung. Die Kommission behält sich das Recht vor, sie zum Gegenstand eines getrennten Verfahrens zu machen.

D. Die praktische Anwendung des Haupthändler-Vertrags

(16) Am 31. März 1982 hatten 733 Händler den Haupthändler-Vertrag unterzeichnet. Vor dem 1. Mai 1982 lieferte Ford Deutschland den Ford-Händlern alle normalen Serienausführungen von Kraftfahrzeugen in ihren verschiedenen Modellen und Spezifikationen gemäß Artikel 1 des Haupthändler-Vertrags.

Was RL-Fahrzeuge betraf, die nach, der deutschen Strassenverkehrszulassungsordnung erforderliche Ausstattung hatten, so wurden diese von Ford Deutschland an deutsche Ford-Händler im Rahmen des angemeldeten Haupthändler-Vertrags verkauft; der Verkauf von RL-Fahrzeugen erfolgte zum üblichen Preis zuzueglich eines Zuschlags von . . . DM (1) für Verwaltungskosten. Diese Fahrzeuge zählten für das von einem Händler zu erreichende Verkaufsziel (siehe Randnummer 14) mit.

(17) Bei links- oder rechtsgelenkten Fahrzeugen, deren Ausstattung sich von den in der deutschen Strassenverkehrszulassungsordnung festgelegten Fahrzeugausstattungen unterscheidet, traten die Ford-Händler nach Auskunft von Ford Deutschland als »Vermittler" für die in der Regel von nicht in Deutschland ansässigen Kunden erteilten Aufträge auf. Solche Fahrzeuge wurden - nach Ford Deutschland - an deutsche Ford-Händler nicht aufgrund des Haupthändler-Vertrags, sondern aufgrund eines »Visit Europe Plan" geliefert, der bei der Kommission nicht angemeldet worden war. Rechtlich wurden diese Kraftfahrzeuge an Einzelkäufer verkauft, wobei der Ford-Händler als der Beauftragte des Käufers auftrat. Die Spannen für die Händler glichen dennoch den Spannen für die gewöhnlich im Rahmen des Haupthändler-Vertrags verkauften Fahrzeuge. Die im Haupthändler-Vertrag vereinbarten Verpflichtungen der Ford-Händler auf dem Gebiet der Garantie, des Kundendienstes usw. blieben gleich, doch zählten diese Verkäufe für das vom Händler zu erreichende Verkaufsziel nicht mit.

(18) Ford Deutschland stellte im Jahr 1981 rund . . . Fahrzeuge her, von denen rund . . . RL-Fahrzeuge waren. Zusätzlich zu den rund . . . RL-Fahrzeugen, die sie unmittelbar an Ford Britain für den Verkauf im Vereinigten Königreich auslieferte, wiesen etwa . . . die im Vereinigten Königreich übliche und etwa . . . die in Deutschland übliche Spezifikation auf.

Zwischen Januar und Juni 1982 wurden im Rahmen des Haupthändler-Vertrags rund . . . rechtsgelenkte Fahrzeuge mit den in der deutschen Strassenverkehrsordnung festgelegten Spezifikationen an Ford-Händler in Deutschland verkauft, wobei die Preise weitgehend den Preisen für linksgelenkte Fahrzeuge glichen.

(19) Die Abnehmer von RL-Fahrzeugen in Deutschland waren unter anderem britische Staatsangehörige, die in Deutschland wohnen und ihre Fahrzeuge später bei ihrer Rückkehr ins Vereinigte Königreich dorthin einführen wollen, sowie Verbraucher mit Wohnsitz ausserhalb Deutschlands.

(20) RL-Fahrzeuge verkauften in Deutschland im Rahmen des Haupthändler-Vertrags im Jahr 1981 insgesamt 92 Ford-Händler, von denen 20 den Grossteil der Verkäufe auf sich vereinten.

(21) Am 27. April 1982 richtete Ford Deutschland ein Rundschreiben an die Ford-Händler, die RL-Fahrzeuge mit deutschen und anderen Spezifikationen verkauft oder vertrieben hatten.

In dem Rundschreiben heisst es unter anderem: »Da wir den Vertrieb von Fahrzeugen für den deutschen Markt, der ausschließlich linksgelenkte Fahrzeuge erfordert, wahrnehmen, sind rechtsgelenkte Versionen nicht Bestandteil unseres normalen Verkaufsprogramms . . . Unsere Inlands-Vertriebsorganisation ist auf ihre Aufgabe hin ausgerichtet, den deutschen Markt optimal für unsere Erzeugnisse zu erschließen . . . Wir teilen Ihnen daher mit, daß wir Aufträge für rechtsgelenkte Fahrzeuge nur noch annehmen können, wenn diese von Ihnen vor dem 1. Mai 1982 abgeschlossen wurden. Dieser Beschluß betrifft auch Aufträge im Rahmen des Visit Europe Plans . . . Der Visit Europe Plan, der, mit der entsprechenden personellen Ausstattung für Touristen, Diplomaten und Geschäftsreisende von vorwiegend anderen Kontinenten geschaffen wurde, bleibt für linksgelenkte Fahrzeuge weiter aufrecht erhalten. Rechtsgelenkte Fahrzeuge werden von der Ford Personal Import and Export Ltd (PIE), London, . . . angeboten. Sollten Sie Interessenten für rechtsgelenkte Fahrzeuge aufsuchen, so bitten wir Sie, diese an die vorgenannte Firma oder jeden beliebigen autorisierten Ford-Händler in Großbritannien zu verweisen. . ."

Ford Deutschland hat diese Ankündigung in der Folgezeit auch durchgesetzt und keine Bestellungen von RL-Fahrzeugen von deutschen Händlern mehr angenommen.

E. Gründe für die Änderung der Lieferpraxis

(22) Untersuchungen der Ford-Konzerngesellschaften und ein Vergleich der in den Mitgliedstaaten für neue Ford-Fahrzeuge empfohlenen Einzelhandelspreise zeigen, daß es - bezogen auf den Händlerabgabepreis vor Steuern - in den Jahren 1981 und 1982 zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich vom Modell abhängige Preisunterschiede von . . . bis . . . % gab (britischer Preis gleich 100 %, Unterschiede in der Fahrzeugausstattung berücksichtigt).

(23) Bereits am 27. April 1981 hatte Ford Europe gegenüber Ford Deutschland empfohlen, daß Ford Deutschland den deutschen Händlern keine RL-Fahrzeuge mehr anbieten solle. Gegen diese Empfehlung erhob die Rechtsabteilung von Ford Deutschland Bedenken mit der Begründung, daß RL-Fahrzeuge unter den Begriff »Fahrzeuge" des Haupthändler-Vertrags fielen und die deutschen Händler zum Verkauf solcher Fahrzeuge berechtigt seien.

In einem Schreiben an Ford Europe vom 3. Dezember 1981 bemerkte Ford Britain im Hinblick auf die Verkäufe von RL-Fahrzeugen durch Ford Deutschland an deutsche Händler:

». . . The more this happens the greater will be the preß comment and public outcry each time we price. Taken to extremes, this could even limit the extent to which price moves may be taken. From all points of view in Britain the situation has become serious and concerning. Ford of Britain therefore recommends that the sale of German built right-hand-drive units to dealers on the Continent, be they German or British specifications, should be stopped. . ."

(24) In einem Vermerk des Finanzdirektors von Ford Deutschland vom 11. Dezember 1981 über die Verkäufe von RL-Fahrzeugen an deutsche Ford-Händler und über die spätere »Ausfuhr" dieser Fahrzeuge durch die Kunden nach dem Vereinigten Königreich heisst es unter anderem:

»Die Ford Werke AG exportiert einen beträchtlichen Teil ihrer Produktion nach England. . . Das finanzielle Ergebnis der Ford Werke AG wird maßgebend von diesen Exporten geprägt . . . Das finanzielle Ergebnis lässt sich realisieren, weil das englische Fahrzeug-Preisniveau durch die englische Kostenstruktur geprägt ist, wir aber zu deutschen Kosten produzieren. Als Unternehmen sollte die Ford Werke AG jedes Interesse daran haben, das englische Fahrzeug-Preisgefüge intakt zu halten und alles zu tun, was im gesetzlichen Rahmen möglich ist, um diese Reimporte zu unterbinden."

Aus den eigenen Dokumenten der Ford-Gruppe - Z/BP-1 - ist ersichtlich, daß zwischen dem deutschen und dem britischen Preis für Ford-Fahrzeuge wesentliche Unterschiede bestanden und daß die Einstellung der Lieferung von RL-Fahrzeugen an deutsche Händler durch Ford Deutschland erfolgte, um Ford Britain zu schützen (vgl. den von D. Goeudevert unterzeichneten Vermerk vom 5. April 1982).

F. Reaktionen Dritter

(25) Mehrere deutsche Ford-Händler protestierten bei Ford Deutschland gegen den Beschluß, die Lieferung von RL-Fahrzeugen an deutsche Händler einzustellen. Dies vor allem deshalb, weil die RL-Fahrzeug-Verkäufe in Deutschland von PIE durchgeführt würden und auch dies nur gegenüber einem speziellen Personenkreis (Diplomaten, britische Militärangehörige und sonstige Bürger des Vereinigten Königreichs mit ständigem ausländischem Aufenthaltsort) und nicht an »normale" Bürger der Gemein schaft. Dadurch könne ein »Nicht-Ford-Händler" (PIE) Ford-Produkte in Deutschland selbst in dem Marktverantwortungsgebiet eines Händlers verkaufen. Dies verstosse gegen den Haupthändler-Vertrag.

Mehrere Ford-Händler aus dem Vereinigten Königreich machten gegenüber der Kommission geltend, daß für den Fall, daß deutsche Händler RL-Fahrzeuge für den Verkauf an vorwiegend britische Kunden erhalten könnten, ihre eigenen Verkaufsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt würden. Das derzeitige Ford-Vertriebssystem gebe den britischen Händlern eine vernünftige Grundlage, um gewinnbringend investieren und Handel treiben zu können. Da zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich gewaltige Preisunterschiede für Ford-Fahrzeuge bestuenden, würden britische Händler bei einem Verkauf rechtsgelenkter Fahrzeuge durch deutsche (oder andere kontinentaleuropäische) Händler an britische Kunden finanzielle Verluste erleiden. Langfristig käme es durch die Verfügbarkeit von RL-Fahrzeugen für deutsche Händler im Vereinigten Königreich zu einem Preisrückgang für rechtsgelenkte Fahrzeuge. Ausserdem müssten die Händler erhebliche finanzielle Investitionen tätigen. Für den Fall, daß RL-Fahrzeuge vom Kontinent von britischen Kunden zu weitgehend kontinentaleuropäischen Preisen gekauft werden könnten, verringere sich der Investitionsertrag, wenn er nicht gar ganz wegfalle.

Hierzu ist festzustellen, daß keiner der betroffenen britischen Ford-Händler versucht hat oder daran interessiert war, Parallelimporte von Ford-Fahrzeugen vorzunehmen, obwohl dies über das Vertriebssystem möglich gewesen wäre und der Händler bei einigen Modellen einen grösseren Gewinn erzielt hätte als bei einem Bezug von Ford Britain.

(26) Das Europäische Büro der Verbraucherverbände (BEUC), eine Vereinigung von Verbraucherorganisationen der Mitgliedstaaten, bemerkte unter anderem:

»Wenn die Preisunterschiede die Mühe lohnen, werden die Verbraucher hauptsächlich - wenn nicht sogar ausschließlich - ihre Fahrzeuge im Ausland kaufen. Die wiederholten Versuche mehrerer Kraftfahrzeughersteller, den Gemeinsamen Markt aufzuteilen und Parallelimporte immer dann einzuschränken, wenn es Preisunterschiede für die Verbraucher finanziell interessant machen, im Ausland zu kaufen, stellten eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Grundprinzipien des Vertrages dar."

G. Verfahren

(27) Am 18. August 1982 forderte die Kommission mit Entscheidung 82/628/EWG (1), Ford Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung unter anderem auf, ihr Rundschreiben vom 27. April 1982 an die deutschen Ford-Händler zurückzuziehen und Maßnahmen zu unterlassen, die dieselbe Wirkung wie das Rundschreiben haben. Diese Entscheidung sollte bis zum Erlaß einer das Verfahren abschließenden Entscheidung - d. h. der vorliegenden Entscheidung - gelten.

Am 3. September 1982 beantragte Ford Deutschland beim Europäischen Gerichtshof, die Kommissionsentscheidung für nichtig zu erklären und den Vollzug der umstrittenen Entscheidung auszusetzen. Am 29. September 1982 erließ der Präsident des Gerichtshofes eine einstweilige Anordnung, wonach

- die Kommissionsentscheidung ausgesetzt wurde, soweit Ford Deutschland aufgegeben war, rechtsgelenkte Fahrzeuge britischer Spezifikation an ihre deutschen Händler auszuliefern;

- die Entscheidung insoweit aufrechterhalten wurde, als Ford Deutschland aufgegeben war, rechtsgelenkte Fahrzeuge deutscher Spezifikation an ihre deutschen Händler auszuliefern, wobei jedoch diese Verpflichtung umfangmässig auf ein bestimmtes Kontingent beschränkt wurde.

Am 24. August 1982 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Ford Deutschland, auf die letztere am 5. November 1982 antwortete. Ford Deutschland beantragte keine mündliche Anhörung.

II. RECHTLICHE BEURTEILUNG

A. Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

(28) Die vorliegende Entscheidung bezieht sich nur auf den Haupthändler-Vertrag in seiner seit dem 1. Mai 1982 von Ford Deutschland praktizierten Form, bei der Ford Deutschland ihren deutschen Händlern keine RL-Fahrzeuge mehr liefert.

(29) Das Ford-Vertriebssystem in Deutschland beruht auf dem Haupthändler-Vertrag, einem Vertrag zwischen Unternehmen (Ford Deutschland und den von ihr zugelassenen Händlern).

(1) ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

(2) ABl. Nr. 127 vom 20. 8. 1963, S. 2268/63.

(1) In der veröffentlichten Fassung dieser Entscheidung wurden gemäß Artikel 21 der Verordnung Nr. 17 bezueglich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nachfolgend einige Angaben ausgelassen.

(1) ABl. Nr. L 256 vom 2. 9. 1982, S. 20.

(30) Nach Artikel 6 Absatz 2 Haupthändlervertrag weist Ford Deutschland dem Händler ein Marktverantwortungsgebiet zu und verpflichtet sich ihrerseits für Ford-Neuwagen grundsätzlich keine Vertriebs- und Kundendienst-Vereinbarungen mit anderen Unternehmen abzuschließen, die innerhalb des Vertragsgebiets tätig sind.

Dies engt die Vertragsfreiheit von Ford Deutschland, andere Händler für den Verkauf von Fordwagen zu wählen, ein und beschränkt damit den Wettbewerb.

(31) Ford-Händlern ist es nach Artikel 2 Haupthändler-Vertrag untersagt, Fahrzeuge an unabhängige Händler zu verkaufen. Solchen unabhängigen Unternehmen ist es nicht möglich, vom Haupthändler-Vertrag erfasste Produkte zu erwerben und weiterzuverkaufen. Nach Artikel 5 ist es dem Ford-Händler untersagt, ohne Zustimmung von Ford Deutschland neue Kraftfahrzeuge zu verkaufen, die nicht von Ford Deutschland oder einer anderen Gesellschaft der Ford-Gruppe hergestellt wurden. Weiter verpflichtet Artikel 5 den Ford-Händler, mit Dritten keine Vertriebs- und Kundendienst-Vereinbarungen über mit Ford-Produkten konkurrierende Erzeugnisse abzuschließen. Schließlich darf der Ford-Händler nach Artikel 6 Absatz 3 ausserhalb seines Marktverantwortungsgebiets keine besonderen Verkaufsaktivitäten ausüben.

(32) Diese Bestimmungen beschränken den Wettbewerb, da sie die Zahl der anderen Kraftfahrzeugherstellern zur Verfügung stehenden Händler begrenzen. Durch die Beschränkung der Händler auf ihre Vertragsgebiete und Ford-Erzeugnisse beschränken sie auch die Intensität des Wettbewerbs innerhalb und ausserhalb des Vertragsgebiets, und zwar sowohl im Rahmen des Ford Deutschland-Vertriebsnetzes als auch im Rahmen des »interbrand"-Wettbewerbs.

Zugelassene Ford-Händler sind nicht frei in ihrer Entscheidung, mit anderen Händlern innerhalb oder ausserhalb des Vertragsgebiets Vereinbarungen zu schließen, über die sie FordFahrzeuge vertreiben und den Kundendienst für Ford-Fahrzeuge verrichten möchten.

Diese Verpflichtungen lassen für eigene absatzpolitische Erwägungen des Ford-Händlers nur begrenzten Raum.

(33) Der Haupthändler-Vertrag beeinflusst spürbar den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Die Gründe hierfür sind die gleichen wie diejenigen, die in Randnummer 19 der Entscheidung 75/73/EWG der Kommission vom vom 13. Dezember 1974 - BMW - (1) genannt sind, insbesondere, daß Händler, die sonst in der Lage wären, Ford-Erzeugnisse auszuführen, jedoch nicht zum Vertriebssystem zugelassen werden, daran gehindert sind, an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten zu liefern. Zugelassene deutsche Ford-Händler sind nicht berechtigt, den Absatz ausserhalb Deutschlands aktiv zu fördern oder Ford-Fahrzeuge an Wiederverkäufer in anderen Mitgliedstaaten zu liefern, die nicht einem Ford-Vertriebssystem angehören. Die Lieferverweigerung verhindert sämtliche Lieferungen von RL-Fahrzeugen durch Ford-Händler in Deutschland entweder an andere zugelassene Ford-Händler oder Endabnehmer insbesondere im Vereinigten Königreich.

(34) Wegen dieser Bestimmungen, die den wesentlichen Teil des Ford-Haupthändler-Vertrags ausmachen, ist Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diesen Vertrag anwendbar. Es ist deshalb in dieser Entscheidung nicht erforderlich, sich mit den in Randnummer 15 erwähnten Bestimmungen und Praktiken auseinanderzusetzen.

B. Nichtanwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag

(35) Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag hat die Kommission Ermessensfreiheit (vgl. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 26/76 - Metro gegen Kommission, 1977 EuGH, Slg. S. 1875). Immer wenn die Kommission darüber zu entscheiden hat, ob die vier Erfordernisse des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag vorliegen (Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts; angemessene Beteilung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn; Unerläßlichkeit der Beschränkungen; keine Ausschaltung des Wettbewerbs), hat sie auch (vgl. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 56 und 58/64 - Consten und Grundig gegen Kommission, 1966 EuGH, Slg. S. 502) die Vorteile des praktizierten Vertriebssystems gegen die bei der praktischen Anwendung aufgrund der Wettbewerbsbeschränkung auftretenden Nachteile abzuwägen. Hierbei ist, wie das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache AEG in Erwägungsgrund 37 hinweist (107/82 - Urteil vom 25. Oktober 1983), die Tatsache zu berücksichtigen, ob die Praktizierung eines selektiven Vertriebssystems auf die Aufrechterhaltung eines hohen Preisniveaus oder auf den Ausschluß bestimmter moderner Vertriebsarten hinzielt.

(36) Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß bei der Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag die verfahrensgegenständlichen Verträge im Licht aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Die

Kommission ist der Ansicht, daß hierbei vor allem die Hindernisse berücksichtigt werden müssen, die von einer Vertragspartei selbst für den Wettbewerb durch Paralleleinfuhren errichtet wurden.

Ford Deutschland wendet ein, daß die Unterlassung einer Handlung, die deutsche Händler in die Lage versetzen würde, in bestimmter Weise Wettbewerb zu treiben, nicht mit einer Wettbewerbsbeschränkung gleichgesetzt werden kann, die ihnen aufgrund eines Vertrages auferlegt wird. Die Weigerung rechtsgesteuerte Fahrzeuge zu liefern, stellt nach Ford Deutschland eine einseitige Handlung dar, die bei der Entscheidung, ob der Haupthändler-Vertrag freigestellt werden kann, nicht berücksichtigt werden darf.

Die Kommission ist demgegenüber der Auffassung, daß sie berechtigt ist, eine Freistellung zu verweigern, wenn ein an einer Vereinbarung Beteiligter Rechte ausübt oder Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, daß Händler oder Verbraucher die vertragsgegenständlichen Erzeugnisse innerhalb des Vertragsgebiets oder in einem anderen Gebiet erhalten. Dies ergibt sich schon aus Artikel 3 der Verordnung Nr. 67/67/EWG (1) und Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 (2). Dies bedeutet, daß einseitige Handlungen, die also solche nicht als Vereinbarungen oder Verhaltensweisen im Sinn des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, bei der Entscheidung mit berücksichtigt werden dürfen, ob eine Freistellung gewährt werden kann. Ist der Zusammenhang zwischen der einseitigen Handlung und der Vereinbarung hinreichend eng und unmittelbar und hat die Handlung hinreichende wettbewerbliche Auswirkungen, kann es für eine Beurteilung der Vereinbarung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag unerheblich sein, ob die Handlung unmittelbare Folge aus der Vereinbarung ist oder nicht.

Im Gegensatz zu der von Ford Deutschland vertretenen Auffassung kann eine einseitige Handlung von der Kommission selbst dann berücksichtigt werden, wenn sie nicht unmittelbar auf der Vereinbarung beruht. Die Kommission kann eine Vereinbarung in dem wirtschaftlichen Zusammenhang beurteilen, in dem sie angewandt wird. Selbst wenn die Auffassung von Ford Deutschland zuträfe, würde die Lieferverweigerung die Vorteile des Haupthändler-Vertrags für die Käufer wesentlich verringern, die daran interessiert sind, rechtsgesteuerte Fahrzeuge zu günstigen Preisen zu erhalten. Bei der Beurteilung ob ein nationales Vertriebssystem innerhalb der Gemeinschaft die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag erfuellt, muß auch die Möglichkeit von Parallelimporten in den und aus dem in Frage stehenden Mitgliedstaat in die Betrachtung einbezogen werden, da diese Parallelimporte wesentlichen Auswirkungen auf den »intrabrand"-Preiswettbewerb in dem betreffenden Mitgliedstaat und damit auf die Vorteile der Vereinbarung für die Verbraucher haben: »Verbraucher" im Sinn des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag sind Verbraucher in der gesamten Gemeinschaft, nicht nur in einem Mitgliedstaat.

(37) Der Haupthändler-Vertrag von Ford-Deutschland in seiner vor dem 1. Mai 1982 praktizierten Form dürfte einige der Vorteile mit sich bringen, die Vertriebsvereinbarungen in der Fahrzeugindustrie üblicherweise haben, nicht jedoch besondere oder aussergewöhnliche Vorteile.

(38) Obwohl Ford Deutschland weiterhin rechtsgesteuerte Fahrzeuge in Deutschland herstellt und diese dort leicht zur Verfügung stellen könnte, können deutsche Ford-Händler seit dem 1. Mai 1982 bei der Belieferung von zugelassenen Händlern und Endverbrauchern weder innerhalb noch ausserhalb ihres Vertragsgebiets in Wettbewerb treten.

(39) Die Verbraucher in Deutschland und dem Vereinigten Königreich können rechtsgelenkte Ford-Fahrzeuge nicht mehr wie vor dem 1. Mai 1982 von deutschen Händlern erwerben. Da es sich bei Kraftfahrzeugen um einen der kostspieligsten Gebrauchsgegenstände handelt, die die meisten Verbraucher erwerben, und da sich die Nachfrage der Verbraucher im Vereinigten Königreich fast ausschließlich auf rechtsgesteuerte Fahrzeuge erstreckt, werden ihre Interessen ganz erheblich benachteiligt. Die Verbraucher in der Gemeinschaft, und vor allem die Kraftfahrzeugkäufer im Vereinigten Königreich, sehen sich jetzt einer wichtigen Lieferquelle für zu niedrigeren Kosten als im Vereinigten Königreich hergestellte und preisgünstig verkaufte RL-Fahrzeuge beraubt.

(40) RL-Fahrzzeuge, die im Rahmen der betroffenen Verträge geliefert wurden, sind für den Export geeignet. Viele der von Ford Deutschland in Deutschland hergestellten RL-Fahrzeuge werden in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt. Sie wurden an oder von in Deutschland zugelassenen Händlern zu Preisen verkauft, die wesentlich unter den Preisen liegen, zu denen diese Erzeugnisse anderswo erhältlich sind.

(41) Der einzige Grund für die Weigerung, örtlich zugelassene Händler mit den für die Ausfuhr geeigneten Waren zu beliefern, besteht in dem Wunsch, den Markt in dem anderen Mitgliedstaat vor Parallelimporten zu günstigeren Preisen zu schützen. Zumindest unter diesen Umständen kann die Lieferverweigerung als ein Schlüsselelement bei der künstlichen Aufteilung

des Gemeinsamen Marktes und bei der Beibehaltung des Preisniveaus in einem Mitgliedstaat mit hohen Preisen (in dem die Preise aufgrund der hohen Kosten von Ford hoch sind - vgl. Randnummer 24) angesehen werden.

(42) Im Gegensatz zu den Behauptungen von Ford Deutschland besteht eine enge und unmittelbare Beziehung zwischen der Weigerung, rechtsgesteuerte Fahrzeuge an deutsche Händler zu liefern, und dem Haupthändler-Vertrag. Das Rundschreiben vom 27. April 1982 war ausschließlich an deutsche Händler gerichtet, die Vertragspartner des deutschen Händlervertrags waren. Vorher verkaufte die Ford Werke AG RL-Fahrzeuge nur an diese Händler, und die rechtsgelenkten Fahrzeuge mit deutschen Ausstattungen waren von dem Anspruch des Händlers auf Belieferung mit Ford-Fahrzeugen (Artikel 2 des Vertrages) sowie dem Verkaufsziel des Händlers (Artikel 6 des Vertrages) mit umfasst. Durch das Rundschreiben wurden also die Beziehungen zwischen Ford Deutschland und ihren Händlern, die durch den Haupthändler-Vertrag Vertragsparteien wurden, selbst geändert. Der Händlervertrag von Ford Deutschland und die durch ihn geschaffenen Beziehungen waren daher Rahmen und Umfeld des Ford-Rundschreibens sowie der Beendigung der Lieferungen. Das Rundschreiben schränkt die Wirkung des Vertrages wesentlich ein und verringert im Vergleich zur sonst gegebenen Lage dessen Vorteile dadurch, daß es den deutschen Händlern die Möglichkeit nimmt, rechtsgesteuerte Fahrzeuge zu exportieren.

(43) Bei Abwägung der infolge des Vertrages eintretenden Verbesserung des Vertriebs von Fahrzeugen - und der Beteiligung der Verbraucher an solchen Vorteilen - und der Nachteile hieraus im Licht aller rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände ist die Kommission der Auffassung, daß das Vertriebssystem von Ford Deutschland in seiner seit dem 1. Mai 1982 praktizierten Form keinen angemessenen Wettbewerb auf Vertriebsebene ermöglicht da rechtsgelenkte Ford-Fahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu den deutlich niedrigeren deutschen Preisen (vgl. Randnummer 22) erworben werden können und daher der Wettbewerbsdruck im Vereinigten Königreich erheblich verringert ist.

Im allgemeinen sollte es den Verbrauchern freistehen, Ford-Fahrzeuge in der Gemeinschaft dort zu erwerben, wo sie es wünschen; solange keine schwerwiegende Gründe dagegen sprechen, sollten die Ford-Händler frei und in der Lage sein, im wesentlichen alle Ford-Fahrzeugversionen, insbesondere diejenigen die von der sie beliefernden Ford-Gruppe hergestellt werden, zu vetreiben. Im allgemeinen ist es Voraussetzung für eine Freistellung, daß die Händler und Verbraucher diese Freiheit besitzen, und daß ein Unternehmen keine Schritte unternimmt, um die Verbraucher in einem Mitgliedstaat daran zu hindern, seine Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat zu erwerben. Dies ist um so mehr der Fall, wenn mit den genannten Schritten lediglich bezweckt wird, den Wettbewerb zwischen zugelassenen Händlern zu verhindern und ein höheres Preisniveau zu schützen.

(44) Im Gegensatz zu den Behauptungen von Ford Deutschland reicht es für eine Freistellung nicht aus, daß Ford Deutschland den Ford-Händlern keine Beschränkungen bezueglich des Verkaufs und der Ausfuhr derjenigen Ford-Fahrzeuge auferlegt, die sie in Händen haben. Da die Auswirkungen eines wettbewerbsbeschränkenden Vertrages in seinem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang beurteilt werden müssen, müssen auch andere Handlungen einer oder beider Vertragsparteien berücksichtigt werden. Die Lieferverweigerung von Fahrzeugen, für die innerhalb Deutschlands eine gewisse und ausserhalb eine erhebliche Nachfrage besteht, hat im wesentlichen die gleiche wirtschaftliche Auswirkung wie ein Verbot der Ausfuhr von RL-Fahrzeugen aus Deutschland.

Lägen die Preise, die Ford Deutschland ihren deutschen Händlern für rechtsgesteuerte Fahrzeuge in Rechnung stellt, etwa auf dem deutlich höheren Niveau der entsprechenden Preise im Vereinigten Königreich, hätte dies im wesentlichen dieselben wirtschaftlichen Wirkungen wie ein Exportverbot.

Da es gewöhnlich Voraussetzung für eine Freistellung ist, daß der »intrabrand-Wettbewerb" auf der Vertriebsstufe über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus möglich ist oder zumindest nicht behindert wird und Vertriebssysteme innerhalb der Gemeinschaft folglich nicht dazu führen dürfen, einen erheblichen Teil der Gemeinschaft bewusst von der übrigen Gemeinschaft zu isolieren (vgl. Artikel 3 der Verordnungen Nr. 67/67/EWG und (EWG) Nr. 1983/83), führt die Liefereinstellung rechtsgelenkter Ford-Fahrzeuge in Deutschland dazu, daß eine Freistellung unter den gegebenen Umständen nicht gewährt werden kann.

(45) Ford Deutschland behauptet, daß die Nichtgewährung einer Freistellung sie verpflichten würde, eine »umfassende Verfügbarmachung" (full line availability) zu praktizieren, d. h. ihren deutschen Händlern alle von irgendeiner Gesellschaft der Ford-Gruppe in irgendeinem Teil der Gemeinschaft vermarktete Fahrzeuge der Produktionsserie zur Verfügung zu stellen. Ford Deutschland erklärt weiter, daß die Nichtgewährung einer Freistellung auf eine Verpflichtung zur Herstellung von RL-Fahrzeugen hinauslaufe. Beide Argumente treffen nicht zu. Die vorliegende Entscheidung besagt lediglich, daß ein einseitiger Lieferstop, der dieselben praktischen Auswirkungen hat wie ein Exportverbot, zur Unanwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag führen kann und Ford Deutschland daher unter den gegebenen Umständen ihren deutschen Händlern - wie sie dies vor Mai 1982 getan hat - RL-Fahrzeuge zur Verfügung stellen muß, wenn sie eine Freistellung erlangen will. Es bleibt Ford Deutschland unbenommen, einen Vertriebsvertrag abzuschließen, der nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fällt. Die Kommission entscheidet nicht darüber, ob und, wenn ja, inwieweit Ford Deutschland oder eine andere Gesellschaft als Voraussetzung für die Freistellung einer Liefervereinbarung verpflichtet sein könnte, auch solche Erzeugnisse, die nicht von ihr in dem fraglichen Mitgliedstaat hergestellt oder vertrieben werden, oder die gesamte in ihrem Konzern in der Gemeinschaft hergestellte Produktpalette zur Verfügung zu stellen. Die vorliegende Entscheidung legt nicht nahe, daß es Voraussetzung für eine Freistellung des Ford-Händlervertrags sei, daß Händler auch solche Fahrzeuge verkaufen können müssten, die sich nur in untergeordneten Ausstattungsmerkmalen unterschieden, die nicht für eine grössere Anzahl von Verbrauchern von Bedeutung sind oder die von Käufern, die darauf Wert legen, ohne grossen Aufwand nachgerüstet werden können. Zu diesen untergeordneten Ausstattungemerkmalen zählt jedoch die Rechtssteuerung nicht. Demgegenüber behält Ford Deutschland mit der vorliegenden Entscheidung weiterhin die Wahl, RL-Fahrzeuge mit deutscher Ausstattung oder mit anderen Ausstattungen zu liefern. Weiter entscheidet die Kommission nicht darüber, ob es Voraussetzung einer Freistellung wäre, daß RL-Fahrzeuge den deutschen Händlern auch dann zur Verfügung gestellt würden, wenn Ford-Deutschland ihre Produktion einstellte oder sie nicht zu Kosten herstellen könnte, die wesentlich unter ihren Herstellungskosten im Vereinigten Königreich liegen. Diese Fragen stellen sich unter den gegebenen Umständen nicht.

(46) Ford-Händler im Vereinigten Königreich führen an, daß sie einen gravierenden Verkaufsrückgang hinnehmen müssten, wenn Ford Deutschland RL-Fahrzeuge - wie vor dem 1. Mai 1982 - ihren deutschen Händlern im wesentlichen zu denselben Preisen lieferte wie LL-Fahrzeuge. Unterschiedliche Preisniveaus können jedoch einen Schutz vor »intrabrand-Wettbewerb" nicht rechtfertigen, insbesondere, wenn ein solcher Schutz gegen das für den Gemeinsamen Markt grundlegende Prinzip verstieße, daß Wettbewerb durch Einfuhren möglich sein muß.

C. Anwendung von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17

(47) Aus den oben angegebenen Gründen verstösst der Haupthändler-Vertrag gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und kann in der seit 1. Mai 1982 angewandten Form nicht gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag freigestellt werden. Er stellt daher eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EWG-Vertrag dar. Die Kommission hat daher Ford Deutschland nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zu verpflichten, die Zuwiderhandlung unverzueglich abzustellen und jede andere Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zu unterlassen, die denselben Zweck oder dieselbe Wirkung hat -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der von der Ford Werke Aktiengesellschaft mit deutschen Kraftfahrzeughändlern geschlossene Haupthändler-Vertrag über den Verkauf von Ford-Fahrzeugen beschränkt den Wettbewerb und beeinträchtigt den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinn des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag. Eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag für den genannten Haupthändler-Vertrag, wie ihn die Ford Werke Aktiengesellschaft seit dem 1. Mai 1982 anwendet, wird verweigert.

Artikel 2

Die Ford Werke Aktiengesellschaft hat unverzueglich die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

Artikel 3

Die an die Ford Werke Aktiengesellschaft gerichtete Entscheidung 82/628/EWG der Kommission vom 18. August 1982 wird mit Wirkung von dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung gegenüber der Ford-Werke Aktiengesellschaft aufgehoben.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Ford Werke Aktiengesellschaft, Ottoplatz 2, Köln, Bundesrepublik Deutschland, gerichtet.

Brüssel, den 16. November 1983

Für die Kommission

Frans ANDRIESSEN

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. L 29 vom 3. 2. 1975, S. 1.

(1) ABl. Nr. 57 vom 25. 3. 1967, S. 849/67.

(2) ABl. Nr. L 173 vom 30. 6. 1983, S. 1.