Verordnung (EWG) Nr. 1308/70 des Rates vom 29. Juni 1970 über die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf
Amtsblatt Nr. L 146 vom 04/07/1970 S. 0001 - 0004
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 3 S. 0035
Dänische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1970(II) S. 0356
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 3 S. 0035
Englische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1970(II) S. 0411
Griechische Sonderausgabe: Kapitel 03 Band 5 S. 0123
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 03 Band 3 S. 0239
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 03 Band 3 S. 0239
VERORDNUNG (EWG) Nr. 1308/70 DES RATES vom 29. Juni 1970 über die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 42 und 43, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1), nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2), in Erwägung nachstehender Gründe: Mit dem Funktionieren und der Entwicklung des gemeinsamen Marktes für landwirtschaftliche Erzeugnisse muß die Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik Hand in Hand gehen ; sie muß insbesondere eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte umfassen, die je nach Erzeugnis verschiedene Formen annehmen kann. Zweck der gemeinsamen Agrarpolitik ist es, die Ziele des Artikels 39 des Vertrages zu erreichen ; die besondere Lage des Flachsmarktes wird durch eine Erzeugung gekennzeichnet, die insgesamt den Verbrauch in der Gemeinschaft übersteigt, während der Hanfmarkt durch eine Erzeugung charakterisiert wird, die insgesamt geringer ist als der Verbrauch in der Gemeinschaft ; für diese beiden Märkte sind wettbewerbsfähige Preise im Vergleich zu den Weltmarktpreisen dieser Erzeugnisse und der konkurrierenden natürlichen Spinnstoffe aufrechtzuerhalten ; es ist daher zweckmässig, geeignete Maßnahmen zu treffen, durch die der Markt stabilisiert, den beteiligten Erzeugern ein angemessenes Einkommen gewährleistet und bei Flachs ein rationeller Absatz der Erzeugung gefördert wird. Zu diesem Zweck ist die Möglichkeit zum Erlaß von Maßnahmen vorzusehen, die geeignet sind, die Anpassung des Angebots an die Erfordernisse des Marktes zu erleichtern ; ferner ist eine Beihilfe zu gewähren, die an die Stelle der einzelstaatlichen Erzeugerbeihilfen tritt ; angesichts der besonderen Merkmale der Flachs- und Hanferzeugung ist für diese Beihilfe ein System der pauschalen Festsetzung je Hektar vorzusehen. Die Flachs- und Hanferzeugung weist erhebliche Schwankungen auf, die das Preisniveau spürbar beeinflussen können ; um einen starken Preissturz abschwächen oder verhüten zu können, muß die Möglichkeit bestehen, geeignete Interventionsmaßnahmen treffen zu können. Zur Stabilisierung des Marktes und zur Erleichterung des Absatzes dieser Erzeugung sind gemeinschaftliche Rahmenbestimmungen zur Regelung der vertraglichen Beziehungen zwischen Käufern und Erzeugern von Flachsstroh und Hanfstroh vorzusehen und der Abschluß von Verträgen zwischen Erzeugern und Käufern zu fördern. Die geplanten Beihilfe- und Interventionsmaßnahmen müssen es gestatten, eine Einfuhrregelung in Aussicht zu nehmen, die sich nur auf die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs erstreckt ; dieser gilt gemäß dem Vertrag automatisch ab 1. Januar 1970. Diese Maßnahmen müssen die Möglichkeit schaffen, auf die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen an den Aussengrenzen der Gemeinschaft zu verzichten ; dieses Verfahren kann sich jedoch ausnahmsweise als unzureichend erweisen ; damit in solchen Fällen der Gemeinschaftsmarkt gegen möglicherweise daraus entstehende Störungen nicht ungeschützt bleibt, wenn die früheren Einfuhrhemmnisse beseitigt worden sind, muß es der Gemeinschaft ermöglicht werden, rasch alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Erhebung von Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung und die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung im innergemeinschaftlichen Handel gemäß dem Vertrag sind am 1. Januar 1970 automatisch verboten ; da es am 31. Dezember 1969 keine Mindestpreise mehr gab, ist die Anwendung von Artikel 44 Absatz 6 (1)ABl. Nr. C 25 vom 28.2.1970, S. 62. (2)ABl. Nr. C 78 vom 25.6.1970, S. 12. des Vertrages automatisch ab 1. Januar 1970 ausgeschlossen. Die Wirksamkeit aller Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Flachs und Hanf würde durch die Gewährung bestimmter Beihilfen durch die Mitgliedstaaten gefährdet ; es ist daher zweckmässig, die Bestimmungen des Vertrages, die eine Beurteilung der von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen und ein Verbot der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen ermöglichen, auf den Flachs- und Hanfsektor anzuwenden. Es ist vorzusehen, daß die Ausgaben der Mitgliedstaaten auf Grund der sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen entsprechend den Bestimmungen über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik in die finanzielle Verantwortung der Gemeinschaft übergehen. Der Übergang von den augenblicklich in den Mitgliedstaaten geltenden Regelungen zu der in dieser Verordnung vorgesehenen Regelung muß möglichst reibungslos erfolgen ; deshalb können sich Übergangsmaßnahmen als notwendig erweisen. Die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf muß zugleich den in den Artikeln 39 und 110 des Vertrages vorgesehenen Zielen in geeigneter Weise Rechnung tragen. Um die Durchführung der in Aussicht genommenen Bestimmungen zu erleichtern, ist ein Verfahren vorzusehen, durch das im Rahmen eines Verwaltungsausschusses eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission herbeigeführt wird - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 (1) Die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf gilt für nachstehende Erzeugnisse: >PIC FILE= "T0002354"> (2) Im Sinne dieser Verordnung sind a) Flachsstroh : Flachs (Linum usitatissimum L.), roh oder geröstet; b) Hanfstroh : Hanf, roh oder geröstet; c) Flachsfasern : Flachs (Linum usitatissimum L.), geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen, sowie Werg und Abfälle einschließlich Reißspinnstoff, aus Flachs; d) Hanffasern : Hanf, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen, sowie Werg und Abfälle einschließlich Reißspinnstoff, aus Hanf. Artikel 2 Um die Initiativen der Berufsstände und Branchen zu fördern, die eine Anpassung des Angebots an die Erfordernisse des Marktes erleichtern sollen, können für die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Erzeugnisse folgende Gemeinschaftsmaßnahmen ergriffen werden: a) Maßnahmen zur Förderung einer besseren Organisation der Erzeugung und Vermarktung sowie der Verarbeitung von Flachs- und Hanfstroh in Fasern; b) Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität; c) Maßnahmen zur Förderung der Erforschung neuer Verwendungszwecke. Die Grundregeln für diese Maßnahmen werden nach dem Verfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages erlassen. Artikel 3 Das Wirtschaftsjahr für Flachs und Hanf beginnt am 1. August eines jeden Jahres und endet am 31. Juli des folgenden Jahres. Artikel 4 (1) Für in der Gemeinschaft erzeugten Flachs und Hanf wird eine Beihilfe eingeführt. Der für jedes der beiden Erzeugnisse in der ganzen Gemeinschaft einheitliche Beihilfebetrag wird jedes Jahr vor dem 1. August für das im folgenden Jahr beginnende Wirtschaftsjahr festgesetzt. Die Beihilfe für das Wirtschaftsjahr 1970/1971 wird jedoch vor dem 1. August 1970 festgesetzt. (2) Der Beihilfebetrag wird je Hektar Anbau- und Erntefläche festgesetzt, um ein Gleichgewicht zwischen dem für die Gemeinschaft erforderlichen Produktionsumfang und den Absatzmöglichkeiten für die Erzeugung sicherzustellen. Die Kommission unterbreitet dem Rat hierzu jährlich einen Bericht zur Beurteilung dieser Lage und ihrer voraussichtlichen Entwicklung. Bei der Festsetzung des Beihilfebetrags werden auch der Weltmarktpreis für Fasern und Saaten von Flachs und Hanf sowie der Preis der anderen natürlichen konkurrierenden Erzeugnisse berücksichtigt. (3) Der Beihilfebetrag wird nach dem Verfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages festgesetzt. (4) Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages die Grundregeln zur Anwendung dieses Artikels. (5) Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel werden nach dem Verfahren des Artikels 12 erlassen. Artikel 5 (1) Ist unter Berücksichtigung der verfügbaren Mengen an Flachs- und Hanffasern im Vergleich zur voraussichtlichen Nachfrage ein zeitweiliges Ungleichgewicht zu erwarten, so wird nach dem Verfahren des Artikels 12 beschlossen, daß die von den Erzeugermitgliedstaaten bestimmten Interventionsstellen den Besitzern von Fasern mit Ursprung in der Gemeinschaft die Möglichkeit geben, Lagerverträge abzuschließen. Den Besitzern von Fasern, die derartige Verträge abgeschlossen haben, wird eine Beihilfe zur privaten Lagerhaltung gewährt. (2) Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages die Grundregeln zur Anwendung dieses Artikels. (3) Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel werden nach dem Verfahren des Artikels 12 erlassen. Artikel 6 Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages Rahmenbestimmungen, insbesondere über die allgemeinen Ankaufs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen, denen die zwischen den Flachs- bzw. Hanferzeugern und den Käufern geschlossenen Verträge entsprechen müssen. Artikel 7 Vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung oder einer vom Rat auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages beschlossenen Ausnahmeregelung sind im Handel mit Drittländern verboten: a) die Erhebung von Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle; b) mengenmässige Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung. Artikel 8 (1) Wird der Markt in der Gemeinschaft für eines oder mehrere der in Artikel 1 Absatz 1 erwähnten Erzeugnisse auf Grund von Einfuhren oder Ausfuhren ernstlichen Störungen ausgesetzt oder von ernstlichen Störungen bedroht, die die Ziele des Artikels 39 des Vertrages gefährden könnten, so können im Handel mit dritten Ländern geeignete Maßnahmen angewandt werden, bis die tatsächliche Störung oder die drohende Störung beseitigt ist. Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages die Durchführungsbestimmungen zu diesem Absatz fest und bestimmt, in welchen Fällen und innerhalb welcher Grenzen die Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen treffen können. (2) Tritt die in Absatz 1 erwähnte Lage ein, so beschließt die Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaats oder von sich aus die erforderlichen Maßnahmen ; diese werden den Mitgliedstaaten mitgeteilt und sind unverzueglich anzuwenden. Ist die Kommission mit einem Antrag eines Mitgliedstaats befasst worden, so entscheidet sie hierüber innerhalb vierundzwanzig Stunden nach Eingang des Antrags. (3) Jeder Mitgliedstaat kann die Maßnahme der Kommission binnen einer Frist von höchstens drei Arbeitstagen nach dem Tag ihrer Mitteilung dem Rat vorlegen. Der Rat tritt unverzueglich zusammen. Er kann die betreffende Maßnahme der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages ändern oder aufheben. Artikel 9 Vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung sind die Artikel 92 bis 94 des Vertrages auf die Erzeugung der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen anzuwenden. Artikel 10 Die Mitgliedstaaten und die Kommission teilen sich gegenseitig die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Angaben mit. Diese Angaben werden nach dem Verfahren des Artikels 12 festgelegt. Nach dem gleichen Verfahren werden die Einzelheiten der Mitteilung und der Bekanntgabe dieser Angaben festgelegt. Artikel 11 (1) Es wird ein Verwaltungsausschuß für Flachs und Hanf - nachstehend "Ausschuß" genannt - eingesetzt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und unter dem Vorsitz eines Vertreters der Kommission zusammentritt. (2) In diesem Ausschuß werden die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil. Artikel 12 (1) Wird auf das in diesem Artikel festgelegte Verfahren Bezug genommen, so befasst der Vorsitzende entweder von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats den Ausschuß. (2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuß nimmt zu diesen Maßnahmen innerhalb einer Frist, die der Vorsitzende entsprechend der Dringlichkeit der zu prüfenden Fragen bestimmen kann, Stellung. Die Stellungnahme kommt mit einer Mehrheit von zwölf Stimmen zustande. (3) Die Kommission erlässt Maßnahmen, die sofort anwendbar sind. Entsprechen jedoch diese Maßnahmen nicht der Stellungnahme des Ausschusses, so werden sie dem Rat von der Kommission alsbald mitgeteilt ; in diesem Fall kann die Kommission die Anwendung der von ihr beschlossenen Maßnahmen bis zur Dauer von höchstens einem Monat nach dieser Mitteilung aussetzen. Der Rat kann nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages binnen einer Frist von einem Monat anders entscheiden. Artikel 13 Der Ausschuß kann jede andere Frage prüfen, die ihm der Vorsitzende von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats vorlegt. Artikel 14 Bei der Durchführung dieser Verordnung ist zugleich den in den Artikeln 39 und 110 des Vertrages genannten Zielen in geeigneter Weise Rechnung zu tragen. Artikel 15 Die Bestimmungen über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik gelten für den Markt der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Erzeugnisse ab 1. August 1970. Artikel 16 Sollten Übergangsmaßnahmen erforderlich sein, um den Übergang von der in den Mitgliedstaaten augenblicklich geltenden Regelung auf die in dieser Verordnung vorgesehene Regelung zu erleichtern, und zwar insbesondere, wenn die Anwendung der neuen Regelung zum vorgesehenen Zeitpunkt auf erhebliche Schwierigkeiten stossen würde, so werden diese Maßnahmen nach dem Verfahren des Artikels 12 erlassen. Sie bleiben bis zum 31. Juli 1971 anwendbar. Artikel 17 Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Die in dieser Verordnung vorgesehene Regelung wird mit Ausnahme der in Artikel 16 vorgesehenen Maßnahmen, die mit Inkrafttreten dieser Verordnung zur Anwendung gebracht werden können, ab 1. August 1970 angewandt. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Luxemburg am 29. Juni 1970. Im Namen des Rates Der Präsident Ch. HÉGER