21994A0103(25)

Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum - Protokoll 24 über die Zusammenarbeit im Bereich der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

Amtsblatt Nr. L 001 vom 03/01/1994 S. 0188 - 0191


PROTOKOLL 24 über die Zusammenarbeit im Bereich der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

Artikel 1

(1) Zwischen der EFTA-Überwachungsbehörde und der EG-Kommission findet ein Informationsaustausch und eine Konsultation über allgemeine politische Fragen statt, falls eine der beiden Überwachungsbehörden darum ersucht.

(2) In den von Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe a erfassten Fällen arbeiten die EG-Kommission und die EFTA- Überwachungsbehörde bei der Behandlung von Zusammenschlüssen gemäß den nachstehend genannten Bestimmungen zusammen.

(3) Für die Zwecke dieses Protokolls ist das "Gebiet eines Überwachungsorgans" für die EG-Kommission das Hoheitsgebiet der EG-Mitgliedstaaten, auf das der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bzw. der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl nach Maßgabe jener Verträge angewendet wird; für die EFTA-Überwachungsbehörde sind darunter die unter das Abkommen fallenden Hoheitsgebiete der EFTA-Staaten zu verstehen.

Artikel 2

(1) Zusammenarbeit findet im Einklang mit den in diesem Protokoll niedergelegten Bestimmungen statt,

a) wenn der gemeinsame Umsatz der beteiligten Unternehmen im Gebiet der EFTA-Staaten 25 % oder mehr ihres Gesamtumsatzes in dem unter dieses Abkommen fallenden Gebiet ausmacht, oder

b) wenn mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen Umsatz von mehr als 250 Millionen ECU im Gebiet der EFTA-Staaten erzielen, oder

c) wenn Zusammenschlüsse eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken könnten und dadurch der wirksame Wettbewerb in den Gebieten der EFTA-Staaten oder in einem wesentlichen Teil derselbigen erheblich behindert würde.

(2) Zusammenarbeit findet auch statt,

a) wenn der Zusammenschluß eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken droht, durch die wirksamer Wettbewerb auf einem Markt in einem EFTA-Staat, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich behindert würde, unabhängig davon, ob dieser einen wesentlichen Teil des unter dieses Abkommen fallenden Gebietes ausmacht oder nicht, oder

b) wenn ein EFTA-Staat wünscht, gemäß Artikel 7 dieses Protokolls Maßnahmen zum Schutz berechtigter Interessen zu treffen.

ERSTE PHASE DER VERFAHREN

Artikel 3

(1) Die EG-Kommission übermittelt der EFTA-Überwachungsbehörde binnen dreier Arbeitstage eine Kopie der Anmeldungen der in Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a genannten Fälle und so bald wie möglich Kopien der wichtigsten Schriftstücke, die bei ihr eingereicht bzw. von ihr erstellt werden.

(2) Die EG-Kommission führt die für die Durchführung des Artikels 57 des Abkommens vorgesehenen Verfahren in enger und stetiger Verbindung mit der EFTA-Überwachungsbehörde durch. Die EFTA-Überwachungsbehörde und die EFTA-Staaten sind berechtigt, zu diesen Verfahren Stellung zu nehmen. Im Hinblick auf die Anwendung des Artikels 6 dieses Protokolls nimmt die EG-Kommission die Mitteilungen der zuständigen Behörde des betreffenden EFTA-Staates entgegen; sie gibt dieser Behörde Gelegenheit, sich in allen Abschnitten des Verfahrens bis zum Erlaß einer Entscheidung nach diesem Artikel zu äussern. Zu diesem Zwecke gewährt sie ihr Akteneinsicht.

ANHÖRUNGEN

Artikel 4

In den in Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a genannten Fällen fordert die EG-Kommission die EFTA-Überwachungsbehörde auf, bei den Anhörungen der betreffenden Unternehmen vertreten zu sein. Die EFTA-Staaten können ebenfalls bei diesen Anhörungen vertreten sein.

DER BERATENDE EG-AUSSCHUSS FÜR DIE KONTROLLE VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN

Artikel 5

(1) In den in Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a genannten Fällen teilt die EG-Kommission der EFTA-Überwachungsbehörde rechtzeitig den Zeitpunkt der Sitzung des Beratenden EG-Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen mit und übermittelt die einschlägigen Unterlagen.

(2) Alle von der EFTA-Überwachungsbehörde zu diesem Zwecke beigebrachten Unterlagen, einschließlich Unterlagen von EFTA-Staaten, werden dem Beratenden EG-Ausschuß für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen zusammen mit weiteren einschlägigen Unterlagen der EG-Kommission vorgelegt.

(3) Die EFTA-Überwachungsbehörde und die EFTA-Staaten sind berechtigt, in dem Beratenden EG-Ausschuß für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen anwesend zu sein und Stellung zu beziehen; sie haben jedoch kein Stimmrecht.

RECHTE DER EINZELNEN STAATEN

Artikel 6

(1) Die EG-Kommission kann einen angemeldeten Zusammenschluß durch eine Entscheidung, die sie den beteiligten Unternehmen, den zuständigen Behörden der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Überwachungsbehörde unverzueglich mitteilt, an einen EFTA-Staat verweisen, in welchem ein Zusammenschluß eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken droht, durch die wirksamer Wettbewerb auf einem Markt in diesem Staat, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich behindert würde, unabhängig davon, ob dieser einen wesentlichen Teil des unter dieses Abkommen fallenden Gebietes ausmacht oder nicht.

(2) In den in Absatz 1 genannten Fällen kann jeder EFTA-Staat zwecks Anwendung seiner innerstaatlichen Wettbewerbsvorschriften beim Europäischen Gerichtshof aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen Klage erheben, wie dies ein EG-Mitgliedstaat gemäß Artikel 173 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft tun kann, und insbesondere den Erlaß einstweiliger Anordnungen beantragen.

Artikel 7

(1) Unbeschadet der ausschließlichen Zuständigkeit der EG-Kommission, gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. Nr. L 395 vom 30.12.1989, S. 1; berichtigte Textfassung: ABl. Nr. L 257 vom 21.9.1990, S. 13), gemeinschaftsweite Zusammenschlüsse zu behandeln, können die EFTA-Staaten geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, welche gemäß der genannten Verordnung berücksichtigt werden, sofern diese Interessen mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen vereinbar sind, die gemäß diesem Abkommen direkt bzw. indirekt vorgesehen sind.

(2) Im Sinne des Absatzes 1 gelten als berechtigte Interessen die öffentliche Sicherheit, die Medienvielfalt und die Aufsichtsregeln.

(3) Jedes andere öffentliche Interesse muß der EG-Kommission mitgeteilt werden; diese muß es nach Prüfung seiner Vereinbarkeit mit den allgemeinen Grundsätzen und den sonstigen Bestimmungen, die gemäß diesem Abkommen direkt bzw. indirekt vorgesehen sind, vor Anwendung der genannten Maßnahmen anerkennen. Die EG-Kommission gibt der EFTA-Überwachungsbehörde und dem betreffenden EFTA-Staat ihre Entscheidung binnen eines Monats nach der entsprechenden Mitteilung bekannt.

GEGENSEITIGE AMTSHILFE

Artikel 8

(1) Die EG-Kommission kann zur Erfuellung der ihr für die Durchführung des Artikels 57 übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte bei der EFTA-Überwachungsbehörde und den EFTA-Staaten einholen.

(2) Richtet die EG-Kommission ein Auskunftsverlangen an Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die ihren Wohnsitz bzw. Sitz im Gebiet der EFTA-Überwachungsbehörde haben, so übermittelt sie der EFTA-Überwachungsbehörde gleichzeitig eine Kopie davon.

(3) Wird eine von Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen verlangte Auskunft innerhalb einer von der EG-Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die EG-Kommission die Auskunft durch Entscheidung an; sie übermittelt der EFTA-Überwachungsbehörde eine Kopie dieser Entscheidung.

(4) Auf Ersuchen der EG-Kommission nimmt die EFTA-Überwachungsbehörde Nachprüfungen in ihrem Gebiet vor.

(5) Die EG-Kommission ist berechtigt, bei den in Absatz 4 genannten Nachprüfungen vertreten zu sein und aktiv daran teilzunehmen.

(6) Die Auskünfte, die bei den auf Ersuchen vorgenommenen Nachprüfungen erteilt werden, werden der EG-Kommission übermittelt, sobald die Nachprüfungen abgeschlossen sind.

(7) Nimmt die EG-Kommission Nachforschungen im Gemeinschaftsgebiet vor und handelt es sich um Fälle gemäß Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a, so unterrichtet sie die EFTA-Überwachungsbehörde darüber, daß solche Nachforschungen stattgefunden haben; auf Ersuchen übermittelt sie die einschlägigen Ergebnisse der Nachforschungen.

BERUFSGEHEIMNIS

Artikel 9

(1) Die bei der Anwendung dieses Protokolls erlangten Kenntnisse dürfen nur für die Verfahren gemäß Artikel 57 des Abkommens verwertet werden.

(2) Die EG-Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und der EFTA-Staaten sowie ihre Beamten und sonstigen Bediensteten sind verpflichtet, Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei der Anwendung dieses Protokolls erlangt haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen.

(3) Vorschriften über das Berufsgeheimnis und die eingeschränkte Verwertung von Kenntnissen, die in dem Abkommen bzw. in den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien vorgesehen sind, stehen dem Austausch und der Verwertung von Kenntnissen nach Maßgabe dieses Protokolls nicht entgegen.

ANMELDUNGEN

Artikel 10

(1) Unternehmen richten ihre Anmeldungen an das zuständige Überwachungsorgan im Einklang mit Artikel 57 Absatz 2 des Abkommens.

(2) Anmeldungen bzw. Beschwerden, die an das Organ gerichtet werden, das gemäß Artikel 57 keine Entscheidungsbefugnis über einen bestimmten Fall hat, werden unverzueglich an das zuständige Überwachungsorgan weitergeleitet.

Artikel 11

Als Zeitpunkt der Vorlage der Anmeldung gilt der Tag, an dem diese bei dem zuständigen Überwachungsorgan eingeht.

In Fällen, die gemäß den Durchführungsvorschriften nach Artikel 57 angemeldet werden, jedoch unter Artikel 53 fallen, gilt als Zeitpunkt der Vorlage der Anmeldung der Tag, an dem diese bei dem zuständigen Überwachungsorgan eingeht.

SPRACHENREGELUNG

Artikel 12

(1) Die Unternehmen sind berechtigt, im Zusammenhang mit Anmeldungen für den Schriftverkehr mit der EFTA-Überwachungsbehörde und der EG-Kommission eine Amtssprache eines EFTA-Staates oder der Gemeinschaft zu wählen. Dies gilt für alle Verfahrensarten.

(2) Wählt ein Unternehmen für den Schriftverkehr mit einem Überwachungsorgan eine Sprache, die weder Amtssprache der in den Zuständigkeitsbereich dieses Organs fallenden Staaten noch Arbeitssprache dieses Organs ist, so hat es dafür zu sorgen, daß für alle Unterlagen eine in einer Amtssprache dieses Organs übersetzte Fassung vorliegt.

(3) Unternehmen, die nicht in der Anmeldung aufgeführt sind, sind ebenfalls berechtigt, den Schriftverkehr mit der EFTA-Überwachungsbehörde und der EG-Kommission in einer Amtssprache eines EFTA-Staates oder der Gemeinschaft oder in einer Arbeitssprache eines der beiden Organe zu führen. Wählen diese Unternehmen für den Schriftverkehr mit einem Überwachungsorgan eine Sprache, die weder Amtssprache der in den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fallenden Staaten noch Arbeitssprache dieses Organ ist, so gilt Absatz 2.

(4) Für den Schriftverkehr mit den Unternehmen benutzt das zuständige Organ die für die Übersetzung gewählte Sprache.

FRISTEN UND WEITERE VERFAHRENSFRAGEN

Artikel 13

Im Zusammenhang mit Fristen und anderen Verfahrensbestimmungen gelten die Vorschriften zur Durchführung des Artikels 57 auch für die Zusammenarbeit zwischen der EG-Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde sowie den EFTA-Staaten, sofern in diesem Protokoll nichts anderes festgelegt ist.

ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN

Artikel 14

Artikel 57 findet keine Anwendung auf Zusammenschlüsse, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens Gegenstand eines Vertragsabschlusses oder einer Veröffentlichung gewesen oder durch einen Erwerb zustande gekommen sind; auf keinen Fall findet er Anwendung auf Zusammenschlüsse, hinsichtlich deren eine für den Wettbewerb zuständige nationale Behörde vor dem genannten Zeitpunkt ein Verfahren eröffnet hat.