02022R2576 — DE — 31.12.2023 — 001.001


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VERORDNUNG (EU) 2022/2576 DES RATES

vom 19. Dezember 2022

über mehr Solidarität durch eine bessere Koordinierung der Gasbeschaffung, zuverlässige Preis-Referenzwerte und den grenzüberschreitenden Austausch von Gas

(ABl. L 335 vom 29.12.2022, S. 1)

Geändert durch:

 

 

Amtsblatt

  Nr.

Seite

Datum

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VERORDNUNG (EU) 2023/2919 DES RATES  vom 21. Dezember 2023

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29.12.2023




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VERORDNUNG (EU) 2022/2576 DES RATES

vom 19. Dezember 2022

über mehr Solidarität durch eine bessere Koordinierung der Gasbeschaffung, zuverlässige Preis-Referenzwerte und den grenzüberschreitenden Austausch von Gas



KAPITEL I

GEGENSTAND UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)  

Diese Verordnung enthält befristete Vorschriften, die Folgendes betreffen:

a) 

die beschleunigte Einrichtung eines Dienstes für die Nachfragebündelung und gemeinsame Gasbeschaffung durch Unternehmen, die in der Union niedergelassen sind,

b) 

eine Sekundärkapazitäts-Buchungs- und Transparenzplattform für LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen, sowie

c) 

das Engpassmanagement in Gasfernleitungsnetzen

(2)  
Diese Verordnung sieht befristete Mechanismen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft zur Verhinderung überhöhter Preise vor, und zwar durch einen befristeten Mechanismus zur Begrenzung einer Tagesvolatilität bei übermäßigen Preisbewegungen sowie einen von der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) zu entwickelnden Ad-hoc-Referenzwert für die LNG-Preise.
(3)  
Diese Verordnung legt befristet Maßnahmen fest, für den Fall eines Gasnotstands, um Gas auf gerechte Weise grenzüberschreitend zu verteilen, die Gasversorgung besonders wichtiger Kunden zu sichern und grenzüberschreitende Solidaritätsmaßnahmen sicherzustellen.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 

„Erdgasunternehmen“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die mindestens eine der Tätigkeiten Erzeugung, Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Kauf oder Speicherung von Erdgas, einschließlich verflüssigtem Erdgas (LNG), ausübt und für die kommerziellen, technischen oder wartungsbezogenen Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen verantwortlich ist, mit Ausnahme von Endkunden;

2. 

„LNG-Anlage“ bezeichnet ein Terminal zur Verflüssigung von Erdgas oder zur Einfuhr, Entladung und Wiederverdampfung von verflüssigtem Erdgas (LNG), einschließlich Hilfsdiensten und der vorübergehenden Speicherung, die für die Wiederverdampfung und die anschließende Einspeisung in das Fernleitungsnetz erforderlich sind, jedoch mit Ausnahme der zu Speicherzwecken genutzten Teile von LNG-Terminals;

3. 

„Gasspeicheranlage“ bezeichnet eine Anlage zur Speicherung von Erdgas, die sich im Eigentum eines Erdgasunternehmens befindet oder von ihm betrieben wird, einschließlich des zu Speicherzwecken genutzten Teils von LNG-Anlagen, jedoch ohne den für Erzeugungstätigkeiten genutzten Teil und mit Ausnahme von Anlagen, die ausschließlich Fernleitungsnetzbetreibern für die Wahrnehmung ihrer Funktionen vorbehalten sind;

4. 

„Dienstleister“ bezeichnet ein in der Union niedergelassenes Unternehmen, das von der Kommission in einem Vergabeverfahren gemäß der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 beauftragt wurde, die gemeinsame Beschaffung zu organisieren und die in Artikel 7 der vorliegenden Verordnung aufgeführten Aufgaben wahrzunehmen;

5. 

„IT-Tool“ bezeichnet ein IT-Tool, das der Dienstleister nutzt, um die Nachfrage von Erdgasunternehmen und Erdgas verbrauchenden Unternehmen zu bündeln und Angebote von Erdgaslieferanten oder -erzeugern zur Deckung dieser gebündelten Nachfrage einzuholen;

6. 

„LNG-Handel“ bezeichnet Gebote, Angebote oder Transaktionen zum Kauf oder Verkauf von LNG,

a) 

die die Lieferung in der Union betreffen,

b) 

zur Lieferung in der Union führen oder

c) 

in deren Rahmen eine Gegenpartei das LNG an einem Terminal in der Union wieder in den gasförmigen Zustand überführt;

7. 

„LNG-Marktdaten“ bezeichnet Aufzeichnungen von Geboten, Angeboten oder Transaktionen für den LNG-Handel mit den entsprechenden Informationen gemäß Artikel 21 Absatz 1;

8. 

„LNG-Marktteilnehmer“ bezeichnet jede natürliche oder juristische Person, die LNG-Handel betreibt, unabhängig von ihrem Sitz oder Wohnsitz;

9. 

„LNG-Preisbewertung“ bezeichnet die Bestimmung eines täglichen Referenzpreises für den LNG-Handel nach einer von der ACER festzulegenden Methode;

10. 

„LNG-Referenzwert“ bezeichnet die Bestimmung eines Spreads zwischen der täglichen LNG-Preisbewertung und dem von ICE Endex Markets B.V. täglich bestimmten Abrechnungspreis für den nächstfälligen Gas-Terminkontrakt (Front Month Contract) der Title Transfer Facility (TTF);

11. 

„Handelsplatz“ hat folgende Bedeutungen:

a) 

„geregelter Markt“ im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU;

b) 

„multilaterales Handelssystem“ im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 22 der Richtlinie 2014/65/EU;

c) 

„organisiertes Handelssystem“ im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 23 der Richtlinie 2014/65/EU;

12. 

„energiebezogenes Warenderivat“ bezeichnet ein an einem Handelsplatz gehandeltes Warenderivat im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 30 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates ( 1 ), dessen Basiswert Strom oder Gas ist und dessen Laufzeit 12 Monate nicht überschreitet;

13. 

„zuständige Behörde“ bezeichnet — soweit nicht anders angegeben — eine zuständige Behörde im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 26 der Richtlinie 2014/65/EU;

14. 

„für die Stromversorgungssicherheit kritische Gasmenge“ bezeichnet den maximalen Gasverbrauch, der im Stromsektor erforderlich ist, um in einem Worst-Case-Szenario, das bei der Abschätzung der Angemessenheit für den Winter gemäß Artikel 9 der Verordnung (EU) 2019/941 des Europäischen Parlaments und des Rates ( 2 ) simuliert wurde, die Angemessenheit sicherzustellen;

15. 

„geschützter Kunde“ bezeichnet einen geschützten Kunden im Sinne von Artikel 2 Nummer 5 der Verordnung (EU) 2017/1938;

16. 

„durch Solidarität geschützter Kunde“ bezeichnet einen durch Solidarität geschützten Kunden im Sinne von Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2017/1938.

KAPITEL II

BESSERE KOORDINIERUNG DER GASBESCHAFFUNG

ABSCHNITT 1

Koordinierung der Gasbeschaffung in der Union

Artikel 3

Transparenz und Informationsaustausch

(1)  
Allein im Interesse der besseren Koordinierung müssen in der Union niedergelassene Erdgasunternehmen oder gasverbrauchende Unternehmen oder Behörden von Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, eine Ausschreibung für den Kauf von Gas zu veröffentlichen oder mit Erdgaserzeugern oder -lieferanten aus Drittländern Verhandlungen über den Kauf von Gas in einer Menge von mehr als 5 TWh pro Jahr aufzunehmen, die Kommission und gegebenenfalls den Mitgliedstaat, in dem diese Unternehmen niedergelassen sind, über den beabsichtigten Abschluss eines Gasliefervertrags oder einer Vereinbarung (Memorandum of Understanding) oder die beabsichtigte Veröffentlichung einer Ausschreibung für den Kauf von Gas unterrichten.

Die Notifizierung gemäß Unterabsatz 1 erfolgt mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Veröffentlichung oder, wenn die Verhandlungen zu einem näher am Termin der Vertragsunterzeichnung liegenden Zeitpunkt aufgenommen werden sollen, innerhalb einer kürzeren Frist, aber spätestens zwei Wochen davor. Dabei sind lediglich folgende grundlegende Angaben zu übermitteln:

a) 

die Identität des oder der Vertragspartner(s) oder der Gegenstand der Ausschreibung für den Kauf von Gas,

b) 

die relevanten Mengen,

c) 

die relevanten Daten und

d) 

gegebenenfalls den Dienstleister, der diese Beschaffung oder Ausschreibung im Namen eines Mitgliedstaats organisiert.

(2)  
Ist die Kommission der Ansicht, dass eine weitere Koordinierung in Bezug auf die Veröffentlichung einer Ausschreibung für den Kauf von Gas oder die geplante Gasbeschaffung durch in der Union niedergelassene Erdgasunternehmen oder gasverbrauchende Unternehmen oder durch Behörden von Mitgliedstaaten zu einer verbesserten Funktionsweise der gemeinsamen Beschaffung beitragen könnte oder dass die Veröffentlichung einer Ausschreibung für den Kauf von Gas oder die geplante Gasbeschaffung negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt, die Versorgungssicherheit oder die Energiesolidarität haben könnte, kann die Kommission den in der Union niedergelassenen Erdgasunternehmen oder gasverbrauchenden Unternehmen oder Behörden von Mitgliedstaaten empfehlen, geeignete Maßnahmen zu treffen. Die Kommission unterrichtet in einem solchen Fall gegebenenfalls den Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist.
(3)  
Die Kommission unterrichtet den in Artikel 4 genannten Ad-hoc-Lenkungsausschuss, bevor sie eine Empfehlung gemäß Absatz 2 abgibt.
(4)  
Bei der Unterrichtung der Kommission gemäß Absatz 1 können die unterrichtenden Stellen angeben, ob ein geschäftsbezogener oder sonstiger Teil der Informationen, dessen Offenlegung den Tätigkeiten der Beteiligten schaden könnte, vertraulich zu behandeln ist und ob die übermittelten Informationen an andere Mitgliedstaaten weitergeleitet werden dürfen.
(5)  
Der Zugang der Kommission zu vertraulichen Informationen wird durch ein Ersuchen um Wahrung der Vertraulichkeit gemäß dem vorliegenden Artikel nicht eingeschränkt. Die Kommission stellt sicher, dass der Zugriff auf vertrauliche Informationen strikt auf die Kommissionsdienststellen beschränkt ist, die unbedingt auf diese Informationen zugreifen müssen. Die Vertreter der Kommission behandeln diese Informationen mit der gebotenen Vertraulichkeit.
(6)  
Unbeschadet des Artikels 346 AEUV werden vertrauliche Informationen nur dann mit der Kommission und anderen zuständigen Behörden ausgetauscht, wenn ein solcher Austausch für die Anwendung dieser Verordnung erforderlich ist. Die auszutauschenden Informationen werden auf den Umfang beschränkt, der für das verfolgte Ziel relevant und angemessen ist. Bei einem solchen Informationsaustausch werden die Informationen vertraulich behandelt und die Sicherheits- und Geschäftsinteressen der dieser Verordnung unterliegenden Einrichtungen geschützt sowie wirksame Instrumente zum physischen Schutz der Daten eingesetzt. Alle Server und Informationen befinden sich physisch im Gebiet der Union und werden dort gespeichert.

Artikel 4

Ad-hoc-Lenkungsausschuss

(1)  
Zur Unterstützung bei der Koordinierung der Nachfragebündelung und gemeinsamen Beschaffung wird ein Ad-hoc-Lenkungsausschuss eingerichtet.
(2)  
Der Ad-hoc-Lenkungsausschuss wird von der Kommission binnen sechs Wochen nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingerichtet. Er setzt sich aus einem Vertreter jedes Mitgliedstaats sowie einem Vertreter der Kommission zusammen. Vertreter der Vertragsparteien der Energiegemeinschaft können auf Einladung der Kommission im Ad-hoc-Lenkungsausschuss an der Erörterung aller Fragen von gemeinsamem Interesse teilnehmen. Die Kommission führt den Vorsitz in den Sitzungen des Ad-hoc-Lenkungsausschusses.
(3)  
Der Ad-hoc-Lenkungsausschuss gibt sich innerhalb eines Monats nach seiner Einsetzung mit qualifizierter Mehrheit eine Geschäftsordnung.
(4)  
Die Kommission konsultiert den Ad-hoc-Lenkungsausschuss gemäß Artikel 3 Absatz 2 zu dem von ihr verfassten Entwurf der Empfehlung, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Gasbeschaffung oder Ausschreibung für den Kauf von Gas die Versorgungssicherheit in der Union verbessert und mit dem Grundsatz der Energiesolidarität vereinbar ist.
(5)  
Die Kommission unterrichtet den Ad-hoc-Lenkungsausschuss gegebenenfalls über die Auswirkungen der Teilnahme des Unternehmens an der vom Dienstleister organisierten gemeinsamen Beschaffung auf die Versorgungssicherheit in der Union und auf die Energiesolidarität.
(6)  
Wenn den Mitgliedern des Ad-hoc-Lenkungsausschusses vertrauliche Informationen im Sinne von Artikel 3 Absatz 6 weitergeleitet werden, behandeln sie diese mit der gebotenen Vertraulichkeit. Die ausgetauschten Informationen sind darauf zu beschränken, was angesichts des Gegenstands des Austauschs relevant und verhältnismäßig ist.

ABSCHNITT 2

Nachfragebündelung und gemeinsame Beschaffung

Artikel 5

Befristeter Dienstleistungsvertrag mit einem Dienstleister

(1)  
Abweichend von Artikel 176 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 gibt die Kommission die erforderlichen Dienstleistungen im Rahmen eines Vergabeverfahrens gemäß der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 bei einer in der Union niedergelassenen Stelle in Auftrag, die die in Artikel 7 der vorliegenden Verordnung genannten Aufgaben als Dienstleister wahrnimmt.
(2)  
Der Dienstleistungsvertrag mit dem ausgewählten Dienstleister regelt das Eigentum an den vom Dienstleister erhaltenen Informationen und sieht die Möglichkeit der Übermittlung dieser Informationen an die Kommission bei Beendigung oder Auslaufen des Dienstleistungsvertrags vor.
(3)  
Die Kommission legt im Dienstleistungsvertrag die praktischen Aspekte der Tätigkeiten des Dienstleisters fest, einschließlich der Nutzung des IT-Tools, der Sicherheitsmaßnahmen, der Währung oder der Währungen, der Zahlungsregelungen und der Verbindlichkeiten.
(4)  
Im Dienstleistungsvertrag mit dem Dienstleister behält sich die Kommission das Recht vor, ihn zu überwachen und zu prüfen. Zu diesem Zweck hat die Kommission uneingeschränkten Zugang zu den Informationen, die sich im Besitz des Dienstleisters befinden.

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(5)  
Die Kommission kann den Dienstleister auffordern, alle Informationen vorzulegen, die für die Erfüllung der in Artikel 7 genannten Aufgaben erforderlich sind.

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Artikel 6

Kriterien für die Auswahl des Dienstleisters

(1)  

Der Dienstleister wird von der Kommission auf der Grundlage der folgenden Zulassungskriterien ausgewählt:

a) 

Der Dienstleister muss im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen sein und seinen operativen Sitz haben.

b) 

Der Dienstleister hat Erfahrung mit grenzüberschreitenden Transaktionen.

c) 

Der Dienstleister darf nicht

i) 

von restriktiven Maßnahmen der Union nach Artikel 215 AEUV betroffen sein, insbesondere im Rahmen von restriktiven Maßnahmen der Union angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, oder angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen,

ii) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, gegen die sich solche restriktiven Maßnahmen der Union richten, oder im Namen oder auf Anweisung solcher natürlichen oder juristischen Personen handeln, oder

iii) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle der Russischen Föderation oder von deren Regierung oder von russischen natürlichen oder juristischen Personen oder von in Russland niedergelassenen Organisationen oder Einrichtungen stehen oder in deren Namen handeln.

(2)  

Unbeschadet anderer Sorgfaltspflichten werden vertragliche Verpflichtungen zwischen der Kommission und dem Dienstleister eingeführt, um sicherzustellen, dass der Dienstleister bei der Ausübung seiner Tätigkeiten gemäß Artikel 7 weder direkt noch indirekt Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen für oder zugunsten von natürliche(n) oder juristische(n) Personen, Organisationen oder Einrichtungen bereitstellt, die

a) 

von restriktiven Maßnahmen der Union nach Artikel 215 AEUV betroffen sind, insbesondere im Rahmen von restriktiven Maßnahmen der Union angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, oder angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen,

b) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, gegen die sich solche restriktiven Maßnahmen der Union richten, oder im Namen oder auf Anweisung solcher natürlichen oder juristischen Personen handeln, oder

c) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle der Russischen Föderation oder von deren Regierung oder von russischen natürlichen oder juristischen Personen oder von in Russland niedergelassenen Organisationen oder Einrichtungen stehen oder in deren Namen handeln.

(3)  
Der Dienstleister darf nicht Teil eines vertikal integrierten Unternehmens im Sinne von Artikel 2 Nummer 20 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ( 3 ) sein, das in der Erdgaserzeugung oder -lieferung tätig ist, es sei denn, es handelt sich um eine entflochtene Rechtsperson im Sinne des Kapitels IV jener Richtlinie.
(4)  

Die Kommission legt ihre Auswahl- und Zuschlagskriterien unter anderem unter Berücksichtigung der folgenden, in der Ausschreibung anzugebenden Kriterien fest:

a) 

Erfahrung mit der Einrichtung und Durchführung von Ausschreibungs- oder Auktionsverfahren für Erdgas oder damit verbundene Dienstleistungen, wie z. B. Transportdienstleistungen, mithilfe spezieller IT-Tools;

b) 

Erfahrung mit der Anpassung von Ausschreibungs- oder Auktionsverfahren an unterschiedliche Erfordernisse z. B. hinsichtlich des geografischen Schwerpunkts oder der Zeitplanung;

c) 

Erfahrung mit der Entwicklung von IT-Tools zur Bündelung der Nachfrage mehrerer Teilnehmer sowie zur Abgleichung der Nachfrage mit dem Angebot;

d) 

Qualität der Sicherheit der Informationssysteme, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Internetsicherheit, und

e) 

Fähigkeit zur Identifizierung und Akkreditierung der Teilnehmer, sowohl in Bezug auf den Rechtsträger als auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit.

Artikel 7

Aufgaben des Dienstleisters

(1)  

Der Dienstleister organisiert die Nachfragebündelung und die gemeinsame Beschaffung; insbesondere

a) 

bündelt er die Nachfrage von Erdgasunternehmen und gasverbrauchenden Unternehmen mithilfe des IT-Tools;

b) 

holt er Angebote von Erdgaslieferanten oder Erdgaserzeugern ein, um die gebündelte Nachfrage mithilfe des IT-Tools zu decken;

c) 

weist er die Rechte auf Zugang zu dem Angebot zu, wobei er darauf achtet, dass die angebotenen Gasmengen unter den an der Nachfragebündelung teilnehmenden Erdgasunternehmen und gasverbrauchenden Unternehmen zwischen kleineren und größeren Teilnehmern verhältnismäßig verteilt werden. Wenn die gebündelte Nachfrage das eingehende Lieferangebot übersteigt, erfolgt die Zuweisung der Zugangsrechte im Verhältnis zu dem Bedarf, den die teilnehmenden Unternehmen in der Nachfragebündelungsphase für einen bestimmten Lieferzeitraum und -ort angegeben haben;

d) 

überprüft, akkreditiert und registriert er die Nutzer des IT-Tools und

e) 

erbringt er für die Nutzer des IT-Tools oder für die Kommission Hilfsdienste, die für die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeiten gemäß dem in Artikel 5 genannten Vertrag erforderlich sind, darunter auch Dienste, die den Abschluss von Dienstleistungsverträgen erleichtern.

(2)  
Die Bedingungen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben des Dienstleisters, d. h. für die Registrierung von Nutzern, die Veröffentlichung und Berichterstattung gelten, werden in dem in Artikel 5 genannten Dienstleistungsvertrag festgelegt.

Artikel 8

Teilnahme an der Nachfragebündelung und der gemeinsamen Beschaffung

(1)  

Unabhängig von der angeforderten Menge steht die Teilnahme an der Nachfragebündelung und der gemeinsamen Beschaffung allen Erdgasunternehmen und gasverbrauchenden Unternehmen, die in der Union oder in den Vertragsparteien der Energiegemeinschaft niedergelassen sind, offen und ist für alle diese Unternehmen transparent. Erdgasunternehmen und gasverbrauchende Unternehmen sind von der Teilnahme an der Nachfragebündelung und der gemeinsamen Beschaffung als Lieferanten, Erzeuger oder Käufer ausgeschlossen, wenn sie

a) 

von restriktiven Maßnahmen der Union nach Artikel 215 AEUV betroffen sind, insbesondere im Rahmen von restriktiven Maßnahmen der Union angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, oder angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen,

b) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, gegen die sich solche restriktiven Maßnahmen der Union richten, oder im Namen oder auf Anweisung solcher natürlichen oder juristischen Personen handeln, oder

c) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle der Russischen Föderation oder von deren Regierung oder von russischen natürlichen oder juristischen Personen oder von in Russland niedergelassenen Organisationen oder Einrichtungen stehen oder in deren Namen handeln.

(2)  

Es werden vertragliche Verpflichtungen eingeführt, um sicherzustellen, dass keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen, die sich aus der Teilnahme an dem vom Dienstleister organisierten Verfahren für die gemeinsame Beschaffung ergeben, direkt oder indirekt für oder zugunsten von natürliche(n) oder juristische(n) Personen, Organisationen oder Einrichtungen bereitgestellt werden, die

a) 

von restriktiven Maßnahmen der Union nach Artikel 215 AEUV betroffen sind, insbesondere im Rahmen von restriktiven Maßnahmen der Union angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, oder angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen,

b) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, gegen die sich solche restriktiven Maßnahmen der Union richten, oder im Namen oder auf Anweisung solcher natürlichen oder juristischen Personen handeln, oder

c) 

direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle der Russischen Föderation oder von deren Regierung oder von russischen natürlichen oder juristischen Personen oder von in Russland niedergelassenen Organisationen oder Einrichtungen stehen oder in deren Namen handeln.

(3)  
Die Mitgliedstaaten oder andere Akteure können für Teilnehmer des vom Dienstleister organisierten Verfahrens zur gemeinsamen Beschaffung Liquiditätshilfen, einschließlich Garantien, bereitstellen, wobei gegebenenfalls die Vorschriften über staatliche Beihilfen einzuhalten sind. Dazu können Garantien zur Deckung des Bedarfs an Sicherheiten oder zur Deckung des Risikos zusätzlicher Kosten zählen, die sich durch eine Insolvenz anderer Einkäufer im Rahmen desselben Vertrags zur gemeinsamen Beschaffung ergeben.
(4)  
Erdgasunternehmen und gasverbrauchende Unternehmen, die in den Vertragsparteien der Energiegemeinschaft niedergelassen sind, können an der Nachfragebündelung und der gemeinsamen Beschaffung unter der Voraussetzung teilnehmen, dass die erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen dafür getroffen wurden, dass sie an der Nachfragebündelung und der gemeinsamen Beschaffung im Sinne dieses Abschnitts teilnehmen können.

Artikel 9

Von der gemeinsamen Beschaffung ausgeschlossene Erdgaslieferungen

Erdgaslieferungen aus der Russischen Föderation dürfen nicht gemeinsam beschafft werden; dazu gehören auch Erdgaslieferungen, die über die folgenden Einspeisepunkte in die Mitgliedstaaten oder Vertragsparteien der Energiegemeinschaft gelangen:

a) 

Greifswald

b) 

Lubmin II

c) 

Imatra

d) 

Narva

e) 

Värska

f) 

Luhamaa

g) 

Sakiai

h) 

Kotlovka

i) 

Kondratki

j) 

Wysokoje

k) 

Tieterowka

l) 

Mozyr

m) 

Kobryn

n) 

Sudzha (RU)/Ukraine

o) 

Belgorod (RU)/Ukraine

p) 

Valuyki (RU)/Ukraine

q) 

Serebryanka (RU)/Ukraine

r) 

Pisarevka (RU)/Ukraine

s) 

Sokhranovka (RU)/Ukraine

t) 

Prokhorovka (RU)/Ukraine

u) 

Platovo (RU)/Ukraine

v) 

Strandzha 2 (BG)/Malkoclar (TR)

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Artikel 11

Gasbeschaffungskonsortium

Erdgasunternehmen und gasverbrauchende Unternehmen, die an der vom Dienstleister organisierten Nachfragebündelung teilnehmen, können auf transparenter Grundlage Elemente der Bedingungen des Kaufvertrags koordinieren oder gemeinsame Kaufverträge nutzen, um bessere Bedingungen mit ihren Lieferanten zu erzielen, sofern dies mit dem Unionsrecht, einschließlich des Wettbewerbsrechts der Union, insbesondere mit Artikel 101 und 102 AEUV, vereinbar ist, was von der Kommission gegebenenfalls in einem Beschluss nach Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgestellt wird, und sofern das Transparenzgebot nach Artikel 3 der vorliegenden Verordnung eingehalten wird.

ABSCHNITT 3

Maßnahmen zur verstärkten Nutzung von LNG-Anlagen, Gasspeicheranlagen und Pipelines

Artikel 12

Sekundärkapazitäts-Buchungsplattform für die Nutzer von LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen

Nutzer von LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen, die ihre kontrahierte Kapazität auf dem Sekundärmarkt im Sinne von Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates ( 4 ) weiterverkaufen möchten, sind hierzu berechtigt. Die Betreiber von LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen richten bis zum 28. Februar 2023 einzeln oder auf regionaler Ebene eine transparente und diskriminierungsfreie Buchungsplattform für die Nutzer von LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen ein, auf der diese ihre kontrahierte Kapazität auf dem Sekundärmarkt weiterverkaufen können, oder nutzen dazu eine vorhandene Plattform.

Artikel 13

Transparenzplattformen für LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen

(1)  
Die Betreiber von LNG-Anlagen und Gasspeicheranlagen stellen sicher, dass sie bis zum 28. Februar 2023 alle Informationen, die nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 vorgeschrieben sind, über eine europäische LNG-Transparenzplattform bzw. eine europäische Speicher-Transparenzplattform in transparenter und nutzerfreundlicher Weise veröffentlichen. Die Regulierungsbehörden können die Betreiber auffordern, zusätzliche relevante Informationen für Netznutzer zu veröffentlichen.
(2)  
LNG-Anlagen, denen eine Ausnahme von den Vorschriften für den Zugang Dritter gemäß Artikel 36 der Richtlinie 2009/73/EG gewährt wurde, und Gasspeicherbetreiber, die der Regelung für den Zugang Dritter auf Vertragsbasis gemäß Artikel 33 Absatz 3 jener Richtlinie unterliegen, veröffentlichen die endgültigen Infrastrukturtarife bis zum 31. Januar 2023.

Artikel 14

Effizientere Nutzung der Fernleitungskapazitäten

(1)  
Die Fernleitungsnetzbetreiber bieten an Netzkopplungspunkten und virtuellen Netzkopplungspunkten im Falle einer Unterauslastung kontrahierter verbindlicher Kapazität die zu wenig ausgelastete kontrahierte verbindliche Kapazität gemäß Absatz 2 für den Monat als Monats-Kapazitätsprodukt und als Tages- und untertägiges Kapazitätsprodukt an.
(2)  
Eine Unterauslastung kontrahierter verbindlicher Kapazität liegt vor, wenn ein Netznutzer im vorhergehenden Kalendermonat an einem Netzkopplungspunkt oder einem virtuellen Netzkopplungspunkt durchschnittlich weniger als 80 % der gebuchten verbindlichen Kapazität genutzt oder angeboten hat. Der Fernleitungsnetzbetreiber überwacht die ungenutzte Kapazität und unterrichtet den Netznutzer spätestens vor der Mitteilung der Kapazitätsmenge, die bei der nächsten rollierenden Auktion für Monatskapazität im Sinne der Verordnung (EU) 2017/459 anzubieten ist, über die Menge der an dem betreffenden Netzkopplungspunkt oder virtuellen Netzkopplungspunkt zu entziehenden Kapazität.
(3)  
Die Menge der anzubietenden Kapazität muss der Differenz zwischen der durchschnittlichen Auslastung im vorhergehenden Kalendermonat und 80 % der verbindlichen Kapazität, die für eine Laufzeit von mehr als einem Monat kontrahiert wurde, entsprechen.
(4)  
Die verfügbare Kapazität, die in einer Auktion gemäß der Verordnung (EU) 2017/459 angeboten wird, hat bei der Zuweisung von Kapazität Vorrang vor zu wenig ausgelasteter Kapazität, die in einer Auktion gemäß Absatz 2 angeboten wird.
(5)  
Wird die zu wenig ausgelastete, vom Fernleitungsnetzbetreiber angebotene Kapazität verkauft, so ist sie dem ursprünglichen Inhaber der kontrahierten Kapazität zu entziehen. Der ursprüngliche Inhaber kann die entzogene verbindliche Kapazität auf unterbrechbarer Basis nutzen.
(6)  
Die aus dem Kapazitätsvertrag folgenden Rechte und Pflichten des Netznutzers bleiben bis zur Neuzuweisung der Kapazität durch den Fernleitungsnetzbetreiber sowie in dem Umfang, in dem die Kapazität vom Fernleitungsnetzbetreiber nicht neu zugewiesen wurde, bestehen.
(7)  

Bevor zu wenig ausgelastete verbindliche Kapazität im Sinne dieses Artikels angeboten wird, analysiert der Fernleitungsnetzbetreiber, wie sich dies an den einzelnen von ihnen betriebenen Netzkopplungspunkten auswirken würde, und informiert die zuständige nationale Regulierungsbehörde. Abweichend von den Absätzen 1 bis 6 dieses Artikels und unabhängig davon, ob an den betreffenden Netzkopplungspunkten Engpässe bestehen, können die nationalen Regulierungsbehörden beschließen, an allen Netzkopplungspunkten einen der folgenden Mechanismen anzuwenden:

a) 

einen „Use-it-or-lose-it“-Mechanismus für verbindliche „Day-ahead“-Kapazität gemäß der Verordnung (EU) 2017/459 und unter Berücksichtigung von Nummer 2.2.3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009;

b) 

ein Überbuchungs- und Rückkaufsystem gemäß Nummer 2.2.2 Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009, mit dem bezüglich der technischen Kapazität eines Kopplungspunkts mindestens 5 % zusätzliche Kapazität angeboten wird, oder

c) 

sie bieten zumindest ursprünglich nicht nominierte Kapazität auf „Day-ahead“- und „Within-day“-Basis an, die als unterbrechbare Kapazität zugewiesen wird.

Die Absätze 1 bis 6 dieses Artikels gelten automatisch, wenn bis zum 31. März 2023 nicht einer der alternativen Mechanismen nach Unterabsatz 1 zur Anwendung kommt.

(8)  
Bevor der Beschluss nach Absatz 7 gefasst wird, konsultiert die nationale Regulierungsbehörde die nationale Regulierungsbehörde des benachbarten Mitgliedstaats und trägt deren Stellungnahmen Rechnung. Wenn sich das Einspeise-/Ausspeisesystem auf mehr als einen Mitgliedstaat erstreckt, sodass nicht nur ein Fernleitungsnetzbetreiber tätig ist, entscheiden die nationalen Regulierungsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten gemeinsam über die Anwendung von Absatz 7.

KAPITEL III

MAẞNAHMEN ZUR VERHINDERUNG ÜBERHÖHTER GASPREISE UND EINER ÜBERMÄẞIGEN TAGESVOLATILITÄT AUF DEN MÄRKTEN FÜR ENERGIEDERIVATE

ABSCHNITT 1

Vorübergehendes Intraday-Instrument zur Begrenzung einer übermäßigen Volatilität auf den Märkten für Energiederivate

Artikel 15

Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität

(1)  
Sobald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 31. Januar 2023 richtet jeder Handelsplatz, an dem energiebezogene Warenderivate gehandelt werden, für jedes an ihm gehandelte energiebezogene Front-Month-Warenderivat einen auf einer oberen und unteren Preisgrenze (im Folgenden „Preisgrenzen“) basierenden Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität ein, mit dem die Preise bestimmt werden, oberhalb und unterhalb deren keine Aufträge ausgeführt werden dürfen („Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität“). Handelsplätze müssen sicherstellen, dass der Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität übermäßige Preisschwankungen innerhalb eines Handelstages für energiebezogene Warenderivate verhindert. Bei der Einrichtung eines Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität müssen Handelsplätze zudem sicherstellen, dass die Durchführung dieser Maßnahmen nicht die Bildung zuverlässiger Tagesschlusspreise verhindert.
(2)  
Für jedes an ihnen gehandelte energiebezogene Warenderivat legen die Handelsplätze die anzuwendende Berechnungsmethode fest, mit der die Preisgrenzen in Bezug auf einen Referenzpreis bestimmt werden. Der erste Referenzpreis des Tages entspricht dem Preis, der bei Eröffnung des betreffenden Handelstags festgestellt wird. Die nachfolgenden Referenzpreise sind die letzten in regelmäßigen Abständen festgestellten Marktpreise. Bei einer Unterbrechung des Handels am Handelstag entspricht der erste Referenzpreis nach der Unterbrechung dem Eröffnungspreis bei Wiederaufnahme des Handels.
(3)  
Die Preisgrenzen werden entweder als absoluter Wert oder als relativer Wert in Form einer prozentualen Abweichung vom Referenzpreis angegeben. Die Handelsplätze passen diese Berechnungsmethode an die Besonderheiten jedes energiebezogenen Warenderivats, das Liquiditätsprofil des Marktes für dieses Derivat und dessen Volatilitätsprofil an. Der Handelsplatz unterrichtet die zuständige Behörde unverzüglich über die Methode.
(4)  
Die Handelsplätze erneuern die Preisgrenzen in regelmäßigen Abständen während der Handelszeiten auf der Grundlage des Referenzpreises.
(5)  
Die Handelsplätze veröffentlichen die Merkmale des von ihnen eingerichteten Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität unverzüglich oder im Falle einer Änderung.
(6)  
Der Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität ist von Handelsplätzen umzusetzen, indem er entweder in die von ihnen bereits gemäß der Richtlinie 2014/65/EU eingerichteten, vorhandenen Notfallsicherungen integriert oder als zusätzlicher Mechanismus eingerichtet wird.
(7)  
Beabsichtigt ein Handelsplatz, die Berechnungsmethode für die Preisgrenzen für ein bestimmtes energiebezogenes Warenderivat zu ändern, so unterrichtet er die zuständige Behörde unverzüglich über die beabsichtigten Änderungen.
(8)  
Wenn die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gemäß Artikel 16 Absatz 3 erhobenen Informationen ergeben, dass zur wirksameren Begrenzung übermäßiger Preisschwankungen in der Union eine einheitlichere Umsetzung des Mechanismus geboten ist, kann die Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen die einheitlichen Grundsätze für die Umsetzung des Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität unter Berücksichtigung der Besonderheiten jedes energiebezogenen Warenderivats, des Liquiditätsprofils des Marktes für solche Derivate und seines Volatilitätsprofils festgelegt werden. Um insbesondere das reibungslose Funktionieren von Handelsplätzen zu gewährleisten, die den Handel mit energiebezogenen Warenderivaten anbieten, kann die Kommission festlegen, in welchen Zeitabständen die Preisgrenzen erneuert werden oder welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn diese Preisgrenzen über- bzw. unterschritten werden, einschließlich Bestimmungen zur Sicherstellung einer zuverlässigen Schlusspreisbildung. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 29 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 16

Aufgaben der zuständigen Behörden

(1)  
Die zuständigen Behörden überwachen die Umsetzung der Mechanismen zur Begrenzung der Tagesvolatilität. Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass Unterschiede bei der Umsetzung der Mechanismen zur Begrenzung der Tagesvolatilität durch die in ihren Mitgliedstaaten niedergelassenen Handelsplätze aufgrund der Besonderheiten der betreffenden Handelsplätze oder energiebezogenen Warenderivate ausreichend gerechtfertigt sind.
(2)  
Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass die Handelsplätze geeignete vorläufige Mechanismen einführen, die sicherstellen, dass eine übermäßige Volatilität auf den Märkten für energiebezogene Warenderivate bis zur Einrichtung des in Artikel 15 Absatz 1 genannten Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität begrenzt wird.
(3)  
Die zuständigen Behörden erstatten der ESMA innerhalb von drei Wochen nach dem in Artikel 15 Absatz 1 genannten Datum und danach mindestens quartalsweise über die Umsetzung des Mechanismus zur Begrenzung der Tagesvolatilität durch die von ihnen beaufsichtigten Handelsplätze Bericht.

Artikel 17

Koordinierungsfunktion der ESMA

(1)  
Die ESMA koordiniert und überwacht die Umsetzung der Mechanismen zur Begrenzung der Tagesvolatilität auf der Grundlage von Berichten, die ihr von den zuständigen Behörden gemäß Artikel 16 Absatz 3 übermittelt werden.
(2)  
Die ESMA dokumentiert auf der Grundlage der Berichte der zuständigen Behörden alle Abweichungen bei der Umsetzung der Mechanismen zur Begrenzung der Tagesvolatilität zwischen den einzelnen Ländern in der Union. Die ESMA legt der Kommission bis zum 30. Juni 2023 einen Bericht vor, in dem die Effizienz der Mechanismen zur Begrenzung der Tagesvolatilität bewertet wird. Auf der Grundlage dieses Berichts prüft die Kommission, ob sie dem Rat einen Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung vorlegen sollte.

ABSCHNITT 2

Beauftragung der ACER mit der Erhebung und Veröffentlichung objektiver Preisdaten

Artikel 18

Aufgaben und Befugnisse der ACER bei der Durchführung von Preisbewertungen und der Bestimmung von Referenzwerten

(1)  
Die ACER erstellt und veröffentlicht so rasch wie möglich eine tägliche Bewertung der LNG-Preise und beginnt damit spätestens am 13. Januar 2023. Für die Zwecke der LNG-Preisbewertung erhebt und verarbeitet die ACER systematisch LNG-Marktdaten über Transaktionen. Die Preisbewertung trägt gegebenenfalls regionalen Unterschieden und Marktbedingungen Rechnung.
(2)  
Spätestens ab dem 31. März 2023 erstellt und veröffentlicht die ACER einen LNG-Tagesreferenzwert, der durch den Spread zwischen der täglichen LNG-Preisbewertung und dem von ICE Endex Markets B.V. täglich festgestellten Abrechnungspreis für den nächstfälligen Gas-Terminkontrakt der TTF bestimmt wird. Für die Zwecke des LNG-Referenzwerts erhebt und verarbeitet die ACER systematisch alle LNG-Marktdaten.
(3)  
Abweichend von Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 gelten für LNG-Marktteilnehmer die Verpflichtungen und Verbote für Marktteilnehmer gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011. Die Befugnisse, über die die ACER gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1348/2014 verfügt, gelten ebenfalls in Bezug auf LNG-Marktteilnehmer, einschließlich der Bestimmungen zur Vertraulichkeit.

Artikel 19

Veröffentlichung von LNG-Preisbewertung und -Referenzwert

(1)  
Die LNG-Preisbewertung wird täglich veröffentlicht, und zwar spätestens bis 18.00 Uhr MEZ für die Bewertung der endgültigen Transaktionspreise. Spätestens ab dem 31. März 2023 veröffentlicht die ACER zusätzlich zur Veröffentlichung der LNG-Preisbewertung außerdem täglich spätestens bis 19.00 Uhr MEZ oder so bald wie technisch möglich den LNG-Referenzwert.
(2)  
Für die Zwecke dieses Artikels kann die ACER die Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen.

Artikel 20

Übermittlung von LNG-Marktdaten an die ACER

(1)  
Die LNG-Marktteilnehmer übermitteln der ACER täglich die LNG-Marktdaten gemäß Artikel 21 in einem standardisierten Format, mithilfe eines hochwertigen Übertragungsprotokolls und so echtzeitnah wie technisch möglich vor der Veröffentlichung der täglichen LNG-Preisbewertung (18.00 Uhr MEZ).
(2)  
Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte zur Festlegung des Zeitpunkts erlassen, bis zu dem LNG-Marktdaten vor der täglichen Veröffentlichung der LNG-Preisbewertung gemäß Absatz 1 vorzulegen sind. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 29 genannten Prüfverfahren erlassen.
(3)  

Bei Bedarf gibt die ACER nach Konsultation der Kommission Leitlinien für Folgendes heraus:

a) 

die Einzelheiten der zu meldenden Informationen zusätzlich zu den derzeit geltenden Einzelheiten der zu meldenden Transaktionen und den Fundamentaldaten gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1348/2014, auch für Gebote und Angebote, und

b) 

das Verfahren, den Standard und das elektronische Format sowie die technischen und organisatorischen Anforderungen für die Übermittlung der Daten, die bei der Übermittlung der LNG-Marktdaten einzuhalten sind.

(4)  
Die LNG-Marktteilnehmer übermitteln der ACER die erforderlichen LNG-Marktdaten kostenlos über die von der ACER eingerichteten Meldekanäle, möglichst mittels bereits bestehender und verfügbarer Verfahren.

Artikel 21

Qualität der LNG-Marktdaten

(1)  

Die LNG-Marktdaten umfassen Folgendes:

a) 

die Vertragsparteien, einschließlich des Kauf-/Verkauf-Indikators;

b) 

die meldende Partei;

c) 

den Transaktionspreis;

d) 

die vertraglichen Mengen;

e) 

den Wert des Vertrags;

f) 

das Ankunftsfenster für die LNG-Ladung;

g) 

die Lieferbedingungen;

h) 

die Lieferorte;

i) 

die Zeitstempel-Informationen zu allen folgenden Angaben:

i) 

Datum und Zeitpunkt, zu dem das Gebot oder Angebot abgegeben wurde;

ii) 

Transaktionsdatum und -zeitpunkt;

iii) 

Datum und Zeitpunkt der Meldung des Gebots, des Angebots oder der Transaktion;

iv) 

Eingang der LNG-Marktdaten bei der ACER.

(2)  

Die LNG-Marktteilnehmer übermitteln der ACER LNG-Marktdaten in den folgenden Einheiten und Währungen:

a) 

Transaktions-, Gebots- und Angebotseinheitspreise in der im Vertrag angegebenen Währung und in EUR/MWh sowie mit gegebenenfalls angewandten Umrechnungs- und Wechselkursen;

b) 

die vertraglichen Mengen in den in den Verträgen festgelegten Einheiten und in MWh;

c) 

Ankunftsfenster als Lieferdaten im UTC-Format;

d) 

als Lieferort eine gültige Kennung aus der Liste der ACER, wie in der Liste der meldepflichtigen LNG-Anlagen sowie in der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1348/2014 angegeben; die Informationen des Zeitstempels sind im UTC-Format anzugeben;

e) 

gegebenenfalls ist die Preisformel des langfristigen Vertrags, aus der der Preis abgeleitet wird, insgesamt anzugeben.

(3)  
Die ACER gibt Leitlinien zu den Kriterien heraus, nach denen auf einen einzigen Übermittler ein erheblicher Teil der innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraums übermittelten LNG-Marktdaten entfällt, und wie dies bei ihrer täglichen LNG-Preisbewertung und bei den LNG-Referenzwerten zu berücksichtigen ist.

Artikel 22

Aufrechterhaltung des Betriebs

Die ACER überprüft, aktualisiert und veröffentlicht regelmäßig ihre Methode für die LNG-Preisbewertung und den LNG-Referenzwert sowie die Methode für die Meldung von LNG-Marktdaten und die Veröffentlichung ihrer LNG-Preisbewertungen und LNG-Referenzwerte und berücksichtigt dabei die Ansichten der Stellen, die die LNG-Marktdaten übermittelt haben.

KAPITEL IV

MAẞNAHMEN IM FALLE EINES GASNOTSTANDS

ABSCHNITT 1

Gassolidarität für die Stromversorgung, wesentliche Industriezweige und geschützte Kunden

Artikel 23

Ausweitung des solidarischen Schutzes auf für die Stromversorgungssicherheit kritische Gasmengen

(1)  

Abweichend von Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2017/1938 findet eine Solidaritätsmaßnahme gemäß Artikel 13 Absätze 1 und 2 jener Verordnung nur Anwendung, wenn der um Solidarität ersuchende Mitgliedstaat

a) 

das Defizit bei der Gasversorgung seiner durch Solidarität geschützten Kunden nicht decken kann oder in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat befristete Maßnahmen zur Senkung des nicht wesentlichen Verbrauchs geschützter Kunden gemäß Artikel 24 der vorliegenden Verordnung getroffen hat, seinen durch Solidarität geschützten Kunden die wesentlichen Gasverbrauchsmengen nicht bereitstellen kann;

b) 

trotz Anwendung der in Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2017/1938 genannten Maßnahme nicht in der Lage ist, die für die Stromversorgungssicherheit kritischen Gasmengen bereitzustellen. Es gelten die Bedingungen nach Artikel 13 Absatz 3 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) 2017/1938.

(2)  

Die Mitgliedstaaten, die gemäß Absatz 1 zur Solidarität verpflichtet sind, können Folgendes vom Solidaritätsangebot abziehen:

a) 

Lieferungen an eigene durch Solidarität geschützte Kunden in dem Umfang, in dem wesentliche Mengen betroffen sind, oder in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat befristete Maßnahmen zur Senkung des nicht wesentlichen Verbrauchs geschützter Kunden gemäß Artikel 24 getroffen hat, die Lieferungen der wesentlichen Gasverbrauchsmengen an eigene durch Solidarität geschützte Kunden,

b) 

Lieferungen von für die Stromversorgungssicherheit kritischen Gasmengen,

c) 

Lieferungen von Gasmengen für den Strom, der für die Erzeugung und den Transport von Gas erforderlich ist, und

d) 

Gasmengen, die für die Tätigkeiten von für die Versorgungssicherheit kritischer Infrastruktur gemäß Anhang II sowie von anderen für funktionierende Dienste in den Bereichen Militär, nationale Sicherheit und humanitäre Hilfe kritischen Anlagen benötigt werden.

(3)  
Die für die Stromversorgungssicherheit kritischen Gasmengen im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 Buchstaben b und d dürfen die in Anhang I angegebenen Mengen nicht überschreiten. Kann ein Mitgliedstaat nachweisen, dass eine größere Gasmenge erforderlich ist, um eine Stromversorgungskrise in einem Mitgliedstaat zu vermeiden, so kann die Kommission auf hinreichend begründeten Antrag beschließen, den Abzug größerer Mengen zuzulassen.
(4)  
Werden Mitgliedstaaten, deren Stromnetz nur mit dem Stromnetz eines Drittlandes synchronisiert ist, um Solidaritätsmaßnahmen ersucht, so können sie in dem Fall, dass das Stromnetz nicht mit dem Netz dieses Drittlandes synchronisiert ist, ausnahmsweise höhere Gasmengen abziehen, solange für den Übertragungsnetzbetreiber isolierte Stromversorgungssystemdienste oder andere Dienste erbracht werden müssen, um den sicheren und zuverlässigen Betrieb des Stromnetzes zu gewährleisten.

Artikel 24

Maßnahmen zur Nachfragesenkung bei geschützten Kunden

(1)  
Die Mitgliedstaaten können ausnahmsweise befristete Maßnahmen ergreifen, um den nicht wesentlichen Verbrauch geschützter Kunden im Sinne von Artikel 2 Nummer 5 der Verordnung (EU) 2017/1938 zu verringern, insbesondere wenn eine der Krisenstufen gemäß Artikel 11 Absatz 1 und Artikel 12 der Verordnung (EU) 2017/1938 oder ein Unionsalarm gemäß der Verordnung (EU) 2022/1369 ausgelöst wurde. Diese Maßnahmen müssen sich auf nicht wesentliche Verwendungszwecke von Gas beschränken und den in Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/1369 genannten Elementen Rechnung tragen. Diese Sondermaßnahmen dürfen erst ergriffen werden, wenn die zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2017/1938 die Bedingungen für die Festlegung solcher nicht wesentlichen Gasmengen bewertet haben.
(2)  
Der Verbrauch schutzbedürftiger Kunden im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 2009/73/EG darf infolge der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Maßnahmen unter keinen Umständen verringert werden, und die Mitgliedstaaten dürfen geschützte Kunden nicht infolge der Anwendung von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vom Netz trennen.

Artikel 25

Schutzvorkehrungen für grenzüberschreitende Gasflüsse

Bei einer Aufforderung der Kommission gemäß Artikel 12 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938, unzulässige Einschränkungen grenzüberschreitender Gasflüsse oder des Zugangs zur Gasinfrastruktur oder Maßnahmen, die die Gasversorgung in einem anderen Mitgliedstaat gefährden, einzustellen, verfährt die zuständige Behörde im Sinne des Artikels 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2017/1938 bzw. der in Artikel 12 Absatz 6 Unterabsatz 1 jener Verordnung genannte Mitgliedstaat nicht wie in Artikel 12 Absatz 6 Unterabsatz 2 jener Verordnung vorgesehen, sondern ändert ihre bzw. seine Maßnahme oder ergreift Maßnahmen, um die Einhaltung von Artikel 12 Absatz 5 jener Verordnung sicherzustellen.

ABSCHNITT 2

Bestimmungen für die Durchführung von Solidaritätsmaßnahmen

Artikel 26

Vorübergehende Ausweitung der Solidaritätsverpflichtungen auf Mitgliedstaaten mit LNG-Anlagen

(1)  
Die Verpflichtung zur Durchführung von Solidaritätsmaßnahmen gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 gilt nicht nur für Mitgliedstaaten, die direkt mit dem um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat verbunden sind, sondern auch für Mitgliedstaaten mit LNG-Anlagen, sofern die erforderliche Kapazität in der betreffenden Infrastruktur, einschließlich LNG-Schiffen und -Tankern, zur Verfügung steht.
(2)  
Sofern in der vorliegenden Verordnung nichts anderes bestimmt ist, gilt für Mitgliedstaaten mit LNG-Anlagen Artikel 13 Absätze 2 bis 9 der Verordnung (EU) 2017/1938.
(3)  
Mitgliedstaaten mit LNG-Anlagen, die nicht direkt mit einem um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat verbunden sind, können mit jedem anderen Mitgliedstaat bilateral die erforderlichen technischen, rechtlichen und finanziellen Solidaritätsregelungen vereinbaren, die für die Solidaritätsleistung gelten.
(4)  
Die Standardvorschriften für die Durchführung von Solidaritätsmaßnahmen gemäß Artikel 27 gelten auch für die nicht verbundenen Mitgliedstaaten, wenn zum Zeitpunkt des Eingangs eines Solidaritätsersuchens keine bilaterale Vereinbarung besteht.

Artikel 27

Standardvorschriften für Solidaritätsmaßnahmen

(1)  
Wenn zwei Mitgliedstaaten die erforderlichen technischen, rechtlichen und finanziellen Regelungen gemäß Artikel 13 Absatz 10 der Verordnung (EU) 2017/1938 (im Folgenden „Solidaritätsvereinbarung“) nicht vereinbart haben, gelten für Gaslieferungen gemäß der Verpflichtung nach Artikel 13 Absatz 1 jener Verordnung im Notfall die Bedingungen dieses Artikels.
(2)  

Die Entschädigung für die Solidaritätsmaßnahme darf die angemessenen Kosten nicht übersteigen, und sie umfasst abweichend von Artikel 13 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2017/1938 in jedem Fall

a) 

den Gaspreis in dem Solidarität leistenden Mitgliedstaat;

b) 

die Kosten für die Speicherung und den Transport zum gewünschten Netzkopplungspunkt — einschließlich etwaiger durch Abweichungen bei LNG-Ladungen entstehender Gebühren;

c) 

Prozesskosten für damit verbundene Gerichts- oder Schiedsverfahren, an denen der Solidarität leistende Mitgliedstaat beteiligt ist.

d) 

sonstige indirekte Kosten, die nicht durch den Gaspreis gedeckt werden, darunter die Erstattung finanzieller oder sonstiger Schäden aufgrund der angeordneten Abschaltung von Kunden in Verbindung mit der Leistung von Solidarität, sofern sich diese indirekten Kosten nicht auf mehr als 100 % des Gaspreises belaufen.

(3)  
Wenn ein Mitgliedstaat eine Entschädigung für indirekte Kosten gemäß Absatz 2 Buchstabe d beantragt, die 100 % des Gaspreises übersteigen, entscheidet die Kommission nach Konsultation der zuständigen Behörden, ob unter Berücksichtigung der besonderen vertragsbedingten und nationalen Gegebenheiten des Falles und des Grundsatzes der Energiesolidarität eine höhere Entschädigung ist.
(4)  
Soweit der um Solidarität ersuchende Mitgliedstaat und der Solidarität leistende Mitgliedstaat keinen anderen Preis vereinbaren, entspricht der Preis für das an den um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat gelieferte Gas dem Day-Ahead-Marktpreis im Solidarität leistenden Mitgliedstaat am Tag vor dem Solidaritätsersuchen oder dem entsprechenden Day-Ahead-Marktpreis an der nächstliegenden Börse, am nächstliegenden virtuellen Handelspunkt oder an einem vereinbarten Hub am Tag vor dem Solidaritätsersuchen.
(5)  
Die Entschädigung für die im Rahmen eines Solidaritätsersuchens gemäß Artikel 28 gelieferten Gasmengen wird von dem um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat direkt an den Solidarität leistenden Mitgliedstaat oder die Einrichtung gezahlt, die beide Mitgliedstaaten in ihrer Antwort auf das Solidaritätsersuchen sowie in der Bestätigung der Entgegennahme und der zu entnehmenden Menge angeben.
(6)  

Der Mitgliedstaat, an den sich das Ersuchen um eine Solidaritätsmaßnahme richtet, trifft die Solidaritätsmaßnahme so bald wie möglich, spätestens jedoch drei Tage nach dem Ersuchen. Ein Mitgliedstaat kann die Solidaritätsleistung für einen um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat nur dann ablehnen, wenn er nachweist, dass

a) 

er nicht genug Gas hat, um die in Artikel 23 Absatz 2 angegebenen Gasmengen bereitzustellen, oder

b) 

er nicht über genügend Verbindungsleitungskapazitäten gemäß Artikel 13 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2017/1938 verfügt und er nicht die Möglichkeit hat, eine ausreichende Menge an LNG bereitzustellen.

(7)  
Zusätzlich zu den in diesem Artikel vorgesehenen Standardvorschriften können die Mitgliedstaaten technische Regelungen vereinbaren und die Solidaritätsleistung koordinieren.
(8)  
Dieser Artikel berührt nicht bestehende Regelungen für den sicheren und zuverlässigen Betrieb des Gasnetzes.

Artikel 28

Verfahren für Solidaritätsmaßnahmen bei Fehlen einer Solidaritätsvereinbarung

(1)  

Der Mitgliedstaat, der um die Anwendung von Solidaritätsmaßnahmen ersucht, richtet ein Solidaritätsersuchen an einen anderen Mitgliedstaat, das mindestens folgende Angaben enthält:

a) 

Kontaktdaten der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats,

b) 

Kontaktdaten des entsprechenden Fernleitungsnetzbetreibers des Mitgliedstaats (falls zutreffend),

c) 

Kontaktdaten des im Namen des Mitgliedstaats handelnden Dritten (falls zutreffend),

d) 

Lieferzeitraum, einschließlich des Zeitpunkts der ersten möglichen Lieferung und der voraussichtlichen Lieferdauer,

e) 

Lieferorte und Netzkopplungspunkte,

f) 

Gasmenge (in kWh) für jeden Netzkopplungspunkt,

g) 

Gasqualität.

(2)  
Das Solidaritätsersuchen wird gleichzeitig an die Mitgliedstaaten, die Solidaritätsmaßnahmen ergreifen könnten, an die Kommission und an die gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/1938 benannten Krisenmanager gerichtet.
(3)  
Die Mitgliedstaaten, die ein Solidaritätsersuchen erhalten, übermitteln eine Antwort mit der Angabe der in Absatz 1 Buchstaben a, b und c genannten Kontaktdaten und der Menge und Qualität, die zu dem Zeitpunkt gemäß Absatz 1 Buchstaben d bis g an die Netzkopplungspunkte geliefert werden kann. In der Antwort ist die Menge anzugeben, die sich aus einer möglichen Einschränkung oder — wenn es unbedingt erforderlich ist — der Freigabe strategischer Vorräte ergibt, falls die Menge, die auf der Grundlage freiwilliger Maßnahmen geliefert werden kann, nicht ausreicht.
(4)  
Solidaritätsersuchen sind mindestens 72 Stunden vor dem angegebenen Lieferzeitpunkt zu übermitteln. Die Antwort auf Solidaritätsersuchen erfolgt innerhalb von 24 Stunden. Die Bestätigung der Entgegennahme und der vom um Solidarität ersuchenden Mitgliedstaat zu entnehmenden Menge erfolgt innerhalb von 24 Stunden vor dem erforderlichen Lieferzeitpunkt.
(5)  
Das Ersuchen kann für einen Zeitraum von einem Tag oder mehreren Tagen übermittelt werden, und die Antwort muss der beantragten Dauer entsprechen.
(6)  
Erbringen mehrere Mitgliedstaaten Solidaritätsleistungen und bestehen bilaterale Solidaritätsvereinbarungen mit einem oder mehreren von ihnen, so haben diese bilateralen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten, die sie geschlossen haben, Vorrang. Die in diesem Artikel vorgesehenen Standardvorschriften gelten nur in Bezug auf die anderen Solidarität leistenden Mitgliedstaaten.
(7)  
Die Kommission kann die Umsetzung von Solidaritätsvereinbarungen erleichtern, insbesondere durch ein auf einer gesicherten Online-Plattform zugängliches Muster, um die Echtzeit-Übermittlung der Ersuchen und Angebote zu ermöglichen.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 29

Ausschussverfahren

(1)  
Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dabei handelt es sich um einen Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
(2)  
Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 30

Überprüfung

Bis zum 1. Oktober 2023 überprüft die Kommission diese Verordnung im Hinblick auf die allgemeine Gasversorgungslage der Union und legt dem Rat einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse dieser Überprüfung vor. Die Kommission kann auf der Grundlage dieses Berichts vorschlagen, die Geltungsdauer dieser Verordnung zu verlängern.

Artikel 31

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

▼M1

Sie gilt bis zum 31. Dezember 2024.

▼B

Artikel 14 wird ab dem 31. März 2023 wirksam.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.




ANHANG I

a) 

Maximale für die Stromversorgungssicherheit kritische Gasmengen gemäß Artikel 23 für den Zeitraum Dezember 2022 bis März 2023 (Werte in Mio. Kubikmeter) ►M1   ( 5 ) ◄



Mitgliedstaaten

Dezember 2022

Januar 2023

Februar 2023

März 2023

AT

74,24

196,83

152,20

139,35

BE

399,05

458,77

382,76

398,99

BG

61,49

71,26

61,55

63,29

CY

CZ

17,26

49,64

34,80

28,28

DE

2 090,53

2 419,56

2 090,59

1 863,77

DK

249,48

295,56

254,87

268,09

EE

5,89

5,78

5,00

1,05

EL

209,95

326,68

317,18

232,80

ES

1 378,23

1 985,66

1 597,27

1 189,29

IE

372,76

375,29

364,26

375,74

FI

28,42

39,55

44,66

12,97

FR

876,37

875,58

802,53

771,15

HR

10,95

66,01

59,99

48,85

HU

82,13

133,97

126,44

93,72

IT

2 166,46

3 304,99

3 110,79

2 774,67

LV

89,26

83,56

84,96

66,19

LT

16,13

20,22

18,81

4,21

LU

MT

32,88

34,84

31,43

33,02

NL

684,26

762,31

556,26

480,31

PL

158,14

158,64

136,97

148,64

PT

409,97

415,22

368,54

401,32

RO

130,35

179,35

162,41

159,71

SI

12,98

15,15

13,35

12,80

SK

33,99

47,26

34,80

34,76

SE

18,05

18,61

17,71

15,76

b) 

►M1  Maximale für die Stromversorgungssicherheit kritische Gasmengen gemäß Artikel 23 für den Zeitraum April 2023 bis Dezember 2024 (Werte in Mio. Kubikmeter): ◄



Mitgliedstaaten

Monatlicher Wert

AT

140,66

BE

409,89

BG

64,40

CY

CZ

32,50

DE

2 116,11

DK

267,00

EE

4,43

EL

271,65

ES

1 537,61

IE

372,01

FI

31,40

FR

831,41

HR

46,45

HU

109,06

IT

2 839,23

LV

80,99

LT

14,84

LU

MT

33,03

NL

620,79

PL

150,60

PT

398,76

RO

157,96

SI

13,57

SK

37,70

SE

17,53




ANHANG II

Für die Versorgungssicherheit kritische Infrastruktur gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe d



Sektor

Teilsektor

I Energie

1.  Strom

Infrastrukturen und Anlagen zur Stromerzeugung und -übertragung in Bezug auf die Stromversorgung

2.  Öl

Gewinnung, Raffinierung, Behandlung und Lagerung von Öl sowie Öltransport in Rohrfernleitungen

3.  Gas

Gewinnung, Raffinierung, Behandlung und Lagerung von Gas sowie Gastransport in Rohrfernleitungen

LNG-Terminals

II Verkehr

4.  Straßenverkehr

5.  Schienenverkehr

6.  Luftverkehr



( 1 ) Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

( 2 ) Verordnung (EU) 2019/941 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG (ABl. L 158 vom 14.6.2019, S. 1).

( 3 ) Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 94).

( 4 ) Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 36).

►M1  ( 5 ) Die Zahlen in Anhang I Teile a und b beruhen auf Daten der Abschätzung der Angemessenheit für den Winter gemäß Artikel 9 der Verordnung (EU) 2019/941, die vom Europäischen Verbund der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) vorgenommen wurde, mit Ausnahme von Malta, wo die Stromerzeugung ausschließlich auf LNG-Lieferungen ohne nennenswerte Speicherkapazitäten beruht. Angesichts der Besonderheit des niederkalorischen Gases sollten die in dieser Tabelle angegebenen Werte für die Niederlande mit einem Umrechnungsfaktor von 37,89 multipliziert und durch 35,17 geteilt werden. Anhang I Teil a enthält die einzelnen von ENTSO-E berechneten Mengen für die Monate Dezember 2022 bis März 2023; bei den Zahlen in Anhang I Teil b für die Monate April 2023 bis Dezember 2024 handelt es sich jeweils um den Durchschnitt der Werte des Zeitraums Dezember 2022 bis März 2023. ◄