SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY COLLINS

vom 14. Juli 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑311/21

CM

gegen

TimePartner Personalmanagement GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Leiharbeit – Richtlinie 2008/104/EG – Art. 5 – Grundsatz der Gleichbehandlung – Gleiches Arbeitsentgelt – Abweichung durch die Sozialpartner – Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern – Tarifvertrag, der ein gegenüber dem Arbeitsentgelt der von dem entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmer geringeres Arbeitsentgelt festlegt“

I. Einleitung

1.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein von den Sozialpartnern abgeschlossener Tarifvertrag vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern abweichen? Das Bundesarbeitsgericht (Deutschland) ersucht den Gerichtshof um Stellungnahme insbesondere zu zwei Aspekten dieser Frage. Erstens dazu, in welchem Verhältnis der Grundsatz der Gleichbehandlung in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ( 2 ) zum Begriff des nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie durch Tarifverträge zu achtenden „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ steht. Zweitens dazu, inwieweit solche Tarifverträge gerichtlich daraufhin überprüfbar sind, ob sie den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten.

II. Einschlägige Rechtsvorschriften

A.   Unionsrecht

2.

In den Erwägungsgründen der Richtlinie 2008/104 sind u. a. die folgenden Ziele genannt:

„(12)

Die vorliegende Richtlinie legt einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer fest und wahrt gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen.

(14)

Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer sollten mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden.

(16)

Um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden, können die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern gestatten, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern das Gesamtschutzniveau für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt.

(17)

Außerdem sollten die Mitgliedstaaten unter bestimmten, genau festgelegten Umständen auf der Grundlage einer zwischen den Sozialpartnern auf nationaler Ebene geschlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in beschränktem Maße abweichen dürfen, sofern ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

(19)

Die vorliegende Richtlinie beeinträchtigt weder die Autonomie der Sozialpartner, noch sollte sie die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern beeinträchtigen, einschließlich des Rechts, Tarifverträge gemäß nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten bei gleichzeitiger Einhaltung des geltenden Gemeinschaftsrechts auszuhandeln und zu schließen.“

3.

In Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 ist ihr Anwendungsbereich wie folgt definiert:

„Diese Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.“

4.

Nach Art. 2 ist es Ziel der Richtlinie 2008/104,

„… für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gemäß Artikel 5 gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen“.

5.

In Art. 3 Abs. 1 Buchst. f sind „wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne der Richtlinie 2008/104 definiert als

„… die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, Tarifvertrag und/oder sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art, die im entleihenden Unternehmen gelten, festgelegt sind und sich auf folgende Punkte beziehen:

i)

Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage,

ii)

Arbeitsentgelt“.

6.

Art. 5 („Grundsatz der Gleichbehandlung“) der Richtlinie 2008/104 bestimmt:

„(1)   Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer entsprechen während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären.

(3)   Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können.

…“

7.

Art. 9 („Mindestvorschriften“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 bestimmt:

„Diese Richtlinie lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder den Abschluss von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zuzulassen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind.“

8.

Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft und veröffentlichen sie, um dieser Richtlinie bis spätestens zum 5. Dezember 2011 nachzukommen, oder sie vergewissern sich, dass die Sozialpartner die erforderlichen Vorschriften im Wege von Vereinbarungen festlegen; dabei sind die Mitgliedstaaten gehalten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie jederzeit gewährleisten können, dass die Ziele dieser Richtlinie erreicht werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“

B.   Deutsches Recht

9.

§ 9 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (im Folgenden: AÜG) vom 3. Februar 1995 bestimmte in seiner bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung:

„Unwirksam sind:

(2) Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen; ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren; eine abweichende tarifliche Regelung gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind.“

10.

§ 10 Abs. 4 AÜG in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung bestimmte:

„Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren. Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nummer 2 hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.“

11.

Diese Bestimmungen wurden später geändert.

12.

§ 8 („Grundsatz der Gleichstellung“) AÜG in seiner ab dem 1. April 2017 geltenden Fassung bestimmt:

„(1)   Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Erhält der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, wird vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne von Satz 1 gleichgestellt ist. Werden im Betrieb des Entleihers Sachbezüge gewährt, kann ein Wertausgleich in Euro erfolgen.

(2)   Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren.

(3)   Eine abweichende tarifliche Regelung im Sinne von Absatz 2 gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind.

(4)   Ein Tarifvertrag im Sinne des Absatzes 2 kann hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher abweichen. Eine längere Abweichung durch Tarifvertrag ist nur zulässig, wenn

1.

nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und

2.

nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.

Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

(5)   Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen.“

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Ersuchen um Vorabentscheidung

13.

CM war im Zeitraum von Januar bis April 2017 bei der TimePartner Personalmanagement GmbH (im Folgenden: TimePartner), einem Leiharbeitsunternehmen, als Leiharbeitnehmerin im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt. Im Rahmen dieses Vertrags war CM einem Unternehmen des Einzelhandels als Kommissioniererin überlassen.

14.

Nach einem Tarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern (Deutschland) war vergleichbaren, unmittelbar von einem entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern ein Stundenlohn von 13,64 Euro brutto zu zahlen. Ein Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer, der zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen, dem TimePartner angehört, und dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft angehört, geschlossen wurde, wich jedoch von dem in § 10 AÜG (in der bis 31. März 2017 geltenden Fassung) bzw. § 8 AÜG (in der ab 1. April 2017 geltenden Fassung) geregelten Grundsatz der Gleichstellung, insbesondere in Bezug auf das Arbeitsentgelt, ab. Infolgedessen erhielt CM, die Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft war, ein Bruttoentgelt von 9,23 Euro pro Stunde.

15.

CM erhob beim Arbeitsgericht Würzburg (Deutschland) Klage auf Zahlung von 1296,72 Euro als Ersatz der Entgeltdifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern. CM machte geltend, dass die einschlägigen Bestimmungen des AÜG und des Tarifvertrags für Leiharbeitnehmer gegen Art. 5 der Richtlinie 2008/104 verstießen.

16.

Nach Abweisung ihrer Klage durch das Arbeitsgericht Würzburg legte CM Berufung beim Landesarbeitsgericht Nürnberg (Deutschland) ein, das diese Berufung zurückwies.

17.

Gegen diese Entscheidung legte CM daraufhin Revision beim Bundesarbeitsgericht ein. Zur Entscheidung über die Revision hat das Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof fünf Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Wie definiert sich der Begriff des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104, umfasst er insbesondere mehr als das, was nationales und Unionsrecht als Schutz für alle Arbeitnehmer zwingend vorgeben?

2.

Welche Voraussetzungen und Kriterien müssen erfüllt sein für die Annahme, von dem in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung abweichende Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern in einem Tarifvertrag seien unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erfolgt?

a)

Ist die Prüfung der Achtung des Gesamtschutzes – abstrakt – auf die tariflichen Arbeitsbedingungen der unter den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags fallenden Leiharbeitnehmer bezogen oder ist eine vergleichende, wertende Betrachtung zwischen den tariflichen und den Arbeitsbedingungen geboten, die in dem Unternehmen bestehen, in das die Leiharbeitnehmer überlassen werden (Entleiher)?

b)

Verlangt bei einer Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 vorgegebene Achtung des Gesamtschutzes, dass zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht?

3.

Müssen die Voraussetzungen und Kriterien für die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 den Sozialpartnern vom nationalen Gesetzgeber vorgegeben werden, wenn er ihnen die Möglichkeit einräumt, Tarifverträge zu schließen, die von dem Gebot der Gleichbehandlung abweichende Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten, und das nationale Tarifsystem Anforderungen vorsieht, die zwischen den Tarifvertragsparteien einen angemessenen Interessenausgleich erwarten lassen (sogenannte Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen)?

4.

Falls die dritte Frage bejaht wird:

a)

Ist die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 gewahrt mit gesetzlichen Regelungen, die wie die seit dem 1. April 2017 geltende Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine Lohnuntergrenze für Leiharbeitnehmer, eine Höchstdauer für die Überlassung an denselben Entleiher, eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt, die Nichtgeltung einer vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden tariflichen Regelung für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind sowie die Verpflichtung des Entleihers, dem Leiharbeitnehmer grundsätzlich unter den gleichen Bedingungen, wie sie für Stammarbeitnehmer gelten, Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder ‑diensten (wie insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel) zu gewähren, vorsehen?

b)

Falls dies bejaht wird:

Gilt das auch dann, wenn in entsprechenden gesetzlichen Regelungen wie in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt nicht vorgesehen ist und das Erfordernis, dass die Überlassung nur „vorübergehend“ sein darf, zeitlich nicht konkretisiert wird?

5.

Falls die dritte Frage verneint wird:

Dürfen die nationalen Gerichte bei vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern durch Tarifverträge gemäß Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 diese Tarifverträge ohne Einschränkung daraufhin überprüfen, ob die Abweichungen unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erfolgt sind, oder gebieten Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und/oder der Hinweis auf die „Autonomie der Sozialpartner“ im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104, den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einzuräumen und – wenn ja – wie weit reicht dieser?

18.

CM, TimePartner, die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 5. Mai 2022 haben CM, TimePartner, die deutsche und die schwedische Regierung sowie die Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

IV. Würdigung

A.   Zulässigkeit

19.

CM macht geltend, dass die Beantwortung aller Fragen, insbesondere der ersten Frage, für das vorlegende Gericht zur Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit nicht erforderlich sein dürfte. Sie trägt hierzu vor, dass der Begriff „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ in den einschlägigen Rechtsvorschriften des AÜG nicht verwendet werde.

20.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Richters, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen ( 3 ).

21.

Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind ( 4 ). Die Vorlage einer Frage zur Vorabentscheidung rechtfertigt sich nämlich nicht durch das Interesse an der Erstellung eines Gutachtens zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern dadurch, dass die Frage für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist ( 5 ).

22.

Das Bundesarbeitsgericht hat über einen bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden, in dem CM, eine Leiharbeitnehmerin, Ersatz für einen mutmaßlichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt begehrt. Mit Blick auf Art. 1 der Richtlinie 2008/104 zeigt der in Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge dargestellte Sachverhalt, dass die Richtlinie 2008/104 auf diesen Rechtsstreit anwendbar sein könnte.

23.

Da das Bundesarbeitsgericht den Gerichtshof um eine Definition des Begriffs „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ ersucht, der, wie von CM zu Recht vorgetragen, im AÜG nicht verwendet wird, wird aus dem Vorabentscheidungsersuchen deutlich, dass der Gerichtshof um eine Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/104 ersucht wird, um dem vorlegenden Gericht eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, inwieweit ein Tarifvertrag unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt abweichen darf.

24.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesarbeitsgericht im Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen zu beantworten.

B.   Erste Frage

25.

Mit seiner ersten Frage möchte das Bundesarbeitsgericht wissen, wie sich der Begriff „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 definiert und ob er insbesondere mehr als das umfasst, was nationales und Unionsrecht als Schutz für Arbeitnehmer im Allgemeinen zwingend vorgeben.

26.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 Tarifverträge zwar vom Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie abweichen könnten, sofern der Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern geachtet werde, der Richtlinie aber kein Hinweis darauf zu entnehmen sei, unter welchen Voraussetzungen diese letztere Anforderung erfüllt sein könne. Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge werden zur Frage der Auslegung dieser Voraussetzungen in der deutschen Rechtswissenschaft zwei Ansichten vertreten. Nach einer Ansicht beinhalte der „Gesamtschutz“ die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen, die für alle Arbeitnehmer unabhängig davon Geltung hätten, ob sie unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer seien. Nach anderer Ansicht gewähre die Richtlinie 2008/104 Leiharbeitnehmern eine besondere Form des Schutzes.

27.

CM macht geltend, dass das AÜG gegen Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 verstoße, da es nicht vorschreibe, dass Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssten. Außerdem dürften nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 zwar durch Tarifverträge alternative Regelungen in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festgelegt werden, nicht aber vom Grundsatz der Gleichbehandlung abgewichen werden.

28.

TimePartner trägt vor, dass im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104 anerkannt werde, dass die Sozialpartner über einen weiten Spielraum verfügten. Somit dürften nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie Tarifverträge vom Grundsatz der Gleichbehandlung sowohl zugunsten als auch zu Ungunsten von Leiharbeitnehmern abweichen.

29.

Die deutsche Regierung trägt vor, die Richtlinie 2008/104 solle die Achtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und vergleichbaren, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern sicherstellen. Sie schaffe keine besondere Form des Schutzes von Leiharbeitnehmern.

30.

Die Kommission trägt vor, dass der Begriff „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 sich auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie beziehe. Die Richtlinie solle die Achtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sicherstellen, nicht aber Leiharbeitnehmern nicht bessere Arbeitsbedingungen zukommen lassen als den unmittelbar von entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern. Die Sozialpartner dürften durch Tarifvertrag vorsehen, dass Leiharbeitnehmer ein niedrigeres Entgelt erhielten als vergleichbare, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer. In diesem Fall verlange die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern, dass die Sozialpartner Leiharbeitnehmern andere Vorteile gewährten, die unmittelbar von entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern nicht gewährt würden.

31.

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift ihr Wortlaut, ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 6 ).

32.

Erstens sieht Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern die Möglichkeit einräumen können, Tarifverträge zu schließen, die Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen können, sofern diese Tarifverträge den Gesamtschutz dieser Arbeitnehmer achten.

33.

Zweitens ist der Zusammenhang, in dem Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 steht, dass zu den wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, auf die der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung findet, auch das Arbeitsentgelt gehört ( 7 ). Nach Art. 9 der Richtlinie 2008/104 wird ferner davon ausgegangen, dass sie das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, den Abschluss von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zuzulassen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind.

34.

Drittens hat der Gerichtshof unter Verweis auf die Erwägungsgründe 10 und 12 sowie Art. 2 der Richtlinie 2008/104 festgestellt, dass die Richtlinie einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz von Leiharbeitnehmern festlegen und gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen wahren soll ( 8 ).

35.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Richtlinie 2008/104 zur Sicherstellung des Schutzes von Leiharbeitnehmern und zur Verbesserung der Qualität ihrer Arbeit einen Grundsatz der Gleichbehandlung festlegt, der für das Arbeitsentgelt von Leiharbeitnehmern und unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellten Arbeitnehmern gilt. In den Erwägungsgründen 16 und 17 der Richtlinie 2008/104 ist jedoch vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern gestatten können, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, die von diesem Grundsatz in beschränktem Maße abweichen. In diesem Zusammenhang können einerseits nach Art. 9 der Richtlinie 2008/104 die Sozialpartner Tarifverträge abschließen, die für Leiharbeitnehmer günstigere Bedingungen enthalten ( 9 ), während andererseits Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 auch Tarifverträge zulässt, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, sofern diese Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten.

36.

Der Begriff „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 besteht somit in einer Möglichkeit, von einem allgemeinen Grundsatz, nämlich dem der Gleichbehandlung, abzuweichen. Derartige Bestimmungen sind eng auszulegen ( 10 ).

37.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich vor, die erste Frage dahin aufzufassen, dass mit ihr geklärt werden soll, unter welchen Voraussetzungen die Sozialpartner im Wege eines Tarifvertrags auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 in Bezug auf das Arbeitsentgelt zulasten von Leiharbeitnehmern unter Achtung von deren Gesamtschutz vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen können.

38.

Die Kommission hat als Anlage zu ihren schriftlichen Erklärungen einen Bericht der Sachverständigengruppe über die Umsetzung der Richtlinie 2008/104 von August 2011 vorgelegt ( 11 ). Nach diesem Bericht kann sich der Tarifvertrag, wenn die Sozialpartner im Wege eines Tarifvertrags nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 vom Grundsatz der Gleichbehandlung zulasten von Leiharbeitnehmern abweichen, nicht darauf beschränken, niedrigere Entgeltniveaus festzulegen, sondern muss zum Ausgleich hierfür andere Bestimmungen enthalten, die für die Leiharbeitnehmer günstig sind ( 12 ). Das Erfordernis der Schaffung eines solchen Ausgleichs dient dazu, den „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ sicherzustellen. Eine Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104, wonach die Sozialpartner vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen können, ohne für die betroffenen Leiharbeitnehmer angemessene Ausgleichsvorteile vorzusehen, könnte diesem Grundsatz jede praktische Wirksamkeit nehmen ( 13 ). Sie würde auch die praktische Wirksamkeit von Art. 9 der Richtlinie 2008/104 beeinträchtigen, wo anerkannt wird, dass die Richtlinie Mindestvorschriften festlegt ( 14 ).

39.

Daraus folgt, dass jede in einem Tarifvertrag enthaltene Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung zulasten der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern durch die Gewährung von Vorteilen in Bezug auf andere wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104 ausgeglichen werden muss. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Arbeitsentgelt eine derart fundamentale Beschäftigungsbedingung darstellt, dass für jede Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung strengste Anforderungen an ihre Rechtfertigung zu stellen sind. Außerdem kann eine Ausnahme in Bezug auf wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht durch Vorteile nebensächlicher Art ausgeglichen werden. Beispielsweise könnte eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt durch ein Geschenk aus der Werbeabteilung nicht wirksam ausgeglichen werden.

40.

Ferner müssen nach dem im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104 anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die für Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung zulasten der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen etwaig gewährten Ausgleichsvorteile zu diesen in einem angemessenen Verhältnis stehen ( 15 ). Beispielsweise könnte ein um 50 % geringeres jährliches Arbeitsentgelt nicht durch die Gewährung eines zusätzlichen jährlichen Urlaubstags ausgeglichen werden. Auch wenn Arbeitsentgelt und Urlaub wesentliche Beschäftigungsbedingungen darstellen, dürfte eine solche Abweichung beim Arbeitsentgelt gegenüber dem Wert des Ausgleichsvorteils unverhältnismäßig sein.

41.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kann es sich für die Sozialpartner in der Praxis als schwierig erweisen, sich auf die durch Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 zugelassenen Abweichungen zu berufen. Ich möchte mich auf den Hinweis beschränken, dass dieses Ergebnis die logische Folge daraus ist, dass die Gesetzgebung einen weit angelegten Grundsatz der Gleichbehandlung und hierneben eine zwangsläufig begrenzte Zahl von Ausnahmen vorgegeben hat.

42.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die erste Frage dahin zu beantworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass die Sozialpartner im Wege eines Tarifvertrags vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt zulasten von Leiharbeitnehmern abweichen können, sofern solche Tarifverträge hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehende Ausgleichsvorteile in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern gewähren, so dass deren Gesamtschutz geachtet wird.

C.   Zweite Frage

43.

Mit dem ersten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern anhand eines Tarifvertrags abstrakt oder aber durch einen konkreten Vergleich der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die für vergleichbare, unmittelbar von entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer gelten, zu beurteilen ist. Mit dem zweiten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten danach den Sozialpartnern die Möglichkeit geben können, Tarifverträge in Bezug auf Leiharbeitnehmer abzuschließen, die in einem befristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen.

44.

Zum ersten Teil der zweiten Frage trägt CM, unterstützt durch die Kommission, vor, dass die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern durch einen Vergleich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen dieser Arbeitnehmer mit den für vergleichbare, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer geltenden Bedingungen zu beurteilen sei.

45.

TimePartner ist, unterstützt durch die deutsche Regierung, der Ansicht, dass der Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern auf der Grundlage einer allgemeinen Prüfung der Bestimmungen des betreffenden Tarifvertrags zu beurteilen sei.

46.

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen grundsätzlich „mindestens denjenigen [entsprechen], die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären“. Der darin verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung entspricht dem Willen des Unionsgesetzgebers, die für Leiharbeitnehmer geltenden Bedingungen denjenigen „normaler“ Arbeitsverhältnisse anzunähern ( 16 ).

47.

In diesem Zusammenhang sieht Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 vor, dass die Sozialpartner, sofern und sobald sie Tarifverträge schließen, mit denen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festgelegt werden, die „von den in Absatz 1 [desselben Artikels] aufgeführten Regelungen abweichen“, den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssen.

48.

Aus Wortlaut, Ziel und Zusammenhang von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/104 ergibt sich, dass Leiharbeitnehmer Anspruch auf die gleichen wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen haben, die gelten würden, wenn das entleihende Unternehmen sie unmittelbar eingestellt hätte. Hierfür sind die für den Leiharbeitnehmer nach dem Tarifvertrag geltenden Bedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts, mit den im entleihenden Unternehmen geltenden Bedingungen zu vergleichen ( 17 ). Dieser Vergleich ist anhand der für jede dieser beiden Kategorien von Arbeitnehmern geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vorzunehmen. Machen die Sozialpartner von der durch das nationale Recht eröffneten Möglichkeit Gebrauch, von den für Arbeitnehmer im entleihenden Unternehmen geltenden Bedingungen nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 abzuweichen, muss dieser Tarifvertrag diesen Leiharbeitnehmern andere Ausgleichsvorteile gewähren, die für unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen, so dass der Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern geachtet wird.

49.

Zum zweiten Teil der zweiten Frage bringt CM vor, dass nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 Tarifverträge nicht zulässig seien, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt von Leiharbeitnehmern abwichen, die in einem befristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen ständen. Vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt könne nur auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104 abgewichen werden, der das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit einem Leiharbeitsunternehmen voraussetze.

50.

TimePartner, unterstützt durch die deutsche Regierung und die Kommission, ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen in Bezug auf Leiharbeitnehmer unabhängig davon geben dürften, ob sie in einem befristeten oder unbefristeten Vertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen ständen.

51.

Zum zweiten Teil der zweiten Frage scheinen mir drei Bemerkungen angezeigt.

52.

Erstens ist, anders als in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104, in deren Art. 5 Abs. 3 nicht geregelt, dass die Möglichkeit, vom Grundsatz der Gleichbehandlung abzuweichen, auf Leiharbeitnehmer beschränkt ist, die in einem unbefristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen.

53.

Zweitens wird in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104 den Mitgliedstaaten gestattet, bestimmte Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung vorzusehen, während in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie den Mitgliedstaaten gestattet wird, den Sozialpartnern die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen zu geben, die von diesem Grundsatz abweichende Bestimmungen enthalten.

54.

Drittens geht Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104 offenbar davon aus, dass Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt bei Leiharbeitnehmern gerechtfertigt sein können, die in einem unbefristeten Vertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen, da sie auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden. Dagegen verlangt Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104, dass Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten. Wie in den Nrn. 38 bis 40 der vorliegenden Schlussanträge erläutert, müssen solche Tarifverträge Leiharbeitnehmern zum Ausgleich der Nachteile, die ihnen durch etwaige Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz entstehen, Ausgleichsvorteile gewähren. Der Grundgedanke, der Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 zugrunde liegt und sich von demjenigen ihres Art. 5 Abs. 2 unterscheidet, kann für Arbeitnehmer unabhängig von der Art ihres Arbeitsvertrags mit einem Leiharbeitsunternehmen gelten. Es gibt daher keinen Grund, Arbeitnehmer, die in einem befristeten Vertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen, vom Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 auszunehmen.

55.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu beantworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass

die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern durch einen Vergleich der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern mit den für vergleichbare, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer geltenden Bedingungen zu beurteilen ist;

die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern die Möglichkeit zum Abschluss von vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden Tarifverträgen in Bezug auf Leiharbeitnehmer geben können, die in einem befristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen.

D.   Dritte und vierte Frage

56.

Die dritte und die vierte Frage betreffen beide die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Anforderungen von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 in innerstaatliches Recht umzusetzen, soweit sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Sozialpartnern den Abschluss von Tarifverträgen zu gestatten, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie abweichen. Da die Antwort auf die vierte Frage von der Antwort auf die dritte Frage abhängt, schlage ich vor, diese beiden Fragen zusammen zu behandeln.

57.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob dann, wenn ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 Gebrauch macht, die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern voraussetzt, dass für die danach abgeschlossenen Tarifverträge durch die nationalen Rechtsvorschriften detaillierte Kriterien oder Bedingungen festgelegt werden. Falls diese Frage bejaht wird, ersucht das Bundesarbeitsgericht um Hinweise, anhand deren es beurteilen kann, ob das AÜG den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern hinreichend sicherstellt. Es fragt insbesondere, ob Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern durch nationale Rechtsvorschriften sichergestellt ist, die Folgendes vorsehen: eine Entgeltuntergrenze für Leiharbeitnehmer, eine Höchstdauer für die Überlassung an dasselbe entleihende Unternehmen, eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt, die Nichtgeltung tarifvertraglicher Regelungen für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an das entleihende Unternehmen bei diesem oder einem zum selben Konzern gehörenden Unternehmen unmittelbar beschäftigt waren, die Verpflichtung, Leiharbeitnehmern Zugang zu Einrichtungen oder Diensten (Kinderbetreuung, Verpflegung, Beförderungsmittel) zu gewähren, die den vom entleihenden Unternehmen unmittelbar beschäftigten Arbeitnehmern angeboten werden, sowie das Erfordernis, dass die Überlassung, ohne nähere Konkretisierung, nur „vorübergehend“ sein darf.

58.

CM bringt vor, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 für die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern voraussetze, dass für die Tarifverträge durch die nationalen Rechtsvorschriften detaillierte Kriterien oder Bedingungen festgelegt würden. Die im Vorabentscheidungsersuchen genannten nationalen Rechtsvorschriften erfüllten diese Anforderungen nicht.

59.

TimePartner, unterstützt durch die deutsche Regierung, ist dagegen der Ansicht, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichte, konkrete Kriterien oder Bedingungen festzulegen, die Tarifverträge zur Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erfüllen müssten. Die Mitgliedstaaten dürften den Sozialpartnern im Einklang mit deren Tarifautonomie einen Beurteilungsspielraum lassen.

60.

Die deutsche Regierung trägt vor, Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 erkenne implizit eine Vermutung der Angemessenheit der von den Sozialpartnern kraft ihrer Tarifautonomie abgeschlossenen Tarifverträge an. Ferner verlange Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104, dass von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achteten. Jedenfalls werde durch die im Vorabentscheidungsersuchen genannten Bestimmungen des deutschen Rechts der Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern sichergestellt.

61.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten dann, wenn sie den Sozialpartnern nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 die Möglichkeit zum Abschluss von vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden Tarifverträgen gäben, zur Umsetzung eines Erfordernisses verpflichtet seien, wonach diese Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssten. Da die deutschen Rechtsvorschriften nicht verlangten, dass Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung durch andere, Leiharbeitnehmern gewährte Vorteile ausgeglichen würden, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts sichergestellt werden könne.

62.

Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Zwar belässt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Umsetzung der Richtlinie, doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten ( 18 ).

63.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können die Mitgliedstaaten die Verwirklichung der sozialpolitischen Ziele, die mit einer in diesem Bereich erlassenen Richtlinie verfolgt werden, in erster Linie den Sozialpartnern überlassen ( 19 ). Diese Möglichkeit befreit die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung, durch geeignete Rechts- und Verwaltungsvorschriften sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer in vollem Umfang den Schutz in Anspruch nehmen können, den ihnen die Richtlinie 2002/14 gewährt ( 20 ).

64.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterscheidet sich das Wesen durch Tarifvertrag erlassener Maßnahmen vom Wesen im Gesetz- oder Verordnungsweg erlassener Maßnahmen dadurch, dass angenommen wird, dass die Sozialpartner bei der Ausübung ihres in Art. 28 der Charta anerkannten Grundrechts auf Kollektivverhandlungen darauf geachtet haben, einen Ausgleich zwischen ihren jeweiligen Interessen festzulegen ( 21 ).

65.

Soweit die Ausübung des in Art. 28 der Charta proklamierten Rechts auf Kollektivverhandlungen unionsrechtlich geregelt ist, muss es im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt werden ( 22 ). Wenn daher eine nationale Regelung zulässt, dass ein Tarifvertrag auf einem Gebiet ausgehandelt wird, der durch eine Richtlinie geregelt ist, muss der hieraus entstehende Tarifvertrag mit dem Unionsrecht im Allgemeinen und mit dieser Richtlinie im Besonderen im Einklang stehen ( 23 ). Wenn somit die Sozialpartner Tarifverträge abschließen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/104 fallen, müssen sie die Bestimmungen dieser Richtlinie beachten ( 24 ).

66.

Wenn die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern eine Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen geben, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen können, sind sie nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie verpflichtet, sicherzustellen, dass diese Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten. Somit ist zwar der Begriff „Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern“ in nationales Recht umzusetzen, aus dieser Verpflichtung folgt jedoch nicht notwendigerweise, dass die Mitgliedstaaten detaillierte Vorschriften zur Festlegung der Kriterien oder Bedingungen erlassen müssen, die solche Tarifverträge erfüllen müssen. Dieser Ansatz wird sowohl durch Art. 288 Abs. 3 AEUV als auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt ( 25 ).

67.

Das vorlegende Gericht muss daher das nationale Recht, insbesondere das AÜG, anhand des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 und seines Zwecks auslegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel im Einklang steht ( 26 ), nämlich der Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern. Diese Auslegung unterliegt den anerkannten Schranken für eine unionsrechtskonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts, wonach das innerstaatliche Recht insbesondere nicht contra legem ausgelegt werden darf ( 27 ).

68.

Laut dem Vorabentscheidungsersuchen enthält die geltende deutsche Regelung die in Nr. 57 der vorliegenden Schlussanträge genannten Bestimmungen, die die Möglichkeit der Sozialpartner, vom Grundsatz der Gleichbehandlung abzuweichen, einschränken. Auch wenn es Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies zu prüfen, und wenn diese Bestimmungen die Sozialpartner nicht ausdrücklich dazu verpflichten, sicherzustellen, dass etwaige Abweichungen durch andere, Leiharbeitnehmern gewährte Vorteile ausgeglichen werden, dürfte das AÜG dem Abschluss von Tarifverträgen, die geeignet sind, einen angemessenen Ausgleich herzustellen, auf den ersten Blick nicht entgegenstehen.

69.

Ich schlage dem Gerichtshof demnach vor, die dritte und die vierte Frage dahin zu beantworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat den Sozialpartnern die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen gibt, die Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, die nationalen Rechtsvorschriften keine detaillierten, von den Sozialpartnern zu erfüllenden Bedingungen und Kriterien vorgeben müssen, sofern die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern sichergestellt ist.

E.   Fünfte Frage

70.

Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge durch die nationalen Gerichte gerichtlich überprüfbar sind, und wenn ja, inwieweit diese Gerichte diese Zuständigkeit ausüben können, um sicherzustellen, dass diese Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 achten.

71.

Nach Ansicht von CM ist diese Frage zu bejahen.

72.

TimePartner und die deutsche Regierung tragen vor, dass für Tarifverträge nach deutschem Recht eine Angemessenheitsvermutung gelte, aufgrund derer sie einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterlägen. Dieser Ansatz werde durch den 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104 und Art. 28 der Charta gestützt.

73.

Die Kommission trägt vor, dass das vorlegende Gericht durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts möglicherweise zu dem Schluss kommen könne, dass das AÜG die Anforderung enthalte, dass Tarifverträge den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssten. In diesem Fall sei das vorlegende Gericht dafür zuständig, zu überprüfen, ob ein Tarifvertrag diese Anforderung erfülle.

74.

Nach ständiger Rechtsprechung verfügen die Sozialpartner bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, und bei der Ergreifung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über ein weites Ermessen ( 28 ). Soweit jedoch, wie in Nr. 65 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, die Ausübung des in Art. 28 der Charta proklamierten Rechts auf Kollektivverhandlungen unionsrechtlich geregelt ist, muss es im Einklang mit diesen Bestimmungen ausgeübt werden ( 29 ). Wenn folglich die Sozialpartner Regelungen treffen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/104 fallen, müssen sie die Bestimmungen dieser Richtlinie beachten.

75.

Der Gerichtshof hat mehrfach festgestellt, dass eine in einem Tarifvertrag enthaltene Bestimmung gegen Bestimmungen von Unionsrichtlinien verstieß ( 30 ). Nach der Rechtsprechung wäre es mit dem Wesen des Unionsrechts unvereinbar, wenn einem nationalen Gericht die uneingeschränkte Befugnis abgesprochen würde, unmittelbar bei der ihm obliegenden und von ihm beabsichtigten Anwendung des Unionsrechts Bestimmungen eines Tarifvertrags außer Anwendung zu lassen, die die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Vorschriften möglicherweise behindern ( 31 ).

76.

Wie in den Nrn. 66 bis 68 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dann, wenn sie den Sozialpartnern eine Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen geben, die vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen, die Letzteren dazu verpflichten, den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern zu achten.

77.

Das AÜG setzt den in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 enthaltenen Grundsatz der Gleichbehandlung in deutsches Recht um. Da rechtmäßige Abweichungen von diesem Grundsatz fakultativ sind, verpflichtet das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht zu ihrer Umsetzung in ihr nationales Recht ( 32 ). Im Übrigen müssen die Mitgliedstaaten dann, wenn ihnen das Unionsrecht die Befugnis einräumt, von Bestimmungen einer Richtlinie abzuweichen, dieses Ermessen unter Beachtung des Unionsrechts ausüben; dies gilt auch dann, wenn diese Abweichungen im Wege von Tarifverträgen erfolgen ( 33 ).

78.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen muss das vorlegende Gericht, um den Verpflichtungen aus Art. 288 AEUV nachzukommen, alles tun, was kraft des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2008/104 zu gewährleisten, vorbehaltlich dessen, dass dieser Grundsatz nicht als Grundlage dafür dienen darf, das nationale Recht contra legem auszulegen ( 34 ).

79.

Das vorlegende Gericht ist u. a. verpflichtet, zu prüfen, ob Tarifverträge, die Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung vornehmen, den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern sicherstellen, indem sie diesen Arbeitnehmern bestimmte Vorteile gewähren, um für Abweichungen von diesem Grundsatz einen rechtmäßigen Ausgleich zu schaffen. Auch wenn die Sozialpartner bei der Herstellung eines Ausgleichs zwischen solchen Abweichungen und den den Leiharbeitnehmern gewährten Ausgleichsvorteilen über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügen, muss dem vorlegenden Gericht die Beurteilung vorbehalten bleiben, ob die Sozialpartner diesen Ausgleich tatsächlich hergestellt haben. Auch in Anbetracht dessen, dass der den Sozialpartnern zuerkannte Beurteilungsspielraum zu achten ist, besteht keine Vermutung dafür, dass Tarifverträge mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

80.

Schließlich möchte ich, entgegen der vom vorlegenden Gericht offenbar vertretenen Ansicht, anmerken, dass die fünfte Frage meines Erachtens unabhängig von der Antwort auf die dritte Frage zu beantworten ist, da es aus den in den Nrn. 74 bis 79 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen Aufgabe der nationalen Gerichte ist, die Vereinbarkeit von Tarifverträgen mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2008/104, sicherzustellen.

81.

Ich schlage dem Gerichtshof demnach vor, die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu beantworten, dass von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge durch die nationalen Gerichte gerichtlich daraufhin überprüfbar sind, dass sie den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 achten.

V. Ergebnis

82.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen, dass die Sozialpartner im Wege eines Tarifvertrags vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt zulasten von Leiharbeitnehmern abweichen können, sofern solche Tarifverträge hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehende Ausgleichsvorteile in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern gewähren, so dass deren Gesamtschutz geachtet wird.

2.

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 ist dahin auszulegen, dass

die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern durch einen Vergleich der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern mit den für vergleichbare, unmittelbar vom entleihenden Unternehmen eingestellte Arbeitnehmer geltenden Bedingungen zu beurteilen ist;

die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern die Möglichkeit zum Abschluss von vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden Tarifverträgen in Bezug auf Leiharbeitnehmer geben können, die in einem befristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen stehen.

3.

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat den Sozialpartnern die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen gibt, die Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, die nationalen Rechtsvorschriften keine detaillierten, von den Sozialpartnern zu erfüllenden Bedingungen und Kriterien vorgeben müssen, sofern die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern sichergestellt ist.

4.

Von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge sind durch die nationalen Gerichte gerichtlich daraufhin überprüfbar, dass sie den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 achten.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 2008, L 327, S. 9.

( 3 ) Urteil vom 8. September 2010, Winner Wetten (C‑409/06, EU:C:2010:503, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 4 ) Ebd., Rn. 37.

( 5 ) Ebd., Rn. 38.

( 6 ) Urteile vom 18. Dezember 2008, Ruben Andersen (C‑306/07, EU:C:2008:743, Rn. 40), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Art. 3 Abs. 1 Buchst. f Ziff. ii der Richtlinie 2008/104.

( 8 ) Urteil vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 40).

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 41), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 33 und 106).

( 10 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 9. September 2003, Jaeger (C‑151/02, EU:C:2003:437, Rn. 89), vom 21. Oktober 2010, Accardo u. a. (C‑227/09, EU:C:2010:624, Rn. 58), und vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 56 und 72). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Luso Temp (C‑426/20, EU:C:2021:995, Nr. 62).

( 11 ) Veröffentlicht auf der Website der Kommission unter https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=6998&langId=de.

( 12 ) Ebd., S. 24.

( 13 ) Nach dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit vom 21. März 2014 (COM[2014] 176 final, S. 19) haben häufig angewandte Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz möglicherweise dazu geführt, dass die Anwendung der Richtlinie keine effektive Verbesserung des Schutzes der Leiharbeitnehmer herbeigeführt hat.

( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 41), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 33).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 70 und 72).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 51 und 52).

( 17 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 12. Mai 2022, Luso Temp (C‑426/20, EU:C:2022:373, Rn. 50).

( 18 ) Urteile vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 15), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 94).

( 19 ) Urteile vom 18. Dezember 2008, Ruben Andersen (C‑306/07, EU:C:2008:743, Rn. 25), vom 11. Februar 2010, Ingeniørforeningen i Danmark (C‑405/08, EU:C:2010:69, Rn. 39), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 108).

( 20 ) Urteile vom 11. Februar 2010, Ingeniørforeningen i Danmark (C‑405/08, EU:C:2010:69, Rn. 40), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 109). Vgl. auch Art. 11 der Richtlinie 2008/104, wonach die Mitgliedstaaten „[sich vergewissern], dass die Sozialpartner die erforderlichen Vorschriften im Wege von Vereinbarungen festlegen; dabei sind die Mitgliedstaaten gehalten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie jederzeit gewährleisten können, dass die Ziele dieser Richtlinie erreicht werden“.

( 21 ) Urteil vom 19. September 2018, Bedi (C‑312/17, EU:C:2018:734, Rn. 68).

( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560, Rn. 67), vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 47), vom 28. Juni 2012, Erny (C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 50), und vom 19. September 2018, Bedi (C‑312/17, EU:C:2018:734, Rn. 69).

( 23 ) Urteil vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 46).

( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 48), vom 12. Dezember 2013, Hay (C‑267/12, EU:C:2013:823, Rn. 27), und vom 19. September 2018, Bedi (C‑312/17, EU:C:2018:734, Rn. 70). Vgl. auch den 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104, wonach diese Richtlinie zwar die Autonomie der Sozialpartner nicht beeinträchtigt, das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen, jedoch „bei gleichzeitiger Einhaltung des geltenden [Unions]rechts“ auszuüben ist.

( 25 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 55 bis 57), wo der Gerichtshof entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten, auch wenn die Überlassung naturgemäß vorübergehend erfolgen muss, nicht verpflichtet sind, nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 eine Regelung über die Höchstdauer der Überlassung von Leiharbeitnehmern an entleihende Unternehmen vorzusehen. Mangels einer nationalen Regelung über eine solche Höchstdauer ist es Sache der nationalen Gerichte, diese zu bestimmen. Vgl. auch Urteil vom 18. Dezember 2008, Ruben Andersen (C‑306/07, EU:C:2008:743, Rn. 52 bis 54).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen der Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 65), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 76).

( 27 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen der Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 66), und vom 17. März 2022, Daimler (C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 77).

( 28 ) Vgl. Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 29 ) Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Umstand, dass das Unionsrecht möglicherweise einer in einem Tarifvertrag enthaltenen Bestimmung entgegensteht, für sich genommen noch nicht gegen das in Art. 28 der Charta anerkannte Recht verstößt, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen (Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai, C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560, Rn. 78).

( 30 ) Urteile vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560, Rn. 78), vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 83), vom 12. Dezember 2013, Hay (C‑267/12, EU:C:2013:823, Rn. 47), vom 19. September 2018, Bedi (C‑312/17, EU:C:2018:734, Rn. 79), und vom 13. Januar 2022, Koch Personaldienstleistungen (C‑514/20, EU:C:2022:19, Rn. 46).

( 31 ) Urteil vom 7. Februar 1991, Nimz (C‑184/89, EU:C:1991:50, Rn. 20).

( 32 ) Urteil vom 21. Oktober 2010, Accardo u. a. (C‑227/09, EU:C:2010:624, Rn. 51).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2010, Accardo u. a. (C‑227/09, EU:C:2010:624, Rn. 55).

( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 65 und 66).