32000D0608

2000/608/EG: Entscheidung der Kommission vom 27. September 2000 über Leitlinien für die Risikobewertung gemäß Anhang III der Richtlinie 90/219/EWG des Rates über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2736) (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. L 258 vom 12/10/2000 S. 0043 - 0048


Entscheidung der Kommission

vom 27. September 2000

über Leitlinien für die Risikobewertung gemäß Anhang III der Richtlinie 90/219/EWG des Rates über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2736)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2000/608/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Richtlinie 90/219/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen(1) in der Fassung der Richtlinie 98/81/EG des Rates(2), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie führt der Anwender eine Bewertung der Anwendungen genetisch veränderter Mikroorganismen (GVM) in geschlossenen Systemen durch und hält dabei mindestens die Prinzipien nach Anhang III ein, die durch Leitlinien ergänzt werden.

(2) Gemäß Anhang III werden diese Leitlinien von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 ausgearbeitet.

(3) Die Maßnahmen dieser Entscheidung stehen im Einklang mit der Stellungnahme des gemäß Artikel 21 der Richtlinie 90/219/EWG eingesetzten Ausschusses -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Bei der Bewertung der Anwendungen genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen gemäß Artikel 5 der Richtlinie 90/219/EWG wird Anhang III der Richtlinie durch die beigefügten Leitlinien für die Sicherheitsbewertung ergänzt.

Artikel 2

Diese Entscheidung, ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 27. September 2000

Für die Kommission

Margot Wallström

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 117 vom 8.5.1990, S. 1.

(2) ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 13.

ANHANG

LEITLINIEN FÜR DIE RISIKOBEWERTUNG GEMÄSS ANHANG III DER RICHTLINIE 90/219/EWG DES RATES ÜBER DIE ANWENDUNG GENETISCH VERÄNDERTER MIKROORGANISMEN IN GESCHLOSSENEN SYSTEMEN

1. EINLEITUNG

Die in Anhang III Nummern 1 und 2 dargelegten Elemente der Risikobewertung erfordern die Bewertung potentiell schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Unter potentiell schädlichen Auswirkungen sind Auswirkungen zu verstehen, die möglicherweise zu Krankheiten führen, eine wirksame Prophylaxe oder Behandlung verhindern oder einer Ansiedlung oder Verbreitung in der Umwelt mit schädlichen Auswirkungen auf vorhandene Organismen oder natürliche Populationen förderlich sind, sowie schädliche Auswirkungen infolge der Übertragung von Genen auf andere Organismen. Im Rahmen der Risikobewertung ist es erforderlich, das mit diesen potentiell schädlichen Auswirkungen verbundene Risiko für jede Tätigkeit einzeln zu bewerten und in eine Klasse nach Artikel 5 einzuordnen, wobei Art und Umfang der Tätigkeiten im Hinblick auf die Festlegung der erforderlichen endgültigen Einschließungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind. Der mit der Anwendung eines genetisch veränderten Mikroorganismus (GVM) in geschlossenen Systemen und seiner Herstellung verbundene Gefährdungsgrad wird unter Berücksichtigung der Schwere der potentiell schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bestimmt. Bei der Risikobewertung ist zu untersuchen, inwieweit der Mensch oder die Umwelt während des Betriebs einer Anlage für geschlossene Systeme oder im Fall einer unbeabsichtigten Freisetzung daraus genetisch veränderten Mikroorganismen ausgesetzt sind. Die anhand der Risikobewertung vorgenommene Einstufung dient als Grundlage für die Festlegung der Einschließungsanforderungen für Tätigkeiten im Zusammenhang mit GVM gemäß Anhang IV.

2. RISIKOBEWERTUNG

Eine vollständige Risikobewertung umfasst die beiden nachstehenden Verfahren:

2.1. Verfahren 1

Bestimmung potentiell schädlicher Eigenschaften (Gefahren) des GVM und vorläufige Einstufung des GVM in eine der Klassen (Klasse 1-Klasse 4) je nach Schwere der potentiell schädlichen Auswirkungen

und

Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens schädlicher Auswirkungen durch Exposition (sowohl des Menschen als auch der Umwelt) unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Arbeiten unter Einschließungsmaßnahmen gemäß der vorläufig gewählten Klasse.

2.2. Verfahren 2

Festlegung der endgültigen Einstufung und der für die Tätigkeit erforderlichen Einschließungsmaßnahmen. Bestätigung der endgültigen Einstufung und Einschließungsmaßnahmen durch Wiederholung des Verfahrens 1.

3. VERFAHREN 1

3.1. Bestimmung potentiell schädlicher Auswirkungen (Gefahren) des GVM

Im Rahmen der Risikobewertung sind etwaige potentiell schädliche Eigenschaften des GVM infolge der genetischen Veränderung oder jeglicher sonstigen Veränderung der bisherigen Eigenschaften des Empfängerorganismus zu bestimmen. Bei der Bestimmung der mit dem GVM verbundenen potentiell schädlichen Auswirkungen sind der Empfängerorganismus, der Spenderorganismus, die Eigenschaften und der Ort des eingefügten genetischen Materials und der Vektoren in Betracht zu ziehen. Dabei ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die genetische Veränderung eines Mikroorganismus seine Fähigkeit zur Schädigung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt beeinflussen kann. Genetische Veränderungen können die Fähigkeit zur Schädigung vermindern, erhöhen oder unverändert lassen.

3.2. Zu berücksichtigende Aspekte, sofern relevant:

3.2.1. Empfängerorganismus

- Art der Pathogenität und Virulenz, Infektiosität, Allergenität, Toxizität und Überträger von Krankheiten;

- Art der endogenen Vektoren und Adventiv-Agenzien, wenn sie das eingefügte genetische Material mobilisieren könnten, und Häufigkeit der Mobilisierung;

- gegebenenfalls Art und Stabilität der deaktivierenden Mutationen;

- etwaige vorangegangene genetische Veränderungen;

- Wirtsbereich (sofern relevant);

- etwaige signifikante physiologische Merkmale, die in dem endgültigen GVM verändert sein könnten, und gegebenenfalls ihre Stabilität;

- natürliches Habitat und geographische Verbreitung;

- bedeutende Beteiligung an Umweltprozessen (wie Stickstoffixierung oder pH-Wert-Einstellung);

- Wechselwirkung mit und Auswirkungen auf andere Organismen in der Umwelt (einschließlich voraussichtlicher konkurrierender, pathogener oder symbiotischer Eigenschaften);

- Fähigkeit, Dauerformen zu bilden (wie Sporen oder Sklerotien).

3.2.2. Spenderorganismus (bei Fusions- oder "Shotgun-Experimenten", bei denen das Insert nicht eindeutig charakterisiert ist)

- Art der Pathogenität und Virulenz, Infektiosität, Toxizität und Überträger von Krankheiten;

- Art der endogenen Vektoren:

- Sequenz;

- Häufigkeit der Mobilisierung und Spezifität;

- Vorhandensein von Genen, die eine antimikrobielle Resistenz inklusive Antibiotika Resistenz bewirken,

- Wirtsbereich;

- andere relevante physiologische Merkmale.

3.2.3. Insert

- spezifische Identität und Funktion des Inserts (der Gene);

- Höhe der Expression des eingefügten genetischen Materials;

- Herkunft des genetischen Materials, gegebenenfalls Identität des Spendenorganismus/der Spendenorganismen und der Merkmale;

- gegebenenfalls vorangegangene genetische Veränderungen;

- Ort des eingefügten genetischen Materials (Möglichkeit einer Aktivierung/Deaktivierung von Wirtsgenen durch die Einfügung).

3.2.4. Vektor

- Art und Herkunft des Vektors;

- Struktur und Menge jeder Vektor- und/oder jeder Spender-Nukleinsäure, die noch in der Endstruktur des veränderten Mikroorganismus verblieben ist;

- falls im endgültigen GVM vorhanden, Häufigkeit der Mobilisierung des eingefügten Vektors und/oder Fähigkeit zur Übertragung von genetischem Material.

3.2.5. Entstandener VM

3.2.5.1. Gesundheitliche Erwägungen

- erwartete toxische oder allergene Wirkungen des GVM und/oder seiner Stoffwechselprodukte;

- Vergleich der Pathogenität des veränderten Mikroorganismus mit der des Empfänger- oder (gegebenenfalls) Ausgangsorganismus;

- erwartete Kolonisierungsfähigkeit;

- wenn der Mikroorganismus pathogen für Menschen ist, die immunkompetent sind:

- verursachte Krankheiten und Übertragungsmechanismus einschließlich Invasivität und Virulenz;

- Infektionsdosis;

- mögliche Änderung des Infektionsweges oder der Gewebespezifität;

- Möglichkeit des Überlebens außerhalb des menschlichen Wirtes;

- biologische Stabilität;

- Muster der Antibiotikaresistenz;

- Allergenität;

- Toxizität;

- Verfügbarkeit geeigneter Therapien und prophylaktischer Maßnahmen.

3.2.5.2. Umwelterwägungen

- Ökosysteme, in die der Mikroorganismus unbeabsichtigt freigesetzt werden könnte;

- erwartete Überlebensfähigkeit und Vermehrung sowie erwarteter Umfang der Verbreitung des veränderten Mikroorganismus in den betreffenden Ökosystemen;

- erwartete Folgen der Wechselwirkung zwischen dem genetisch veränderten Mikroorganismus und den Organismen oder Mikroorganismen, die im Falle einer unbeabsichtigten Freisetzung in die Umwelt betroffen sein könnten;

- bekannte oder vorauszusehende Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere im Hinblick auf Pathogenität, Toxizität, Allergenität, Fähigkeit, als Vektor für ein Pathogen zu wirken, veränderte Muster der Antibiotikaresistenz, veränderter Tropismus, veränderte Wirtsspezifität, Kolonisierung;

- bekannte oder vorauszusehende Beteiligung an biogeochemischen Prozessen.

3.3. Vorläufige Einstufung des GVM

Gemäß Anhang III Nummer 3-5 ist in der ersten Phase des Vorgangs der Risikobewertung eines GVM festzustellen, welche potentiell schädlichen Eigenschaften der GVM hat, um eine vorläufige Einstufung des GVM vornehmen zu können. Dazu werden die Gefahren bestimmt, die gegebenenfalls mit dem Empfänger, dem Spenderorganismus, dem Vektor und dem Insert verbunden sind. Dabei können die in Anhang III Nummer 4 dargelegten allgemeinen Merkmale für Klasse 1 sowie aktuelle einschlägige einzelstaatliche und internationale Klassifizierungen (einschließlich der Richtlinie 90/679/EWG(1) nebst Änderungen) zugrunde gelegt werden. Die in Anhang IV angegebenen jeweiligen Einschließungs- und anderen Schutzmaßnahmen gelten als Bezugsmaßnahmen, anhand deren festzustellen ist, ob strengere Einschließungs- und Schutzmaßnahmen zur Beherrschung festgestellter schädlicher Auswirkungen erforderlich sind.

Das mit etwaigen schädlichen Eigenschaften des GVM verbundene Schädigungsrisiko ergibt sich aus der Schwere der Schädigung und allen biologischen Eigenschaften (z.B. deaktivierende Mutationen), die die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Schädigung begrenzen. Die Beurteilung der Schwere der schädlichen Auswirkungen erfolgt unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens. Die Schwere einer möglichen Schädigung bestimmt sich nach ihrem möglichen Ergebnis, nicht nach der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens in dem jeweiligen Einzelfall. So ist beispielsweise bei einem Pathogen zu beurteilen, wie schwer die Krankheit wäre, wenn die anfällige Spezies tatsächlich infiziert würde. Die vorläufige Einstufung eines GVM schließt die Erwägung der Schwere mit ein. Bei Klassifizierungen wie der gemäß der Richtlinie 90/679/EWG wird die Schwere berücksichtigt. Viele Klassifizierungen basieren jedoch entweder auf gesundheitlichen Erwägungen oder auf Umwelterwägungen. Es ist darauf zu achten, dass die Schwere schädlicher Auswirkungen des GVM auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt umfassend berücksichtigt werden.

3.4. Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens schädlicher Auswirkungen

Maßgeblich für die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer schädlichen Auswirkung ist das Ausmaß und die Art der Exposition des Menschen oder der Umwelt gegenüber einem bestimmten GVM. Die Exposition ist in den meisten Fällen bei der Risikobewertung entscheidend, da sie den Ausschlag dafür gibt, ob eine schädliche Auswirkung eintreten kann. Die Wahrscheinlichkeit einer Exposition des Menschen oder der Umwelt gegenüber einem GVM hängt von der Art der jeweiligen Tätigkeiten (z. B. ihrem Umfang) und den Einschließungsmaßnahmen ab, die während der Tätigkeiten nach Maßgabe der vorläufigen Einstufung nach den Nummern 5 und 6 getroffen werden.

Gemäß Anhang III Nummer 7 Ziffern ii) und iii) sind die Merkmale der betreffenden Tätigkeit bei der endgültigen Einstufung und der Wahl der Einschließungs- und Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Art und Umfang der Tätigkeit sind bei der Beurteilung der Expositionswahrscheinlichkeit für den Menschen und die Umwelt heranzuziehen und beeinflussen auch die Wahl geeigneter Maßnahmen zum Risikomanagement.

Zu den Merkmalen der Tätigkeit, die bei der Risikobewertung gebührend berücksichtigt werden müssen, gehören die tatsächlich vorzunehmenden Tätigkeiten, die Arbeitsmethoden, der Umfang und die getroffenen Einschließungsmaßnahmen.

Bei der Bewertung ist die Frage der Abfall- und Abwasserentsorgung besonders zu beachten. Zum Schutz von Mensch und Umwelt sollten gegebenenfalls die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen angewendet werden.

3.4.1. Art der vorzunehmenden Tätigkeiten

Der Gefährdungsgrad und die Anwendung von Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der vom GVM ausgehenden Risiken auf ein annehmbares Maß hängen von der Art der vorzunehmenden Tätigkeiten ab, da diese für die Exposition des Menschen und der Umwelt und somit die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Schädigung bestimmend sind.

Die Art der Tätigkeiten entscheidet auch darüber, aus welcher Tabelle des Anhangs IV die Einschließungs- und Schutzmaßnahmen gewählt werden sollten.

In der Praxis ist bei Arbeiten im Labormaßstab, bei denen die Auswirkungen der Standardverfahren auf die Exposition gut bekannt sind, wohl keine detaillierte Risikobewertung jedes einzelnen Verfahrens erforderlich, es sei denn, es kommt ein überaus gefährlicher Organismus zum Einsatz. Bei nicht routinemäßigen Verfahren oder Verfahren mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf den Gefährdungsgrad, z. B. Verfahren, bei denen Aerosole erzeugt werden, kann jedoch eine eingehendere Prüfung erforderlich werden.

3.4.2. Konzentration und Umfang

Bei einer hochkonzentrierten Kultur kann das Risiko einer Exposition gegenüber dem GVM in hohen Konzentrationen gegeben sein, insbesondere bei nachgeschalteten Verarbeitungsschritten. Daher ist zu prüfen, wie sich die Konzentration auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines schädigenden Ereignisses auswirkt.

Ein weiterer, bei der Risikobewertung zu beachtender Faktor ist der Umfang, der sowohl in dem absoluten Volumen eines einzigen Arbeitsgangs als auch in der häufigen Wiederholung eines Vorgangs ausgedrückt sein kann, denn beides kann bei Versagen der Einschließungs- und Schutzmaßnahmen zu einer erhöhten Expositionswahrscheinlichkeit führen und somit die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer schädigenden Auswirkung beeinflussen.

Obwohl ein großer Umfang der Arbeiten nicht unbedingt mit einem hohen Risiko gleichzusetzen ist, kann ein größerer Umfang insofern zu einer erhöhten Expositionswahrscheinlichkeit führen, als sowohl Zahl der betroffenen Personen als auch Ausmaß der Exposition der Umwelt im Fall eines Versagens der Einschließung zunehmen.

Der Umfang hat auch einen Einfluss darauf, aus welcher Tabelle des Anhangs IV die Einschließungs- und Schutzmaßnahmen gewählt werden sollten.

3.4.3. Kultivierungsbedingungen

Bei vielen Anwendungen in geschlossenen Systemen werden zum Schutz der Arbeit streng einschliessende Kulturbedingungen angewendet. Jedoch beeinflussen Art und Konstruktion der Kulturgefäße oder anderer Ausrüstung für die Kultivierung auch den Grad der Gefährdung für Mensch und Umwelt. Die Verwendung hochentwickelter geschlossener Fermentationsgefäße kann die Exposition und damit das von einem GVM ausgehende Risiko erheblich senken. Die Prüfung der Zuverlässigkeit und der möglichen Ausfallquoten derartiger Gerätschaften ist vor allem dann von Bedeutung, wenn ein Ausfall zu einer hochgradigen Exposition gegenüber schädlichen GVM führen kann. Sind derartige Ausfälle vorauszusehen, können zusätzliche Einschließungsmaßnahmen erforderlich sein. Standardmäßige Arbeitsverfahren, die der Einzelne bei der Arbeit mit kultivierten GVM wie der Zentrifugation oder der Ultraschalldesintegration anwendet, beeinflussen maßgeblich die Wirksamkeit aller getroffenen Einschließungsmaßnahmen.

In Verbindung mit physischen Kultivierungsbedingungen, die als Einschließungsmaßnahmen wirken, können auch biologische und chemische Maßnahmen, die zum Schutz der Arbeit ergriffen werden, einen wichtigen Beitrag zu den erforderlichen Einschließungsmaßnahmen leisten. Als Beispiel einer biologischen Einschließung können auxotrophe Mutanten angeführt werden, die ohne die Zugabe bestimmter Wachstumsfaktoren nicht wachsen können. Chemische Einschließungsmaßnahmen sind z. B. Desinfektionslösungen in Abflusssystemen.

Nach Anhang III Nummer 7 Ziffer i) sind die Merkmale der Umwelt, die möglicherweise dem GVM ausgesetzt ist, und die Schwere der Auswirkung bei der Prüfung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens schädlicher Auswirkungen und ihrer Schwere zu berücksichtigen.

In Bezug auf die Umwelt gibt es eine Reihe von wichtigen Aspekten, wie Umfang und Art der Umweltexposition und die Frage, ob es in dem von der Exposition betroffenen Bereich Biota gibt, auf die sich der jeweilige GVM negativ auswirken kann.

Bei der Prüfung der Frage, inwieweit die Merkmale der aufnehmenden Umwelt einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer potentiell schädlichen Auswirkung und somit auch den Gefährdungsgrad und die Wahl der Überwachungsmaßnahmen haben, sind die nachstehenden Faktoren zu berücksichtigen.

3.4.3.1. Mögliche Umweltauswirkungen

In den meisten Fällen wird die möglicherweise dem GVM ausgesetzte Umwelt auf den Arbeitsplatz und die unmittelbare Umgebung der Anlage beschränkt sein, jedoch könnte es je nach den besonderen Merkmalen der Anwendung in geschlossenen Systemen und der Anlage nötig sein, auch die weitere Umgebung zu berücksichtigen. Das Ausmaß der Umweltexposition kann von der Art und dem Umfang der Tätigkeit abhängen, jedoch sollten auch alle möglichen Übertragungswege in die weitere Umgebung berücksichtigt werden. Dabei kann es sich um physikalische Übertragungswege (Abflussrohre, Wasserläufe, Abfallentsorgung, Luftbewegungen) und biologische Überträger (wie Fortbewegung von infizierten Tieren und Insekten) handeln.

3.4.3.2. Anwesenheit anfälliger Spezies

Die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintretens einer Schädigung hängt davon ab, ob anfällige Spezies - Mensch, Tier oder Pflanze - in der möglicherweise dem GVM ausgesetzten Umwelt vorhanden sind.

3.4.3.3. Überlebensfähigkeit des GVM in der Umwelt

Das Ausmaß in dem ein GVM in der Umwelt überleben und überdauern kann, ist ein wichtiger Faktor der Risikobewertung. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Schädigung ist erheblich geringer, wenn ein GVM in der Umgebung, in die er gelangen könnte, nicht überleben kann.

3.4.3.4. Auswirkungen auf die physikalische Umwelt

Neben den direkten schädlichen Auswirkungen eines GVM sind indirekte schädliche Auswirkungen durch eine bedeutende Veränderung der physikalisch-chemischen Eigenschaften und/oder des ökologischen Gleichgewichts der Umweltkomponenten Boden und/oder Wasser zu berücksichtigen.

4. VERFAHREN 2

4.1. Festlegung der endgültigen Einstufung und Einschließungsmaßnahmen

Wenn alle potentiell schädlichen Eigenschaften im Hinblick auf ihre Schwere und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens zusammen mit der Wirkung der aufgrund der vorläufigen Einstufung des Empfängers angeratenen Einschließungs- und Schutzmaßnahmen geprüft worden sind, können die endgültige Einstufung und die endgültigen Einschließungsmaßnahmen für den GVM festgelegt werden. Dazu ist die vorläufige Einstufung unter Zugrundelegung der vorgesehenen Tätigkeiten und der Merkmale der geplanten Tätigkeiten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Vergleich zwischen der vorläufigen Einstufung und den entsprechenden Einschließungsmaßnahmen mit der endgültigen Einstufung und den endgültigen Anforderungen an die Einschließung kann zu drei Ergebnissen führen:

- es gibt schädliche Auswirkungen, die bei der vorläufigen Einstufung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, sodass die anhand des Verfahrens 1 ermittelten vorläufigen Einschließungsmaßnahmen für sie nicht ausreichen. In diesem Fall wären zusätzliche Einschließungsmaßnahmen zu treffen und möglicherweise die Einstufung der Tätigkeit zu überprüfen;

- die vorläufige Einstufung war richtig, und die zugehörigen Einschließungsmaßnahmen sind geeignet, Schädigungen der menschlichen Gesundheit und Umwelt zu verhindern oder zu minimieren;

- die vorläufige Einstufung ist strenger, als es die Tätigkeit erfordert, sodass die Einstufung in eine niedrigere Klasse und die dazugehörigen Einschließungsmaßnahmen angezeigt sind.

4.2. Bestätigung der endgültigen Einschließungsmaßnahmen

Nach Festlegung der endgültigen Einstufung und Einschließungsbedingungen, ist der Grad der Exposition von Mensch und Umwelt erneut zu überprüfen (Verfahren 1). Diese Überprüfung sollte bestätigen, dass unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Arbeit sowie der geplanten Einschließungsbedingungen die Wahrscheinlichkeit eines Eintretens schädlicher Auswirkungen vertretbar gering ist. Danach ist die Risikobewertung abgeschlossen.

Für den Fall, dass eine erhebliche Änderung der Art oder des Umfangs der Arbeit oder neue wissenschaftliche und technische Erkenntnisse die Risikobewertung als nicht mehr angemessen erscheinen lassen, ist nach Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie die Risikobewertung unter Zugrundelegung dieser Änderungen zu überprüfen. Jede infolge der Überprüfung der Risikobewertung angezeigte Änderung der Einschließungsbedingungen ist sofort anzuwenden, um Mensch und Umwelt ausreichend zu schützen.

Die bei der Risikobewertung vorgenommene Einstufung und die für die angemessene Einschließung des jeweiligen GVM während der geplanten Tätigkeiten als notwendig erachteten Einschließungs- und Schutzmaßnahmen führen zu einer Einstufung der Anwendungen in geschlossenen Systemen in die Klassen 1-4. Die Einschließungs- und Schutzmaßnahmen für die einzelnen Klassen der Anwendung in geschlossenen Systemen sind im einzelnen in Anhang IV der Richtlinie angegeben.

Die Einstufung der Anwendungen des GVM in geschlossenen Systemen entscheidet über die administrativen Anforderungen.

Sollten hinsichtlich der endgültigen Einstufung und Einschließungsmaßnahmen Unsicherheiten bestehen, so ist Kontakt mit der zuständigen Behörde aufzunehmen.

(1) ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 1.