31986D0507

86/507/EWG: Entscheidung der Kommission vom 30. September 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.362 - Irish Banks' Standing Committee) (Nur der englische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 295 vom 18/10/1986 S. 0028 - 0030


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ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 30. September 1986

betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag

(IV/31.362 - Irish Banks' Standing Committee)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(86/507/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN

GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 (1) - erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrags -, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, insbesondere auf Artikel 2,

im Hinblick auf den von dem Irish Banks' Standing Committee im Namen seiner Mitglieder am 15. Oktober 1984 gestellten Antrag auf Erteilung eines Negativattests für mehrere untereinander geschlossene Vereinbarungen,

nach Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts dieses Antrags (2) gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

(1) Das Irish Banks' Standing Committee (IBSC) beantragte am 15. Oktober 1984 im Namen seiner Mitglieder für mehrere untereinander geschlossene Vereinbarungen die Erteilung eines Negativattestes.

(2) Der Antrag wurde vorsichtshalber gestellt; vorher hatten die Mitglieder bereits freiwillig mehrere zwischen ihnen bestehende Vereinbarungen über Gebührensätze für verschiedene Bankleistungen aufgehoben.

A. Die Vertragspartner

(3) Die Vertragspartner, die dieser Antrag angeht, sind die Mitglieder des IBSC, nämlich die Allied Irish Banks plc (Dublin, Irland), die Bank of Ireland (Dublin, Irland), die Northern Bank Ltd (Belfast, Vereinigtes Königreich) und die Ulster Bank Ltd (Belfast, Vereinigtes Königreich). Die beiden letzteren sind hundertprozentige Töchter der Midland Bank plc (London, Vereinigtes Königreich) bzw. der National Westminister Bank plc (London, Vereinigtes Königreich). Die vier Banken werden im allgemeinen die »Associated Banks" (die Verbundenen Banken) genannt.

(4) Das IBSC ist ein nicht eingetragener Mitgliederverband, dessen Tätigkeitsbereich weder in einer Satzung noch in einer Geschäftsordnung beschrieben wird. In der Praxis hat er zwei Hauptaufgaben: ein Forum für die Zusammenarbeit in technischen und betrieblichen Angelegenheiten zu schaffen sowie die Auffassungen seiner Mitglieder im Umgang mit Behörden und anderen einschlägigen repräsentativen Gruppen zu koordinieren und zu vertreten.

B. Der Markt

(5) In Irland gibt es drei Arten von Finanzinstituten:

1. Zugelassene Banken sind die von der Central Bank of Ireland zugelassenen und beaufsichtigten Banken. Diese lassen sich unterteilen in:

a) verbundene Banken: das sind die Vertragspartner, nämlich die vier Clearing-Banken und wichtigsten Geschäftsbanken,

und

b) die nicht verbundenen Banken, das sind die Merchant and Commercial Banks (Großhandelsbanken) und die Industrial Banks (Depositen- und Kreditbanken), von denen es insgesamt 33 gibt.

2. Staatliche und staatlich geförderte Banken, von denen es vier gibt.

3. Baugesellschaften, deren Kreditgeschäfte auf die Hypothekenfinanzierung für den Wohnungsbau in Irland beschränkt sind.

Ausserdem gibt es Ratenzahlungsgesellschaften und Kreditverbände.

(6) Der Anteil der verbundenen Banken an der gesamten nichtstaatlichen Kreditvergabe beläuft sich auf etwa 38 %. Ihr Anteil am gesamten nichtstaatlichen Depositenmarkt beträgt etwa 43 %.

C. Die Vereinbarungen

(7) Die Vereinbarungen, für die ein Negativattest beantragt wird, betreffen:

1. Öffnungszeiten der Banken

Die Öffnungszeiten der Verbundenen Banken werden seit 1965 von den Vertragspartnern und mit der Gewerkschaft der Bankangestellten förmlich vereinbart.

Gegenwärtig gelten folgende Öffnungszeiten:

Von Montag bis Freitag von 10 Uhr bis 12.30 Uhr und 13.30 Uhr bis 15 Uhr (und bis 17 Uhr an einem Wochentag von Montag bis einschließlich Donnerstag). Die von jedem Vertragspartner betriebenen Geldautomaten funktionieren allerdings für bestimmte zusätzliche Bankleistungen 18 bzw. 24 Stunden täglich.

2. Clearing-Vorschriften

Die Vertragspartner sind Mitglieder des Dublin Bankers' Clearing Committee, durch das sie - zusätzlich zum Clearing der Central Bank - Geschäfte verrechnen lassen. Die Central Bank ist selber Mitglied dieses Ausschusses, ebenso wie die Chase Bank of Ireland Ltd und die Trustee Savings Banks.

Die betreffende Vereinbarung enthält Bestimmungen, wonach Lastschriften und Gutschriften zu Lasten bzw. zugunsten von Mitgliedsbanken von letzteren unterinander verrechnet werden. Jedes Mitglied kann jedoch auch sein eigenes Clearingsystem für Verechnungen zu Lasten und zugunsten der eigenen Filialen oder anderer Banken benutzen, wenn ein solches Vorgehen wünschenswert erscheint. Ausserdem kann jedes Mitglied beantragen, daß die Regeln jederzeit überprüft werden, und es kann die Vereinbarung unter Einhaltung einer einmonatigen Frist schriftlich kündigen.

Die Vereinbarung enthält keine Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Komitee, die also grundsätzlich für alle möglich ist. Das von der Central Bank betriebene Clearing-System steht Nichtmitgliedern weiterhin zur Verfügung.

3. Abbuchungssystem

Die Vertragspartner wenden ein System an, bei dem ihre Kunden Beträge, die ihnen geschuldet werden, durch Abbuchung bei Bankkonten der Schuldner einziehen können. Dieses System wird in dem von den Vertragspartnern gemeinsam veröffentlichten »Originator's Guide" beschrieben, worin auch die von den Teilnehmern zu befolgenden Regeln genannt werden. Hierbei handelt es sich um Anforderungen der Vertragspartner für in Irland vorgenommene Abbuchungen.

D. Vorgeschichte des gegenwärtigen Antrags

(8) Im Jahr 1981 führten die Kommissionsdienststellen eine gemeinschaftsweite Untersuchung über die von Kreditinstituten in jedem Mitgliedstaat für verschiedene Bankleistungen erhobenen Gebühren durch. Dabei wurde festgestellt, daß in einigen Mitgliedstaaten, einschließlich Irland, zwischen den Unternehmen Vereinbarungen bzw. aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen bestanden, die einen Verstoß gegen die EWG-Wettbewerbsregeln darstellen könnten. Im Anschluß an die Untersuchung meldeten einige Bankenvereinigungen diese Vereinbarungen bei der Kommission an. Der gegenwärtige Antrag betrifft allerdings nur andere von den Vertragspartnern geschlossene Vereinbarungen, nicht die Gebührenvereinbarungen; das IBSC bestätigte nämlich, daß letztere, die zum Zeitpunkt der Untersuchung der Kommission bestanden, seither beendet wurden.

(9) Der ursprüngliche Antrag auf Erteilung eines Negativattests betraf auch eine Vereinbarung über gemeinsame Zinssätze für Darlehen und Einlagen und andere damals zwischen den Vertragspartnern geltende hiermit verbundene Vereinbarungen.

Diese Vereinbarungen wurden allerdings aufgehoben, nachdem die Vertragspartner und die Central Bank das Konzept gemeinsam vereinbarter Zinssätze revidiert hatten. Dieselbe Zinssatzstruktur ging aber in die neuen Zinssatzregelungen der Verbundenen Banken ein, die von der Central Bank nach Absprache mit den Verbundenen Banken eingeführt waren. Diese neuen Regelungen wurden am 31. Mai 1985 von der Central Bank in einer Presseerklärung dargelegt.

(10) Im Rahmen der gegenwärtigen Politik der Kommission in diesem Sektor ist es angebracht, die vorliegende Entscheidung auf Vereinbarungen über Bankleistungen zu beschränken und die Stellungnahme zu den Vereinbarungen über Zinssätze, einschließlich der Struktur solcher Zinssätze, zurückzustellen.

E. Bemerkungen Dritter

(11) Die Kommission hat keine Bemerkungen betroffener Dritter auf die Veröffentlichung der nach Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 erforderlichen Bekanntmachung erhalten.

II. RECHTLICHE BEURTEILUNG

A. Allgemeines

(12) Die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft im Banksektor wurde von der Kommission immer wieder bejaht und vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80 - Zuechner gegen Bayerische Vereinsbank (1) - bestätigt.

B. Artikel 85 Absatz 1

(13) Nach Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrags sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen von Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

a) Unternehmen

(14) Die Banken, die Vertragspartner der Übereinkommen sind, für die das Negativattest beantragt wurde, sind als Wirtschaftseinheiten mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung Unternehmen im Sinne des Artikels 85 des EWG-Vertrags.

b) Vereinbarungen

(15) Der Antrag auf ein Negativattest bezieht sich auf die in dem Antrag aufgeführten Vereinbarungen als Vereinbarungen zwischen den Parteien, in deren Namen der Antrag gestellt wurde. Als solche können die Vereinbarungen als zwischen den Unternehmen geschlossene Vereinbarungen im Sinne des Artikels 85 angesehen werden.

c) Wettbewerbsbeschränkung

(16) 1. Öffnungszeiten der Banken

Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die Zeit, in der den Kunden Bankleistungen angeboten werden, ein Aspekt des Wettbewerbs zwischen Unternehmen ist, die tatsächlich oder möglicherweise konkurrierende Leistungen erbringen.

Im Hinblick aber auf den Markt, auf dem die Vertragspartner der betreffenden Vereinbarung tätig sind, und angesichts der Tatsache, daß

(i) nur einige von den Vertragspartnern erbrachte Bankleistungen tatsächlich von dieser Vereinbarung betroffen sind, und

(ii) der Wettbewerb zwischen den Partnern bei diesen Leistungen ansonsten von der vorliegenden Vereinbarung nicht betroffen wird,

vertritt die Kommission die Auffassung, daß sich aus der Vereinbarung keine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs ergibt.

(17) 2. Clearing-Vorschriften und Abbuchungssystem

Die diesbezueglichen Vereinbarungen enthalten keine Vorschriften, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Sie haben insbesondere keine Auswirkungen auf den Wettbewerb, da der Beitritt allen offensteht.

(18) Aus diesen Gründen besteht anhand der der Kommission bekannten Tatsachen kein Anlaß für ein Einschreiten nach Artikel 85 Absatz 1. Die Kommission kann daher hinsichtlich dieser Vereinbarungen gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 ein Negativattest erteilen -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Nach den ihr bekannten Tatsachen besteht für die Kommission kein Anlaß, aufgrund von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gegen die Vereinbarungen über Banköffnungszeiten, Clearing-Vorschriften und das Abbuchungssystem, die zwischen den Verbundenen Banken in Irland angewandt werden, einzuschreiten.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist gerichtet an:

Allied Irish Banks plc,

Bankcentre,

Ballsbridge,

Dublin 4;

Bank of Ireland,

Lower Baggot Street,

Dublin 2;

Northern Bank Ltd,

Griffin House,

Wilton Terrace,

Dublin 2;

Ulster Bank Ltd,

College Green,

Dublin 2.

Brüssel, den 30. September 1986

Für die Kommission

Peter SUTHERLAND

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

(2) ABl. Nr. C 143 vom 10. 6. 1986, S. 4.

(1) EuGH 1981, S. 2021 ff.; insbesondere S. 2030.