Brüssel, den 10.9.2020

COM(2020) 568 final

2020/0259(COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über eine vorübergehende Ausnahme von bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verwendung von Technik durch Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zur Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten zwecks Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Ziele des Vorschlags

Die Richtlinie 2002/58/EG (im Folgenden „e-Datenschutz-Richtlinie“) 1 gewährleistet den Schutz der Privatsphäre, der Vertraulichkeit der Kommunikation und der personenbezogenen Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation. Durch diese Richtlinie werden die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden die „Charta“) in das Sekundärrecht der Union umgesetzt.

Mit dem Inkrafttreten des europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (im Folgenden der „Kodex“) 2 am 21. Dezember 2020 wird die Begriffsbestimmung für elektronische Kommunikationsdienste durch eine neue Begriffsbestimmung ersetzt, die nun auch nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste einschließt. Ab diesem Zeitpunkt werden diese Dienste daher unter die e-Datenschutz-Richtlinie fallen, die sich auf die im Kodex festgelegte Begriffsbestimmung stützt. Diese Änderung betrifft Kommunikationsdienste wie Webmail, Nachrichtenübermittlung (Messaging) und Internet-Telefonie.

Einige Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste setzen bereits spezielle Technik ein, um sexuellen Missbrauch von Kindern in ihren Diensten aufzudecken und an Strafverfolgungsbehörden und an Organisationen zu melden, die im öffentlichen Interesse gegen sexuellen Kindesmissbrauch vorgehen, und/oder um Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu entfernen. Bei diesen Organisationen, die sich in der EU und in Drittländern befinden, handelt es sich sowohl um nationale Hotlines für die Meldung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch als auch um Organisationen, die sich dafür einsetzen, die sexuelle Ausbeutung von Kindern zu verringern und die Viktimisierung von Kindern zu verhindern.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine besonders schwere Straftat, die weitreichende und schwerwiegende lebenslange Folgen für die Opfer hat. Diese Straftaten, die Kindern Leid zufügen, verursachen auch erheblichen und langfristigen sozialen Schaden. Die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist eine Priorität der EU. Am 24. Juli 2020 nahm die Europäische Kommission eine EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern 3 an, um auf EU-Ebene wirksam gegen das Verbrechen des sexuellen Kindesmissbrauchs vorzugehen. Die Kommission kündigte an, dass sie die erforderlichen Rechtsvorschriften vorschlagen werde, um wirksam gegen sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet vorgehen zu können. Hierzu wird sie unter anderem die betreffenden Anbieter von Online-Diensten ab dem 2. Quartal 2021 dazu verpflichten, bekanntes Material über sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken und den Behörden zu melden. Die angekündigten Rechtsvorschriften sollen künftig diese Verordnung ersetzen und verbindliche Maßnahmen zur Aufdeckung und Meldung von sexuellem Missbrauch von Kindern einführen, um mehr Klarheit und Sicherheit für die Arbeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der einschlägigen Akteure des Privatsektors bei der Bekämpfung von Missbrauch im Internet zu schaffen und gleichzeitig die Grundrechte der Nutzer, insbesondere das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung und auf den Schutz der personenbezogenen Daten und der Privatsphäre zu gewährleisten und Mechanismen zur Gewährleistung von Rechenschaftspflicht und Transparenz zu schaffen.

Die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste müssen die in der e-Datenschutz-Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit der Kommunikation und die Bedingungen für die Verarbeitung von Kommunikationsdaten einhalten. Die derzeit von einigen nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten eingesetzten Verfahren zur Aufdeckung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet stehen möglicherweise nicht im Einklang mit bestimmten Vorschriften der e-Datenschutz-Richtlinie. Die e-Datenschutz-Richtlinie bietet keine explizite Rechtsgrundlage für die freiwillige Verarbeitung von Inhalts- oder Verkehrsdaten zum Zwecke der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet. Daher werden Anbieter solche Verfahren bei Diensten, die in den Anwendungsbereich der e-Datenschutz-Richtlinie fallen, nur dann weiter anwenden können, wenn die Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen, die aus den in Artikel 15 dieser Richtlinie genannten Gründen gerechtfertigt sind und die Anforderungen dieses Artikels erfüllen. Ohne solche nationalen Rechtsvorschriften hätten Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste bis zur Annahme der langfristigen Rechtsvorschriften, die in der Strategie der Kommission vom 24. Juli 2020 angekündigt wurden, künftig keine Rechtsgrundlage mehr für die weitere Aufdeckung sexuellen Missbrauchs von Kindern in ihren Diensten. Diese freiwilligen Maßnahmen leisten jedoch einen wertvollen Beitrag zur Identifizierung und Rettung von Opfern und zu einer geringeren Weiterverbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch, ebenso wie zur Identifizierung von Straftätern und zu entsprechenden Ermittlungen sowie zur Verhinderung von Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch.

Die Kommission ist der Ansicht, dass sofortige Maßnahmen erforderlich sind. Dieser Vorschlag enthält daher eine eng abgesteckte und gezielt ausgerichtete rechtliche Zwischenlösung, deren alleiniger Zweck es ist, eine befristete und streng begrenzte Ausnahme von der Anwendbarkeit von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der e-Datenschutz-Richtlinie, in denen der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Verkehrsdaten geregelt ist, zu schaffen. Dieser Vorschlag steht im Einklang mit den Grundrechten, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre und des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten, und ermöglicht gleichzeitig den Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste, bis zur Annahme der angekündigten langfristigen Rechtsvorschriften weiter bestimmte Technik einzusetzen und ihre derzeitigen Tätigkeiten in dem Umfang fortzusetzen, der erforderlich ist, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten zu entfernen. Freiwillige Bemühungen zur Aufdeckung der Kontaktaufnahme mit Kindern für sexuelle Zwecke („Grooming“) müssen ebenfalls auf den Einsatz bestehender Technik, die dem Stand der Technik und den festgelegten Schutzvorkehrungen entspricht, beschränkt bleiben. Die Geltungsdauer dieser Verordnung sollte im Dezember 2025 enden. Sofern die angekündigten langfristigen Rechtsvorschriften vor diesem Datum erlassen werden und in Kraft treten, sollte die vorliegende Verordnung durch diese neuen Rechtsvorschriften aufgehoben werden.

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage sind Artikel 16 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Da diese Verordnung eine befristete Ausnahme von bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2002/58/EG vorsieht, die auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erlassen wurde, ist es angezeigt, die vorliegende Verordnung auf der Grundlage der entsprechenden Bestimmung des Artikels 114 AEUV zu erlassen. Zudem haben nicht alle Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften nach Artikel 15 Absatz 1 der e-Datenschutz-Richtlinie in Bezug auf den Einsatz von Technik durch nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet erlassen, und die Annahme solcher Maßnahmen birgt ein erhebliches Risiko einer Fragmentierung, die sich negativ auf den Binnenmarkt auswirken dürfte. Daher ist es angezeigt, diese Verordnung auf der Grundlage von Artikel 114 AEUV zu erlassen.

Artikel 16 AEUV bildet eine besondere Rechtsgrundlage für den Erlass von Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr. Da elektronische Kommunikationsvorgänge, an denen natürliche Personen beteiligt sind, normalerweise als personenbezogene Daten einzustufen sind, sollte diese Verordnung auch auf Artikel 16 AEUV gestützt werden.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Nach dem Subsidiaritätsprinzip dürfen EU-Maßnahmen nur getroffen werden, wenn die angestrebten Ziele von den Mitgliedstaaten nicht allein erreicht werden können. Ein Tätigwerden der EU ist erforderlich, damit die Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste weiterhin in der Lage sind, sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet auf freiwilliger Basis aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu entfernen, und damit es für die betreffenden Tätigkeiten einen einheitlichen und kohärenten Rechtsrahmen im gesamten Binnenmarkt gibt. Würde die EU hier nicht tätig, bestünde die Gefahr einer Fragmentierung, wenn die Mitgliedstaaten unterschiedliche nationale Rechtsvorschriften erlassen. Außerdem könnten solche nationalen Lösungen höchstwahrscheinlich nicht rechtzeitig bis zum 21. Dezember 2020 in allen Mitgliedstaaten angenommen werden. Ferner kann eine unionsweite Ausnahme von der Anwendung der Bestimmungen der e-Datenschutz-Richtlinie in Bezug auf bestimmte Verarbeitungstätigkeiten nur durch Rechtsvorschriften der Union geschaffen werden. Folglich kann das Ziel nicht von einem Mitgliedstaat allein und auch nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten gemeinsam erreicht werden.

Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag entspricht dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da er nicht über das zur Erreichung der festgelegten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Durch den Vorschlag wird eine gezielte und befristete Ausnahmeregelung für bestimmte Aspekte von Änderungen des derzeitigen Rahmens eingeführt, damit bestimmte Maßnahmen weiterhin zulässig sind, soweit sie derzeit mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Insbesondere wird durch diesen Vorschlag eine befristete und streng begrenzte Ausnahme von der Anwendbarkeit von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der e-Datenschutz-Richtlinie geschaffen, die allein dazu dient, es Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zu ermöglichen, bis zur Annahme der angekündigten langfristigen Rechtsvorschriften weiter bestimmte Technik einzusetzen und ihre derzeitigen Tätigkeiten in dem Umfang fortzusetzen, der erforderlich ist, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten zu entfernen. Diese Ausnahme von dem geänderten Anwendungsbereich der e-Datenschutz-Richtlinie muss eng ausgelegt werden, insbesondere da alle anderen Tätigkeiten nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste weiterhin der e-Datenschutz-Richtlinie unterliegen werden. Der Vorschlag enthält daher Vorkehrungen, durch die gewährleistet werden soll, dass Technik, die unter die Ausnahmeregelung fällt, den Standards der derzeit angewandten bewährten Verfahren entspricht, wodurch sowohl der Eingriff in die Vertraulichkeit der Kommunikation als auch das Umgehungsrisiko begrenzt werden. Die Ausnahmeregelung gilt nur für Technik, die von nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten schon vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung regelmäßig zum Zwecke der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und zur Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch eingesetzt worden ist, und stellt sicher, dass Technik verwendet wird, die nach dem Stand der Technik in der Branche am wenigsten in die Privatsphäre eingreift. Die Diensteanbieter sollten zudem Jahresberichte über die von ihnen vorgenommenen Verarbeitungstätigkeiten veröffentlichen. Die Dauer der Ausnahmeregelung wird auf einen Zeitraum begrenzt, der für die Annahme langfristiger Rechtsvorschriften unbedingt erforderlich ist.

Wahl des Instruments

Die Ziele des vorliegenden Vorschlags lassen sich am besten durch eine Verordnung erreichen. Dies wird die unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen und einen einheitlichen und kohärenten Ansatz im gesamten Binnenmarkt gewährleisten. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Maßnahmen der Unternehmen zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet jeweils einheitlich in ihrem gesamten Dienst angewandt werden; voneinander abweichende nationale Umsetzungsmaßnahmen könnten abschreckend wirken, wenn es darum geht, das freiwillige Engagement fortzusetzen. Darüber hinaus scheint es nur mit einer Verordnung möglich zu sein, den angestrebten Zeitpunkt des Inkrafttretens am 21. Dezember einzuhalten.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften

Entfällt.

Konsultation der Interessenträger

Entfällt.

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Entfällt.

Folgenabschätzung

Angesichts des politischen Ziels und des drängenden Charakters der Problematik stehen keine wesentlich anderen Politikoptionen zur Auswahl und somit auch keine geeignete Folgenabschätzung. Insbesondere soll mit der Maßnahme eine vorübergehende und streng begrenzte Ausnahme von der Anwendbarkeit der Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der e-Datenschutz-Richtlinie eingeführt werden, damit nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste nach dem 20. Dezember 2020 bis zur Annahme langfristiger Rechtsvorschriften weiter auf freiwilliger Basis bestimmte Technik zur Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet einsetzen und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten entfernen können. Die langfristigen Rechtsvorschriften werden, wie in der EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern angekündigt, im zweiten Quartal 2021 vorgeschlagen werden und von einer Folgenabschätzung begleitet sein.

Grundrechte

Mit diesem Vorschlag wird den mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechten und Grundsätzen uneingeschränkt Rechnung getragen. Insbesondere wird bei den vorgeschlagenen Maßnahmen Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union berücksichtigt, der das Grundrecht aller Menschen auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Kommunikation schützt, was die Vertraulichkeit der Kommunikation einschließt. Ferner berücksichtigt der Vorschlag Artikel 24 Absatz 2 der Charta, der bestimmt, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. Insofern die Verarbeitung elektronischer Kommunikation durch nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste ausschließlich dem Zweck der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und der Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch dient, fällt sie zudem in den Anwendungsbereich der mit diesem Vorschlag geschaffenen Ausnahme, sodass die Datenschutz-Grundverordnung, mit der Artikel 8 Absatz 1 der Charta in Sekundärrecht umgesetzt wird, weiterhin auf diese Verarbeitungstätigkeiten Anwendung findet.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Dieser Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt.

5.WEITERE ANGABEN

Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten

Entfällt.

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

In Artikel 1 wird das Ziel des Vorschlags festgelegt, das darin besteht, eine befristete und streng begrenzte Ausnahme von bestimmten in der Richtlinie 2002/58/EG vorgesehenen Verpflichtungen zu schaffen, die allein dazu dient, es Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zu ermöglichen, den Einsatz bestimmter Technik zur Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten in dem Umfang fortzusetzen, der erforderlich ist, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten zu entfernen.

In Artikel 2 wird auf die Begriffsbestimmung für nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste in der Richtlinie (EU) 2018/1972 (Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation) und auf bestimmte Begriffsbestimmungen in der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates verwiesen.

In Artikel 3 wird der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung festgelegt, mit der eine begrenzte Ausnahme von den Verpflichtungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der e-Datenschutz-Richtlinie für die Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten im Zusammenhang mit der Bereitstellung nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste geschaffen wird, und zwar unter der Voraussetzung, dass diese Verarbeitung für den Einsatz von Technik – einschließlich nötigenfalls auch menschlicher Überprüfungsschritte in direktem Zusammenhang damit – unbedingt erforderlich ist und dem alleinigen Zweck der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet an Strafverfolgungsbehörden und Organisationen, die im öffentlichen Interesse gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorgehen, und der Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch dient; ferner wird eine Liste von Bedingungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung festgelegt.

In Artikel 4 wird neben den Zeitpunkten für Inkrafttreten und Geltungsbeginn der Verordnung festgelegt, wann bzw. unter welchen Bedingungen die Verordnung keine Anwendung mehr finden soll.

2020/0259 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über eine vorübergehende Ausnahme von bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verwendung von Technik durch Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zur Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten zwecks Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 16 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 114 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 4 ,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 5 enthält Vorschriften zur Gewährleistung des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit bei der Verarbeitung personenbezogener Daten beim Datenaustausch im Bereich der elektronischen Kommunikation. Die Richtlinie präzisiert und ergänzt die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates 6 .

(2)Die Richtlinie 2002/58/EG gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste. Die Begriffsbestimmung für den Ausdruck „elektronischer Kommunikationsdienst“ befindet sich derzeit in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 7 . Durch die Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und Rates 8 wird die Richtlinie 2002/21/EG mit Wirkung vom 21. Dezember 2020 aufgehoben. Ab diesem Zeitpunkt wird die Begriffsbestimmung für elektronische Kommunikationsdienste durch eine neue Begriffsbestimmung in Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 ersetzt, die auch nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste im Sinne des Artikel 2 Nummer 7 der letztgenannten Richtlinie erfasst. Diese Dienste, zu denen beispielsweise auch die Internet-Sprachtelefonie (VoIP), die Nachrichtenübermittlung (Messaging) und webgestützte E-Mail-Dienste gehören, werden daher ab dem 21. Dezember 2020 in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/58/EG fallen.

(3)Nach Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt sind. Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden die „Charta“) schützt das Grundrecht aller Menschen auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Kommunikation, was auch die Vertraulichkeit der Kommunikation einschließt. In Artikel 8 der Charta ist das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten niedergelegt. Nach Artikel 24 Absatz 2 der Charta muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

(4)Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern stellen schwere Verletzungen der Menschenrechte dar, insbesondere der Rechte der Kinder auf Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung, einschließlich des sexuellen Missbrauchs, wie im Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes und in der Charta verankert. Die Digitalisierung hat viele Vorteile für die Gesellschaft und die Wirtschaft mit sich gebracht, sie geht aber auch mit Problemen einher wie der Zunahme des sexuellen Missbrauchs von Kindern mithilfe des Internets. Der Schutz der Kinder im Internet ist eine der Prioritäten der Union. Am 24. Juli 2020 nahm die Kommission eine EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern 9 (im Folgenden die „Strategie“) an, um auf Unionsebene wirksam gegen das Verbrechen des sexuellen Kindesmissbrauchs vorzugehen.

(5)Einige Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste – wie Webmail und Messaging – setzen bereits freiwillig besondere Technik ein, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und an Strafverfolgungsbehörden und an Organisationen zu melden, die im öffentlichen Interesse gegen sexuellen Kindesmissbrauch vorgehen, oder um Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu entfernen. Bei solchen Organisationen, die sich sowohl innerhalb der Union als auch in Drittländern befinden können, handelt es sich um nationale Hotlines zur Meldung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch sowie um Organisationen, deren Ziel es ist, die sexuelle Ausbeutung von Kindern zu verringern und der Viktimisierung von Kindern vorzubeugen. Diese freiwilligen Tätigkeiten leisten in ihrer Gesamtheit einen wertvollen Beitrag zur Erkennung und Rettung von Opfern und zu einer geringeren Weiterverbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch, ebenso wie zur Identifizierung und Ermittlung von Straftätern und zur Verhinderung von Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs.

(6)Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste für deren freiwillige Maßnahmen zur Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und zur Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch unterliegt bis zum 20. Dezember 2020 der Verordnung (EU) 2016/679.

(7)Die Richtlinie 2002/58/EG enthält keine besonderen Bestimmungen über die Verarbeitung personenbezogener und sonstiger Daten im Zusammenhang mit der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste zum Zwecke der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und der Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch. Gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2002/58/EG können die Mitgliedstaaten aber Rechtsvorschriften zur Beschränkung der unter anderem in den Artikeln 5 und 6 der Richtlinie vorgesehenen Rechte und Pflichten, die die Vertraulichkeit der Kommunikation und der Verkehrsdaten betreffen, erlassen, wenn dies der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch dient. Ohne solche Rechtsvorschriften gäbe es bis zur Annahme eines neuen langfristigen Rechtsrahmens für die wirksame Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs auf Unionsebene, der in der Strategie angekündigt wurde, für die Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste ab dem 21. Dezember 2020 keine Rechtsgrundlage mehr, um in ihren Diensten weiterhin sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu entfernen.

(8)Diese Verordnung sieht deshalb eine vorübergehende Ausnahme von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der Richtlinie 2002/58/EG vor, die die Vertraulichkeit der Kommunikation und der Verkehrsdaten schützen. Da die Richtlinie 2002/58/EG auf der Grundlage des Artikels 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erlassen wurde, ist es angezeigt, diese Verordnung auf dieselbe Rechtsgrundlage zu stützen. Darüber hinaus haben nicht alle Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene Rechtsvorschriften gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2002/58/EG erlassen, um die in den genannten Bestimmungen vorgesehenen Rechte und Pflichten zu beschränken, und der Erlass solcher Rechtsvorschriften birgt ein erhebliches Risiko der Fragmentierung, die sich nachteilig auf den Binnenmarkt auswirken könnte.

(9)Da elektronische Kommunikationsvorgänge, an denen natürliche Personen beteiligt sind, normalerweise als personenbezogene Daten einzustufen sind, sollte diese Verordnung auch auf Artikel 16 AEUV gestützt werden, der eine besondere Rechtsgrundlage für den Erlass von Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe der Union und die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr bildet.

(10)Soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste durch nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste allein dem Zweck dient, sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu entfernen, und unter die in der vorliegenden Verordnung vorgesehene Ausnahme fällt, gilt für diese Verarbeitung die Verordnung (EU) 2016/679, einschließlich der Anforderung, vor Einführung der betreffenden Technik gegebenenfalls eine Folgenabschätzung für die beabsichtigten Verarbeitungsvorgänge gemäß Artikel 35 der letztgenannten Verordnung vorzunehmen.

(11)Angesichts dessen, dass das alleinige Ziel dieser Verordnung darin besteht, die Fortführung bestimmter bestehender Tätigkeiten zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet zu ermöglichen, sollte die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahme auf bewährte Technik beschränkt werden, die von nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten zum Zwecke der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und der Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch bereits vor Inkrafttreten dieser Verordnung regelmäßig verwendet worden ist. Der Verweis auf die Technik schließt erforderlichenfalls auch eine menschliche Überprüfung ein, die sich unmittelbar auf die Verwendung und Beaufsichtigung der Technik bezieht. Die Verwendung der betreffenden Technik sollte daher in der Branche üblich sein, ohne dass unbedingt vorausgesetzt werden sollte, dass die Technik von allen Anbietern eingesetzt wird, und ohne eine datenschutzfreundliche Weiterentwicklung der Technik auszuschließen. Diesbezüglich sollte es unerheblich sein, ob ein bestimmter Anbieter, der sich auf diese Ausnahme berufen möchte, diese Technik bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung selbst anwendet. Die verwendete Technik sollte nach dem Stand der Technik in der Branche am wenigsten in die Privatsphäre eingreifen und Kommunikationsinhalte, die Text enthalten, nicht systematisch, sondern nur bei Vorliegen konkreter Verdachtspunkte auf sexuellen Kindesmissbrauch filtern und durchsuchen.

(12)Um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit so weit wie möglich zu gewährleisten, sollte die verwendete Technik dem Stand der Technik in der Branche entsprechen und so beschaffen sein, dass die Fehlerquote falsch positiver Ergebnisse so gering wie möglich ist und erforderlichenfalls etwaige Fehler, die dennoch auftreten können, unverzüglich berichtigt werden.

(13)Die personenbezogenen und anderen Daten, die bei der Durchführung der unter die Ausnahme dieser Verordnung fallenden Tätigkeiten verwendet werden, sowie der Zeitraum, in dem die Daten bei positiven Ergebnissen anschließend aufbewahrt werden, sollten so gering wie möglich gehalten werden, damit die Inanspruchnahme der Ausnahme auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt bleibt.

(14)Zur Gewährleistung der Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die im Rahmen der Ausnahme durchgeführten Tätigkeiten sollten die Anbieter jährlich einen Bericht über die von dieser Verordnung erfasste Datenverarbeitung veröffentlichen, in dem sie auf die Art und Menge der verarbeiteten Daten, die Zahl der aufgedeckten Fälle, Maßnahmen zur Auswahl und Verbesserung der Schlüsselindikatoren, Anzahl und Anteil der mit verschiedener eingesetzter Technik aufgetretenen Fehler (falsche positive Ergebnisse), Maßnahmen zur Begrenzung der Fehlerquote, die erreichte Fehlerquote, die Aufbewahrungsregeln und die angewandten Datenschutzvorkehrungen eingehen.

(15)Diese Verordnung sollte am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten, damit sie ab dem 21. Dezember 2020 angewandt werden kann.

(16)Diese Verordnung beschränkt das Recht auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und weicht insofern von der in der Richtlinie (EU) 2018/1972 gemachten Vorgabe ab, dass für nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre dieselben Vorschriften gelten sollen wie für alle anderen elektronischen Kommunikationsdienste. Die Geltungsdauer dieser Verordnung sollte daher auf den 31. Dezember 2025 befristet werden, d. h. auf einen Zeitraum, der vernünftigerweise für die Annahme eines neuen langfristigen Rechtsrahmens mit detaillierteren Schutzvorkehrungen erforderlich sein dürfte. Sollten die langfristigen Rechtsvorschriften vor diesem Tag angenommen werden und in Kraft treten, so sollte diese Verordnung aufgehoben werden.

(17)In Bezug auf alle anderen Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/58/EG fallen, sollten Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste den in letztgenannter Richtlinie festgelegten besonderen Verpflichtungen unterliegen.

(18)Ziel dieser Verordnung ist die Festlegung einer vorübergehenden Ausnahme von bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2002/58/EG, die zu keiner Fragmentierung des Binnenmarktes führen soll. Darüber hinaus würden nationale Rechtsvorschriften höchstwahrscheinlich nicht in allen Mitgliedstaaten rechtzeitig erlassen werden. Da dieses Ziel von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Sie sieht lediglich die Einführung einer vorübergehenden und streng begrenzten Ausnahme von der Anwendbarkeit des Artikels 5 Absatz 1 und des Artikels 6 der Richtlinie 2002/58/EG mit einer Reihe von Schutzvorkehrungen vor, die gewährleisten, dass sie nicht über das für die Erreichung der festgelegten Ziele unbedingt erforderliche Maß hinausgeht.

(19)Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates 10 angehört und gab am […] seine Stellungnahme ab —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1
Gegenstand

Diese Verordnung enthält vorübergehende und streng begrenzte Vorschriften, die von bestimmten in der Richtlinie 2002/58/EG festgelegten Verpflichtungen abweichen und das Ziel haben, den Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zu ermöglichen, Technik für die Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten weiterhin zu verwenden, soweit dies erforderlich ist, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken und zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten zu entfernen.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.„nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienst“ einen Dienst im Sinne des Artikels 2 Absatz 7 der Richtlinie (EU) 2018/1972;

2.„sexueller Missbrauch von Kindern im Internet“:

a)Material, das Kinderpornografie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe c der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates darstellt;

b)Kontaktaufnahme mit Kindern zum Zwecke der Vornahme sexueller Handlungen an einem Kind oder der Herstellung von Kinderpornografie durch eine der folgenden Handlungen:

i)Anlocken des Kindes durch das Anbieten von Geschenken oder anderen Vorteilen;

ii)Bedrohen des Kindes mit nachteiligen Folgen, die sich beträchtlich auf das Kind auswirken können;

iii)Konfrontation des Kindes mit pornografischem Material oder Zugänglichmachung solchen Materials für das Kind.

c)„pornografische Darbietung“ im Sinne des Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie 2011/93/EU.

Artikel 3
Anwendungsbereich der Ausnahme

Die besonderen Verpflichtungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der Richtlinie 2002/58/EG gelten nicht für die Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten im Zusammenhang mit der Bereitstellung nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste, wenn die Verarbeitung unbedingt erforderlich ist, damit Technik zum alleinigen Zweck der Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch und der Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet an Strafverfolgungsbehörden und an Organisationen, die im öffentlichen Interesse gegen sexuellen Kindesmissbrauch vorgehen, verwendet werden kann, sofern

a)die Verarbeitung verhältnismäßig ist und auf bewährte Technik beschränkt bleibt, die von Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zu diesem Zweck bereits vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung regelmäßig verwendet worden ist, dem Stand der Technik in der Branche entspricht und am wenigsten in die Privatsphäre eingreift;

b)die verwendete Technik an sich hinreichend zuverlässig ist, da sie die Fehlerquote bei der Erkennung von Inhalten, die sexuellen Missbrauch von Kindern darstellen, weitestmöglich begrenzt, und bei gelegentlich auftretenden Fehlern deren Folgen unverzüglich berichtigt;

c)die zur Aufdeckung von Kontaktaufnahmen zu Kindern verwendete Technik auf die Verwendung geeigneter Indikatoren wie Schlüsselwörter und objektiv ermittelte Risikofaktoren wie Altersunterschiede beschränkt ist und das Recht auf Überprüfung durch einen Menschen wahrt;

d)die Verarbeitung auf das für die Aufdeckung und Meldung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und die Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch unbedingt erforderliche Maß beschränkt ist und erfasste Daten unverzüglich gelöscht werden, es sei denn, ein sexueller Missbrauch von Kindern im Internet wurde festgestellt und bestätigt;

e)der Anbieter jährlich einen Bericht über seine Datenverarbeitung veröffentlicht, in dem er auf die Art und Menge der verarbeiteten Daten, die Zahl der aufgedeckten Fälle, Maßnahmen zur Auswahl und Verbesserung der Schlüsselindikatoren, Anzahl und Anteil der mit verschiedener verwendeter Technik aufgetretenen Fehler (falsche positive Ergebnisse), Maßnahmen zur Begrenzung der Fehlerquote, die erreichte Fehlerquote, die Aufbewahrungsregeln und die angewandten Datenschutzvorkehrungen eingeht.

In Bezug auf Buchstabe d dürfen erfasste Daten, wenn ein sexueller Missbrauch von Kindern im Internet festgestellt und als solcher bestätigt wurde, nur zu den folgenden Zwecken und nur für den erforderlichen Zeitraum aufbewahrt werden:

zur Berichterstattung und zur Beantwortung verhältnismäßiger Anfragen von Strafverfolgungsbehörden und anderen einschlägigen Behörden;

zur Sperrung des betreffenden Benutzerkontos;

in Bezug auf Daten, die zuverlässig als Kinderpornografie identifiziert wurden, zur Erstellung einer eindeutigen, unumkehrbaren digitalen Signatur (Hashwert).

Artikel 4
Inkrafttreten und Geltung

Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt vom 21. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2025.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments    Im Namen des Rates

Der Präsident    Der Präsident

(1)    Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
(2)    Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36).
(3)    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, 24.7.2020, COM(2020) 607 final.
(4)    ABl. C … vom …, S. ….
(5)    Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
(6)    Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(7)    Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33).
(8)    Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36).
(9)    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, 24.7.2020, COM(2020) 607 final.
(10)    Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).