11.5.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 134/4


VERORDNUNG (EU) 2022/720 DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2022

über die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (1), insbesondere auf Artikel 1,

nach Veröffentlichung des Entwurfs dieser Verordnung (2),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach der Verordnung Nr. 19/65/EWG ist die Kommission ermächtigt, Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „AEUV“) durch Verordnung auf bestimmte Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und entsprechenden abgestimmten Verhaltensweisen anzuwenden, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen.

(2)

In der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission (3) ist eine Gruppe von vertikalen Vereinbarungen beschrieben, bei der die Kommission davon ausging, dass die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV in der Regel erfüllt waren. Die Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 330/2010, deren Geltungsdauer am 31. Mai 2022 endet, waren, wie in der Evaluierung der Verordnung festgestellt, insgesamt positiv. In Anbetracht dieser Erfahrungen sowie neuer Marktentwicklungen wie des stark wachsenden elektronischen Handels und neuer oder an Bedeutung gewinnender Arten vertikaler Vereinbarungen ist es angezeigt, eine neue Gruppenfreistellungsverordnung zu erlassen.

(3)

Die Gruppe von Vereinbarungen, die in der Regel die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, umfasst vertikale Vereinbarungen über den Bezug oder Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, die zwischen nicht miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, zwischen bestimmten Wettbewerbern oder von bestimmten Vereinigungen des Wareneinzelhandels geschlossen werden. Diese Gruppe umfasst ferner vertikale Vereinbarungen, die Nebenabreden über die Übertragung oder Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums enthalten. Der Begriff „vertikale Vereinbarungen“ sollte so verstanden werden, dass er auch entsprechende abgestimmte Verhaltensweisen einschließt.

(4)

Für die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV durch Verordnung ist es nicht erforderlich, die vertikalen Vereinbarungen zu definieren, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen können. Bei der Prüfung einzelner Vereinbarungen nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV sind mehrere Faktoren, insbesondere die Marktstruktur auf der Angebots- und Nachfrageseite, zu berücksichtigen.

(5)

Die durch diese Verordnung bewirkte Gruppenfreistellung sollte nur vertikalen Vereinbarungen zugutekommen, bei denen mit hinreichender Sicherheit anzunehmen ist, dass sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen.

(6)

Bestimmte Arten von vertikalen Vereinbarungen können die wirtschaftliche Effizienz innerhalb einer Produktions- oder Vertriebskette erhöhen, indem sie eine bessere Koordinierung zwischen den beteiligten Unternehmen ermöglichen. Insbesondere können sie dazu beitragen, die Transaktions- und Vertriebskosten der beteiligten Unternehmen zu verringern und deren Verkäufe und Investitionen zu optimieren.

(7)

Die Wahrscheinlichkeit, dass derartige effizienzsteigernde Auswirkungen stärker ins Gewicht fallen als etwaige von Beschränkungen in vertikalen Vereinbarungen ausgehende wettbewerbswidrige Auswirkungen, hängt von der Marktmacht der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen ab und insbesondere von dem Maß, in dem diese Unternehmen dem Wettbewerb anderer Anbieter von Waren oder Dienstleistungen ausgesetzt sind, die von ihren Kunden aufgrund der Eigenschaften, der Preise und des Verwendungszwecks der Produkte als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.

(8)

Solange der auf jedes an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen entfallende Anteil am relevanten Markt 30 % nicht übersteigt, kann davon ausgegangen werden, dass vertikale Vereinbarungen, die nicht bestimmte Arten schwerwiegender Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher an dem daraus entstehenden Gewinn führen.

(9)

Oberhalb dieser Marktanteilsschwelle von 30 % kann nicht davon ausgegangen werden, dass vertikale Vereinbarungen, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, stets objektive Vorteile mit sich bringen, die in Art und Umfang ausreichen, um die Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen. Es kann allerdings auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese vertikalen Vereinbarungen entweder unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen oder die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllen.

(10)

Die Online-Plattformwirtschaft spielt eine immer wichtigere Rolle im Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. In der Online-Plattformwirtschaft tätige Unternehmen ermöglichen neue Geschäftsmodelle, die anhand der mit vertikalen Beziehungen in der traditionellen Wirtschaft verbundenen Konzepte nicht immer einfach zu kategorisieren sind. Insbesondere Online-Vermittlungsdienste ermöglichen es Unternehmen, anderen Unternehmen oder Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und Endverbrauchern vermitteln. Vereinbarungen über die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten sind vertikale Vereinbarungen und sollten daher unter die Gruppenfreistellung auf der Grundlage dieser Verordnung fallen können, sofern die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

(11)

Die in der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) verwendete Begriffsbestimmung von Online-Vermittlungsdiensten sollte für die Zwecke dieser Verordnung angepasst werden. Insbesondere um dem Anwendungsbereich des Artikels 101 AEUV Rechnung zu tragen, sollte sich die in dieser Verordnung verwendete Begriffsbestimmung auf Unternehmen beziehen. Sie sollte sowohl Online-Vermittlungsdienste umfassen, die die Einleitung direkter Transaktionen zwischen Unternehmen vermitteln, als auch Online-Vermittlungsdienste, die die Einleitung direkter Transaktionen zwischen Unternehmen und Endverbrauchern vermitteln.

(12)

Im Falle des zweigleisigen Vertriebs verkauft ein Anbieter Waren oder Dienstleistungen nicht nur auf der vorgelagerten, sondern auch auf der nachgelagerten Stufe und steht somit mit seinen unabhängigen Händlern im Wettbewerb. Falls keine Kernbeschränkungen vorliegen und der Abnehmer nicht auf der vorgelagerten Stufe mit dem Anbieter im Wettbewerb steht, sind bei diesem Szenario die potenziellen negativen Auswirkungen der vertikalen Vereinbarung auf die Wettbewerbsbeziehungen zwischen dem Anbieter und dem Abnehmer auf der nachgelagerten Stufe weniger bedeutend als die potenziellen positiven Auswirkungen der vertikalen Vereinbarung auf den Wettbewerb im Allgemeinen auf der vor- oder der nachgelagerten Stufe. Daher sollten vertikale Vereinbarungen, die in solchen Szenarios des zweigleisigen Vertriebs geschlossen werden, durch diese Verordnung freigestellt werden.

(13)

Der Informationsaustausch zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer kann zu den wettbewerbsfördernden Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen beitragen, insbesondere zur Optimierung der Produktions- und Vertriebsprozesse. Im Falle des zweigleisigen Vertriebs kann der Austausch bestimmter Arten von Informationen jedoch horizontale Bedenken aufwerfen. Aus diesem Grund sollte mit dieser Verordnung nur der Informationsaustausch zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer in einem Szenario des zweigleisigen Vertriebs freigestellt werden, in dem die ausgetauschten Informationen einen direkten Bezug zur Umsetzung der vertikalen Vereinbarung haben und zur Verbesserung der Herstellung oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich sind.

(14)

Die Begründung für die Freistellung vertikaler Vereinbarungen bei zweigleisigem Vertrieb gilt nicht für vertikale Vereinbarungen über die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, bei denen der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste auch ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist. Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten mit einer solchen Hybridstellung können die Fähigkeit und den Anreiz haben, das Ergebnis des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen zu beeinflussen. Daher sollten solche vertikalen Vereinbarungen durch diese Verordnung nicht freigestellt werden.

(15)

Diese Verordnung sollte keine vertikalen Vereinbarungen freistellen, die Beschränkungen enthalten, die wahrscheinlich den Wettbewerb beschränken und den Verbrauchern schaden oder die für die Herbeiführung der effizienzsteigernden Auswirkungen nicht unerlässlich sind. Insbesondere sollte die Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen gelten, die bestimmte Arten schwerwiegender Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, wie Mindest- und Festpreise für den Weiterverkauf und bestimmte Arten des Gebietsschutzes einschließlich der Verhinderung der wirksamen Nutzung des Internets für den Verkauf oder bestimmter Beschränkungen der Online-Werbung. Dementsprechend sollten Beschränkungen des Online-Verkaufs und der Online-Werbung unter die Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung fallen, wenn sie nicht unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen darauf abzielen, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer oder dessen Kunden zum Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kundengruppen zu verhindern oder die Nutzung eines ganzen Online-Werbekanals wie Preisvergleichsdienste oder Suchmaschinenwerbung zu verhindern. Beispielsweise sollten Beschränkungen des Online-Verkaufs nicht unter die Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung fallen, wenn ihr Ziel darin besteht, das Gesamtvolumen des Online-Verkaufs der Vertragswaren oder -dienstleistungen auf dem betreffenden Markt oder die Möglichkeit für Verbraucher, die Vertragswaren oder -dienstleistungen online zu kaufen, erheblich zu verringern. Bei der Einstufung einer Beschränkung als Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e können Inhalt und Kontext der Beschränkung berücksichtigt werden, sie sollte jedoch nicht von den marktspezifischen Umständen oder den individuellen Eigenschaften der beteiligten Unternehmen abhängen.

(16)

Durch diese Verordnung sollten keine Beschränkungen freigestellt werden, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Die Gruppenfreistellung sollte insbesondere an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden, die den Zugang zum relevanten Markt gewährleisten und Kollusion auf diesem Markt vorbeugen. Zu diesem Zweck sollte die Freistellung von Wettbewerbsverboten auf Verbote mit einer Höchstdauer von fünf Jahren beschränkt werden. Ferner sollten Verpflichtungen, die die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems veranlassen, die Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen, vom Rechtsvorteil dieser Verordnung ausgeschlossen werden. Der Rechtsvorteil dieser Verordnung sollte nicht für Paritätsverpflichtungen gelten, die Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten veranlassen, Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen nicht über konkurrierende Online-Vermittlungsdienste zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen.

(17)

Durch die Begrenzung des Marktanteils, den Ausschluss bestimmter vertikaler Vereinbarungen von der Gruppenfreistellung und die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen ist in der Regel sichergestellt, dass Vereinbarungen, auf die die Gruppenfreistellung Anwendung findet, die beteiligten Unternehmen nicht in die Lage versetzen, den Wettbewerb in Bezug auf einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen auszuschalten.

(18)

Nach Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (5) kann die Kommission den Rechtsvorteil der vorliegenden Verordnung entziehen, wenn sie in einem bestimmten Fall feststellt, dass eine Vereinbarung, für die die Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung gilt, dennoch Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats kann den aus dieser Verordnung erwachsenden Rechtsvorteil entziehen, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erfüllt sind.

(19)

Entzieht die Kommission oder eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde den Rechtsvorteil der vorliegenden Verordnung, so trägt sie die Beweislast dafür, dass die betreffende vertikale Vereinbarung in den Anwendungsbereich des Artikels 101 Absatz 1 AEUV fällt und dass diese Vereinbarung mindestens eine der vier Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllt.

(20)

Bei der Entscheidung, ob der Rechtsvorteil der vorliegenden Verordnung nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entzogen werden sollte, sind die wettbewerbswidrigen Auswirkungen, die sich daraus ergeben, dass der Zugang zu einem relevanten Markt oder der Wettbewerb auf diesem Markt durch gleichartige Auswirkungen paralleler Netze vertikaler Vereinbarungen erheblich eingeschränkt werden, von besonderer Bedeutung. Derartige kumulative Auswirkungen können sich insbesondere aus Alleinvertriebssystemen, Alleinbelieferungsvereinbarungen, selektiven Vertriebssystemen, Paritätsverpflichtungen oder Wettbewerbsverboten ergeben.

(21)

Um die Überwachung paralleler Netze vertikaler Vereinbarungen, die gleichartige wettbewerbswidrige Auswirkungen haben und mehr als 50 % eines Marktes abdecken, zu verbessern, kann die Kommission durch Verordnung erklären, dass die vorliegende Verordnung auf vertikale Vereinbarungen, die bestimmte auf den betroffenen Markt bezogene Beschränkungen enthalten, keine Anwendung findet, und dadurch die volle Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf diese Vereinbarungen wiederherstellen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Begriffsbestimmungen

(1)   Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

„vertikale Vereinbarung“ ist eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Unternehmen, die für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise jeweils auf einer anderen Stufe der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen;

b)

„vertikale Beschränkung“ ist eine Wettbewerbsbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt;

c)

„Wettbewerber“ ist ein tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerber; „tatsächlicher Wettbewerber“ ist ein Unternehmen, das auf demselben relevanten Markt tätig ist; „potenzieller Wettbewerber“ ist ein Unternehmen, bei dem realistisch und nicht nur hypothetisch davon ausgegangen werden kann, dass es ohne die vertikale Vereinbarung wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit die zusätzlichen Investitionen tätigen oder andere Kosten auf sich nehmen würde, die erforderlich wären, um in den relevanten Markt einzutreten;

d)

„Anbieter“ ist auch ein Unternehmen, das Online-Vermittlungsdienste erbringt;

e)

„Online-Vermittlungsdienste“ sind Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates (6), die es Unternehmen ermöglichen, Waren oder Dienstleistungen anzubieten,

i)

indem sie die Einleitung direkter Transaktionen mit anderen Unternehmen vermitteln oder

ii)

indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen diesen Unternehmen und Endverbrauchern vermitteln,

unabhängig davon, ob und wo die Transaktionen letztlich abgeschlossen werden;

f)

„Wettbewerbsverbot“ ist eine unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung, die den Abnehmer veranlasst, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen, oder eine unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung des Abnehmers, auf dem relevanten Markt mehr als 80 % seines Gesamtbezugs an Vertragswaren oder -dienstleistungen und ihren Substituten, der anhand des Werts des Bezugs oder, falls in der Branche üblich, am bezogenen Volumen im vorangehenden Kalenderjahr berechnet wird, vom Anbieter oder von einem anderen vom Anbieter benannten Unternehmen zu beziehen;

g)

„selektive Vertriebssysteme“ sind Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind;

h)

„Alleinvertriebssysteme“ sind Vertriebssysteme, in denen der Anbieter ein Gebiet oder eine Kundengruppe sich selbst oder höchstens fünf Abnehmern exklusiv zuweist und allen anderen Abnehmern Beschränkungen in Bezug auf den aktiven Verkauf in das exklusiv zugewiesene Gebiet oder an die exklusiv zugewiesene Kundengruppe auferlegt;

i)

„Rechte des geistigen Eigentums“ umfassen unter anderem gewerbliche Schutzrechte, Know-how, Urheberrechte und verwandte Schutzrechte;

j)

„Know-how“ ist eine Gesamtheit nicht patentgeschützter praktischer Kenntnisse, die der Anbieter durch Erfahrung und Erprobung gewonnen hat und die geheim, wesentlich und identifiziert sind; in diesem Zusammenhang bedeutet „geheim“, dass das Know-how nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich ist; „wesentlich“ bedeutet, dass das Know-how für den Abnehmer bei der Verwendung, dem Verkauf oder dem Weiterverkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen bedeutsam und nützlich ist; „identifiziert“ bedeutet, dass das Know-how so umfassend beschrieben ist, dass überprüft werden kann, ob die Merkmale „geheim“ und „wesentlich“ erfüllt sind;

k)

„Abnehmer“ ist auch ein Unternehmen, das auf der Grundlage einer unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallenden Vereinbarung Waren oder Dienstleistungen für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft;

l)

„aktiver Verkauf“ ist die gezielte Ansprache von Kunden durch Besuche, Schreiben, E-Mails, Anrufe oder sonstige Formen der direkten Kommunikation oder durch gezielte Werbung und Absatzförderung, offline oder online, beispielsweise durch Printmedien oder digitale Medien, einschließlich Online-Medien, Preisvergleichsdiensten oder Suchmaschinenwerbung, die auf Kunden in bestimmten Gebieten oder aus bestimmten Kundengruppen ausgerichtet sind, durch den Betrieb einer Website mit einer Top-Level-Domain, die bestimmten Gebieten entspricht, oder durch das Angebot von in bestimmten Gebieten üblichen Sprachoptionen auf einer Website, sofern diese Sprachen sich von denen unterscheiden, die in dem Gebiet, in dem der Abnehmer niedergelassen ist, üblicherweise verwendet werden;

m)

„passiver Verkauf“ ist ein auf unaufgeforderte Anfragen einzelner Kunden zurückgehender Verkauf, einschließlich der Lieferung von Waren an oder der Erbringung von Dienstleistungen für solche Kunden, der nicht durch gezielte Ansprache der betreffenden Kunden, Kundengruppen oder Kunden in den betreffenden Gebieten ausgelöst wurde und den Verkauf infolge der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren oder privaten Aufforderungen zur Interessensbekundung einschließt.

(2)   Für die Zwecke dieser Verordnung schließen die Begriffe „Unternehmen“, „Anbieter“ und „Abnehmer“ die jeweils mit diesen verbundenen Unternehmen ein.

„Verbundene Unternehmen“ sind:

a)

Unternehmen, in denen ein an der Vereinbarung beteiligtes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar

i)

die Befugnis hat, mehr als die Hälfte der Stimmrechte auszuüben, oder

ii)

die Befugnis hat, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe zu bestellen, oder

iii)

das Recht hat, die Geschäfte des Unternehmens zu führen, oder

b)

Unternehmen, die in einem an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe a aufgeführten Rechte oder Befugnisse haben, oder

c)

Unternehmen, in denen ein unter Buchstabe b genanntes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe a aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat, oder

d)

Unternehmen, in denen ein an der Vereinbarung beteiligtes Unternehmen gemeinsam mit einem oder mehreren der unter den Buchstaben a, b und c genannten Unternehmen oder in denen zwei oder mehr der zuletzt genannten Unternehmen gemeinsam die unter Buchstabe a aufgeführten Rechte oder Befugnisse haben, oder

e)

Unternehmen, in denen die folgenden Unternehmen gemeinsam die unter Buchstabe a aufgeführten Rechte oder Befugnisse haben:

i)

an der Vereinbarung beteiligte Unternehmen oder mit ihnen jeweils verbundene Unternehmen im Sinne der Buchstaben a bis d, oder

ii)

eines oder mehrere der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen oder eines oder mehrere der mit ihnen verbundenen Unternehmen im Sinne der Buchstaben a bis d und ein oder mehrere dritte Unternehmen.

Artikel 2

Freistellung

(1)   Nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV und nach Maßgabe dieser Verordnung gilt Artikel 101 Absatz 1 AEUV nicht für vertikale Vereinbarungen. Diese Freistellung gilt, soweit solche Vereinbarungen vertikale Beschränkungen enthalten.

(2)   Die Freistellung nach Absatz 1 gilt nur dann für vertikale Vereinbarungen zwischen einer Unternehmensvereinigung und einem ihrer Mitglieder oder zwischen einer solchen Vereinigung und einem einzelnen Anbieter, wenn alle Mitglieder der Vereinigung Wareneinzelhändler sind und wenn keines ihrer Mitglieder zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen einen jährlichen Gesamtumsatz von mehr als 50 Mio. EUR erwirtschaftet. Vertikale Vereinbarungen solcher Vereinigungen werden von dieser Verordnung unbeschadet der Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf horizontale Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern einer solchen Vereinigung sowie auf Beschlüsse der Vereinigung erfasst.

(3)   Die Freistellung nach Absatz 1 gilt für vertikale Vereinbarungen, die Bestimmungen enthalten, die die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums an den Abnehmer oder die Nutzung solcher Rechte durch den Abnehmer betreffen, sofern diese Bestimmungen nicht Hauptgegenstand der Vereinbarung sind und sofern sie sich unmittelbar auf die Nutzung, den Verkauf oder den Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Abnehmer oder seine Kunden beziehen. Die Freistellung gilt unter der Voraussetzung, dass diese Bestimmungen für die Vertragswaren oder -dienstleistungen keine Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die denselben Zweck verfolgen wie vertikale Beschränkungen, die durch diese Verordnung nicht freigestellt sind.

(4)   Die Freistellung nach Absatz 1 gilt nicht für vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Diese Freistellung gilt jedoch für zwischen konkurrierenden Unternehmen geschlossene, nicht wechselseitige vertikale Vereinbarungen, wenn

a)

der Anbieter auf der vorgelagerten Stufe als Hersteller, Importeur oder Großhändler und zugleich auf der nachgelagerten Stufe als Importeur, Großhändler oder Einzelhändler von Waren tätig ist, während der Abnehmer ein auf der nachgelagerten Stufe tätiger Importeur, Großhändler oder Einzelhändler, jedoch kein Wettbewerber auf der vorgelagerten Stufe ist, auf der er die Vertragswaren bezieht, oder

b)

der Anbieter ein auf mehreren Handelsstufen tätiger Dienstleister ist, der Abnehmer demgegenüber Dienstleistungen auf der Einzelhandelsstufe anbietet und auf der Handelsstufe, auf der er die Vertragsdienstleistungen bezieht, kein Wettbewerber ist.

(5)   Die Ausnahmen nach Absatz 4 Buchstaben a und b gelten nicht für den Informationsaustausch zwischen Anbietern und Abnehmern, der entweder nicht direkt die Umsetzung der vertikalen Vereinbarung betrifft oder nicht zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich ist oder keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt.

(6)   Die Ausnahmen nach Absatz 4 Buchstaben a und b gelten nicht für vertikale Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, wenn der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist.

(7)   Diese Verordnung gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, deren Gegenstand in den Geltungsbereich einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung fällt, außer wenn dies in einer solchen Verordnung vorgesehen ist.

Artikel 3

Marktanteilsschwelle

(1)   Die Freistellung nach Artikel 2 gilt nur, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen anbietet, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen bezieht, jeweils nicht mehr als 30 % beträgt.

(2)   Bezieht ein Unternehmen im Rahmen einer Mehrparteienvereinbarung die Vertragswaren oder -dienstleistungen von einem an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen und verkauft es sie anschließend an ein anderes, ebenfalls an der Vereinbarung beteiligtes Unternehmen, so gilt die Freistellung nach Artikel 2 nur, wenn es die Voraussetzungen des Absatzes 1 als Abnehmer wie auch als Anbieter erfüllt.

Artikel 4

Beschränkungen, die zum Ausschluss des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung führen – Kernbeschränkungen

Die Freistellung nach Artikel 2 gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen Folgendes bezwecken:

a)

die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters, Höchstverkaufspreise festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken;

b)

wenn der Anbieter ein Alleinvertriebssystem betreibt, die Beschränkung des Gebiets oder der Kunden, in das bzw. an die der Alleinvertriebshändler die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen darf, mit Ausnahme

i)

der Beschränkung des aktiven Verkaufs durch den Alleinvertriebshändler und durch seine Direktkunden in ein Gebiet oder an eine Kundengruppe, das bzw. die dem Anbieter vorbehalten ist oder von dem Anbieter höchstens fünf weiteren Alleinvertriebshändlern exklusiv zugewiesen wurde,

ii)

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs durch den Alleinvertriebshändler und durch seine Kunden an nicht zugelassene Händler in einem Gebiet, in dem der Anbieter ein selektives Vertriebssystem für die Vertragswaren oder -dienstleistungen betreibt,

iii)

der Beschränkung des Niederlassungsorts des Alleinvertriebshändlers,

iv)

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch einen Alleinvertriebshändler, der auf der Großhandelsstufe tätig ist,

v)

der Beschränkung der Möglichkeit des Alleinvertriebshändlers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, aktiv oder passiv an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt;

c)

wenn der Anbieter ein selektives Vertriebssystem betreibt,

i)

die Beschränkung der Gebiete oder Kunden, in bzw. an die die Mitglieder des selektiven Vertriebssystems die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen dürfen, mit Ausnahme

1.

der Beschränkung des aktiven Verkaufs durch Mitglieder des selektiven Vertriebssystems und durch ihre Direktkunden in ein Gebiet oder an eine Kundengruppe, das bzw. die dem Anbieter vorbehalten ist oder von dem Anbieter höchstens fünf Alleinvertriebshändlern exklusiv zugewiesen wurde,

2.

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs durch Mitglieder des selektiven Vertriebssystems und durch ihre Kunden an nicht zugelassene Händler in dem Gebiet, in dem das selektive Vertriebssystem betrieben wird,

3.

der Beschränkung des Niederlassungsorts der Mitglieder des selektiven Vertriebssystems,

4.

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Großhandelsstufe tätige Mitglieder des selektiven Vertriebssystems,

5.

der Beschränkung der Möglichkeit, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, aktiv oder passiv an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt;

ii)

die Beschränkung von Querlieferungen zwischen Mitgliedern des selektiven Vertriebssystems, die auf derselben Handelsstufe oder unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind;

iii)

die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder des selektiven Vertriebssystems, unbeschadet Buchstabe c Ziffer i Nummern 1 und 3;

d)

wenn der Anbieter weder ein Alleinvertriebssystem noch ein selektives Vertriebssystem betreibt, die Beschränkung der Gebiete oder Kunden, in bzw. an die der Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen darf, mit Ausnahme

i)

der Beschränkung des aktiven Verkaufs durch den Abnehmer und durch seine Direktkunden in ein Gebiet oder an eine Kundengruppe, das bzw. die dem Anbieter vorbehalten ist oder von dem Anbieter höchstens fünf Alleinvertriebshändlern exklusiv zugewiesen wurde,

ii)

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs durch den Abnehmer und durch seine Kunden an nicht zugelassene Händler in einem Gebiet, in dem der Anbieter ein selektives Vertriebssystem für die Vertragswaren oder -dienstleistungen betreibt,

iii)

der Beschränkung des Niederlassungsorts des Abnehmers,

iv)

der Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch einen Abnehmer, der auf der Großhandelsstufe tätig ist,

v)

der Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, aktiv oder passiv an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt;

e)

die Verhinderung der wirksamen Nutzung des Internets zum Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen durch den Abnehmer oder seine Kunden, da dies eine Beschränkung des Gebiets oder der Kunden, in das bzw. an die die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft werden dürfen, im Sinne der Buchstaben b, c oder d darstellt, unbeschadet der Möglichkeit, dem Abnehmer Folgendes aufzuerlegen:

i)

andere Beschränkungen des Online-Verkaufs oder

ii)

Beschränkungen der Online-Werbung, die nicht darauf abzielen, die Nutzung eines ganzen Online-Werbekanals zu verhindern;

f)

die zwischen einem Anbieter von Teilen und einem Abnehmer, der diese Teile weiterverwendet, vereinbarte Beschränkung der Möglichkeit des Anbieters, die Teile als Ersatzteile an Endverbraucher, Reparaturbetriebe, Großhändler oder andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner Waren betraut hat.

Artikel 5

Nicht freigestellte Beschränkungen

(1)   Die Freistellung nach Artikel 2 gilt nicht für die folgenden, in vertikalen Vereinbarungen enthaltenen Verpflichtungen:

a)

unmittelbare oder mittelbare Wettbewerbsverbote, die für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 5 Jahren gelten,

b)

unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, Waren oder Dienstleistungen nach Beendigung der Vereinbarung nicht herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen,

c)

unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems veranlassen, Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen,

d)

unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die einen Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten veranlassen, Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen nicht über konkurrierende Online-Vermittlungsdienste zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen.

(2)   Abweichend von Absatz 1 Buchstabe a gilt die Begrenzung auf fünf Jahre nicht, wenn die Vertragswaren oder -dienstleistungen vom Abnehmer in Räumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft werden, die im Eigentum des Anbieters stehen oder von diesem von nicht mit dem Abnehmer verbundenen Dritten gemietet oder gepachtet worden sind, und das Wettbewerbsverbot nicht über den Zeitraum hinausreicht, in dem der Abnehmer diese Räumlichkeiten und Grundstücke nutzt.

(3)   Abweichend von Absatz 1 Buchstabe b gilt die Freistellung nach Artikel 2 für unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, Waren oder Dienstleistungen nach Beendigung der Vereinbarung nicht herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, sofern sämtliche folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

die Verpflichtungen beziehen sich auf Waren oder Dienstleistungen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen;

b)

die Verpflichtungen beschränken sich auf Räumlichkeiten und Grundstücke, von denen aus der Abnehmer während der Vertragslaufzeit seine Geschäfte betrieben hat;

c)

das Wettbewerbsverbot ist unerlässlich, um Know-how, das dem Abnehmer vom Anbieter übertragen wurde, zu schützen;

d)

die Dauer der Verpflichtungen ist auf höchstens ein Jahr nach Beendigung der Vereinbarung begrenzt.

Absatz 1 Buchstabe b gilt unbeschadet der Möglichkeit, Nutzung und Offenlegung von nicht allgemein zugänglichem Know-how unbefristeten Beschränkungen zu unterwerfen.

Artikel 6

Entzug des Rechtsvorteils im Einzelfall

(1)   Nach Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates kann die Kommission den Rechtsvorteil der vorliegenden Verordnung entziehen, wenn sie in einem bestimmten Fall feststellt, dass eine vertikale Vereinbarung, für die die Freistellung nach Artikel 2 der vorliegenden Verordnung gilt, dennoch Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Solche Wirkungen können beispielsweise auftreten, wenn der relevante Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten stark konzentriert ist und der Wettbewerb zwischen den Anbietern solcher Dienste durch die kumulative Wirkung paralleler Netze ähnlicher Vereinbarungen beschränkt wird, die die Möglichkeiten von Abnehmern von Online-Vermittlungsdiensten beschränken, Waren oder Dienstleistungen über ihre Direktvertriebskanäle Endnutzern zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen.

(2)   Die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats kann den aus dieser Verordnung erwachsenden Rechtsvorteil entziehen, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erfüllt sind.

Artikel 7

Nichtanwendung dieser Verordnung

Nach Artikel 1a der Verordnung Nr. 19/65/EWG kann die Kommission durch Verordnung erklären, dass in Fällen, in denen mehr als 50 % des relevanten Marktes von parallelen Netzen gleichartiger vertikaler Beschränkungen abgedeckt werden, die vorliegende Verordnung auf vertikale Vereinbarungen, die bestimmte Beschränkungen des Wettbewerbs auf diesem Markt enthalten, keine Anwendung findet.

Artikel 8

Anwendung der Marktanteilsschwelle

Für die Anwendung der Marktanteilsschwellen im Sinne des Artikels 3 gelten folgende Vorschriften:

a)

der Marktanteil des Anbieters wird anhand des Absatzwerts und der Marktanteil des Abnehmers anhand des Bezugswerts berechnet. Liegen keine Angaben über den Absatz- bzw. Bezugswert vor, so können zur Ermittlung des Marktanteils des betreffenden Unternehmens Schätzungen vorgenommen werden, die auf anderen verlässlichen Marktdaten einschließlich der Absatz- und Bezugsmengen beruhen;

b)

die Marktanteile werden anhand der Angaben für das vorangegangene Kalenderjahr ermittelt;

c)

der Marktanteil des Anbieters schließt Waren oder Dienstleistungen ein, die zum Zweck des Verkaufs an vertikal integrierte Händler geliefert werden;

d)

beträgt ein Marktanteil ursprünglich nicht mehr als 30 % und überschreitet er anschließend diese Schwelle, so gilt die Freistellung nach Artikel 2 im Anschluss an das Jahr, in dem die Schwelle von 30 % erstmals überschritten wurde, noch für zwei weitere Kalenderjahre;

e)

der Marktanteil der in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 Buchstabe e genannten Unternehmen wird zu gleichen Teilen jedem Unternehmen zugerechnet, das die in Buchstabe a des genannten Unterabsatzes aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat.

Artikel 9

Anwendung der Umsatzschwelle

(1)   Für die Berechnung des jährlichen Gesamtumsatzes im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 sind die Umsätze zu addieren, die das jeweilige an der vertikalen Vereinbarung beteiligte Unternehmen und die mit ihm verbundenen Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr mit allen Waren und Dienstleistungen ohne Steuern und sonstige Abgaben erzielt haben. Dabei werden Umsätze zwischen dem an der vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen und den mit ihm verbundenen Unternehmen oder zwischen den mit ihm verbundenen Unternehmen nicht mitgerechnet.

(2)   Die Freistellung nach Artikel 2 bleibt bestehen, wenn der jährliche Gesamtumsatz im Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Schwelle um nicht mehr als 10 % übersteigt.

Artikel 10

Übergangszeitraum

Das Verbot nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV gilt in der Zeit vom 1. Juni 2022 bis zum 31. Mai 2023 nicht für bereits am 31. Mai 2022 in Kraft befindliche Vereinbarungen, die zwar die Freistellungskriterien dieser Verordnung nicht erfüllen, aber am 31. Mai 2022 die Freistellungskriterien der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 erfüllt haben.

Artikel 11

Geltungsdauer

Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2022 in Kraft.

Ihre Geltungsdauer endet am 31. Mai 2034.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 10. Mai 2022

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. 36 vom 6.3.1965.

(2)  ABl. C 359 vom 7.9.2021, S. 1.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 102 vom 23.4.2010, S. 1).

(4)  Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57).

(5)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).

(6)  Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).