EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 7.12.2022
COM(2022) 695 final
2022/0402(CNS)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES RATES
über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats
{SEC(2022) 432 final} - {SWD(2022) 390 final} - {SWD(2022) 391 final} - {SWD(2022) 392 final}
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Ziel der Union ist es, einen Raum der Freiheit und des Rechts zu schaffen, zu erhalten und weiterzuentwickeln, in dem der freie Personenverkehr, der Zugang zur Justiz und die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte gewährleistet sind.
Um das Erreichen dieses Ziels zu fördern, erklärte Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union im Jahr 2020: „Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land Vater oder Mutter.“ Mit dieser Erklärung wies die Kommissionspräsidentin darauf hin, dass sichergestellt werden muss, dass die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft in allen anderen Mitgliedstaaten für alle Zwecke anerkannt wird. Diese Initiative wurde als Schlüsselmaßnahme der EU-Kinderrechtsstrategie und der EU-Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen bezeichnet.
Ziel des Vorschlags ist es, den Schutz der Grundrechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen, einschließlich ihres Rechts auf Identität, Nichtdiskriminierung, Privat- und Familienleben, die Rechtsnachfolge von Todes wegen und ihres Rechts auf Unterhalt in einem anderen Mitgliedstaat, zu stärken, und dabei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen. Im Einklang mit diesem Ziel wird in den Schlussfolgerungen des Rates zur EU-Kinderrechtsstrategie betont, dass die Rechte des Kindes universell sind, dass jedes Kind die gleichen Rechte ohne jegliche Diskriminierung genießt und dass das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen von Behörden oder privaten Einrichtungen vorrangig zu berücksichtigen ist.
Weitere Ziele des Vorschlags bestehen darin, Rechtssicherheit und Berechenbarkeit in Bezug auf die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und über die Anerkennung der Elternschaft sicherzustellen sowie die gerichtlichen Kosten und Lasten für Familien und die Justizsysteme der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu senken.
Die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten ist notwendig, weil sich Bürger zunehmend in grenzüberschreitenden Situationen befinden, z. B., wenn sie Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat haben, in der Union reisen oder in einen anderen Mitgliedstaat umziehen, um einen Arbeitsplatz zu finden, eine Familie zu gründen, oder Immobilien in einem anderen Mitgliedstaat erwerben. Schätzungsweise 2 Millionen Kinder können jedoch derzeit in eine Situation geraten, in der die Anerkennung der Elternschaft in einem Mitgliedstaat nicht für alle Zwecke in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wird.
Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten bereits jetzt, die Elternschaft eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Kindes für die Zwecke der Rechte anzuerkennen, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, insbesondere aus dem Unionsrecht über die Freizügigkeit, einschließlich der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, was das Recht auf Gleichbehandlung und das Verbot von Hindernissen bei Fragen wie der Anerkennung des Namens mit sich bringt.
Nach dem Unionsrecht sind die Mitgliedstaaten jedoch noch nicht verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft eines Kindes für andere Zwecke anzuerkennen. Diese Versagung der Anerkennung kann erhebliche nachteilige Folgen für Kinder haben. Sie schränkt ihre Grundrechte in grenzüberschreitenden Situationen ein und kann dazu führen, dass Rechte, die sie nach nationalem Recht aus der Elternschaft erlangen, verweigert werden. Kinder können somit ihren Anspruch auf Rechtsnachfolge von Todes wegen oder auf Unterhalt in einem anderen Mitgliedstaat oder ihr Recht verlieren, dass ein Elternteil in einem anderen Mitgliedstaat als sein gesetzlicher Vertreter in Angelegenheiten wie medizinische Versorgung oder Schulbesuch tätig wird. Diese Schwierigkeiten können Familien dazu zwingen, Gerichtsverfahren einzuleiten, um die Elternschaft ihrer Kinder in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen zu lassen; solche Gerichtsverfahren sind jedoch sowohl für die Familien als auch für die Justizsysteme der Mitgliedstaaten mit Zeitaufwand, Kosten und Belastungen verbunden und haben einen ungewissen Ausgang. Letztlich sind die Mitgliedstaaten zwar verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft für die Zwecke der Ausübung von aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte anzuerkennen, doch könnten Familien von der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit abgehalten werden, weil sie befürchten, dass die Elternschaft ihrer Kinder in einem anderen Mitgliedstaat nicht für alle Zwecke anerkannt wird.
Die Gründe für die derzeitigen Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Elternschaft liegen darin, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche materiellrechtliche Vorschriften für die Begründung der Elternschaft im innerstaatlichen Kontext haben, da dies in ihre Zuständigkeit fällt und weiterhin fallen wird; darüber hinaus haben sie unterschiedliche Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit und die Kollisionsnormen bei der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Situationen und über die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Elternschaft, wobei hier die Union tätig werden kann. Die Rechtsinstrumente der Union zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug, u. a. zur elterlichen Verantwortung, zum Unterhalt, zur Rechtsnachfolge von Todes wegen und zur Vorlage öffentlicher Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat, enthalten heute in ihrem Anwendungsbereich jedoch keine Vorschriften über die internationale Zuständigkeit oder die Kollisionsnormen für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen oder über die Anerkennung der Elternschaft zwischen Mitgliedstaaten.
Bürgerbeschwerden, Petitionen an das Europäische Parlament und Gerichtsverfahren zeigen die Probleme auf, mit denen Familien bei der Anerkennung der Elternschaft ihrer Kinder in grenzüberschreitenden Situationen innerhalb der Union konfrontiert sind, auch wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat ziehen oder in ihren Herkunftsmitgliedstaat zurückkehren und die Anerkennung der Elternschaft für alle Zwecke beantragen.
Um die Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft für alle Zwecke anzugehen und die bestehende Lücke im Unionsrecht zu schließen, schlägt die Kommission die Annahme von Unionsvorschriften über die internationale Zuständigkeit in Elternschaftssachen vor (Festlegung, welche Gerichte des Mitgliedstaats für Elternschaftssachen, einschließlich der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen zuständig sind) sowie über das anzuwendende Recht (mit dem das einzelstaatliche Recht bestimmt wird, das für Elternschaftssachen, einschließlich der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen, Anwendung findet), um damit die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem Mitgliedstaat zu erleichtern. Die Kommission schlägt darüber hinaus die Schaffung eines europäischen Elternschaftszertifikats vor, das Kinder (oder ihre gesetzlichen Vertreter) beantragen und verwenden können, um den Nachweis ihrer Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu erleichtern.
Da nach dem Völkerrecht, dem Unionsrecht und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten alle Kinder die gleichen Rechte ohne Diskriminierung genießen, gilt der Vorschlag für die Anerkennung der Elternschaft eines Kindes unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde, und unabhängig von der Art der Familie des Kindes. Der Vorschlag schließt somit die Anerkennung der Elternschaft eines Kindes mit gleichgeschlechtlichen Eltern sowie die Anerkennung der Elternschaft eines innerstaatlich in einem Mitgliedstaat adoptierten Kindes ein.
Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Erlass materieller familienrechtlicher Vorschriften zur Definition der Familie oder Vorschriften zur Begründung der Elternschaft im innerstaatlichen Kontext. Der Vorschlag berührt ebenso wenig die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen oder eingetragenen Partnerschaften.
Der Vorschlag gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Kinder und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern. Im Einklang mit den bestehenden Rechtsinstrumenten der Union in Zivilsachen (einschließlich des Familienrechts) und Handelssachen sieht der Vorschlag jedoch lediglich die Anerkennung oder Annahme von Schriftstücken vor, die in einem Mitgliedstaat zur Begründung oder zum Beweis der Elternschaft ausgestellt wurden, während die Anerkennung oder Annahme von in einem Drittstaat ausgestellten Schriftstücken, die die Elternschaft begründen oder beweisen, weiterhin dem einzelstaatlichen Recht folgt.
•Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Die Mitgliedstaaten sind bereits heute durch das geltende Unionsrecht verpflichtet, die Elternschaft eines Kindes, die in einem anderen Mitgliedstaat begründet wurde, für die Zwecke der Ausübung der Rechte anzuerkennen, die das Kind aus dem Unionsrecht, insbesondere dem Recht auf Freizügigkeit, erlangt. Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf diese Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Da es jedoch keine Unionsvorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und über die Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat für die Zwecke der Rechte gibt, die ein Kind nach einzelstaatlichem Recht aus der Elternschaft erlangt, unterliegen diese Angelegenheiten derzeit dem einzelstaatlichen Recht eines jeden Mitgliedstaats.
Bestehende Unionsrechtsakte regeln die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in mehreren Bereichen, die für Kinder in grenzüberschreitenden Situationen unmittelbar von Belang sind, hierzu gehören etwa die elterliche Verantwortung, der Unterhalt und die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Die Elternschaft betreffende Angelegenheiten, sind jedoch vom Anwendungsbereich dieser Instrumente ausgenommen. Die Verordnung über öffentliche Urkunden befasst sich ihrerseits mit der Echtheit öffentlicher Urkunden in bestimmten Bereichen, einschließlich Geburt, Elternschaft und Adoption, erstreckt sich jedoch nicht auf die Anerkennung des Inhalts solcher öffentlichen Urkunden. Die Annahme gemeinsamer Regeln über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und über die Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat würde die geltenden Rechtsvorschriften der Union zum Familienrecht und zur Rechtsnachfolge von Todes wegen ergänzen und ihre Anwendung erleichtern, da die Elternschaft eines Kindes eine Vorfrage ist, die vor der Anwendung der bestehenden Unionsvorschriften über die elterliche Verantwortung, den Unterhalt und die Rechtsnachfolge von Todes wegen in Bezug auf das Kind geklärt werden muss.
Da der Vorschlag darauf abzielt, die Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen zu schützen, steht er im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, wonach die Vertragsstaaten sicherstellen müssen, dass das Kind vor jeder Form der Diskriminierung oder Bestrafung aufgrund des Status oder der Tätigkeit seiner Eltern geschützt wird (Artikel 2), wonach bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen von Gerichten oder Gesetzgebungsorganen das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist (Artikel 3) und wonach Kinder das Recht auf Identität und auf Betreuung durch ihre Eltern haben (Artikel 7 und 8). Der Vorschlag steht auch im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorsieht, und mit der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, auch in Bezug auf die Anerkennung von Kindern, die aus Leihmutterschaft geboren wurden. Schließlich steht sie auch im Einklang mit den im Vertrag über die Europäische Union (Artikel 3 Absätze 3 und 5 EUV) und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) verankerten Zielen zum Schutz und zur Förderung der Rechte des Kindes. Die Charta stellt bei der Anwendung und Durchführung des Unionsrechts den Schutz der Grundrechte von Kindern und ihren Familien sicher. Zu diesen Rechten gehören das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 7), das Recht auf Nichtdiskriminierung (Artikel 21) und das Recht von Kindern, regelmäßig eine persönliche Beziehung und einen direkten Kontakt zu beiden Elternteilen zu unterhalten, wenn dies ihrem Wohl dient (Artikel 24). Auf der Grundlage des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes ist in Artikel 24 Absatz 2 der Charta auch festgelegt, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss.
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Der Vorschlag stützt sich auf mehrere politische Initiativen. Dazu gehören das „Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“ des Europäischen Rates von 2010, der Aktionsplan der Kommission zur Umsetzung des Stockholmer Programms und das Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“. Darüber hinaus forderte das Europäische Parlament die Kommission im Jahr 2017 auf, einen Legislativvorschlag zur grenzüberschreitenden Anerkennung von Adoptionsentscheidungen vorzulegen.
2020 kündigte die Kommission Maßnahmen an, mit denen sichergestellt werden soll, dass die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Diese Initiative wurde als Schlüsselmaßnahme zur Förderung der Gleichstellung und der Rechte des Kindes in die EU-Kinderrechtsstrategie 2021 sowie in die EU-Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen von 2020 aufgenommen. Das Europäische Parlament begrüßte die Initiative der Kommission in seiner Entschließung von 2022 zum Schutz der Rechte des Kindes in zivil-, verwaltungs- und familienrechtlichen Verfahren.
In den Schlussfolgerungen des Rates zur EU-Kinderrechtsstrategie wird betont, dass die Kindesrechte universell sind, dass jedes Kind die gleichen Rechte ohne jegliche Diskriminierung genießt und dass das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen von Behörden oder privaten Einrichtungen vorrangig zu berücksichtigen ist. Dies erfordert zwangsläufig die Schaffung eines Rechtsrahmens mit einheitlichen Regeln für die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, damit Kinder ihre Rechte in der Union ohne Diskriminierung wahrnehmen können.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Nach den Unionsverträgen fällt das materielle Familienrecht, einschließlich des Rechtsstatus von Personen, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, was bedeutet, dass die materiellrechtlichen Vorschriften für die Begründung der Elternschaft im einzelstaatlichen Recht festgelegt sind. Die Union kann nach Artikel 81 Absatz 3 AEUV jedoch Maßnahmen im Bereich des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug erlassen, wie z. B. Maßnahmen, die es erleichtern, dass die Elternschaft, sobald sie in einem Mitgliedstaat begründet ist, in anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Zu diesen Maßnahmen können die Annahme gemeinsamer Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Verfahren für die Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat gehören. Die Maßnahmen werden nicht zur Harmonisierung des materiellen Rechts der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Definition der Familie oder die Begründung der Elternschaft in innerstaatlichen Situationen führen.
Wie andere Rechtsinstrumente der Union im Bereich des Familienrechts zielt der Vorschlag darauf ab, die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft durch die Annahme gemeinsamer Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht zu erleichtern. Der Vorschlag hat zum Ziel, die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Elternschaft insbesondere für die Zwecke der Ausübung von Rechten zu verlangen, die sich aus der Elternschaft nach nationalem Recht herleiten. Aus diesem Grund ist Artikel 81 Absatz 3 AEUV die geeignete Rechtsgrundlage.
Aufgrund des Protokolls Nr. 22 zum AEUV sind im Bereich Justiz erlassene rechtliche Maßnahmen in Dänemark weder bindend noch anwendbar. Aufgrund des Protokolls Nr. 21 zum AEUV ist auch Irland nicht durch solche Maßnahmen gebunden. Wenn in diesem Bereich ein Vorschlag vorgelegt wird, kann Irland jedoch mitteilen, dass es sich an der Annahme und Anwendung der betreffenden Maßnahme beteiligen möchte, und es kann nach der Annahme der Maßnahme mitteilen, dass es die Maßnahme ebenfalls anzunehmen wünscht.
•Subsidiarität
Während es Sache der Mitgliedstaaten ist, Vorschriften über die Definition der Familie und die Begründung der Elternschaft festzulegen, ist die Zuständigkeit für den Erlass von Maßnahmen im Bereich des Familienrechts und der Rechte des Kindes mit grenzüberschreitendem Bezug zwischen der Union und den Mitgliedstaaten aufgeteilt. Probleme mit der Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Elternschaft für die Zwecke der Ausübung von Rechten, die sich aus dem einzelstaatlichen Recht oder dem Unionsrecht herleiten, haben eine unionsweite Dimension, da die Anerkennung die Beteiligung von zwei Mitgliedstaaten erfordert. Die Folgen der Nichtanerkennung der Elternschaft haben auch eine Unionsdimension, da Familien möglicherweise davon abgehalten werden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, weil sie befürchten, dass die Elternschaft ihres Kindes in einem anderen Mitgliedstaat nicht für alle Zwecke anerkannt wird.
Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft sind insbesondere auf die materiellrechtlichen Vorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten über die Begründung der Elternschaft und auf die unterschiedlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen zurückzuführen. Einzeln handelnde Mitgliedstaaten könnten die Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft nicht zufriedenstellend lösen, da die Vorschriften und Verfahren der beteiligten Mitgliedstaaten dieselben oder zumindest miteinander vereinbar sein müssten, damit die Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten anerkannt werden kann. Maßnahmen auf Unionsebene sind erforderlich, um sicherzustellen, dass ein Mitgliedstaat, dessen Gerichte oder andere zuständige Behörden die Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen begründen, als dafür zuständig gilt und dass die Gerichte und anderen zuständigen Behörden aller Mitgliedstaaten für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen dasselbe Recht anwenden. Auf diese Weise werden innerhalb der Union widersprüchliche Elternschaften für dieselbe Person vermieden, und jeder Mitgliedstaat erkennt die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft an.
Daher dürften die Ziele dieses Vorschlags aufgrund seines Anwendungsbereichs und seiner Wirkungen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip am besten auf Unionsebene zu verwirklichen sein.
•Verhältnismäßigkeit
Ziel dieses Vorschlags ist es, die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern, indem i) Gerichtsentscheidungen und ii) öffentliche Urkunden, mit denen die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird, anerkannt werden, sowie öffentliche Urkunden ohne verbindlich Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat angenommen werden. Zu diesem Zweck werden mit dem Vorschlag die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die internationale Zuständigkeit für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und die Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten zur Bestimmung des auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendenden Rechts harmonisiert.
Diese Verordnung geht nicht über das für die Verwirklichung ihrer Ziele erforderliche Maß hinaus: Sie greift nicht in das einzelstaatliche materielle Recht zur Definition des Begriffs „Familie“ ein, sie hat keine Auswirkungen auf das einzelstaatliche Recht über die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen oder eingetragenen Partnerschaften, die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und das anzuwendende Recht gelten nur für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen, sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Elternschaft nur dann anzuerkennen, wenn sie in einem Mitgliedstaat begründet wurde und nicht wenn sie in einem Drittstaat begründet wurde, sie hat keine Auswirkungen auf die innerstaatlichen Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten in Sachen, die die Elternschaft betreffen, das europäische Elternschaftszertifikat ist für Kinder (und ihre gesetzlichen Vertreter) fakultativ und ersetzt nicht gleichwertige nationale Schriftstücke zum Nachweis der Elternschaft.
Der Vorschlag steht folglich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
•Wahl des Instruments
Die Annahme einheitlicher Vorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen kann nur durch eine Verordnung erreicht werden, da nur eine Verordnung eine völlig einheitliche Auslegung und Anwendung der Vorschriften gewährleistet. Im Einklang mit früheren Instrumenten der Union zum internationalen Privatrecht ist das bevorzugte Rechtsinstrument daher eine Verordnung.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Konsultation der Interessenträger
Im Rahmen der Ausarbeitung des Vorschlags führte die Kommission in den Jahren 2021 und 2022 umfassende Konsultationen in allen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) durch. Die Konsultationen richteten sich an ein breites Spektrum von Interessenträgern, die Bürger, Behörden, Wissenschaftler, Angehörige der Rechtsberufe, NRO und andere relevante Interessengruppen vertreten. Die Konsultationen umfassten i) öffentliche Rückmeldungen zur Folgenabschätzung in der Anfangsphase, ii) eine öffentliche Konsultation, iii) ein Treffen mit Interessenträgern und Vertretern der Zivilgesellschaft und iv) ein Treffen mit Sachverständigen der Behörden der Mitgliedstaaten.
Zusätzlich zu den Konsultationen der Kommission wurden weitere Konsultationen durch einen externen Auftragnehmer durchgeführt. Diese umfassten i) Online-Umfragen bei den Standesbeamten der Mitgliedstaaten, ii) schriftliche Fragebögen an die Ministerien der Mitgliedstaaten und die Justiz und iii) Befragungen der Justiz und der NRO in den Mitgliedstaaten.
Insgesamt befürworteten Interessenträger, die die Rechte von Kindern, Regenbogenfamilien, die Rechtsberufe und die Standesämter vertreten, dass die Union die derzeitigen Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft angehen sollte, indem sie verbindliche Rechtsvorschriften erlässt. Im Gegensatz dazu standen Organisationen, die traditionelle Familien vertreten, und Organisationen, die sich gegen die Leihmutterschaft einsetzen, einem Legislativvorschlag im Allgemeinen kritisch gegenüber. Die Ansichten der Öffentlichkeit variierten.
Die eingegangenen Rückmeldungen dienten der Vorbereitung des Vorschlags und der beigefügten Folgenabschätzung. Eine detaillierte Zusammenfassung der Ergebnisse der von der Kommission durchgeführten Konsultationen wurde in die Folgenabschätzung aufgenommen.
•Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Neben den oben genannten Konsultationen der Interessenträger hat die Kommission auch Fachwissen aus anderen Quellen eingeholt und genutzt.
Bei der Ausarbeitung des Vorschlags suchte die Kommission das Fachwissen der Sachverständigengruppe für die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, die sie 2021 eingesetzt hatte. Die Kommission nahm auch an Expertentreffen zum Eltern‑/Leihmutterschaftsprojekt der Haager Konferenz für internationales Privatrecht teil und konsultierte wissenschaftliche Literatur, Berichte und Studien.
Bei der Vorbereitung der Folgenabschätzung stützte sich die Kommission auf eine Studie, die von einem externen Auftragnehmer angefertigt wurde. Der externe Auftragnehmer erstellte auch Länderberichte u. a. über das materielle Recht der Mitgliedstaaten und das internationale Privatrecht über die Elternschaft. Für die Studie des Auftragnehmers wurden verschiedene Instrumente eingesetzt, um die bestehenden Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft, die Auswirkungen dieses Vorschlags und die in Betracht gezogenen politischen Optionen zu analysieren. Zu diesen Instrumenten gehörten die Verwendung empirischer Daten, die auf unterschiedliche Weise erhoben wurden (Interviews, Fragebögen, nationale Berichte), sowie Statistiken und Sekundärforschung. Wenn keine quantitativen Daten verfügbar waren, wurden qualitative Schätzungen zugrunde gelegt. Der externe Auftragnehmer kam in seiner Studie zu dem Schluss, dass die beste Lösung für die Union auf dem Weg, ihre politischen Ziele zu erreichen, die Annahme eines Rechtsinstruments über die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich der Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, sei.
•Folgenabschätzung
Auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission für eine bessere Rechtsetzung und der Schlussfolgerungen aus der Folgenabschätzung in der Anfangsphase erstellte die Kommission eine Folgenabschätzung zum Vorschlag. In dieser Folgenabschätzung wurden die folgenden politischen Optionen in Betracht gezogen: i) das Basisszenario, ii) Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten, iii) Rechtsetzungsmaßnahmen in Form einer Verordnung über die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten und iv) Rechtsetzungsmaßnahmen in Form einer Verordnung über die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich der Schaffung eines fakultativen europäischen Elternschaftszertifikats. All diese politischen Optionen, einschließlich des Basisszenarios, würden mit bestimmten nichtlegislativen Maßnahmen einhergehen, um das Bewusstsein zu schärfen, die Anwendung bewährter Verfahren zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen den mit Fragen der Elternschaft befassten Behörden der Mitgliedstaaten zu verbessern.
Im Rahmen der Folgenabschätzung wurde jede dieser Optionen im Hinblick auf ihre erwarteten Auswirkungen sowie ihre Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz mit dem rechtlichen und politischen Rahmen der Union untersucht. Als Ergebnis dieser Prüfung wurde die Option eines Vorschlags für eine Verordnung über die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich der Einführung eines fakultativen europäischen Elternschaftszertifikats, als die beste Option gewählt.
Aufgrund der Folgenabschätzung kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die gewählte Option die Anerkennung der Elternschaft für alle schätzungsweise 2 Millionen Kinder in grenzüberschreitenden Familien erheblich erleichtern würde und nicht nur für diejenigen, die derzeit die größten Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft haben. Insbesondere würde das europäische Elternschaftszertifikat, das speziell für die Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat konzipiert ist, den Verwaltungsaufwand der Anerkennungsverfahren und die Übersetzungskosten für alle Familien senken.
Die gewählte Option wäre auch die wirksamste Lösung für die Probleme im Zusammenhang mit der Anerkennung der Elternschaft, da die positiven rechtlichen, sozialen und psychologischen Auswirkungen am stärksten wären. Die gewählte Option würde sich eindeutig positiv auf den Schutz der Grundrechte von Kindern auswirken, z. B. auf ihr Recht auf Identität, auf Nichtdiskriminierung und auf ein Privat- und Familienleben. Sie wäre auch der wirksamste Schutz der Rechte, die Kinder nach nationalem Recht aus der Elternschaft erlangen, wie z. B. ihren Anspruch auf Unterhalt und die Rechtsnachfolge von Todes wegen in einem anderen Mitgliedstaat. Schließlich hätte sie auch positive soziale und psychologische Auswirkungen, da sie dazu führen würde, dass Kinder in grenzüberschreitenden Situationen wie ortsansässige Kinder behandelt würden.
Durch die Annahme einheitlicher Unionsvorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht sowie die Anerkennung der Elternschaft ohne besondere Verfahren würde die gewählte Option die Kosten und den Aufwand im Zusammenhang mit den Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die Kinder und ihre Familien derzeit tragen müssen, um die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen zu lassen, aus dem Weg räumen. Schätzungen zufolge würden die Durchschnittskosten pro Anerkennungsverfahren bei der gewählten Option um 71 % und um 90 % für Familien zurückgehen, die derzeit mit den größten Problemen bei der Anerkennung der Elternschaft konfrontiert sind.
Die gewählte Option würde auf der anderen Seite zu erheblichen Kosten-, Zeit- und Aufwandseinsparungen für die Behörden der Mitgliedstaaten führen. Es wird davon ausgegangen, dass die Kosten für Anerkennungsverfahren, die von den Behörden zu tragen sind, bei der gewählten Option um 54 % sinken.
•Grundrechte
Wie oben erläutert, führen die derzeitigen Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft zu Situationen, in denen die Grundrechte und weitere Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen verletzt werden. Die Aberkennung ihres Rechtsstatus und der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat verstößt gegen die Grundrechte der Kinder auf Identität, Nichtdiskriminierung und Achtung des Privat- und Familienlebens sowie gegen das Kindeswohl. Durch die Erleichterung der Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten zielt der Vorschlag darauf ab, die Grundrechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen zu schützen und die Kontinuität des Elternschaftsstatus innerhalb der Union sicherzustellen.
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
Den Mitgliedstaaten können einmalige Kosten für die Anpassung an die neuen Vorschriften der Verordnung entstehen, insbesondere Kosten, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, Richter, Standesbeamte und andere zuständige Behörden hinsichtlich der neuen Vorschriften zu schulen. Es sind geringfügige, wiederkehrende Kosten für die Weiterbildung dieser Behörden zu erwarten. Es wird davon ausgegangen, dass diese Kosten in keinem Fall erheblich sind und in jedem Fall durch die durch die Verordnung bewirkten Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen aufgewogen werden.
Die Bestimmungen des Vorschlags über die digitale Kommunikation über den europäischen elektronischen Zugangspunkt im Zusammenhang mit dem durch die Verordnung (EU) XX/YYYY [Digitalisierungsverordnung] eingerichteten dezentralen IT-System hätten Auswirkungen auf den Unionshaushalt, die durch Umschichtungen innerhalb des Programms „Justiz“ gedeckt werden können. Diese Auswirkungen wären gering, da das dezentrale IT-System nicht unbedingt speziell für die Anwendung des Vorschlags eingerichtet würde, sondern für zahlreiche Instrumente der Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen im Rahmen [der Digitalisierungsverordnung] entwickelt würde.
Den Mitgliedstaaten würden ebenfalls Kosten für die Installation und Wartung der Zugangspunkte des dezentralen IT-Systems in ihrem Hoheitsgebiet und für die Anpassung ihrer nationalen IT-Systeme entstehen, um sie mit den Zugangsstellen interoperabel zu machen. Wie bereits erwähnt, wäre der Großteil dieser Finanzinvestitionen jedoch bereits im Zusammenhang mit der Digitalisierung anderer Instrumente der Union für die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen getätigt worden. Darüber hinaus könnten die Mitgliedstaaten Finanzhilfen zur Finanzierung dieser Kosten im Rahmen der einschlägigen Finanzierungsprogramme der Union, insbesondere des Kohäsionsfonds und des Programmes „Justiz“, beantragen.
5.WEITERE SACHVERHALTE
•Durchführungspläne sowie Überwachungs-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Eine Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und muss daher nicht in nationales Recht umgesetzt werden.
Der Vorschlag sieht angemessene Überwachungs-, Bewertungs- und Berichterstattungspflichten vor. Zunächst würde die praktische Anwendung der Verordnung durch regelmäßige Sitzungen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen überwacht, bei denen Sachverständige aus den Mitgliedstaaten zusammenkommen. Darüber hinaus würde die Kommission fünf Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung eine umfassende Bewertung der Anwendung der Verordnung vornehmen. Die Bewertung würde unter anderem auf der Grundlage von Beiträgen der Behörden der Mitgliedstaaten, externer Sachverständiger und einschlägiger Interessenträger erfolgen.
•Erläuterung der Bestimmungen des Vorschlags
Der Vorschlag besteht aus den folgenden neun Kapiteln: i) Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen, ii) gerichtliche Zuständigkeit für Sachen, die die Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen betreffen, iii) das auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht, iv) die Anerkennung von einer in einen anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen oder einer öffentlichen Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung, v) die Annahme von öffentlichen Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung, die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden, vi) das europäische Elternschaftszertifikat, vii) die digitale Kommunikation, viii) delegierte Rechtsakte und ix) allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen.
Kapitel I – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
In Artikel 1 wird der Gegenstand des Vorschlags dargelegt. Mit dem Vorschlag soll die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat erleichtert werden, indem einheitliche Vorschriften angenommen werden, und zwar über i) die internationale Zuständigkeit für die Begründung der Elternschaft in einem Mitgliedstaat in grenzüberschreitenden Fällen, ii) das auf die Begründung der Elternschaft in einem Mitgliedstaat in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht, iii) die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen sowie von öffentlichen Urkunden, mit denen die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird, iv) die Annahme öffentlicher Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat und v) die Einführung eines fakultativen europäischen Elternschaftszertifikats, das es einem Kind oder einem gesetzlichen Vertreter ermöglicht, die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat nachzuweisen.
Die Elternschaft wird in der Regel kraft Gesetzes oder durch die Handlung einer zuständigen Behörde begründet, z. B. durch eine gerichtliche Entscheidung, eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eine notarielle Urkunde, nach der die Elternschaft in der Regel im Personenstands- oder Melderegister des Mitgliedstaats eingetragen wird. Bürger beantragen jedoch in den meisten Fällen die Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage einer öffentlichen Urkunde ohne verbindliche Rechtswirkung für die Begründung der Elternschaft, aber mit formeller Beweiskraft für die zuvor in diesem Mitgliedstaat auf anderem Wege (kraft Gesetzes oder durch die Handlung einer zuständigen Behörde) begründete Elternschaft. Bei solchen öffentlichen Urkunden kann es sich beispielsweise um einen Auszug aus dem Personenstandsregister oder um eine Geburtsurkunde oder eine Elternschaftsbescheinigung handeln. Die einheitlichen Rechtsvorschriften des Vorschlags über das auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht sollen die Annahme öffentlicher Urkunden erleichtern, die keine verbindliche Rechtswirkung haben, sondern im Ursprungsmitgliedstaat entweder der zuvor in diesem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft (z. B. durch eine Geburtsurkunde) oder anderen Tatsachen als der Begründung der Elternschaft (z. B. durch Anerkennung der Vaterschaft oder Zustimmung zur Begründung der Elternschaft) Beweiskraft verleihen.
In Artikel 2 über das Verhältnis des Vorschlags zu anderen Rechtsvorschriften des Unionsrechts wird klargestellt, dass der Vorschlag die Rechte, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, insbesondere die Rechte nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit, einschließlich der Richtlinie 2004/38/EG, unberührt lassen sollte. Der Vorschlag zielt nicht darauf ab, zusätzliche Bedingungen oder Anforderungen für die Anerkennung der Elternschaft zum Zwecke der Ausübung von aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechten vorzusehen oder die Umsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften zu beeinträchtigen. Das Unionsrecht über die Freizügigkeit bleibt daher unberührt. Insbesondere kann die Anerkennung der Elternschaft für die Ausübung der sich aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte nur aus Gründen versagt werden, die nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit in der Auslegung durch den Gerichtshof zulässig sind. Auf der Grundlage des geltenden Unionsrechts nach Artikel 21 AEUV und des damit zusammenhängenden Sekundärrechts in der Auslegung durch den Gerichtshof können die Achtung der nationalen Identität eines Mitgliedstaats nach Artikel 4 Absatz 2 EUV und die öffentliche Ordnung eines Mitgliedstaats nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Anerkennung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Kindern und ihren gleichgeschlechtlichen Eltern für die Zwecke der Ausübung der Rechte, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, zu versagen. Darüber hinaus kann der Nachweis der Elternschaft für die Zwecke der Ausübung der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte auf jede Art und Weise erbracht werden. Ein Mitgliedstaat ist daher nicht befugt, von einer Person zu verlangen, die in diesem Vorschlag vorgesehene, einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft beigefügte Bescheinigung oder das durch diesen Vorschlag eingeführte europäische Elternschaftszertifikat vorzulegen, wenn die Person um Anerkennung der Elternschaft für die Zwecke der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit, das das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, ersucht. Dies sollte jedoch eine Person nicht daran hindern, in solchen Fällen auch die entsprechende Bescheinigung oder das europäische Elternschaftszertifikat vorzulegen.
In Artikel 2 wird ferner klargestellt, dass der Vorschlag die Anwendung der Verordnung über öffentliche Urkunden nicht berührt, die schon jetzt den Verkehr öffentlicher Urkunden (wie Urteile, notarielle Urkunden und Verwaltungsbescheinigungen) in Bezug auf ihre Echtheit in bestimmten Bereichen vereinfacht, zu denen auch Geburt, Elternschaft und Adoption gehören.
Artikel 3 bestimmt den Anwendungsbereich des Vorschlags. Die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und das anzuwendende Recht finden Anwendung, wenn die Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen in einem Mitgliedstaat begründet werden soll. Die Rechtsvorschriften über die Anerkennung der Elternschaft finden Anwendung, wenn die anzuerkennende Elternschaft in einem Mitgliedstaat begründet ist, sodass der Vorschlag nicht die Anerkennung oder gegebenenfalls Annahme von in einem Drittstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und errichteten oder eingetragenen öffentlichen Urkunden berührt. In diesen Fällen unterliegt die Anerkennung oder Annahme weiterhin dem einzelstaatlichen Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten. Der Vorschlag gilt jedoch für die Anerkennung der Elternschaft aller Kinder, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern, sofern ihre Elternschaft in einem Mitgliedstaat und nicht in einem Drittstaat begründet wurde.
Angelegenheiten, die einen Bezug zur Elternschaft eines Kindes aufweisen können, aber durch andere Unionsinstrumente oder durch internationale Instrumente oder einzelstaatliches Recht geregelt sind, sind vom Anwendungsbereich des Vorschlags ausgenommen, wie etwa Angelegenheiten, die die elterliche Verantwortung, den Unterhalt, die Rechtsnachfolge von Todes wegen, die grenzüberschreitende Adoption, das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft der Eltern des Kindes und die Auswirkungen der Eintragung oder Nichteintragung der Elternschaft des Kindes in das entsprechende Register eines Mitgliedstaats betreffen. Durch die Klärung der Frage der Elternschaft des Kindes als Vorfrage würde der Vorschlag jedoch die Anwendung der bestehenden Rechtsinstrumente der Union über die elterliche Verantwortung, den Unterhalt und die Rechtsnachfolge von Todes wegen in Bezug auf das Kind erleichtern. Der Vorschlag behandelt auch nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus der Elternschaft nach nationalem Recht herleiten, z. B. die Staatsangehörigkeit und den Namen des Kindes.
In Artikel 4 werden für die Zwecke des Vorschlags die Begriffe „Elternschaft“, „Kind“, „Begründung der Elternschaft“, „Gericht“ und „gerichtliche Entscheidung“, „öffentliche Urkunde“, „Ursprungsmitgliedstaat“, „dezentrales IT-System“ und „europäischer elektronischer Zugangspunkt“ definiert.
–Der Begriff „Kind“ ist weit gefasst und umfasst eine Person jeden Alters, deren Elternschaft begründet, anerkannt oder nachgewiesen werden soll. Da der Elternschaftsstatus während des gesamten Lebens einer Person relevant ist, findet der Vorschlag auf Kinder aller Altersstufen Anwendung, d. h. sowohl auf Minderjährige als auch auf Erwachsene. Das Wohl des Kindes und das Recht auf rechtliches Gehör sind jedoch so zu verstehen, dass sie sich auf das Kind im Sinne des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes beziehen, d. h. auf eine Person unter 18 Jahren, es sei denn, das Volljährigkeitsalter wird nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht früher erreicht.
–Der Begriff „Elternschaft“, auch als Abstammung bezeichnet, ist das gesetzlich begründete Eltern-Kind-Verhältnis, einschließlich der Rechtsstellung, das Kind eines oder mehrerer Elternteile zu sein. Für die Zwecke des Vorschlags kann die Elternschaft biologisch oder genetisch sein oder durch Adoption oder kraft Gesetzes begründet sein. Wie bereits erwähnt, betrifft der Vorschlag die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft sowohl von Minderjährigen als auch von Erwachsenen, einschließlich eines verstorbenen Kindes und eines noch nicht geborenen Kindes, unabhängig davon, ob es sich bei den Eltern um einen alleinerziehenden Elternteil, ein faktisches Paar, ein verheiratetes Paar oder ein Paar in einer eingetragenen Partnerschaft handelt. Er erstreckt sich auf die Anerkennung der Elternschaft eines Kindes unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde – also auch von Kindern, die mithilfe reproduktionsmedizinischer Verfahren empfangen wurden – und unabhängig von der Art der Familie des Kindes, d. h. auch von Kindern mit zwei gleichgeschlechtlichen Eltern, Kindern mit nur einem Elternteil und Kindern, die in einem Mitgliedstaat von einem oder zwei Elternteilen innerstaatlich adoptiert wurden.
–Unter dem Begriff „Begründung der Elternschaft“ ist die rechtliche Festsetzung des Verhältnisses zwischen einem Kind und jedem seiner Elternteile zu verstehen, einschließlich der Begründung der Elternschaft im Anschluss an die Anfechtung einer bereits begründeten Elternschaft. Gegebenenfalls kann dieser Begriff auch das Erlöschen oder die Beendigung der Elternschaft umfassen. Der Vorschlag gilt nicht für die Begründung der Elternschaft in innerstaatlichen Situationen ohne grenzüberschreitenden Sachverhalt, z. B. die innerstaatliche Adoption in einem Mitgliedstaat, auch wenn er für die Anerkennung der in solchen innerstaatlichen Fall begründeten Elternschaft in einem Mitgliedstaat Anwendung findet.
–Der Begriff „Öffentliche Urkunde“ wird weit gefasst, wie in anderen Verordnungen der Union im Bereich der Ziviljustiz. Öffentliche Urkunden im Sinne des Vorschlags sind somit insbesondere i) Dokumente zur Begründung der Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung wie notarielle Urkunden (z. B. bei Adoption oder bei Fällen, in denen das Kind noch nicht geboren ist) oder Verwaltungsentscheidungen (z. B. nach Anerkennung der Vaterschaft) sowie ii) Dokumente, die die Elternschaft nicht mit verbindlicher Rechtswirkung begründen, aber den Nachweis der Elternschaft auf anderem Wege erbringen (z. B. durch einen Auszug aus einem Einwohner- oder Personenstandsregister, eine Geburtsurkunde oder eine Elternschaftsbescheinigung) oder ein Nachweis anderer Tatsachen (z. B. durch eine notarielle Urkunde oder eine Verwaltungsurkunde, mit der die Vaterschaft bestätigt wird oder mit der die Zustimmung zum Einsatz von reproduktionsmedizinischen Verfahren gegeben wird).
In Artikel 5 wird geregelt, dass der Vorschlag die Frage nicht berührt, welche Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten für Angelegenheiten, die die Elternschaft betreffen, zuständig sind (z. B. Gerichte, Verwaltungsbehörden, Notare, Standesbeamte und/oder andere Behörden).
Kapitel II – Gerichtliche Zuständigkeit
Um die Anerkennung oder gegebenenfalls die Annahme von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft zu erleichtern, werden in dem Vorschlag einheitliche Zuständigkeitsregeln für die Begründung der Elternschaft mit grenzüberschreitendem Bezug festgelegt. Durch die Bestimmungen zur Zuständigkeit werden auch Parallelverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten mit möglicherweise widersprüchlichen Entscheidungen vermieden. Da in den meisten Mitgliedstaaten die Rechte in Bezug auf die Elternschaft nicht verglichen oder aufgehoben werden können, sieht der Vorschlag keine Parteiautonomie in Bezug auf die Zuständigkeit (z. B. Wahl des Gerichts oder Übertragung der Zuständigkeit) vor.
Der Vorschlag sieht alternative Zuständigkeitskriterien vor, um den Zugang zur Justiz in einem Mitgliedstaat zu erleichtern. Um sicherzustellen, dass Kinder Zugang zu einem Gericht in ihrer Nähe haben, richten sich die Zuständigkeitskriterien nach der Nähe zum Kind. Die Zuständigkeit kann daher alternativ beim Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, der Staatsangehörigkeit des Kindes, des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners (z. B. der Person, für die das Kind die Elternschaft beansprucht), des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Elternteile, der Staatsangehörigkeit eines der Elternteile oder des Geburtsorts des Kindes liegen. Im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs wird der gewöhnliche Aufenthalt anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ermittelt.
Kann die Zuständigkeit nicht aufgrund der allgemeinen alternativen Zuständigkeitskriterien festgestellt werden, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem sich das Kind aufhält. Dieses Zuständigkeitskriterium kann insbesondere für geflüchtete Kinder und aus ihrem Land vertriebene Kinder gelten. Soweit sich aus dem Vorschlag keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Restzuständigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Um Situationen der Rechtsverweigerung begegnen zu können, ist in diesem Vorschlag auch eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) vorgesehen, wonach ein Gericht eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über eine Elternschaftssache entscheiden kann, die einen engen Bezug zu einem Drittstaat aufweist. Dies kann in Ausnahmefällen geschehen, z. B., wenn sich ein Verfahren in diesem Drittstaat als unmöglich erweist, beispielsweise aufgrund eines Bürgerkriegs, oder wenn vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Kind oder eine andere betroffene Partei in diesem Drittstaat ein Verfahren einleitet.
In dem Vorschlag wird erneut darauf hingewiesen, dass Kinder unter 18 Jahren, die fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht auf die Gelegenheit haben, sich in Verfahren, die die Elternschaft dieser Kinder betreffen, zu äußern.
Kapitel III – Anzuwendendes Recht
Der Vorschlag sollte für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit sorgen, indem gemeinsame Regeln für das auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht vorgeschlagen werden. Mit solchen gemeinsamen Bestimmungen sollen widersprüchliche Entscheidungen über die Elternschaft vermieden werden, je nachdem, welche Gerichte oder anderen zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Elternschaft feststellen. Sie zielen insbesondere auch darauf ab, die Annahme öffentlicher Urkunden zu erleichtern, die keine verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat haben, aber formelle Beweiskraft für die Begründung der Elternschaft in diesem Mitgliedstaat besitzen.
Das nach diesem Vorschlag anzuwendende Recht hat universellen Charakter, d. h. es gilt unabhängig davon, ob es sich um das Recht eines Mitgliedstaats oder um das Recht eines Drittstaats handelt. Grundsätzlich sollte für die Begründung der Elternschaft das Recht des Staates gelten, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Um jedoch sicherzustellen, dass das anzuwendende Recht unter allen Umständen bestimmt werden kann, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort der gebärenden Person zum Zeitpunkt der Niederkunft nicht festgestellt werden kann (z. B. im Falle einer geflüchteten oder aus ihrem Land vertriebenen Mutter), hat das Recht des Geburtsstaats des Kindes zu gelten.
Um die heute am häufigsten auftretenden Probleme bei der Anerkennung der Elternschaft zu lösen, können die Behörden eines Mitgliedstaats, der nach dem Vorschlag für Fragen der Elternschaft zuständig ist, abweichend von der oben genannten Regel, sollte diese Regel zur Begründung der Elternschaft von nur einem Elternteil führen (in der Regel dem genetischen Elternteil bei gleichgeschlechtlichen Paaren), eine von zwei subsidiären Alternativen anwenden, um die Elternschaft des zweiten Elternteils zu begründen (in der Regel der nicht genetische Elternteil in Fällen von gleichgeschlechtlichen Paaren); dabei können sie entweder das Recht des Staates anwenden, dessen Staatsangehörigkeit einer der beiden Elternteile besitzt, oder das Recht des Geburtsstaats des Kindes. Diese Möglichkeit kann von den zuständigen Behörden, die die Begründung der Elternschaft als erste in Betracht ziehen, aber auch von zuständigen Behörden in Fällen genutzt werden, in denen die Behörden eines anderen Mitgliedstaats die Elternschaft bereits für nur einen Elternteil begründet haben. Ist eine gerichtliche Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde mit verbindlicher Rechtswirkung zur Begründung der Elternschaft für jeden der Elternteile nach einer der in dem Vorschlag bezeichneten anwendbaren Rechtsvorschriften von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, der nach dem Vorschlag zuständig ist, ergangen bzw. errichtet und eingetragen worden, so sollte jedes dieser Schriftstücke, mit denen die Elternschaft für den jeweiligen Elternteil begründet wird, in allen anderen Mitgliedstaaten nach den in dem Vorschlag festgelegten Bestimmungen über die Anerkennung anerkannt werden. Darüber hinaus kann das Kind (oder ein gesetzlicher Vertreter) ein europäisches Elternschaftszertifikat beantragen und verwenden, um die Elternschaft in Bezug auf beide Elternteile in einem anderen Mitgliedstaat nachzuweisen.
Aus Gründen des öffentlichen Interesses sollte den Gerichten und anderen mit der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen befassten zuständigen Behörden in Ausnahmefällen die Möglichkeit gegeben werden, Bestimmungen eines ausländischen Rechts nicht zu berücksichtigen, wenn deren Anwendung in einem bestimmten Fall mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar wäre. Diese Behörden sollten diese Ausnahme aber nicht anwenden können, um das Recht eines anderen Staates unangewendet zu lassen, wenn dies gegen die Charta und insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 21 verstoßen würde. Die Ausnahme sollte daher nicht gelten, um die Anwendung einer Rechtsvorschrift eines anderen Staates, die die Möglichkeit der Elternschaft für zwei Elternteile eines gleichgeschlechtlichen Paares vorsieht, allein deshalb abzulehnen, weil die Eltern gleichgeschlechtlich sind.
Kapitel IV – Anerkennung
Dieses Kapitel regelt die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und von öffentlichen Urkunden, mit denen die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird.
Die Anerkennung von in einem Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und von öffentlichen Urkunden, mit denen die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat begründet wird, durch einen anderen Mitgliedstaat sollte auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die jeweils andere Rechtsordnung beruhen. Dieses Vertrauen sollte durch die Annahme einheitlicher Regeln über die internationale Zuständigkeit und das auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht weiter gestärkt werden. In einem Mitgliedstaat ergangene Gerichtsentscheidungen und öffentliche Urkunden zur Begründung der Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung sollten in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf, dies gilt auch für die Aktualisierung der das Kind betreffenden Einträge in den Personenstandsbüchern. Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, dass ein Dritter ein Gerichtsverfahren einleitet, um feststellen zu lassen, dass es keinen Grund für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft gibt, oder ein Verfahren zur Nichtanerkennung der Elternschaft anstrengt.
Eine Partei, die sich auf eine gerichtliche Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde berufen möchte, mit der die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird, sollte eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung oder eine Abschrift der öffentlichen Urkunde zusammen mit der entsprechenden Bescheinigung vorlegen. Die Bescheinigungen sollen die Lesbarkeit der von ihnen begleiteten Schriftstücke und damit ihre Anerkennung erleichtern. Bei öffentlichen Urkunden, mit denen die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung festgestellt wird, dient die Bescheinigung auch dem Nachweis, dass der Mitgliedstaat, dessen Behörde die öffentliche Urkunde errichtet hat, für die Begründung der Elternschaft nach dem Vorschlag zuständig war.
Die Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Elternschaft geltend gemacht wird, sind nicht befugt, die Vorlage einer Bescheinigung, die einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde beigefügt ist, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird, oder ein europäisches Elternschaftszertifikat zu verlangen, wenn die Elternschaft für die Zwecke der Ausübung der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte, einschließlich des Rechts auf Freizügigkeit, geltend gemacht wird. Dies sollte eine Person jedoch nicht davon abhalten, in solchen Fällen auch die entsprechende Bescheinigung oder ein europäisches Elternschaftszertifikat vorzulegen.
Gemäß dem Vorschlag ist die Liste der Gründe für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft im Einklang mit dem zugrunde liegenden Ziel, die Anerkennung der Elternschaft zu erleichtern, erschöpfend. Bei der Prüfung einer möglichen Versagung der Anerkennung der Elternschaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung müssen die Behörden der Mitgliedstaaten das Wohl des Kindes berücksichtigen, insbesondere den Schutz der Rechte des Kindes, einschließlich der Wahrung echter familiärer Bindungen zwischen dem Kind und den Eltern. Die Versagung der Anerkennung aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) darf nur ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen, d. h. nicht abstrakt, um die Anerkennung der Elternschaft eines Kindes zu versagen, das z. B. gleichgeschlechtliche Eltern hat. In einem bestimmten Fall müsste eine solche Anerkennung offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, unvereinbar sein, weil beispielsweise die Grundrechte einer Person bei der Empfängnis, der Geburt oder der Adoption des Kindes oder bei der Begründung der Elternschaft des Kindes verletzt worden sind. Die Gerichte oder anderen zuständigen Behörden sollten die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde nicht verweigern können, wenn dies gegen die Charta und insbesondere gegen das Verbot der Diskriminierung, auch von Kindern, in Artikel 21 verstoßen würde. Die Behörden der Mitgliedstaaten könnten daher die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde, mit der die Elternschaft durch Adoption durch einen einzelnen Mann oder zweier Eltern eines gleichgeschlechtlichen Paares begründet wird, nicht allein deshalb aus Gründen der öffentlichen Ordnung ablehnen, weil die Eltern gleichgeschlechtlich sind.
Der Vorschlag berührt nicht die Beschränkungen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung in Bezug auf den Rückgriff auf die öffentliche Ordnung als Rechtfertigung für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft auferlegt hat, wenn die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit verpflichtet sind, ein von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats für die Zwecke der Ausübung der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte errichtetes Schriftstück anzuerkennen, mit dem ein Eltern-Kind-Verhältnis begründet wird. Insbesondere kann die Anerkennung eines Eltern-Kind-Verhältnisses für die Zwecke der Ausübung der Rechte, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, nicht unter Berufung auf die öffentliche Ordnung mit der Begründung verweigert werden, dass die Eltern gleichgeschlechtlich sind.
Kapitel V – Öffentliche Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung
Der Vorschlag sieht auch die Annahme öffentlicher Urkunden vor, die die Elternschaft nicht mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat begründen, in diesem Mitgliedstaat aber Beweiskraft haben. Die Beweiskraft kann sich auf die vorherige Begründung der Elternschaft durch andere Mittel oder aufgrund anderer Tatsachen beziehen. Je nach einzelstaatlichem Recht kann es sich bei einer solchen öffentlichen Urkunde beispielsweise um eine Geburtsurkunde, eine Elternschaftsbescheinigung, einen Auszug aus dem Personenstandsregister oder ein notarielles oder verwaltungsrechtliches Schriftstück handeln, in dem die Anerkennung der Vaterschaft oder die Zustimmung einer Mutter oder eines Kindes zur Begründung der Elternschaft vermerkt ist.
Derartige öffentliche Urkunden sollten in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung entfalten. Eine Person, die eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat verwenden möchte, kann die Behörde, die die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat errichtet oder registriert hat, ersuchen, eine Bescheinigung auszustellen, in der die Beweiskraft der Urkunde beschrieben wird.
Die Annahme öffentlicher Urkunden, die keine verbindliche Rechtswirkung, aber Beweiskraft haben, kann nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) versagt werden, und zwar mit denselben Einschränkungen, die für diesen Versagungsgrund gelten, wenn er auf gerichtliche Entscheidungen und öffentliche Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung angewandt wird, auch im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen der Charta.
Kapitel VI – Europäisches Elternschaftszertifikat
Der Vorschlag sieht die Einführung eines fakultativen europäischen Elternschaftszertifikats (im Folgenden „Zertifikat“) vor. Dieses einheitliche Zertifikat soll insbesondere die Anerkennung der Elternschaft innerhalb der Union erleichtern, da es „zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat“ ausgestellt werden würde. Das Zeugnis muss in dem Mitgliedstaat ausgestellt werden, in dem die Elternschaft nach dem anzuwendenden Recht begründet wurde und dessen Gerichte diesem Vorschlag zufolge zuständig waren. Einmal ausgestellt, kann das Zertifikat auch in dem Mitgliedstaat verwendet werden, in dem es ausgestellt wurde.
Das Zertifikat ist eine fakultative Bescheinigung, da die Behörden der Mitgliedstaaten sie nur dann ausstellen müssen, wenn das Kind oder ein gesetzlicher Vertreter dies beantragt. Daher wären Personen, die berechtigt sind, ein Zertifikat zu beantragen, nicht verpflichtet, dies auch zu tun, und sie könnten bei einem Antrag auf Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat andere Schriftstücke wie eine gerichtliche Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde zusammen mit der entsprechenden Bescheinigung vorlegen. Eine Behörde oder Person, der eine in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Abschrift eines Zertifikats vorgelegt wird, kann jedoch nicht verlangen, dass anstelle des Zertifikats eine gerichtliche Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird.
Einzelstaatliche Geburtsurkunden oder Elternschaftsbescheinigung sind in der Regel öffentliche Urkunden mit Beweiskraft hinsichtlich der Elternschaft. Einzelstaatliche Urkunden werden in dem jeweiligen Mitgliedstaat nach einem eigenen Verfahren, in einem eigenen Format und in der jeweiligen Sprache ausgestellt und haben je nach Ausstellungsmitgliedstaat unterschiedliche Inhalte und Wirkungen. Dem Vorschlag zufolge können sie zusammen mit einer fakultativen Bescheinigung über ihre Beweiskraft verwendet werden und ihre Beweiskraft muss anerkannt werden, es sei denn, sie verstoßen gegen die öffentliche Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie vorgelegt werden.
Im Gegensatz dazu wird das Zertifikat immer nach demselben, im Vorschlag vorgesehenen Verfahren ausgestellt, verwendet ein einheitliches Standardformblatt (in Anhang V des Vorschlags enthalten) und hat, wie im Vorschlag festgelegt, denselben Inhalt und dieselben Wirkungen in der gesamten Union. Es wird davon ausgegangen, dass das Zertifikat die Sachverhalte, die nach dem in dem Vorschlag bezeichneten anwendbaren Recht festgelegt sind, genau belegt und nicht in ein nationales Dokument umgesetzt werden muss, bevor es in die einschlägigen Register in einem Mitgliedstaat aufgenommen wird. Da das Formblatt des Zertifikats in allen Sprachen der Union verfügbar sein würde, würde sich der Bedarf an Übersetzungen erheblich verringern.
Angesichts der in den meisten Fällen geltenden Unumkehrbarkeit des Elternschaftsstatus wäre die Gültigkeitsdauer des Zertifikats und seiner Abschriften nicht begrenzt, unbeschadet der Möglichkeit, das Zeugnis erforderlichenfalls zu berichtigen, zu ändern, auszusetzen oder zu widerrufen.
Kapitel VII – Delegierte Rechtsakte
Müssen die Standardformblätter für Bescheinigungen, die einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde beigefügt sind, oder das europäische Elternschaftszertifikat im Anhang dieses Vorschlags geändert werden, so wäre die Kommission befugt, delegierte Rechtsakte zu erlassen, nachdem die erforderlichen Konsultationen mit den Sachverständigen der Mitgliedstaaten stattgefunden haben.
Kapitel VIII – Digitale Kommunikation
Dieses Kapitel enthält Bestimmungen über die elektronische Kommunikation zwischen natürlichen Personen (oder ihren gesetzlichen Vertretern) und den Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über ein dezentrales IT-System und den auf dem europäischen Justiz-Portal eingerichteten europäischen elektronischen Zugangspunkt. Es wäre den Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden gestattet, mit einer natürlichen Person über den europäischen elektronischen Zugangspunkt kommunizieren, wenn die natürliche Person der Nutzung dieses Kommunikationsmittels zuvor ausdrücklich zugestimmt hat.
Kapitel IX – Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen
Dieses Kapitel enthält insbesondere Bestimmungen über das Verhältnis des Vorschlags zu bestehenden internationalen Übereinkommen, Datenschutzbestimmungen und Übergangsbestimmungen über die Verwendung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden, die vor dem Geltungsbeginn der Verordnung erlassen wurden.
2022/0402 (CNS)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES RATES
über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 3,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Die Union hat sich die Schaffung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte zum Ziel gesetzt, in dem der freie Personenverkehr und der Zugang zur Justiz gewährleistet sind. Zum sukzessiven Aufbau eines solchen Raums erlässt die Union Maßnahmen, die die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen zwischen den Mitgliedstaaten und die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Rechtsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen sicherstellen sollen.
(2)Diese Verordnung betrifft die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Elternschaft. Sie zielt darauf ab, die Grundrechte und sonstigen Rechte von Kindern in Angelegenheiten, die ihre Elternschaft betreffen, in grenzüberschreitenden Situationen zu schützen, einschließlich ihres Rechts auf Identität, Nichtdiskriminierung und auf Privat- und Familienleben, wobei das Wohl des Kindes vorrangige Berücksichtigung findet. Die Verordnung zielt auch darauf ab, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu schaffen und die Prozesskosten und den Aufwand für Familien, einzelstaatliche Gerichte und andere zuständige Dienststellen im Zusammenhang mit Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen, werden die Mitgliedstaaten in dieser Verordnung verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft eines Kindes für alle Zwecke anzuerkennen.
(3)Artikel 21, 45, 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verleihen den Unionsbürgern das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Sie umfassen das Recht der Unionsbürger, bei der Ausübung der Freizügigkeit nicht behindert zu werden, sowie das Recht auf Gleichbehandlung mit den jeweils eigenen Staatsangehörigen des Mitgliedstaates, auch in Bezug auf bestimmte soziale Vergünstigungen, die geeignet erscheinen, die Mobilität zu erleichtern. Das Recht auf Gleichbehandlung gilt auch für Familienangehörige von Unionsbürgern im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Zusammenhang mit Stipendien, dem Zugang zu Bildung, ermäßigten Tarifen in öffentlichen Verkehrsmitteln für kinderreiche Familien, ermäßigten Tarifen in öffentlichen Verkehrsmitteln für Studierende und reduzierten Eintrittspreisen für Museen. Der durch die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit gewährte Schutz schließt auch das Recht ein, dass ein in einem Mitgliedstaat rechtmäßig vergebener Name in anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird.
(4)Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) hat entschieden, dass jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, ein Eltern-Kind-Verhältnis anzuerkennen, damit ein Kind mit jedem Elternteil das in Artikel 21 Absatz 1 AEUV garantierte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, uneingeschränkt ausüben kann und darüber hinaus auch alle Rechte ausüben kann, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Kind und den Personen, die in der von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Geburtsurkunde genannt werden, als Eltern des Kindes für andere Zwecke als die Ausübung der Rechte, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, anzuerkennen.
(5)Nach den Verträgen liegt die Zuständigkeit für den Erlass materieller Vorschriften zum Familienrecht, wie etwa Vorschriften über die Definition der Familie und Vorschriften über die Begründung der Elternschaft eines Kindes, bei den Mitgliedstaaten. Nach Artikel 81 Absatz 3 AEUV kann die Union jedoch Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitenden Bezügen erlassen, insbesondere Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung der Elternschaft.
(6)Im Einklang mit der Zuständigkeit der Union für den Erlass von Maßnahmen im Bereich des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug wurde die Kommission im „Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“ des Europäischen Rates von 2010 aufgefordert, die Probleme im Zusammenhang mit Personenstandsurkunden und dem Zugang zu Registern solcher Dokumente zu prüfen und im Licht der Ergebnisse geeignete Vorschläge zu unterbreiten und zu erwägen, ob sich die gegenseitige Anerkennung der Wirkungen von Personenstandsurkunden zumindest in bestimmten Bereichen als geeignet erweisen könnte. Der Aktionsplan der Kommission zur Umsetzung des Stockholmer Programms sah einen Legislativvorschlag zur Abschaffung der Formalitäten für die Legalisation von Urkunden zwischen den Mitgliedstaaten und einen Legislativvorschlag über die gegenseitige Anerkennung der Wirkungen bestimmter Personenstandsurkunden, auch in Bezug auf Geburt, Elternschaft und Adoption, vor.
(7)Im Jahr 2010 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch mit dem Titel „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, mit dem sie eine umfassende Konsultation zu Fragen im Zusammenhang mit dem freien Verkehr öffentlicher Urkunden und der Anerkennung der Wirkungen von Personenstandsregistern eingeleitet hat. Sie erwog unter anderem die Möglichkeit der Einführung einer europäischen Personenstandsurkunde, die die grenzüberschreitende Anerkennung des Personenstands in der Union erleichtern würde. Ziel der Konsultation war es, Beiträge interessierter Parteien und der breiten Öffentlichkeit einzuholen, um die Politik der Union in diesen Bereichen und die einschlägigen Legislativvorschläge voranzutreiben. Im Jahr 2016 erließen die Rechtsetzungsinstanzen der Union die Verordnung (EU) 2016/1191 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union, die auch Geburts-, Elternschafts- und Adoptionsurkunden behandelt.
(8)Die Union ist zwar dafür zuständig, Maßnahmen im Bereich des Familienrechts mit grenzüberschreitenden Bezügen, wie Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten, zu erlassen, doch hat die Union in diesen Bereichen bislang noch keine Rechtsvorschriften über die Elternschaft erlassen. Die derzeit in diesen Bereichen geltenden Bestimmungen der Mitgliedstaaten unterscheiden sich.
(9)Auf Unionsebene befassen sich eine Reihe von Unionsinstrumenten mit bestimmten Rechten von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen, insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates, die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und die Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates. Diese Verordnungen enthalten jedoch keine Bestimmungen über die Begründung oder die Anerkennung der Elternschaft. Die Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates schließt öffentliche Urkunden über Geburt, Elternschaft und Adoption in ihren Anwendungsbereich ein, doch befasst sich die Verordnung mit der Echtheit und der Sprache solcher Dokumente und nicht mit der Anerkennung ihres Inhalts oder ihren Wirkungen in einem anderen Mitgliedstaat.
(10)Da es keine Unionsbestimmungen über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und über die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten gibt, können Familien Schwierigkeiten haben, die Elternschaft ihrer Kinder für alle Zwecke innerhalb der Union anerkennen zu lassen, auch wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat ziehen oder in ihren Herkunftsmitgliedstaat zurückkehren.
(11)Kinder erlangen eine Reihe von Rechten aus der Elternschaft, darunter das Recht auf Identität, einen Namen, die Staatsangehörigkeit (sofern durch das ius sanguinis geregelt), das Sorgerecht und das Umgangsrecht ihrer Eltern, das Unterhaltsrecht, das Erbrecht und das Recht auf rechtliche Vertretung durch ihre Eltern. Die Versagung der Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat kann schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf die Grundrechte von Kindern und auf die Rechte haben, die Kinder aus dem nationalen Recht erlangen. Dies kann Familien dazu veranlassen, einen Rechtsstreit anzustrengen, damit die Elternschaft ihres Kindes in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wird, obwohl diese Verfahren einen ungewissen Ausgang haben und sowohl für die Familien als auch für die Justizsysteme der Mitgliedstaaten erheblichen Zeitaufwand und erhebliche Kosten mit sich bringen. Letztlich können Familien davon abgehalten werden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, weil sie befürchten, dass die Elternschaft ihres Kindes in einem anderen Mitgliedstaat für die Zwecke der Ausübung der Rechte, die sich aus dem nationalen Recht herleiten, nicht anerkannt wird.
(12)Im Jahr 2020 kündigte die Kommission Maßnahmen an, mit denen sie sicherstellen will, dass die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Diese Initiative wurde als Schlüsselmaßnahme zur Förderung der Gleichstellung und der Rechte des Kindes in die EU-Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen aus dem Jahr 2020 und die EU-Kinderrechtsstrategie aus dem Jahr 2021 aufgenommen. Das Europäische Parlament begrüßte die Initiative der Kommission in seiner Entschließung von 2021 zu den Rechten von LGBTIQ-Personen in der EU und in seiner Entschließung von 2022 zum Schutz der Rechte des Kindes in zivil-, verwaltungs- und familienrechtlichen Verfahren.
(13)Diese Verordnung sollte die Rechte, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, nicht berühren, insbesondere die Rechte, die einem Kind nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit, einschließlich der Richtlinie 2004/38/EG, zustehen. So müssen die Mitgliedstaaten beispielsweise bereits heute ein Eltern-Kind-Verhältnis anerkennen, um es Kindern zu ermöglichen, mit jedem ihrer beiden Elternteile ungehindert das Recht auszuüben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten und alle Rechte auszuüben, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt. Mit dieser Verordnung werden keine zusätzlichen Bedingungen an die Ausübung dieser Rechte festgelegt.
(14)Nach Artikel 21 AEUV und des damit zusammenhängenden Sekundärrechts in der Auslegung durch den Gerichtshof können die Achtung der nationalen Identität eines Mitgliedstaats nach Artikel 4 Absatz 2 EUV und die öffentliche Ordnung eines Mitgliedstaats nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Anerkennung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Kindern und ihren gleichgeschlechtlichen Eltern für die Zwecke der Ausübung der Rechte, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, zu versagen. Darüber hinaus kann der Nachweis der Elternschaft für die Zwecke der Ausübung dieser Rechte auf jede Art und Weise erbracht werden. Daher ist ein Mitgliedstaat nicht befugt, von einer Person zu verlangen, entweder die in dieser Verordnung vorgesehenen Bescheinigungen, die einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft beigefügt sind, oder das durch diese Verordnung eingeführte europäische Elternschaftszertifikat vorzulegen, wenn sich die Person im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit auf die Rechte beruft, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt. Dies sollte eine Person jedoch nicht daran hindern, in solchen Fällen auch die einschlägige Bescheinigung oder das in dieser Verordnung vorgesehene europäische Elternschaftszertifikat vorzulegen. Um sicherzustellen, dass Unionsbürger und ihre Familienangehörigen darüber informiert werden, dass diese Verordnung keinerlei Auswirkung auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, sollten die dieser Verordnung beigefügten Formblätter der Bescheinigungen und des europäischen Elternschaftszertifikats eine Erklärung enthalten, aus der hervorgeht, dass die betreffende Bescheinigung oder das europäische Elternschaftszertifikat keine Auswirkung auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt – insbesondere die Rechte, die einem Kind nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit zustehen – und dass für die Ausübung dieser Rechte der Nachweis des Eltern-Kind-Verhältnisses auf jede Art und Weise erbracht werden kann.
(15)Die vorliegende Verordnung sollte keine Auswirkungen auf die Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf öffentliche Urkunden über Geburt, Elternschaft und Adoption haben, insbesondere, was die Vorlage beglaubigter Abschriften von öffentlichen Urkunden über Geburt, Elternschaft und Adoption durch die Bürger und die Nutzung des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) durch die Behörden der Mitgliedstaaten betrifft, wenn diese begründete Zweifel an der Echtheit einer öffentlichen Urkunde über die Geburt, Elternschaft oder Adoption oder der ihnen vorgelegten beglaubigten Abschrift haben.
(16)Artikel 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 verpflichtet die Vertragsstaaten, die Rechte des Kindes ohne jegliche Diskriminierung zu achten und sicherzustellen sowie alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das Kind vor jeder Form der Diskriminierung oder Bestrafung aufgrund des Status seiner Eltern geschützt wird. Nach Artikel 3 des Übereinkommens muss bei allen Maßnahmen, die unter anderem von Gerichten und Verwaltungsbehörden ergriffen werden, das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt werden.
(17)Jede Bezugnahme auf das „Wohl des Kindes“ in dieser Verordnung sollte für Kinder im Sinne des Artikels 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 gelten, d. h. für Kinder unter 18 Jahren, es sei denn, das Kind erreicht die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht früher. Jede Bezugnahme auf das „Wohl des Kindes“ in dieser Verordnung sollte außerdem vor dem Hintergrund des Artikels 24 der Charta und der Artikel 3 und 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes – wie sie im nationalen Recht angewendet werden – ausgelegt werden. Jede Bezugnahme auf das „Wohl des Kindes“ in dieser Verordnung sollte als Bezugnahme auf das Wohl des Kindes und das Interesse der Kinder unabhängig vom Alter der Kinder verstanden werden.
(18)In Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (im Folgenden „Europäische Menschenrechtskonvention“) ist das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verankert, während in Artikel 1 des Protokolls Nr. 12 zu dieser Konvention vorgesehen ist, dass die Ausübung eines gesetzlich verankerten Rechts ohne jedwede Diskriminierung sichergestellt sein muss, einschließlich der Diskriminierung aus Gründen der Geburt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Artikel 8 der Konvention dahin gehend ausgelegt, dass alle Staaten in seinem Zuständigkeitsbereich verpflichtet sind, das im Ausland begründete rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis zwischen einem aus Leihmutterschaft geborenen Kind und dem biologischen Wunschelternteil anzuerkennen und einen Mechanismus für die rechtliche Anerkennung des Eltern-Kind-Verhältnisses zu dem nicht biologischen Wunschelternteil (z. B. durch Adoption des Kindes) vorzusehen.
(19)Der Gerichtshof hat bestätigt, dass die wesentlichen Merkmale des Unionsrechts zu einem strukturierten Netz von Grundsätzen, Regeln und wechselseitig ineinandergreifenden Rechtsbeziehungen geführt haben, die die Union mit ihren Mitgliedstaaten und ihre Mitgliedstaaten untereinander verbinden. Diese Rechtsstruktur beruht auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat, wie in Artikel 2 EUV festgelegt, mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt, auf die sich die Union gründet. Diese Prämisse impliziert und rechtfertigt das Bestehen eines gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, dass diese Werte anerkannt werden.
(20)Nach Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) gehören Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu den Werten, auf die sich die Union gründet und die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Artikel 21 der Charta verbietet Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Geburt. Artikel 3 EUV und Artikel 24 der Charta sehen den Schutz der Rechte des Kindes vor, Artikel 7 der Charta sieht das Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens vor.
(21)Im Einklang mit den Bestimmungen internationaler Übereinkommen und des Unionsrechts sollte diese Verordnung sicherstellen, dass Kinder ihre Rechte genießen und ihren Rechtsstatus in grenzüberschreitenden Situationen ohne Diskriminierung behalten. Zu diesem Zweck und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, einschließlich des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sollte diese Verordnung die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat abdecken, unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde, und unabhängig von der Art der Familie des Kindes, einschließlich einer innerstaatlichen Adoption. Vorbehaltlich der Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Vorschriften über das anzuwendende Recht sollte die Verordnung daher die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft eines Kindes mit gleichgeschlechtlichen Eltern in einem anderen Mitgliedstaat erfassen. Diese Verordnung sollte sich auch auf die Anerkennung der Elternschaft eines innerstaatlich in einem anderen Mitgliedstaat adoptierten Kindes in einem Mitgliedstaat nach den Vorschriften für die innerstaatliche Adoption in diesem Mitgliedstaat erstrecken.
(22)Um die Ziele der Verordnung zu erreichen, ist es notwendig und angemessen, in dieser Verordnung gemeinsame Vorschriften über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung oder gegebenenfalls die Annahme von Gerichtsentscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft sowie Vorschriften über die Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats in einem verbindlichen und unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Union zusammenzufassen.
(23)Diese Verordnung gilt für „Zivilsachen“, wozu auch Zivilverfahren und die sich daraus ergebenden Entscheidungen über die Elternschaft sowie öffentliche Urkunden über die Elternschaft gehören. Der Begriff „Zivilsachen“ sollte im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs autonom ausgelegt werden. Er sollte als autonomer Begriff angesehen werden, bei dessen Auslegung erstens die Ziele und die Systematik dieser Verordnung und zweitens die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der einzelstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen. Der Begriff „Zivilsachen“ sollte folglich dahin gehend ausgelegt werden, dass er auch Maßnahmen umfassen kann, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats möglicherweise dem öffentlichen Recht unterliegen.
(24)Für die Zwecke dieser Verordnung kann die Elternschaft, auch als Abstammung bezeichnet, biologisch oder genetisch sein oder durch Adoption oder kraft Gesetzes begründet werden. Auch für die Zwecke dieser Verordnung sollte Elternschaft das gesetzlich festgelegte Eltern-Kind-Verhältnis sein und den rechtlichen Status des Kindes eines bestimmten Elternteils oder bestimmter Eltern abdecken. Diese Verordnung sollte die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft sowohl von Minderjährigen als auch von Erwachsenen, einschließlich eines verstorbenen Kindes und eines noch nicht geborenen Kindes abdecken, unabhängig davon, ob es sich bei den Eltern um einen alleinerziehenden Elternteil, ein faktisches Paar, ein verheiratetes Paar oder ein Paar in einer Beziehung handelt, die nach dem auf diese Beziehung anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen hat, wie z. B. eine eingetragene Partnerschaft. Die Verordnung sollte unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Kindes, dessen Elternschaft begründet werden soll, und unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Eltern des Kindes gelten. Der Begriff „Elternteil“ in dieser Verordnung sollte, soweit anwendbar, so verstanden werden, dass er sich auf den gesetzlichen Elternteil, den Wunschelternteil, die Person, die beansprucht, ein Elternteil zu sein, oder die Person bezieht, für die das Kind die Elternschaft beansprucht.
(25)Sie sollte nicht für die Begründung der Elternschaft in einem Mitgliedstaat in einer innerstaatlichen Situation ohne grenzüberschreitende Sachverhalte gelten. Diese Verordnung sollte daher keine Bestimmungen über die Zuständigkeit oder das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in innerstaatlichen Fällen enthalten, wie etwa die Elternschaft eines Kindes nach einer innerstaatlichen Adoption in einem Mitgliedstaat. Um jedoch die Rechte des Kindes in grenzüberschreitenden Situationen, wie in der Charta festgelegt, ohne Diskriminierung zu schützen, sollten die Bestimmungen dieser Verordnung über die Anerkennung bzw. gegebenenfalls die Annahme von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft in Anwendung des vom Gerichtshof bestätigten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten auch für die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat in innerstaatlichen Situationen begründeten Elternschaft gelten, wie beispielsweise die in einem Mitgliedstaat begründete Elternschaft nach einer innerstaatlichen Adoption in diesem Mitgliedstaat. Die Bestimmungen dieser Verordnung über die einschlägige Bescheinigung und das europäische Elternschaftszertifikat sollten daher auch für die in einem Mitgliedstaat in innerstaatlichen Situationen begründete Elternschaft gelten, beispielsweise im Anschluss an eine innerstaatliche Adoption in einem Mitgliedstaat.
(26)Für die Zwecke dieser Verordnung ist eine innerstaatliche Adoption in einem Mitgliedstaat eine Adoption, bei der das Kind und der Adoptivelternteil oder die Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben und bei der durch die Adoption eine dauerhafte Eltern-Kind-Beziehung begründet wird. Um den unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung für die innerstaatliche Adoption in einem Mitgliedstaat gelten, bei dem die Adoption zur Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kind und der Herkunftsfamilie (vollständige Adoption) führt, sowie für die innerstaatliche Adoption in einem Mitgliedstaat, die nicht zur Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kind und der Herkunftsfamilie führt (einfache Adoption).
(27)Die grenzüberschreitende Adoption, bei der das Kind und ein Adoptivelternteil oder die Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben, unterliegt dem Haager Übereinkommen von 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, dem alle Mitgliedstaaten beigetreten sind. Diese Verordnung sollte nicht für grenzüberschreitende Adoptionen gelten, unabhängig davon, ob sie zwei Mitgliedstaaten oder einen Mitgliedstaat und einen Drittstaat betreffen, und unabhängig davon, ob eine internationale Adoption unter das Haager Übereinkommen fällt oder nicht.
(28)Während die Begründung und Anerkennung der Elternschaft im Einklang mit dieser Verordnung für andere Bereiche des Zivilrechts relevant sind, sollte der Anwendungsbereich dieser Verordnung auf die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden die Elternschaft betreffend beschränkt werden. Aus Gründen der Klarheit sollten andere Bereiche des Zivilrechts, bei denen ein Zusammenhang mit der Elternschaft gesehen werden könnte, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.
(29)Insbesondere sollten die in dieser Verordnung festgelegten Rechtsvorschriften über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden keine Anwendung finden auf Unterhaltsansprüche, die in der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates geregelt sind, das Erbrecht nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates oder Sachen zur elterlichen Verantwortung, die in der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates geregelt sind. Da die Frage der Elternschaft eines Kindes jedoch als Vorfrage geklärt werden muss, bevor Fragen der elterlichen Verantwortung, des Unterhalts oder der Rechtsnachfolge von Todes wegen in Bezug auf das Kind geklärt werden, sollte diese Verordnung die Anwendung der oben genannten Rechtsinstrumente der Union zum Familienrecht und zur Rechtsnachfolge von Todes wegen erleichtern.
(30)Diese Verordnung sollte nicht für Vorfragen wie das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer Ehe oder eines Verhältnisses gelten, die nach dem auf sie anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen haben und die weiterhin dem einzelstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich ihrer Rechtsvorschriften zum internationalen Privatrecht, und gegebenenfalls der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Freizügigkeit unterliegen sollten.
(31)Die Anforderungen an die Eintragung der Elternschaft in ein Register sollten aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. Somit sollte das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, bestimmen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen und wie die Eintragung vorzunehmen ist und welche Behörden dafür zuständig sind, zu überprüfen, ob alle Anforderungen erfüllt sind und ob die vorgelegten oder errichteten Unterlagen vollständig sind oder die erforderlichen Angaben enthalten. Um eine doppelte Erstellung von Schriftstücken zu vermeiden, sollten die einzelstaatlichen Eintragungsbehörden diejenigen Schriftstücke annehmen, die von den zuständigen Behörden in einem anderen Mitgliedstaat errichtet wurden und deren Verkehr nach dieser Verordnung vorgesehen ist. Insbesondere sollte das nach dieser Verordnung ausgestellte europäische Elternschaftszertifikat im Hinblick auf die Eintragung der Elternschaft in ein Register eines Mitgliedstaats ein gültiges Schriftstück darstellen. Da das Verfahren für die Ausstellung des europäischen Elternschaftszertifikats und dessen Inhalt und Wirkungen, wie in dieser Verordnung festgelegt, in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein sollten und das europäische Elternschaftszertifikat im Einklang mit den in dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften und dem anwendbaren Recht ausgestellt werden sollte, sollten die an der Eintragung beteiligten Behörden nicht verlangen, dass das europäische Elternschaftszertifikat zuerst in ein nationales Dokument über die Elternschaft umgesetzt wird. Dies sollte die an der Eintragung beteiligten Behörden nicht daran hindern, die Voraussetzungen für die Feststellung der Echtheit des europäischen Elternschaftszertifikats zu bestätigen oder von der Person, die die Eintragung beantragt, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, erforderlichen zusätzlichen Informationen zu verlangen, sofern diese Angaben nicht bereits im europäischen Elternschaftszertifikat enthalten sind. Die zuständige Behörde kann die Person, die die Eintragung beantragt, darauf hinweisen, wie die fehlenden Angaben beigebracht werden können. Die Auswirkungen der Eintragung der Elternschaft in ein Register (z. B. je nach einzelstaatlichem Recht, ob die Eintragung die Elternschaft begründet oder nur den Nachweis einer bereits begründeten Elternschaft liefert) sollten ebenfalls aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen und durch das Recht des Mitgliedstaats bestimmt werden, in dem das Register geführt wird.
(32)Diese Verordnung sollte keine Anwendung auf die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen über die Elternschaft, die in einem Drittstaat ergangen sind, oder auf die Anerkennung oder gegebenenfalls Annahme öffentlicher Urkunden über die Elternschaft, die in einem Drittstaat errichtet oder eingetragen worden sind, finden. Die Anerkennung oder Annahme solcher Dokumente sollte weiterhin den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eines jeden Mitgliedstaats unterliegen.
(33)„Begründung der Elternschaft“ sollte die rechtliche Bestimmung des Rechtsverhältnisses zwischen einem Kind und jedem Elternteil bedeuten, und sollte die Begründung der Elternschaft im Anschluss an eine Klage, mit der eine zuvor begründete Elternschaft angefochten wird, miteinschließen. Gegebenenfalls sollte diese Verordnung auch auf das Erlöschen oder die Beendigung der Elternschaft Anwendung finden.
(34)Ungeachtet der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften wird die Elternschaft in der Regel kraft Gesetzes oder durch die Handlung einer zuständigen Behörde begründet. Beispiele für die gesetzliche Begründung der Elternschaft sind für die entbindende Person die Elternschaft durch Geburt und hinsichtlich des Ehegattens oder eingetragenen Lebenspartners der entbindenden Person die Elternschaft aufgrund einer gesetzlichen Vermutung. Beispiele für die Begründung der Elternschaft durch die Handlung einer zuständigen Behörde sind die Begründung der Elternschaft durch eine gerichtliche Entscheidung (z. B. durch Adoption, in Verfahren, in denen die Elternschaft angefochten wird, oder in Verfahren, in denen die Elternschaft geltend gemacht wird, z. B. durch den Nachweis des Ersitzens der Elternschaft), durch eine notarielle Urkunde (z. B. durch Adoption oder in Fällen, in denen das Kind noch nicht geboren ist), durch eine Verwaltungsentscheidung (z. B. nach Anerkennung der Vaterschaft) oder durch Registrierung. Die Elternschaft wird in der Regel im Personenstands-, Personen- oder Melderegister eingetragen. Der Nachweis der Elternschaft kann durch das Schriftstück erbracht werden, mit dem die Elternschaft begründet wird (z. B. die gerichtliche Entscheidung, die notarielle Urkunde oder die Verwaltungsentscheidung, mit der die Elternschaft begründet wird). Der Nachweis der Elternschaft wird jedoch in den meisten Fällen durch die Eintragung der Elternschaft in das Register selbst, durch einen Auszug aus dem betreffenden Register oder durch eine Bescheinigung erbracht, die die im einschlägigen Register eingetragenen Angaben enthält (z. B. eine Geburtsurkunde oder eine Elternschaftsbescheinigung).
(35)Das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren eines Rechtsraums der Union unter Achtung der verschiedenen Rechtsordnungen und ‑traditionen der Mitgliedstaaten ist für die Union von grundlegender Bedeutung. In dieser Hinsicht sollte das gegenseitige Vertrauen in die jeweiligen Rechtssysteme weiter ausgebaut werden.
(36)Um die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft zu erleichtern, sollten in dieser Verordnung einheitliche Zuständigkeitsregeln für die Begründung der Elternschaft mit grenzüberschreitendem Bezug festgelegt werden. In dieser Verordnung sollte auch das Recht von Kindern unter 18 Jahren präzisiert werden, in Verfahren, die sie betreffen, Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu erhalten.
(37)Diese Verordnung sollte nicht die Frage berühren, welche Behörde in den einzelnen Mitgliedstaaten für Fragen der Elternschaft zuständig sind (z. B. Gerichte, Verwaltungsbehörden, Notare, Standesbeamte oder andere Behörden).
(38)Diese Verordnung sollte den unterschiedlichen Systemen für den Umgang mit Elternschaftssachen in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Was „öffentlicher Urkunden“ betrifft, so ermächtigen die Mitgliedstaaten häufig Behörden, wie Notare, Verwaltungsbehörden oder Standesbeamte, öffentliche Urkunden zur Begründung der Elternschaft zu errichten, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet oder eingetragen wurden, verbindliche Rechtswirkung haben („öffentliche Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung“), oder öffentliche Urkunden zu errichten, die keine verbindliche Rechtswirkung in dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet oder eingetragen wurden haben, aber in diesem Mitgliedstaat formelle Beweiskraft besitzen („öffentliche Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung“). Der Begriff „Ermächtigung“ in dieser Verordnung ist im Einklang mit der Definition des in den Rechtsinstrumenten der Union durchgängig verwendeten Begriffs „öffentliche Urkunde“ und in Anbetracht der Ziele dieser Verordnung autonom auszulegen.
(39)Um das Wohl des Kindes zu wahren, sollte die Zuständigkeit nach dem Kriterium der räumlichen Nähe bestimmt werden. Folglich sollte die Zuständigkeit nach Möglichkeit bei dem Mitgliedstaat liegen, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Um dem Kind jedoch den Zugang zur Justiz in einem Mitgliedstaat zu erleichtern, sollte die alternative Zuständigkeit auch dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt, dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners (z. B. der Person, für die das Kind die Elternschaft geltend macht), dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts eines Elternteils, dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit ein Elternteil besitzt, oder dem Mitgliedstaat der Geburt des Kindes eingeräumt werden.
(40)Im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs wird der gewöhnliche Aufenthalt anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ermittelt. Neben der physischen Anwesenheit des Kindes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, die belegen können, dass das Kind in keiner Weise vorübergehend oder nur gelegentlich in diesem Mitgliedstaat anwesend ist und dass die Anwesenheit ein gewisses Maß an Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld widerspiegelt, das in der Praxis den Mittelpunkt des Lebens des Kindes darstellt. Zu diesen Faktoren gehören die Dauer, die Regelmäßigkeit, die Bedingungen und die Gründe für den Aufenthalt des Kindes im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats sowie die Staatsangehörigkeit des Kindes, wobei die einschlägigen Faktoren je nach Alter des betreffenden Kindes variieren. Dazu gehören ebenfalls der Ort und die Bedingungen des Schulbesuchs des Kindes sowie die familiären und sozialen Beziehungen des Kindes in dem Mitgliedstaat. Ebenfalls berücksichtigt werden kann die Absicht der Eltern, sich mit dem Kind in einem bestimmten Mitgliedstaat niederzulassen, wenn diese Absicht durch konkrete Schritte wie den Kauf oder die Anmietung eines Wohnsitzes in dem betreffenden Mitgliedstaat zum Ausdruck kommt. Dagegen ist die Staatsangehörigkeit der entbindenden Person oder der frühere Wohnsitz dieser Person im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts unerheblich, während der Umstand, dass das Kind in diesem Mitgliedstaat geboren wurde und die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, unzureichend ist.
(41)Wird in dieser Verordnung für die Zwecke der Zuständigkeit oder des anzuwendenden Rechts auf die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt verwiesen, so ist die Frage, wie ein Kind oder ein Elternteil mit mehreren Staatsangehörigkeiten zu betrachten ist, eine Vorfrage, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt und dem einzelstaatlichen Recht, gegebenenfalls einschließlich internationaler Übereinkommen, unter uneingeschränkter Achtung der allgemeinen Grundsätze der Union überlassen werden sollte. Für die Zwecke dieser Verordnung kann ein Kind oder ein Elternteil mit mehreren Staatsangehörigkeiten das Gericht oder das Recht eines Mitgliedstaats wählen, dessen Staatsangehörigkeit es zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts oder zum Zeitpunkt der Begründung der Elternschaft besitzt.
(42)Kann die Zuständigkeit nicht auf der Grundlage der allgemeinen alternativen Zuständigkeitskriterien festgestellt werden, so sollten die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sein, in dem sich das Kind aufhält. Diese Regel aufgrund der Anwesenheit sollte es den Gerichten eines Mitgliedstaats insbesondere ermöglichen, ihre Zuständigkeit in Bezug auf Kinder aus Drittstaaten auszuüben, einschließlich Personen, die internationalen Schutz beantragen oder genießen, so etwa Kinder, die Flüchtlinge oder aufgrund von Unruhen im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts ihres Landes Vertriebene sind.
(43)Soweit sich aus dieser Verordnung keine Zuständigkeit eines Gerichts in einem Mitgliedstaat ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht des Mitgliedstaats, wobei die in diesem Mitgliedstaat geltenden internationalen Rechtsinstrumente berücksichtigt werden.
(44)Um Fällen von Rechtsverweigerung begegnen zu können, sollte in dieser Verordnung auch eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) vorgesehen werden, wonach ein Gericht eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über eine Elternschaftssache entscheiden kann, die einen engen Bezug zu einem Drittstaat aufweist. Ein solcher Ausnahmefall könnte gegeben sein, wenn ein Verfahren sich in dem betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist, beispielsweise aufgrund eines Bürgerkriegs, oder wenn vom Kind oder einem anderen Beteiligten vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass es/er ein Verfahren in diesem Staat einleitet oder führt. Die Notzuständigkeit sollte jedoch nur ausgeübt werden, wenn die Elternschaftssache einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweist.
(45)Im Interesse der Verfahrensökonomie und ‑effizienz sollten die Gerichte dieses Mitgliedstaats, wenn der Ausgang eines Verfahrens vor einem Gericht eines Mitgliedstaats, der nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, von der Beurteilung einer in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Vorfrage abhängt, durch die vorliegende Verordnung nicht an der Beurteilung dieser Frage gehindert werden. Geht es in dem Verfahren beispielsweise um eine Erbsache, in der das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Kind für die Zwecke des Verfahrens zu begründen ist, sollte es daher dem für die Erbsache zuständigen Mitgliedstaat erlaubt sein, diese Frage für das anhängige Verfahren zu beurteilen, ungeachtet dessen, ob er nach dieser Verordnung für Elternschaftssachen zuständig ist. Eine solche Beurteilung sollte im Einklang mit dem nach dieser Verordnung bestimmten anzuwendenden Recht vorgenommen werden und nur in dem Verfahren Rechtswirkung entfalten, für das sie vorgenommen wurde.
(46)Im Interesse einer geordneten Rechtspflege sollte vermieden werden, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten Entscheidungen ergehen, die miteinander unvereinbar sind. Hierzu sollte die Verordnung allgemeine Verfahrensvorschriften nach dem Vorbild anderer Rechtsinstrumente der Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen vorsehen.
(47)Eine solche Verfahrensvorschrift ist die Regel zur Rechtshängigkeit (lis pendens) die zum Tragen kommen sollte, wenn dieselbe Elternschaftssache bei verschiedenen Gerichten in verschiedenen Mitgliedstaaten anhängig gemacht wird. Diese Regel sollte bestimmen, welches Gericht mit der Elternschaftssache befasst werden soll.
(48)In dieser Verordnung sollte festgelegt werden, wann ein Gericht als im Sinne dieser Verordnung angerufen gilt. Da es in den Mitgliedstaaten die beiden unterschiedlichen Systeme gibt, denen zufolge entweder das verfahrenseinleitende Schriftstück zunächst dem Antragsgegner zugestellt oder zunächst beim Gericht eingereicht werden muss, sollte es ausreichen, dass der im nationalen Recht vorgesehene erste Schritt unternommen wurde, sofern der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm nach nationalem Recht obliegenden Maßnahmen zu treffen, damit der zweite Schritt durchgeführt werden kann.
(49)In Verfahren zur Begründung der Elternschaft nach dieser Verordnung sollte Kindern unter 18 Jahren, die Gegenstand eines solchen Verfahrens und in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich eine echte und wirksame Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben werden und diese Meinung sollte bei der Bewertung des Kindeswohls gebührend berücksichtigt werden. Nach der Verordnung sollte es allerdings weiterhin Sache der Mitgliedstaaten sein, in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren festzulegen, wer das Kind anhört und wie das Kind angehört wird. Außerdem hat das Kind zwar nach wie vor das Recht, angehört zu werden, doch stellt seine Anhörung keine absolute Verpflichtung dar, sondern muss unter Berücksichtigung des Kindeswohls beurteilt werden.
(50)Vorliegende Verordnung sollte für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit sorgen, indem gemeinsame Regeln für das auf die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen anzuwendende Recht vorgeschlagen werden. Mit diesen gemeinsamen Vorschriften sollen widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden, je nachdem, welche Gerichte oder welche anderen zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Elternschaft begründen, und es soll insbesondere die Annahme öffentlicher Urkunden erleichtert werden, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung, in diesem Mitgliedstaat aber formelle Beweiskraft haben.
(51)Grundsätzlich sollte für die Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Situationen das Recht des Staates gelten, in dem die entbindende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Anknüpfungspunkt sollte sicherstellen, dass das anzuwendende Recht in den allermeisten Fällen bestimmt werden kann, auch in Bezug auf Neugeborene, deren gewöhnlicher Aufenthalt schwierig zu ermitteln ist. Der Zeitpunkt der Geburt ist eng auszulegen und bezieht sich auf die häufigste Situation, in der die Elternschaft bei der Geburt kraft Gesetzes festgestellt und innerhalb weniger Tage nach der Geburt in das entsprechende Register eingetragen wird. Dieses Recht sollte sowohl in Fällen gelten, in denen die entbindende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Staat ihrer Niederkunft hat (was der Regelfall ist), als auch in Fällen, in denen die entbindende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem der Niederkunft hat (z. B. wenn die Geburt während einer Reise erfolgt). Das Recht des Staates, in dem die entbindende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sollte analog angewandt werden, wenn die Elternschaft des Kindes vor der Geburt des Kindes festgestellt werden muss. Um sicherzustellen, dass das anzuwendende Recht unter allen Umständen bestimmt werden kann, sollte das Recht des Geburtsstaats des Kindes in den seltenen Fällen Anwendung finden, in denen der gewöhnliche Aufenthalt der entbindenden Person zum Zeitpunkt der Niederkunft nicht festgestellt werden kann (z. B. im Falle einer geflüchteten oder aus ihrem Land vertriebenen Mutter).
(52)Führt das grundsätzlich anzuwendende Recht zur Begründung der Elternschaft von nur einem Elternteil (z. B. nur dem genetischen Elternteil eines gleichgeschlechtlichen Paares), so kann ausnahmsweise eine der beiden subsidiären Rechte, nämlich das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit eines der Elternteile besitzt, oder das Recht des Geburtsstaats des Kindes angewandt werden, um die Elternschaft in Bezug auf den zweiten Elternteil (z. B. den nicht genetischen Elternteil bei einem gleichgeschlechtlichen Paar) zu begründen. Da in diesen Fällen sowohl die Elternschaft des einen Elternteils als auch die Elternschaft des anderen Elternteils nach einem der in dieser Verordnung als anwendbar bezeichneten Rechte begründet würde, sollte die Elternschaft für jeden Elternteil, auch wenn sie von den Behörden verschiedener Mitgliedstaaten begründet wurde, nach den Bestimmungen dieser Verordnung in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, wenn die Elternschaft für jeden Elternteil von den Behörden eines Mitgliedstaats begründet wurde, dessen Gerichte nach dieser Verordnung zuständig sind.
(53)Das nach dieser Verordnung als anzuwendendes Recht bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.
(54)Um die Rechtssicherheit und die Kontinuität der Elternschaft sicherzustellen, sollte die Änderung des anwendbaren Rechts infolge eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts der Person, die das Kind entbunden hat, oder der Staatsangehörigkeit eines Elternteils die bereits bestehende Elternschaft nicht berühren, wenn die Elternschaft in einem Mitgliedstaat nach einem der in dieser Verordnung als anwendbar bezeichneten Rechte begründet wurde.
(55)Ein Betroffener kann eine einseitige Handlung vornehmen, die Rechtswirkung für eine begründete oder zu begründende Elternschaft entfalten soll, z. B. die Anerkennung der Vaterschaft oder die Zustimmung eines Ehegatten zum Einsatz von reproduktionsmedizinischen Verfahren. Eine solche Rechtshandlung sollte förmlich wirksam sein, wenn sie den Formerfordernissen des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts genügt, d. h. des Rechts des Staates, in dem die Person, die die Handlung vornimmt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder des Rechts des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde.
(56)Aus Gründen des öffentlichen Interesses sollte den Gerichten und anderen mit der Begründung der Elternschaft befassten zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen die Möglichkeit gegeben werden, Bestimmungen eines ausländischen Rechts nicht zu berücksichtigen, wenn deren Anwendung in dem bestimmten Fall mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar wäre. Die Gerichte oder anderen zuständigen Behörden sollten Ausnahmen aufgrund der Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung aber nicht anwenden können, um das Recht eines anderen Staates unangewendet zu lassen, wenn dies gegen die Charta und insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 21 verstoßen würde.
(57)Da es Staaten gibt, in denen die in dieser Verordnung behandelten Fragen durch zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke geregelt werden, sollte festgelegt werden, inwieweit diese Verordnung in den verschiedenen Gebietseinheiten dieser Staaten Anwendung findet.
(58)Diese Verordnung sollte die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und errichteten öffentlichen Urkunden mit bindender Rechtswirkung zur Begründung der Elternschaft vorsehen.
(59)Je nach einzelstaatlichem Recht kann eine öffentliche Urkunde, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat begründet wird, beispielsweise eine notarielle Adoptionsurkunde oder eine Verwaltungsentscheidung zur Begründung der Elternschaft nach Anerkennung der Vaterschaft sein. Diese Verordnung sollte auch die Annahme von öffentlichen Urkunden vorsehen, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung haben, aber in diesem Mitgliedstaat beweiskräftig sind. Je nach einzelstaatlichem Recht kann eine solche öffentliche Urkunde, beispielsweise eine Geburtsurkunde oder eine Elternschaftsbescheinigung, zum Nachweis der im Ursprungsmitgliedstaat begründeten Elternschaft dienen (unabhängig davon, ob die Elternschaft kraft Gesetzes oder durch die Handlung einer zuständigen Behörde, etwa durch eine gerichtliche Entscheidung, eine notarielle Urkunde, eine Verwaltungsentscheidung oder die Eintragung in ein Register begründet wurde).
(60)Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege in der Union rechtfertigt den Grundsatz, dass gerichtliche Entscheidungen, die die Elternschaft in einem Mitgliedstaat begründen, in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden sollten, ohne dass es eines Anerkennungsverfahrens bedarf. Insbesondere wenn ihnen eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung vorgelegt wird, mit der die Elternschaft begründet wird und die im Ursprungsmitgliedstaat nicht mehr angefochten werden kann, sollten die zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats die Entscheidung von Rechts wegen anerkennen, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf, und ihre Personenstandsregister hinsichtlich der Elternschaft aktualisieren.
(61)Es sollte dem einzelstaatlichen Recht überlassen bleiben, ob die Versagungsgründe von einer Partei oder von Amts wegen geltend gemacht werden können. Dies sollte nicht ausschließen, dass eine betroffene Partei, die die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft als Hauptfrage in einem Rechtsstreit geltend machen möchte, bei einem Gericht die Feststellung beantragen kann, dass keine Gründe für eine Versagung der Anerkennung dieser gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Es sollte dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats, in dem ein derartiger Antrag gestellt wird, überlassen bleiben, zu bestimmen, wer als interessierte Partei betrachtet werden kann, die berechtigt ist, einen solchen Antrag zu stellen.
(62)Die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen in Elternschaftssachen in einem Mitgliedstaat sollte auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen. Daher sollten die Gründe für die Versagung der Anerkennung im Hinblick auf das dieser Verordnung zugrunde liegende Ziel, die Anerkennung der Elternschaft zu erleichtern und die Rechte der Kinder und das Kindeswohl in grenzüberschreitenden Situationen wirksam zu schützen, auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
(63)Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung sollte nur versagt werden, wenn einer oder mehrere der in dieser Verordnung vorgesehenen Gründe für die Nichtanerkennung vorliegen. Die Auflistung der Gründe für die Versagung der Anerkennung in dieser Verordnung ist erschöpfend. Es sollte nicht möglich sein, in dieser Verordnung nicht aufgeführte Gründe, wie z. B. einen Verstoß gegen die Regel zur Rechtshängigkeit, als Gründe für die Versagung geltend zu machen. Eine spätere Gerichtsentscheidung sollte stets an die Stelle einer früheren Gerichtsentscheidung treten, sollten sie untereinander unvereinbar sein.
(64)Was die einem Kind unter 18 Jahren gebotene Gelegenheit zur Meinungsäußerung anbelangt, so sollte es Sache des Ursprungsgerichts sein, über die angemessene Art und Weise der Anhörung des Kindes zu entscheiden. Daher sollte es nicht möglich sein, die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung einzig und allein aus dem Grund zu versagen, dass das Ursprungsgericht die Anhörung des Kindes auf andere Weise vorgenommen hat als dies ein Gericht im Mitgliedstaat der Anerkennung tun würde.
(65)Öffentliche Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat sollten für die Zwecke der Rechtsvorschriften über die Anerkennung in dieser Verordnung „gerichtlichen Entscheidungen“ gleichgestellt werden.
(66)Obwohl die in dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung, Kindern unter 18 Jahren Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu geben, nicht für öffentliche Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung gelten sollte, sollte das Recht des Kindes auf Meinungsäußerung nach Artikel 24 der Charta und nach Artikel 12 des in nationale Rechtsvorschriften und Verfahren umgesetzten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes weiter Anwendung finden. Die Tatsache, dass Kindern nicht die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Meinung zu äußern, sollte nicht automatisch ein Grund für die Versagung der Anerkennung von öffentlichen Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung sein.
(67)Die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung zur Begründung der Elternschaft oder einer in einem anderen Mitgliedstaat errichteten oder eingetragenen öffentlichen Urkunde mit verbindlicher Rechtswirkung zur Begründung der Elternschaft nach dieser Verordnung in einem Mitgliedstaat sollte nicht die Anerkennung einer etwaigen Ehe oder eingetragenen Partnerschaft der Eltern des Kindes, dessen Elternschaft begründet wurde oder begründet werden soll, beinhalten.
(68)Um den unterschiedlichen Systemen des Umgangs mit der Elternschaft in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung sicherstellen, dass öffentliche Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat, in allen Mitgliedstaaten angenommen werden. Solche öffentlichen Urkunden können Beweiskraft für die bereits begründete Elternschaft oder für andere Tatsachen haben. Je nach einzelstaatlichen Recht kann es sich bei öffentlichen Urkunden zum Nachweis der Elternschaft beispielsweise um eine Geburtsurkunde, eine Elternschaftsbescheinigung oder einen Auszug aus dem Geburtsregister handeln. Öffentliche Urkunden zum Nachweis anderer Tatsachen können beispielsweise ein notarielles oder verwaltungsrechtliches Schriftstück sein, in dem eine Vaterschaftsanerkennung beurkundet wird, ein notarielles oder verwaltungsrechtliches Schriftstück, in dem die Zustimmung der Mutter oder des Kindes zur Begründung der Elternschaft beurkundet wird, ein notarielles oder verwaltungstechnisches Schriftstück, in dem die Zustimmung eines Ehegatten zum Einsatz von reproduktionsmedizinischen Verfahren beurkundet wird, oder ein notarielles oder verwaltungsrechtliches Schriftstück, in dem das Ersitzen der Elternschaft beurkundet wird.
(69)Öffentliche Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat sollten in einem anderen Mitgliedstaat dieselbe Beweiskraft haben wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung entfalten. Die formelle Beweiskraft einer solchen öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung sollte durch Bezugnahme auf Art und Umfang der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat bestimmt werden. Somit richtet sich die formelle Beweiskraft, die eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat haben sollte, nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats.
(70)Die „Authentizität“ einer öffentlichen Urkunde, die keine verbindliche Rechtswirkung in dem Ursprungsmitgliedstaat, aber in diesem Mitgliedstaat formelle Beweiskraft besitzt, sollte ein autonomer Begriff sein, der Aspekte wie die Echtheit der Urkunde, die Formerfordernisse für die Urkunde, die Befugnisse der Behörde, die die Urkunde errichtet, und das Verfahren, nach dem die Urkunde errichtet wird, erfassen sollte. Sie sollte sich auch auf die in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Sachverhalte erstrecken. Eine Partei, die Einwände in Bezug auf die Authentizität einer solchen öffentlichen Urkunde erheben möchte, sollte dies bei dem zuständigen Gericht im Ursprungsmitgliedstaat der öffentlichen Urkunde nach dem Recht dieses Mitgliedstaats tun.
(71)Die Begriffe „Rechtshandlung“ (z. B. Anerkennung der Vaterschaft oder Zustimmung) und „Rechtsbeziehung“ (z. B. die Elternschaft eines Kindes), die in einer öffentlichen Urkunde ohne Beweiskraft im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat niedergelegt sind, sollten dahin gehend ausgelegt werden, dass sie sich auf den in der öffentlichen Urkunde niedergelegten materiellen Inhalt beziehen. Eine Partei, die einen in der öffentlichen Urkunde eingetragenen Rechtsakt oder ein Rechtsverhältnis anfechten möchte, sollte dies vor den nach dieser Verordnung zuständigen Gerichten tun, die nach dem in dieser Verordnung für die Begründung der Elternschaft anzuwendenden Recht über die Anfechtung entscheiden sollten.
(72)Wird eine Frage mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung, aber in diesem Mitgliedstaat Beweiskraft besitzt, beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse als Vorfrage in einem Verfahren bei einem Gericht eines Mitgliedstaats vorgebracht, so sollte dieses Gericht für die Entscheidung über diese Vorfrage zuständig sein.
(73)Wird eine öffentliche Urkunde angefochten, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung, aber in diesem Mitgliedstaat Beweiskraft besitzt, so sollte sie keine Beweiskraft in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat entfalten, solange die Anfechtung anhängig ist. Betrifft die Anfechtung nur einen spezifischen Aspekt des in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfts oder Rechtsverhältnisses, so sollte die öffentliche Urkunde in Bezug auf den angefochtenen Aspekt keine Beweiskraft in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat entfalten, solange die Anfechtung anhängig ist. Eine öffentliche Urkunde, die aufgrund eines Einwands für ungültig erklärt wird, sollte keine Beweiskraft mehr entfalten.
(74)Wenn einer Behörde in Anwendung dieser Verordnung zwei unvereinbare öffentliche Urkunden vorgelegt werden, die keine Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründen, aber in ihrem jeweiligen Ursprungsmitgliedstaat Beweiskraft haben, sollte sie die Frage, welche öffentliche Urkunde gegebenenfalls Vorrang erhalten sollte, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls prüfen. Ergibt sich aus diesen Umständen nicht, welche dieser öffentlichen Urkunden gegebenenfalls Vorrang haben sollte, so sollte die Frage von den nach dieser Verordnung zuständigen Gerichten oder, wenn die Frage als Vorfrage im Laufe des Verfahrens gestellt wird, von dem mit diesem Verfahren befassten Gericht entschieden werden.
(75)Erwägungen des öffentlichen Interesses sollten es den Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden ermöglichen, unter außergewöhnlichen Umständen die Anerkennung oder gegebenenfalls Annahme einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft zu versagen, wenn eine solche Anerkennung oder Annahme in einem bestimmten Fall mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar wäre. Die Gerichte oder anderen zuständigen Behörden sollten die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung oder einer in einem anderen Mitgliedstaat errichteten öffentlichen Urkunde jedoch nicht verweigern können, wenn dies gegen die Charta, insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 21, verstoßen würde.
(76)Damit die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft rasch, reibungslos und effizient erfolgen kann, sollten Kinder oder ihre Eltern in der Lage sein, den Status des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat leicht nachzuweisen. Zu diesem Zweck sollte diese Verordnung die Einführung eines einheitlichen Zertifikats, des europäischen Elternschaftszertifikats, vorsehen, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird. Um das Subsidiaritätsprinzip zu wahren, sollte das europäische Elternschaftszertifikat nicht die innerstaatlichen Schriftstücke ersetzen, die gegebenenfalls in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden.
(77)Die das europäische Elternschaftszertifikat ausstellende Behörde sollte die Formalitäten beachten, die für die Begründung der Elternschaft in dem Mitgliedstaat, in dem das Register geführt wird, vorgesehen sind. Diese Verordnung sollte hierfür einen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über diese Formalitäten vorsehen.
(78)Die Verwendung des europäischen Elternschaftszertifikats sollte nicht verpflichtend sein. Dies bedeutet, dass Personen, die berechtigt sind, ein europäisches Elternschaftszertifikat zu beantragen, d. h. das Kind oder ein gesetzlicher Vertreter, nicht zur Verwendung des europäischen Elternschaftszertifikats verpflichtet sein sollten und dass es ihnen freistehen sollte, die anderen nach dieser Verordnung zur Verfügung stehenden Urkunden (Gerichtsentscheidungen oder öffentliche Urkunden) vorzulegen, wenn sie die Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat beantragen. Keine Behörde oder Person, der ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes europäisches Elternschaftszertifikat vorgelegt wird, sollte jedoch verlangen können, dass anstelle des europäischen Elternschaftszertifikats eine gerichtliche Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde vorzulegen ist.
(79)Das europäische Elternschaftszertifikat sollte in dem Mitgliedstaat ausgestellt werden, in dem die Elternschaft begründet wurde und dessen Gerichte nach dieser Verordnung zuständig sind. Es sollte Sache der einzelnen Mitgliedstaaten sein, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften festzulegen, welche Behörden für die Ausstellung des europäischen Elternschaftszertifikats zuständig sind, unabhängig davon, ob es sich um Gerichte oder andere Behörden handelt, die für Elternschaftssachen zuständig sind, z. B. Verwaltungsbehörden, Notare oder Standesbeamte. Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission die einschlägigen Informationen über die Behörden übermitteln, die nach nationalem Recht zur Ausstellung des europäischen Elternschaftszertifikats befugt sind, damit diese Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden können.
(80)Während der Inhalt und die Wirkungen einer einzelstaatlichen öffentlichen Urkunde zum Nachweis der Elternschaft (z. B. Geburtsurkunde oder Elternschaftsbescheinigung) je nach Herkunftsmitgliedstaat unterschiedlich sind, sollte das europäische Elternschaftszertifikat denselben Inhalt haben und in allen Mitgliedstaaten die gleiche Wirkung entfalten. Sie sollte formelle Beweiskraft haben und präzise Angaben enthalten, die nach dem nach dieser Verordnung auf die Begründung der Elternschaft anzuwendenden Recht festgelegt wurden. Die Beweiskraft des europäischen Elternschaftszertifikats sollte sich nicht auf Sachverhalte erstrecken, die nicht unter diese Verordnung fallen, wie den Personenstand der Eltern des Kindes, dessen Elternschaft betroffen ist. Während die Sprache einer nationalen öffentlichen Urkunde, die den Nachweis der Elternschaft erbringt, in der Sprache des Ursprungsmitgliedstaats ausgestellt wird, ist das dieser Verordnung beigefügte Formular für das europäische Elternschaftszertifikat in allen Sprachen der Union verfügbar.
(81)Das Gericht oder die sonstigen zuständigen Behörden sollten das europäische Elternschaftszertifikat auf Antrag ausstellen. Das Original des europäischen Elternschaftszertifikats sollte bei der ausstellenden Behörde verbleiben, die dem Antragsteller oder einem gesetzlichen Vertreter eine oder mehrere beglaubigte Abschriften des europäischen Elternschaftszertifikats ausstellt. Angesichts der in den überwiegenden Fällen geltenden Unumkehrbarkeit des Elternschaftsstatus ist die Gültigkeitsdauer der Abschriften des europäischen Elternschaftszertifikats nicht begrenzt, unbeschadet der Möglichkeit, das europäische Elternschaftszertifikat erforderlichenfalls zu berichtigen, zu ändern, auszusetzen oder zu widerrufen. Diese Verordnung sollte Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der ausstellenden Behörde vorsehen, einschließlich der Entscheidung, die Ausstellung eines europäischen Elternschaftszertifikats zu versagen. Wird das europäische Elternschaftszertifikat berichtigt, geändert, ausgesetzt oder entzogen, so sollte die ausstellende Behörde die Personen, denen beglaubigte Abschriften ausgestellt wurden, davon in Kenntnis setzen, um eine widerrechtliche Verwendung solcher Abschriften zu vermeiden.
(82)Diese Verordnung sollte natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern und Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden moderne Zugangsmittel zur Justiz zur Verfügung stellen und ihnen so ermöglichen, elektronisch über den durch die Verordnung (EU) .../... [Digitalisierungsverordnung] eingerichteten europäischen elektronischen Zugangspunkt auf dem Europäischen Justizportal zu kommunizieren. Die Kohärenz mit der [Digitalisierungsverordnung] sollte sichergestellt werden. Daher sollte in dieser Verordnung erforderlichenfalls auf die [Digitalisierungsverordnung] Bezug genommen werden, auch hinsichtlich der Begriffsbestimmungen von „dezentrales IT-System“ und „europäischer elektronischer Zugangspunkt“. Der europäische elektronische Zugangspunkt ist Teil eines dezentralen IT-Systems. Das dezentrale IT-System sollte aus den Back-End-Systemen der Mitgliedstaaten und interoperablen Zugangsstellen, einschließlich des europäischen elektronischen Zugangspunkts, bestehen, über die sie vernetzt werden sollten. Die Zugangspunkte des dezentralen IT-Systems sollten auf dem e‑CODEX-System basieren das in Verordnung (EU) 2022/850 eingerichtet wurde. Der Europäische Interoperabilitätsrahmen bietet das Referenzkonzept für die Umsetzung interoperabler politischer Maßnahmen.
(83)Der europäische elektronische Zugangspunkt sollte es natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern ermöglichen, einen Antrag auf Ausstellung eines europäischen Elternschaftszertifikats zu stellen und dieses auf elektronischem Wege zu empfangen und zu versenden. Über ihn sollte es auch möglich sein, auf elektronischem Wege mit Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in Verfahren zu kommunizieren, in denen festgestellt werden soll, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft vorliegen, oder in Verfahren, in denen beantragt wird, die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft zu versagen. Die Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden sollten mit den Bürgern über den europäischen elektronischen Zugangspunkt kommunizieren, wenn der Bürger der Nutzung dieses Kommunikationsmittels zuvor ausdrücklich zugestimmt hat.
(84)Diese Verordnung sollte die Anwendung der Übereinkommen Nr. 16, Nr. 33 und Nr. 34 der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) über mehrsprachige Auszüge aus Personenstandsbüchern und mehrsprachige Geburtsurkunden für den Verkehr zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat nicht berühren.
(85)Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung in Bezug auf die Einrichtung des dezentralen IT-Systems für die Zwecke dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates ausgeübt werden.
(86)Um sicherzustellen, dass die Bescheinigungen nach den Kapiteln IV und V und das europäische Elternschaftszertifikat nach Kapitel VI dieser Verordnung auf dem neuesten Stand gehalten werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, nach Artikel 290 AEUV Rechtsakte anzunehmen, um Anhänge I bis V dieser Verordnung zu ändern. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen im Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte zu sorgen, erhält der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und deren Sachverständige haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.
(87)Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, sollte diese Verordnung die Anwendung internationaler Übereinkommen nicht berühren, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören. Um den Zugang zu den Regelungen zu erleichtern, sollte die Kommission anhand der Angaben der Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der betreffenden Übereinkommen auf dem Europäischen Justizportal veröffentlichen. Um die allgemeinen Ziele dieser Verordnung zu wahren, muss die Verordnung jedoch im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünften haben, soweit diese Übereinkünfte Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind.
(88)Auf Übereinkünfte mit einem oder mehreren Drittstaaten, die von einem Mitgliedstaat vor dem Tag seines Beitritts zur Union geschlossen wurden, findet Artikel 351 AEUV Anwendung.
(89)Die Kommission sollte die von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben über das Europäische Justizportal veröffentlichen und aktualisieren.
(90)Die vorliegende Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die Anwendung von Artikel 7 über das Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, Artikel 21 über das Diskriminierungsverbot und Artikel 24 über den Schutz der Rechte des Kindes zu fördern.
(91)Diese Verordnung sollte im Einklang mit dem Datenschutzrecht der Union und dem in der Charta verankerten Schutz der Privatsphäre angewandt werden. Jede Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (in Folgenden „Datenschutz-Grundverordnung“), der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden „EU-Datenschutzverordnung“) und der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates erfolgen.
(92)Bei der Anwendung dieser Verordnung müssen Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden möglicherweise personenbezogene Daten für die Zwecke der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und der Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten verarbeiten. Dies umfasst die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Begründung der Elternschaft in einem grenzüberschreitenden Fall, die Ausstellung von Bescheinigungen, die Gerichtsentscheidungen oder öffentlichen Urkunden beigefügt sind, die Ausstellung eines europäischen Elternschaftszertifikats, die Vorlage von Schriftstücken zur Anerkennung der Elternschaft, die Erlangung einer Entscheidung, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft vorliegen, oder den Antrag auf Versagung der Anerkennung der Elternschaft. Personenbezogene Daten, die von Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden nach dieser Verordnung verarbeitet werden, sind in den Dokumenten enthalten, die von den Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden für die oben genannten Zwecke bearbeitet werden. Die verarbeiteten personenbezogenen Daten betreffen insbesondere Kinder, ihre Eltern und ihre gesetzlichen Vertreter. Personenbezogene Daten, die von Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden verarbeitet werden, sollten im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung, verarbeitet werden. Darüber hinaus kann es für die Kommission bei der Anwendung dieser Verordnung erforderlich sein, über den europäischen elektronischen Zugangspunkt im Rahmen des dezentralen IT-Systems personenbezogene Daten im Zusammenhang mit der elektronischen Kommunikation zwischen natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern und den Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Beantragung, Entgegenahme und Übermittlung eines europäischen Elternschaftszertifikats oder in Verfahren zur Anerkennung oder Versagung der Anerkennung der Elternschaft zu verarbeiten. Die von der Kommission verarbeiteten personenbezogenen Daten sollten im Einklang mit der EU-Datenschutzverordnung verarbeitet werden.
(93)Diese Verordnung sollte die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden nach Artikel 6 Absatz 1 und 3 der Datenschutz-Grundverordnung und durch die Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 und 2 der EU-Datenschutzverordnung bilden. Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung erfüllt die Anforderungen des Artikels 9 Absatz 2 der Datenschutz-Grundverordnung, da die Daten von Gerichten verarbeitet werden, die nach Buchstabe f in ihrer gerichtlichen Eigenschaft handeln, oder die Verarbeitung ist nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe g der Datenschutz-Grundverordnung aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses auf der Grundlage der vorliegenden Verordnung erforderlich, da diese zum Ziel hat, die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden über die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu erleichtern, um den Schutz der Grundrechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen innerhalb der Union sicherzustellen. Ebenso erfüllt die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach dieser Verordnung die Anforderungen des Artikels 10 Absatz 2 EU-Datenschutzverordnung, da die Verarbeitung von Daten für die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen nach Buchstabe f oder aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses auf der Grundlage dieser Verordnung nach Buchstabe g erforderlich ist.
(94)Personenbezogene Daten sollten im Rahmen dieser Verordnung nur für die darin genannten spezifischen Zwecke verarbeitet werden, unbeschadet einer Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 89 der Datenschutz-Grundverordnung, da die Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden, sobald die Elternschaft in einer grenzüberschreitenden Situation begründet oder anerkannt wurde, möglicherweise personenbezogene Daten für Archivzwecke im öffentlichen Interesse verarbeiten müssen. Da diese Verordnung die grenzüberschreitenden Aspekte der Elternschaft betrifft, bei denen es sich um eine Frage des Personenstands handelt, die für einen unbestimmten Zeitraum weiterhin relevant sein kann, sollte diese Verordnung die Speicherfrist für verarbeitete Informationen und personenbezogene Daten nicht beschränken.
(95)Für die Zwecke der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen, der Ausstellung von Bescheinigungen, die Gerichtsentscheidungen oder öffentlichen Urkunden beigefügt sind, der Ausstellung eines europäischen Elternschaftszertifikats, der Vorlage von Schriftstücken zur Anerkennung der Elternschaft, der Erlangung einer Feststellung, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft vorliegen, oder des Antrags auf Versagung der Anerkennung der Elternschaft, sollten die Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden, die von den Mitgliedstaaten zur Anwendung dieser Verordnung ermächtigt wurden, als Verantwortliche im Sinne von Artikel 4 Nummer 7 der Datenschutz-Grundverordnung gelten. Für die Zwecke der technischen Verwaltung, Entwicklung, Wartung, Sicherheit und Unterstützung des europäischen elektronischen Zugangspunkts und der Kommunikation zwischen natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern und den Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über den europäischen elektronischen Zugangspunkt und das dezentrale IT-System sollte die Kommission als Verantwortliche im Sinne von Artikel 3 Nummer 8 der EU-Datenschutzverordnung gelten. Die für die Verarbeitung Verantwortlichen sollten die Sicherheit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit der für die oben genannten Zwecke verarbeiteten Daten sicherstellen.
(96)Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde nach Artikel 42 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates angehört und hat am [Datum] eine Stellungnahme abgegeben.
(97)[Nach den Artikeln 1, 2 und 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist durch sie weder gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.] ODER
(97a)[Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland [mit Schreiben vom …] mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte.]
(98)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist durch sie weder gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
(99)Da die Ziele dieser Verordnung aufgrund der Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und Urkunden auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, sondern wegen der unmittelbaren Geltung und Verbindlichkeit dieser Verordnung besser auf Unionsebene zu erreichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
KAPITEL I
GEGENSTAND, ANWENDUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Artikel 1
Gegenstand
Diese Verordnung enthält gemeinsame Vorschriften über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht für die Begründung der Elternschaft in einem Mitgliedstaat in grenzüberschreitenden Fällen, gemeinsame Regeln für die Anerkennung oder gegebenenfalls die Annahme gerichtlicher Entscheidungen über die Elternschaft in einem Mitgliedstaat sowie öffentlicher Urkunden über die Elternschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat errichtet oder eingetragen wurden, und führt ein europäisches Elternschaftszertifikat ein.
Artikel 2
Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften des Unionsrechts
(1)Diese Verordnung lässt die Rechte unberührt, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, insbesondere die Rechte, die einem Kind nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit, einschließlich der Richtlinie 2004/38/EG, zustehen. Insbesondere berührt diese Verordnung nicht die Beschränkungen in Bezug auf den Rückgriff auf die öffentliche Ordnung als Rechtfertigung für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft, wenn die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit verpflichtet sind, ein von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates ausgestelltes Dokument zur Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses für die Zwecke der Ausübung der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte anzuerkennen.
(2)Die vorliegende Verordnung lässt die Verordnung (EU) 2016/1191, insbesondere in Bezug auf öffentliche Urkunden über Geburt, Elternschaft und Adoption im Sinne der genannten Verordnung, unberührt.
Artikel 3
Anwendungsbereich
(1)Diese Verordnung gilt für Zivilsachen der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen.
(2)Diese Verordnung gilt nicht für
a)das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer Ehe oder einer Beziehung, die nach dem auf diese Beziehung anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen hat, wie etwa eine eingetragene Partnerschaft,
b)Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung,
c)die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen,
d)die Volljährigkeitserklärung,
e)länderübergreifende Adoptionen,
f)Unterhaltspflichten,
g)Trusts oder Erbschaften,
h)die Staatsangehörigkeit,
i)die rechtlichen Anforderungen an die Eintragung der Elternschaft in ein Register eines Mitgliedstaats und die Auswirkungen der Eintragung oder Nichteintragung der Elternschaft in ein Register eines Mitgliedstaats.
(3)Diese Verordnung gilt nicht für die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen über die Begründung der Elternschaft, die in einem Drittstaat ergangen sind, oder für die Anerkennung oder gegebenenfalls Annahme öffentlicher Urkunden über die Begründung oder den Nachweis der Elternschaft, die in einem Drittstaat errichtet oder eingetragen worden sind.
Artikel 4
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
1.„Elternschaft“ das gesetzlich begründete Eltern-Kind-Verhältnis. Dazu gehört auch die Rechtsstellung des Kindes eines oder mehrerer Elternteile;
2.„Kind“ eine Person jedes Alters, deren Elternschaft, begründet, anerkannt oder nachgewiesen werden soll;
3.„Begründung der Elternschaft“ die rechtliche Festsetzung des Verhältnisses zwischen einem Kind und jedem seiner Elternteile, einschließlich der Begründung der Elternschaft im Anschluss an die Anfechtung einer zuvor begründeten Elternschaft;
4.„Gericht“ eine Behörde in einem Mitgliedstaat, die gerichtliche Funktionen in Sachen ausübt, die die Elternschaft betreffen;
5.„gerichtliche Entscheidung“ die von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung, einschließlich einer Verfügung, eines Beschlusses oder eines Urteils, in Sachen, die die Elternschaft betreffen;
6.„öffentliche Urkunde“ ein Schriftstück in Elternschaftssachen, das als öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft
a)sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht und
b)durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist;
7.„Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die gerichtliche Entscheidung ergangen ist, die öffentliche Urkunde förmlich errichtet oder eingetragen worden ist oder das europäische Elternschaftszertifikat ausgestellt worden ist;
8.„dezentrales IT-System“ ein IT-System im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der [Digitalisierungsverordnung];
9.„europäischer elektronischer Zugangspunkt“ einen interoperablen Zugangspunkt im Sinne des Artikels 2 Nummer 5 der [Digitalisierungsverordnung].
Artikel 5
Zuständigkeit für Fragen, die die Elternschaft betreffen, innerhalb der Mitgliedstaaten
Diese Verordnung berührt nicht die innerstaatlichen Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten in Fragen, die die Elternschaft betreffen.
KAPITEL II
GERICHTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT
Artikel 6
Allgemeine Zuständigkeit
Für Entscheidungen über die Elternschaft sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig,
a)in dessen Hoheitsgebiet das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatte oder
b)dessen Staatsangehörigkeit das Kind zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatte oder
c)in dessen Hoheitsgebiet der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatte oder
d)in dessen Hoheitsgebiet einer der Elternteile seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatte oder
e)dessen Staatsangehörigkeit einer der Elternteile zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatte oder
f)in dem das Kind geboren wurde.
Artikel 7
Zuständigkeit aufgrund der Anwesenheit des Kindes
Kann die gerichtliche Zuständigkeit nicht nach Artikel 6 festgelegt werden, üben die Gerichte des Mitgliedstaats die Gerichtsbarkeit aus, in dem sich das Kind aufhält.
Artikel 8
Restzuständigkeit
Soweit sich aus den Artikeln 6 oder 7 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats.
Artikel 9
Notzuständigkeit (forum necessitatis)
Ist kein Gericht eines Mitgliedstaats aufgrund anderer Vorschriften dieser Verordnung zuständig, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen in Fragen der Elternschaft entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen.
Die Sache muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen.
Artikel 10
Vorfragen
(1)Hängt der Ausgang eines Verfahrens in einer nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Sache vor einem Gericht eines Mitgliedstaats von der Beurteilung einer Vorfrage zur Elternschaft ab, so kann ein Gericht in dem betreffenden Mitgliedstaat diese Vorfrage für die Zwecke dieses Verfahrens beurteilen, selbst wenn dieser Mitgliedstaat nach dieser Verordnung nicht zuständig ist.
(2)Die Beurteilung einer Vorfrage nach Absatz 1 entfaltet nur in dem Verfahren, für das diese Beurteilung vorgenommen wurde, rechtliche Wirkung.
Artikel 11
Anrufung eines Gerichts
Ein Gericht gilt als angerufen:
a)zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken,
b)falls die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen, oder
c)falls das Gericht das Verfahren von Amts wegen einleitet, zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss über die Einleitung des Verfahrens vom Gericht gefasst oder, wenn ein solcher Beschluss nicht erforderlich ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Sache beim Gericht eingetragen wird.
Artikel 12
Prüfung der Zuständigkeit
Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit in der Hauptsache hat und für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung in der Hauptsache zuständig ist.
Artikel 13
Prüfung der Zulässigkeit
(1)Lässt sich ein Antragsgegner, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Mitgliedstaat hat, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so hat das zuständige Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte, oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden.
(2)Artikel 22 der Verordnung (EU) 2020/1784 findet anstelle von Absatz 1 Anwendung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war.
(3)Ist die Verordnung (EU) 2020/1784 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des genannten Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war.
Artikel 14
Rechtshängigkeit
(1)Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt jedes später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
(2)In den in Absatz 1 genannten Fällen teilt das angerufene Gericht auf Antrag eines anderen angerufenen Gerichts diesem unverzüglich mit, wann es angerufen wurde.
(3)Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich jedes später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig.
Artikel 15
Recht von Kindern auf Meinungsäußerung
(1)Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit im Rahmen dieser Verordnung gewähren die Gerichte der Mitgliedstaaten im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren Kindern, die jünger als 18 Jahre alt sind und deren Eltern-Kind-Verhältnis begründet werden soll und die fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, eine echte und wirksame Gelegenheit, diese Meinung direkt oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle zu äußern.
(2)Gibt das Gericht im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren Kindern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Gelegenheit zur Meinungsäußerung nach diesem Artikel, so misst es der Meinung der Kinder entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife gebührendes Gewicht bei.
KAPITEL III
ANZUWENDENDES RECHT
Artikel 16
Universelle Anwendung
Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.
Artikel 17
Anzuwendendes Recht
(1)Das auf die Begründung der Elternschaft anzuwendende Recht ist das Recht des Staates, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der gewöhnliche Aufenthalt der gebärenden Person zum Zeitpunkt der Niederkunft nicht bestimmt werden kann, das Recht des Staates, in dem das Kind geboren wurde.
(2)Führt das nach Absatz 1 anzuwendende Recht zur Begründung der Elternschaft in Bezug auf nur einen Elternteil, so kann ungeachtet des Absatzes 1 das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit dieser Elternteil oder der zweite Elternteil besitzt, oder das Recht des Staates, in dem das Kind geboren ist, auf die Begründung der Elternschaft in Bezug auf den zweiten Elternteil Anwendung finden.
Artikel 18
Reichweite des anzuwendenden Rechts
Das Recht, das nach dieser Verordnung als das auf die Begründung der Elternschaft anzuwendende Recht bestimmt wird, regelt insbesondere:
a)die Verfahren zur Begründung oder Anfechtung der Elternschaft,
b)die verbindliche Rechtswirkung und/oder die Beweiskraft öffentlicher Urkunden,
c)die Prozessführungsbefugnis von Personen in Verfahren zur Begründung oder Anfechtung der Elternschaft,
d)etwaige Fristen für die Begründung oder Anfechtung der Elternschaft.
Artikel 19
Wechsel des anzuwendenden Rechts
Wurde die Elternschaft nach dieser Verordnung in einem Mitgliedstaat begründet, so hat eine spätere Änderung des anzuwendenden Rechts keine Auswirkungen auf die bereits begründete Elternschaft.
Artikel 20
Formgültigkeit
(1)Ein einseitiger Rechtsakt, der Rechtswirkung auf die Begründung der Elternschaft entfalten soll, ist hinsichtlich seiner Form gültig, wenn er die Voraussetzungen eines der folgenden Rechte erfüllt:
a)das auf die Begründung der Elternschaft nach Artikel 17 anzuwendende Recht,
b)das Recht des Staates, in dem die Person, die die Rechtshandlung vorgenommen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
c)das Recht des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde.
(2)Zum Beweis einer Rechtshandlung, die Rechtswirkung auf die Begründung der Elternschaft haben soll, sind alle Beweisarten des Rechts des angerufenen Gerichts oder eines der in Absatz 1 bezeichneten Rechte, nach denen die Rechtshandlung formgültig ist, zulässig, sofern der Beweis in dieser Art vor dem angerufenen Gericht erbracht werden kann.
Artikel 21
Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung
Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen mit Ausnahme seines Internationalen Privatrechts zu verstehen.
Artikel 22
Öffentliche Ordnung (ordre public)
(1)Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bestimmten Rechts eines Staates darf nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.
(2)Absatz 1 ist von den Gerichten und anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Beachtung der in der Charta festgelegten Grundrechte und Grundsätze anzuwenden, insbesondere des Rechts auf Nichtdiskriminierung in Artikel 21 der Charta.
Artikel 23
Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung
(1)Verweist diese Verordnung auf das Recht eines Staates, der mehrere Gebietseinheiten umfasst, von denen jede eigene Rechtsvorschriften für Angelegenheiten hat, die die Elternschaft betreffen, so bestimmen die internen Kollisionsvorschriften dieses Staates die Gebietseinheit, deren Rechtsvorschriften anzuwenden sind.
(2)In Ermangelung solcher internen Kollisionsvorschriften gilt:
a)jede Bezugnahme auf das Recht des in Absatz 1 genannten Staates ist für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts aufgrund der Bestimmung, die sich auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der gebärenden Person zum Zeitpunkt der Niederkunft bezieht, als Bezugnahme auf das Recht der Gebietseinheit zu verstehen, in der die gebärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat,
b)jede Bezugnahme auf das Recht des in Absatz 1 genannten Staates ist für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts aufgrund von Bestimmungen, die sich auf den Geburtsstaat des Kindes beziehen, als Bezugnahme auf das Recht der Gebietseinheit zu verstehen, in der das Kind geboren wurde.
c)Ein Mitgliedstaat, der mehrere Gebietseinheiten umfasst, von denen jede ihre eigenen Rechtsvorschriften für Sachen hat, die die Elternschaft betreffen, ist nicht verpflichtet, diese Verordnung auf Kollisionen zwischen den Rechtsordnungen dieser Gebietseinheiten anzuwenden.
KAPITEL IV
ANERKENNUNG
ABSCHNITT 1
Allgemeine Bestimmungen über die Anerkennung
Artikel 24
Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung
(1)Eine in einem Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung in einer Sache, die die Elternschaft betrifft, wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.
(2)Insbesondere bedarf es keines besonderen Verfahrens für die Aktualisierung der Personenstandsbücher eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft, gegen die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats kein weiterer Rechtsbehelf eingelegt werden kann.
(3)Ist in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats die Frage der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung als Vorfrage zu beurteilen, so kann dieses Gericht hierüber befinden.
Artikel 25
Entscheidung, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung vorliegen
(1)Jede interessierte Partei kann gemäß dem Verfahren nach den Artikeln 32 bis 34 die Feststellung beantragen, dass keiner der in Artikel 31 genannten Gründe für eine Versagung der Anerkennung gegeben ist.
(2)Das örtlich zuständige, nach Artikel 71 der Kommission mitgeteilte Gericht wird durch das Recht des Mitgliedstaats bestimmt, in dem das Verfahren nach Absatz 1 eingeleitet wird.
Artikel 26
Zwecks Anerkennung vorzulegende Unterlagen
(1)Eine Partei, die in einem Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat Gericht ergangene gerichtliche Entscheidung geltend machen will, hat Folgendes vorzulegen:
a)eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und
b)die entsprechende Bescheinigung nach Artikel 29.
(2)Das Gericht oder eine andere zuständige Behörde, vor dem/der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung geltend gemacht wird, kann erforderlichenfalls die Partei, die die Entscheidung geltend macht, dazu auffordern, eine Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder der Bescheinigung nach Absatz 1 Buchstabe b des vorliegenden Artikels vorzulegen.
(3)Kann das Gericht oder die andere zuständige Behörde, vor dem/der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung geltend gemacht wird, das Verfahren ohne eine Übersetzung oder Transliteration nicht fortsetzen, so kann es/sie die Partei auffordern, eine Übersetzung oder Transliteration der gerichtlichen Entscheidung zusätzlich zu einer Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder der Bescheinigung vorzulegen.
Artikel 27
Fehlen von Unterlagen
(1)Werden die in Artikel 26 Absatz 1 aufgeführten Unterlagen nicht vorgelegt, so kann das Gericht oder eine andere zuständige Behörde, bei dem/der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung geltend gemacht wird, eine Frist für deren Vorlage bestimmen oder sich mit gleichwertigen Unterlagen begnügen oder auf deren Vorlage verzichten, wenn die vorliegenden Informationen für ausreichend erachtet werden.
(2)Auf Verlangen des Gerichts oder einer anderen zuständigen Behörde, vor dem/der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung geltend gemacht wird, ist eine Übersetzung oder Transliteration dieser gleichwertigen Unterlagen vorzulegen.
Artikel 28
Aussetzung des Verfahrens
Das Gericht, bei dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung geltend gemacht wird, kann das Verfahren in den folgenden Fällen ganz oder teilweise aussetzen:
a)Im Ursprungsmitgliedstaat wurde ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen die gerichtliche Entscheidung eingelegt, oder
b)es wird eine Entscheidung beantragt, dass keine Gründe für eine Versagung der Anerkennung nach Artikel 25 gegeben sind oder dass die Anerkennung aus einem dieser Gründe zu versagen ist.
Artikel 29
Ausstellung der Bescheinigung
(1)Das der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilte Gericht eines Ursprungsmitgliedstaats stellt auf Antrag einer Partei unter Verwendung des Formblatts in Anhang I eine Bescheinigung über eine gerichtliche Entscheidung in Sachen, die die Elternschaft betreffen, aus.
(2)Die Bescheinigung wird in der Sprache ausgefüllt und ausgestellt, in der die gerichtliche Entscheidung abgefasst ist. Die Bescheinigung kann auch in einer anderen, von einer Partei gewünschten Amtssprache der Organe der Europäischen Union ausgestellt werden. Dies verpflichtet das die Bescheinigung ausstellende Gericht nicht dazu, eine Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder bereitzustellen.
(3)Die Bescheinigung enthält eine Erklärung, in der Unionsbürger und ihre Familienangehörigen darüber informiert werden, dass die Bescheinigung keine Auswirkungen auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, und dass für die Ausübung dieser Rechte der Nachweis des Eltern-Kind-Verhältnisses auf jede Art und Weise erbracht werden kann.
(4)Gegen die Ausstellung einer Bescheinigung sind keine Rechtsbehelfe möglich.
Artikel 30
Berichtigung der Bescheinigung
(1)Das der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilte Gericht eines Ursprungsmitgliedstaats berichtigt die Bescheinigung auf Antrag oder kann sie von Amts wegen berichtigen, wenn zwischen der anzuerkennenden gerichtlichen Entscheidung und der Bescheinigung aufgrund eines materiellen Fehlers oder einer Auslassung eine Unstimmigkeit besteht.
(2)Für das Verfahren zur Berichtigung der Bescheinigung gilt das Recht des Ursprungsmitgliedstaats.
Artikel 31
Gründe für die Versagung der Anerkennung
(1)Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung wird versagt,
a)wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Kindeswohl zu berücksichtigen ist,
b)wenn den betreffenden Personen, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen haben, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnten, es sei denn, es wird festgestellt, dass sie mit der gerichtlichen Entscheidung eindeutig einverstanden sind,
c)wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, dass die gerichtliche Entscheidung in ihre Vaterschaft oder ihre Mutterschaft über das Kind eingreift, falls die Entscheidung ergangen ist, ohne dass diese Person die Möglichkeit hatte, gehört zu werden,
d)wenn und soweit sie mit einer späteren gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist,
e)wenn und soweit sie mit einer späteren gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, sofern die spätere gerichtliche Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.
(2)Absatz 1 Buchstabe a ist von den Gerichten und anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Beachtung der in der Charta festgelegten Grundrechte und Grundsätze anzuwenden, insbesondere des Rechts auf Nichtdiskriminierung in Artikel 21 der Charta.
(3)Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung in Sachen, die die Elternschaft betreffen, kann versagt werden, wenn sie ergangen ist, ohne dass die Kinder Gelegenheit zur Äußerung erhalten haben, es sei denn, dies steht im Widerspruch zum Kindeswohl. Waren die Kinder jünger als 18 Jahre, so gilt diese Bestimmung, wenn die Kinder im Einklang mit Artikel 15 fähig waren, sich eine eigene Meinung zu bilden.
ABSCHNITT 2
Verfahren für die Versagung der Anerkennung
Artikel 32
Antrag auf Versagung der Anerkennung
(1)Für das Verfahren zur Beantragung der Versagung der Anerkennung ist, soweit es nicht durch diese Verordnung geregelt ist, das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dem ein Verfahren auf Versagung der Anerkennung eingeleitet wird.
(2)Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung in Sachen, die die Elternschaft betreffen, wird versagt, wenn festgestellt wurde, dass einer der Gründe für die Versagung der Anerkennung nach Artikel 31 vorliegt.
(3)Das örtlich zuständige Gericht, das der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilt wird, wird durch das nationale Recht des Mitgliedstaates bestimmt, in dem das Verfahren zur Versagung der Anerkennung eingeleitet wird.
(4)Der Antragsteller legt dem Gericht eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung und gegebenenfalls soweit möglich die entsprechende Bescheinigung vor, die nach Artikel 29 ausgestellt wurde.
(5)Das Gericht kann den Antragsteller erforderlichenfalls auffordern, eine Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder der Bescheinigung vorzulegen, die nach Artikel 29 ausgestellt wurde.
(6)Kann das Gericht ohne eine Übersetzung oder Transliteration der gerichtlichen Entscheidung das Verfahren nicht fortsetzen, kann es den Antragsteller auffordern, eine derartige Übersetzung oder Transliteration vorzulegen.
(7)Das Gericht kann auf die Vorlage der in Absatz 4 genannten Schriftstücke verzichten, wenn
a)ihm die Schriftstücke bereits vorliegen oder
b)das Gericht es für unzumutbar hält, die Vorlage der Schriftstücke vom Antragsteller zu verlangen.
(8)Von der Partei, die die Versagung der Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung erwirken will, kann nicht verlangt werden, dass sie im Mitgliedstaat, in dem das Nichtanerkennungsverfahren eingeleitet wird, über eine Postanschrift verfügt. Von dieser Partei kann nur dann verlangt werden, dass sie im Mitgliedstaat, in dem das Nichtanerkennungsverfahren eingeleitet wird, über einen bevollmächtigten Vertreter verfügt, wenn ein solcher Vertreter nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Nichtanerkennungsverfahren eingeleitet wird, ungeachtet der Staatsangehörigkeit der Parteien vorgeschrieben ist.
Artikel 33
Anfechtung oder Rechtsbehelf
(1)Jede Partei kann eine gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf Versagung der Anerkennung anfechten beziehungsweise einen Rechtsbehelf dagegen einlegen.
(2)Die Anfechtung oder der Rechtsbehelf wird bei dem Gericht geltend gemacht, das der Kommission nach Artikel 71 vom Mitgliedstaat als das Gericht mitgeteilt wurde, bei dem eine derartige Anfechtung oder ein derartiger Rechtsbehelf einzulegen ist.
Artikel 34
Weitere Anfechtungen oder Rechtsbehelfe
Gegen die gerichtliche Entscheidung, die über die Anfechtung oder den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur durch eine Anfechtung oder einen Rechtsbehelf Einspruch erhoben werden, wenn der betreffende Mitgliedstaat der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilt hat, bei welchen Gerichten eine weitere Anfechtung oder ein weiterer Rechtsbehelf geltend zu machen ist.
ABSCHNITT 3
Öffentliche Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung
Artikel 35
Anwendungsbereich
Dieser Abschnitt gilt für öffentliche Urkunden zur Begründung der Elternschaft, die
a)in einem Mitgliedstaat, der sich nach Kapitel II für zuständig erklärt, förmlich errichtet oder eingetragen worden sind und
b)verbindliche Rechtswirkung in dem Mitgliedstaat haben, in dem sie förmlich errichtet oder eingetragen wurden.
Artikel 36
Anerkennung öffentlicher Urkunden
Öffentliche Urkunden, die die Elternschaft begründen und die im Ursprungsmitgliedstaat rechtsverbindliche Wirkung haben, werden in anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Sofern in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, gelten die Abschnitte 1 und 2 dieses Kapitels entsprechend.
Artikel 37
Bescheinigung
(1)Die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats, die der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilt wurde, stellt auf Antrag einer Partei unter Verwendung des Formulars in Anhang II eine Bescheinigung für eine öffentliche Urkunde aus, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird.
(2)Die Bescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)der Mitgliedstaat, der die Behörde oder andere Stelle zur förmlichen Errichtung oder Eintragung der öffentlichen Urkunde, die die Elternschaft begründet, ermächtigt hat, war nach Kapitel II zuständig und
b)die öffentliche Urkunde hat in diesem Mitgliedstaat rechtsverbindliche Wirkung.
(3)Die Bescheinigung wird in der Sprache ausgefüllt, in der die öffentliche Urkunde abgefasst ist. Sie kann auch in einer anderen, von der Partei gewünschten Amtssprache der Organe der Europäischen Union ausgestellt werden. Dies verpflichtet die die Bescheinigung ausstellende zuständige Behörde nicht dazu, eine Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder bereitzustellen.
(4)Die Bescheinigung enthält eine Erklärung, in der Unionsbürger und ihre Familienangehörigen darüber informiert werden, dass die Bescheinigung keine Auswirkungen auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, und dass für die Ausübung dieser Rechte der Nachweis des Eltern-Kind-Verhältnisses auf jede Art und Weise erbracht werden kann.
(5)Wird die Bescheinigung nicht vorgelegt, so wird die öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt.
Artikel 38
Berichtigung und Widerruf der Bescheinigung
(1)Die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats, die der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilt wurde, berichtigt die Bescheinigung auf Antrag oder kann sie von Amts wegen berichtigen, wenn zwischen der öffentlichen Urkunde und der Bescheinigung aufgrund eines materiellen Fehlers oder einer Auslassung eine Unstimmigkeit besteht.
(2)Die nach Absatz 1 dieses Artikels zuständige Behörde widerruft die Bescheinigung auf Antrag oder von Amts wegen, wenn sie gemessen an den in Artikel 37 festgelegten Voraussetzungen zu Unrecht ausgestellt wurde.
(3)Das Verfahren für die Berichtigung oder den Widerruf der Bescheinigung, einschließlich eines etwaigen Rechtsbehelfs, unterliegt dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats.
Artikel 39
Gründe für die Versagung der Anerkennung
(1)Die Anerkennung einer öffentlichen Urkunde, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründet wird, wird versagt,
a)wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Kindeswohl zu berücksichtigen ist,
b)wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, dass die öffentliche Urkunde in ihre Vaterschaft oder Mutterschaft über das Kind eingreift, falls die öffentliche Urkunde förmlich errichtet oder eingetragen wurde, ohne dass diese Person beteiligt gewesen ist,
c)wenn und soweit die Entscheidung mit einer späteren gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft oder mit einer öffentlichen Urkunde mit verbindlicher Rechtswirkung unvereinbar ist, die später in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, zur Begründung der Elternschaft errichtet oder eingetragen wurde,
d)und wenn und soweit die Entscheidung mit einer späteren gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in dem Drittstaat des gewöhnlichen Aufenthalts ergangen ist, unvereinbar ist, sofern die spätere gerichtliche Entscheidung oder öffentliche Urkunde die Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.
(2)Absatz 1 Buchstabe a ist von den Gerichten und anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Beachtung der in der Charta festgelegten Grundrechte und Grundsätze anzuwenden, insbesondere des Rechts auf Nichtdiskriminierung in Artikel 21 der Charta.
(3)Die Anerkennung einer öffentlichen Urkunde mit der die Elternschaft begründet wird und die verbindliche Rechtswirkung besitzt, kann versagt werden, wenn sie förmlich errichtet wurde, ohne dass den Kindern Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben wurde. Waren die Kinder jünger als 18 Jahre, so gilt diese Bestimmung, wenn die Kinder in der Lage waren, sich eine eigene Meinung zu bilden.
ABSCHNITT 4
Sonstige Bestimmungen
Artikel 40
Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats
Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats, das die Elternschaft begründet hat, darf nicht überprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung nach Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe a darf sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 6 bis 9 erstrecken.
Artikel 41
Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache
Eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat begründet wird, darf unter keinen Umständen in der Sache nachgeprüft werden.
Artikel 42
Kosten
Dieses Kapitel gilt auch für die Festsetzung der Kosten für die nach dieser Verordnung eingeleiteten Verfahren.
Artikel 43
Prozesskostenhilfe
(1)Wurde dem Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt, so genießt er in dem Verfahren nach Artikel 25 Absatz 1 und Artikel 32 hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kostenbefreiung die günstigste Behandlung, die das Recht des Mitgliedstaats vorsieht, in dem das Verfahren eingeleitet wird.
(2)Hat ein Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat ein unentgeltliches Verfahren vor einer der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilten Verwaltungsbehörde in Anspruch genommen, so hat er in allen in Artikel 25 Absatz 1 und Artikel 32 vorgesehenen Verfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels. Zu diesem Zweck muss diese Partei ein von der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedstaats erstelltes Schriftstück vorlegen, mit dem bescheinigt wird, dass sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt, um ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung in Anspruch nehmen zu können.
KAPITEL V
ÖFFENTLICHE URKUNDEN OHNE VERBINDLICHE RECHTSWIRKUNG
Artikel 44
Anwendungsbereich
Dieses Kapitel gilt für öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung haben, aber in diesem Mitgliedstaat Beweiskraft haben.
Artikel 45
Annahme öffentlicher Urkunden
(1)Eine öffentliche Urkunde ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat hat in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern das in dem Mitgliedstaat, in dem sie vorgelegt wird, nicht offenkundig der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
(2)Die in Absatz 1 genannte öffentliche Ordnung (ordre public) wird von den Gerichten und anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Beachtung der in der Charta verankerten Grundrechte und Grundsätze, insbesondere des Artikels 21 über das Recht auf Nichtdiskriminierung, angewandt.
(3)Eine Person, die eine solche öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat verwenden möchte, kann die Behörde, die die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen hat, ersuchen, das Formblatt in Anhang III auszufüllen, in dem die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat beschrieben ist.
(4)Die Bescheinigung enthält eine Erklärung, in der Unionsbürger und ihre Familienangehörigen darüber informiert werden, dass die Bescheinigung keine Auswirkungen auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, und dass für die Ausübung dieser Rechte der Nachweis des Eltern-Kind-Verhältnisses auf jede Art und Weise erbracht werden kann.
(5)Einwände gegen die Authentizität einer solchen öffentlichen Urkunde sind bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats zu erheben; über diese Einwände wird nach dem Recht dieses Mitgliedstaats entschieden. Eine öffentliche Urkunde, gegen die solche Einwände erhoben wurden, entfaltet in einem anderen Mitgliedstaat keine Beweiskraft, solange die Sache bei dem zuständigen Gericht anhängig ist.
(6)Einwände mit Bezug auf die in solch einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse sind bei den nach dieser Verordnung zuständigen Gerichten zu erheben; über diese Einwände wird nach dem nach Kapitel III anzuwendenden Recht entschieden. Eine öffentliche Urkunde, gegen die derartige Einwände erhoben wurden, entfaltet in einem anderen als dem Ursprungsmitgliedstaat hinsichtlich des bestrittenen Umstands keine Beweiskraft, solange die Sache bei dem zuständigen Gericht anhängig ist.
(7)Hängt der Ausgang eines Verfahrensvor dem Gericht eines Mitgliedstaats von der Klärung einer Vorfrage im Zusammenhang mit den in einer solchen öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse ab, so ist dieses Gericht zur Entscheidung über diese Vorfrage zuständig.
KAPITEL VI
EUROPÄISCHES ELTERNSCHAFTSZERTIFIKAT
Artikel 46
Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats
(1)Mit dieser Verordnung wird ein europäisches Elternschaftszertifikat (im Folgenden „Zertifikat“) eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird und die in Artikel 53 aufgeführten Wirkungen entfaltet.
(2)Die Verwendung des Zertifikats ist nicht verpflichtend.
(3)Das Zertifikat tritt nicht an die Stelle der innerstaatlichen Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden. Nach seiner Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat entfaltet das Zertifikat die in Artikel 53 aufgeführten Wirkungen jedoch auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden es nach diesem Kapitel ausgestellt haben.
Artikel 47
Zweck des Zertifikats
Das Zertifikat ist zur Verwendung durch das Kind oder einen gesetzlichen Vertreter bestimmt, das/der sich in einem anderen Mitgliedstaat auf den Elternschaftsstatus berufen muss.
Artikel 48
Zuständigkeit für die Erteilung des Zertifikats
(1)Das Zertifikat wird in dem Mitgliedstaat ausgestellt, in dem die Elternschaft begründet wurde und dessen Gerichte im Sinne des Artikels 4 Absatz 4 die zuständige Gerichtsbarkeit nach den Artikeln 6 und 7 oder Artikel 9 haben.
(2)Die der Kommission nach Artikel 71 mitgeteilte Ausstellungsbehörde des in Absatz 1 genannten Mitgliedstaats ist:
a)ein Gericht im Sinne des Artikels 4 Absatz 4 oder
b)eine andere Behörde, die nach innerstaatlichem Recht für Sachen, die die Elternschaft betreffen, zuständig ist.
Artikel 49
Antrag auf Ausstellung eines Zertifikats
(1)Das Zertifikat wird auf Antrag des Kindes (im Folgenden „Antragsteller“) oder gegebenenfalls eines gesetzlichen Vertreters ausgestellt.
(2)Für die Einreichung eines Antrags kann der Antragsteller das Formblatt in Anhang IV verwenden.
(3)Der Antrag muss die nachstehend aufgeführten Angaben enthalten, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragsteller begehrt, benötigt werden; dem Antrag sind alle einschlägigen Schriftstücke beizufügen, und zwar entweder in Urschrift oder in Form einer Abschrift, die die erforderlichen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllt, unbeschadet des Artikels 50 Absatz 2:
a)Angaben zum Antragsteller: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Geschlecht, Geburtsdatum und ‑ort, Staatsangehörigkeit (sofern bekannt), (gegebenenfalls) Identifikationsnummer, Anschrift,
b)gegebenenfalls Angaben zum gesetzlichen Vertreter des Antragstellers: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Anschrift und Vertretungsmacht,
c)Angaben zu jedem Elternteil: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Geburtsdatum und ‑ort, Staatsangehörigkeit, (gegebenenfalls) Identifikationsnummer, Anschrift,
d)Ort und Mitgliedstaat, in dem die Elternschaft für ein Kind eingetragen ist,
e)die Sachverhalte, auf deren Grundlage der Antragsteller die Elternschaft gründet und denen er die Urschrift oder eine Abschrift des Schriftstücks oder der Schriftstücke beifügt, die die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung begründen oder die Elternschaft nachweisen,
f)die Kontaktdaten des Gerichts des Mitgliedstaats, das die Elternschaft begründet hat, die Kontaktdaten der zuständigen Behörde, die eine öffentliche Urkunde mit verbindlicher Rechtswirkung über die Begründung der Elternschaft ausgestellt hat, oder der zuständigen Behörde, die eine öffentliche Urkunde ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat ausgestellt hat,
g)eine Erklärung, dass nach bestem Wissen des Antragstellers kein Rechtsstreit in Bezug auf den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig ist,
h)sonstige vom Antragsteller für die Ausstellung des Zertifikats für nützlich erachtete Angaben.
Artikel 50
Prüfung des Antrags
(1)Nach Eingang des Antrags überprüft die Ausstellungsbehörde die vom Antragsteller übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise. Sie führt von Amts wegen die für diese Überprüfung erforderlichen Nachforschungen durch, soweit ihr nationales Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragsteller auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet.
(2)Konnte der Antragsteller keine Abschriften der einschlägigen Schriftstücke vorlegen, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, so kann die Ausstellungsbehörde entscheiden, dass sie Nachweise in anderer Form akzeptiert.
(3)Die Ausstellungsbehörde kann – soweit ihr nationales Recht dies vorsieht und unter den dort festgelegten Bedingungen – verlangen, dass Erklärungen unter Eid oder durch eidesstattliche Versicherung abgegeben werden.
(4)Für die Zwecke dieses Artikels stellt die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats der Ausstellungsbehörde eines anderen Mitgliedstaats auf Ersuchen die Angaben zur Verfügung, die insbesondere in Personenstands-, Personen- oder Einwohnermelderegistern und anderen Registern enthalten sind, in denen Tatsachen erfasst werden, die für die Elternschaft des Antragstellers erheblich sind, sofern die zuständige Behörde nach nationalem Recht befugt wäre, diese Angaben einer anderen nationalen Behörde zur Verfügung zu stellen.
Artikel 51
Ausstellung des Zertifikats
(1)Die Ausstellungsbehörde stellt das Zertifikat unverzüglich nach dem in diesem Kapitel festgelegten Verfahren aus, wenn der zu bescheinigende Sachverhalt nach dem auf die Begründung der Elternschaft anzuwendenden Recht festgestellt worden ist. Hierzu verwendet sie das Formblatt in Anhang V.
Die Ausstellungsbehörde versagt die Ausstellung des Zertifikats insbesondere,
a)wenn Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind oder
b)wenn das Zertifikat mit einer gerichtlichen Entscheidung zum selben Sachverhalt nicht vereinbar wäre.
(2)Die für die Ausstellung eines Zertifikats erhobene Gebühr darf nicht höher sein als die Gebühr, die nach nationalem Recht für die Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis der Elternschaft des Antragstellers erhoben wird.
Artikel 52
Inhalt des Zertifikats
Das Zertifikat enthält gegebenenfalls die folgenden Informationen:
a)den Namen, die Anschrift und die Kontaktdaten der Ausstellungsbehörde des Mitgliedstaates,
b)falls abweichend, den Namen, die Anschrift und die Kontaktdaten des Gerichts des Mitgliedstaats, das die Elternschaft begründet hat, der zuständigen Behörde, die eine öffentliche Urkunde mit verbindlicher rechtlicher Wirkung über die Begründung der Elternschaft ausgestellt hat, oder der zuständigen Behörde, die eine öffentliche Urkunde ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, aber mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat ausgestellt hat,
c)das Aktenzeichen,
d)Datum und Ort der Ausstellung,
e)Ort und Mitgliedstaat, in dem die Elternschaft des Kindes eingetragen ist,
f)Angaben zum Antragsteller: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Geschlecht, Geburtsdatum und ‑ort, Staatsangehörigkeit (sofern bekannt), (gegebenenfalls) Identifikationsnummer, Anschrift,
g)gegebenenfalls Angaben zum gesetzlichen Vertreter des Antragstellers: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Anschrift und Vertretungsmacht,
h)Angaben zu jedem Elternteil: Nachname(n) (gegebenenfalls Geburtsname(n)), Vorname(n), Geburtsdatum und ‑ort, Staatsangehörigkeit, (gegebenenfalls) Identifikationsnummer, Anschrift,
i)der Sachverhalt, aus dem die Ausstellungsbehörde ihre Zuständigkeit für die Ausstellung des Zertifikats herleitet,
j)das auf die Begründung der Elternschaft anzuwendende Recht sowie die Sachverhalte, auf deren Grundlage das anzuwendende Recht bestimmt wurde,
k)eine Erklärung, in der Unionsbürger und ihre Familienangehörigen darüber informiert werden, dass das Zertifikat keine Auswirkungen auf die Rechte hat, die ein Kind aus dem Unionsrecht erlangt, und dass für die Ausübung dieser Rechte der Nachweis des Eltern-Kind-Verhältnisses auf jede Art und Weise erbracht werden kann,
l)Unterschrift und/oder Stempel der Ausstellungsbehörde.
Artikel 53
Wirkungen des Zertifikats
(1)Das Zertifikat entfaltet seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.
(2)Es wird davon ausgegangen, dass das Zertifikat Sachverhalte, die nach dem auf die Begründung der Elternschaft anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend belegt. Bei der Person, die in dem Zertifikat als Kind eines oder mehrerer Elternteile genannt ist, wird davon ausgegangen, dass sie den in dem Zertifikat genannten Status besitzt.
(3)Das Zertifikat stellt ein wirksames Schriftstück für die Eintragung der Elternschaft in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar, unbeschadet des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe i.
Artikel 54
Beglaubigte Abschriften des Zertifikats
(1)Die Ausstellungsbehörde bewahrt die Urschrift des Zertifikats auf und stellt dem Antragsteller oder ihrem gesetzlichen Vertreter eine oder mehrere beglaubigte Abschriften aus.
(2)Die Ausstellungsbehörde führt für die Zwecke des Artikels 55 Absatz 3 und des Artikels 57 Absatz 2 ein Verzeichnis der Personen, denen beglaubigte Abschriften nach Absatz 1 ausgestellt wurden.
Artikel 55
Berichtigung, Änderung oder Widerruf des Zertifikats
(1)Die Ausstellungsbehörde berichtigt das Zertifikat im Falle eines Schreibfehlers auf Verlangen jedweder Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, oder von Amts wegen.
(2)Die Ausstellungsbehörde ändert oder widerruft das Zertifikat auf Verlangen jedweder Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, oder, soweit dies nach innerstaatlichem Recht möglich ist, von Amts wegen, wenn feststeht, dass das Zertifikat oder einzelne Teile davon inhaltlich unrichtig sind.
(3)Die Ausstellungsbehörde unterrichtet unverzüglich alle Personen, denen nach Artikel 54 Absatz 1 beglaubigte Abschriften des Zertifikats ausgestellt wurden, über eine Berichtigung, eine Änderung oder einen Widerruf des Zertifikats.
Artikel 56
Rechtsbehelfe
(1)Entscheidungen, die die Ausstellungsbehörde nach Artikel 51 getroffen hat, können von der ein Zertifikat beantragenden Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter angefochten werden.
Entscheidungen der Ausstellungsbehörde nach Artikel 55 und Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe a können von jeder Person angefochten werden, die ein berechtigtes Interesse nachweist.
Die Anfechtung ist bei einem Gericht des Mitgliedstaats der Ausstellungsbehörde nach dem Recht dieses Staates einzulegen.
(2)Führt eine Anfechtungsklage nach Absatz 1 zu der Feststellung, dass das ausgestellte Zertifikat nicht den Tatsachen entspricht, so ändert das zuständige Gericht das Zertifikat oder widerruft es oder sorgt dafür, dass die Ausstellungsbehörde das Zertifikat berichtigt, ändert oder widerruft.
Führt eine Anfechtungsklage nach Absatz 1 zu der Feststellung, dass die Versagung der Ausstellung nicht gerechtfertigt war, so stellt das zuständige Gericht das Zertifikat aus oder stellt sicher, dass die Ausstellungsbehörde den Fall erneut prüft und eine neue Entscheidung trifft.
Artikel 57
Aussetzung der Wirkungen des Zertifikats
(1)Die Wirkungen des Zertifikats können ausgesetzt werden
a)von der Ausstellungsbehörde auf Verlangen einer Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, bis zur Änderung oder zum Widerruf des Zertifikats nach Artikel 55, oder
b)von dem Gericht auf Antrag einer Person, die berechtigt ist, eine von der Ausstellungsbehörde nach Artikel 56 getroffene Entscheidung anzufechten, während der Anhängigkeit des Rechtsbehelfs.
(2)Die Ausstellungsbehörde oder gegebenenfalls das Gericht unterrichtet unverzüglich alle Personen, denen nach Artikel 54 Absatz 1 beglaubigte Abschriften des Zertifikats ausgestellt worden sind, über eine Aussetzung der Wirkungen des Zertifikats.
Während der Aussetzung der Wirkungen des Zertifikats dürfen keine weiteren beglaubigten Abschriften des Zertifikats ausgestellt werden.
KAPITEL VII
DIGITALE KOMMUNIKATION
Artikel 58
Kommunikation über den europäischen elektronischen Zugangspunkt
(1)Der nach Artikel 4 der [Digitalisierungsverordnung] auf dem Europäischen Justizportal eingerichtete europäische elektronische Zugangspunkt kann für die elektronische Kommunikation zwischen natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern und Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für Folgendes genutzt werden:
a)Verfahren zur Feststellung, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft vorliegen, oder Verfahren zur Versagung der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde über die Elternschaft,
b)Beantragung, Ausstellung, Berichtigung, Änderung, Widerruf, Aussetzung des Zertifikats oder damit zusammenhängende Rechtsbehelfsverfahren.
(2)Für die elektronische Kommunikation nach Absatz 1 gelten Artikel 4 Absatz 3, Artikel 5 Absätze 2 und 3, Artikel 6, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 3 sowie Artikel 10 der [Digitalisierungsverordnung].
Artikel 59
Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission
(1)Für die Zwecke der elektronischen Kommunikation nach Artikel 58 Absatz 1 erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte, in denen Folgendes festgelegt wird:
a)die technischen Spezifikationen zur Festlegung der Methoden der elektronischen Kommunikation,
b)die technischen Spezifikationen für Kommunikationsprotokolle,
c)die Informationssicherheitsziele und entsprechenden technischen Maßnahmen zur Gewährleistung von Mindeststandards für die Informationssicherheit und eines hohen Cybersicherheitsniveaus bei der Verarbeitung und Übermittlung von Informationen,
d)die Mindestverfügbarkeitsziele und mögliche damit verbundene technische Anforderungen für die Kommunikation über das dezentrale IT-System.
(2)Die Durchführungsrechtsakte nach Absatz 1 werden nach dem in Artikel 62 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
(3)Die Durchführungsrechtsakte nach Absatz 1 werden bis zum [2 Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung] erlassen.
Artikel 60
Referenzimplementierungssoftware
(1)Die Kommission ist verantwortlich für die Schaffung, Wartung und Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware, für deren Einsatz sich die Mitgliedstaaten als ihr Back-End-System anstelle eines nationalen IT-Systems entscheiden können. Die Schaffung, Wartung und Weiterentwicklung der Referenzimplementierungssoftware werden aus dem Gesamthaushalt der Union finanziert.
(2)Die Kommission übernimmt die unentgeltliche Bereitstellung, Wartung und Unterstützung der Referenzimplementierungssoftware.
Artikel 61
Kosten des dezentralen IT-Systems, des europäischen elektronischen Zugangspunkts und der nationalen IT-Portale
(1)Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung, den Betrieb und die Instandhaltung der Zugangspunkte des dezentralen IT-Systems, die sich in seinem Hoheitsgebiet befinden.
(2)Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen IT-Systeme zur Herstellung der Interoperabilität mit den Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung dieser Systeme.
(3)Den Mitgliedstaaten steht es frei, im Rahmen der einschlägigen Finanzprogramme der Union Finanzhilfen zur Unterstützung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Tätigkeiten zu beantragen.
(4)Die Kommission trägt nach Artikel 58 Absatz 1 alle Kosten im Zusammenhang mit der Einführung der Unterstützung für die elektronische Kommunikation über den europäischen elektronischen Zugangspunkt.
Artikel 62
Ausschussverfahren
(1)Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates.
(2)Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates.
KAPITEL VIII
DELEGIERTE RECHTSAKTE
Artikel 63
Übertragung von Befugnissen
Die Kommission wird ermächtigt, nach Artikel 64 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Anhänge I bis V anzunehmen, um diese Anhänge zu aktualisieren oder technische Änderungen an ihnen vorzunehmen.
Artikel 64
Ausübung der Befugnisübertragung
(1)Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.
(2)Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Artikel 63 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab [dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung] übertragen.
(3)Die in Artikel 63 genannte Befugnisübertragung kann vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
(4)Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.
(5)Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn dem Rat.
(6)Ein delegierter Rechtsakt, der nach Artikel 63 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn der Rat nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an den Rat Einwände erhoben hat oder wenn vor Ablauf dieser Frist der Rat der Kommission mitgeteilt hat, dass er keine Einwände erheben wird. Auf Initiative des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
(7)Das Europäische Parlament wird von der Annahme eines delegierten Rechtsakts durch die Kommission, von gegen ihn vorgebrachten Einwänden oder von dem Widerruf der Befugnisübertragung durch den Rat in Kenntnis gesetzt.
KAPITEL IX
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 65
Legalisation oder ähnliche Förmlichkeiten
Im Rahmen dieser Verordnung bedarf es weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit.
Artikel 66
Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen
(1)Diese Verordnung berührt nicht die internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die Bestimmungen über die in dieser Verordnung geregelten Angelegenheiten enthalten.
(2)Diese Verordnung hat jedoch in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor Übereinkommen, soweit diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind.
(3)Diese Verordnung lässt das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption unberührt.
(4)Diese Verordnung lässt die Übereinkommen Nr. 16, 33 und 34 der Internationalen Kommission für das Zivilstandsrecht unberührt.
Artikel 67
Verzeichnis der Übereinkommen
(1)Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum [sechs Monate vor Beginn des Inkrafttretens dieser Verordnung] die in Artikel 66 Absatz 1 genannten Übereinkommen mit. Kündigen die Mitgliedstaaten nach diesem Stichtag eines dieser Übereinkommen, setzen sie die Kommission davon in Kenntnis.
(2)Innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der in Absatz 1 genannten Mitteilungen veröffentlicht die Kommission auf dem Europäischen Justiz-Portal:
a)ein Verzeichnis der in Absatz 1 genannten Übereinkommen,
b)die in Absatz 1 genannten Kündigungen.
Artikel 68
Datenschutz
(1)Die für die Anwendung dieser Verordnung erforderlichen personenbezogenen Daten werden von den Gerichten der Mitgliedstaaten oder anderen zuständigen Behörden für die Zwecke der Begründung der Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und der Anerkennung der Elternschaft im Zusammenhang mit der Begründung der Elternschaft nach Kapitel II, der Ausstellung von Bescheinigungen nach den Artikeln 29, 37 und 45, der Ausstellung eines europäischen Elternschaftszertifikats nach Artikel 51, der Vorlage der Schriftstücke für die Anerkennung der Elternschaft nach Artikel 26, der Feststellung, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung der Elternschaft nach Artikel 25 vorliegen, oder dem Antrag auf Versagung der Anerkennung der Elternschaft nach Artikel 32 verarbeitet.
(2)Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung ist auf das für die in Absatz 1 genannten Zwecke erforderliche Maß beschränkt, unbeschadet der Weiterverarbeitung zu Archivierungszwecken im öffentlichen Interesse nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 89 der Datenschutz-Grundverordnung.
(3)Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die Gerichte der Mitgliedstaaten oder andere zuständige Behörden als Verantwortliche im Sinne von Artikel 4 Nummer 7 der Datenschutz-Grundverordnung.
(4)Die für die Anwendung dieser Verordnung erforderlichen personenbezogenen Daten werden von der Kommission im Zusammenhang mit der elektronischen Kommunikation zwischen natürlichen Personen oder ihren gesetzlichen Vertretern und Gerichten oder anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über den europäischen elektronischen Zugangspunkt im Rahmen des dezentralen IT-Systems verarbeitet.
(5)Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung ist auf das Maß beschränkt, das für die in Absatz 4 genannten Zwecke erforderlich ist.
(6)Für die Zwecke dieser Verordnung gilt die Kommission als für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne von Artikel 3 Nummer 8 der EU-Datenschutzverordnung.
Artikel 69
Übergangsbestimmungen
(1)Diese Verordnung gilt für am oder nach dem [Datum des Geltungsbeginns der Verordnung] eingeleitete gerichtliche Verfahren und errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden.
(2)Wurde die Elternschaft in einem Mitgliedstaat, dessen Gerichte nach Kapitel II zuständig waren, im Einklang mit einem der in Kapitel III als anwendbar bezeichneten Gesetze begründet, so erkennen die Mitgliedstaaten ungeachtet des Absatzes 1 Folgendes an:
a)eine gerichtliche Entscheidung zur Begründung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat in einem Gerichtsverfahren, das vor dem [Datum des Geltungsbeginns dieser Verordnung] eingeleitet wurde, und
b)eine öffentliche Urkunde zur Begründung der Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, die vor dem [Datum des Geltungsbeginns dieser Verordnung] förmlich errichtet oder eingetragen wurde.
Kapitel IV findet auf die in diesem Absatz genannten Gerichtsentscheidungen und öffentlichen Urkunden Anwendung.
(3)Ungeachtet des Absatzes 1 erkennen die Mitgliedstaaten eine öffentliche Urkunde an, die im Ursprungsmitgliedstaat keine verbindliche Rechtswirkung hat, aber in diesem Mitgliedstaat Beweiskraft hat, sofern dies nicht offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem die Annahme beantragt wird, unvereinbar ist.
Kapitel V findet auf die in diesem Absatz genannten öffentlichen Urkunden Anwendung.
Artikel 70
Überprüfung
(1)Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bis zum [fünf Jahre nach Geltungsbeginn dieser Verordnung], gestützt auf die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen, einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, der auch eine Bewertung der aufgetretenen praktischen Probleme enthält. Dem Bericht wird, falls notwendig, ein Gesetzgebungsvorschlag beigefügt.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen Informationen, die für die Evaluierung des Funktionierens und der Anwendung dieser Verordnung sachdienlich sind, soweit verfügbar auf Anfrage der Kommission zur Verfügung, dabei handelt es sich um
a)die Zahl der Anträge auf Versagung der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde, mit der die Elternschaft mit verbindlicher Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat nach Artikel 32 begründet wird, und die Zahl der Fälle, in denen der Versagung der Anerkennung stattgegeben wurde,
b)die Zahl der nach den Artikeln 33 und 34 eingelegten Rechtsbehelfe,
c)die Zahl der Anträge, mit denen der Inhalt einer öffentlichen Urkunde ohne verbindliche Rechtswirkung im Ursprungsmitgliedstaat, jedoch mit formeller Beweiskraft in diesem Mitgliedstaat angefochten wurde, und die Zahl der Fälle, in denen die Anfechtung erfolgreich war,
d)die Zahl der ausgestellten europäischen Elternschaftszertifikate und
e)die nach Artikel 61 Absatz 2 dieser Verordnung angefallenen Kosten.
Artikel 71
Der Kommission mitzuteilende Informationen
(1)Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission Folgendes mit:
a)die Behörden, die befugt sind, öffentliche Urkunden im Sinne von Artikel 4 Absatz 6 in Angelegenheiten, die die Elternschaft betreffen, zu errichten oder einzutragen,
b)die Gerichte und Behörden, die für die Ausstellung von Bescheinigungen nach Artikel 29, Artikel 37 und Artikel 45 zuständig sind, sowie die Gerichte und Behörden, die für die Berichtigung von Bescheinigungen nach Artikel 38 zuständig sind,
c)die Gerichte, die für Anträge auf Feststellung zuständig sind, dass kein Grund für die Versagung der Anerkennung nach Artikel 25 besteht, und die Gerichte, die für Anträge auf Versagung der Anerkennung nach Artikel 32 und für Rechtsbehelfe gegen Gerichtsentscheidungen über solche Ablehnungsanträge nach den Artikeln 33 bzw. 34 zuständig sind, und
d)die Gerichte und Behörden, die für die Ausstellung des europäischen Elternschaftszertifikats nach Artikel 51 zuständig sind, sowie die Gerichte, die für die in Artikel 56 genannten Rechtsbehelfe zuständig sind.
(2)Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die in Absatz 1 genannten Informationen bis zum [sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung].
(3)Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle Änderungen der Angaben nach Absatz 1 mit.
(4)Die in Absatz 1 genannten Angaben werden von der Kommission auf geeignete Weise, insbesondere über das Europäische Justizportal, veröffentlicht.
Artikel 72
Inkrafttreten und Anwendung
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem [ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitraum von 18 Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung folgt].
Artikel 71 gilt jedoch ab dem [Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung].
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Rates
Der Präsident /// Die Präsidentin