52002SC0462

Bericht der Kommission - XXXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2001 /* SEK/2002/0462 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION - XXXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2001

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Kasten 1: Wettbewerb und Verbraucher - Die wichtigsten Entscheidungen der Kommission im Jahr 2001

I - Kartellverbot - Artikel 81 und 82 EG-Vertrag; Staatliche Monopole und Monopolrechte - Artikel 31 und 86 EG-Vertrag

A - Modernisierung des Rechts- und Auslegungsrahmens

1. Modernisierung der regeln zur Durchführung von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag

2. Neufassung der , Mitteilung über Erlass und Ermässigung von Geldbussen"

3. Überprüfung der Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfervereinbarungen

Kasten 2: Neue De-minimis-Bekanntmachung

4. Überprüfung der Verfahrensregeln: das neue Mandat des Anhörungsbeauftragten

B - Anwendung von Artikel 81, 82 und 86

1. Artikel 81

1.1. Kartelle

1.1.1. Rekordjahr der Kartellverbotsentscheidungen

1.1.2. Kartellentscheidungen im Jahr 2001

2. Artikel 82 und 86

2.1. Artikel 82 - Unternehmen in einer beherrschenden Stellung

Kasten 3: Wettbewerbspolitik im Bereich Verpackungsmüll

2.2. Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 EG-Vertrag - Öffentliche Unternehmen/Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten und beherrschender Stellung

C - Wettbewerbsentwicklung in einzelnen Wirtschaftszweigen

1. Energie: Liberalisierung im Elektrizitäts- und Erdgassektor

1.1. Vorschlag der Kommission zur Vollendung des europäischen Elektrizitäts- und Erdgasmarktes

1.2. Zusammenwirken von Wettbewerbspolitik und Binnenmarktregeln

1.3. Staatliche Beihilferegelungen der Kommission im Energiesektor

1.4. Sonstige Entwicklungen im Energiesektor: Kraftstoffe

2. Postwesen

2.1. Vorschlag der Kommission für eine weitere Marktöffnung

2.2. Einzelfälle

3. Telekommunikation

3.1. Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht

3.2. Annahme des Siebenten Berichts über die Umsetzung der Richtlinien

3.3. Kontrolle der Anwendung der Richtlinien

3.4. Branchenspezifische Untersuchung zur Entbündelung des Teilnehmeranschlusses

3.5. Branchenspezifische Untersuchung zu Mietleitungen

3.6. Branchenspezifische Untersuchung zum Roaming

3.7. Behandlung von Einzelfällen gemäß Artikel 81 und

3.7.1. Identrus

3.7.2. Intelsat

3.7.3. Wanadoo

4. Verkehr

4.1. Luftverkehr

4.1.1. British Midland/Lufthansa/SAS

4.1.2. SAS/Maersk Air

4.1.3. IATA-Tarifkonsultationen in Frachtverkehr

4.1.4. IATA-Tarifkonsultationen im Personenverkehr

4.2. Seeverkehr

4.2.1. Neufassung der TACA (Trans-Atlantic Conference Agreement)

4.2.2. Konsortien

4.2.3. OECD-Bericht über die Linienschifffahrt

4.2.4. P&O/Stena

4.3. Eisenbahn

5. Medien

5.1. Übertragung von Sportveranstaltungen

5.1.1. UEFA-Übertragungsregelung

5.1.2. UEFA-Champions League

5.2. Andere Angelegenheiten

5.2.1. Verwertungsgesellschaften

5.2.2. CDs/DVDs

6. Kraftfahrzeugvertrieb

6.1. Die Vorbereitung einer neuen spezifischen rechtlichen Regelung für den Kraftfahrzeugvertrieb

6.2. Allgemeine Bewertung der Anwendung der Freistellungsverordnung in bezug auf Preise für Neufahrzeuge

6.3. Anwendung der Freistellungsverordnung im Jahre 2001

6.3.1. Volkswagen

6.3.2. DaimlerChrysler

6.3.3. Vertriebssystem von Porsche

Kasten 4: Grünes Licht für Covisint - den B2B-Marktplatz für Unternehmen der Automobilindustrie

6.4. Beschluss des Gerichtshofes in der Sache Asia Motor France SA

7. Finanzdienstleistungen

7.1. Wettbewerb im Bereich Clearing und Abrechnung

7.1.1. Eurex

7.2. Zahlungssysteme

7.3. Versicherungspools im Nuklearbereich

7.4. Konvergenz zwischen Bank- und Versicherungswesen

8. Informationsgesellschaft

8.1. Mitteilung der Beschwerdepunkte an Microsoft

8.2. Informationsgesellschaft und Internet

9. Sport

Kasten 5: Transfers von Fußballspielern

9.1. Formel Eins

9.2. UEFA

9.3. Beihilfen für französische Profifußballvereine

10. Arzneimittel

10.1. Parallelhandel: Adalat, GlaxoWellcome

10.1.1. Adalat

10.1.2. GlaxoWellcome

10.2. Gemeinschaftsunternehmen

10.2.1. Pfizer/EISAI

10.2.2. Pfizer/Aventis

D - Statistischer Überblick

II - Fusionskontrolle

A - Allgemeine Politik und neue Entwicklungen

1. Einleitung - Allgemeine Entwicklungen

2. Nationale Märkte und potenzieller Wettbewerb

2.1. Definition der räumlich relevanten Märkte und potenzieller Wettbewerb

2.2. Definition der sachlich relevanten Märkte

Kasten 6: Die Fälle in der Papierbranche und kollektive Marktbeherrschung:

3. Fusionskontrolle im 21. Jahrhundert - Grünbuch über die Revision der Fusionskontrollverordnung

3.1. Fragen der Zuständigkeit

3.2. Materiellrechtliche Fragen

3.3. Verfahrensrechtliche Fragen

3.4. Gemeinsame Arbeitsgruppe mit den nationalen Wettbewerbsbehörden

Kasten 7: Einschränkungen des Wettbewerbs - Anpassung der Politik der Kommission

4. Entwicklungen bei der Anwendung des Konzepts der Sanierungsfusion

Kasten 8: Schneider/Legrand

5. Abhilfemassnahmen

5.1. Abhilfemaßnahmen - Statistische Entwicklungen

5.2. Art der 2001 akzeptierten Abhilfemaßnahmen

5.3. Umsetzung von Abhilfemaßnahmen

5.4. Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Abhilfemaßnahmen

6. Verweisungen an Mitgliedstaaten nach Artikel 9 - Neue Entwicklungen

7. Internationale Zusammenarbeit

7.1. Zusammenarbeit mit den Behörden der USA

Kasten 9: GE/Honeywell

B - Statistischer Überblick

III - Staatliche Beihilfen

A - Allgemeine Politik

1. Transparenz

2. Modernisierung der staatlichen Beihilfenkontrolle

Kasten 10: Risikokapital

3. Staatliche Beihilfen und Steuerpolitik

4. Verlorene Kosten

5. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

5.1. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

6. Unterstützung von Kino- und anderen audiovisuellen Produktionen

6.1. Überprüfung der nationalen Regelungen zur Unterstützung von Kino- und anderen audiovisuellen Produktionen.

6.2. Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken

7. Erweiterung

Kasten 11: Staatliche Banken in Deutschland (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung)

B - Der Begriff der staatlichen Beihilfe

1. Herkunft der Mittel

2. Einem Unternehmen gewährter Vorteil

3. Selektivität

4. Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten

C - Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt

1. Horizontale Beihilfen

1.1. Forschung und Entwicklung

1.2. Beschäftigung, Ausbildung und Arbeitsbedingungen

1.3. Umwelt

1.4. Rettung und Umstrukturierung

2. Regionalbeihilfen

3. Sektorbezogene Beihilfen

3.1. Beihilfen in Sektoren, die besonderen Vorschriften unterliegen

3.1.1. Schiffbau

3.1.2. Stahlindustrie

3.1.3. Kohlebergbau

3.1.4. Kraftfahrzeugindustrie

3.1.5. Verkehr

3.1.6. Landwirtschaft

3.1.7. Fischerei

3.2. Spezifische Sektoren ohne besondere Regelungen

3.2.1. Finanzsektor

3.2.2. Dienstleistungen

3.2.3. Außergewöhnliche Ereignisse

D - Verfahren

1. Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens

2. Bestehende Beihilfen

3. Rückforderung von Beihilfen

4. Nichtausführung von Entscheidungen

E - Statistischer Überblick

IV - Leistungen der Daseinsvorsorge

1. Allgemeine Grundsätze

2. Jüngste Entwicklungen

2.1. Die Forderung des Europäischen Rates von Nizza

2.2. Bericht der Kommission an den Europäischen Rat von Laeken

3. Kartellrecht (einschliesslich Liberalisierung)

3.1. Rechtsprechung des Gerichtshofs

3.2. Liberalisierung durch legislative Maßnahmen

V - Internationale Zusammenarbeit

A - Erweiterung

1. Beitrittsvorbereitungen und -verhandlungen

2. Stand der Angleichung der Wettbewerbsregeln

3. Durchführungsbestimmungen im Rahmen der Europa-Abkommen und des Beschlusses über die Zollunion

4. Verlängerung des Status laut Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a gemäss Europa-Abkommen und Annahme von Fördergebietskarten

5. Technische Hilfe für die Beitrittsländer

6. Westlicher Balkan

B - Bilaterale Zusammenarbeit

1. Vereinigte Staaten

2. Kanada

3. Sonstige OECD-Länder

4. Mittelmeerländer

5. Lateinamerika

6. Russische Föderation und Ukraine

C - Multilaterale Zusammenarbeit

1. WTO: Handel und Wettbewerbspolitik

1.1. Wettbewerb in der Entwicklungsagenda von Doha

1.2. Eine erste Einschätzung der Erklärung von Doha

Kasten 12: Handel und Wettbewerb: Vom Van-Miert-Bericht nach Doha

2. OECD

3. UNCTAD

4. Internationales Wettbewerbsnetz

VI - Vorausschau 2002

1. Kartellrecht

1.1. Legislative und rechtliche Aktivitäten

1.2. Umsetzungstätigkeit

2. Fusionen

3. Staatliche Beihilfen

4. Internationaler Bereich

Anhang - Im Bericht behandelte Fälle 190

Einleitung

1. Die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln ist eine der Hauptaufgaben der Kommission und von zentraler Bedeutung für das Funktionieren des Binnenmarktes. Angesichts des Beginns der letzten Phase der Einführung des Euro am 1. Januar 2002 und einer Erweiterung der Europäischen Union in bislang ungekanntem Ausmaß bedarf es dringend der Modernisierung der Regeln zum Kartellverbot und zum Verbot des Missbrauchs marktbeherschender Stellungen, zu Fusionen und staatlichen Beihilfen, damit die Kommission ihre Maßnahmen auf das sich rasch verändernde wirtschaftliche Umfeld ausrichten kann. Dann wird es auch möglich sein, das Hauptaugenmerk auf jene Verhaltensweisen von Marktteilnehmern zu richten, die die größte Gefahr für eine ,offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" - wie es im Vertrag heißt - darstellen.

2. Auch 2001 war die Kommission mit Nachdruck bemüht, gegen unverhohlen wettbewerbswidriges Verhalten von Unternehmen in einer Vielzahl von Sektoren vorzugehen, was durch eine ganze Reihe von Kartellverbotsentscheidungen untermauert wurde. Die getroffenen Entscheidungen zeigen, dass die Wettbewerbspolitik den Verbraucherschutz direkt beeinflusst, als Beispiel seien die diesjährigen Entscheidungen zur Kfz-Industrie genannt. Darüber hinaus widmete sich die Kommission weiterhin intensiv der Aufgabe, Märkte dort zu öffnen, wo noch kein funktionierendes wettbewerbliches Umfeld besteht, dabei gleiche Bedingungen zu garantieren und die Leistungen der Daseinsvorsorge sicherzustellen.

3. Was die Fusionspolitik anbelangt, so agiert die Kommission in einem Umfeld, das durch Globalisierung und zunehmende Komplexität der Fusionsfälle geprägt ist. Angesichts der vielschichtigen Fragen der Zuständigkeit, die durch weltweite Fusionen aufgeworfen werden, ist eine intensive internationale Zusammenarbeit in verschiedenen Foren wie dem Internationalen Wettbewerbsnetz (ICN) wie auch im Rahmen bilateraler Vereinbarungen immer häufiger geboten. Um das Europäische Fusionskontrollsystem für die Herausforderungen zu wappnen, die aus den weltweiten Fusionen sowie der Erweiterung der Europäischen Union resultieren, unterzieht die Kommission die Fusionskontrollverordnung einer gründlichen Prüfung. Im Dezember 2001 wurde ein Sondierungspapier (Grünbuch) veröffentlicht. Darin werden Fragen der Zuständigkeit, materiellrechtliche Aspekte und verfahrensrechtliche Fragen aufgegriffen.

4. Im Bereich der staatlichen Beihilfen wurde im Jahr 2001 mit der Einrichtung des Anzeigers für staatliche Beihilfen und des öffentlichen Online-Registers der staatlichen Beihilfen die Transparenz wesentlich erhöht. Die Kommission nahm im Rahmen ihrer Strategie zur weiteren Aktualisierung und Modernisierung der Vorschriften für staatliche Beihilfen neue beihilferechtliche Bestimmungen für Risikokapital an und brachte die Überarbeitung der Vorschriften für drei wichtige Bereiche - Beschäftigungsbeihilfen, Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen und Regionalbeihilfen für große Investitionsvorhaben - auf den Weg. Im Hinblick auf Überwachung und Durchsetzung galt die Aufmerksamkeit insbesondere dem endgültigen Inkrafttreten der zwei Gruppenfreistellungsverordnungen, die Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen bzw. Ausbildungsbeihilfen betreffen, sowie der Verordnung über De-minimis-Beihilfen.

5. Mit der Annahme der gemeinsamen Standpunkte zum Kapitel Wettbewerb am 12. Dezember fand die erste Phase der Vorbereitung der Erweiterung im Hinblick auf staatliche Beihilfen ihren Abschluss. Der Assoziationsrat beschloss, das Kapitel Wettbewerb für vier Bewerberländer vorläufig abzuschließen.

6. Die Kommission muss den wettbewerbsrechtlichen Aspekten der nächsten Erweiterung große Aufmerksamkeit widmen und mit den Bewerberländern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass in der gesamten erweiterten Union dieselben Regeln gleichermaßen wirksam zur Anwendung kommen.

7. Im Jahr 2001 gab es insgesamt 1036 neue Fälle, davon 284 Kartellfälle im weiteren Sinn (nach Artikel 81, 82 und 86), 335 Fusionsfälle und 417 Beihilfefälle (ohne Beschwerden). Zum Vergleich dazu die Zahlen für 2000: insgesamt 1211 neue Fälle, davon 297 Kartellfälle, 345 Fusionsfälle und 569 Beihilfefälle. [1] Die Abnahme der Gesamtzahl der neuen Fälle stellt somit eine generelle Tendenz dar, denn auch bei den Kartellfällen war ein leichter Rückgang zu verzeichnen, die Zahl der Fusionsfälle war erstmals seit mehreren Jahren rückläufig und es gab einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der Beihilfefälle.

[1] Die Zahl der Beihilfefälle im Jahr 2000 wurde nach Veröffentlichung des Wettbewerbsberichts für 2000 berichtigt.

8. Die leichte Verringerung der Zahl neuer Kartellfälle zeigt, dass die Wirkung der neuen Leitlinien über horizontale und vertikale Vereinbarungen in den vergangenen beiden Jahren (starker Rückgang seit 1999) nicht nachgelassen hat. Die Zahl der Beschwerden, die in den vergangenen Jahren sehr stark schwankte, blieb in diesem Jahr relativ konstant (116 im Jahre 2001 gegenüber 112 im Jahr zuvor).

9. Abgeschlossen wurden insgesamt 1204 Fälle, darunter 378 Kartellfälle, 346 Fusionsfälle und 480 Beihilfefälle (ohne Beschwerden). 2000 waren demgegenüber 1230 Fälle zum Abschluss gebracht worden, davon 400 Kartellfälle, 355 Fusionsfälle und 475 Beihilfefälle. [2] Während bei der Zahl der abgeschlossenen Kartellfälle aufgrund der zunehmenden Verlagerung auf Kartellfälle im engeren Sinn, die einen hohen Aufwand erfordern, ein leichter Rückgang zu verzeichnen war, lag die Zahl der abgeschlossenen Fälle (378) doch deutlich über der Zahl der Neuzugänge (284), so dass sich der Überhang weiter verringerte.

[2] Die Zahl der Kartellfälle im Jahr 2000 wurden nach Veröffentlichung des Wettbewerbsberichts für 2000 berichtigt.

10. In der leicht rückläufigen Zahl der Zusammenschlüsse und Allianzen, die von der Kommission 2001 untersucht wurden, spiegelt sich offenbar die allgemeine Verschlechterung der Konjunkturlage in den Industrieländern ebenso wider wie die veränderten Erfahrungen, die Unternehmen in jüngster Zeit mit Fusionen und Allianzen gemacht haben. Erstmals seit 1993 ging die Zahl der bei der Kommission angemeldeten Zusammenschlussvorhaben von 345 (2000) auf 335 (2001) zurück, war damit aber immer noch höher als 1999. Im Jahresverlauf wurden 340 förmliche Entscheidungen erlassen (gegenüber 345 im Jahr 2000). Zwar setzte sich 2001 der Aufwärtstrend bei der Gesamtzahl angemeldeter Zusammenschlussvorhaben nicht fort, doch werden Fusionsfälle generell immer komplizierter und betreffen Märkte mit höherer Marktkonzentration. Insbesondere die Zahl der Fälle, in denen Tiefenprüfungen eingeleitet werden mussten, ist schneller gestiegen als die Gesamtzahl der Fälle (Entscheidungen nach Abschluss der zweiten Untersuchungsphase im Jahr 2001: 17 % mehr als 2000 und 100 % mehr als 1999).

11. Im Bereich der staatlichen Beihilfen ging die Zahl der Anmeldungen gegenüber 2000 um etwa 30 % zurück und die Zahl der neuen Fälle nicht notifizierter Beihilfen verringerte sich um etwa 45 %, während sich die Anträge auf Überprüfung bestehender Beihilfen nahezu verfünffachten. Die Zahl der eingeleiteten Verfahren blieb jedoch stabil (66 gegenüber 67 im Jahr 2000). Ein leichter Anstieg war bei den ablehnenden abschließenden Entscheidungen zu verzeichnen (31 gegenüber 26 im Jahr 2000). Insgesamt ist auch die Zahl der anhängigen Fälle gestiegen (von 584 im Jahr 2000 auf 621 im Jahr 2001), was auf die Zahl der Beschwerden zurückzuführen ist. [3]

[3] Die Zahl für das Jahr 2000 wurde nach der Veröffentlichung des Berichts über die Wettbewerbspolitik 2000 berichtigt.

Kasten 1: Wettbewerb und Verbraucher - Die wichtigsten Entscheidungen der Kommission im Jahr 2001

Kommissionsmitglied Monti hat wiederholt die große Bedeutung betont, die die Kommission den Verbraucheraspekten des Wettbewerbsrechts und der Wettbewerbspolitik beimisst. Staatliche Beihilferegelungen, Fusionskontrolle und die Durchsetzung des Kartellrechts müssen allesamt dazu beitragen, die aus der Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln resultierenden Vorteile für die Verbraucher zu sichern.

Zurückschauend auf 2001 lässt sich feststellen, dass vor allem einige der getroffenen Kartellverbotsentscheidungen deutlich machen, wie sich die Durchsetzung des uneingeschränkten Wettbewerbs zugunsten der Verbraucherinteressen auswirkt. Für alle zusätzlichen Gewinne, die die Marktakteure durch eine Beschränkung der Wettbewerbskräfte - wie etwa durch Kartellbildung - erzielen, müssen letztlich die Verbraucher aufkommen, die bei einem gut funktionierenden Wettbewerb niedrigere Preise, besseren Service und größere Auswahl geboten bekämen.

British Midland/Lufthansa/SAS

Am 1. März 2000 notifizierten British Midland International, Lufthansa und SAS eine Joint-Venture-Vereinbarung über die Koordinierung ihrer Flüge von und nach London Heathrow Airport und Manchester International Airport.

Die Kommission räumte ein, dass sich die Vereinbarung im Hinblick auf Effizienzgewinne und den Wettbewerb insgesamt positiv auswirkt. Sie führt zu einer Umorganisation und Ausweitung der bestehenden Streckennetze der beteiligten Partner. Im Rahmen des Gemeinschaftsunternehmens wird allerdings Lufthansa das Exklusivrecht für nahezu alle Verbindungen zwischen London und Frankfurt eingeräumt, die zu den meistbeflogenen in Europa gehören. Die Kommission gelangte daher zu der Schlussfolgerung, dass der Rückzug von British Midland von der Strecke London-Frankfurt eine beträchtliche Einschränkung des Wettbewerbs auf diesem Markt darstellt. Sie befürchtete sogar, durch die Vereinbarung würde der Wettbewerb gänzlich ausgeschaltet, da nur noch Lufthansa und British Airways diese Strecke bedienen würden und Lufthansa zusammen mit British Midland im Hinblick auf den Zugang zu den Zeitnischen (slots) auf beiden Flughäfen eine bessere Ausgangsposition haben dürfte. Für British Airways hingegen ist es wegen des Slotmangels in Frankfurt sehr schwierig, die Zahl seiner Flüge zu erhöhen.

Um die Wettbewerbsbedenken der Kommission auszuräumen, verpflichteten sich die Parteien zur Freigabe von Zeitnischen auf dem Frankfurter Flughafen, um einem neuen Anbieter oder einem Konkurrenten, insbesondere British Airways, zu ermöglichen, die Zahl der Flüge auf dieser Strecke zu erhöhen und zu gleichen Bedingungen mit Lufthansa zu konkurrieren. Inzwischen hat British Airways einige dieser Slots angefordert und auch erhalten.

Die Kunden können dadurch auf ein umfassenderes Flugangebot mit mehr Zielflughäfen, besseren Flugverbindungen, günstigeren Abflugzeiten und nahtlosen Transfers zurückgreifen.

SAS/Maersk

Am 18. Juli beschloss die Kommission, gegen Scandinavian Airlines SAS und Maersk Air Geldbußen in Höhe von 39,375 Mio. EUR bzw. 13,125 Mio. EUR wegen geheimer Marktabsprachen zu verhängen.

Nach den Erkenntnissen der Kommission hatte sich Maersk Air von der Strecke Kopenhagen-Stockholm zurückgezogen. Diese wurde zum Schaden von über einer Million Reisenden jährlich nur noch von SAS bedient. Auch stellte sich heraus, dass sich SAS von der Strecke Kopenhagen-Venedig zurückgezogen hatte und diese nunmehr von Maersk Air bedient wurde, und schließlich hatte SAS auch die Strecke Billund-Frankfurt der Maersk Air überlassen. Darüber hinaus hatten die Parteien ein umfassendes Wettbewerbsverbot vereinbart, das ihre künftigen Aktivitäten auf den internationalen Strecken von und nach Dänemark und auf den dänischen Inlandsstrecken betraf.

Durch die Entscheidung der Kommission wurde der Wettbewerb zwischen SAS und Maersk Air, den beiden größten Fluggesellschaften mit Verbindungen von und nach Dänemark, wiederhergestellt. Es wurde der Neueinstieg auf Strecken angekündigt, die von der Marktaufteilung betroffen waren. So wird beispielsweise SAS täglich fünf Hin- und Rückfluege zwischen Billund und Kopenhagen durchführen. Auch wurde der Preisdruck wiederhergestellt, denn durch die reale Möglichkeit des Neueinstiegs der jeweils anderen Partei werden bei der Preisgestaltung Grenzen gesetzt.

Automobilsektor

Die Kommission verurteilte Vorgehensweisen von Automobilherstellern, die es Kunden unmöglich machten, Kraftfahrzeuge in einem Land ihrer Wahl zu erwerben.

Am 29. Juni beschloss die Kommission, gegen Volkswagen wegen Bindung der Einzelhandelspreise für den neuen VW Passat in Deutschland eine Geldbuße in Höhe von 30,96 Mio. EUR zu verhängen. Volkswagen hatte 1996 und 1997 Rundschreiben an seine deutschen Händler versandt und sie darin aufgefordert, dieses Modell nicht unter dem empfohlenen Listenpreis zu verkaufen. Es handelt sich in diesem Falle um die erste Entscheidung zur vertikalen Preisbindung im Automobilsektor. Die Preisbindung im Einzelhandel stellt eine starke Beschränkung des Preiswettbewerbs dar und wirkt sich direkt auf die Verbraucherpreise aus.

Am 10. Oktober beschloss die Kommission, gegen DaimlerChrysler wegen mehrerer Verstöße gegen Artikel 81 EG-Vertrag eine Geldbuße in Höhe von 71,825 Mio. EUR zu verhängen. Dabei handelte es sich unter anderen um Maßnahmen, mit denen der Parallelhandel erschwert werden sollte. Sie machten es für Käufer aus anderen Mitgliedstaaten schwierig, bei deutschen Händlern zu kaufen. Ein weiterer Verstoß war eine Preisfestsetzungsvereinbarung in Belgien mit dem Ziel, die den Verbrauchern eingeräumten Preisnachlässe einzuschränken.

2001 wurden bei der Überarbeitung der Gruppenfreistellung für den Kraftfahrzeugvertrieb, die 2002 abgeschlossen wird, bedeutende Fortschritte erzielt. Einzelheiten sind dem Abschnitt I.C.6.1 dieses Berichts zu entnehmen.

Bankgebühren für den Umtausch von Währungen des Euro-Gebiets

Kurz nach Einführung des Euro erhielt die Kommission Beschwerden von Verbrauchern, die behaupteten, einige Banken hätten ihre Gebühren für den Umtausch von Banknoten des Euro-Gebiets in gemeinsamer Absprache festgelegt. Die Kommission führte bei verschiedenen Banken unangekündigte Kontrollen durch und richtete Auskunftsersuchen an die meisten Banken im Euro-Gebiet. Anschließend leitete sie Verfahren gegen eine große Zahl von Banken in sieben Mitgliedstaaten ein.

Einige Banken unterbreiteten der Kommission daraufhin einseitig Vorschläge im Hinblick auf eine deutliche Verringerung der geltenden Gebühren und deren gänzliche Abschaffung bis spätestens Oktober 2001, zumindest für Kontoinhaber, was für die Verbraucher vor der Umstellung auf den Euro zweifellos von Vorteil war.

In Anbetracht des außergewöhnlichen Umstandes, dass der betreffende Markt verschwindet, und unter Berücksichtigung des unmittelbaren Nutzens für die Verbraucher, der sich aus diesen Vorschlägen ergibt, beschloss die Kommission die Einstellung der meisten der gegen die Banken angestrengten Kartellverfahren. Am 12. Dezember verhängte die Kommission gegen fünf deutsche Banken eine Geldbuße von insgesamt 100,8 Mio. EUR wegen des Abschlusses einer Vereinbarung über eine Gebühr von rund 3 % für den An- und Verkauf von Banknoten des Euro-Gebiets.

Fusionen

Auch Fusionskontrollentscheidungen wirken sich auf den Alltag der Verbraucher aus.

Im Fall Nordea/Postgirot genehmigte die Kommission die Übernahme der alleinigen Kontrolle über die schwedische Postgirot Bank AB durch die skandinavische Bankengruppe Nordea unter Auflage bestimmter Bedingungen. Postgirot ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der staatlichen Posten AB, der schwedischen Post. Das Unternehmen erbringt mit seinem Girobezahlsystem Fernbezahldienste für Privat- und Unternehmenskunden. Zudem bietet Postgirot Bankdienstleistungen im Privat- und Geschäftskundenbereich an, darunter Einlagen, Kredite, internationalen Zahlungsverkehr, Handelsfinanzierung und Kartendienstleistungen. Das Vorhaben warf ursprünglich Wettbewerbsbedenken auf, da Nordea sowohl Postgirot als auch Bankgirot, die beiden größten Bankzahlungssysteme kontrolliert hätte, die von schwedischen Haushalten genutzt werden, um Strom-, Telefon- und sonstige Rechnungen zu begleichen. Ein derart starker Einfluss hätten Preissteigerungen zur Folge haben können, die sich unmittelbar auf die Nutzung gängiger Bankdienstleistungen durch die Verbraucher ausgewirkt hätten. Deswegen verpflichtete sich das Unternehmen Nordea, seinen Anteil an Bankgirot auf 10 % zu reduzieren, womit ein bestimmender Einfluss auf das Unternehmen nicht mehr besteht, und sich aus dem Unternehmen Privatgirot, einem Wettbewerber von Postgirot im Bereich technischer Dienstleistungen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, zurückzuziehen. Die Kommission akzeptierte diese Verpflichtungszusagen und machte die Genehmigung des Zusammenschlusses von deren Erfuellung abhängig. Damit war sichergestellt, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen weiterhin unter Wettbewerbsbedingungen tätig sein wird, wovon die Endverbraucher letztlich profitieren werden.

Der Fall Unilever, bei dem es um die Veräußerung bekannter Lebensmittelmarken ging (siehe Kapitel II.5.3, Randnummer 309), und die beiden Fälle im Bereich des Kraftstoff-/Mineralölvertriebs (BP/E.ON und Shell/DEA, siehe Kapitel II.6, Randnummern 317-318) stoßen möglicherweise ebenfalls auf besonderes Interesse bei den Verbrauchern.

Staatliche Beihilfen

Die staatliche Beihilfenkontrolle schließlich spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht sicherzustellen, dass das Geld der Steuerzahler effizient eingesetzt wird und es zu einem soliden wirtschaftlichen Umfeld beiträgt, in dem wirtschaftlich gesunde Unternehmen nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bürger der Europäischen Union schaffen. Die Kommission trägt bei ihren Entscheidungen über staatliche Beihilfen Erwägungen im Zusammenhang mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren der Leistungen der Daseinsvorsorge Rechnung.

1.

I - Kartellverbot - Artikel 81 und 82 EG-Vertrag; Staatliche Monopole und Monopolrechte - Artikel 31 und 86 EG-Vertrag

A - Modernisierung des Rechts- und Auslegungsrahmens

1. Modernisierung der regeln zur Durchführung von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag

12. Am 27. September 2000 verabschiedete die Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines neuen Systems für die Durchführung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag. [4] Die neue Verordnung wird nach Inkrafttreten unter anderem die Verordnung Nr. 17 von 1962 ersetzen. Wesentliches Element der Reform ist der vorgeschlagene Übergang von einem System, bei dem die Kommission das Monopol für die Durchführung von Artikel 81 Absatz 3 (Freistellungsmonopol) innehat, zu einem Legalausnahmesystem, bei dem Vereinbarungen, die Artikel 81 Absatz 1 nicht zuwiderlaufen oder die Bedingungen von Artikel 81 Absatz 3 erfuellen, automatisch als rechtmäßig gelten und Vereinbarungen, die eine Verletzung von Artikel 81 Absatz 1 darstellen und auch nicht die Bedingungen von Artikel 81 Absatz 3 erfuellen, automatisch als unrechtmäßig gelten. Diese Reform beinhaltet die Abschaffung des Anmelde- und Genehmigungssystems, wie es in der Verordnung Nr. 17 festgelegt wurde, und eine erweiterte Verantwortung der einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte für die Anwendung von Artikel 81 und 82 sowie eindeutige Regelungen zur Sicherung der einheitlichen Anwendung von Artikel 81 und 82 in der gesamten Europäischen Union, die ein Netz aller europäischen Wettbewerbsbehörden einschließen. Die vorgeschlagene Verordnung zielt außerdem auf eine Stärkung der Untersuchungsbefugnisse der Kommission (z. B. das Recht, Hausdurchsuchungen ausserhalb von Geschäftsräumlichkeiten durchzuführen). Mit ihrem Vorschlag verfolgt die Kommission das Ziel, Verstöße gegen Artikel 81 und 82 immer wirksamer zu ahnden und dadurch einen effektiven Wettbewerb in Europa zu gewährleisten. [5]

[4] KOM(2000)582, ABl. C 365 E/284 vom 19.12.2000.

[5] Ausführlich beschrieben ist der Vorschlag der Kommission in Abschnitt I.A.3. des XXX. Berichts über die Wettbewerbspolitik (2000), SEK(2001)694. Genauere Informationen zum Weißbuch über die Modernisierung (1999) finden sich in Abschnitt I.A.2. des XXIX. Berichts über die Wettbewerbspolitik (1999), SEK(2000)720.

13. Am 29. März 2001 hat der Wirtschafts- und Sozialausschuss seine Stellungnahme zur vorgeschlagenen Verordnung abgegeben. [6] Darin heißt es, der Ausschuss ,unterstützt aus Überzeugung die Reform des Systems der Anwendung der Wettbewerbsregeln" und würdigt die ,klare und mutige Rechtsetzungssprache" des Kommissionsvorschlags, den sie als grundlegend für die Reform erachtet. Angesichts der Komplexität dieser Problematik und im Interesse der Wahrung der Einheitlichkeit und Kohärenz des Systems sowie des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts wie auch zur Gewährleistung einer effektiven Dezentralisierung bei gleichzeitiger Wahrung eines Hoechstmaßes an Rechtssicherheit hat der Ausschuss der Kommission jedoch dringend angeraten, vor oder nach Inkrafttreten der neuen Verordnung ,flankierende Maßnahmen" zu ergreifen, die eine weitere Präzisierung einiger der zentralen Begriffe des EG-Wettbewerbsrechts, wie etwa die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, ermöglichen.

[6] ABl. C 155 vom 29.5.2001, S. 73.

14. Am 20. Juni 2001 verabschiedete der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments seinen endgültigen Bericht zu den Vorschlägen der Kommission. [7] In seinem Bericht hat der Ausschuss ,anerkannt, dass das derzeitige Regelungswerk der europäischen Wettbewerbspolitik zu bürokratisch, umständlich und ineffizient ist" und dass sich diese Situation durch die Erweiterung der Europäischen Union nur verschlechtern könne. Der Ausschuss begrüßte daher den zeitlich günstigen Vorschlag der Kommission, ,die Wettbewerbsregeln zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d. h. vor der Erweiterung der Gemeinschaft, gründlich zu überholen". Um jedoch eine pragmatische Herangehensweise bei der Realisierung der angestrebten Reformziele sicherzustellen, forderte der Ausschuss die Kommission auf, den Vorschlag in einigen Punkten zu ändern. Außerdem hält er bei wesentlichen Elementen der vorgeschlagenen Reform eine Klärung für angeraten. Die meisten dieser Vorschläge wurden vom Europäischen Parlament übernommen, als es am 6. September 2001 mit 409 zu 54 Stimmen seine Stellungnahme zu der vorgeschlagenen Verordnung verabschiedete. [8] Die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Abänderungen zielen unter anderem auf die Streichung des Passus zum System der Registereintragung von bestimmten Arten von Vereinbarungen (Artikel 4 Absatz 2), die Harmonisierung des Regimes der Geldbußen (Artikel 5), die Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit der Abhilfemaßnahmen, die das Verhalten oder die Struktur betreffen (Artikel 7 Absatz 1) und die eindeutige Bestimmung des öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit Kommissionsentscheidungen auf der Grundlage von Artikel 10.

[7] Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung und die Stellungnahmen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie sowie des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt (A5-0229/2001) sind noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, können jedoch abgerufen werden unter http://www2.europarl.eu.int/omk/OM-Europarl-L=DE&PROG=REPORT&SORT_ORDER=D&REFERENCE=A5-2001-0229&F_REFERENCE=A5-0229/01&LEG_ID=5&LEVEL=2&SAME_LEVEL=1&NAV=S

[8] Die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments (R5-0444/2001) ist noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, kann jedoch abgerufen werden unter http://www3.europarl.eu.int/omk/omnsapir.so/pv2-APP=PV2&PRG=CALEND&FILE=010906&TPV=DEF&LANGUE=DE.

15. Am 14. und 15. Mai 2001 (schwedischer Ratsvorsitz) und am 5. Dezember 2001 (belgischer Ratsvorsitz) wurde der Vorschlag der Kommission im Rat ,Industrie" ausführlich diskutiert. Obwohl zu einigen Aspekten der vorgeschlagenen Verordnung eine vorläufige Einigung erzielt werden konnte, gelangte man zu der Schlussfolgerung, dass die Grundsätze und Modalitäten der geplanten Reform in der Arbeitsgruppe des Rates noch weitergehend diskutiert werden müssten. Mit Blick auf weitere Fortschritte in der Arbeitsgruppe debattierte der Rat insbesondere die allgemeinen Grundsätze für die Funktionsweise des Netzes der Wettbewerbsbehörden und forderte die Kommission auf, diese Grundsätze in einer gemeinsamen Erklärung festzuhalten. Der Rat billigte außerdem die Zielsetzung von Artikel 3 des Kommissionsvorschlags im Hinblick auf die Gewährleistung gleicher Bedingungen für Vereinbarungen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Er forderte jedoch die Arbeitsgruppe auf, die Auswirkungen einer solchen Bestimmung auf spezifische einzelstaatliche Regelungen weiter zu diskutieren.

2. Neufassung der , Mitteilung über Erlass und Ermässigung von Geldbussen"

16. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Modernisierungsbemühungen, sich fortan auf die schwerwiegendsten Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu konzentrieren, verabschiedete die Kommission 2001 die Entwürfe neuer Regeln, die das Aufspüren und die Beseitigung von Preisabsprachen und anderen Kartellen erleichtern sollen. Die Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußen wurde nach fünfjähriger Geltung neu gefasst, um ihre Wirksamkeit noch weiter zu verbessern und die Kommission so gut wie möglich in die Lage zu versetzen, Kartelle aufzuspüren und erfolgreich gegen sie vorzugehen. Der am 21.7.2001 veröffentlichte Entwurf einer neuen Mitteilung [9] befasst sich eingehender mit diesen Fragen und schafft die Voraussetzungen für die Verabschiedung einer neuen Mitteilung über die Immunität vor und die Ermäßigung von Geldbußen im Jahre 2002.

[9] Entwurf einer Mitteilung der Kommission über die Immunität vor Geldbußen und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 205 vom 21.7.2001, S. 18.

3. Überprüfung der Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfervereinbarungen

17. Die Kommission verabschiedete am 20. Dezember einen Bericht [10] über die Evaluierung der Funktionsweise der Verordnung (EG) Nr. 240/96 [11] betreffs Gruppenfreistellung für Technologietransfer-Vereinbarungen (GFTT). Der Bericht enthält eine kritische Analyse der Anwendung der GFTT und der zugrunde liegenden Strategie. Insbesondere wird darin darauf verwiesen, dass eine Anpassung der GFTT notwendig ist, um eine Übereinstimmung mit den neuen Gruppenfreistellungen der Kommission für Vertriebsvereinbarungen [12] sowie FuE- und Spezialisierungsvereinbarungen [13] zu gewährleisten, bei denen wirtschaftliche Aspekte eine stärkere Rolle spielen.

[10] Evaluierungsbericht der Kommission über die Gruppenfreistellungs-Verordnung (EG) Nr. 240/96 für Technologietransfer-Vereinbarungen, KOM(2001)786 endg. vom 20.12.2001. Der Bericht ist außerdem im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/technology_transfer/.

[11] Verordnung (EG) Nr. 240/96 der Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen, ABl. L 031 vom 9.12.1996, S. 2-13.

[12] Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2790/1999 der Kommission, ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21.

[13] Gruppenfreistellungsverordnungen Nr. 2658/2000 und 2659/2000 der Kommission, ABl. L 304 vom 5.12.2000, S. 3 bzw. S. 7.

18. Im Bericht heißt es, dass die bei der GFTT angewandten Kriterien mehr auf die Form der Vereinbarung bezogen sind als auf die eigentlichen Markteffekte. Bei der GFTT sind im Wesentlichen vier Mängel festzustellen:

- Erstens ist die GFTT zu präskriptiv und scheint wie eine Art Zwangsjacke zu funktionieren, was dazu führen kann, dass eine effizientere Gestaltung der Geschäftsbeziehungen und die Verbreitung neuer Technologien verhindert werden.

- Zweitens betrifft die GFTT nur bestimmte Patent- und Know-how-Lizenzvereinbarungen. Dieser enge Anwendungsbereich der GFTT scheint in Anbetracht der Komplexität moderner Lizenzvereinbarungen (Pooling, Software-Lizenzen einschließlich Urheberrecht) zunehmend ungeeignet.

- Drittens gelten derzeit bestimmte Beschränkungen als rechtswidrig oder sie werden ohne echte wirtschaftliche Begründung vom Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen, sofern es den Parteien an Marktmacht fehlt oder sie sich in einem vertikalen Verhältnis befinden. Das betrifft vor allem Beschränkungen, die über den Bereich des lizenzierten Schutzrechtes hinausgehen (z. B. Wettbewerbsverbote, Kopplungsklauseln).

- Viertens kommt es infolge der Konzentration auf formale Aspekte der Vereinbarung zu einer Ausweitung des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung auf Situationen, die vermutlich nicht immer die Bedingungen von Artikel 81 Absatz 3 erfuellen, sei es, weil die Vertragspartner Wettbewerber sind oder weil sie eine starke Marktposition einnehmen.

19. Der Bericht fordert zur Stellungnahme zu einer Reihe von Aspekten auf:

- Sollte der Anwendungsbereich der GFTT, der sich nur auf Patente und Know-how erstreckt, auch auf Urheberrechte, Musterrechte und Warenzeichen ausgeweitet werden- Dieser Punkt ist für mehrere Branchen von besonderer Bedeutung, die für Produktion und Vertrieb auf eine Kette von Urheberrechten angewiesen sind. Die Software-Industrie ist eine dieser Branchen.

- Sollte die GFTT auch für Lizenzvereinbarungen zwischen mehr als zwei Unternehmen wie etwa Lizenzpools gelten- Derartige Vereinbarungen gewinnen für die Wirtschaft wegen der zunehmenden Komplexität der neuen Technologien immer mehr an Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Mehrparteien-Lizenzen durchaus effizienzsteigernde und wettbewerbsfördernde Wirkungen haben können, und zwar besonders dann, wenn der Pool nur wirklich notwendige Schutzrechte umfasst. Allerdings können mehrseitige Lizenzvereinbarungen auch ernste wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, vor allem, wenn die Vereinbarung Ersatztechnologien betrifft oder von den Mitgliedern verlangt, einander zu minimalen Kosten oder auf Ausschließlichkeitsbasis Lizenzen für vorhandene oder künftige Technologien zu gewähren.

- Größere Toleranz bei Lizenzvereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern. Es wird allgemein anerkannt, dass dann, wenn die Parteien einer Vereinbarung in einem vertikalen Verhältnis zueinander stehen, sie also keine Wettbewerber sind, Ausschließlichkeitslizenzen größtenteils effizienzsteigernd und wettbewerbsfördernd sind. Wenn beispielsweise der Inhaber eines Schutzrechts nicht über die zur Herstellung und zum Vertrieb des Lizenzerzeugnisses erforderlichen Ressourcen verfügt, ist es wirtschaftlicher, die Nutzung dieses Schutzrechts jemandem zu übertragen, der diese Mittel besitzt.

- Größere Vorsicht bei Lizenzvereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Wenn die Parteien in einem horizontalen Verhältnis zueinander stehen, das heißt wenn die Lizenz Wettbewerb verhindert, der ohne sie zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer hätte stattfinden können, ist es möglich, dass Lizenzvereinbarungen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken geben. Zum einen führen Ausschließlichkeitslizenzen oft zur Aufteilung von Märkten oder Abnehmergruppen, vor allem, wenn es sich um eine auf Gegenseitigkeit beruhende Lizenz handelt oder die Ausschließlichkeit auch nicht lizenzierte Wettbewerbsprodukte einbezieht. In Lizenzverträgen zwischen Wettbewerbern vereinbarte Produktionsquoten können leicht zu einer regelrechten Produktionsbeschränkung führen. Andererseits kann die Ausschließlichkeit unter bestimmten Bedingungen (insbesondere bei Lizenzierung an ein Gemeinschaftsunternehmen oder bei einer nicht auf Gegenseitigkeit beruhenden Lizenz) zu einem Verlust an markenübergreifendem Wettbewerb führen, andererseits aber auch die Wirtschaftlichkeit verbessern. Um beurteilen zu können, ob die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb unter Umständen durch Effizienzgewinne aufgewogen werden, müssen die Marktmacht der Parteien und die Struktur der von der Vereinbarung betroffenen Märkte berücksichtigt werden.

Kasten 2: Neue De-minimis-Bekanntmachung

Die Kommission verabschiedete am 20. Dezember eine neue Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des EG-Vertrags nicht spürbar beschränken (,De-minimis-Bekanntmachung"). [14] Diese neue Bekanntmachung ersetzt die vorangegangene von 1997. [15] Sie legt eindeutiger und umfassender dar, wann Vereinbarungen zwischen Unternehmen nicht unter das Verbot des Vertrages fallen, und verringert damit die Belastung von Unternehmen durch Verwaltungsvorschriften, insbesondere kleinerer Unternehmen. Gleichzeitig wird es der Kommission leichter gemacht, aus wettbewerbspolitischer Sicht unbedeutende Fälle von der Prüfung auszuschließen und sich auf wichtigere Fälle zu konzentrieren.

[14] ABl. C 368 vom 22.12.2001, S. 13. Die neue Bekanntmachung kann auch im Internet unter der folgenden Adresse abgerufen werden: http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/deminimis/.

[15] ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 13.

Die neue Bekanntmachung zeugt davon, dass von einem Wirtschaftlichkeitsansatz ausgegangen wird. Sie zeichnet sich durch die folgenden wesentlichen Merkmale aus:

1) Die ,De-minimis-Schwellen" werden auf 10 % Marktanteil für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern und auf 15 % für Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern angehoben.

In der vorangegangenen Bekanntmachung waren die ,De-minimis-Schwellen" mit 5 % bzw. 10 % Marktanteil festgelegt. Wettbewerbsrechtliche Bedenken sind im Allgemeinen nicht zu erwarten, wenn die Unternehmen nicht über ein Mindestmaß an Marktmacht verfügen. Dem tragen die neuen Schwellen Rechnung, die aber nach wie vor niedrig genug sind, um unabhängig von der Gesamtmarktstruktur anwendbar zu sein. [16] Mit der unterschiedlichen Festlegung der beiden Schwellen wird wie schon in der alten Bekanntmachung der Tatsache Genüge getan, dass Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern in der Regel häufiger wettbewerbswidrige Auswirkungen haben als Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern.

[16] Das bedeutet nicht, dass Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die die in der Bekanntmachung festgelegten Schwellen überschreiten, den Wettbewerb tatsächlich spürbar beschränken. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Einfluss solcher Vereinbarungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt gering ist, doch lässt sich das nur durch Prüfung im Einzelfall feststellen. Eine solche Beurteilung sollte insbesondere für Vereinbarungen vorgenommen werden, die unter keine der Freistellungsverordnungen der Kommission fallen.

2) Erstmals wird eine Marktanteilsschwelle für Netze von Vereinbarungen festgeschrieben, die gemeinsam eine wettbewerbswidrige Wirkung hervorbringen.

Die vorangegangene ,De-minimis-Bekanntmachung" galt dann nicht, ,wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die kumulativen Auswirkungen nebeneinander bestehender Netze gleichartiger Vereinbarungen beschränkt wird, die von mehreren Herstellern oder Händlern errichtet worden sind". Das bedeutete in der Praxis, dass Unternehmen wie etwa im Bier- und Kraftstoffsektor normalerweise nicht von dieser Bekanntmachung profitieren konnten. Die neue Bekanntmachung führt eine spezielle ,De-minimis"-Marktanteilsschwelle von 5 % für Märkte ein, auf denen es solche nebeneinander bestehenden Netze gleichartiger Vereinbarungen gibt.

3) In der Bekanntmachung sind die gleichen schwerwiegenden Beschränkungen (Kernbeschränkungen) aufgeführt wie in den Gruppenfreistellungsverordnungen betreffend horizontale und vertikale Vereinbarungen.

Eindeutiger und konsequenter festgelegt sind die schwerwiegenden Beschränkungen (wie etwa die Festsetzung von Preisen und die Aufteilung von Märkten), die normalerweise untersagt sind und bei denen nicht auf die ,De-minimis-Bekanntmachung" zurückgegriffen werden kann. Für Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern wurden in der neuen Bekanntmachung die Kernbeschränkungen aus der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2790/1999 betreffend vertikale Vereinbarungen übernommen [17], für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern die Kernbeschränkungen aus der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2658/2000 betreffend Spezialisierungsvereinbarungen [18].

[17] Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2790/1999 der Kommission, ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21.

[18] Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2658/2000 der Kommission, ABl. L 304 vom 5.12.2000, S. 3.

4) Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen sind im Allgemeinen ,de minimis".

In der neuen Bekanntmachung heißt es, dass Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) selten geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Vereinbarungen zwischen KMU fallen daher generell nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 81 Absatz 1.

4. Überprüfung der Verfahrensregeln: das neue Mandat des Anhörungsbeauftragten

20. Am 23. Mai 2001 verabschiedete die Kommission den Beschluss über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren [19]. Dieses neue ,Mandat des Anhörungsbeauftragten", welches das alte Mandat von 1994 [20] ersetzt, wurde im Anschluss an die von der Kommission im letzten Jahr getroffene Entscheidung festgelegt, diese Funktion weiter auszubauen. Der Beschluss soll dem Anhörungsbeauftragten zu größerer Unabhängigkeit und Autorität verhelfen, seine Rolle bei Fusions- und Kartellverfahren in der EG stärken und die Objektivität wie auch die Qualität der Wettbewerbsverfahren der Kommission und der daraus resultierenden Entscheidungen verbessern.

[19] Beschluss der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren, ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21.

[20] Beschluss der Kommission vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission, ABl. L 330 vom 21.12.1994, S. 67.

21. Das Recht der Beteiligten und Dritter auf Anhörung ist ein anerkannter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Dieser Grundsatz wurde in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erneut formuliert. So heißt es, dass eine jede Person ein Recht darauf hat, ,dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden". Die Gewährleistung dieses Rechts während der Wettbewerbsverfahren der Kommission ist eine besondere Aufgabe des Anhörungsbeauftragten.

22. Der Posten des Anhörungsbeauftragten wurde 1982 geschaffen. Anfänglich beschränkten sich seine Aufgaben in erster Linie auf die Organisation, Leitung und Durchführung der mündlichen Anhörung in Kartellverfahren, d. h. bei Kartellen im engeren Sinne und bei Missbrauch marktbeherrschender Stellungen, und später auch in Fusionsverfahren. Er stellte außerdem sicher, dass bei der Erarbeitung der Entscheidungsentwürfe der Kommission in Wettbewerbssachen alle relevanten Fakten angemessen berücksichtigt wurden, unabhängig davon, ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig waren. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe trug der Anhörungsbeauftragte zum objektiven Charakter der Anhörung selbst und aller nachfolgenden Beschlüsse bei. Dieser Aufgabenbereich wurde 1994 aktualisiert und erweitert, um einen angemessenen Schutz der Rechte der Parteien zu gewährleisten, insbesondere im Hinblick auf die Vertraulichkeit von Dokumenten, auf die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und angemessene Akteneinsicht in die Verfahrensakten der Kommission.

23. Das von der Kommission am 23. Mai 2001 verabschiedete neue Mandat behält diese wesentlichen Aspekte der Funktionen des Anhörungsbeauftragten bei. Allerdings wurde seine Rolle weiter gestärkt und das Mandat unter Berücksichtigung der Entwicklungen des Wettbewerbsrechts entsprechend angepasst und konsolidiert.

24. Insbesondere wurde die Ernennung der Anhörungsbeauftragten durch die Veröffentlichung im Amtsblatt transparenter gestaltet. Eine Aussetzung des Mandats, eine Abberufung oder Versetzung muss Gegenstand einer mit Gründen versehenen Entscheidung der Kommission sein, die ebenfalls im Amtsblatt veröffentlicht wird. Darüber hinaus genießt der Anhörungsbeauftragte eine größere Unabhängigkeit gegenüber der Generaldirektion Wettbewerb. So ist er nunmehr verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission unterstellt und erstattet ihm direkt Bericht und nicht mehr wie zuvor dem Generaldirektor für Wettbewerb.

25. Auch im Entscheidungsprozess selbst hat der Anhörungsbeauftragte nunmehr eine stärkere Funktion. Die oberste Leitungsebene der Generaldirektion Wettbewerb ist angehalten, ihn bis zur Vorlage des Entscheidungsentwurfs bei dem für den Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglied über den Ablauf des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten. Der Anhörungsbeauftragte kann an das Kommissionsmitglied Bemerkungen zu Fragen aller Art im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverfahren der Kommission richten. Darüber hinaus muss der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten, der auf der Grundlage des dem beratenden Ausschuss vorgelegten Entscheidungsentwurfs erstellt wird, nunmehr stets dem der Kommission vorgelegten Entscheidungsentwurf beigefügt werden, damit dieser sämtliche sachdienlichen Informationen über den Ablauf des Verfahrens und die Ausübung des Anhörungsrechts vorliegen. Der Abschlussbericht kann bei Änderungen des Entscheidungsentwurfs bis zum Erlass der Entscheidung geändert werden. Zur Verbesserung der Transparenz des gesamten Verfahrens muss der Abschlussbericht zusammen mit der Entscheidung an die Adressaten der Entscheidung und die Mitgliedstaaten übermittelt und ebenfalls zusammen mit der Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht werden.

26. Durch das neue Mandat erweitert sich auch die Rolle des Anhörungsbeauftragten im Hinblick auf Verpflichtungszusagen der Parteien für Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Fusions- oder Kartellverfahren, die von der Kommission angestrengt wurden. Der Anhörungsbeauftragte kann sich in einem Bericht zur Objektivität einer Untersuchung äußern, mit deren Hilfe gegebenenfalls die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Verpflichtungen beurteilt werden sollte.

27. Das neue Mandat berücksichtigt auch die Vollmachten des Anhörungsbeauftragten im Hinblick auf die Gewährung oder Verweigerung des Datenschutzes bei der Offenlegung von Informationen durch die Veröffentlichung im Amtsblatt. Das betrifft insbesondere die veröffentlichten Fassungen von Kommissionsentscheidungen in Fusions- und Kartellfällen.

28. Welche Bedeutung die Parteien Verfahrensfragen beimessen, wurde erst jüngst durch die beim Gericht erster Instanz eingereichten Klagen verdeutlicht, die den Erlass von Anordnungen durch den Präsidenten am 20. Dezember 2001 zur Folge hatten. [21]

[21] Rechtssachen T-219/01 R, Commerzbank AG, und T-216/01R, Reisebank AG, sowie Rechtssache T-213/01 R, Österreichische Postparkasse AG.

29. Am 30. bzw. 16. Oktober ernannte die Kommission Herrn S. Durande und Frau K. Williams zu Anhörungsbeauftragten.

1.

B - Anwendung von Artikel 81, 82 und 86

1. Artikel 81

1.1. Kartelle

1.1.1. Rekordjahr der Kartellverbotsentscheidungen

30. Der Vorrang, der der Behandlung von Kartellfällen im engeren Sinn eingeräumt wurde, kam 2001 in der bedeutenden Zunahme der behandelten Fälle zum Ausdruck. Die Kommission fällte zehn förmliche ablehnende Entscheidungen in den Fällen ,Grafitelektroden", ,Natriumglukonat", ,SAS/Maersk", ,Vitamine", ,Deutsche Banken", ,Zitronensäure", ,Belgische Brauereien", ,Luxemburgische Brauereien", ,Zinkphosphat" und ,Selbstdurchschreibepapier" und schloss durch einvernehmliche Regelung zudem fünf Kartellfälle im Bankensektor ab, die mit der Euro-Einführung verbunden waren. [22] Außerdem verabschiedete die Kommission in mehreren anderen Fällen, insbesondere in den Fällen ,Plasterboard" und ,GFU", die Mitteilung der Beschwerdepunkte [23].

[22] Siehe Abschnitt 1.1.2.

[23] Pressemitteilungen Memo/01/149, 24.4.2001 und IP/01/830, 13.6.2001.

31. Geheime Kartellabsprachen gehören zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen. Sie spiegeln sich in Preiserhöhungen und einer Verringerung der den Verbrauchern angebotenen Auswahl wider. Zudem wirken sie sich für die europäische Wirtschaft insgesamt nachteilig aus, indem die Kosten für Dienstleistungen, Waren und Rohstoffe für die europäischen Unternehmen, die Kunden der betreffenden Kartellteilnehmer sind, steigen. Längerfristig schädigen diese Praktiken die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

32. Aus den genannten Gründen bilden die Aufdeckung, Verfolgung und Bestrafung geheimer Kartellabsprachen eines der zentralen Elemente der von der Europäischen Kommission von Anfang an verfolgten Wettbewerbspolitik. Die Bildung einer spezialisierten Abteilung (Kartellabteilung) im Jahr 1998 bestätigte konkret den Vorrang, den die Kommission der Kartellbekämpfung einräumt, an der sich natürlich andere Abteilungen ebenfalls beteiligen können. Außerdem werden mit dem Inkrafttreten der künftigen Verordnung des Rates, die an die Stelle der Verordnung Nr. 17 über kartellrechtliche Verfahren treten soll, die Überwachung der Märkte und die Bekämpfung sich herausbildender geheimer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen in den Mittelpunkt der Aufgaben der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft gestellt. Die Betonung liegt daher seit mehreren Jahren auf einer beträchtlichen Erhöhung der Mittel und einer tiefgreifenden Reorganisation der Arbeitsmethoden der Generaldirektion im Bereich der Kartellbekämpfung.

33. Die Aufdeckung, Verfolgung und Bestrafung geheimer Kartellabsprachen stellt für die Wettbewerbsbehörden stets eine neue Herausforderung dar. Mit der zunehmenden Globalisierung des Handels muss mit geheimen Absprachen gerechnet werden, die sich über die Grenzen Europas hinaus erstrecken und mitunter außerhalb des EWR getroffen werden. Die allgemeine Einführung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien lässt den Zugang zu Beweisen für diese Absprachen schwieriger werden. Auch führt das verstärkte Vorgehen gegen Kartelle in Europa sowie außerhalb seiner Grenzen dazu, dass zu immer raffinierteren Methoden gegriffen wird.

34. Die Reform der Verordnung Nr. 17, die derzeit im Rat diskutiert wird, ist von ausschlaggebender Bedeutung, damit die Kommission mit dieser Herausforderung fertig werden kann, indem sie ihre Effizienz bei der Bekämpfung geheimer Praktiken weiter erhöht. Insbesondere die Reform der Untersuchungsbefugnisse, vor allem die Möglichkeit, Untersuchungen in der Privatwohnung natürlicher Personen vorzunehmen, ist ein unerlässliches Element, um die Kartellbekämpfung den raffinierteren Praktiken anzupassen.

35. In der gleichen Weise und aus denselben Gründen hat die Kommission die Überprüfung ihrer Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußen aufgenommen.

36. Die Europäische Kommission verabschiedete erstmals 1996 ein Programm zur Gewährung von Rechtsvorteilen in Bezug auf die Geldbuße [24], um die Effektivität sowohl beim Nachweis als auch bei der Bearbeitung von Kartellfällen zu verbessern. Dieses Programm soll als ein wirksames Instrument bei den Ermittlungen eingesetzt werden, wobei Unternehmen belohnt werden, die mit der Kommission zusammenarbeiten. Mit dem Programm wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es in einem immer komplizierteren Umfeld schwierig ist, gesichertes Beweismaterial für geheime Kartellabsprachen zu erlangen.

[24] ABl. C 207 vom 18.7. 1996, S. 4.

37. Nach fünfjähriger Anwendung spielt das Programm bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln gegenüber Kartellen mittlerweile eine wichtige Rolle und wurde in vielen der Fälle, die seit Juli 1996 anhängig sind, von den Unternehmen in Anspruch genommen. Bislang fand die Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußen in 16 endgültigen Entscheidungen der Kommission Anwendung: ,Legierungszuschlag [25], ,British Sugar" [26], ,Fernwärmetechnik" [27], ,Griechische Fährschiffe" [28], ,Nahtlose Stahlrohre" [29], ,Lysin" [30], ,SAS/Maersk Air" [31], ,Grafitelektroden" [32], ,Natriumglukonat" [33], ,Vitamine" [34], ,Belgische Brauereien" [35], ,Luxemburgische Brauereien" [36], ,Zitronensäure" [37], ,Deutsche Banken" [38], ,Zinkphosphat" [39] und ,Selbstdurchschreibepapier" [40].

[25] ABl. L 100 vom 1.4.1998.

[26] ABl. L 76 vom 22.3.1999.

[27] ABl. L 24 vom 30.1.1999.

[28] ABl. L 109 vom 27.4.1999.

[29] Nicht veröffentlicht.

[30] ABl. L 152 vom 7.6.2001.

[31] Sachen COMP/D2/37.444 und COMP/D2/37.386, ABl. L 265 vom 5.10.2001.

[32] Sache COMP/36.490; IP/01/1010, 18.7.2001.

[33] Sache COMP/36.756; IP/01/1355, 20.10.2001.

[34] Sache COMP/37.512; IP/01/1625, 21.11.2001.

[35] Sache COMP/37.614; Pressemitteilung IP/01/1739.

[36] Sache COMP/37.800; Pressemitteilung IP/01/1740, 5.12.2001.

[37] Sache COMP/36.604; IP/01/1743, 5.12.2001.

[38] Sache COMP/37.919; IP/01/1796, 11.12.2001

[39] Sache COMP/37.027; IP/01/1797, 11.12.2001.

[40] Sache COMP/36.212; IP/01/1892, 20.12.2001.

38. Die bislang gesammelten Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich die Wirksamkeit der Mitteilung verbessern ließe, wenn die Bedingungen für eine Ermäßigung der Geldbußen mit größerer Transparenz und Bestimmtheit dargelegt würden. Von Vorteil wäre auch ein stärkerer Abgleich zwischen der Höhe der Ermäßigung und dem Wert des von dem Unternehmen geleisteten Beitrags zur Feststellung des Verstoßes.

39. Aus diesen Gründen hat die Kommission beschlossen, die Geldbußen-Mitteilung nach fünfjähriger Umsetzungsdauer neu zu fassen, um ihre Wirksamkeit weiter zu verbessern und die Kommission in eine möglichst gute Ausgangslage zu versetzen, Kartelle aufzuspüren und erfolgreich gegen sie vorzugehen. Der am 21. Juli veröffentlichte Entwurf einer neuen Mitteilung [41] befasst sich in vielerlei Hinsicht mit diesen Fragen und schafft die Voraussetzungen für die Verabschiedung einer neuen Mitteilung über Immunität und Ermäßigung von Geldbußen im Jahre 2002.

[41] Entwurf einer Mitteilung der Kommission über die Immunität vor Geldbußen und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 205 vom 21.7.2001, S. 18.

1.1.2. Kartellentscheidungen im Jahr 2001

Grafitelektroden [42]

[42] Sache COMP/36.490; IP/01/1010, 18.7.2001.

40. Am 18. Juli verhängte die Kommission gegen die deutsche SGL Carbon AG, gegen das US-Unternehmen UCAR International und gegen sechs weitere Unternehmen wegen Preisabsprachen und Aufteilung des Grafitelektrodenmarktes Geldbußen in Höhe von insgesamt 218,8 Mio. EUR. Nach einer gründlichen Untersuchung, die 1997 eingeleitet wurde, stellte die Kommission fest, dass diese Unternehmen beinahe die gesamten 90er Jahre hindurch an einem weltweiten Kartell beteiligt waren. Die Kommission wertete das Verhalten der Unternehmen als einen ,besonders schweren" Verstoß gegen die EG-Wettbewerbsregeln.

41. Grafitelektroden sind in keramischen Formen gegossene Grafitstäbe, die hauptsächlich bei der Stahlerzeugung in Lichtbogenöfen von Elektrostahlwerken (die auch als ,Ministahlwerke" bezeichnet werden) zum Einsatz gelangen.

42. Im Zusammenhang mit der Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußen sei darauf verwiesen, dass die Kommission diesbezüglich erstmalig eine erhebliche Ermäßigung der Geldbuße gewährt hat (70 %), und zwar speziell für Showa Denko, das als erstes Unternehmen mit der Kommission zusammengearbeitet und entscheidende Beweise für das Kartell geliefert hatte.

SAS/Maersk [43]

[43] Sachen COMP/D2/37.444 und COMP/D2/37.386, ABl. L 265 vom 5.10.2001.

43. Ebenfalls am 18. Juli beschloss die Kommission, gegen Scandinavian Airlines SAS und Maersk Air Geldbußen von 39,375 Mio. EUR bzw. 13,125 Mio. EUR wegen geheimer Marktabsprachen zu verhängen. Aufgrund dieser Vereinbarung wurde die Strecke Kopenhagen-Stockholm zum Schaden von über einer Million Reisenden jährlich lediglich von SAS bedient, und auch andere Strecken von und nach Dänemark waren von den Marktabsprachen betroffen [44].

[44] SAS hat gegen diese Entscheidung beim Gericht erster Instanz am 3.10.2001 (T-241/01) Berufung eingelegt und speziell die Höhe der Geldbuße angefochten.

44. SAS und Maersk Air hatten einen Kooperationsvertrag angemeldet, bei dem es im Wesentlichen um eine Zusammenlegung von Flugnummern (Code-sharing) und um Vielfliegerprogramme ging. Im Verlaufe der Voruntersuchung stellte sich heraus, dass sich Maersk Air mit Inkrafttreten des Kooperationsvertrags von der Strecke Kopenhagen-Stockholm zurückgezogen hatte, auf der sie bis dahin mit SAS im Wettbewerb stand. Außerdem zeigte sich, dass gleichzeitig SAS seine Flüge auf der Strecke Kopenhagen-Venedig eingestellt hatte und diese Strecke nunmehr von Maersk Air bedient wurde. Schließlich hatte SAS auch die Strecke Billund-Frankfurt der Maersk Air, ihrem ehemaligen Konkurrenten auf dieser Strecke, überlassen.

45. Diese Markteintritte und -rückzüge, die nicht angemeldet waren, gehörten zu einer weitreichenderen Vereinbarung über die Marktaufteilung, die ein umfassendes Wettbewerbsverbot beinhaltete, das die künftigen Aktivitäten der Parteien auf den internationalen Strecken von und nach Dänemark und auf den dänischen Inlandsrouten betraf.

46. Diese Marktaufteilung wurde bei Vor-Ort-Inspektionen festgestellt, die im Juni 2000 in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden Schwedens und Dänemarks stattfanden.

47. Durch die Entscheidung wurde der Wettbewerb zwischen SAS und Maersk Air, den beiden größten Fluggesellschaften mit Verbindungen von und nach Dänemark, zum Nutzen der Verbraucher wiederhergestellt.

Natriumglukonat [45]

[45] Sache COMP/36.756; IP/01/1355, 20.10.2001.

48. Am 2. Oktober 2001 hat die Kommission wegen Preisabsprachen und Marktaufteilung für Natriumglukonat gegen die Unternehmen Archer Daniels Midland Company Inc., Akzo Nobel N.V, Avebe B.A., Fujisawa Pharmaceutical Company Ltd., Jungbunzlauer AG und Roquette Frères S.A. Geldbußen von insgesamt 57,53 Mio. EUR festgesetzt. Die Kommission stufte die Verhaltensweisen der Unternehmen als ,besonders schweren" Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und des EWR ein.

49. Nach einer im Jahr 1997 aufgenommenen Untersuchung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass von den Unternehmen zwischen 1987 und 1995 ein weltweites Kartell betrieben wurde. Die Umsetzung der Kartellvereinbarungen erfolgte durch eine genaue Überwachung des Absatzes, regelmäßige zwei- und mehrseitige Treffen und die Anwendung eines Ausgleichssystems. Die Kommission sammelte Beweise für mehr als 25 Kartellzusammenkünfte während des betreffenden Zeitraums.

50. Natriumglukonat ist ein chemischer Stoff, der zur Reinigung von Metall und Glas verwendet wird und bei der Flaschenwäsche, beim Reinigen von Geräten, zum Entfernen von Farbe wie auch als Nahrungsmittelzusatz und zu verschiedenen anderen chemischen Zwecken Verwendung findet.

51. Die Kommission entschied sich in diesem Fall erstmalig für eine wesentlich niedrigere Festsetzung der Geldbuße gemäß Punkt B der Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußen. So wurde die Geldbuße für Fujisawa um 80 % gesenkt, weil es als erstes Unternehmen ausschlaggebende Nachweise für das Vorhandensein des Kartells vorgelegt hatte, bevor die Kommission aufgrund einer (förmlichen) Entscheidung Nachprüfungen vornahm. Fujisawa wurde keine vollständiger Erlass eingeräumt, was nach Punkt B der Mitteilung möglich gewesen wäre, weil es erst mit der Kommission zusammenarbeitete, nachdem es ein offizielles Auskunftsersuchen erhalten hatte. Die Mitarbeit von Fujisawa erfolgte somit nicht spontan und nicht vor Beginn aller Untersuchungsmaßnahmen, was entsprechend berücksichtigt wurde.

Vitamine [46]

[46] Sache COMP/37.512; IP/01/1625, 21.11.2001.

52. Am 21. November verabschiedete die Kommission eine Entscheidung gemäß Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen, in der sie feststellte, dass 13 Hersteller der Vitamine A, E, B1, B2, B5, B6, C, D3, H, Folsäure, Betacarotin und Carotinoide Absprachen zu jedem dieser Produkte trafen, was 12 separate Verstöße zur Folge hatte.

53. Die Kommission hat gegen acht Unternehmen wegen der Preisabsprachen für acht unterschiedliche Produkte und der Zuweisung der entsprechenden Absatzquoten Geldbußen in Höhe von insgesamt 855,23 Mio. EUR verhängt. Die Verjährungsbestimmungen für Geldbußen in Wettbewerbssachen [47] waren auf die Verstöße bezüglich der Vitamine B1, B6, H und Folsäure anwendbar, weshalb die Kommission den Unternehmen für ihre Beteiligung an diesen Kartellen keine Geldbuße auferlegte. Jede Absprache stellte einen besonders schweren Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft dar, was das insgesamt hohe Niveau der auferlegten Geldbußen rechtfertigte.

[47] Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

54. Auffallend bei diesen umfassenden Verstößen war die Schlüsselrolle, welche die beiden führenden Vitamhersteller - Hoffmann-La Roche und BASF - bei praktisch allen Absprachen spielten; andere Anbieter waren nur an einzelnen Vitaminkartellen beteiligt.

55. Die Kartellmitglieder haben für die diversen Vitaminprodukte jeweils Preise festgelegt und Absatzquoten zugewiesen, Preissteigerungen vereinbart und umgesetzt und Preisbekanntmachungen entsprechend ihren Vereinbarungen herausgegeben. Außerdem schufen sie einen Mechanismus zur Überwachung und Sicherung der Einhaltung ihrer Vereinbarungen und kamen regelmäßig zusammen, um die Umsetzung ihrer Pläne zu besprechen. Die Vorgehensweise der einzelnen Kartelle war im Wesentlichen gleich. Wegen der Kontinuität und Ähnlichkeit der angewandten Methoden erschien es der Kommission angemessen, sämtliche Absprachen zu den verschiedenen Vitaminprodukten in ein und demselben Verfahren zu behandeln.

Zitronensäure [48]

[48] Sache COMP/36.604; IP/01/1743, 5.12.2001.

56. Am 5. Dezember beschloss die Kommission, gegen fünf Produzenten von Zitronensäure Geldbußen in Höhe von insgesamt 135,22 Mio. EUR zu verhängen.

57. Durch die Untersuchung der Kommission konnte nachgewiesen werden, dass die betreffenden fünf Produzenten zwischen 1991 und 1995 an einer weltweiten geheimen Absprache beteiligt waren, die ihnen die Festsetzung der Preise und die Aufteilung des Marktes für Zitronensäure ermöglichte. Diese Absprache stellt einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen dar, so dass die Höhe der Geldbuße gerechtfertigt ist.

Belgische Brauereien [49]

[49] Sache COMP/37.614, Pressemitteilung IP/01/1739; 5.12.2001.

58. Am 5. Dezember 2001 verhängte die Kommission gegen fünf Unternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt 91,655 Mio. EUR, weil sie an zwei geheimen Kartellen auf dem belgischen Biermarkt teilgenommen hatten.

59. Am ersten Kartell waren Interbrew einerseits und Alken-Maes und Danone (die damalige Muttergesellschaft von Alken-Maes) andererseits beteiligt. Interbrew und Alken-Maes/Danone, der größte und der zweitgrößte Anbieter auf dem Markt, vereinbarten einen allgemeinen Nichtangriffspakt, die Aufteilung von Kunden sowie die Begrenzung von Investitionen und Werbung im Gastgewerbe bzw. Bierausschanksektor (Hotels, Cafés und Restaurants), die Festlegung der Preise im Einzelhandelssektor, ein neues Preisgestaltungssystem (für beide Sektoren) und ein System zum monatlichen Austausch detaillierter Absatzzahlen für beide Sektoren. Das Kartell bestand von 1993 bis 1998. Die Generaldirektoren und andere Führungskräfte der beteiligten Unternehmen kamen regelmäßig zusammen, um die vorerwähnten Vereinbarungen einzuleiten und zu überwachen. Die Kommission wertete den Verstoß als besonders schwer. Bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße trug die Kommission überdies der Tatsache Rechnung, dass Danone bereits in der Vergangenheit ähnliche Verstöße nach Artikel 81 begangen hatte. [50]

[50] Entscheidung der Kommission vom 23.7.1984 (Flachglas) und Entscheidung der Kommission vom 15.5.1974 (Flachglas).

60. Das zweite Kartell betraf Hausmarken-Bier in Belgien. Dabei handelt es sich um Biere, die Supermärkte bei den Brauereien ordern, aber unter einem eigenen Markennamen vertreiben. Im Zeitraum von Oktober 1997 bis Juli 1998 trafen Interbrew, Alken-Maes, Haacht und Martens viermal zusammen, um über den Hausmarken-Markt in Belgien generell zu beraten, ebenso über die Preisgestaltung und die Kundenaufteilung. Auf diesen Treffen tauschten die vier Brauereien auch geschäftliche Informationen aus. Dieses Kartell wurde als schwerer Verstoß eingestuft.

Luxemburgische Brauereien [51]

[51] Sache COMP/37.800, Pressemitteilung IP/01/1740, 5.12.2001.

61. Am 5. Dezember verhängte die Kommission gegen drei luxemburgische Brauereien, Brasserie Bofferding, Brasserie Battin und Brasserie de Wiltz, Geldbußen in Höhe von insgesamt 448 000 Mio. EUR wegen ihrer Beteiligung an einem Marktaufteilungskartell im luxemburgischen Bierausschanksektor (Hotels, Restaurants, Cafés). Einer vierten Brauerei, Brasserie de Luxembourg (einer Tochtergesellschaft von Interbrew) blieb die Geldbuße erspart, weil es die Kommission über das Kartell informierte und alle sonstigen Bedingungen von Punkt B der Mitteilung über Erlass und Ermäßigung von Geldbußenerfuellte.

62. Die Brauereien hatten schriftlich vereinbart, ihre Alleinbezugsvereinbarungen (Bierbezugsbindungen) mit den Abnehmern aus dem Gastgewerbe gegenseitig zu garantieren und Maßnahmen zu treffen, um das Eindringen ausländischer Brauereien in den luxemburgischen Bierausschank-Sektor zu begrenzen. Die Vereinbarung war von 1985 bis 2000 in Kraft und wurde als ein schwerer Verstoß gewertet.

Zinkphosphat [52]

[52] Sache COMP/37.027; IP/01/1797, 11.12.2001.

63. Am 11. Dezember verhängte die Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 11,95 Mio. EUR gegen sechs Produzenten bzw. ehemalige Produzenten von Zinkphosphat. In ihren Untersuchungen konnte die Kommission nachweisen, dass die sechs betroffenen Produzenten zwischen 1994 und 1998 an einer Absprache beteiligt waren, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und ihnen die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der von ihnen gehaltenen 90 % des Marktes für Zinkphosphat, eines für die Herstellung von Industriefarben verwendeten mineralischen Korrosionsschutzpigments, ermöglichte. Diese Absprache stellte dem Wesen nach einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 83 EWR-Abkommen dar.

Einvernehmliche Regelungen bezüglich Umtauschgebühren bei Währungen des Euro-Gebiets und Deutsche Banken [53]

[53] Sache COMP/37.919; IP/01/1796, 11.12.2001.

64. Kurz nach der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 gingen bei der Kommission (GD Binnenmarkt) Beschwerden ein, denen zufolge die Gebühren für den Umtausch von Banknoten und Münzen des Euro-Gebiets nach wie vor hoch seien. Die Kommission führte bei verschiedenen Banken unangekündigte Kontrollen durch und richtete an die meisten Banken im Euro-Gebiet Auskunftsersuchen. Sie fand Hinweise darauf, dass bestimmte nationale Bankengruppen möglicherweise Absprachen getroffen hatten, um die Umtauschgebühren auf einem bestimmten Niveau zu halten und damit die im Zusammenhang mit der Einführung des Euro entstandenen Verluste auf ein Minimum zu beschränken. Auf dieser Grundlage leitete die Kommission im Jahr 2000 Verfahren gegen eine große Zahl von Banken und Wechselstuben in sieben Mitgliedstaaten (Belgien, Finnland, Deutschland, Irland, Niederlande, Österreich und Portugal) ein.

65. Einige Banken jedoch ergriffen die Initiative und schlugen der Kommission vor, (i) ihre Umtauschgebühren für Banknoten innerhalb der Euro-Zone deutlich zu senken und (ii) sie bei Ankaufgeschäften bis spätestens Oktober 2001 zumindest für Kontoinhaber gänzlich abzuschaffen.

66. In Anbetracht des außergewöhnlichen Umstandes, dass der betreffende Markt verschwindet, und unter Berücksichtigung des unmittelbaren Nutzens für die Verbraucher, der sich aus diesen Vorschlägen und der damit verbundenen Aufgabe des vorgeworfenen Kartellverhaltens ergibt, beschloss die Kommission die Einstellung der Kartellverfahren gegen mehr als 50 Banken in Belgien, Finnland, Irland, Niederlande und Portugal und gegen einige Banken in Deutschland [54].

[54] IP/01/1159, 31.7.2001.

67. Am 12. Dezember verhängte die Kommission Geldbußen von insgesamt 100,8 Mio. EUR gegen fünf deutsche Banken wegen der Vereinbarung einer Gebühr von rund 3 % für den An- und Verkauf von Banknoten des Euro-Gebiets während der dreijährigen Übergangszeit ab 1.1.1999.

68. Die weitere Untersuchung der österreichischen Sache erfolgt im Zusammenhang mit einem weitreichenderen Kartell im österreichischen Bankensektor, zu dem gegenwärtig Ermittlungen angestellt werden.

Selbstdurchschreibepapier [55]

[55] Sache COMP/36.212; IP/01/1892, 20.12.2001.

69. Am 20. Dezember beschloss die Kommission gegen zehn Produzenten von Selbstdurchschreibepapier die Verhängung von Geldbußen in Höhe von insgesamt 313,69 Mio. EUR.

70. Durch die Untersuchung der Kommission konnte nachgewiesen werden, dass die betroffenen Produzenten zwischen 1992 und 1995 an einer geheimen Absprache von europäischer Reichweite beteiligt waren. Ziel war es, die Rentabilität der Beteiligten durch kollektive Preisanhebungen zu erhöhen. Diese Absprache stellt dem Wesen nach einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen dar, was die Höhe der Geldbußen rechtfertigt, insbesondere die Geldbuße von 184,27 Mio. EUR gegen Arjo Wiggins Appleton, den größten Produzenten und Anstifter des Kartells. Sappi, ein Unternehmen, das am Kartell teilgenommen hatte, kam in den Genuss völliger Immunität, da es die erste Firma war, die mit der Kommission zusammenarbeitete und entscheidende Beweise für die Absprache lieferte.

Gerichtsurteil im Fall ,British Sugar"

71. Mit einer Entscheidung vom 14.10.1998 verhängte die Kommission Geldbußen gegen die Zuckerhersteller British Sugar und Tate&Lyle sowie die Zuckerhändler Napier Brown und James Budgett wegen Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag. Der Verstoß bestand in der Koordinierung der Preispolitik der Beteiligten auf dem Markt für Kristallzucker in Großbritannien [56].

[56] Eine ausführliche Darlegung dieser Entscheidung findet sich im XXVIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1998, S. 152-155.

72. Nach einer durch drei der Parteien eingelegten Berufung schloss sich das Gericht erster Instanz in seinem Urteil vom 12.7.2001 [57] der Entscheidung der Kommission an, ausgenommen die Reduzierung der Geldstrafe für das Unternehmen Tate&Lyle. Das Gericht akzeptierte keines der von den Parteien vorgebrachten Argumente, mit denen sie nachzuweisen versuchten, dass kein Verstoß vorlag und ihr Verhalten den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen konnte.

[57] Verbundene Rechtssachen T-202/98, T-204/98, T-207/98 Tate&Lyle, British Sugar, Napier Brown/Commission.

73. Im Hinblick auf die verhängten Geldbußen bestätigte das Gericht die von der Kommission vorgenommene Einstufung als schwerer Verstoß, ihre Festlegungen bezüglich seiner Dauer und seines vorsätzlichen Charakters und ihre Einschätzung der erschwerenden und mildernden Umstände. Das Gericht untersuchte die Möglichkeiten einer Nichtfestsetzung oder niedrigeren Festsetzung von Geldbußen und stellte dabei die Grundsätze der diesbezüglich geltenden Mitteilung der Kommission nicht in Frage [58]. Es vertrat jedoch die Auffassung, dass die Kommission die Zusammenarbeit von Tate&Lyle im Kartellverfahren fälschlicherweise als nicht ununterbrochen und uneingeschränkt im Sinne von Punkt B Buchstabe d) der Mitteilung eingeschätzt hat. Es machte daher von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch [59] und nahm eine Neubewertung der Zusammenarbeit von Tate&Lyle sowie eine Erhöhung des Geldbußennachlasses von 50 % auf 60 % vor.

[58] ABl. C 207 vom 18.7.1996, S. 4.

[59] Siehe Artikel 229 EG-Vertrag, Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 von 1962.

74. Zwischenzeitlich hat British Sugar bei Europäischen Gerichtshof gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz Berufung eingelegt [60].

[60] Sache C-359/01 P.

2. Artikel 82 und 86

2.1. Artikel 82 - Unternehmen in einer beherrschenden Stellung

75. Nach Artikel 82 EG-Vertrag ist es Unternehmen, die auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnehmen, verboten, diese zum Nachteil Dritter missbräuchlich auszunutzen. Ein derartiger Missbrauch besteht u. a. in der Einschränkung der Erzeugung, in der Festsetzung überhöhter Preise, der Preisdiskriminierung (Verdrängungswettbewerb), in Kopplungsgeschäften oder sonstigen Handelspraktiken, die nicht auf dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit beruhen. Derartige Praktiken wirken sich negativ auf den Wettbewerb aus. Sie werden von Unternehmen angewandt, die aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage sind, sich dem Wettbewerbsdruck zu entziehen und Wettbewerber ohne wesentliche Nachteile für sich selbst zu eliminieren oder auch den Markteintritt neuer Wettbewerber erheblich zu behindern.

76. Im Jahr 2001 verhängte die Kommission Geldbußen in vier nach Artikel 82 EG-Vertrag untersuchten Fällen. In den übrigen Fällen konnte sie die von den betreffenden Unternehmen angebotenen Verpflichtungen oder Änderungen der Vereinbarungen akzeptieren, durch die die missbräuchlichen Praktiken beendet wurden. Die untersuchten Fälle waren nicht auf spezifische Sektoren beschränkt und beziehen sich unter anderem auf den Postsektor und die Automobilindustrie.

Deutsche Post AG I [61]

[61] Sache COMP/C1/35.141.

77. Am 20. März verabschiedete die Kommission ihre erste Entscheidung nach Artikel 82 im Postsektor. Darin heißt es, dass die Deutsche Post AG ihre marktbeherrschende Stellung bei Paketdiensten für den Versandhandel durch die Gewährung von Treuerabatten und für einen Verdrängungswettbewerb missbraucht hat. Deutsche Post wurde eine Geldbuße von 24 Mio. EUR auferlegt. Siehe Abschnitt I.C.2.2.

Deutsche Post AG II [62]

[62] Sache COMP/C1/36.915.

78. Eine weitere Entscheidung im Postsektor, erneut bezüglich Deutsche Post AG, wurde am 25. Juli erlassen . Siehe Abschnitt I.C.2.2.

Duales System Deutschland (DSD) [63]

[63] Sache COMP/34.493; IP/01/584.

79. Am 20. April hat die Kommission mit einer Entscheidung festgestellt, dass die Duales System Deutschland AG (DSD), die das Markenzeichen ,Der Grüne Punkt" eingeführt hat, , ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Organisation der Rücknahme und Verwertung von Verkaufsverpackungen in Deutschland missbraucht hat. DSD ist gegenwärtig das einzige Unternehmen, das in Deutschland einen flächendeckenden Entsorgungsdienst für Verpackungsmaterial anbietet. Gegenstand der Entscheidung der Kommission ist eine Bestimmung in dem von DSD mit seinen Kunden praktizierten Markenzeichennutzungsvertrag. Demnach wird das von den Kunden zu zahlende Entgelt nach der Anzahl der mit dem Zeichen ,Der Grüne Punkt" auf dem deutschen Markt vertriebenen Verpackungen bemessen, nicht jedoch nach dem Umfang der von den Kunden tatsächlich nachgefragten Entsorgungsdienstleistung. Diese Regelung stellt einen Verstoß gegen Artikel 82 dar; da sie die Verbraucher zur Bezahlung von tatsächlich nicht erbrachten Leistungen zwingt und den Markteintritt von Wettbewerbern verhindert.

Kasten 3: Wettbewerbspolitik im Bereich Verpackungsmüll

Im Zuge der Umsetzung des Umweltrechts der Europäischen Gemeinschaft legen die Mitgliedstaaten Zielvorgaben für die Rücknahme und Verwertung von Verpackungsmüll fest, wobei das Verursacherprinzip gilt. Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines jeden Landes bilden dabei die Grundlage, auf der die Industrie verschiedene Systeme für die Sammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen einrichtet. Bei so genannten flächendeckenden Systemen, wie sie beispielsweise in letzter Zeit von der Kommission analysiert wurden, bestehen vertragliche Beziehungen zwischen dem Systembetreiber und den Herstellern/Vertreibern verpackter Waren, den Entsorgern und den Garantiegebern/Verwertungsunternehmen.

Generell ist die Kommission bemüht, im Interesse der Verbraucher zu handeln. Sie will gewährleisten, dass die in diesem Bereich neu entstehenden Märkte für den Wettbewerb offen sind, während gleichzeitig ein hohes Niveau im Umweltschutz beizubehalten ist. Die entsprechenden Dienste werden zum bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnis erbracht. Die Kommission verabschiedete 2001 mehrere förmliche Entscheidungen und gab Verwaltungsschreiben heraus (zwei Entscheidungen in der Sache Duales System Deutschland [64], eine Entscheidung in der Sache Eco Emballages [65], Verwaltungsschreiben in den Sachen Pro Europe [66], Returpack-PET [67], Returpack Aluminium [68] und Returglas [69]), in denen die wichtigsten Grundsätze für den Wettbewerb festgelegt wurden, denen solche Systeme Rechnung tragen müssen und die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

[64] Sache COMP/D3/34.493, Entscheidung vom 20. April 2001, ABl. L 166 vom 26.6.2001, S. 1; Entscheidung vom 17. September 2001, ABl. L 319 vom 4.12.2001, S. 1.

[65] Sache COMP/D3/34.950, Entscheidung vom 15. Juni 2001, ABl. L 233 vom 31.8.2001, S. 37.

[66] Sache COMP/D3/38.051.

[67] Sachen COMP/D3/35.656 und COMP/D3/37.224.

[68] Sache COMP/D3/35.658.

[69] Sache COMP/D3/35.669.

(a) Auswahlmöglichkeiten für Unternehmen: Die Kommission ist der Ansicht, dass Unternehmen, von denen die Rücknahme und Verwertung von Verpackungsmüll gefordert wird, die Möglichkeit haben sollten, zwischen verschiedenen Systemen oder sonstigen geeigneten Lösungen zu wählen. Ihnen sollte so viel Spielraum eingeräumt werden, dass sie sich nicht an das marktbeherrschende System binden müssen oder mit diesem lediglich bei einem Teil ihres Verpackungsmaterials zusammenarbeiten. In Anbetracht der sehr starken Marktposition der bereits bestehenden Systeme ist es für die Herausbildung des Wettbewerbs von größter Wichtigkeit, dass alternative Leistungsanbieter uneingeschränkten Marktzugang erhalten. Damit soll auch gewährleistet werden, dass neue Arten von Aktivitäten im Bereich der Verpackungsverwertung entwickelt werden können und Hindernisse für die Selbstentsorgung und andere individuelle Lösungen beseitigt werden. Die Kommission akzeptiert daher kein missbräuchliches Marktverhalten, dass die beherrschende Stellung der bestehenden Betreiber weiter konsolidiert.

(b) Keine ungerechtfertigten Ausschließlichkeitsvereinbarungen: Bei der Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich der Verpackungsmüllentsorgung berücksichtigt die Kommission hauptsächlich den Anwendungsbereich und die Dauer der Verträge. Sie steht generell allen Arten von Ausschließlichkeitsvereinbarungen kritisch gegenüber, die wirtschaftlich gesehen nicht fundiert und überzeugend begründet sind.

(c) Unbeschränkter Zugang zur Erfassungsinfrastruktur: Eines der Merkmale des Marktes für die Sammlung und Sortierung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher besteht darin, dass eine Duplizierung der bestehenden Erfassungsinfrastruktur in der Praxis oftmals sehr schwierig ist. Für die Haushalte wäre es unpraktisch, wenn sie für das gleiche Material unterschiedliche Gefäße unterschiedlicher Erfassungssysteme verwenden müssten, was außerdem aus wirtschaftlicher Sicht keine tragfähige Lösung darstellt. Die Kommission erachtet daher die gemeinsame Nutzung der Erfassungseinrichtungen durch die Entsorger als eine Grundlage für die praktische Realisierung des Wettbewerbs.

(d) Freie Vermarktung von Sekundärmaterial: Den Entsorgern sollte auch eine möglichst uneingeschränkte Vermarktung von Sekundarmaterial ermöglicht werden, wobei sicherzustellen ist, dass die Materialien in geeigneter Weise wiederaufbereitet werden. Gebrauchte Verpackungen lassen sich nach ihrer Sammlung und Sortierung als Sekundärrohstoffe für die Herstellung verschiedener neuer Produkte einer erneuten Verwendung zuführen.

Die Kommission wird die genannten Grundsätze auch bei derzeit anhängigen und künftigen Sachen anwenden. Der Verbraucher wird davon direkt profitieren, denn es wird davon ausgegangen, dass der Wettbewerb auf den entsprechenden Wiederaufbereitungsmärkten zu einer Senkung der Preise führt, die der Verbraucher letztendlich für die entsorgten Produkte zahlt.

Michelin [70]

[70] Sache COMP/36.041; IP/01/873.

80. Am 20. Juni entschied die Kommission, gegen den französischen Reifenhersteller Michelin wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung auf dem französischen Markt für runderneuerte und neue Ersatzreifen für Lastkraftwagen eine Geldbuße in Höhe von 19,76 Mio. EUR zu verhängen. Die Untersuchungen der Kommission hatten ergeben, dass Michelin zwischen 1990 und 1998 ein vielschichtiges System von Mengenrabatten, Zugaben und Geschäftsvereinbarungen praktizierte, das die Vertriebshändler an das Unternehmen band und den französischen Markt abschottete. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße wurde berücksichtigt, dass der Verstoß gravierend war, sich über einen langen Zeitraum erstreckte und es sich um einen wiederholten Verstoß handelte.

IMS Health [71]

[71] Sache COMP/38.044 IMS Health/NDC, Entscheidung vom 3.7.2001 (ABl. L 59 vom 28.2.2002).

81. Am 3. Juli erließ die Kommission eine einstweilige Anordnung gegen IMS Health (USA), den Weltmarktführer bei der Sammlung von Daten über Verschreibungen und den Absatz von Arzneimitteln, wonach er eine Lizenz für seine Struktur ,1860 Bausteine" zu erteilen hat, mit der das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in 1860 Absatzsegmente oder ,Bausteine" unterteilt wurde. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die Weigerung von IMS, eine Lizenz für die Verwendung seiner Struktur zu erteilen, die sich nach Auffassung der Kommission zu einer landesweiten Norm für die deutsche pharmazeutische Industrie entwickelt hat, dem ersten Anschein nach einen Missbrauch einer beherrschenden Position darstellt. Diese Weigerung hinderte neue Wettbewerber daran, in den Markt für pharmazeutische Absatzdaten einzutreten und ist geeignet, NDC Health (USA) und AzyX Geopharma Services (Belgien), den beiden auf diesem Markt tätigen Wettbewerbern von IMS, schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zuzufügen. Der Präsident des Gerichts erster Instanz, den IMS mit einem Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz angerufen hatte, setzte die Vollziehung der Entscheidung der Kommission am 26. Oktober aus, bis in Bezug auf die Nichtigkeitsklage ein endgültiges Urteil gesprochen ist. [72] NDC Health hat gegen die Anordnung des Präsidenten des Gerichts erster Instanz am 12. Dezember Berufung eingelegt.

[72] Rechtssache T-184/01 R. Der Präsident war der Ansicht, dass der missbräuchliche Charakter des Verhaltens von IMS nach den geltenden Wettbewerbsregeln nicht als eindeutig angesehen werden konnte, dass für IMS die Gefahr bestand, schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu erleiden, falls es zur Erteilung einer Lizenz an seine Wettbewerber gezwungen würde, und dass die Interessenabwägung in diesem Fall für eine Aufhebung der Entscheidung sprach.

De Post/la Poste (Belgien) [73]

[73] Sache COMP/C1/37.859 ; ABl. L 61 vom 2.3.2002.

82. Am 5. Dezember entschied die Kommission, dass der belgische Postbetreiber De Post/la Poste seine beherrschende Stellung missbraucht hatte, indem er die Gewährung eines Vorzugstarifs bei der allgemeinen Briefpost vom Abschluss eines zusätzlichen Vertrags über einen neuen Business-to-Business-Postdienst (,B2B") abhängig machte. Sie verhängte eine Geldbuße von 2,5 Mio. EUR. Siehe Abschnitt I.C.2.2.

2.2. Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 EG-Vertrag - Öffentliche Unternehmen/Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten und beherrschender Stellung

83. Gemäß Artikel 86 gelten die Wettbewerbsregeln auch für öffentliche Unternehmen und für solche Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren. Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch in Bezug auf diese Unternehmen keine den Wettbewerbsregeln widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten.

La Poste (Frankreich) [74]

[74] Sache COMP/C1/37.133.

84. Am 23. Oktober erließ die Kommission eine Entscheidung über die Kontrolle der Beziehungen zwischen der französischen Post (La Poste) und den auf die Vorbereitung der Briefpostsendungen spezialisierten Firmen. Die Kommission sah in den Beziehungen zwischen La Poste und den privaten Postvorbereitern insofern einen Interessenkonflikt, als Erstere mit diesen Firmen im Wettbewerb steht und wegen des Postmonopols für diese zugleich ein nicht zu umgehender Vertragspartner ist. Nach Ansicht der Kommission wird La Poste wegen dieses Interessenkonflikts ermutigt, ihre marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Da die französischen Rechtsvorschriften keine Mechanismen für eine hinreichend wirksame und unabhängige Kontrolle zur Neutralisierung dieses Interessenkonflikts vorsehen, liegt nach Ansicht der Kommission ein Verstoß des französischen Staates gegen Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 EG-Vertrag vor.

C - Wettbewerbsentwicklung in einzelnen Wirtschaftszweigen

1. Energie: Liberalisierung im Elektrizitäts- und Erdgassektor

85. Im Jahr 2001 vollzogen sich wichtige Entwicklungen im europäischen Energiesektor (Elektrizität und Gas), der gegenwärtig einen Liberalisierungsprozess durchläuft. Die Umstrukturierung der europäischen Energiewirtschaft wurde fortgesetzt. Die Abnehmer bekamen erstmals die Vorteile der Liberalisierung in einem größeren Umfange zu spüren und viele machten von den neuen Möglichkeiten des Anbieterwechsels Gebrauch. Es wurden neue Rechtsvorschriften zur Beschleunigung des Liberalisierungsprozesses vorgeschlagen. Und nicht zuletzt sollte durch zahlreiche flankierende Maßnahmen gewährleistet werden, dass die Liberalisierung zu einer wirtschaftlichen Realität wird.

86. Der Liberalisierungsprozess verlangt von den Marktteilnehmern eine Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Nach Einschätzung der Kommission zwingt die Liberalisierung die Energieunternehmen zu größerer Effizienz (Rationalisierung) und zur Verbesserung der Leistungen für die Verbraucher. Gleichzeitig bietet sie ihnen aber auch neue Marktmöglichkeiten. Die Aktivitäten können in geografischer Hinsicht ausgedehnt werden und es besteht Gelegenheit zum Aufstieg zu einer multinationalen Unternehmung. Außerdem eröffnen sich neue Produktmärkte und die Unternehmen können sich als Versorgungsbetriebe profilieren, die mehrere Sparten abdecken. Das Jahr 2001 hat gezeigt, dass der Umstrukturierungsprozess im europäischen Energiesektor in vollem Gange ist und in verstärktem Maße Unternehmenszusammenschlüsse mit sich bringt, wofür in erster Linie Größen- und Verbundvorteile ausschlaggebend sind. Die bekanntesten Beispiele im vergangenen Jahr waren die Übernahmepolitik von EDF in Spanien, Italien und dem Vereinigten Königreich sowie der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung am deutschen Gasunternehmen Ruhrgas durch den deutschen Stromerzeuger EON. Sofern es in ihrer Zuständigkeit liegt, sich im Rahmen ihrer Fusionskontrollverordnung mit diesen Zusammenschlüssen zu befassen, [75] trägt die Kommission dafür Sorge, das durch diese Fusionen keine beherrschenden Stellungen auf den Energiemärkten entstehen oder ausgebaut werden.

[75] Mit der Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung an Ruhrgas durch EON befasst sich das Bundeskartellamt.

87. Aus Sicht des Wettbewerbs ist das eigentliche Anliegen der Liberalisierungspolitik die Verbesserung der Situation der Verbraucher im Hinblick auf die Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Anbietern, die untereinander wiederum in einem Preis- und Leistungswettbewerb stehen. Bereits heute profitieren die Verbraucher von diesem Liberalisierungsprozess, und zwar vor allem in jenen Ländern, die sich für eine Marktöffnung über die Mindestforderungen der europäischen Elektrizitäts- und Erdgasrichtlinien hinaus entschieden haben. So sind die Strompreise (ohne MwSt. und Energiesteuer) für Großabnehmer in der Industrie seit Beginn der Liberalisierungspolitik gemeinschaftsweit gefallen, wobei zwischen den Mitgliedstaaten natürlich Unterschiede bestehen. Allerdings gibt es offenbar Anzeichen für eine Preiskonvergenz zwischen den Mitgliedstaaten [76]. Im Erdgassektor ist die Situation etwas anders, wird doch das Erdgas größtenteils auf der Grundlage langfristiger Verträge importiert, wobei in diesen Verträgen die Preise für Kontinentaleuropa generell an die Ölpreise gekoppelt sind. Der Ölpreisanstieg hat daher im vergangenen Jahr auch zu einer Preiserhöhung bei Erdgas geführt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich mittel- und langfristig auch in Kontinentaleuropa Zentren des Gashandels entwickeln, was zu einer größeren Liquidität führt und kurzfristige Geschäfte ermöglicht. Für die Marktteilnehmer wird sich dann ein neuer Referenzpreis herausbilden, der die Koppelung an den Ölpreis ersetzen und damit die Preisverhandlungen vereinfachen könnte.

[76] Arbeitspapier der Dienststellen der Kommission: Erster Bericht über die Verwirklichung des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktes, SEK(2001)1957, 3.12.2001, S. 23.

1.1. Vorschlag der Kommission zur Vollendung des europäischen Elektrizitäts- und Erdgasmarktes

88. Die wichtigste Entwicklung 2001 im rechtlichen Bereich war ein Richtlinienvorschlag der Kommission, in dem die Vollendung des europäischen Elektrizitäts- und Gasmarktes gefordert wird. [77] Der Vorschlag enthält quantitative und qualitative Elemente. Er wurde dem Rat und dem Europäischen Parlament im März 2001 vorgelegt, nachdem dazu im Herbst 2000 eine öffentliche Anhörung von Marktteilnehmern veranstaltet worden war.

[77] KOM(2001)125 endg., 13.3.2001.

89. Was die ,quantitativen Elemente" anbetrifft, so sieht der Vorschlag eine Marktöffnung für alle gewerblichen Stromabnehmer bis 2003 vor, für alle gewerblichen Gasabnehmer bis 2004 und für alle anderen Verbraucher, einschließlich private Haushalte, bis 2005. Bei der Erarbeitung ihres Vorschlags hat die Kommission in Betracht gezogen, dass die Durchführung der bestehenden Richtlinien durch die Mitgliedstaaten zu einem unterschiedlichen Grad der Marktöffnung geführt hat. Darüber hinaus eröffnete die Kommission 2001 Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich und Deutschland wegen fehlender oder unvollständiger Umsetzung der Erdgasrichtlinie in nationales Recht sowie gegen Belgien wegen unvollständiger Umsetzung der Elektrizitätsrichtlinie.

90. Leider befinden sich die Verbraucher in den Ländern, die sich für eine langsame Marktöffnung entschieden haben, aufgrund des fehlenden Wettbewerbs gegenüber den Verbrauchern in den Ländern mit einer schnelleren Öffnung des Marktes im Nachteil. So müssen Energieunternehmen in den Ländern mit geöffneten Märkten um die gesamte Kundenbasis konkurrieren, während die Unternehmen in den anderen Ländern noch von einer gewissen Abschottung ihrer Kundenbasis profitieren, was ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zur Folge hat. Diese Wettbewerbsverzerrungen können nur verringert oder beseitigt werden, wenn sich alle Mitgliedstaaten auf einen gleichen Grad der Marktöffnung einigen.

91. Im Hinblick auf die ,qualitativen Elemente" sieht der Vorschlag in erster Linie eine Stärkung der Entflechtungsbestimmungen vor. In Anbetracht dessen, dass viele Unternehmen im Elektrizitäts- und Erdgassektor vertikal integriert sind, d. h. dass sie im Bereich von Übertragung und Versorgung tätig sind (zusätzlich zur Stromerzeugung oder Erdgaslagerung), besteht die Gefahr, dass der für die Übertragung zuständige Bereich eines Unternehmens dem angeschlossenen Versorgungsbereich vorteilhafte Bedingungen einräumt, was zum Nachteil Dritter ist, die sich um einen Netzzugang bemühen. Um diesbezüglich eine Lösung herbeizuführen, hat die Kommission in ihrer Richtlinie vorgeschlagen, von vertikal integrierten Unternehmen eine rechtliche Entflechtung der entsprechenden Geschäftsbereiche zu fordern. Der Vorschlag sieht zudem bestimmte flankierende Maßnahmen vor, um einen ungerechtfertigten Informationsfluss zwischen den entflochtenen Geschäftsbereichen zu verhindern. Schließlich wurde noch vorgeschlagen, die verstärkten Entflechtungsbestimmungen auch auf große Verteilerunternehmen anzuwenden.

92. Zweitens schlägt die Kommission vor, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, unabhängige Regulierungsbehörden einzurichten und sich für ein System des geregelten Netzzugangs zu entscheiden (im Gegensatz zu einem System des Netzzugangs auf Vertragsbasis, einer weiteren Möglichkeit im Rahmen der bestehenden Richtlinien). Geregelter Zugang bedeutet, dass er auf der Grundlage der von einer Behörde bestätigten Tarife gewährt wird. Der Vorteil eines solchen Zugangssystems besteht darin, dass es für Dritte generell niedrigere Transaktionskosten mit sich bringt und die Tarife auf Ex-ante-Basis durch die nationale Regulierungsbehörde überwacht werden.

93. Der Vorschlag der Kommission für die Vollendung der Energiemärkte wurde auf dem Rat von Stockholm im März 2001 von der Mehrheit der Mitgliedstaaten nachhaltig begrüßt. Einige Mitgliedstaaten jedoch, darunter beispielsweise Frankreich, äußerten Bedenken hinsichtlich des endgültigen Termins für die vollständige Marktöffnung. Andere wiederum, wie etwa Deutschland, die sich für einen Netzzugang auf Vertragsbasis und gegen eine nationale Regulierungseinrichtung entschieden hatten, zeigten sich skeptisch im Hinblick auf die ,qualitativen Elemente". Ungeachtet dessen wurde in den Arbeitsgruppen des Rates mit den Verhandlungen über den Richtlinienentwurf begonnen, bei denen 2001 auch beachtliche Fortschritte zu verzeichnen waren. Es wird damit gerechnet, dass die Verhandlungen 2002 abgeschlossen werden können.

94. Im Juni 2001 erinnerte die Kommission die Mitgliedstaaten daran, dass sie für eine möglichst rasche Beseitigung des ungleichen Grades der Marktöffnung sorgen müssen [78], und machte sie darauf aufmerksam, dass den Unternehmen aus einem solch unterschiedlichen Liberalisierungsgrad keine ungerechtfertigten Vorteile erwachsen dürfen. Sollten die Mitgliedstaaten zur Annahme ihres Vorschlags für die Vollendung des Energiemarktes nicht in der Lage oder nicht bereit sind, würde die Kommission von den in Artikel 86 Absatz 3 EG-Vertrag gebotenen Instrumenten Gebrauch machen. Demnach ist es gestattet, unter bestimmten Bedingungen an die Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidungen und Richtlinien der Kommission ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten zu verabschieden.

[78] Pressemitteilung IP/01/872 vom 20.6.2001.

95. Parallel zur Vorlage der Vorschläge für neue Rechtsvorschriften waren internationale Gruppen interessierter Parteien (nationale Verwaltungen, Regulierungsbehörden, Verbraucher, Produzenten) in diesem Bereich tätig, und es wurden Diskussionen mit ihnen geführt. Diese Gruppen (Florenzer Forum für Elektrizität und Madrider Forum für Erdgas) traten auf Initiative der Kommission zusammen, die überdies auf den Zusammenkünften eine aktive Rolle spielte. So wurden bestimmte technische und rechtliche Fragen diskutiert, um die Harmonisierung voranzutreiben und damit den grenzüberschreitenden Austausch und die Schaffung gleicher Bedingungen in ganz Europa zu fördern, was sowohl auf dem Erdgas- als auch auf dem Elektrizitätsmarkt einen unverfälschten Wettbewerb ermöglicht.

1.2. Zusammenwirken von Wettbewerbspolitik und Binnenmarktregeln

96. Durch die Umsetzung der Wettbewerbspolitik wird vor allem sichergestellt, dass die durch die Elektrizitäts- und Erdgasrichtlinien beseitigten staatlichen Barrieren nicht durch wettbewerbsfeindliches Verhalten der Marktakteure ersetzt werden, was die gleiche Wirkung hätte. Für einen effektiven Wettbewerb auf dem Erdgas- und Elektrizitätsmarkt müssen drei Grundvoraussetzungen erfuellt sein: Freiheit des Angebots, Freiheit der Nachfrage, freier Netzzugang. Frei bedeutet in diesem Falle natürlich nicht ,kostenfrei", sondern ,frei von künstlichen Beschränkungen".

97. Es sind vor allem die folgenden Umstände, die sich ungünstig auf die Entwicklung des Wettbewerbs auf dem europäischen Erdgas- und Elektrizitätsmarkt auswirken: Zunächst die Tatsache, dass die Netze natürliche Monopole darstellen und dies auch so bleiben wird. Dabei bemüht sich die Kommission um einen effektiven Netzzugang für Dritte zu nicht diskriminierenden und nicht missbräuchlichen Bedingungen. Im Elektrizitätssektor richtet sich die Aufmerksamkeit insbesondere auf den Zugang zu den überlasteten Verbindungsleitungen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten, die wichtige Infrastruktureinrichtungen im grenzüberschreitenden Handel darstellen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist der Zugang zu diesen Leitungen auch für eine Reihe von Ländern mit einer monopolistischen Versorgungsstruktur, wo sich ein effektiver Wettbewerb folglich nur über einen Importwettbewerb realisieren lässt. Die Kommission hat eingegriffen, als es um die Zuweisung verfügbarer Übertragungskapazität für die Verbindungsleitung zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich ging, und sie untersucht und überwacht gegenwärtig die Situation an anderen Grenzen, wie etwa bezüglich der Verbindungsleitungen zwischen Spanien und Frankreich und der Leitungen in die Niederlande. Sie befasste sich außerdem mit dem Bau und der Nutzung einer neuen Verbindungsleitung zwischen Norwegen und Deutschland [79]. - Der Netzzugang stellt auch für den Gassektor eine wichtige Frage dar. Die Kommission befasste sich 2001 mit einem Fall, bei dem es darum ging, dass die Erdgasunternehmen in Kontinentaleuropa einem norwegischen Gashersteller gemeinsam den Zugang zu ihren Gasleitungen verweigerten. Sie erzielte eine Einigung mit einem der betroffenen europäischen Unternehmen, nachdem dieses sich verpflichtet hatte, das System für den Netzzugang Dritter effektiver zu gestalten [80].

[79] Vgl. Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates in der Sache COMP/E-3/37.921 - Viking Cable, ABl. C 247 vom 5.9.2001, S. 11. Zwischenzeitlich haben die beteiligten Unternehmen beschlossen, das Projekt Viking Cable nicht fortzuführen.

[80] Pressemitteilung IP/01/1641 - EU-Kommission erzielt Einigung mit Thyssengas über Netzzugang.

98. Zweitens ist und bleibt die vertikale Abgrenzung ein allgemeines Merkmal der Energiewirtschaft, insbesondere auf dem Gasmarkt. Grund hierfür ist eine etablierte vertikale Lieferkette, in der alle Unternehmen eine genau festgelegte Position und Funktion innehaben.

99. Drittens haben sich die Erzeuger auf diesen Märkten normalerweise stets gemeinsam um die Vermarktung bemüht und tun dies heute noch, was die Wettbewerbsdynamik auf der Angebotsseite schmälert. Beispiele für solch eine Praxis fanden sich im irischen (Corrib) [81] und norwegischen Gassektor (GFU) [82] oder auch im französischen Elektrizitätssektor (EDF/CNR), aber offenbar gibt es ähnliche Vereinbarungen auch in anderen Ländern.

[81] Pressemitteilung IP/01/578 - Enterprise Oil, Statoil und Marathon werden das irische Corrib-Gas getrennt vermarkten.

[82] Pressemitteilung IP/01/830 - Kommission beanstandet den zentralen Verkauf von norwegischem Erdgas durch GFU.

100. Einige weitere Merkmale (horizontale Abgrenzung, Nutzungsbeschränkungen), die den Wettbewerb begrenzen, sind hauptsächlich auf den Gasmärkten anzutreffen.

1.3. Staatliche Beihilferegelungen der Kommission im Energiesektor

101. Im Jahre 2001 wurde folgenden Aspekten besondere Aufmerksamkeit geschenkt:

- Analyse von Fällen, in denen es zu verlorenen Kosten gekommen ist (Methoden und Entscheidungen). Siehe Abschnitt III.A.4.

- Beurteilung einer steigenden Zahl von Programmen zur Förderung erneuerbarer Energie. Siehe Abschnitt III.C.1.3.

- Unter anderen analysierte die Kommission Programme auf der Grundlage von Betriebsbeihilfen, wie das Prime d'encouragement écologique in Luxemburg, Programme auf der Grundlage grüner Zertifikate, wie die neuen regionalen Stromgesetze in Belgien, und auch noch weitaus kompliziertere Programme mit einer Kombination verschiedener Anreizmethoden, wie etwa das System der renewable obligations im Vereinigten Königreich.

- Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Gewährleistung einer gewissen Sicherheit bei der Stromversorgung. Richtlinie 96/92/EG [83] gestattet es den Mitgliedstaaten, Elektrizität bis zu einer Menge, die einen auf der Grundlage ihres jährlichen Energieverbrauchs festgelegten Hoechstwert nicht überschreitet, vorrangig aus einheimischen Primärenergieträgern zu gewinnen, damit eine gewisse Versorgungssicherheit gewährleistet ist.

[83] Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20.

1.4. Sonstige Entwicklungen im Energiesektor: Kraftstoffe

102. Als die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden am 29. September 2000 zusammenkamen, um über die Wettbewerbspolitik im Kraftstoffsektor zu beraten [84], lautete eine der Schlussfolgerungen, dass neue Marktteilnehmer und unabhängige Unternehmen zur Aufrechterhaltung bzw. Erhöhung des Wettbewerbsdrucks auf den europäischen Kraftstoffmärkten von grundlegender Bedeutung sind. Im Verlaufe des Jahres 2001 führte die Generaldirektion Wettbewerb eine detaillierte Untersuchung zu den Wettbewerbsbedingungen für unabhängige, nicht integrierte Unternehmen im Kraftstoffsektor durch.

[84] Siehe Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, Randnummern 119-221. Siehe auch Pressemitteilungen MEMO/00/55, 20.9.2000, IP/00/1090, 29.9.2000 und IP/00/1391, 30.11.2000.

103. Die unabhängigen Marktteilnehmer führten eine Reihe von Faktoren an, die ihre Situation gelegentlich erschweren. Sie ergeben sich im Zusammenhang mit dem Verhalten vertikal integrierter Firmen sowie mit bestimmten administrativen Hindernissen. So behaupteten die unabhängigen Unternehmen, einige ihrer Schwierigkeiten seien auf das Verhalten bestimmter vertikal integrierter Unternehmen zurückzuführen, wie etwa auf Preisdiskriminierung, Verdrängungswettbewerb, Liefersperren, Verweigerung des Zugangs zu logistischen Einrichtungen und langfristige Exklusivlieferverträge zwischen integrierten Kraftstoffunternehmen und Tankstellen. Obwohl ein solches Verhalten in den Anwendungsbereich von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag fallen würde, falls die Kriterien für deren Anwendung erfuellt wären, ergab die Untersuchung keine schlüssigen Beweise für einen Verstoß gegen die EG-Wettbewerbsregeln. Von den unabhängigen Unternehmen wurde auch eine Reihe administrativer Hindernisse aufgeführt, die für sie zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Am häufigsten genannt wurden dabei die nationalen Rechtsvorschriften zur Durchführung der EG-Richtlinie 98/93 über Sicherheitsvorräte, bestimmte Steuergesetze, Umweltauflagen, Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz und die bei der Zuweisung von Ladengeschäften angewandten Methoden. Es hat sich gezeigt, dass es bezüglich der Situation der unabhängigen Marktteilnehmer in den untersuchten Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede gibt. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden auf einer zweiten Beratung zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden am 16. November 2001 vorgelegt und diskutiert.

2. Postwesen

104. Der Postsektor ist derzeit in einer umfassenden Entwicklung begriffen, vor allem in Anbetracht einer weiteren Marktöffnung und der durch die E-Economy bewirkten Veränderungen. Die Kommission hat zu diesem Sektor mehrere wichtige Entscheidungen getroffen, um eine Remonopolisierung liberalisierter Märkte durch etablierte Betreiber zu verhindern.

2.1. Vorschlag der Kommission für eine weitere Marktöffnung

105. Am 15. Oktober 2001 verabschiedete der Rat einen gemeinsamen Standpunkt der Mitgliedstaaten zu einem Text zur Änderung der bestehenden Postrichtlinie.

106. Der vom Rat beschlossene Text sieht im Wesentlichen die folgenden Änderungen vor:

* Eine weitere Öffnung des Marktes bei schrittweiser Reduzierung des reservierten Bereichs ab 1. Januar 2003 bzw. ab 1. Januar 2006. [85]

[85] Vor allem werden ab 2003 Briefe mit einem Gewicht von mehr als 100 g zum nicht reservierten Bereich gehören. Diese Gewichtsobergrenze gilt jedoch nicht, falls der Preis das Dreifache oder mehr als das Dreifache des öffentlichen Tarifs für eine Briefsendung der ersten Gewichtsklasse der schnellsten Kategorie beträgt. Ab 2006 wird der nicht reservierte Bereich auch Briefe mit einem Gewicht von mehr als 50 g einschließen. Diese Gewichtsobergrenze gilt jedoch nicht, falls der Preis das Dreifache oder mehr als das Dreifache des öffentlichen Tarifs für eine Briefsendung der ersten Gewichtsklasse der schnellsten Kategorie beträgt.

* Die Möglichkeit der Vollendung des Postbinnenmarktes im Jahre 2009 auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission, der vom Europäischen Parlament und vom Rat zu bestätigen ist. [86]

[86] Im Jahre 2006 wird die Kommission eine Untersuchung abschließen, in der eingeschätzt wird, wie sich die Vollendung des Postbinnenmarktes 2009 in den einzelnen Mitgliedstaaten auf den Universaldienst auswirkt. Auf der Grundlage dieser Studie wird die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vorlegen und damit im Zusammenhang einen Vorschlag unterbreiten, in dem gegebenenfalls der Termin 2009 für die Vollendung des Postbinnenmarktes bestätigt oder unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen der Studien eine Alternative festgelegt wird.

* Die Liberalisierung der abgehenden grenzüberschreitenden Post, ausgenommen in jenen Mitgliedstaaten, in denen sie zur Gewährleistung der Erbringung des Universaldienstes Bestandteil der reservierten Dienste sein muss.

* Das Verbot der Quersubventionierung von Universaldiensten außerhalb des reservierten Bereichs unter Verwendung von Einnahmen aus den Diensten im reservierten Bereich, sofern es nicht absolut notwendig ist, spezifische Universaldienstpflichten im Wettbewerbsbereich zu erfuellen.

* Die Anwendung der Prinzipien der Transparenz und Nichtdiskriminierung bei Anwendung von Sondertarifen durch die Universaldienstanbieter.

107. Der vom Rat bewilligte Text enthält keine Definition der ,Sonderdienste". [87] Der überarbeitete Text führt zwar zu einer geringeren Öffnung des Postmarktes als ursprünglich von der Kommission vorgesehen, kann jedoch als ein wichtiger Schritt zur Schaffung des Postbinnenmarktes angesehen werden. Der Text muss noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden.

[87] Im ursprünglichen Vorschlag der Kommission war eine Definition der Sonderdienste enthalten. Obwohl die meisten der nationalen Delegationen darin übereinstimmten, dass die neue Richtlinie eine Definition der Sonderdienste beinhalten muss, konnte im Rat diesbezüglich kein Kompromiss erreicht werden.

2.2. Einzelfälle

Deutsche Post AG I [88]

[88] Sache COMP/35.141, ABl. L 125 vom 5.5.2001.

108. Am 20. März schloss die Kommission ihre Untersuchung in der Sache Deutsche Post AG (DPAG) mit einer Entscheidung ab, der zufolge DPAG ihre marktbeherrschende Stellung durch die Gewährung von Treuerabatten und durch Verdrängungswettbewerb am Markt für gewerbliche Paketdienste missbraucht hat. Wegen der Marktabschottung infolge der Treuerabatte, die die DPAG seit Jahren gewährte, wurde gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 24 Mio. EUR verhängt. Im Hinblick auf die nachteiligen Preisbildungspraktiken wurde keine Geldbuße auferlegt, da damals nicht hinlänglich geklärt war, mit welchen Kostenkonzepten dies gemessen werden sollte. Bei diesem Fall handelt es sich um die erste förmliche Entscheidung der Kommission im Postsektor im Hinblick auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

109. Nach einer Beschwerde von United Parcel Service im Jahre 1994, die geltend machte, DPAG verwende Einnahmen aus dem Briefmonopol, um nicht kostendeckende Verkäufe auf dem offenen Markt der gewerblichen Paketdienste zu finanzieren, stellt die Kommission in ihrer Entscheidung fest, dass bei jedem Dienst, der vom Nutznießer eines Monopols im Wettbewerb erbracht wird, zumindest die zusätzlichen oder leistungsspezifischen Kosten gedeckt sein müssen, die im Zusammenhang mit der Diversifizierung in den Wettbewerbssektor entstehen. Jede Kostendeckung unterhalb dieses Niveaus wird als eine auf Verdrängung ausgerichtete Preisbildung angesehen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der DPAG über einen Zeitraum von fünf Jahren die leistungsspezifischen Zusatzkosten der Paketdienste für den Versandhandel nicht gedeckt waren.

110. Darüber hinaus hat sich die DPAG verpflichtet, für die gewerblichen Paketdienste ein selbständiges Unternehmen (,Newco") zu schaffen, dem es freigestellt ist, den für seine Dienste erforderlichen ,Input" entweder von der DPAG (zu Marktpreisen) oder von Dritten zu beziehen oder aber selbst herzustellen. Außerdem hat sich die DPAG verpflichtet, dass sie alle ,Inputs", die sie für die Newco erbringt, zu den gleichen Preisen und Bedingungen auch für deren Wettbewerber bereitstellt.

Deutsche Post AG II [89]

[89] Sache COMP/36.915, ABl. L 331 vom 15.12.2001.

111. Am 25. Juli stellte die Kommission als Reaktion auf eine vom britischen Post Office eingereichte Beschwerde in einer Entscheidung fest, dass die Deutsche Post AG [90] (,DPAG") ihre beherrschende Stellung auf dem deutschen Briefmarkt dadurch missbraucht hatte, dass sie eingehende grenzüberschreitende Post, die sie fälschlicherweise als im Ausland aufgegebene Inlandspost (so genannte ABA-Remail) einstufte, abfing, durch Zuschläge verteuerte und mit Verzögerung zustellte. Die Kommission entschied außerdem, dass die missbräuchliche Verhaltensweise der DPAG die Festsetzung einer Geldbuße rechtfertigte, die sich jedoch aufgrund der zur Zeit der Zuwiderhandlung herrschenden Rechtsunsicherheit nur auf den symbolischen Betrag von 1000 EUR belief.

[90] Pressemitteilung IP/01/1068, 25.7.2001.

112. Nach Ansicht der Kommission missbrauchte die DPAG ihre beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für die Zustellung grenzüberschreitender Postsendungen in vierfacher Hinsicht und verstieß damit gegen Artikel 82 EG-Vertrag. Die DPAG praktizierte (i) Diskriminierung zwischen den verschiedenen Kunden, (ii) verweigerte die Zustellung, (iii) verlangte einen überhöhten Preis für den Zustelldienst und (iv) schränkte die Entwicklung des deutschen Marktes für die Zustellung von Auslandspost und des Marktes des Vereinigten Königreiches für Auslandspost nach Deutschland ein. Während des Verfahrens hat sich die DPAG verpflichtet, internationale Postsendungen, die Gegenstand des Verfahrens waren, nicht mehr abzufangen, durch Aufschlag zu verteuern oder verzögert zuzustellen.

De Post/la Poste (Belgien) [91]

[91] Sache COMP/37.859; Pressemitteilung IP/01/1738 vom 5.12.2001. ABl. L 61 vom 2.3.2002.

113. Am 5. Dezember entschied die Kommission, dass der belgische Postbetreiber De Post/la Poste seine beherrschende Stellung missbraucht hatte, indem er die Gewährung eines Vorzugstarifs bei der allgemeinen Briefpost vom Abschluss eines zusätzlichen Vertrags über einen neuen Business-to-Business-Postdienst (,B2B") abhängig machte. Diese neue Dienstleistung konkurriert mit dem B2B-Dokumentenaustausch-Dienst, den Hays, ein im Vereinigten Königreich niedergelassenes privates Unternehmen, in Belgien anbietet. Da La Poste die finanziellen Ressourcen seines Monopols im allgemeinen Briefdienst ausnutzte, um seine beherrschende Stellung in den gesonderten Markt für B2B-Dienstleistungen auszudehnen, hat die Kommission eine Geldbuße von 2,5 Mio. EUR verhängt.

114. Im April 2000 hatte Hays plc. (,Hays"), ein privater Postdienstbetreiber mit Sitz im Vereinigten Königreich, eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht, nach der La Poste versuche, das Dokumentenaustauschnetz von Hays, das seit 1982 in Belgien betrieben wird, zu verdrängen. Hays konnte mit den von La Poste im Monopolbereich gebotenen Preisnachlässen nicht konkurrieren und verlor deshalb die meisten seiner traditionellen Kunden in Belgien, die Versicherungsunternehmen.

3. Telekommunikation

3.1. Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht

115. Auf gemeinsame Initiative der Kommissionsmitglieder Mario Monti und Erkki Liikanen verabschiedete die Kommission am 25. März einen ,Entwurf von Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht" [92] im Hinblick auf die förmliche Annahme des Vorschlags für eine Richtlinie über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Mit dem Entwurf ist beabsichtigt, es dem Rat und dm Europäischen Parlament zu erleichtern, der neuen Definition des Begriffs Marktmacht, wie sie in der Rahmenrichtlinie vorgeschlagen wird (Artikel 13), zuzustimmen.

[92] KOM(2001)175 endg., 28.3.2001.

116. Der Leitlinienentwurf beruht auf der Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz und des Gerichtshofs in Wettbewerbsangelegenheiten und auf der eigenen Entscheidungspraxis der Kommission bei der Definition des relevanten Marktes und der Anwendung des Begriffs der individuellen und kollektiven beherrschenden Stellung, insbesondere in Bezug auf die elektronischen Kommunikationsmärkte.

117. Der Entwurf wurde am 29. März in Brüssel zunächst mit den nationalen Regulierungsbehörden und den nationalen Wettbewerbsbehörden erörtert. Im Rahmen einer von der Kommission eingeleiteten öffentlichen Anhörung hatten die betroffenen Marktteilnehmer ebenfalls Gelegenheit, sich zu äußern und auf einer öffentlichen Sitzung am 18. Juni in Brüssel hierzu Stellung zu nehmen. Bei diesen beiden Anlässen zeigte sich, dass die Behörden und die betroffenen Marktteilnehmer im Wesentlichen das Konzept der Kommission teilen.

118. Die endgültige Fassung der Leitlinien wird von der Kommission angenommen, sobald die neue ,Rahmenrichtlinie" vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen wurde.

3.2. Annahme des Siebenten Berichts über die Umsetzung der Richtlinien

119. Am 28. November verabschiedete die Kommission ihren Siebenten Bericht über den Stand der Umsetzung des bestehenden Rechtsrahmens für den Telekommunikationssektor in den EU-Mitgliedstaaten. Die wichtigste Schlussfolgerung darin lautet, dass der betreffende Sektor eine sehr lebhafte Entwicklung nimmt und die nationalen Regulierungsbehörden bei der Liberalisierung weiterhin Fortschritte erzielen. Der Wettbewerb zwischen den Betreibern wirkt sich insgesamt preismindernd aus. So sind die Preise der etablierten Betreiber für ein Drei-Minuten-Ferngespräch innerhalb Europas seit letztem Jahr um 11 % und seit 1998 um 45 % gesunken, bei einem Zehn-Minuten-Gespräch sind es 14 % bzw. 47 %. Im Juni 2001 hatten durchschnittlich rund 36 % aller EU-Haushalte einen Internet-Anschluss. Andererseits besteht nach wie vor eine Reihe von Regulierungsengpässen, die im Interesse eines kontinuierlichen Wachstums der Telekommunikationsmärkte rasch beseitigt werden müssen. Die wichtigsten Probleme sind die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses, lange Bereitstellungsfristen und fehlende Kostenorientierung bei Mietleitungen, insbesondere bei Geschwindigkeiten, die den Breitbandzugang und den elektronischen Geschäftsverkehr ermöglichen, weiterhin verzerrte Tarife und Preisdruck in bestimmten Fällen und schließlich das uneingeschränkte Funktionieren der Betreiberauswahl und -vorauswahl.

3.3. Kontrolle der Anwendung der Richtlinien

120. Die Kommission verfolgte weiterhin die effektive Anwendung der Liberalisierungsrichtlinien in den Mitgliedstaaten sowie die Einführung des Rechtsrahmens in Griechenland nach der vollständigen Liberalisierung der Märkte, die am 1. Januar wirksam wurde.

121. Ungeachtet der erheblichen Fortschritte in den Mitgliedstaaten waren noch 21 Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten anhängig, die die Liberalisierungsrichtlinien gemäß Artikel 86 Absatz 3 EG-Vertrag nicht ordnungsgemäß umgesetzt oder keine Umsetzungsmaßnahmen gemeldet hatten. Die Kommission führte insbesondere das Verfahren gegen Luxemburg wegen der Gewährung von Wegerechten fort, das im Februar zur Anrufung des Gerichtshofs führte. Luxemburg wird vorgeworfen, keine eindeutigen Regeln aufgestellt zu haben, die eine nicht diskriminierende Behandlung der Marktteilnehmer in Bezug auf Wegerechte garantieren.

122. Am 16. Oktober gab der Gerichtshof der Kommission in den Verfahren Recht, die sie gegen Portugal und Griechenland eingeleitet hatte. In dem Urteil zu Portugal bestätigte der Gerichtshof, dass die Rückruf-Dienste (call-back) keine Sprachtelefonie im Sinne der Richtlinie 90/388/EWG sind und dass die portugiesische Regierung daher zu Unrecht diese Dienste bis zur Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte dem etablierten Betreiber vorbehalten hatte [93]. In dem Urteil zu Griechenland [94] bestätigte der Gerichtshof, dass gemäß der genannten Richtlinie der Zugang zum Markt für mobile Telekommunikation nur bei fehlenden Frequenzen begrenzt werden darf. Wenn der Zugang vom Erhalt einer Genehmigung abhängt, so hat der Mitgliedstaat darüber zu wachen, dass die Verfahren für die Genehmigungserteilung transparent und veröffentlicht sind und auf der Grundlage objektiver Kriterien auf nicht diskriminierende Weise durchgeführt werden.

[93] Rechtssache C-429/99.

[94] Verbundene Rechtssachen C-396/99 und C-397/99.

123. Am 6. Dezember fällte der Gerichtshof ein Urteil [95] im Rechtsstreit zwischen der Kommission und Frankreich in Bezug auf die Regelung zur Finanzierung des Universaldienstes, die seit 1997 in diesem Mitgliedstaat in Kraft ist. Der Rechtsstreit wurde im April 2000 von der Kommission vor den Gerichtshof gebracht, der der Kommission in allen Punkten folgte und befand, dass die französische Regelung gegen die in den Richtlinien festgelegten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Objektivität und der Transparenz verstößt und Frankreich auch seine Pflichten zur Tarifumstrukturierung verletzt hat.

[95] Rechtssache C-146/00.

124. Ebenfalls zur Frage der Angleichung der Telefongrundgebühr gemäß Richtlinie 96/19/EG führte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien fort, indem sie im Juli eine mit Gründen versehene ergänzende Stellungnahme übersandte. Darin wird die Betonung insbesondere auf die Inkohärenz zwischen den Preisen für den vollkommen entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, die im Dezember 2000 festgesetzt wurden, und der im Mai 2001 geänderten Regelung für Preisobergrenzen gelegt, durch die bis 2003 die Gefahr eines Preisschereneffekts weiterbesteht, der die Ergebnisse der Entbündelung in Frage stellen kann. Am 21. Dezember rief die Kommission den Gerichtshof an. [96]

[96] Rechtssache C-500/01.

3.4. Branchenspezifische Untersuchung zur Entbündelung des Teilnehmeranschlusses

125. Im Juli 2000 unterbreitete die Kommission den Vorschlag für eine neue Verordnung über die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses, der vom Parlament und vom Rat sehr rasch gebilligt wurde [97] und am 2. Januar in Kraft trat. [98] Gleichzeitig startete die GD Wettbewerb die erste Phase einer branchenspezifischen Untersuchung zu Ortsnetzen und richtete Schreiben an etablierte Betreiber, um nähere Informationen über den Zugang zum Teilnehmeranschluss und die Entwicklung der Breitbanddienste über die Teilnehmeranschlüsse der Betreiber zu erlangen. Bei der Breitbandtelekommunikation werden unter Verwendung der gleichen Leitungen beim Endnutzer mit Hilfe neuer Techniken größere Mengen an Informationen übertragen und es können schnelle Internet-Dienste bereitgestellt werden.

[97] Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000, ABl. L 334 vom 31.12.2000.

[98] Die ,Entbündelung" des Teilnehmeranschlusses (auch als ,letzte Meile" bezeichnet; dabei handelt es sich um die physische Leitung zwischen dem Standort des Kunden und der Ortsvermittlungsstelle des Telekommunikationsbetreibers) bedeutet, dass alternativen Unternehmen der Zugang zum lokalen Netz des etablierten Betreibers gewährt werden muss, um in diesem Segment der vornehmlich von ehemaligen Monopolisten kontrollierten Telekommunikationsnetze den Wettbewerb einzuführen. Eine landesweite Duplizierung dieser Netze ist normalerweise nicht möglich.

126. Im Rahmen der 2001 durchgeführten Untersuchung wurden im Juli Fragebögen an neue Marktteilnehmer verschickt. Mit dieser zweiten Untersuchungsphase sollte eingeschätzt werden, wie sich die Wettbewerbssituation bei den Teilnehmeranschlüssen sechs Monate nach dem Inkrafttreten der neuen Verordnung gestaltet und inwiefern Möglichkeiten des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch etablierte Betreiber bestehen, der einen Verstoß gegen Artikel 82 EG-Vertrag darstellen würde. Durch diese zweite Phase sollte es der Kommission möglich sein, sich bis Anfang 2002 einen umfassenden Überblick über den Stand bei der Entbündelung des Teilnehmeranschlusses in den 15 Mitgliedstaaten zu verschaffen und sich mit den Problemen vertraut zu machen, mit denen neue Marktteilnehmer konfrontiert werden, wenn sie einen Zugang auf fairer und wettbewerbsorientierter Grundlage anstreben.

3.5. Branchenspezifische Untersuchung zu Mietleitungen

127. Die erste Phase der Untersuchung zu den Mietleitungen beinhaltete die Sammlung und Analyse vergleichender Marktdaten für alle Mitgliedstaaten. Im September 2000 stellte die Kommission die ersten Ergebnisse der Untersuchung auf einer öffentlichen Anhörung in Brüssel vor. Es war eine Reihe wettbewerbsrechtlicher Bedenken aufgetreten, so dass sich die Kommission entschloss, jene mit einer offenbar gemeinschaftsweiten Dimension und grenzüberschreitendem Charakter selbst in Angriff zu nehmen und die übrigen den nationalen Behörden zu überlassen.

128. Im November 2000 leitete die Kommission von Amts wegen fünf Verfahren ein [99], um weitere Untersuchungen zur wettbewerbsorientierten Bereitstellung internationaler Mietleitungen in den fünf Mitgliedstaaten Belgien, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien anzustellen. Sie arbeitet dabei eng mit den Wettbewerbsbehörden und den für den Telekommunikationssektor zuständigen Regulierungsbehörden dieser Länder zusammen.

[99] Sachen COMP/38.001 Mietleitungen Spanien, COMP/38.002 Mietleitungen Portugal, COMP/38.003 Mietleitungen Italien, COMP/38.004 Mietleitungen Griechenland und COMP/38.005 Mietleitungen Belgien.

129. Da die ersten Ergebnisse der branchenspezifischen Untersuchung vergleichenden Charakter trugen und nicht den aktuellen Stand widerspiegelten, übermittelte die Kommission den Behörden in den genannten fünf Mitgliedstaaten im Jahre 2001 förmliche Auskunftsersuchen und erörterte die entsprechenden länderspezifischen Faktoren auf bilateralen Treffen mit diesen Stellen. Die laufende Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden dient letztendlich der genauen Prüfung des Wettbewerbsverhaltens der etablierten Betreiber im Hinblick auf die Bereitstellung von Mietleitungen. Derzeit befasst sich die Kommission mit der Überprüfung von Behauptungen, wonach die fünf etablierten Betreiber ihre Preise für Mietleitungen gesenkt haben, und untersucht außerdem andere relevante Faktoren, nämlich Niveau, Fairness und Transparenz von Rabatten, Vereinbarungen über den Dienstumfang und Parameter für die Dienstqualität.

3.6. Branchenspezifische Untersuchung zum Roaming

130. Die im Januar 2000 eingeleitete branchenspezifische Untersuchung befasst sich mit dem Problem der Roaming-Preise, die für den Kunden nicht transparent und sehr unbeweglich sind und deren Höhe in keinem Verhältnis zu den Übertragungskosten steht. Zu diesem Zwecke werden vergleichende Informationen zum Preis- und Kostenniveau aller Mobilfunkanbieter in der EU erhoben. [100] Es wurde festgestellt, dass die Märkte sowohl für Wholesale- als auch Endkundenroaming ihren überwiegend nationalen Charakter beibehalten haben. Die Untersuchung ergab, dass die beiden etablierten Betreiber in den meisten Ländern über 90 % der Roaming-Wholesale-Märkte beherrschen und dass es in der EU insbesondere auf der Wholesale-Ebene an Wettbewerbsdruck fehlt.

[100] Von Roaming wird dann gesprochen, wenn ein Mobilfunkteilnehmer Gespräche in einem Netz führt oder entgegennimmt, das nicht seinem Heimatnetz entspricht.

131. Am 11. Juli begannen im Rahmen der Nachfolgemaßnahmen zur branchenspezifischen Untersuchung Inspektoren der Kommission und Vertreter nationaler Wettbewerbsbehörden gleichzeitig mit nicht angekündigten Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von neun europäischen Mobilfunkanbietern mit Sitz im Vereinigten Königreich und in Deutschland. [101] Die dort gesammelten Daten werden gegenwärtig analysiert, um zu ermitteln, ob es genügend Beweismaterial für eine formelle Feststellung kartellrechtlicher Verstöße gibt. Darüber hinaus erfolgt eine Abstimmung mit den nationalen Wettbewerbs- und Telekommunikationsbehörden, um den Wettbewerb auf einzelstaatlicher Ebene durch entsprechende Maßnahmen zu fördern.

[101] Pressemitteilung Memo/01/262 vom 11.7.2001.

3.7. Behandlung von Einzelfällen gemäß Artikel 81 und 82

3.7.1. Identrus

132. Am 31. Juli genehmigte die Kommission eine Reihe von Vereinbarungen zwischen mehreren großen europäischen und nichteuropäischen Banken über die Einrichtung eines globalen Netzes (,Identrus") zur Authentifizierung elektronischer Signaturen und anderer Aspekte von Transaktionen im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs [102]. Die Kommission gelangte zu der Schlussfolgerung, dass das Identrus-System keine erhebliche Einschränkung des Wettbewerbs mit sich bringt. Insbesondere führt es zu keinem Ausschlussrisiko, da es dem Wettbewerb durch konkurrierende Systeme unterliegt und die Partner anderen Systemen beitreten können. Die Entscheidung der Kommission macht deutlich, welche Bedeutung sie der Entwicklung von wettbewerbsorientierten Märkten des elektronischen Geschäftsverkehrs beimisst.

[102] Sache COMP/37.462, ABl. L 249 vom 19.9.2001.

3.7.2. Intelsat

133. Am 1. Juni erteilte die Kommission Intelsat durch Verwaltungsschreiben ein Negativattest für deren Umstrukturierung von einer zwischenstaatlichen Organisation in ein kommerzielles Unternehmen. Intelsat war noch vor Beginn der Liberalisierung im Telekommunikationssektor als ein Konsortium aus mehreren Staaten gegründet worden, das weltweit Satellitenkommunikationsdienste anbot. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Telekommunikationsmärkte und dem Markteintritt weiterer Satellitenbetreiber erwies sich die Struktur von Intelsat sowohl in kommerzieller als auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht als weniger geeignet. Die Untersuchung und Analyse der Kommission haben gezeigt, dass die Umstrukturierung nicht zu einer erheblichen Einschränkung des Wettbewerbs führt. Sie merkt an, Intelsat werde innerhalb von zwei Jahren nach der Privatisierung den Börsengang (IPO) durchführen. Dieses Ergebnis entsprach den Schlussfolgerungen in früheren Fällen, bei denen es um andere zwischenstaatliche Satellitenorganisationen ging, und zwar Inmarsat (maritime Satellitenorganisation) [103] und Eutelsat (europäische Satellitenorganisation) [104].

[103] Pressemitteilung IP/98/923, 22.8.1998.

[104] Pressemitteilung IP/00/1360, 27.11.2000.

3.7.3. Wanadoo

134. Am 19. Dezember hat die Kommission Wanadoo Interactive, einer für die Bereitstellung des Internetzugangs zuständigen Tochtergesellschaft von France Télécom, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zugesandt. [105] Im derzeitigen Stadium ist die Kommission der Auffassung, dass die von Wanadoo verlangten Preise für seine Dienste des Breitband-Internetzugangs über ADSL unterhalb der Grenzkosten (und auch unterhalb der variablen Kosten) liegen, was den Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könnte. Der mögliche Missbrauch geschah während des Jahres 2001, einem entscheidenden Jahr für die Entwicklung des Marktes des Breitband-Internetzugangs für Teilnehmeranschlüsse, wodurch den Wettbewerbern von Wanadoo Nachteile entstanden.

[105] Pressemitteilung IP/01/1899, 21.12.2001.

4. Verkehr

4.1. Luftverkehr

135. Die Kommission untersuchte im Jahre 2001 mehrere Allianzen zwischen Fluggesellschaften. Generell sieht sie solche Allianzen als vorteilhaft für die Passagiere an, da sie zu einer Erweiterung der Netze führen und die Effizienz verbessern. Allerdings können sie auch den Wettbewerb auf einzelnen Strecken beschränken, was oftmals gezielte Abhilfemaßnahmen erfordert.

4.1.1. British Midland/Lufthansa/SAS [106]

[106] Sache COMP/37.812, Veröffentlichung vom 14.3.2001, ABl. C 83 vom 14.3.2001.

136. Am 1. März 2000 notifizierten bmi British Midland International, Lufthansa und SAS eine Joint-Venture-Vereinbarung über die Koordinierung ihrer Flüge innerhalb des EWR von und nach London Heathrow Airport und Manchester International Airport. Bei der Untersuchung dieser Vereinbarung arbeitete die Kommission eng mit den Wettbewerbsbehörden des Vereinigten Königreiches zusammen. Am 12. Juni 2001 informierte die Europäische Kommission die beteiligten Unternehmen, dass ihre Joint-Venture-Vereinbarung nach Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 für sechs Jahre vom Kartellverbot freigestellt wird. Die Unternehmen waren zuvor eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen.

137. Im Rahmen des Gemeinschaftsunternehmens wird Lufthansa das Exklusivrecht für nahezu alle Verbindungen zwischen London bzw. Manchester und den deutschen Flughäfen eingeräumt. In ähnlicher Weise erhält SAS das Exklusivrecht für die Flüge zwischen London/Manchester und den skandinavischen Ländern. Diese Beschränkung wurde für die Strecke London-Frankfurt für problematisch erachtet, da sie mit 2,1 Millionen Ursprung-Ziel (O&D)-Reisenden im Jahre 1999 zu den meistbeflogenen in Europa gehört. Die Kommission gelangte zu der Schlussfolgerung, dass der Rückzug von British Midland von der Strecke London-Frankfurt eine erhebliche Beschränkung des Wettbewerbs sowohl auf dem Markt für nicht zeitbewusste Kunden (Freizeitreisende) als auch auf dem Markt für zeitbewusste Kunden (Geschäftsreisende) darstellt.

138. Bei ihrer Analyse gemäß Artikel 81 Absatz 3 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass sich die Vereinbarung im Hinblick auf Effizienzgewinne und den Wettbewerb insgesamt positiv auswirkt. Sie führt zu einer Umorganisation und Ausweitung der bestehenden Streckennetze der beteiligten Partner. Lufthansa und SAS werden in die Lage versetzt, bei innerbritischen Flugverbindungen und auf Flugverbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland mit etablierten Anbietern zu konkurrieren. So könnten beide Fluggesellschaften einen Passagierdienst von jedem beliebigen Punkt des STAR-Streckennetzes zu regionalen Zielflughäfen im Vereinigten Königreich anbieten. Darüber hinaus verstärkt sich der Streckennetz-Wettbewerb. Infolge der Vereinbarung konnte British Midland neue Flugdienste auf den Strecken von London nach Barcelona, Lissabon, Madrid, Mailand und Rom aufnehmen.

139. Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, boten die Unternehmen an, bestimmte Verpflichtungen einzugehen, insbesondere die Bereitstellung von Zeitnischen auf dem Frankfurter Flughafen, die dem neuen Anbieter die Aufnahme von täglich vier Flugverbindungen ermöglichen würden. Die Kommission führte einen Markttest durch, um sicher zu sein, dass die Slots auch tatsächlich von Wettbewerbern in Anspruch genommen werden.

140. Die Kommission untersuchte außerdem die Zusammenarbeit zwischen Austrian Airlines und Lufthansa. Am 14. Dezember 2001 veröffentlichte sie eine Bekanntmachung gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 3975/87 [107], in der sie ihre Absicht zum Ausdruck brachte, die Zusammenarbeitsvereinbarung auf der Grundlage der von den Unternehmen angebotenen Abhilfemaßnahmen freizustellen.

[107] ABl. C 356 vom 14.12.2001, S. 5.

141. Darüber hinaus setzte die Kommission ihre Untersuchungen zu den transatlantischen Allianzen Lufthansa/United und KLM/Northwest fort. Eine neue Untersuchung wurde zu der vorgeschlagenen transatlantischen Allianz BA/AA eingeleitet, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der britischen Kartellbehörde, dem Office of Fair Trading. Entscheidungen zu diesen Allianzen werden 2002 erwartet.

4.1.2. SAS/Maersk Air [108]

[108] Entscheidung der Kommission vom 18.7.2001 in der Sache COMP/37.444 SAS Maersk Air, ABl. L 265 vom 5.10.2001.

142. Siehe Abschnitt I.B.1.1.

4.1.3. IATA-Tarifkonsultationen in Frachtverkehr

143. Die IATA-Tarifkonferenzen im Frachtverkehr sind das Forum, auf dem Luftfahrtunternehmen die Tarife für die Frachtbeförderung vereinbaren.

144. Bis Juni 1997 galt für dieses System eine Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1617/93 der Kommission [109], die es den europäischen Luftfahrtunternehmen praktisch ermöglichte, Vereinbarungen zu den Tarifen für die Frachtbeförderung innerhalb des EWR zu treffen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1523/96 der Kommission vom 24. Juli 1996 wurde diese Gruppenfreistellung zurückgenommen. Der Hauptgrund dafür war, dass die von den Konferenzen festgelegten Frachttarife offenbar sehr viel höher waren als die Marktsätze und dass das System für das Funktionieren des Teilstreckenverkehrs [110] innerhalb des EWR allem Anschein nach keine wesentliche Bedeutung mehr hatte.

[109] ABl. L 155 vom 26.6.1993.

[110] Teilstreckenverkehr bedeutet, dass die Fracht teilweise oder vollständig von einer anderen Fluggesellschaft als der Vertragspartnerin des Kunden befördert wird.

145. Nach der Rücknahme der Gruppenfreistellung notifizierte die IATA das System und beantragte eine Einzelfreistellung. [111]. Als Hauptargument führte sie an, die Tarifkonferenzen förderten den Teilstreckenverkehr. Die von den Konferenzen festgelegten Frachttarife werden tatsächlich auf Großhandelsebene zur Berechnung der Beträge genutzt, die dem jeweiligen Luftfahrtunternehmen für seine Dienste auf einer Teilstrecke zu zahlen sind.

[111] COMP/36.563.

146. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der IATA im Mai 2001 zugesandt wurde, vertrat die Kommission den vorläufigen Standpunkt, dass die IATA-Frachttarifkonferenzen in den Anwendungsbereich von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag fallen. In ihrer Analyse nach Artikel 81 Absatz 3 erkannte die Kommission an, dass durch diese Konferenzen die Bereitstellung eines umfassenden Teilstreckensystems innerhalb des EWR erleichtert wird. Allerdings habe die IATA nicht nachgewiesen, dass auf dieses restriktive System weiterhin nicht verzichtet werden könne, um den Kunden innerhalb des EWR effiziente Teilstreckendienste anzubieten.

147. Nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärte sich die IATA bereit, künftig die Frachtsätze im EWR nicht mehr gemeinsam festzulegen. Konkret sollen zu Beginn des Jahres 2002 von den einzelnen Luftfahrtunternehmen individuell festgelegte Frachtsätze in Kraft treten und die von den Tarifkonferenzen ausgehandelten Sätze ablösen.

148. Die Kommission entschied daraufhin, diesen Fall zu schließen. Sie übermittelte der IATA außerdem ein Verwaltungsschreiben zu einer Reihe weiterer administrativer und technischer Lösungen im Frachtsektor, die den Teilstreckenverkehr erleichtern, aber nicht die Festlegung von Frachtsätzen betreffen.

4.1.4. IATA-Tarifkonsultationen im Personenverkehr

149. Für Luftfahrtunternehmen innerhalb der Gemeinschaft gilt eine Gruppenfreistellung, die ihnen Konsultationen über die Flugtarife im Linienverkehr ermöglichen, sofern diese Tarife den Teilstreckenverkehr betreffen (Verordnung (EWG) Nr. 1617/93 der Kommission). Teilstreckenverkehr bedeutet, dass ein Passagier teilweise oder vollständig von einer anderen Fluggesellschaft als seiner Vertragspartnerin befördert wird.

150. In der Praxis gilt die Freistellung für Konsultationen über Flugtarife für lediglich eine Organisation, die International Air Transport Association (IATA). Die IATA hält Tarifkonferenzen für den Personenverkehr ab, die mehrmals im Jahr zusammentreten und die Teilstrecken-Tarife weltweit festlegen. An der Konferenz für Europa beteiligen sich alle nationalen Luftfahrtunternehmen und eine Reihe regionaler Fluggesellschaften. Alle Luftfahrtunternehmen, die Mitglieder der Flugtarifkonferenzen sind, können untereinander einen Teilstreckenverkehr zu den auf den Konferenzen festgesetzten Tarifen betreiben. Für alle Städtepaare im EWR werden die Flugpreise sowohl für die Business- als auch für die Economy-Klasse für jeweils ein Jahr festgelegt. Für einige Städtepaare werden auch die APEX-Tarife und andere verbilligte Tarife vereinbart. Diese Tarife gelten zusammen mit einem als Mehrseitige Pro-rata-Vereinbarung bezeichneten Gewichtungssystem, anhand dessen der Betrag bestimmt wird, den eine Fluggesellschaft für die Beförderung eines Teilstrecken-Fluggastes auf einem gegebenen Abschnitt einer Flugreise erhält.

151. Im Februar 2001 veröffentlichte die GD Wettbewerb ein Sondierungspapier, in dem um Meinungen darüber ersucht wurde, ob die IATA-Tarifkonferenzen für den Personenverkehr weiterhin freigestellt werden sollen. In Juni 2001 verlängerte die Kommission die derzeitige Gruppenfreistellung für die Tarifkonferenzen für den Personenverkehr um ein Jahr und setzte sich mit der künftigen Verfahrensweise auseinander. Die Tarifkonferenzen bedeuten insofern eine klare Einschränkung des Wettbewerbs, als sie mit einer Festlegung der Preise verbunden sind. Andererseits sind sie aber auch zum Vorteil der Verbraucher, indem sie ihnen die Möglichkeit geben, einen einzigen Flugschein für eine Flugreise zu kaufen, an der verschiedene Fluggesellschaften beteiligt sind. Der Ansatzpunkt im Sondierungspapier war, dass der Teilstreckenverkehr sowohl mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden ist als auch mit Vorteilen für die Luftverkehrsnutzer. Zudem wurde darin die Frage gestellt, ob die Einschränkungen des Wettbewerbs, zu denen die Tarifkonferenzen über den Personenverkehr führen, zur Sicherung dieser Vorteile notwendig sind.

4.2. Seeverkehr

152. Im Jahr 2001 vollzogen sich sowohl innerhalb der EU als auch weltweit bedeutende Entwicklungen in der Wettbewerbspolitik bezüglich des Linienseeverkehrs.

4.2.1. Neufassung der TACA (Trans-Atlantic Conference Agreement)

153. Am 29. November 2001 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung, in der sie ihre Absicht bekundete, die seeverkehrsrelevanten Aspekte der geänderten Transatlantik-Konferenz-Vereinbarung (,TACA in der neuen Fassung") freizustellen, und forderte alle betroffenen Dritten auf, ihr innerhalb einer Frist von 30 Tagen Stellungnahmen zu übermitteln. Vorausgegangen war die Mitteilung der Kommission vom August 1999, die binnenverkehrsrelevanten Aspekte der Vereinbarung nicht abzulehnen, aber erhebliche Zweifel in Bezug auf die seeverkehrsrelevanten Aspekte zu erheben.

154. In der Zeit seit August 1999 konzentrierte sich die Untersuchung der Kommission in erster Linie darauf zu prüfen, ob die Bestimmungen über den Austausch von Informationen den Mitgliedern der Konferenz nicht die Möglichkeit geben könnten, die Vertraulichkeit gefährdende Angaben über individuelle Servicekontrakte zwischen einzelnen Verfrachtern und Verladern zu erhalten. Der freie und weitverbreitete Zugang zu solchen Verträgen ist nach Ansicht der Kommission wichtig, um sicherzustellen, dass die Mitglieder der TACA in der neuen Fassung weiterhin wirksamem Wettbewerb ausgesetzt sind. Bei der Erwägung dieser Frage berücksichtigte die Kommission die Feststellung der Federal Maritime Commission der USA in ihrem Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes über die Reform der Hochseeschifffahrt (Ocean Shipping Reform Act), dass nicht mehr als ungefähr 10 % der gesamten Fracht, die von den Mitgliedern der neu gefassten TACA befördert wird, nach dem Konferenztarif transportiert werden. Die Beförderung der verbleibenden 90 % erfolgt im Rahmen eines Servicekontrakts.

155. Die TACA-Parteien reagierten auf die Bedenken der Kommission mit bedeutenden Änderungen an den Vereinbarungen der Konferenz in Bezug auf den Austausch von Informationen und mit bestimmten Verpflichtungszusagen. Vorbehaltlich der Stellungnahmen Dritter vertritt die Kommission die vorläufige Ansicht, dass diese Änderungen und Verpflichtungszusagen zusammen mit dem eindeutigen Nachweis, dass beträchtlicher interner und externer Wettbewerb existiert, ausreichen, um die erheblichen Zweifel vom August 1999 auszuräumen.

156. Im Zusammenhang mit der die neu gefasste TACA betreffenden Sache wurde auch die Frage der Ladekapazität angesprochen. Die Vereinbarung enthält eine Bestimmung gemäß Artikel 3 Buchstabe d) der Verordnung Nr. 4056/86 des Rates, die einer Konferenz die allgemeine Befugnis zur Regulierung der von den einzelnen Mitgliedern angebotenen Transportkapazität einräumt. Die TACA in der neuen Fassung machte sich diese Möglichkeit für die Nebensaison Weihnachten/Neujahr 2000/2001 zunutze. Das Kapazitätsprogramm, das sich über einen Zeitraum von fünf Wochen erstreckte und bei der Kommission angemeldet wurde, gab dieser die Möglichkeit, ihre Ansicht im Hinblick auf den Anwendungsbereich von Artikel 3 Buchstabe d) zu verdeutlichen. Der Kommission ging es unter anderem darum, dass ein Kapazitätsregelungsprogramm nicht als Instrument benutzt werden dürfte, um eine künstliche Hochsaison zu schaffen, und dass eine Kapazitätsverringerung nicht mit einer Erhöhung der Tarife der Konferenz verknüpft werden dürfte. Die Parteien der TACA in der neuen Fassung verpflichteten sich, diese Leitlinien einzuhalten.

157. Um den Anwendungsbereich von Artikel 3 Buchstabe d) ging es auch in einer Sache, an der die Far Eastern Freight Conference (FEFC) beteiligt war. Im Oktober 2001 beschlossen die FEFC-Parteien ein sechsmonatiges koordiniertes Kapazitätsrücknahmeprogramm. Ziel war es, die Auswirkungen eines drastischen Nachfragerückgangs auf den Strecken Europa-Fernost und der Einführung bedeutender neuer Kapazitäten in den Griff zu bekommen. In einem Warnschreiben an die Parteien verwies die Kommission darauf, dass das FEFC-Programm ihrer Meinung nach nicht durch Artikel 3 Buchstabe d) gemäß ihrer Auslegung in der TAA-Entscheidung [112] und der EATA-Entscheidung [113] gedeckt sei. Der Auffassung der Kommission zufolge hat das Programm vor allem nicht das zulässige Ziel, kurzfristige Nachfrageschwankungen zu bewältigen. Auch würde das Programm nicht für eine Einzelfreistellung in Frage kommen, da eventuelle Vorteile für Verkehrsnutzer durch die negativen Auswirkungen auf die Kosten der Nutzer mehr als aufgewogen würden. Als Reaktion auf das Warnschreiben beendeten die FEFC-Mitglieder sofort ihr koordiniertes Rücknahmeprogramm.

[112] Entscheidung der Kommission vom 19.10.1994 in der Sache Nr. IV/34.446 Trans-Atlantic Agreement, ABl. L 376 vom 31.12.1994.

[113] Entscheidung der Kommission vom 30.4.1999 in der Sache Nr. IV/34.250 Europe-Asia Trades Agreement, ABl. L 193 vom 26.7.1999.

4.2.2. Konsortien

158. Im Jahre 2001 genehmigte die Kommission zwei Konsortialvereinbarungen [114] und bestätigte, dass operationelle Vereinbarungen dieser Art im Allgemeinen zu einer rationelleren Organisation der Seeverkehrsdienste beitragen und für die Verkehrsnutzer gleichzeitig mit beträchtlichen Vorteilen verbunden sind.

[114] Sache COMP/37.982 Grand Alliance/Americana Consortium und Sache COMP/38.021 Europe to Caribbean Consortium.

4.2.3. OECD-Bericht über die Linienschifffahrt

159. Im internationalen Rahmen kann die Veröffentlichung des Entwurfs eines OECD-Berichts über die Wettbewerbspolitik in der Linienschifffahrt zweifellos als das bedeutendste Ereignis angesehen werden. Der Bericht, der auf einem OECD-Workshop im Dezember 2001 erörtert wurde, stellt in Frage, ob es gerechtfertigt ist, die kartellrechtliche Freistellung bzw. die Freistellung für gemeinsame Preisfestlegungen von Schifffahrtslinien beizubehalten, und empfiehlt, dass die Mitgliedsländer ihre derzeitigen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet überprüfen. Die Kommission begrüßt den Bericht als wesentlichen Beitrag zur Debatte und wird weiter über die Auswirkungen der EU-Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Linienschifffahrt nachdenken.

4.2.4. P&O/Stena

160. Im Kurzstreckenseeverkehr war das herausragende Ereignis 2001 die Entscheidung der Kommission, die Freistellung des Gemeinschaftsunternehmens P&O Stena Line für den Fährbetrieb im Ärmelkanal zu verlängern. Die erste Freistellung für drei Jahre war am 26. Januar 1999 erfolgt, und am 22. Dezember 2000 beantragten die Parteien die Verlängerung. Der Untersuchung durch die Kommission zufolge sind die Marktgegebenheiten so, dass damit zu rechnen ist, dass die Hauptakteure auf dem Markt miteinander konkurrieren, und sich die erfolgten Preiserhöhungen durch andere Gegebenheiten erklären lassen als durch die Existenz des Gemeinschaftsunternehmens. Die Kommission gelangte daher zu der Schlussfolgerung, dass es keine Begründung dafür gebe, eine weitere Freistellung für die Dauer von sechs Jahren, die den Normalzeitraum im Rahmen der einschlägigen Verordnung für den Seeverkehr darstellen, abzulehnen. Das Gemeinschaftsunternehmen gilt daher bis zum 7. März 2007 als vom Verbot freigestellt.

4.3. Eisenbahn

161. Im Februar wurden schließlich die drei Richtlinien des Eisenbahnpakets [115] durch den Rat und das Parlament erlassen. Das Paket erweitert die Zugangsrechte für alle Arten von Güterverkehr zum Transeuropäischen Schienengüternetz bis 2008 und danach zum gesamten EU-Netz. Ebenfalls in das Paket inbegriffen sind die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, detaillierte Wegeentgeltregelungen, die Zuweisung von Fahrwegkapazität und die Sicherheitsbescheinigung sowie die Forderung, eine unabhängige Regulierungsstelle auf nationaler Ebene einzurichten, die über die Entgelterhebung/das Zuweisungsverfahren wacht und als Beschwerdestelle fungiert.

[115] Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.

162. In Juni leitete die Kommission das förmliche Verfahren gegen Ferrovie dello Stato (FS) in einer den Marktzugang betreffenden Sache ein [116]. In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte stellte die Kommission fest, dass die wiederholte und fortdauernde Weigerung von FS, der GVG, einem kleinen deutschen Eisenbahnbetreiber, Zugang zum italienischen Eisenbahnmarkt zu gewähren, den Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt.

[116] Sache COMP/37.685.

163. Im Oktober mahnte die Kommission die Deutsche Bahn (DB) wegen Diskriminierung eines privaten Anbieters. [117] In dieser weiteren Sache im Zusammenhang mit der GVG befand die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass die DB ihre beherrschende Stellung in dreifacher Hinsicht missbraucht hat: bei den Preisen für die Traktionsleistung, durch die nachfolgende Verweigerung der Traktionsleistung insgesamt und schließlich durch die Auflage an die GVG, DB-Personal einzustellen.

[117] IP/01/1415 vom 15.10.2001.

164. Mittlerweile hat die Kommission im Weißbuch - Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft [118] ihre Absicht bekundet, weitere Vorschläge für Rechtsvorschriften vorzulegen, um den Marktzugang zu liberalisieren und einen echten Schienenverkehrsbinnenmarkt zu schaffen, indem die nationalen Gütermärkte für die Kabotage geöffnet werden.

[118] KOM(2001)370 endg. vom 12.9.2001.

5. Medien

5.1. Übertragung von Sportveranstaltungen

5.1.1. UEFA-Übertragungsregelung

165. Der Zugang zu den Rundfunkmärkten, vor allem zu den Pay-TV- und Pay-per-View-Märkten, ist offensichtlich stark vom Zugang zu Premium-Rechten und Technologie abhängig. In den vergangenen Jahren ist in verschiedenen Fällen untersucht worden, inwieweit sich Sportrechte auf Rundfunkmärkte auswirken. Bei der Entscheidung zu der UEFA-Übertragungsregelung [119] haben zum Beispiel Veränderungen, mit denen die Zahl der Stunden begrenzt wurde, in denen Rundfunkanstalten bestimmte Fußballspiele nicht ausstrahlen dürfen, verhindert, dass die Regelungen die Rundfunkmärkte merklich beeinflussen. Die der Kommission ursprünglich vorgelegte Regelung der UEFA für die Übertragung von Sportveranstaltungen war sehr kompliziert und enthielt umfangreiche Beschränkungen. Die Übertragung von Begegnungen war während des gesamten Wochenendes untersagt. Nach der Intervention der Kommission vereinfachte die UEFA ihre Regeln und begrenzte die Sperrzeiten rigoros. Ab der Spielzeit 2000/2001 dürfen die nationalen Verbände nach der neuen UEFA-Regelung die Übertragung von Fußballspielen während der inländischen Hauptspielzeiten nur noch am Samstag oder am Sonntag untersagen. In ähnlicher Weise würde die Trennung der regulativen und der kommerziellen Tätigkeit der FIA und vor allem die verkürzte Dauer der Verträge für Formel-Eins-Übertragungen verhindern, dass solche Verträge die nationalen Märkte im frei empfangbaren Fernsehen und Pay-TV verzerren. [120] Der Sektor wird insbesondere im Hinblick auf die Entwicklungen auf den nachgelagerten Rundfunkmärkten einer eingehenden Prüfung unterzogen.

[119] ABl. L 171 vom 26.6.2001, S. 12.

[120] Pressemitteilung IP/01/1523 vom 30.10.2001.

5.1.2. UEFA-Champions League

166. Die Kommission hat auch begonnen zu untersuchen, wie die Rechte verkauft werden und weniger, zu welchen Bedingungen dies geschieht. Sie hat an die UEFA eine Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die zentrale Vermarktung der Übertragungsrechte an den späteren Runden der UEFA Champions League gerichtet. Die zentrale Vermarktung dieser Rechte auf Ausschließlichkeitsbasis birgt das Risiko, dass das Angebot dieser Rechte und dadurch die Übertragung von Fußball auf nachgelagerten Rundfunkmärkten begrenzt wird; durch den exklusiven Verkauf dieser Rechte besteht die Gefahr, dass der Wettbewerb auf diesen Märkten verzerrt wird.

5.2. Andere Angelegenheiten

5.2.1. Verwertungsgesellschaften

167. Die Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften liegt seit jeher in den Händen nationaler Verwertungsgesellschaften, die auf nationalen Märkten Monopolstellungen einnehmen. Die Entwicklung des Internets bedeutet in dieser Hinsicht eine Herausforderung, da die über das Internet zur Verfügung gestellte Dienstleistung theoretisch überall auf der Welt zugänglich ist. Die Verwertungsgesellschaften haben daher angefangen zu prüfen, wie die Rechte unter diesen grenzenlosen Bedingungen verwertet werden können. Die Kommission veröffentlichte im August eine Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 3 in Bezug auf eine Vereinbarung zwischen Verwertungsgesellschaften für die Verwertung von Rechten zur gleichzeitigen Übertragung über traditionelle Sendeeinrichtungen und über das Internet. Diese Vereinbarung würde die Monopolstellung der einzelnen Verwertungsgesellschaft in Bezug auf ihr nationales Repertoire nicht ändern, aber Wettbewerb zwischen Verwertungsgesellschaften bezüglich der nachgelagerten Bereitstellung einer globalen Lizenz für Nutzer einführen.

5.2.2. CDs/DVDs

168. Untersucht wurden vertikale Probleme im Zusammenhang mit dem Vertrieb von CDs und der Festsetzung ihrer Preise. Dabei stellte die Kommission Belege für begrenzte Preisbindung fest. Im Anschluss an die Nachprüfung seitens der Kommission wurde die Preisbindung rasch abgestellt.

169. Die Kommission hat auch begonnen, sich mit einem für Verbraucher potenziell wichtigen Fall zu beschäftigen, bei dem horizontale und vertikale Beschränkungen in Kombination auftreten können - das System der Regionalkodierung für DVD. In diesem Fall untersucht die Kommission die horizontale Vereinbarung über den DVD-Standard, zu dem das System der Regionalkodierung gehört, zusammen mit vertikalen Vereinbarungen für die Lizenzierung der Technologie und des Know-hows für die Nutzung des Standards.

6. Kraftfahrzeugvertrieb

170. Im Kraftfahrzeugvertriebssektor konzentrierte sich die Tätigkeit der Kommission im Jahre 2001 auf folgende Punkte:

- Fortführung des Evaluierungsprozesses der Verordnung 1475/95 [121] nach dem von der Kommission am 15. November 2000 angenommenen Bericht [122],

[121] Verordnung der Kommission (EG) Nr. 1475/95 vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 (jetzt 81) Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl. L 145 vom 29.6.1995.

[122] Bericht über die Funktionsweise der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 über die Anwendung von Artikel 85 (jetzt 81) Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, KOM(2000)743 endg., 15.11.2000; siehe auch Wettbewerbsbericht 2000, Randnummer 112 bis 115.

- Einleitung eines Überlegungsprozesses über die eventuelle Annahme einer spezifischen rechtlichen Regelung für den Kraftfahrzeugvertrieb nach Ablauf der Verordnung 1475/95 im September 2002,

- Kontrolle der Anwendung der Verordnung 1475/95 u. a. mit der Annahme von zwei Entscheidungen wegen Vertragsverstößen mit Geldbußen.

6.1. Die Vorbereitung einer neuen spezifischen rechtlichen Regelung für den Kraftfahrzeugvertrieb

171. Bis zu ihrem Ablauf am 30. September 2002 stellt die Verordnung 1475/95 Vereinbarungen über den selektiven und den Alleinvertrieb für Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Rädern, für die die Hersteller Vertriebshändler in Alleinvertriebsgebieten einsetzen, von dem in Artikel 81 Absatz 1 ausgesprochenen Verbot frei. Diese Vertriebshändler können Fahrzeuge entweder an Endabnehmer bzw. an ihre Zwischenhändler oder an andere vom Hersteller zugelassene Vertriebshändler verkaufen.

172. Bekanntlich gelangte der Evaluierungsbericht zu dem Schluss, dass die erwarteten Ergebnisse der Verordnung 1475/95 nur teilweise erreicht wurden und dass die Annahmen, auf die sie sich stützte, nicht mehr voll und ganz gültig waren.

173. Vor der Entscheidung über eine rechtliche Regelung, mit der die im Bericht über die Funktionsweise der Freistellungsverordnung festgestellten Probleme beim Kraftfahrzeugvertrieb möglichst gelöst werden, gab die Kommission eine Studie in Auftrag, mit der die wirtschaftlichen Auswirkungen von fünf möglichen rechtlichen Szenarien auf alle Beteiligten ermittelt werden sollten [123]. Diese Studie ist rein beratender Art und enthält keinerlei Empfehlung für die künftige rechtliche Regelung.

[123] Die Rahmendaten dieser Studie können auf der Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb eingesehen werden: http://europa.eu.int/comm/competition/car_sector/distribution. Mit der Durchführung der Studie wurde nach öffentlicher Ausschreibung das Consulting-Unternehmen Andersen beauftragt.

174. In der Studie der wirtschaftlichen Folgen werden die Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den einzelnen Marken und innerhalb einer Marke, auf das Entstehen von Hemmnissen, die der Integration des Binnenmarktes entgegenstehen, und auf den Wettbewerb auf dem Kundendienstmarkt analysiert. Auf diese Weise sollten die Auswirkungen auf die Hersteller, deren offizielles Vertriebsnetz, die zugelassenen Kundendienstleister, die unabhängigen Reparaturwerkstätten, die Verbraucher und die Hersteller von Ersatzteilen und Diagnosesystemen festgestellt werden.

175. Neben diesen fünf rechtlichen Szenarien wurden mehrere spezifische Themen, die als auf die einzelnen Szenarien anwendbare Variablen erachtet wurden, für sich und im Zusammenhang mit dem jeweiligen Szenarium analysiert (wie zum Beispiel der Verkauf mehrerer Marken und die Verbindung zwischen Verkauf und Kundendienst).

176. Parallel dazu wurde auch eine Studie über die Erwartungen der Verbraucher in Auftrag gegeben, um deren Haltung zum derzeitigen Kraftfahrzeugvertriebssystem und mögliche Alternativen für die Zukunft zu ermitteln [124]. Diese beiden Studien ergänzen den Evaluierungsprozess der Kommission zur Freistellungsverordnung. Sie kommen zu den beiden anderen Studien hinzu, die im Jahre 2000 über die Verbindung zwischen dem Verkauf von Neufahrzeugen und dem Kundendienst sowie über die Preisunterschiede in der Gemeinschaft erstellt wurden [125]. Alle diese Studien stellen nützliche Informationselemente für die Festlegung der künftigen Regelung für den Kraftfahrzeugvertrieb dar.

[124] ,Customer Preferences for existing and potential Sales and Servicing Alternatives in Automotive Distribution", Dr. Lademann & Partner, abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/competition/car_sector/distribution.

[125] Diese beiden Studien können auf der Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb eingesehen werden: http://europa.eu.int/comm/competition/car_sector/. ,Lien naturel entre vente et après-vente" (Autopolis), ,Analyse économique des différences de prix dans la Communauté" (Hans Degryse und Frank Verboven - KU Leuven und CEPR). Siehe auch Wettbewerbsbericht 2000, Randnummer 113.

177. Nachdem die Kommission die Schlussfolgerungen aus den in ihrem Auftrag erstellten Studien gezogen hat, wird sie Anfang 2002 einen Vorschlag für die künftige Regelung unterbreiten, die ab September 2002 für den Kraftfahrzeugvertrieb gelten wird. Selbstverständlich wird die Kommission alle anderen verfügbaren Informationsquellen prüfen [126].

[126] Unter diesen Quellen sei speziell auf die im Auftrag des Europäischen Fahrzeughersteller-Verbandes (ACEA) erstellte Studie hingewiesen, die ebenfalls den wirtschaftlichen Auswirkungen alternativer Vertriebssysteme gewidmet ist.

6.2. Allgemeine Bewertung der Anwendung der Freistellungsverordnung in bezug auf Preise für Neufahrzeuge

178. Alljährlich nimmt die Kommission einen Vergleich der Preise vor Steuern für Neufahrzeuge in der Gemeinschaft vor [127]. Dieser Vergleich erfolgt zweimal pro Jahr (im Mai und November) auf der Grundlage der von den Herstellern für jedes Mitgliedsland der Gemeinschaft empfohlenen Verkaufspreise.

[127] Dieser Vergleich ist nach Artikel 11 der Freistellungsverordnung erforderlich.

179. Der Stand per 1. Mai 2001 zeigte ebenso wie im November 2000 ungeachtet der weiteren Abwertung des Pfund Sterling gegenüber dem Euro, dass die Preise im Vereinigten Königreich trotz Rückgang bzw. Stagnation nach wie vor höher als in der Euro-Zone waren. Deutschland und Österreich sind weiterhin die teuersten Länder der Euro-Zone. Die Kommission stellte erneut fest, dass der durchschnittliche Preisunterschied in den preisgünstigeren Segmenten (A bis D) deutlich über 20 % lag, während die große Zahl von Modellen in den Segmenten B bis D normalerweise das Zeichen für einen starken Wettbewerb sein sollte. In der Regel sind Griechenland, Finnland, Spanien, die Niederlande sowie Dänemark die Märkte, auf denen die Neufahrzeugpreise vor Steuern am niedrigsten sind. [128]

[128] Siehe Pressemitteilungen der Kommission IP/01/227 vom 12.9.2001 und IP/01/1051 vom 23.7.2001.

180. Diese Preisunterschiede liegen deutlich über den in der Bekanntmachung zur Verordnung 123/85 festgelegten Grenzen [129], d. h. 12 % [130]. Diese Bekanntmachung, in der einige Fragen in Bezug auf die Verordnung 1475/95 erläutert werden, insbesondere zu den Preisunterschieden, ist weiterhin in Kraft. Oberhalb dieser Grenzwerte könnte die Kommission den Vorteil der Freistellung entziehen, wenn die Preisunterschiede ihren Ursprung in Verpflichtungen haben, die durch die Verordnung 1475/95 freigestellt sind [131].

[129] Bekanntmachung der Kommission zu ihrer Verordnung (EWG) Nr. 123/85 vom 12.12.1984 über die Anwendung von Artikel 85 (jetzt Artikel 81) Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, Kapitel II.1, ABl. C 17 vom 18.1.1985.

[130] Der Unterschied kann dennoch während eines Zeitraums von weniger als einem Jahr oder für einen geringfügigen Teil der Fahrzeuge um sechs Punkte über diesen 12 % liegen.

[131] Siehe Artikel 8 und Erwägungsgrund 31 der Verordnung.

181. Diese beträchtlichen Preisunterschiede erklären, weshalb zahlreiche Verbraucher ihre Fahrzeuge weiterhin in anderen Ländern der Gemeinschaft kaufen, wobei sie auf gewisse Schwierigkeiten stoßen, wie es die konstante Zahl von Verbrauchern zeigt, die sich bei der Kommission zumeist über äußerst lange Lieferzeiten beschweren.

6.3. Anwendung der Freistellungsverordnung im Jahre 2001

182. Die Kommission hat 2001 zwei Entscheidungen wegen Vertragsverstößen erlassen und gegen die beiden Automobilhersteller Volkswagen und DaimlerChrysler Geldbußen erhoben. Darüber hinaus wurde das neue Vertriebssystem von Porsche genehmigt.

6.3.1. Volkswagen [132]

[132] Sache COMP/36.693 Volkswagen, Entscheidung der Kommission vom 29.6.2001 (ABl. L 262 vom 2.10.2001).

183. In einer Entscheidung hat die Kommission eine Geldbuße in Höhe von 30,96 Mio. EUR gegen Volkswagen wegen Bindung der Verkaufspreise für den neuen VW Passat in Deutschland verhängt. Das Unternehmen hatte 1996 und 1997 Rundschreiben an seine deutschen Händler versandt und sie darin aufgefordert, dieses Modell nicht unter dem empfohlenen Listenpreis zu verkaufen. Im Unterschied zur vorherigen Entscheidung geht es in dieser zweiten Entscheidung nicht um Maßnahmen zur Verhinderung von grenzüberschreitenden Verkäufen. Die Bindung der Verkaufspreise stellt jedoch eine Kernbeschränkung des Preiswettbewerbs dar. Es handelt sich in diesem Falle um die erste Entscheidung zur Verkaufspreisbindung im Automobilsektor.

6.3.2. DaimlerChrysler [133]

[133] Sache COMP/36.264 DaimlerChrysler; Pressemitteilung IP/01/1394 vom 10.10.2001.

184. Nachdem Beschwerden von Verbrauchern eingegangen waren, leitete die Kommission von Amts wegen ein Verfahren gegen DaimlerChrysler ein. Am 10. Oktober beschloss die Kommission, gegen DaimlerChrysler wegen mehrerer Verstöße gegen Artikel 81 EG-Vertrag eine Geldbuße in Höhe von 71,825 Mio. EUR zu verhängen. Der erste Verstoß besteht darin, dass zwischen DaimlerChrysler und den Mitgliedern des deutschen Vertriebsnetzes Hindernisse für den Parallelhandel in Deutschland vereinbart wurden. Der Grund, weshalb Artikel 81 für diese zwischen DaimlerChrysler und seinen deutschen Vertretungen vereinbarten Beschränkungen zur Anwendung kommt, ergibt sich daraus, dass diese Vertretungen ein beträchtliches Geschäftsrisiko tragen. [134] Der zweite Verstoß besteht in der Beschränkung des Absatzes an unabhängige Leasingunternehmen in Deutschland und Spanien. Darüber hinaus beteiligte sich DaimlerChrysler an einer Preisfestsetzungsvereinbarung in Belgien, deren Ziel es war, die den Verbrauchern eingeräumten Preisnachlässe einzuschränken.

[134] Nach den Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl. C 291 vom 13.10.2000, S. 1) besteht das einzige relevante Kriterium für die Bestimmung, ob Artikel 81 Absatz 1 für die Tätigkeit der Handelsvertreter gilt, darin, ob der Vertreter im Zusammenhang mit dem Verkauf der Güter und Dienstleistungen, mit denen er befasst ist, ein Risiko zu tragen hat. In diesem Fall wurden die von den Vertretungen gewährten Rabatte von ihrer Provision abgezogen, die Vertretungen trugen Verantwortung für den Transport; sie kauften auch die Demonstrationsfahrzeuge, die einen beträchtlichen Teil der insgesamt verkauften Fahrzeuge ausmachen, und finanzierten die Ersatzteilbestände. Der Vertrag verpflichtete sie zu Garantiedienstleistungen (ohne dafür vollständig vergütet zu werden) und Kundendienstleistungen auf eigenes Risiko.

6.3.3. Vertriebssystem von Porsche

185. Nach der Anmeldung der neuen Vertriebsvereinbarungen von Porsche [135] gelangte die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass die Vereinbarungen im Rahmen der Verordnung 1475/95 unter der Voraussetzung freigestellt werden können, dass Porsche bestimmte Veränderungen durchführt. Vor allem ging es darum, dass für die Festlegung der Absatzziele alle Verkäufe unabhängig vom Wohnort des Käufers herangezogen werden müssen und die Porsche-Händler Online-Verkäufe tätigen dürfen, wenn die Verbraucher über das Internet kaufen möchten. Daher wurde die Akte per Verwaltungsschreiben geschlossen.

[135] Sache COMP/37.886 Porsche.

Kasten 4: Grünes Licht für Covisint - den B2B-Marktplatz für Unternehmen der Automobilindustrie [136]

[136] Sache COMP/38.064; Pressemitteilung IP/01/1155 vom 31.7.2001; ABl. C 49 vom 15.2.2001.

Einleitung

Im August 2001 hat die Kommission die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Covisint als B2B-Marktplatz für Unternehmen der Automobilindustrie (,Business-to-Business") genehmigt [137], die zu einem früheren Zeitpunkt des gleichen Jahres angemeldet worden war. Die Gründung erfolgte durch die Großunternehmen der Automobilindustrie Ford, DaimlerChrysler, General Motors, Renault und Nissan. Als sechster Automobilhersteller kam später PSA Peugeot Citroën zu dem Projekt hinzu.

[137] Alle Wettbewerbsbehörden, die Covisint geprüft haben, gaben ebenfalls grünes Licht für das Projekt. Nach Verhandlungen mit Vertretern von Covisint hat die Bundesbehörde der USA zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) dem Vorhaben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen zugestimmt, behielt sich jedoch das Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor, falls Probleme auftreten. Das deutsche Bundeskartellamt und die österreichischen Behörden erklärten das Vorhaben ebenfalls für unbedenklich. Die japanischen Behörden erhoben keinerlei Einwände gegen das Vorhaben.

Covisint soll als Online-Marktplatz für die Beschaffung in der Automobilindustrie, die Zusammenarbeit bei der Produktentwicklung und das Management der Zulieferketten mit dem Ziel eingesetzt werden, Kosten zu senken und die Effizienz in der Zulieferkette zu steigern. Im Gegensatz zu anderen Marktplätzen wie SupplyOn, die von den Zulieferern der Komponenten eingerichtet werden, ist Covisint eine auf die ,Einkaufsseite" ausgerichtete Plattform. Die Automobilhersteller, die Covisint nutzen wollen (darunter die Anteilseigner von Covisint) vereinen etwa 63 % der weltweiten Automobilproduktion auf sich. Die meisten großen Zulieferer von Kfz-Baugruppen haben ebenfalls ihre Absicht bekundet, Covisint zu nutzen.

Potenzielle Bedenken

B2B-Marktplätze wie Covisint werden immer häufiger. Sie können die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in bestimmten Sektoren durchführen, erheblich beeinflussen. Generell ist davon auszugehen, dass sie sich positiv auf den Wettbewerb auswirken. Von ihnen wird erwartet, dass sie den Markt transparenter machen und auf diese Weise dazu beitragen, mehr Unternehmen miteinander in Kontakt zu bringen und Märkte zu integrieren. Auch dürften sie die Markteffizienz durch Verringerung des Such- und Informationsaufwands erhöhen und die Bestandskontrolle verbessern, was sich letztlich in niedrigeren Preisen für den Endverbraucher niederschlägt.

Unter bestimmten Voraussetzungen können die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb jedoch die Vorteile einer besseren Markteffizienz überwiegen.

Austausch von Informationen

Hierbei geht es darum, inwieweit Nutzer Zugang zu marktsensitiven Informationen beispielsweise über Preise und Mengen erhalten oder diese austauschen können. Ob dies möglich ist, hängt gewöhnlich von der Gestaltung des Systems ab. Dies betrifft vor allem den jeweiligen Zugang der Nutzer zu den Daten der anderen Nutzer.

Gruppeneinkäufe/-verkäufe

Genauso wie bei den herkömmlichen Vertriebswegen entstehen auch hier Bedenken, wenn sich die Nutzer mit dem Ziel zusammentun, den Wettbewerb gegenüber den Kontrahenten einzuschränken. Dieses Phänomen wird in den Leitlinien über horizontale Beschränkungen eingehend erörtert.

Nachprüfung und Analyse

Das Covisint-Projekt ist kein Zusammenschluss, da die Gründerunternehmen das neue Unternehmen weder allein noch gemeinsam kontrollieren werden. Covisint war deshalb der erste große B2B-Marktplatz, der nicht auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung, sondern nach Artikel 81 EG-Vertrag geprüft wurde. Aufgrund seiner Neuartigkeit könnte Covisint als Richtschnur für die Behandlung ähnlicher Projekte herangezogen werden.

Nach der Prüfung der angemeldeten Vereinbarungen und der Antworten auf die Auskunftsverlangen ist die Kommission zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das angemeldete Vorhaben derzeit keine Einschränkung des Wettbewerbs nach Artikel 81 Absatz 1 zur Folge hat und übermittelte den Parteien in diesem Sinne ein Verwaltungsschreiben. Die Vereinbarungen enthalten nämlich angemessene Klauseln, um die oben angeführten wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen [138]. Dies betrifft Einkaufsgemeinschaften (zwischen Kfz-Herstellern) oder Gruppeneinkäufe (für Kfz-Produkte), aber auch den Austausch vertraulicher Informationen, da die Vereinbarungen einen angemessenen Datenschutz einschließlich Firewalls und Sicherheitsvorschriften gewährleisten. Auch hat die Kommission festgestellt, dass Covisint allen Unternehmen der Kfz-Branche unterschiedslos zur Verfügung steht, auf der Basis allgemein zugänglicher Standards funktioniert und sowohl den Anteilseignern als auch anderen Nutzern die Teilnahme an anderen B2B-Marktplätzen erlaubt.

[138] Carlsberg-Mitteilung, ABl. C 49 vom 15.2.2001.

6.4. Beschluss des Gerichtshofes in der Sache Asia Motor France SA [139]

[139] Rechtssache C-1/01 P- Beschluss des Gerichtshofes (zweite Kammer) vom 20.9.2001.

186. Asia Motor France sowie weitere mit diesem Unternehmen verbundene Gesellschaften betrieben in Frankreich den Import von japanischen Fahrzeugen. Sie hatten 1985 und 1988 bei der Kommission eine Beschwerde über eine angebliche Absprache zwischen fünf japanischen Fahrzeugimporteuren (Toyota, Mazda, Honda, Mitsubishi, Nissan) eingereicht, die einerseits eine Vereinbarung mit der französischen Regierung getroffen hätten, um den Absatz japanischer Fahrzeuge auf 3 % des gesamten Jahresabsatzes von Kraftfahrzeugen zu begrenzen, und sich andererseits untereinander verständigt hätten, diese Quote von 3 % so aufzuteilen, dass alle anderen japanischen Marken ausgeschlossen sind [140]. Die Beschwerden wurden von der Kommission zurückgewiesen.

[140] Sache COMP/33.014 Asia Motor.

187. Der Beschluss des Gerichtshofs vom 20. September zugunsten der Kommission schließt diese Sache endgültig ab. Die Kommission war berechtigt, die Klage zurückzuweisen, da die darin genannten Probleme direkt aus der Politik der staatlichen Stellen und nicht aus einer Vereinbarung zwischen Unternehmen resultierten.

7. Finanzdienstleistungen

188. Bei der Anwendung der Wettbewerbspolitik auf den Sektor Finanzdienstleistungen geht es insgesamt darum, wettbewerbsfähigere und effizientere europäische Finanzmärkte zu schaffen. Die dabei erzielten Erfolge tragen zum Wohlstand der Verbraucher und zur Entstehung einer dynamischen, wissensbasierten europäischen Wirtschaft, die durch hohes Wachstum gekennzeichnet ist, bei.

189. Unter dem Einfluss der Globalisierung, technologischer Fortschritte, der Einführung des Euro und der laufenden Liberalisierung der Märkte vollzieht sich eine fortschreitende Integration des Finanzsystems der EU. Durch die Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen am 1. Januar 2002 wird sich die Transparenz weiter erhöhen und werden die Kräfte der Integration in der Union gestärkt werden. Auf bestimmten Märkten hat die Integration ein gewachsenes Wettbewerbsniveau zur Folge. Sie erfordert auch größere Wachsamkeit bei der Anwendung und Umsetzung der Wettbewerbspolitik, um sicherzustellen, dass die Finanzmärkte offen und wettbewerbsfähig bleiben. Es besteht die Gefahr, dass sich die Unternehmen vor verstärktem Wettbewerb zu schützen versuchen, indem sie wettbewerbswidrige Vereinbarungen treffen, oder, wenn sie eine beherrschende Position einnehmen, ihre Marktmacht in einer Weise einsetzen, die die Entwicklung neuer und innovativer Geschäftsformate behindert.

190. Im Jahre 2001 wurden bei der Anwendung und Präzisierung der Wettbewerbspolitik in Bezug auf Zahlungssysteme erhebliche Fortschritte erzielt. Mit Blick auf die bevorstehende Einführung eines einheitlichen Zahlungsraums in der EU ist dies von erheblicher Bedeutung. Auf dem Gebiet der Finanzinfrastruktur ist es das Ziel der Politik, den Wettbewerb zu fördern und dadurch Marktkräfte freizusetzen, die die Schaffung einer effizienteren Infrastruktur begünstigen. Die Kommission hat mit der Arbeit an Maßnahmen begonnen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Wettbewerbspolitik bei der technischen Abwicklung von Wertpapiergeschäften durchgängig eingehalten wird. Die Effizienz dieser Operationen, die in der Branche als Clearing und Abrechnung bezeichnet werden, haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesamteffizienz der europäischen Kapitalmärkte.

7.1. Wettbewerb im Bereich Clearing und Abrechnung

191. Am 15. Februar 2001 veröffentlichte der Ausschuss der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte unter dem Vorsitz von Alexandre Lamfalussy seinen Schlussbericht. Sein Mandat erhielt der Ausschuss am 17. Juli 2000 von den Wirtschafts- und Finanzministern der Europäischen Union mit der Zielsetzung, einen wahrhaft integrierten europäischen Finanzmarkt zu erreichen.

192. In seinem Bericht befasst sich der Ausschuss speziell mit dem Bereich Clearing und Abrechnung. Er ist davon überzeugt, dass die Reform des Clearing- und Abrechnungssystems in der Europäischen Union fortgesetzt werden muss. Die Konsolidierung sollte weitgehend in den Händen der Privatwirtschaft bleiben. Dies bedeutet nach Auffassung des Ausschusses jedoch nicht, dass es hier nicht auch um öffentliche Belange geht. Die Politik sollte sich insbesondere darauf konzentrieren, die Hemmnisse und Schranken zu beseitigen, die eine Konsolidierung erschweren. Wettbewerbsfragen wie der chancengleiche und nicht diskriminierende Zugang zu Clearing- und Abrechnungssystemen und Ausschließlichkeitsvereinbarungen gehören für den Ausschuss zu den Fragen von besonderer politischer Tragweite.

193. Der Ausschuss schlägt vor, dass die Kommission die Lage im Bereich Clearing und Abrechnung prüft, um sicherzustellen, dass die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft in diesem Schlüsselsektor gebührend beachtet wird. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass die Kommission diesen Bereich bereits prüft, hat sie ihre Untersuchung ausgeweitet und von Amts wegen eine tiefgründige formelle Erhebung in die Wege geleitet. Damit wird der Bereich Clearing und Abrechnung erstmals einer groß angelegten kartellrechtlichen Untersuchung unterzogen.

194. Die Kommission hatte bereits eine Reihe eventueller Wettbewerbsbedenken im Bereich Clearing und Abrechnung ermittelt:

* Nach Angaben von Marktteilnehmern ist die Preisfestlegung bei einigen Abrechnungssystemen unfair und für gleichwertige Transaktionen gelten unterschiedliche Bedingungen.

* Zwischen Börsen und Clearing- und Abrechnungssystemen können Ausschließlichkeitsvereinbarungen bestehen, die den Wettbewerb bei den Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen einschränken.

* Von Marktteilnehmern ist auf das Risiko verwiesen worden, dass für Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen möglicherweise zu hohe Preise berechnet werden, wenn sich das Clearing- und/oder Abrechnungssystem in den Händen der Handelsplattform befindet und die Operationen auf dieser Plattform in genau dem System verrechnet und/oder abgerechnet werden müssen (vertikale Abschottung).

195. Mit der amtlichen Erhebung soll ermittelt werden, ob die oben genannten eventuellen wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu Recht bestehen. Sollte dies so sein, muss die Frage beantwortet werden, ob sie durch Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts ausgeräumt werden können. Die Adressaten dieser Erhebung sind Marktteilnehmer, darunter Banken, Handelsplattformen und Clearing- und Abrechnungssysteme.

7.1.1. Eurex [141]

[141] Sache COMP/D1/37.557.

196. Im Dezember 2001 erteilte die Kommission ihre Genehmigung für das von der Deutschen Börse AG und der SWX Swiss Exchange (,die Muttergesellschaften") angemeldete Gemeinschaftsunternehmen Eurex, eine grenzübergreifende Börse für den elektronischen Handel mit Finanzderivaten wie Optionen und Futures. [142]

[142] Pressemitteilung IP/02/4 vom 3.1.2002.

197. Nach Ansicht der Kommission ist Eurex ein gemeinsam kontrolliertes Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen, das aber keine gemeinschaftsweite Bedeutung hat. Gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung 4064/89 findet Verordnung Nr. 17 auf Zusammenschlüsse keine Anwendung, es sei denn, es handelt sich um Gemeinschaftsunternehmen von gemeinschaftsweiter Bedeutung, die eine Abstimmung des Wettbewerbsverhaltens von Unternehmen, die unabhängig bleiben, bezwecken oder bewirken. Gewöhnlich prüfen die nationalen Wettbewerbsbehörden im Rahmen ihrer Fusionsanalyse, ob die Gefahr einer solchen Abstimmung gegeben ist. In diesem Fall wurde keine solche Analyse durchgeführt, weil das Vorhaben nicht bei den jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörden angemeldet werden musste und dies auch nicht geschehen ist.

198. Die Kommission hat daher gemäß Artikel 81 Absatz 1 geprüft, ob infolge der Zusammenlegung eines Teils der Tätigkeiten der Muttergesellschaften das Risiko der Abstimmung ihrer Verhaltensweise besteht. Die Muttergesellschaften sind auf einer Reihe von Märkten aktiv, die eng mit dem Finanzderivatehandel und den Clearing-Märkten verbunden sind, auf denen Eurex präsent ist. Dies betrifft das Gebiet der Notierung und des Handels mit Wertpapieren (Aktien und Anleihen) und Optionsscheinen, die Bereitstellung elektronischer Börsensysteme und den Verkauf von Marktinformationen.

199. Im August 2000 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung, in der Stellungnahmen Dritter zu der Absicht der Kommission erbeten wurden, in dem besagten Fall positiv zu entscheiden. [143] Aus der Prüfung durch die Kommission ergab sich, dass kein nennenswertes Risiko einer Abstimmung der Verhaltensweise der Muttergesellschaften auf diesen benachbarten Märkten besteht.

[143] ABl. C 231 vom 11.8.2000, S. 2.

7.2. Zahlungssysteme

200. Am 9. August 2001 erließ die Kommission ihre erste förmliche Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag in Bezug auf internationale Bezahlungskarten in der Sache Visa International. [144] Diese Entscheidung verdeutlicht die Politik der Kommission im Hinblick auf eine Reihe von Fragen in diesem Sektor. Festgestellt wird, dass einzelne Bestimmungen des Bezahlkartensystems von Visa International, das bei der Kommission mit einem Antrag auf Negativattest angemeldet worden war, nicht in den Anwendungsbereich des Verbots gemäß Artikel 81 fallen, und es werden alle Arten von internationalen Visa-Karten (Kreditkarten mit revolvierender Kreditmöglichkeit, Termindebit- und direkte Debitkarten) einbezogen. Die Entscheidung betrifft ausschließlich die fünf nachstehend beschriebenen Regeln von Visa International:

[144] Sache COMP/29.373, ABl. L 293 vom 10.11.2001, S. 24.

(a) das Diskriminierungsverbot (NDR), das Einzelhändler daran hindert, bei der Annahme von Visa-Karten Gebührenaufschläge bei den Karteninhabern zu erheben;

Obwohl die Kommission berücksichtigt, dass das Diskriminierungsverbot in den Visa-Regeln die Freiheit der Einzelhändler, eigene Preise festzusetzen, einschränkt, kam sie zu dem Schluss, dass dies keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb hat. Marktuntersuchungen in Schweden und den Niederlanden, wo das Diskriminierungsverbot durch die nationalen Wettbewerbsbehörden abgeschafft worden war, haben nämlich gezeigt, dass sich dies nicht spürbar auf die Erhebung von Gebühren durch die Einzelhändler ausgewirkt hat.

(b) die geänderten Regeln über die grenzüberschreitende Kartenausgabe und das grenzüberschreitende Anwerben von Einzelhändlern, die es jetzt Visa-Mitgliedern erlauben, in anderen Mitgliedstaaten Karten an Verbraucher auszugeben und Verträge mit Händlern (jeder Art) einzugehen, ohne vorher in dem betreffenden Land eine Zweigstelle/Niederlassung einzurichten;

(c) den Grundsatz der Gebietslizenzen, nach dem Banken prinzipiell nur in dem Mitgliedstaat Karten ausgeben und Einzelhändlergeschäfte anwerben dürfen, für das sie eine Lizenz halten;

Da Banken für jeden Mitgliedstaat, in dem sie Banktätigkeiten ausüben dürfen, zusätzliche Warenzeichenlizenzen erlangen können, wird davon ausgegangen, dass dieser Grundsatz den Wettbewerb nicht spürbar beeinträchtigt.

(d) die Regel des Anwerbens nur bei Ausgabe von Karten, nach der Banken eine angemessene Anzahl von Karten ausgeben sollten, bevor sie Einzelhändler anwerben dürfen;

Die Verpflichtung zur Ausgabe von Karten kann jedoch als eine Förderung der Entwicklung des Visa-Kartensystems angesehen werden, indem es eine breite Grundlage für die Karten schafft und damit das System für den Einzelhandel attraktiver macht.

(e) die Pflicht zur Annahme sämtlicher Karten, wonach der Einzelhändler alle gültigen Karten mit dem Visa-Symbol (gewöhnlich eine Kreditkarte oder Termindebitkarte) oder dem Electron-Symbol (gewöhnlich eine direkte Debitkarte) annehmen muss, unabhängig vom ausstellenden Institut, der Art des Geschäfts und der Art der Karte.

Für die Entwicklung eines Zahlungssystems müssen die ausgebenden Institute sicher sein können, dass ihre Karten von Einzelhändlern angenommen werden, die Verträge mit anderen Anwerbern eingegangen sind. Diese Regel wird als förderlich für die Entwicklung des Visa-Bezahlkartensystems angesehen, weil es gewährleistet, dass die Visa-Karten überall angenommen werden.

201. Visa-Karten sind grenzüberschreitende Zahlungsmittel. Die Entscheidung kommt zu dem Schluss, dass die in den Regeln von Visa International enthaltenen Bestimmungen, die zumindest im gesamten Gemeinsamen Markt gelten, sich wenigstens potenziell auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken.

202. Getrennt von der oben genannten Entscheidung veröffentlichte die Kommission im August eine Mitteilung, in der sie um Stellungnahmen zu ihrer Absicht ersuchte, gegenüber der mehrseitigen Abwicklungsgebühr (MIF) von Visa eine befürwortende Haltung einzunehmen. [145] Die Kommission hatte dazu ursprünglich eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Visa gerichtet. Visa hat dazu inzwischen Änderungsvorschläge unterbreitet, zu denen eine Gebührensenkung, die Einführung objektiver Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Gebühren und Transparenz gegenüber den Einzelhändlern in der Frage der Höhe und des Anteils der Kostenkategorien an der mehrseitigen Abwicklungsgebühr zählen.

[145] Sache COMP/29.373, ABl. C 226 vom 11.8.2001, S. 21.

7.3. Versicherungspools im Nuklearbereich

203. Im Januar 2001 schloss die Kommission drei Anmeldungen für Versicherungs- und Rückversicherungspools zur Deckung von Nuklear-Risiken durch Versendung eines Verwaltungsschreibens mit einem Negativattest ab. Dabei handelt es sich um schwedische, italienische und spanische Atompools. [146] Nach Ansicht der Kommission sind drei verschiedene relevante Märkte einbezogen, und zwar nukleare Sachversicherung, nukleare Rückversicherung und nukleare Haftpflichtversicherung. Bei den ersten beiden handelt es sich um weltweite Märkte, was sich zum Beispiel an der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen zeigt, und auf diesen Märkten liegt der Anteil jedes der betreffenden Pools weit unter 5 %. Die Kommission ist daher zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Poolvereinbarungen keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb auf diesen Märkten haben. Die Märkte für die nukleare Haftpflichtversicherung sind jedoch noch national, weil bei den gesetzlichen Auflagen auf diesem Gebiet noch große Unterschiede zwischen den Ländern bestehen und lokal ansässige Einrichtungen zur Schadenregulierung benötigt werden. Jeder der betreffenden Pools verfügt auf seinem nationalen Markt für die nukleare Haftpflichtversicherung über ein Monopol. Dennoch gelangte die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass es ohne Poolvereinbarungen in diesem Bereich kein Angebot von Haftpflichtversicherungen mit einer angemessenen Risikoabdeckung geben würde, und daher schränken die Poolvereinbarungen den Wettbewerb in dieser Hinsicht nicht ein.

[146] Sachen COMP/37.363, Svenska Atomförsikringspoolen, COMP/34.985, Pool Italiano Rischi Atomici, und COMP/34.558, Aseguradores Riesgos Nucleares.

7.4. Konvergenz zwischen Bank- und Versicherungswesen

204. Der Begriff Allfinanz (auch ,Bankassekuranz") bezieht sich auf die zunehmende Konvergenz zwischen Banken und Versicherern. Im Privatkundengeschäft gründet sich die Konvergenz auf vermutete Vertriebssynergien, d. h. die Möglichkeit des Verkaufs von Versicherungen an Bankkunden von Bankdienstleistungen an Versicherungsnehmer (,Verbundgeschäft"). Dies gilt insbesondere in Deutschland, wo in jüngster Zeit Regeln in Kraft gesetzt wurden, die speziell private Rentenprodukte begünstigen, wodurch für Banken und Versicherer ein umfangreicher und vielleicht auch sehr profitabler neuer Geschäftsbereich eröffnet wurde. Dies hat zu einer gestiegenen Zahl von Allfinanzvereinbarungen geführt - sei es in Form von Kooperationsvereinbarungen oder von Fusionen.

205. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ergeben sich bei Kooperationsvereinbarungen bzw. Fusionen zwischen Banken und Versicherern in der Regel nur wenige Bedenken, weil die beteiligten Unternehmen gewöhnlich vorher nicht auf den Märkten des jeweils anderen präsent waren. Im Hinblick auf Fusionen zwischen Banken und Versicherern siehe Sache M.2431, Allianz/Dresdner, die in Teil II unter der Überschrift ,Fusionskontrolle" erörtert wird.

206. Im Bereich der Kooperationsvereinbarungen zwischen Banken und Versicherern genehmigte die Kommission im November 2001, nachdem sie eine Carlsberg-Mitteilung veröffentlicht hatte, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen dem Generali-kontrollierten AMB, dem viertgrößten Versicherer in Deutschland, und der Commerzbank, Deutschlands viertgrößter Bank, in Bezug auf den Vertrieb ihrer jeweiligen Produkte im Mengenkunden- und Versicherungsgeschäft durch Übermittlung eines Verwaltungsschreibens. Dafür gab es folgende Gründe: (a) die Überschneidungen der Märkte waren minimal; (b) aus den Mandatsverflechtungen ergaben sich keine Wettbewerbsbedenken; (c) die Parteien werden mit einer starken Konkurrenz unter anderem von Seiten der Gruppen Allianz/Dresdner und Münchener Rück/Ergo konfrontiert sein.

8. Informationsgesellschaft

8.1. Mitteilung der Beschwerdepunkte an Microsoft

207. Am 30. August richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an das US-Software-Unternehmen Microsoft Corp. (,Microsoft") [147] im Hinblick auf verschiedene Verstöße gegen Artikel 82. Diese Mitteilung der Beschwerdepunkte erweiterte und ergänzte eine frühere Mitteilung, die dem Unternehmen im August 2000 nach einer Beschwerde des US-amerikanischen Unternehmens Sun Microsystems Inc zugestellt worden war. [148]

[147] Sache COMP/37.792, Pressemitteilung IP/01/1232 vom 30.8.2001.

[148] Sache COMP/37.245, die jetzt gemeinsam mit der Sache COMP/37.792 unter der Nummer COMP/37.792 behandelt wird.

208. Gemäß der Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2001 verstößt Microsoft gegen die EG-Wettbewerbsregeln, indem es seine beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Personalcomputer und dem Markt für einfache Server-Betriebssysteme ausnutzt. Die Kommission ist der Meinung, dass Microsoft konkurrierenden Software-Anbietern ,Schnittstelleninformationen" vorenthalten hat, d. h. Informationen, die notwendig sind, damit die Server-Software der anderen Anbieter mit der ,Windows"-PC- und Server-Software von Microsoft kommunizieren kann. Darüber hinaus habe Microsoft Schnittstelleninformationen diskriminierend und selektiv weitergegeben.

209. Nach Auffassung der Kommission wird mit dieser Strategie von Microsoft konkurrierenden Anbietern von Server-Software die Möglichkeit genommen, den Wettbewerb mit der Windows-Software auf rein technischer Grundlage aufzunehmen. Aufgrund der breiten Nutzung von Windows in IT-Netzen hat die Interoperabilität mit Windows einen wichtigen Einfluss auf die Kaufentscheidungen der Kunden.

210. Außerdem ist die Kommission der Ansicht, dass Microsoft seine beherrschende Stellung durch seine Lizenzvergabepraxis für Windows 2000 missbraucht. Als Folge dieser ,all inclusive" Lizenz von Microsoft müssen Kunden nämlich auch dann ein komplettes Paket erwerben, wenn sie sich dafür entscheiden, bei einigen Server-Produkten auf andere Anbieter zurückzugreifen. Kunden, die bereits Windows nutzen und Server-Produkte von konkurrierenden Anbietern erwerben möchten, müssten daher die doppelten Lizenzgebühren entrichten. Auf dieser Weise werden die Verbraucher zum Kauf von Microsoft-Server-Produkten gedrängt, wodurch sich die Möglichkeiten der Entscheidung für andere Software verringern und der Wettbewerb behindert wird.

211. Schließlich ist die Kommission der Auffassung, dass Microsoft mit seinem Verhalten den Wettbewerb verfälscht hat, indem es sein Produkt Media Player mit seinem PC-Betriebssystem Windows gekoppelt hat (Media Player ist ein ,Streaming Media"-Software-Programm, das es Kunden erlaubt, Audio- und Video-Dateien über das Internet ohne langwieriges Herunterladen auf ihrem PC abzuspielen). Da die Verbraucher in der Regel auf die vorinstallierte Konfiguration ihres Computers zurückgreifen, werden andere Anbieter von ,Streaming Media"-Software ausgeschlossen.

212. Die Kommission nimmt die Entscheidung des Bundes-Berufungsgerichts der USA vom 28. Juni 2001 zur Kenntnis, dass Microsoft gegen 2 des Sherman-Gesetzes verstieß, indem das Unternehmen mit wettbewerbswidrigen Mitteln ein Monopol auf dem Markt für Betriebssysteme aufrechterhalten habe. Mit Interesse verfolgt sie den Ausgang dieses Falls und stellt fest, dass das Justizministerium der USA und verschiedene Bundesstaaten dem Vorschlag für einen endgültigen Urteilsspruch zur Beilegung des Falls zugestimmt haben, während andere Bundesstaaten den Rechtsstreit fortsetzen. Obwohl sich jedes Ergebnis des Falls in den USA auf einige der von der Kommission untersuchten Verhaltensweisen auswirken kann, behandeln die Fälle in den USA und in der EU unterschiedliche Sachverhalte und sind insofern als komplementär anzusehen.

8.2. Informationsgesellschaft und Internet

213. Die Schaffung von Bedingungen für ein offenes und wettbewerbsorientiertes Umfeld für die Entwicklung des Internets und des elektronischen Geschäftsverkehrs ist nach wie vor das vorrangige Ziel der Kommission. Zweifellos sind die derzeitigen Wettbewerbsregeln aufgrund ihres angemessenen Grads der Abstraktion auf die Besonderheiten des Internets anwendbar. An die im Wandel begriffenen wirtschaftlichen Bedingungen lassen sie sich bemerkenswert gut anpassen, darunter auch an die fundamental neue Art und Weise, in der im Internet Geschäfte abgewickelt werden.

214. Wettbewerbspolitische Bedenken ergaben sich in Bezug auf die Telekommunikationsinfrastruktur, die für den Internetverkehr genutzt wird. Diese Bedenken betreffen eine Vielzahl von Märkten, vor allem die Märkte für den Breitbandzugang (hohe Übertragungsleistung) und den Schmalbandzugang (niedrige Übertragungsleistung) zum Internet sowie die mit der Internet-Konnektivität zusammenhängenden Märkte.

215. Der mangelnde Wettbewerb auf dem Markt für Teilnehmeranschlüsse in allen Mitgliedstaaten, vor allem in Bezug auf den Breitbandzugang, wurde erneut als Haupthindernis für die Nutzung des Internets und der Internetdienste in Europa ermittelt. Die Kommission hatte in diesem Zusammenhang bereits wichtige politische Schritte eingeleitet wie die Verordnung über den ,entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss" und die branchenspezifische Untersuchung zur Entbündelung des Teilnehmeranschlusses [149] und ist zu noch weiter gehenden Initiativen gerüstet. Die Kommission befasste sich überdies mit dem Wettbewerbsdruck, der von alternativen Breitbandzugangsplattformen ausgeht, darunter mit dem mobilen drahtlosen Zugang. Obwohl die derzeit beherrschende Teilnehmeranschlusstechnologie durch den mobilen drahtlosen Zugang unter Wettbewerbsdruck geraten kann, ist es gleichermaßen wichtig, die marktbeherrschenden Akteure im Mobiltelefonsektor zu beobachten.

[149] Siehe Abschnitt I.C.3.4.

216. Bedenken sind auch auf dem Gebiet der Internet-Governance zutage getreten, die vor allem die Internet-Bereichsnamen betreffen. Zu den Fällen, mit denen sich die Kommission beschäftigt, gehören Beschwerden gegen die Registrierung von erstklassigen Bereichsnamen gemäß Artikel 82. Zweifellos gelten die europäischen Wettbewerbsregeln auch für das Bereichsnamensystem (DNS). Generell ist die Kommission der Auffassung, dass die spekulative, diskriminierende und missbräuchliche Registrierung von Internet-Bereichsnamen vermieden werden muss, da dies für die Sicherstellung eines offenen und wettbewerbsorientierten Umfelds des Internets notwendig ist.

9. Sport

217. In ihrem Bericht zum Sport an den Rat von Helsinki [150] zeigte die Kommission Wege auf, wie sich die verschiedenen Funktionen des Sportsvereinbaren lassen. Der Rat von Nizza unterstrich in seiner Erklärung im Anhang zu den Schlussfolgerungen [151] die Notwendigkeit, bei allen Aktionen der Gemeinschaft ,die sozialen, erzieherischen und kulturellen Funktionen [zu] berücksichtigen, die für den Sport so besonders charakteristisch sind, damit die für die Erhaltung seiner gesellschaftlichen Funktion notwendige Ethik und Solidarität gewahrt und gefördert werden".

[150] Bericht der Kommission an den Europäischen Rat im Hinblick auf die Erhaltung der derzeitigen Sportstrukturen und die Wahrung der sozialen Funktion des Sports im Gemeinschaftsrahmen. KOM(1999) 644 endg. vom 10. Dezember 1999.

[151] Erklärung über die im Rahmen gemeinsamer Politiken zu berücksichtigenden besonderen Merkmale des Sports und seine gesellschaftliche Funktion in Europa.

218. In der Erklärung betont der Rat sein Eintreten für die Autonomie der Sportorganisationen und ihr Recht auf Selbstorganisation durch geeignete Verbandsstrukturen. So haben die Sportorganisationen die Aufgabe, ihre jeweilige Sportart, insbesondere das spezifische Regelwerk, zu organisieren und weiterzuentwickeln und Nationalmannschaften zu bilden. Dabei müssen natürlich einzelstaatliche und gemeinschaftliche Rechtsvorschriften beachtet werden.

219. Der Rat stellte insbesondere fest, dass den Sportverbänden eine zentrale Aufgabe für den Erhalt der unerlässlichen Solidarität zwischen Freizeit- und Spitzensport zukommt, und dass es ihr Anliegen sein muss, einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu sportlichen Wettkämpfen zu sichern, den Amateursport zu unterstützen, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Ausbildung, Schutz der Gesundheit, Kampf gegen Doping zu gewährleisten.

220. Im Jahre 2001 hatte die Kommission Gelegenheit, die vom Rat in seiner Erklärung aufgestellten Grundsätze im Zusammenhang mit vier Wettbewerbssachen umzusetzen.

Kasten 5: Transfers von Fußballspielern

Am 5. März 2001 brachten die Kommissionsmitglieder Monti, Reding und Diamantopoulou sowie die Präsidenten der FIFA und der UEFA ihre Verhandlungen über die internationalen Transfers von Spielern zum Abschluss. Die FIFA und die UEFA verpflichteten sich, neue Transfervorschriften anzunehmen, die auf bestimmten Grundsätzen [152] beruhen. Dabei geht es insbesondere darum, die Ausbildung junger Spieler zu fördern, die Stabilität der Mannschaften zu gewährleisten, das regelmäßige und ordnungsgemäße Funktionieren des Sportwettbewerbs im Rahmen der Besonderheiten des Fußballs zu wahren, um das Interesse der Fans und der Zuschauer für diesen Sport zu erhalten.

[152] Pressemitteilung der Kommission IP/01/314 vom 6.3.2001.

a) Das erste Thema der Verhandlungen waren die Ausbildungsentschädigungen. Die Kommission hat sich stets für Ausbildungsentschädigungen eingesetzt, die die Ausbildungskosten widerspiegeln und auch bei Beendigung des Vertrags zu zahlen sind. Bei jungen Spielern, d. h. Spielern bis zum Alter von 23 Jahren, wird davon ausgegangen, dass die Ausbildungszeit bis zum Alter von 21 Jahren andauert. Bei einem Vereinswechsel ist es gerechtfertigt, wenn der Verein, der die Ausbildung durchgeführt hat, eine Entschädigung in Höhe der Ausbildungskosten geltend macht. Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, diese Kosten zu berechnen. Die Kommission war mit der Festlegung eines über die tatsächlichen Kosten der Ausbildung des jeweiligen Spielers hinausgehenden Betrags einverstanden, wobei jedoch den Leistungen des Ausbildungszentrums Rechnung zu tragen ist. Wechselt ein junger Spieler mehrmals den Verein, so erhält der ursprünglich ausbildende Verein einen Teil der Ausbildungsentschädigung.

b) Zweitens ging es bei den Verhandlungen um die Verträge, insbesondere um die Frage der Begrenzung ihrer Laufzeit, wobei unter anderem die Umgehung des Bosman-Urteils verhindert werden sollte. So wurden eine Hoechstlaufzeit von fünf Jahren und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr festgelegt, um wettbewerbsverfälschende Transfers während der Spielzeit zu verhindern. Letztere müssen auf Ausnahmefälle wie Verletzungen oder das völlige Zerwürfnis zwischen Spieler und Trainer usw. beschränkt bleiben. Was einseitige Vertragskündigungen anbelangt, so befürwortet die Kommission ein ausgewogenes System. Vorher schrieb die FIFA für den Transfer eines Spielers während der Laufzeit des Vertrages die Zustimmung beider Vereine vor. Nunmehr kann ein Transfer ohne diese zweifache Zustimmung erfolgen, jedoch kann der Ausgleich direkt im Vertrag des Spielers vorgesehen oder durch den Verein geltend gemacht werden. Gegen übermäßig hohe Summen kann vor Gericht geklagt werden. Darüber hinaus haben Vereins- und Verbandsführungen darauf hingewiesen, dass eine Mannschaft für mehrere Jahre gebildet wird und der Weggang eines Spielers nach nur einem oder zwei Jahren das Mannschaftsgefüge daher teilweise zerstört. Um solche gefährlichen einseitigen Vertragskündigungen in Grenzen zu halten, wurden sportliche Sanktionen in Form einer Einschränkung der Spielberechtigung vorgesehen, die sich am Ende des ersten oder zweiten Vertragsjahres auf einen Zeitraum von bis zu vier Monaten erstrecken kann. Nach Ende des dritten Vertragsjahres können hingegen keine Sanktionen mehr verhängt werden. Somit begrenzt dieses System die einseitigen Vertragskündigungen in den ersten beiden Jahren, während es sie ab dem dritten Jahr fördert. So wurde den Interessen der verschiedenen Akteure in ausgewogener Weise Rechnung getragen. Es wurde auch eine gewisse Flexibilität eingeführt, um den Regeln des ,sportlich triftigen Grundes" zu entsprechen.

c) Schließlich sind Schiedsorgane vorgesehen, in denen Spieler und Vereine paritätisch vertreten sind. Ein Schiedsgericht des Fußballs, das ebenfalls eine paritätisch zusammengesetzte Kammer hat, entscheidet als Berufungsinstanz über Streitigkeiten im Zusammenhang mit internationalen Transfers. Diese neuen Schiedsorgane dienen der raschen Beilegung der an sie herangetragenen Streitigkeiten, unter Vorbehalt der jedem Spieler offen stehenden Möglichkeit, ein ziviles Gericht anzurufen, was nach den bisherigen FIFA-Regeln nicht zulässig war.

9.1. Formel Eins

221. Die Formel-Eins-Verfahren sind sowohl in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Organisation des Sports im Rahmen eines internationalen Verbandes sehr wichtig. Die Kommission vertrat 1999 die Auffassung, dass sich die Fédération Internationale d'Automobile (FIA) in einem Interessenkonflikt zwischen ihrer Rolle als sportliches Regulierungsorgan und ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Organisation von Motorsportwettbewerben befand. Aufgrund dieser Situation wurden die von der FIA organisierten Rennserien, insbesondere die Formel Eins, begünstigt. Die Kommission stellte auch die Bedingungen der Verträge zwischen der FOA (Formula One Administration), die insbesondere die Formel-Eins-Fernsehrechte verwaltet, und den Rundfunkanstalten in Frage, vor allem weil sie geeignet waren, andere Motorsportveranstaltungen zu verhindern, die eine potenzielle Konkurrenz zur Formel Eins dargestellt hätten.

222. Im Einvernehmen mit der FIA und der FOA fand die Kommission schließlich eine Lösung für diese Probleme. Im Rahmen dieser im Juni 2001 im Amtsblatt veröffentlichten Lösung zieht sich die FIA aus dem kommerziellen Bereich zurück, um ihre Rolle als Regulierungsorgan unabhängig und unparteiisch wahrnehmen zu können. So hat sie entweder auf ihre Fernseh-Übertragungsrechte verzichtet oder sie den Inhabern übertragen. Außerdem änderte die FIA die Regeln in wesentlichen Punkten und stellte feste Kriterien für die Vergabe von FIA-Lizenzen für Sportereignisse und für die Teilnahme auf. Was die kommerziellen Tätigkeiten anbelangt, so hat die FOA die wettbewerbswidrigen Klauseln aus ihren Vereinbarungen mit Fernsehketten und -sendern herausgenommen. Ferner hat sie die Werbung für Rallyes aufgegeben.

223. Diese neue Situation wird günstige Auswirkungen für den Automobilsport in Europa haben. Die Verbesserung des Regelwerks der FIA wird zur Einhaltung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen beitragen, ohne den Geschäftsinteressen der von der FIA unabhängigen Organisatoren zu schaden. Somit wird das Interesse der FIA an einer Begünstigung der so genannten ,FIA-Rennserien" aufgehoben, da die Gewinne für den Verband in Zukunft bei allen Serien gleich hoch sein werden. Handlungsfreiheit, größere Transparenz und die Gewährleistung hoher Sicherheitsstandards bilden ein günstiges Umfeld für die ständige Weiterentwicklung des Automobilsports sowie ein Modell der Sportorganisation.

9.2. UEFA

224. Die der Kommission ursprünglich vorgelegte UEFA-Regelung für die Übertragung von Sportveranstaltungen war sehr kompliziert und enthielt umfangreiche Beschränkungen. Die Übertragung von Fußballspielen war während des gesamten Wochenendes untersagt. Die Kommission hat auf einen Ausgleich zwischen dem sportlichen Interesse und den Wettbewerbsregeln hingewirkt. Nach der neuen UEFA-Regelung können die nationalen Verbände ab der Spielzeit 2000/2001 in ihrem Verbandsgebiet am Samstag oder am Sonntag die Übertragung von Fußballspielen während der inländischen Hauptspielzeiten für zweieinhalb Stunden untersagen.

9.3. Beihilfen für französische Profifußballvereine

225. Diese Sache fällt in den Anwendungsbereich von Artikel 87 ff. EG-Vertrag betreffend staatliche Beihilfen. Die französischen Behörden legten Wert darauf, dass die Kommission zu einem für sie neuen Thema - staatlichen Beihilfen im Sport für die Finanzierung von Ausbildungszentren für junge Spieler - Stellung nimmt. Die Kommission stimmte der Gewährung dieser Beihilfen zu, da sie Erziehungs- und Eingliederungszwecken dienen und sich kaum auf den Wettbewerb zwischen den großen Vereinen auswirken.

226. Im Laufe des Jahres 2002 wird die Kommission die in der Erklärung von Nizza festgelegten Grundsätze weiter umsetzen, und zwar bei der Prüfung von zwei Sachen, deren Untersuchung derzeit vor dem Abschluss steht. Dabei handelt es sich um die Vorschriften der FIFA für die Tätigkeit von Spielervermittlern und die UEFA-Regel, nach der ein einzelner Finanzakteur mehrere Sportklubs, die an denselben Wettkämpfen teilnehmen, besitzen oder wirtschaftlich kontrollieren kann. Darüber hinaus prüft die Kommission zurzeit mehrere Sachen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Verkauf von Übertragungsrechten für Sportveranstaltungen auf Ausschließlichkeitsbasis an eine einzige Rundfunkanstalt pro Land über einen Zeitraum von mehreren Jahren.

10. Arzneimittel

227. Aus politischer Sicht sind im Rahmen der kartellrechtlichen Aktivitäten der Kommission im Arzneimittelsektor zwei Entwicklungen im Laufe des Jahres 2001 erwährenswert. In beiden Fällen war die Kommission gehalten, die Schlüsselbedeutung von Forschung und Entwicklung in diesem Sektor zu berücksichtigen.

228. Erstens hat die Kommission weitere Schritte zur Aufrechterhaltung des Parallelhandels in diesem Sektor unternommen. In diesem Sinne hat sie einerseits Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. Oktober 2000 in einer Rechtssache [153] eingelegt, die das Herzkreislaufmittel Adalat von Bayer betraf, und andererseits eine Verbotsentscheidung gegen das System der Preisdifferenzierung von GlaxoWellcome für rund achtzig in Spanien verkaufte Arzneimittel beschlossen.

[153] Rechtssache T-41/96 Bayer/Kommission [noch unveröffentlicht].

229. Zweitens haben die Dienststellen der Kommission zwei Gemeinschaftsunternehmen, die von Pharmaunternehmen zum Zwecke der Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs neuer Arzneimittel gegründet worden waren, vor dem Hintergrund der jüngsten Leitlinien der Kommission über horizontale Wettbewerbsbeschränkungen untersucht und genehmigt. [154]

[154] Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. C 3 vom 6.1.2001.

10.1. Parallelhandel: Adalat, GlaxoWellcome

10.1.1. Adalat

230. Die Kommission legte Anfang Januar 2001 Rechtsmittel [155] gegen das Urteil ein, mit dem das Gericht erster Instanz die Entscheidung der Kommission annullierte, die das Verbot einer Vereinbarung zwischen Bayer und in Spanien und Frankreich ansässigen Großhändlern beinhaltete, welche ein Exportverbot für das Arzneimittel Adalat einschloss. [156] Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss nun entscheiden, i) unter welchen Bedingungen festgestellt werden kann, dass Händler mit ihren Lieferanten eine bestimmte Beschränkung des Wettbewerbs vereinbart haben, und ii) unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass diese Beschränkung ein Exportverbot bedeutet.

[155] Rechtssachen C-2/01 und 3/01P. Der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure hat getrennte Rechtsmittel gegen das Urteil des EuGEI eingelegt. Der Gerichtshof hat die beiden Sachen verbunden.

[156] Sache COMP/34.279; Entscheidung der Kommission vom 10.1.1996, ABl. L 201, S. 1; Pressemitteilung IP/96/19 vom 10.1.1996.

231. Dem Anschein nach mag es hier um eng gefasste rechtliche Fragen gehen, für die Gewährleistung der Politik der Kommission im Hinblick auf vertikale Gebietsbeschränkungen in diesem wie auch in anderen Sektoren sind sie jedoch von entscheidender Bedeutung. Nach Ansicht der Kommission ist das EuGEI von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH abgewichen, indem es die Begriffe ,Vereinbarung" und ,Exportverbot" zu restriktiv ausgelegt hat. [157] Wird dieses Urteil nicht vom EuGH aufgehoben, würde diese Auslegung Unternehmen ermöglichen, Maßnahmen gegen den Parallelhandel in einer Weise zu konzipieren, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 81 EG-Vertrag fallen. Dies wiederum könnte das Ende der Politik der Kommission bedeuten, den Parallelhandel in der Pharmabranche und in andern Sektoren aufrechtzuerhalten und eine qualitative Bewertung der Maßnahmen der Wirtschaft auf die angeblichen Vorzüge hin durchzuführen.

[157] Siehe Zusammenfassung der wichtigsten Rechtsmittelgründe der Kommission im ABl. C 79 vom 10.3.2001, S. 15.

10.1.2. GlaxoWellcome [158]

[158] Sache COMP/36.957; Entscheidung der Kommission vom 8.5.2001, ABl. L 302 vom 17.11.2001; Pressemitteilung IP/01/661 vom 8.5.2001.

232. Eine solche qualitative Bewertung hat die Kommission in der an GlaxoSmithKline (GSK) gerichteten Entscheidungvorgenommen. Darin wird ein System der Preisdifferenzierung verboten, nach dem GlaxoWellcome (GW) spanischen Großhändlern einen höheren Preis für Arzneimittel berechnen will, die die Großhändler in andere Mitgliedstaaten ausführen als für Arzneimittel, welche sie für den Verbrauch in Spanien weiterverkaufen.

233. In ihrer Entscheidung widmet sich die Kommission nicht eingehend der Frage, ob eine ,Vereinbarung" im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 besteht, weil die meisten Händler nachweislich dem System der Preisbildung von GW zugestimmt haben, das in den neuen Verkaufsbedingungen enthalten war. Im Zusammenhang mit Artikel 81 Absatz 1 schließt sich die Kommission dem Standpunkt von GW an, dass die Pharmabranche stark reguliert sei, wobei die einzelstaatlichen Behörden bei der Festlegung der Verkaufspreise oft das Sagen haben. Es bestuenden ausnahmslos Erstattungsregelungen, die den Patienten zum Kunden machen, der nicht sonderlich auf den Preis achtet. Es ist auch offensichtlich, dass die mangelnde Harmonisierung in der nationalen Gesetzgebung zu bestimmten Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten führt. Dennoch vertritt die Kommission die Auffassung, dass nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Harmonisierungsmangel den Unternehmen in der Pharmabranche nicht das Recht gibt, den Preisunterschied dadurch zu festigen, dass sie in Niedrigpreisländern, die Arzneimittel in Länder mit höheren Preisen ausführen, höhere Preise verlangen. Der Kommission zufolge sind solche Systeme der Preisdifferenzierung dazu angetan, die Aufteilung der nationalen Märkte unbilligerweise festzuschreiben.

234. Dennoch untersucht die Kommission weiterhin eingehend die Behauptung von GW, diese Segmentierung der nationalen Märkte bringe Vorteile für die Verbraucher und damit komme das System der Preisdifferenzierung für eine Freistellung nach Artikel 81 Absatz 3 in Frage. Es ist das erste Mal, dass ein Pharmaunternehmen die Kommission aufgefordert hat, eine solche Untersuchung durchzuführen. GW bringt im Großen und Ganzen zwei Argumente vor, die beide von der Kommission zurückgewiesen werden.

235. Erstens behauptet GW, dass der Parallelhandel Einnahmenverluste verursache, sich dadurch das FuE-Budget des Unternehmens reduziere (ungefähr 15 % der Ausgaben) und daher die Möglichkeiten, neue innovative Arzneimittel zu entwickeln, eingeschränkt seien. Dazu bemerkt die Kommission unter anderem, dass Einnahmeverluste ebenso mit dem Vermarktungsbudget von GW (die verbleibenden 85 % seiner Ausgaben) in Zusammenhang stehen könnten. Dies scheint die plausiblere Erklärung zu sein, da die Pharmabranche zu den Bereichen zählt, in denen die FuE-Investitionen in der Volkswirtschaft am höchsten sind und in denen die Innovation - mehr noch als der Preis - der wichtigste Wettbewerbsparameter ist. GW behauptet auch, der Parallelhandel verzögere den Marktzugang von Arzneimitteln in Niedrigpreisländern. Die Kommission beurteilt die Beweislage für diese Argumentation als nicht überzeugend.

236. GW bemüht sich mittlerweile um Aufhebung der Entscheidung der Kommission. [159]

[159] Rechtssache C-168/01 P (rechtsanhängig).

237. Alle Fragen, die im Zusammenhang mit Adalat und Glaxo auftauchen, treten auch bei vielen anderen anhängigen Fällen von Anmeldungen zutage. Verschiedene Pharmaunternehmen, darunter Merck, wollen, dass die Kommission ihnen ein Negativattest oder zumindest eine Freistellung für ihre Lieferquotensysteme erteilt. Durch diese Systeme, die angeblich einseitig den Großhändlern auferlegt werden, erfolgt eine Beschränkung der den Großhändlern gelieferten Arzneimittelmengen anhand ihrer bisherigen Absatzmengen im Inland. Die Pharmaunternehmen geben Produktions- und Vertriebsplanung als ihre wichtigste Rechtfertigung an. Viele Großhändler führen seit langem Beschwerde gegen diese Systeme. Nach der Annahme der Entscheidung der Kommission zu Glaxo haben ihre Dienststellen eine eingehendere Untersuchung dieser Lieferquotensysteme eingeleitet.

10.2. Gemeinschaftsunternehmen

238. Die Kommission ist sich des Wertes, den die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in der Pharmabranche hat, bewusst. Im Laufe des Jahres 2001 haben ihre Dienststellen in zwei Fällen Verwaltungsschreiben zugestellt, in denen Pharmaunternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung, Herstellung und im Vertrieb neuer Arzneimittel angemeldet hatten. In beiden Fällen erhoben sich Fragen im Zusammenhang mit den Leitlinien der Kommission zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen.

10.2.1. Pfizer/EISAI [160]

[160] Sache COMP/36.932.

239. Im ersten Fall hatte sich Pfizer (USA) zur Zusammenarbeit mit EISAI (Japan) entschlossen, um ein Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer-Erkrankungen auf den Markt zu bringen. Pfizer wollte sein eigenes, in Vorbereitung befindliches Produkt zugunsten des Produkts von EISAI stoppen und EISAI sollte sich hauptsächlich um die FuE- und die Produktionstätigkeit kümmern. Für die Abwicklung des größten Teils des Vertriebs wollte Pfizer sein weltweites Vertriebsnetz nutzen. Zu dem Zeitpunkt, als die beiden Parteien ihre Zusammenarbeit anmeldeten, hatte ihr Produkt (gemeinhin unter dem Markennamen Aricept bekannt) bereits den Markt erreicht, während es praktisch keinem der als Wettbewerber auftretenden FuE-Gemeinschaftsunternehmen gelungen war, ein Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen. Der hohe Marktanteil von Aricept zeigte, dass es in vielen Mitgliedstaaten eine beherrschende Stellung erlangt hatte.

240. Die Kommission erachtete es als Verlust an Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1, dass Pfizer seine FuE-Tätigkeit einstellte. Hätte sich EISAI dafür entschieden, mit einem starken Marketingpartner zusammenzugehen, der nicht selbst an einem Produkt arbeitete, so hätte sich der Wettbewerb auf dem Markt verstärkt. Aber in Anbetracht der offensichtlichen Vorteile für die Verbraucher erkannten die Dienststellen der Kommission hinreichende Gründe, um eine Freistellung zu erteilen. Die hohen Marktanteile würden den Parteien nicht angelastet werden, weil sie aus dem Vorteil resultierten, der sich für den zuerst Handelnden ergibt. Die Freistellung wurde jedoch auf sieben Jahre ab der Markteinführung des Arzneimittels begrenzt, weil die Parteien nicht nachgewiesen hatten, dass sie einen längeren Zeitraum benötigen würden, um ihre verhältnismäßig geringen Investitionskosten zu decken. [161]

[161] Siehe Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, Randnummer 73, ABl. C 3 vom 6.1. 2001.

10.2.2. Pfizer/Aventis [162]

[162] Sache COMP/37.590.

241. Bei dem zweiten Fall ging es um die Zusammenarbeit von Pfizer (USA) mit einem anderen größeren Akteur (Aventis) und dem in den USA ansässigen kleineren Forschungsunternehmen Inhale. Ziel der Zusammenarbeit sollte es sein, ein inhalierbares Insulinprodukt zu entwickeln, herzustellen und auf einem Markt zu verkaufen, auf dem es bislang nur injizierbares Insulin gibt. Pfizer war auf dem Markt für (injizierbares) Insulin überhaupt nicht präsent und Aventis rangierte in den meisten Mitgliedstaaten hinter den beiden führenden Herstellern (Novo Nordisk und Eli Lilly) an dritter Stelle.

242. Daher wurde nicht davon ausgegangen, dass das Gemeinschaftsunternehmen (das in Wirklichkeit aus mehreren getrennten Gemeinschaftsunternehmen bestand) wettbewerbsrechtliche Bedenken im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 auslösen würde. Das Wettbewerbsverbot von 30 Jahren zuzüglich 5 Jahre nach Vertragsablauf zur Organisation der praktischen Einzelheiten im Zusammenhang mit der Beendigung der Zusammenarbeit wurde jedoch als zu lang angesehen, um als Nebenabrede zu gelten. Die Parteien verpflichteten sich selbst, diesen Zeitraum auf 20 Jahre (zuzüglich drei Jahre nach Vertragsablauf) zu verkürzen. Die Dienststellen der Kommission akzeptierten das Wettbewerbsverbot in Anbetracht der verhältnismäßig schwachen Marktstellung der beteiligten Parteien und des Fehlens einer von den Vereinbarungen über den ausschließlichen Handelsverkehr zwischen den Parteien herrührenden spürbaren Ausschlusswirkung. Unter diesen Bedingungen sahen die Dienststellen der Kommission keine Notwendigkeit, die genaue Länge des Zeitraums, den die Parteien benötigen würden, um ihre umfangreichen Investitionen zu decken, mit absoluter Genauigkeit festzulegen.

243. Es ist zu beachten, dass es in den beiden Fälle um Zusammenarbeit auf Marketingebene in Form von Mitvertrieb (Co-Promotion) oder gemeinsamem Marketing (Co-Marketing) ging. Beim Mitvertrieb nutzen zwei oder mehrere Unternehmen ihre Absatzorganisation, um das Produkt unter einem einzigen Warenzeichen zu vertreiben, während gemeinsames Marketing bedeutet, dass jedes Unternehmen das Produkt unter dem eigenen Warenzeichen verkauft. Einige Länder untersagen Mitvertrieb mit der Begründung, dass der Mitvertreiber für das relevante Arzneimittel über keine Zulassung verfüge. In diesen Ländern werden sich die Unternehmen für gemeinsames Marketing entscheiden.

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D - Statistischer Überblick

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II - Fusionskontrolle

A - Allgemeine Politik und neue Entwicklungen

1. Einleitung - Allgemeine Entwicklungen

244. Nach der rasanten Zunahme der Fusionstätigkeit in den zurückliegenden sieben Jahren ging die Anzahl der angemeldeten Zusammenschlussvorhaben 2001 leicht von 345 im Vorjahr auf 335 zurück.

245. Die Kommission erließ 339 abschließende Entscheidungen. Davon wurde 20 im Anschluss an eine förmliche Prüfung getroffen (5 Untersagungen, 5 Genehmigungen ohne Bedingungen und 10 Genehmigungen mit Bedingungen) und 13 von der Einhaltung von Verpflichtungen nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase (Phase 1) abhängig gemacht. In der ersten Phase wurden von der Kommission 312 Vorhaben genehmigt. 1 140 (45 %) der nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase erteilten Genehmigungen beruhten auf dem seit September 2000 gültigen vereinfachten Verfahren. Zudem traf die Kommission sieben Entscheidungen über Verweisungen nach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung und eröffnete in 22 Fällen förmliche Prüfverfahren; bei drei dieser Prüfungen stand das Ergebnis Ende 2001 noch aus [163].

[163] Sache COMP/M.2495 - Haniel/Fels, Sache COMP/M.2547 - Bayer/Aventis Crop Science und Sache COMP/M.2568 - Haniel/Ytong.

246. In den Bereichen Telekommunikation und Medien, die vom Aktienkursverfall besonders stark betroffen waren, kam die Fusionstätigkeit 2001 fast vollständig zum Erliegen. Während in diesen Sektoren im Jahr 2000 noch 65 Fusionsvorhaben angemeldet wurden, waren es 2001 ganze vier, wobei der Rückgang von 12 Anmeldungen im 4. Quartal 2000 auf eine Anmeldung im 1. Quartal 2001 besonders deutlich ausfiel.

247. Das Gros der Entscheidungen der Kommission betraf Fusionen und Übernahmen, an denen (mindestens) zwei EU-Unternehmen beteiligt waren. Im Vergleich zu 2000 war die Zahl der Zusammenschlüsse von EU-Unternehmen mit Unternehmen aus Drittländern 2001 rückläufig. Die Anzahl der Fusionen von Unternehmen mit Sitz im selben Land stieg hingegen an.

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248. Trotz der leicht rückläufigen Gesamtzahl bei den Anmeldungen wurden fünf Verbotsentscheidungen [164] erlassen, die bislang höchste in einem Jahr erreichte Zahl von Untersagungen. Darüber hinaus wurden fünf Anmeldungen von den betreffenden Parteien in der zweiten Untersuchungsphase (teils als Reaktion auf die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission und teils aus anderen Gründen) zurückgezogen. In allen fünf Fällen, in denen der Zusammenschluss untersagt wurde, sollte die Begründung (vier Fälle) bzw. Verstärkung (ein Fall) einer alleinigen marktbeherrschenden Stellung verhindert werden. Bei fünf der Phase-II-Fälle dieses Jahres war die Möglichkeit einer gemeinsam marktbeherrschenden Stellung das ausschlaggebende Kriterium. Im Fall von MAN/Auwärter [165] wie auch in den zwei gemeinsam untersuchten Fällen UPM Kymmene/Haindl [166] und Norske Skog/Parenco/Walsum [167] wurden die Vorhaben nach eingehender Untersuchung ohne Bedingungen genehmigt. In zwei weiteren parallel geprüften Fällen (BP/E.ON [168] und Shell/DEA [169]) genehmigte die Kommission die Zusammenschlüsse zwar, machte sie jedoch von Verpflichtungszusagen abhängig, die von den beteiligten Unternehmen angeboten worden waren, nachdem die Kommission Bedenken hinsichtlich einer gemeinsamen beherrschenden Stellung auf dem Markt der Ethylenlieferungen für das ,ARG+"-Rohrleitungsnetz geäußert hatte, das die Niederlande, Belgien und Deutschland miteinander verbindet.

[164] Nach Artikel 8 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung.

[165] Sache COMP/M.2201, 26.6.2001.

[166] Sache COMP/M.2498, 21.11.2001.

[167] Sache COMP/M.2499, 21.11.2001.

[168] Sache COMP/M.2533, 6.9.2001.

[169] Sache COMP/M.2389, 23.8.2001.

249. Obwohl es insgesamt mehr Verbote gegeben hatte, wurden dennoch nur bescheidene 1 % aller angemeldeten Zusammenschlüsse (bzw. 2 % unter Einbeziehung der in der zweiten Untersuchungsphase zurückgezogenen Anmeldungen) untersagt. Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, zeichnet sich kein kontinuierlicher Aufwärts- bzw. Abwärtstrend ab, was die Gefahr angelangt, dass ein Unternehmen, das ein Zusammenschlussvorhaben anmeldet, seine Anmeldung in der zweiten Untersuchungsphase zurückzieht bzw. dass eine Verbotsentscheidung erlassen wird.

Tabelle XX -Verbote und Zurücknahmen in Phase II, 1991 - 2001

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2. Nationale Märkte und potenzieller Wettbewerb

250. Etwa die Hälfte der diesjährigen Verbote und Phase-II-Zurücknahmen betraf Fusionsvorhaben von Unternehmen mit Sitz im selben Land. In der Mehrzahl der Fälle wurden wettbewerbsrechtliche Bedenken in mehreren Ländern geäußert und nicht nur in jenen, in denen sich der Sitz der beteiligten Unternehmen befand. Dennoch führt die Untersagung von ,nationalen" Zusammenschlüssen regelmäßig dazu, dass die betroffenen Unternehmen bei den Politikern des Landes lautstark Kritik anmelden und den Versuch der Einflussnahme unternehmen. Dazu kam es nach den Verbotsentscheidungen in den Fällen General Electric/Honeywell [170] und Schneider/Legrand [171] wie auch nach der Zurücknahme der Anmeldung in der zweiten Untersuchungsphase im Fall SEB/FöreningsSparbanken [172]. Seit 1990 betrafen 12 von 18 Untersagungen solcherart ,nationale" Fusionen. Von den 12 Verboten ,nationaler" Zusammenschlüsse waren Unternehmen mit Sitz in folgenden Ländern betroffen: Deutschland (3), USA (2), Niederlande (2 Fälle, jeweils nach Verweisung auf Antrag der Niederlande gemäß Artikel 22) sowie Vereinigtes Königreich, Südafrika [173], Finnland (Verweisung nach Artikel 22), Schweden und Frankreich (je ein Fall). In der geografischen Streuung der untersagten nationalen Zusammenschlüsse spiegelt sich offenbar die Größe der betreffenden Länder wider, wobei keine Unterschiede zwischen Ländern oder Ländergruppen erkennbar sind. Insbesondere liefern die Angaben keinerlei Anhaltspunkte für eine ,Bevorzugung kleiner Länder" durch die Kommission bei ihren Entscheidungen über geplante Fusionen. Zwar wurden in sieben Fällen nationale Zusammenschlüsse von Unternehmen mit Sitz in führenden Volkswirtschaften (D, UK, F und USA) verboten, doch betrafen zwei Verbotsentscheidungen auch kleine Länder (SF, S) wobei der Status der Niederlande und Südafrikas vom zugrunde gelegten Bewertungsmaßstab für die Größe (Einwohnerzahl, BIP, Fläche usw.) abhängt. Nicht nur auf den jeweiligen Heimatmärkten der Unternehmen, sondern auch in den anderen EWR-Ländern hätten die meisten untersagten nationalen Fusionsvorhaben Wettbewerbsprobleme verursacht.

[170] Sache COMP/M.2220, 3.7.2001.

[171] Sache COMP/M.2282, 10.10.2001.

[172] Sache COMP/M.2380, Anmeldung zurückgezogen.

[173] Sache COMP/M.619 Gencor/Lonrho: Zwar handelt es sich bei Lonrho um ein Unternehmen mit eingetragenem Sitz im Vereinigten Königreich, doch ist es überwiegend im südlichen Afrika tätig.

251. Angesichts der insgesamt geringen Zahl von Verbotsentscheidungen sind statistisch signifikante Aussagen anhand der Verteilung auf die verschiedenen Länder bzw. der zeitlichen Verteilung kaum möglich. Dieser Umstand ist bei der Betrachtung der folgenden Tabelle zu beachten. In ihr sind die Zahl der Unternehmen, die von einer Verbotsentscheidung betroffen waren, und die Anzahl der beteiligten Parteien (d. h. zwei oder mehr je Vorhaben) in den Ländern, in denen Unternehmen von einer Verbotsentscheidung betroffen waren, dargestellt. Im EWR waren schwedische, norwegische, dänische, französische, finnische und deutsche Unternehmen überdurchschnittlich oft von Untersagungen betroffen, während es bei Firmen mit Sitz in Italien bzw. dem Vereinigten Königreich etwas weniger Verbote gab. Auch bei US-amerikanischen Unternehmen bestand ein unterdurchschnittliches Risiko für eine Untersagung. Dennoch weicht im Ländervergleich die Verteilung der relativen Anzahl der Untersagungen statistisch nicht von der normalen Zufallsverteilung ab.

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252. Durch horizontale Fusionen von Unternehmen, die auf denselben räumlich und sachlich relevanten Märkten tätig sind, können Wettbewerbsprobleme entstehen, weil Marktanteile erhöht und direkte Konkurrenten verdrängt werden. Diese Aussage trifft auf Märkte jeder Größe zu, denn das mit der Fusionskontrolle angestrebte Grundziel des Schutzes der Verbraucher vor den Folgen einer Monopolmacht (höhere Preise, mindere Qualität, geringere Produktion, weniger Innovation) gilt generell und somit unabhängig davon, ob die Verbraucher in kleinen oder großen Ländern ansässig sind. In diese Kategorie waren 2001 die untersagten Zusammenschlüsse von Schneider/Legrand [174], SCA/Metsä Tissue [175] und CVC/Lenzing [176] sowie die verbotene Fusion der schwedischen Banken SEB/FöreningsSparbanken [177] einzustufen. In allen drei Fällen hätten die fusionswilligen Unternehmen außerordentlich hohe Marktanteile auf den räumlich und sachlich relevanten Märkten auf sich vereinigen können. Was Schneider/Legrand, SCA/Metsä Tissue und SEB/FöreningsSparbanken anbelangt, so ging es bei den räumlich relevanten Märkten um nationale Märkte, wohingegen mit der Fusion von CVC/Lenzing marktbeherrschende Stellungen im europäischen Maßstab begründet worden wären.

[174] Sache COMP/M.2283, 10.10.2001.

[175] Sache COMP/M.2097, 31.1.2001, ABl. L 57 vom 27.2.2002.

[176] Sache COMP/M.2187, 17.10.2001.

[177] Sache COMP/M.2380, Anmeldung zurückgezogen.

2.1. Definition der räumlich relevanten Märkte und potenzieller Wettbewerb

253. Zu den Kernpunkten der wettbewerbsrechtlichen Analyse gehört die Definition des räumlich relevanten Markts. Zweck der Bestimmung des räumlich (wie des sachlich) relevanten Marktes ist es, die Wettbewerber zu ermitteln, die dem Verhalten der an einem Fusionsfall beteiligten Unternehmen ein Gegengewicht entgegensetzen können. Dieser Ansatz ist in der Fusionskontrollverordnung verankert und in den Wettbewerbsbehörden der meisten Länder inzwischen gängige Praxis. Die Definition räumlich relevanter Märkte stützt sich auf eine Untersuchung der Nachfrage- und der Angebotsseite. 2001 analysierte die Kommission die in ihren Fusionsentscheidungen der letzten fünf Jahre zugrunde gelegten Marktdefinitionen. Bei 184 von insgesamt 1 295 Entscheidungen (14,2 %) ging die Kommission von nationalen Märkten aus. In 187 Fällen (14,4 %) waren nicht nur nationale Märkte betroffen. Bei den restlichen 924 Entscheidungen (71,4 %) erfolgte keine Abgrenzung der räumlich relevanten Märkte, weil wettbewerbsrechtliche Bedenken auch bei einer anderen Definition (EWR-weit, regional bzw. national) nicht bestanden hätten. Demnach wurde der räumlich relevante Markt nur in einer Minderzahl der Fälle als nationaler Markt definiert.

254. Allerdings steht die Marktdefinition am Anfang und nicht am Ende der Prüfung eines Fusionsvorhabens. Selbst im Falle einer engen Abgrenzung der räumlich relevanten Märkte aus branchenspezifischen Gründen (beispielsweise als nationale Märkte) hat das Vorhandensein potenzieller Konkurrenten in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Kommission vergleichsweise hohen Anteilen auf den nationalen Märkten akzeptiert hat.

255. Als Beispiel kann die 2001 erlassene Entscheidung im Fall SCA/Metsä Tissue [178] angeführt werden. Dabei ging es um die von der SCA Mölnlycke Holding BV, einem von der schwedischen Svenska Cellulosa AB kontrollierten Unternehmen, geplante Übernahme des finnischen Konkurrenten Metsä Tissue Corp. Beide Unternehmen stellen in mehreren EWR-Ländern Hygienepapiererzeugnisse wie Toilettenpapier, Küchenpapier, Taschentücher und Servietten her. Die Kommission stufte die räumlich relevanten Märkte als nationale Märkte ein, weil die Marktuntersuchung ergab, dass die Anbieter bei den Abnehmern (Supermärkten) in verschiedenen Ländern unterschiedliche Preise erzielen konnten (Preisdifferenzierung), und weil erhebliche Transportkosten anfielen. Allerdings betrachtete die Kommission nicht jeden nationalen Markt einzeln, sondern berücksichtigte auch alle tatsächlichen und potenziellen Einfuhren in jedes der fraglichen Länder. So umfasste die wettbewerbsrechtliche Analyse für den schwedischen Markt die Ermittlung sämtlicher Produktionsstätten in allen Ländern, die schwedische Supermärkte zu Wettbewerbspreisen mit Hygienepapiererzeugnissen beliefern können, die Bestimmung der Anzahl der nach der Fusion verbleibenden echten Wettbewerber und ihrer Fertigungskapazität und die Untersuchung der Frage des Eigentums an den Marken. Ausgehend von der Zahl aller vorhandenen und potenziellen Konkurrenten für Hygienepapiererzeugnisse entschied die Kommission, dass die Marktanteile auf bestimmten nationalen Märkten, die für sich betrachtet hoch wären, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht in diesem speziellen Fall keinen Anlass zu Bedenken gaben. Andererseits zeigte die Untersuchung, dass keine potenziellen Wettbewerber vorhanden waren, die über ausreichende Fertigungskapazitäten verfügten, um einen Ausgleich zu den sehr hohen Marktanteilen der beteiligten Unternehmen (bis zu 90 %) in Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland zu schaffen, so dass die Kommission letztlich dieses Vorhaben untersagte. Was Finnland anbelangt, so beruhten die wettbewerbsrechtlichen Bedenken in erster Linie darauf, dass ein potenzieller Konkurrent ausgeschaltet worden wäre.

[178] Sache COMP/M.2097, 31.1.2001.

256. Der Eintritt neuer Wettbewerber in einen Markt gehört bei den Analysen zu den wichtigsten zu untersuchenden Fragen. Bei der Ermittlung von Wettbewerbsproblemen, die durch ein bestimmtes Vorhaben entstehen, spielen hohe Markteintrittsschranken nach wie vor eine wichtige Rolle. So stellte die Kommission im Fall CVC/Lenzing [179] beispielsweise fest, dass ungeachtet niedriger Handelsschranken hohe Schranken für den Zutritt zu den EWR-Märkten bestanden, was vor allem auf den hohen Investitionsbedarf, vermeintliche Qualitätsunterschiede, kulturelle Schranken und Hürden im Hinblick auf die Lieferlogistik zurückzuführen war. Andererseits bewirken das Fehlen regelungsbedingter Schranken bzw. lokaler Anforderungen an den Vertrieb sowie das Vorhandensein glaubwürdiger Wettbewerber in ausreichender Nähe eine Erhöhung der Marktanteile, die auf nationaler Ebene annehmbar sein können. Tendenziell sind kleine Länder in dieser Hinsicht eindeutig im Vorteil, denn die Kommission hat im Fall von kleinen Volkswirtschaften regelmäßig höhere Marktanteile akzeptiert als bei den großen Märkten. Als weitere Fälle, in denen die Kommission den Zusammenschluss wegen des Bestehens potenziellen Wettbewerbs genehmigte bzw. der Fusion zustimmte, weil der Wegfall regelungsbedingter Schranken eine Ausweitung der räumlich relevanten Märkte zur Folge hatte, können Philips/Agilent Health Care Solutions [180], Pirelli/BICC [181] und Gerling/NCM [182] genannt werden. Der Marktanteil reichte in diesen Fällen in bestimmten Ländern von 40 % bis über 60 %.

[179] Sache COMP/M.2187, 17.10.2001.

[180] Sache COMP/M.2256, 2.3.2001.

[181] Sache COMP/M.1882, 19.7.2000.

[182] Sache COMP/M.2602, 11.12.2001.

257. Umgekehrt kann die durch eine Fusion oder Übernahme bedingte Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers, der bislang verhindert hat, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erlangt, Wettbewerbsprobleme selbst dann verursachen, wenn sich die Aktivitäten der Unternehmen nicht unmittelbar überschneiden. Im Mittelpunkt mehrerer Untersuchungen in der zweiten Phase stand 2001 die Verdrängung potenzieller Wettbewerber.

258. Im Fall EdF/EnBW [183] stimmte die Kommission vorbehaltlich der Erfuellung bestimmter Bedingungen und Auflagen dem Vorhaben des Stromkonzerns Electricité de France (EdF) zu, gemeinsam mit dem von neun südwestdeutschen Landkreisen gebildeten Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) die Kontrolle über Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) zu erwerben.

[183] Sache COMP/M.1853, 7.2.2001.

259. Wie die Prüfung ergab, hatte EdF bei der Versorgung zugelassener Kunden in Frankreich mit einem Marktanteil von rund 90 % eine beherrschende Stellung inne. Neben EdF sind drei weitere Stromerzeuger in Frankreich tätig: CNR, Société Nationale d'Electricité Thermique (SNET) und die zur RWE-Gruppe gehörende Harpen AG. Auf diese drei Unternehmen entfällt allerdings nur ein Bruchteil der Stromerzeugung; sie liefern den von ihnen erzeugten Strom überwiegend an EdF. Die EnBW war nach Einschätzung der Kommission eines der Unternehmen, die EdF auf dem französischen Markt am ehesten Konkurrenz machen könnten und die besten strategischen Voraussetzungen hätten, um in den Markt für die Versorgung zugelassener Kunden einzusteigen. Ihr Versorgungsgebiet im Südwesten Deutschlands hat eine lange gemeinsame Grenze mit Frankreich, und in diesem Gebiet verlaufen zwei der insgesamt vier französisch-deutschen Verbundleitungen. Mit der Beteiligung an der EnBW wäre der EdF-Konzern zudem besser in der Lage, auf dem deutschen Markt Maßnahmen zur Abwehr von Konkurrenten zu ergreifen, womit auch der Konkurrenzdruck in Frankreich nachlassen würde. In Randnummer 306 werden die in diesem Fall akzeptierten Abhilfemaßnahmen erörtert.

260. Nahezu identische wettbewerbsrechtliche Bedenken bestanden im Fall Grupo Villar Mir/EnBW/Hidroeléctrica del Cantábrico [184], der vorbehaltlich der Erfuellung von Bedingungen und Auflagen genehmigt wurde. In diesem Fall ging es um die Übernahme der gemeinsamen Kontrolle über das spanische Elektrizitätsunternehmen Hidroeléctrica del Cantábrico (Hidrocantábrico) durch die spanische Grupo Villar Mir und die unter anderem von der Electricité de France (EdF) kontrollierte deutsche Energie Baden-Württemberg (EnBW).

[184] Sache COMP/M.2434, 26.9.2001.

261. Die Kommission hatte Bedenken, dass die bereits bestehende kollektive beherrschende Stellung von Endesa und Iberdrola auf dem spanischen Großhandelsmarkt für Strom gestärkt werden könnte. Nach der Fusion wäre EdF kaum bereit gewesen, die ohnehin schon sehr geringen Verbundkapazitäten für kommerzielle Stromlieferungen von Frankreich nach Spanien auszubauen. Damit wäre ein Hindernis für Stromeinfuhren nach Spanien entstanden und der spanische Elektrizitätsmarkt zum Schaden der Verbraucher von den übrigen Märkten in Kontinentaleuropa abgeschottet worden. Um diese Bedenken auszuräumen, verpflichteten sich EdF und RTE als Betreiber des französischen Stromnetzes, die Verbundkapazitäten für kommerzielle Stromlieferungen von Frankreich nach Spanien von 1 100 MW auf etwa 4 000 MW aufzustocken und auf diese Weise die Voraussetzungen für ein größeres Handelsvolumen zwischen Frankreich und Spanien zum Nutzen der spanischen Abnehmer zu schaffen.

262. Auch im Fall Südzucker/Saint Louis [185] löste die mögliche Verdrängung von potenziellen Wettbewerbern Bedenken aus. Dieser Zusammenschluss wurde nach Abschluss der zweiten Untersuchungsphase unter Auflagen/Bedingungen genehmigt. Wie die Nachforschungen der Kommission ergaben, hätte das Vorhaben sowohl bei Industriezucker als auch bei Haushaltszucker zur Stärkung der ohnehin schon beherrschenden Stellung von Südzucker in Süddeutschland und in Belgien geführt, da Saint Louis in diesen geografischen Gebieten als unabhängiger und schlagkräftiger potenzieller Wettbewerber von Südzucker weggefallen wäre. Der Erhalt potenziellen Wettbewerbs ist in stark regulierten Märkten, auf denen wenig Wettbewerb herrscht und die Kunden in hohem Maße von einer begrenzten Anzahl von Anbietern abhängen, besonders wichtig.

[185] Sache COMP/M.2530, 20.12.2001.

2.2. Definition der sachlich relevanten Märkte

263. Wie die in diesem Jahr erlassene Entscheidung im Fall Tetra Laval/Sidel [186] veranschaulicht, trifft die dynamische Analyse des potenziellen Wettbewerbs nicht nur auf die Definition des räumlich relevanten Markts, sondern auch auf die sachlich relevanten Märkte zu.

[186] Sache COMP/M.2416, 30.10.2001.

264. Im Rahmen einer eingehenden Untersuchung prüfte die Kommission diesen geplanten Zusammenschluss im Verpackungssektor zwischen Tetra Laval (Tetra), dem weltweit führenden Unternehmen bei Kartonverpackungen und Kartonverpackungs-Maschinen und -Anlagen, und Sidel, dem weltweit größten Hersteller von PET(Kunststoff)-Verpackungsanlagen. Die als Übernahmeangebot an der Pariser Börse bekannt gegebenen Fusionspläne wurden bei der Kommission am 18. Mai 2001 angemeldet. Gestützt auf die Ergebnisse der Untersuchung entschied die Kommission am 30. Oktober 2001, den geplanten Zusammenschluss zu untersagen. Die Kommission begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass durch die Fusion eine Marktstruktur entstanden wäre, die (a) Tetra die Möglichkeit eröffnet hätte, seine beherrschende Stellung bei Kartonverpackungen zu verstärken, indem der größte Konkurrent auf dem benachbarten Markt für PET-Verpackungsanlagen ausgeschaltet worden wäre, und (b) Tetra in die Lage versetzt hätte, seine beherrschende Stellung bei Kartonverpackungen zu nutzen, um auch bei PET-Verpackungsanlagen eine beherrschende Stellung zu erlangen. Der Zusammenschluss hätte also die Konzentration im Verpackungssektor erhöht, Markteintrittsschranken errichtet und den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher eingeschränkt.

265. Bei Kartonverpackungen ist Tetra weltweit der unangefochtene Marktführer. In einer früheren Kommissionsentscheidung, die vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde (Rechtssache C-333/94, TetraPak/Kommission), wurde festgestellt, dass Tetra bei aseptischen Kartonverpackungsmaschinen und aseptischen Kartonverpackungen mit einem Marktanteil von 80 % im EWR eine beherrschende Stellung inne hat. Sidel wiederum ist mit einem Marktanteil von 60 % der führende Hersteller von Ausrüstungsgütern für PET-Verpackungen und insbesondere Streckblasmaschinen zur Herstellung von PET-Flaschen. Schon jetzt sind beide Sektoren durch einen hohen Konzentrationsgrad geprägt, wobei auf die Wettbewerber Marktanteile von höchstens 15 % entfallen.

266. Angesichts der starken Stellung der beiden Unternehmen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich lenkte die Kommission die Untersuchung hauptsächlich auf die Frage, inwieweit Kartonverpackungen und Kunststoffverpackungen miteinander konkurrieren können. Licht- und luftempfindliche Produkte wie fluessige Molkereierzeugnisse, Obstsäfte, Getränke mit Fruchtaroma, aber auch Fertigtees und Kaffeegetränke (,empfindliche Produkte") werden seit jeher in Kartonverpackungen, vor allem aseptische Kartons, abgefuellt. Aseptische Verpackungen werden für lang haltbare Erzeugnisse verwendet, die nicht gekühlt werden müssen. Bei PET-Flaschen handelt es sich um aus Harz hergestellte durchsichtige Kunststoffflaschen. Üblicherweise werden Mineralwasser und kohlensäurehaltige alkoholfreie Getränke in PET-Flaschen abgefuellt. Im Jahre 2000 wurden im EWR nicht mehr als 1 % Milch und Säfte in PET-Behältnisse verpackt.

267. Da die beiden Verpackungsmaterialien üblicherweise für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden, behaupteten die Parteien, dass aus wettbewerbsrechtlicher Sicht von zwei gesonderten und unabhängigen Märkten ausgegangen werde müsse. Wie die eingehende Untersuchung der Kommission ergab, handelt es sich nach einer Analyse der Marktdefinition mittels des hypothetischen Monopolistentests (SSNIP) [187] aus heutiger Sicht um zwei verschiedene sachlich relevante Märkte.

[187] Small but significant and non-transitory increase in prices (Hierbei wird angenommen, dass es einem hypothetischen Monopolisten möglich ist, eine kleine, aber bedeutsame und nicht nur vorübergehende Preiserhöhung vorzunehmen, ohne dass die Konsumenten auf andere Produkte ausweichen).

268. Gleichwohl stellte die Kommission fest, dass eine starre und eng gefasste Marktdefinition der Marktdynamik und vor allem dem Wechselspiel der beiden Verpackungsmittel nicht gerecht wird. Wie die eingehende Untersuchung der Kommission zeigte, handelt es sich bei den beiden Märkten innerhalb derselben Branche (Verpackung von Flüssiglebensmitteln) um eng miteinander verwandte benachbarte Märkte, deren wechselseitige Beeinflussung in den kommenden Jahren stark zunehmen wird.

269. Den Feststellungen der Kommission zufolge würden Hersteller von PET-Verpackungsanlagen, d. h. im Wesentlichen Sidel, gemeinsam mit unabhängigen Packmittelherstellern (Verarbeiter) auf dem Markt konkurrieren, um den Wechsel von Karton- zu PET-Verpackungen in Gang zu setzen. Sidel verfolgte insbesondere die Strategie, den Einsatz von PET als aseptische Verpackung für Fruchtsäfte und fluessige Molkereierzeugnisse deutlich zu forcieren. Nach Ansicht von Sidel und anderen Marktteilnehmern würden damit die in diesem Segment immer noch vorrangig eingesetzten Kartonverpackungen an Bedeutung verlieren.

270. Durch den Zusammenschluss wäre Sidel als Wettbewerber auf einem unmittelbar benachbarten Markt, der auf die beherrschende Stellung von Tetra bei Kartonverpackungen Druck ausüben könnte, ausgeschaltet worden. Die Kommission stellte fest, dass die marktbeherrschende Stellung von Tetra im Fall eines Zusammenschlusses verstärkt würde, weil das Unternehmen dann auf beiden Verpackungsmärkten tätig sein könnte, dass die Preise für Kartonverpackungen steigen würden und die Innovationstätigkeit nachlassen würde. Da in nächster Zukunft bei PET-Verpackungen mit Zuwächsen gerechnet wird, hätte der Zusammenschluss bedeutet, dass die erwartete Verschärfung des Wettbewerbs ausgeblieben wäre.

271. Abschließend kann festgestellt werden, dass weder die Definition des räumlich relevanten Markts noch die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts zu einer statischen Analyse, d. h. zu einer bloßen Addition von Marktanteilen führt. Vielmehr bildet die Marktdefinition den Ausgangspunkt einer gründlichen Untersuchung der Marktdynamik in einer bestimmten Branche. Was die Diskussion über die behauptete Bevorzugung kleiner Länder anbelangt, kann festgestellt werden, dass in kleineren nationalen Märkten Fusionen tatsächlich eher zu höheren Marktanteilen führen. Dies ist aber nicht zwangsläufig mit wettbewerbsrechtlichen Bedenken gleichzusetzen. Die Entscheidungspraxis der Kommission zeigt keine erkennbaren Abweichungen je nach Standort der Unternehmen. Untermauert wird diese Feststellung zusätzlich durch die statistischen Angaben zu den vorstehend genannten untersagten Fusionen.

Kasten 6: Die Fälle in der Papierbranche und kollektive Marktbeherrschung:

UPM-KYMMENE/HAINDL [188] und NORSKE SKOG/PARENCO/WALSUM [189]

[188] Sache COMP/M. 2498, 21.11.2001.

[189] Sache COMP/M. 2499, 21.11.2001.

Am 20. Juni 2000 meldete der finnische Zellstoff- und Papierhersteller UPM-Kymmene bei der Kommission die geplante Übernahme des deutschen Konkurrenten Haindl an, wobei in einem zweiten Schritt zwei der sechs Haindl-Papierfabriken an den norwegischen Papierhersteller Norske Skog weiterverkauft werden sollten. Untersucht wurden die Märkte für Zeitungspapier und holzhaltiges Zeitschriftenpapier (der ,Papiermarkt"). Im Mittelpunkt der Untersuchung durch die Kommission stand die Frage, ob diese beiden Vorhaben zur Begründung einer gemeinsam beherrschenden Stellung auf den Märkten für Zeitungs- und Zeitschriftenpapier führen würden. Diese Vorhaben gehörten zu den ersten Fällen, in denen die Kommission die Möglichkeit der Begründung einer gemeinsam marktbeherrschenden Stellung durch vier Unternehmen prüfte.

Kennzeichnend für die Druckpapierbranche allgemein ist ein auf dauerhaftenangelegter Wettbewerb um (neue) Kapazitäten und ein kurzfristiger Preiskampf bei Kapazitätsproblemen. Die beiden untersuchten Märkte weisen ähnliche Merkmale auf, die in verknappter Form folgendermaßen dargelegt werden können: i) relativ homogene Märkte trotz Unterschieden innerhalb der verschiedenen Papierqualitäten; ii) schwankende Marktanteile der führenden Anbieter auf beiden Märkten bei deutlich stärkerer Ausprägung der Schwankungen auf dem Zeitungspapiermarkt; iii) hohes Maß an Transparenz, was Kapazitäten, Liefermengen und Durchschnittspreise anbelangt, jedoch mangelnde Transparenz bei Investitionen vor ihrer endgültigen Festlegung; iv) unelastische und zyklische Nachfrage; v) bis zu einem gewissen Grad Unwägbarkeiten bezüglich des Ausmaßes der Kostensymmetrie, insbesondere auf dem Markt für Zeitungspapier; vi) viele Kontakte zu anderen Märkten und Verbindungen innerhalb der Zellstoff- und Papierbranche; viii) begrenzte Nachfragemacht; viii) Beschaffung der neuesten Technik problemlos möglich; ix) eine durch hohe versunkene Kosten geprägte Branche (d. h. hohe Markteintrittsschranken).

Auf dem Zeitungspapiermarkt konzentrierte sich die Kommission auf die vier führenden Unternehmen (UPM-Kymmene/Haindl, Stora Enso, Norske Skog/Haindl-2 und Holmen), auf die etwa 70 % der Umsätze und 80 % der Kapazitäten entfallen wären. Auf dem Papiermarkt hätten die drei führenden Anbieter (UPM-Kymmene/Haindl, Stora Enso und M-Real/Myllykoski) nach der Fusion rund 70 % der Kapazitäten und der Umsätze auf sich vereinigen können. Durch das Vorhaben wäre ein wichtiger Wettbewerber, nämlich Haindl, aus dem Markt ausgeschieden. Haindl hat - insbesondere in Bezug auf den Zeitungspapiermarkt - eine etwas andere Kostenstruktur als die übrigen führenden Anbieter, denn bei Haindl wird als Rohstoff in erheblich größerem Umfang Recycling-Papier eingesetzt. Vor allem in den letzten fünf Jahren betätigte sich Haindl besonders aktiv auf dem Markt für holzhaltiges Zeitschriftenpapier. Das Unternehmen kann einen Großteil des gesamten Kapazitätszuwachses für sich verbuchen.

Durch die Fusion entsteht ein Markt, der durch etwas mehr Transparenz und Berechenbarkeit geprägt ist. Dies spiegelt sich darin wider, dass es nach der Fusion nur noch vier statt fünf Unternehmen auf dem Zeitungspapiermarkt und drei statt vier Unternehmen auf dem Markt für holzhaltiges Zeitschriftenpapier geben wird. Allerdings sprechen einige besondere Merkmale dafür, dass keine gemeinsame marktbeherrschende Stellung begründet werden würde. Dabei handelt es sich um die begrenzte Stabilität der Marktanteile, die fehlende Transparenz bei Vorhaben zur Kapazitätserweiterung vor ihrer endgültigen Festlegung und die fehlende Symmetrie bei den Kostenstrukturen.

Zunächst prüfte die Kommission, ob es mit Hilfe der beiden folgenden Mechanismen zu Koordinierung kommen könnte: Absprachen über geplante Kapazitätserweiterungen, um so die Marktkapazität zu begrenzen und langfristig höhere Durchschnittspreise durchzusetzen; Absprachen zur Stilllegung von Produktionsanlagen als kurzfristige Maßnahme zur Stützung der Preise in Zeiten schwächerer Nachfrage (in einer nachfragestarken Phase erübrigen sich kurzfristige Absprachen).

Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass der Mechanismus zur Koordinierung von Investitionen nicht auf Dauer zu einem stillschweigenden abgestimmten Verhalten auf dem Markt für Zeitungspapier bzw. holzhaltiges Zeitschriftenpapier führen würde [190]. Dennoch stellte sie fest, dass stillschweigende Absprachen über die Stilllegung von Produktionsanlagen als möglicher Koordinierungsmechanismus in Frage kommen, so dass die Begründung einer gemeinsam marktbeherrschenden Stellung der vier (bzw. drei) führenden Anbieter von Zeitungspapier (bzw. holzhaltigem Zeitschriftenpapier) möglich erscheint. Dass derlei Maßnahmen Auswirkungen auf den Preis haben, ergibt sich aus der Fülle von Aussagen der Führungskräfte mehrerer größerer Papierhersteller, die der Öffentlichkeit in unterschiedlicher Form vermitteln, dass sie entschlossen sind, bei Bedarf Kapazitätsstilllegungen vorzunehmen, um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrechtzuerhalten.

[190] Eine ähnliche Begründung wurde in einem anderen Fall angeführt, bei dem das Vorhaben nach einer förmlichen Prüfung genehmigt wurde (Sache COMP/M.2201 - MAN/Auwärter, 26.6.2001) und der Fragen im Hinblick auf eine gemeinsame Marktbeherrschung aufwarf.. Dieses Vorhaben wird sich vorrangig auf den Stadtbusmarkt in Deutschland auswirken. MAN/Auwärter und das zum DaimlerChrysler-Konzern gehörende Unternehmen EvoBus als anderer größerer Akteur auf dem deutschen Markt für Stadtbusse werden jeweils knapp 50 % dieses Markts beliefern. Nach eingehender Prüfung des Falls entschied die Kommission jedoch, dass keine Gefahr einer stillschweigenden Absprache zwischen den beiden Unternehmen besteht. Erstens stellte die Kommission fest, dass eine stillschweigende Aufteilung des Markts zwischen EvoBus und MAN/Auwärter unwahrscheinlich ist, da es keine dauerhaft bestehenden Koordinierungsmechanismus geben würde. Zweitens dürfte angesichts erheblicher Unterschiede zwischen EvoBus und MAN/Auwärter (z. B. unterschiedliche Kostenstrukturen) eher damit zu rechnen sein, dass die beiden Unternehmen miteinander konkurrieren und sich nicht abstimmen. Daraus zog die Kommission den Schluss, dass auf dem deutschen Busmarkt auch nach der Übernahme Wettbewerb herrschen würde.

Allerdings würden in diesem speziellen Fall die kleineren Wettbewerber eine solche Koordinierung höchstwahrscheinlich zunichte machen. Die Kommission ist daher der Überzeugung, dass sich die verbleibenden kleineren Unternehmen wie SCA, Abitibi, Palm und Burgo aktiv auf ihren jeweiligen Märkten betätigen und so eine dauerhafte stillschweigende Abstimmung verhindern können. Diese Akteure könnten der Koordinierung entgegenwirken, indem sie Investitionen dort tätigen, wo die Oligopolisten vor Investitionen zurückschrecken, um höhere Preise zu erzielen, und indem sie die Produktion steigern, sollten die Oligopolisten eine vorübergehende Abschaltung ihrer Maschinen durchzusetzen versuchen - die Festlegung der Stilllegung von Produktionsanlagen. Diese Firmen, die zum Teil zu größeren Unternehmensgruppen mit erheblichen Ressourcen und entsprechendem Know-how auf anderen Zellstoff- und Papiermärkten gehören, hätten die Mittel, um stillschweigende Absprachen zwischen den führenden Akteuren dazu zu nutzen, ihre Marktanteile zu erhöhen.

Fazit:

Einerseits ließen zahlreiche Faktoren darauf schließen, dass die geplanten Zusammenschlüsse zur Begründung marktbeherrschender Stellungen der vier bzw. drei Unternehmen führen würden. Andererseits wurde aber auch eine Reihe von Kriterien ermittelt, die nach Einschätzung der Kommission diese Risiken aufzuwiegen in der Lage waren. Deswegen wurden beide Zusammenschlussvorhaben genehmigt.

3. Fusionskontrolle im 21. Jahrhundert - Grünbuch über die Revision der Fusionskontrollverordnung

272. Die weltweiten Fusionen, die weitere Marktintegration, die Einführung des Euro und - als möglicherweise wichtigster Faktor - die EU-Erweiterung auf 25 oder mehr Mitgliedstaaten stellen die Europäische Union vor neue Aufgaben. Um eine entsprechende Anpassung des europäischen Fusionskontrollsystems an diese neuen Entwicklungen zu gewährleisten, nahm die Kommission am 11. Dezember 2001 ein Grünbuch über die Revision der Fusionskontrollverordnung an. Mit dem Grünbuch wurde eine Konsultationsphase eingeleitet, die allen interessierten Kreisen die Möglichkeit bietet, der Kommission bis Ende März 2002 ihre Stellungnahmen zu übermitteln. Nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen beabsichtigt die Kommission, einen Vorschlag zur Änderung der Fusionskontrollverordnung im zweiten Halbjahr 2002 vorzulegen.

273. Im Grünbuch werden Fragen der Zuständigkeit sowie materiell- und verfahrensrechtliche Fragen aufgegriffen. Die folgenden wesentlichen Änderungen werden vorgeschlagen.

3.1. Fragen der Zuständigkeit

274. Nach den Bestimmungen der Fusionskontrollverordnung liegt die Zuständigkeit für Unternehmenszusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung allein bei der Kommission. Die Kommission hat die Zweckmäßigkeit der Umsatzschwellen des Artikels 1 untersucht und festgestellt, dass Artikel 1 Absatz 3 seinen Zweck nicht erfuellt hat. Als Artikel 1 Absatz 3 im Jahr 1997 eingeführt wurde, sollten die Umsatzschwellen in dieser Bestimmung der Kommission die Zuständigkeit für die Fälle übertragen werden, die drei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen, also für die so genannten Mehrfachanmeldungen. Tatsächlich trafen diese Schwellenwerte seit der letzten Überprüfung der Fusionskontrollverordnung aber nur auf höchstens 20 % jener Fälle zu, die in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen. Daher schlägt die Kommission vor, Artikel 1 Absatz 3 zu ändern und für die Fälle, die eine Anmeldung in drei oder mehr Mitgliedstaaten erfordern, die automatische Zuständigkeit der Gemeinschaft festzulegen. Auf die derzeit geltenden Umsatzschwellen des Artikels 1 Absatz 3 würde verzichtet werden. Mit dieser Lösung soll zum einen der Kommission als der Behörde, die hierfür die besten Voraussetzungen bietet, die Zuständigkeit für Zusammenschlussvorhaben übertragen und zum anderen die Durchsetzung gleicher Bedingungen für die Fusionskontrolle in Europa forciert werden. Diese Änderung soll noch vor der 2004 anstehenden Erweiterung der Gemeinschaft anwendbar sein.

275. In den Artikeln 9 und 22 der Fusionskontrollverordnung sind die Verweisungskriterien festgelegt. Danach kann das im Allgemeinen umsatzbasierte Fusionskontrollsystem so angepasst werden, dass sich die Behörde des Falls annehmen kann, die hierfür die besten Voraussetzungen hat. Die Kommission regt eine Vereinfachung der Verweisungskriterien an, um die Transparenz zu erhöhen und eine sachgemäße Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die wichtigste Änderung betraf Fragen im Zusammenhang mit den Verweisungskriterien in Artikel 9 Absatz 2. Im Grünbuch wird vorgeschlagen, auf den Nachweis zu verzichten, dass die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf einem gesonderten Markt in einem Mitgliedstaat droht. Vielmehr sollte es ausreichen, wenn der Mitgliedstaat glaubhaft darlegt, dass das Vorhaben den Wettbewerb auf diesem gesonderten Markt beeinträchtigen würde. Zudem soll der Mitgliedstaat künftig nicht mehr nachweisen müssen, dass ein solcher gesonderter Markt einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Markts ausmacht.

3.2. Materiellrechtliche Fragen

276. Weil sich die Geschäftspraktiken seit dem Inkrafttreten der Fusionskontrollverordnung verändert haben, ist es nunmehr an der Zeit, über eine Neubestimmung des Begriffs ,Zusammenschluss" nachzudenken, die diesen Entwicklungen gebührend Rechnung trägt.

277. Unter ,Zusammenschluss" versteht man, dass ein oder mehrere Unternehmen die rechtliche oder tatsächliche Kontrolle über ein anderes oder mehrere andere Unternehmen übernehmen, einschließlich der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen. Nicht von der Verordnung erfasst wird demzufolge der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen, mit denen keine Kontrolle über das Unternehmen ausgeübt werden kann. Dasselbe gilt für strategische Allianzen. Dabei handelt es sich in der Regel um Kooperationsvereinbarungen, durch die aber vielfach auch strukturelle Verbindungen zwischen den Unternehmen geschaffen werden. Im Luftverkehrs- und im Telekomsektor gibt es mehrere Beispiele für diese Art von Vereinbarungen. Strategische Allianzen werden derzeit nach Maßgabe von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag geprüft. Im Grünbuch werden die Schwierigkeiten mit einer rechtlich ausreichend gesicherten Abgrenzung dargelegt, wobei das Fazit lautet, dass Artikel 81 und 82 offenbar nach wie vor die geeignetste Grundlage für die Bewertung von solcherart Vorhaben sind. Aus den genannten Gründen wird daher keine Änderung vorgeschlagen.

278. Im Grünbuch werden bestimmte Änderungen der geltenden Bestimmungen für verbundene Erwerbsvorgänge angeregt. Bei verbundenen Erwerbsvorgängen handelt es sich um rechtlich voneinander unabhängige Transaktionen, die zwar aus verschiedenen Gründen miteinander verknüpft sind, allerdings jede für sich betrachtet möglicherweise nicht die in der Fusionskontrollverordnung festgelegten Umsatzschwellen erreichen. Damit erhebt sich die Frage, ob derartige Erwerbsvorgänge als ein einziger Zusammenschluss angesehen werden sollten, was bedeuten würden, dass die Umsatzschwellen laut Verordnung erreicht werden und folgerichtig die Kommission zuständig ist. Im Grünbuch wird eine Anpassung der Bestimmungen über verbundene Erwerbsvorgänge angeregt, um eine einheitlichere und wirksamere Anwendung des Fusionskontrollsystems zu ermöglichen.

279. Die wichtigste materiellrechtliche Prüfung zur Bewertung von Fusionen gemäß der Fusionskontrollverordnung ist der Marktbeherrschungstest. Im Grünbuch werden die Vorteile des Marktbeherrschungstests als in der Fusionskontrollverordnung festgelegte materiellrechtliche Prüfung mit denen der Prüfung auf eine ,wesentliche Wettbewerbsverminderung" verglichen, die in anderen Rechtssystemen, z. B. in den USA, Kanada und Australien, angewandt wird. Es wird eine Debatte über die Vor- und Nachteile beider Prüfungen sowie über den Stellenwert von Effizienzerwägungen bei der Bewertung von Zusammenschlussvorhaben angeregt. In diesem Zusammenhang darf jedoch der Hinweis nicht fehlen, dass mit definitiven Aussagen zu diesem Thema innerhalb der Zeit, die für die laufende Überprüfung der Fusionskontrollverordnung zur Verfügung steht, nicht zu rechnen ist.

3.3. Verfahrensrechtliche Fragen

280. Mit dem Grünbuch soll auch eine Diskussion über mögliche weitere verfahrensrechtliche Vereinfachungen in den Fällen in Gang gesetzt werden, die keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken geben. Neben einer grundsätzlichen Erörterung diesbezüglicher Maßnahmen ist eine gezielte Diskussion über den Umfang von Änderungen in Bezug auf bestimmte Risikokapitaltransaktionen vorgesehen.

281. Schließlich betrifft der wichtigste Vorschlag zu verfahrensrechtlichen Fragen im Grünbuch die Neufestlegung der Fristen für die Vorlage und Erörterung von Verpflichtungszusagen in der ersten und in der zweiten Untersuchungsphase. Dabei geht es um die Möglichkeit einer ,Fristaussetzung" auf Antrag der Parteien, damit alle Beteiligten mehr Zeit haben, von den Anmeldern angebotene Abhilfemaßnahmen zu prüfen.

3.4. Gemeinsame Arbeitsgruppe mit den nationalen Wettbewerbsbehörden

282. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Grünbuchs über die Revision der Fusionskontrollverordnung, das am 11. Dezember 2001 angenommen wurde, befragte die Kommission einen großen Kreis der vom Anwendungsbereich der Fusionskontrolle erfassten Parteien (Unternehmen, Mitgliedstaaten usw.) nach ihrer Meinung.

283. Zu diesem Zweck fanden neben zahlreichen informellenTreffen mit verschiedenen Unternehmensvertretern fünf Arbeitsgruppentagungen mit Vertretern aller 15 Mitgliedstaaten bzw. der Wettbewerbsbehörden statt, bei denen die Kommission den Vorsitz führte. Für die Diskussionen wurden die Räumlichkeiten der GD Wettbewerb genutzt, wobei unter anderem Fragen der Zuständigkeit, Verfahrensfragen bei Zusagen und materiellrechtliche Aspekte (die wettbewerbsrechtliche Prüfung) wie auch verfahrensrechtliche Fragen erörtert wurden. Zudem hatten die Mitgliedstaaten Gelegenheit, sich zum Entwurf des Grünbuchs insgesamt zu äußern.

284. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Diskussionen über die mögliche Revision der Fusionskontrollverordnung genauso umfassend und offen wie bisher fortgesetzt werden, wobei alle interessierten Kreise aufgefordert sind, sich mit sachlich fundierten Stellungnahmen zum Grünbuch einzubringen.

Kasten 7: Einschränkungen des Wettbewerbs - Anpassung der Politik der Kommission

Die Europäische Kommission nahm eine Bekanntmachung über Einschränkungen des Wettbewerbs an, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind (so genannte Nebenabreden) [191], die an die Stelle der Bekanntmachung aus dem Jahr 1990 tritt. Bei Nebenabreden handelt es sich um vertragliche Abmachungen, die mit der Durchführung des Zusammenschlusses unmittelbar verbunden und für diesen notwendig sind, wobei Unternehmen häufig von dieser Regelung Gebrauch machen. Stellvertretend für die gängigen ,Nebenabreden" können folgende Abmachungen genannt werden: Wettbewerbsverbote, Lizenzverträge sowie Bezugs- und Lieferverträge.

[191] ABl. C 188 vom 4.7.2001, S. 5.

Mit der neuen Politik wird ein deutlicher Kurswechsel auf dem Gebiet der Fusionskontrolle eingeleitet. Künftig wird die Kommission in den Entscheidungen über Zusammenschlussvorhaben auf die Bewertung von ,Nebenabreden" verzichten und damit eine elfjährige Praxis beenden. Nach der früheren Praxis hätten derartige Klauseln in den Fällen, in denen sie nach Ansicht der Kommission mit der Durchführung des Zusammenschlusses unmittelbar verbunden und für diesen notwendig waren, automatisch von der Genehmigungsentscheidung profitiert. Nach Maßgabe der neuen Politik müssen die Unternehmen und deren Rechtsabteilungen nunmehr beurteilen, ob entsprechende Einschränkungen möglicherweise in den Anwendungsbereich der fusionskontrollrechtlichen Entscheidung fallen, ob dafür eine einschlägige Gruppenfreistellungsverordnung zutreffen könnte oder darüber nach Maßgabe von Artikel 81 zu befinden wäre. Die Bekanntmachung kann von Rechtsberatern und Unternehmen gleichermaßen als Leitfaden genutzt werden, da in ihn die bisherige Praxis und die Erfahrungen der Kommission auf diesem Gebiet eingeflossen sind. Zudem steht diese Vorgehensweise im Einklang mit der laufenden Modernisierung der Wettbewerbspolitik der Europäischen Union.

Darüber hinaus entspricht die neue Politik den Anforderungen des vereinfachten Verfahrens, das seit September 2000 von der Kommission auf bestimmte Kategorien von Zusammenschlüssen angewandt wird. Bei Fällen, über die anhand des vereinfachten Verfahrens zu entscheiden ist, verzichtet die Kommission mittlerweile auf die Beurteilung von Nebenabreden.

Hinzuweisen ist darauf, dass die Kommission zu keiner Zeit rechtlich verpflichtet war, ,Nebenabreden" in ihren Entscheidungen nach Maßgabe der Fusionskontrollverordnung zu beurteilen oder förmlich auf sie einzugehen. Alle diesbezüglichen Feststellungen in früheren fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen waren rein deklaratorischer Art und weder für die Parteien noch für die einzelstaatlichen Gerichte rechtsverbindlich.

Klauseln, bei denen man nicht von ,Nebenabreden" ausgehen kann, sind nicht von vornherein rechtswidrig. Sie fallen nur nicht automatisch in den Anwendungsbereich einer fusionskontrollrechtlichen Entscheidung der Kommission. Dennoch können sie nach Maßgabe von Artikel 81 EG-Vertrag gerechtfertigt sein oder in den Anwendungsbereich einer Gruppenfreistellungsverordnung fallen.

4. Entwicklungen bei der Anwendung des Konzepts der Sanierungsfusion

285. Bei ihrer Entscheidung über die Genehmigung der geplanten Übernahme der beiden belgischen Tochtergesellschaften des Unternehmens Sisas S.P.A. (Pantochim und Eurodiol), gegen die in Belgien ein Vergleichsverfahren eröffnet worden war, durch die BASF [192] stützte sich die Kommission auf das Konzept der Sanierungsfusion.

[192] Siehe Sache COMP/M.2314 - BASF/Eurodiol/Pantochim, 11.7.2001.

286. Nur einmal hatte die Kommission vor dem Jahr 2000 eine Genehmigungsentscheidung auf der Grundlage des Konzepts der Sanierungsfusion (,failing firm defence") getroffen, und zwar im Fall Kali+Salz [193]. In der Entscheidung wurden folgende drei Kriterien für die Anwendung des Konzepts genannt: (a) das übernommene Unternehmen hätte ohne die Übernahme durch ein anderes Unternehmen kurzfristig aus dem Markt ausscheiden müssen; (b) es gab keine weniger wettbewerbswidrige Erwerbsalternative und (c) die Marktposition des erworbenen Unternehmens wäre im Falle seines Ausscheidens aus dem Markt dem erwerbenden Unternehmen zugewachsen. In einem späteren Urteil bestätigte der Gerichtshof diese Auffassung weitgehend [194].

[193] Entscheidung 94/449/EWG der Kommission im Fall IV/M.308 - Kali+Salz/MDK/Treuhand, ABl. L 186 vom 21.7.1994, S. 38.

[194] EuGH, Französische Republik/Kommission und SCPA/Kommission, Verbundene Rechtssachen C-68/94 und C-30/95 Slg. 1998, I-1375, siehe insbesondere Randnummern 112-116.

287. Lediglich das dritte Kriterium wäre im Fall von BASF nicht erfuellt gewesen, denn anders als bei Kali+Salz, wo es um den Zusammenschluss eines Duopols zu einem Monopol ging, waren auch andere Marktakteure von dem Vorhaben betroffen, wie beispielsweise Lyondell Chemical und ISP. Angesichts des Vorhandenseins dieser anderen Anbieter hätte die Annahme, dass die BASF nach dem Ausscheiden von Eurodiol den Marktanteil dieses Unternehmens komplett übernommen hätte, jeder Grundlage entbehrt.

288. Die Kommission untersuchte die Marktsituation, indem sie die Übernahme durch die BASF mit der unvermeidlichen Alternative eines Ausscheidens aus dem Markt verglich, und stellte fest, dass eine Schließung unmittelbar zu Kapazitätsengpässen auf einem ohnehin schon angespannten Markt geführt hätte, die kurzfristig nicht von den Wettbewerbern aufgefangen werden könnten. Das Ausscheiden hätte wesentlich drastischere Folgen für die Abnehmer gehabt als der Zusammenschluss. In jedem Fall sprachen die wirtschaftlichen Aspekte des Falls gegen die Vermutung, dass die BASF in der Lage gewesen wäre, nach der Fusion deutlich höhere Preise durchzusetzen. Angesichts der besonderen Umstände dieses Einzelfalles hat die Kommission das in den Kali+Salz-Verfahren angewandte sehr restriktive Konzept der Sanierungsfusion vorsichtig weiterentwickelt.

Kasten 8: Schneider/Legrand [195]

[195] Sache COMP/M.2283, 10.10.2001.

Nach einer eingehenden Untersuchung untersagte die Kommission im Oktober 2001 die Fusion der beiden großen französischen Elektroanlagenhersteller Schneider Electric und Legrand. Der Zusammenschluss hätte das Funktionieren der Märkte in zahlreichen Ländern beträchtlich geschwächt. Insbesondere in Frankreich war die Rivalität der beiden Unternehmen die treibende Kraft des Wettbewerbs gewesen.

Die wettbewerblichen Auswirkungen des Vorhabens wären vor allem im Bereich der Niederspannungs-Verteilanlagen zum Tragen gekommen, d. h. bei allen Systemen, die zur Verteilung von Strom und zur Überwachung der elektrischen Schaltkreise in Wohnhäusern, Bürohäusern und Industriegebäuden verwendet werden. Dazu gehört eine breite Palette von Produkten, die von Verteilerschränken über Schalter und Steckdosen bis hin zu Kabelpritschen reicht.

Es bestanden erhebliche Überschneidungen bei den Tätigkeiten von Schneider und Legrand auf den Märkten für Verteilerschränke (Verteilertafeln und Endeinrichtungen einschließlich der zugehörigen Bauteile, bei denen der gemeinsame Marktanteil je nach Land 40 bis 70 % betragen hätte); Zubehör (insbesondere Steckdosen und Schalter sowie Befestigungs- und Verbindungsmaterialien mit gemeinsamen Marktanteilen von 40 bis 90 %) und bestimmte Produkte für Anwendungen in der Industrie (Drucktaster und Niederspannungstransformatoren) bzw. für spezifische Anwendungen (beispielsweise Notbeleuchtungen).

In Frankreich ergaben sich bei fast allen betroffenen Produkten schwerwiegende wettbewerbsrechtliche Bedenken, und in den meisten Fällen hätte der Zusammenschluss zur Verstärkung einer bereits bestehenden beherrschenden Stellung geführt. Schneider und Legrand sind die mit Abstand führenden Anbieter auf dem französischen Markt. Wie die Untersuchung der Kommission ergab, hätten ausländische Konkurrenten ihre Aktivitäten auf dem französischen Markt kurz- und mittelfristig in spürbarem Maße nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit ausgebaut. Zudem wären in Dänemark, Spanien, Griechenland, Italien, Portugal und im Vereinigten Königreich marktbeherrschende Stellungen begründet worden.

Um diese wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, bot Schneider der Kommission am 14. September 2001, d. h. zum spätestmöglichen Termin, ein erstes Bündel von Zusagen an. Die von der Kommission durchgeführte Marktuntersuchung ergab allerdings, dass diese Zusagen nicht zur Wiederherstellung wirksamer Wettbewerbsbedingungen geführt hätten.

Nach Ablauf der Frist kann die Kommission ,auf den letzten Drücker" angebotene Zusagen nur noch annehmen, wenn unverzüglich und zweifelfrei nachgewiesen wird, dass dadurch die Wettbewerbsbedingungen wiederhergestellt werden. Am 24. September leistete Schneider weitere Zusagen, mit denen die schwerwiegenden Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit der zu veräußernden Unternehmen jedoch nicht ausgeräumt wurden. Diese Zweifel betrafen insbesondere den Zugang zum französischen Vertriebsmarkt und die mit der endgültigen Abtrennung vom Konzern verbundenen wirtschaftlichen Risiken. Außerdem boten die Vorschläge von Schneider für eine Reihe von räumlich und/oder sachlich relevanten Märkten keine Gewähr, dass die festgestellten Wettbewerbsprobleme behoben werden. Damit hatte die Kommission keine andere Möglichkeit als den Zusammenschluss zu untersagen.

Am 13. Dezember 2001 reichte Schneider beim Gericht erster Instanz Berufung gegen die Entscheidung der Kommission ein.

5. Abhilfemassnahmen

289. Was die Politik und Praxis der Kommission im Zusammenhang mit Abhilfemaßnahmen in Fusionsfällen anbelangt, waren für dieses Jahr Konsolidierung und Weiterentwicklung kennzeichnend. Im Dezember 2000 wurde die Mitteilung [196] der Kommission über zulässige Abhilfemaßnahmen (die ,Mitteilung über Abhilfemaßnahmen") angenommen. Sie bietet eine Orientierung in Bezug auf Verpflichtungszusagen sowie Art und Form der zulässigen Abhilfemaßnahmen zur Lösung von Wettbewerbsproblemen.

[196] Mitteilung der Kommission über die im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässigen Abhilfemaßnahmen, ABl. C 68 vom 2.3.2001, S. 3-11.

290. Einen sehr positiven Einfluss auf das von der Kommission angestrebte Ziel, Abhilfemaßnahmen einheitlich anzuwenden und die in dieser Hinsicht vorbildlichen Verfahren zu nutzen, hatte die im April 2001 getroffene Entscheidung, in der Task Force Fusionskontrolle eine Vollzugseinheit (die ,Vollzugseinheit") einzurichten. Die Vollzugseinheit nimmt mehrere Funktionen wahr, wobei ihre wichtigste Aufgabe darin besteht, im operativen Geschehen als internes Kompetenzzentrum zu speziellen Fragen im Zusammenhang mit Fusionsfällen zu agieren, bei denen Abhilfemaßnahmen erforderlich sind. Außerdem werden die Mitglieder der Vollzugseinheit bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in die Arbeit der für Fusionsfälle zuständigen Sachbearbeiterstäbe einbezogen, wenn Abhilfemaßnahmen erforderlich sind oder auch nur erörtert werden müssen. Dort haben sie zu gewährleisten, dass die in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen festgelegten Grundsätze soweit wie möglich einheitlich angewandt werden und zugleich den spezifischen Erfordernissen jedes Einzelfalls Rechnung getragen wird.

291. Darüber hinaus arbeitet die Vollzugseinheit an Leitlinien für Musterverfahren. Dabei nutzt sie die in der Vergangenheit bei der Untersuchung von Fusionsfällen gewonnenen Erfahrungen, um sowohl die Elemente, die sich bewährt haben, als auch die nicht praktikablen Aspekte zu ermitteln.

292. Belegt wird die seit der Annahme der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen gestiegene Transparenz unter anderem dadurch, dass in den Entscheidungen nunmehr eindeutige Aussagen dazu getroffen werden, welche Aspekte der Verpflichtungszusagen Bedingungen und welche Auflagen sind [197]. Als anschauliche Beispiele für Aussagen dieser Art können Artikel 2 und 3 des Tenors der Entscheidung im Fall The Post Office/TPG/SPPL [198] angeführt werden. Verstöße gegen Bedingungen haben andere Rechtsfolgen als Verstöße gegen Auflagen. Indem in den Entscheidungen der Kommission, bei denen die Genehmigung von Verpflichtungszusagen abhängig gemacht wird, eine klare Grenze zwischen Bedingungen und Auflagen gezogen wird, soll sichergestellt werden, dass jeder Zweifel an den Folgen einer Nichteinhaltung der einzelnen Teile von Verpflichtungszusagen ausgeschlossen ist.

[197] Siehe Abschnitt II, Randnummer 12 der Mitteilung.

[198] Sache COMP/M.1915, 13.3.2001.

293. Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen ist die Tatsache, dass im Jahr 2001 mit einer Ausnahme [199] in allen Fällen, in denen die Genehmigung an Bedingungen geknüpft war, Treuhänder bestellt wurden. Zudem haben sich im Laufe des Jahres die Mandate, in denen die Aufgaben und die Befugnisse der Treuhänder festgelegt sind, erheblich verändert. Im ersten Halbjahr 2002 möchte die Kommission mit den Beratungen über einen Mustertext für Veräußerungsverpflichtungen bzw. Proforma-Treuhändermandate beginnen. Damit soll den Parteien eines angemeldeten Vorhabens wie auch der Kommission Hilfestellung bei der Erarbeitung von Abhilfemaßnahmen und den diesbezüglichen Verhandlungen geleistet werden. Dabei soll die Einheitlichkeit des Vorgehens in allen Fällen gewährleistet werden, ohne dass die Flexibilität verloren geht, die Verpflichtungszusagen auf die Besonderheiten des jeweiligen Falls zuzuschneiden.

[199] Sache COMP/M.2431 - Allianz/Dresdner, 19.7.2001.

5.1. Abhilfemaßnahmen - Statistische Entwicklungen

294. Im Jahresverlauf wurden 13 Entscheidungen mit Verpflichtungszusagen nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase erlassen [200]. Darüber hinaus wurden nach Abschluss von Untersuchungen der zweiten Phase zehn Vorhaben nach der Abgabe von Zusagen genehmigt [201]. In zwei dieser Fälle (Metso/Svedala [202] und Bombadier/Adtranz [203]) waren bereits in Phase 1 Zusagen angeboten worden, mit denen jedoch die schwerwiegenden Bedenken der Kommission nicht ausgeräumt werden konnten, so dass die zweite Untersuchungsphase eingeleitet wurde. In fünf weiteren Fällen wurden die Zusammenschlussvorhaben nach Abschluss der zweiten Untersuchungsphase ohne Bedingungen genehmigt [204]. Übrigens hatten die Parteien im Fall MAN/Auwärter in Phase 1 Verpflichtungszusagen geleistet, die jedoch hinfällig waren, nachdem die Kommission nach eingehender Untersuchung entschieden hatte, dass es keinerlei Gründe gab, hinsichtlich der Folgen der Transaktion zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

[200] Sache COMP/M.2602 - Gerling/NCM, 11.12.2001; Sache COMP/JV.56 - Hutchison/ECT, 29.11.2001; Sache COMP/M.2567 - Nordbanken/Postgirot, 8.11.2001; Sache COMP/M.2574 - Pirelli/Edizione/Olivetti/Telecom Italia, 20.9.2001; Sache COMP/M.2337 - Nestlé/Ralston Purina, 27.7.2001; Sache COMP/M.2431 - Allianz/Dresdner, 19.7.2001; Sache COMP/M.2300 - YLE/TDF/Digita/JV, 26.6.2001; Sache COMP/M.2396 - Industri Kapital/Perstorp (II), 11.5.2001; Sache COMP/M.2268 - Pernod Ricard/Diageo/Seagram Spirits, 8.5.2001; Sache COMP/M.2286 - Buhrmann/Samas Office Supplies, 11.4.2001; Sache COMP/M.2277 - Degussa/Laporte, 12.3.2001; Sache COMP/JV.54 - Smith & Nephew/Beiersdorf/JV, 30.1.2001; Sache COMP/M.2041 - United Airlines/US Airways, 12.1.2001.

[201] Sache COMP/M.2389 - Shell/DEA, 20.12.2001; Sache COMP/M.2530 - Südzucker/Saint Louis, 20.12.2001; Sache COMP/M.2533 - BP/E.ON, 20.12.2001; Sache COMP/M.2420 - Mitsui/CVRD/Caemi, 30.10.2001; Sache COMP/M.2434 - Grupo Villar Mir/ENBW/Hidroelectrica Del Cantabrico, 26.9.2001; Sache COMP/JV.55 - Hutchison/RCPM/ECT, 3.7.2001; Sache COMP/M.2139 - Bombadier/Adtranz, 3.4.2001; Sache COMP/M.1915 - The Post Office/TPG/SPPL, 13.3.2001; Sache COMP/M.1853 - EDF/ENBW, 7.2.2001; Sache COMP/M.2033 - Metso/Svedala, 24.1.2001.

[202] Sache COMP/M.2033, 24.1.2001.

[203] Sache COMP/2139, 3.4.2001.

[204] Sache COMP/M.2201 - MAN/Auwärter, 20.6.2001; Sache COMP/M.2314 -BASF/Pantochim/Eurodiol, 11.7.2001; Sache COMP/M.2333 - De Beers/LVMH,25.7.2001; Sache COMP/M.2498 - UPM-Kymmene/Haindl, 21.11.2001 und Sache COMP/M.2499 - Norske Skog/Parenco/Walsum, 21.11.2001.

295. Bei zwei der fünf 2001 untersagten Vorhaben (SCA/Metsä Tissue [205] und CVC/Lenzing [206]) wurden in der zweiten Untersuchungsphase dieselben Verpflichtungszusagen gemacht, die bereits in Phase 1 als unzureichend zurückgewiesen worden waren. In zwei weiteren Fällen (Schneider/Legrand [207] und Tetra Laval/Sidel [208]) wurden in jeder Untersuchungsphase andere Abhilfemaßnahmen angeboten, und in einem Fall (GE/Honeywell [209]) wurden in der ersten Untersuchungsphase keine Abhilfemaßnahmen vorgeschlagen. Auf die drei letztgenannten Fälle wird an anderer Stelle in diesem Kapitel eingegangen.

[205] Sache COMP/2097, 31.1.2001.

[206] Sache COMP/M.2187, 17.10.2001.

[207] Sache COMP/M.2283, 10.10.2001.

[208] Sache COMP/M.2416, 30.10.2001.

[209] Sache COMP/M.2220, 3.7.2001.

5.2. Art der 2001 akzeptierten Abhilfemaßnahmen

296. Zu den in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen verankerten Grundsätzen gehört, dass es bei bestehenden Wettbewerbsbedenken ,für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs - abgesehen von einem Verbot - die beste Lösung (ist), wenn im Wege der Veräußerung die Voraussetzungen für die Schaffung einer neuen wettbewerbsfähigen Einheit oder für die Stärkung bestehender Wettbewerber geschaffen werden" [210]. Entsprechend diesem Grundsatz wurde die überwiegende Mehrheit der wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen Zusammenschlussvorhaben 2001 durch Veräußerungen ausgeräumt. Beispielsweise umfassten sieben der 13 in Phase 1 mit Bedingungen genehmigten Zusammenschlüsse die Veräußerung von einem oder mehreren Unternehmen [211], und in einem Fall wurden Zeitnischen aufgegeben (United Airlines/US Airways [212]). Auch in der zweiten Untersuchungsphase war die Veräußerung von einem oder mehreren Unternehmen die am häufigsten akzeptierte Abhilfemaßnahme. In den Fällen Metso/Svedala [213] und The Post Office/TPG/SPPL [214] wurden die Wettbewerbsbedenken sogar vollständig durch die von den Parteien verbindlich zugesagten Veräußerungen ausgeräumt. Und im Fall Bombadier/Adtranz [215] verpflichteten sich die Parteien zur Veräußerung ihres Regioshuttle- und Variotram-Geschäfts durch die Vergabe von nicht übertragbaren Alleinlizenzen.

[210] Abschnitt III.1, Ziffer 13.

[211] Sache COMP/M.2602 - Gerling/NCM, 11.12.2001; Sache COMP/M.2574 - Pirelli/Edizione/Olivetti/Telecom Italia, 20.9.2001; Sache COMP/M.2300 - YLE/TDF/Digita/JV, 26.6.2001; Sache COMP/M.2396 - Industri Kapital/Perstorp (II), 11.5.2001; Sache COMP/M.2286 - Buhrmann/Samas Office Supplies, 11.4.2001; Sache COMP/M.2277 - Degussa/Laporte, 12.3.2001; Sache COMP/JV.54 - Smith & Nephew/Beiersdorf/JV, 30.1.2001.

[212] Die Fusionsvereinbarung zwischen den beiden Unternehmen wurde später aufgekündigt, weil in den USA kartellrechtliche Bedenken gegen das Vorhaben bestanden.

[213] Sache COMP/M.2033, 24.1.2001.

[214] Sache COMP/M.1915, 13.3.2001.

[215] Sache COMP/M.2139, 3.4.2001.

297. In jeweils vier Fällen leisteten die Parteien in der ersten bzw. in der zweiten Untersuchungsphase verbindliche Zusagen, Beteiligungen an anderen Unternehmen, die Anlass zu Wettbewerbsbedenken gegeben hatten, zu verkaufen und damit ihre Kontrolle über Unternehmen abzugeben bzw. auf ihren Einfluss auf Unternehmen zu verzichten [216]. Beispielsweise wurden im Fall Allianz/Dresdner die Bedenken der Kommission über eine eventuelle De-facto-Kontrolle der Münchener Rück als einem großen Konkurrenten dadurch ausgeräumt, dass die Parteien verbindlich zusagten, ihre Beteiligung an diesem Unternehmen bis Ende 2003 auf 20,5 % zu reduzieren und ihre Stimmrechte bei den Jahreshauptversammlungen der Münchener Rück nur noch in diesem Umfang auszuüben. Auch im Fall Nordbanken/Postgirot hätte die schwedische Bankengruppe Nordea die alleinige Kontrolle über eines der beiden großen Bezahlsysteme übernommen. Deswegen verpflichtete sich Nordea, seine Beteiligung an Bankgirot als dem anderen großen Anbieter auf 10 % zu verringern und entsprechend auf seine Rechte als Anteilseigner zu verzichten.

[216] Phase 1: Sache COMP/JV.56 - Hutchison/ECT, 29.11.2001; Sache COMP/M.2567 - Nordbanken/Postgirot, 8.11.2001; Sache COMP/M.2574 - Pirelli/Edizione/Olivetti/Telecom Italia, 20.9.2001 und Sache COMP/M.2431 - Allianz/Dresdner, 19.7.2001. Phase 2: Sache COMP/M.2530 - Südzucker/Saint Louis, 20.12.2001; Sache COMP/M.2533 - BP/E.ON, 20.12.2001; Sache COMP/M.2420 - Mitsui/CVRD/Caemi, 30.10.2001 und Sache COMP/M.1853 - EDF/ENBW, 7.2.2001.

298. Beim Gros der 2001 akzeptierten Abhilfemaßnahmen in Form von Veräußerungen spielte die Verpflichtung eine Rolle, die Veräußerung innerhalb bestimmter Fristen ab dem Datum der Entscheidung abzuschließen. In zwei Fällen wurde eine Lösung nach Ziffer 20 der Mitteilung angeboten [217]. Im Fall The Post Office/TPG/SPPL [218] verpflichteten sich die Parteien, das notifizierte Vorhaben erst durchzuführen, nachdem sie mit einem von der Kommission gutgeheißenen Käufer eine verbindliche Vereinbarung über das Veräußerungspaket geschlossen haben. Die Kommission vertrat nämlich die Auffassung, dass der Erfolg der Abhilfemaßnahme weitgehend von den besonderen Merkmalen des Käufers abhängt [219].

[217] Siehe Abschnitt III.1, Ziffer 20 der Mitteilung.

[218] Sache COMP/M.1915, 13.3.2001.

[219] Siehe auch die Ausführungen zur Umsetzung von Abhilfemaßnahmen.

299. Der zweite Fall, bei dem die Kommission 2001 diese Lösung akzeptierte, war die geplante Fusion von Nestlé und Ralston Purina [220]. Erstmals wurde diese Regelung mit einer anderen Abhilfemaßnahme verknüpft, die gelegentlich auch als ,Kronjuwelen"-Abhilfemaßnahme bezeichnet wird [221]. Die Annahme entsprechender Abhilfemaßnahmen ist in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen vorgesehen [222]. Die Kommission rechnet damit, dass auf diese Art Verpflichtungszusage künftig häufiger zurückgegriffen wird. Im vorliegenden Fall bestand die erste Möglichkeit darin, Lizenzen für Nestlés Marke Friskies in Spanien zu vergeben. Wird die Lizenz jedoch nicht bis zu einem bestimmten Datum [223] oder bis zu dem Termin vergeben, an dem der angemeldete Zusammenschluss erfolgt, können die Parteien von der Möglichkeit, Lizenzen für Marken des Nestlé-Konzerns zu erteilen, nicht mehr Gebrauch machen. In diesem Fall müsste die ,Kronjuwelen"-Regelung angewandt werden. Bei dieser Lösung müssen 50 % der Anteile am spanischen Gemeinschaftsunternehmen mit Agrolimen (Gallina Blanca Purina JV) veräußert werden, wobei dieses Unternehmen das Kronjuwel ist, weil es im Gegensatz zur Vergabe von Lizenzen für die Nestlé-Marke Friskies ein größeres und leichter veräußerbares Paket darstellt.

[220] Sache COMP/M.2337, 27.7.2001.

[221] Auf diese Regelung wurde schon in der Vergangenheit zurückgegriffen, beispielsweise im Fall IV/M.1453 - AXA/GRE, 8.4.1999 und in der Sache COMP/M.1813 - Industri Kapital (Nordkem)/Dyno, 12.7.2000.

[222] Ziffer 22 und 23.

[223] Das genaue Datum gilt als vertrauliche Geschäftsinformation.

300. Obwohl die meisten der von der Kommission akzeptierten Abhilfemaßnahmen dem Grundsatz entsprechen, dass einfache strukturelle Abhilfen die ideale Lösung sind, hat die Kommission auch Abhilfemaßnahmen zugestimmt, die etwas komplizierter waren als reine Veräußerungen. So wurden im Fall von EdF/EnBW [224], in dem der Zusammenschluss nach eingehender Untersuchung genehmigt wurde, drei Komponenten des Bündels von Abhilfemaßnahmen akzeptiert. Das Maßnahmepaket umfasste zwei der gängigeren Elemente [225] und eine dritte innovative Komponente. Mit dieser dritten Komponente sollten die wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die so genannten zugelassenen Kunden in Frankreich ausgeräumt werden, d. h. diejenigen Kunden, für die auf dem Gebiet der Strombelieferung Wettbewerbsbedingungen gelten. Um diese Bedenken auszuräumen, sagte EdF verbindlich zu, ihren Wettbewerbern Erzeugungskapazitäten in Frankreich in Höhe von 5000 MW in Form von VPP-Verträgen (Virtual Power Plants) und 1000 MW in Form von Parallelverträgen ("back-to-back agreements") zu bereits existierenden KWK-Bezugsvereinbarungen zugänglich zu machen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Veräußerung von Kraftwerken als gangbare Lösung nicht in Frage, und zwar aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen (welcher neue Marktteilnehmer wäre bereit, sich mit dem Risiko des Erwerbs eines Kraftwerks zu belasten) und insbesondere bei Kernkraftwerken aus rechtlichen Gründen. Wie es in den Verpflichtungszusagen heißt, sollen die VPP-Verträge im Wege einer offenen, nicht diskriminierenden öffentlichen Versteigerung vergeben werden, an der Unternehmen aus den Bereichen Energieerzeugung und Energiehandel teilnehmen können. Diese Verpflichtungszusage soll für einen Zeitraum von fünf Jahren gelten und kann nur aufgrund eines begründeten Ersuchens von EdF aufgehoben werden. Der Strommarkt in Frankreich dürfte sich in dieser Zeit so weit entwickelt haben, dass in ausreichendem Umfang andere Lieferquellen zur Verfügung stehen.

[224] Sache COMP/M.1853, 7.2.2001.

[225] Erstens verpflichtete sich EdF, auf die Ausübung seiner Stimmrechte beim französischen Stromerzeuger CNR zu verzichten und seine Vertreter aus dessen Verwaltungsrat zurückzuziehen. Darüber hinaus nimmt das Unternehmen künftig keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik und das Marktverhalten von CNR mehr. Mit dieser Verpflichtungszusage wird sichergestellt, dass CNR aktiv Konkurrenzdruck auf dem französischen Strommarkt ausüben kann. Zweitens veräußert die EnBW ihre 24%ige Beteiligung an der Watt AG, wodurch die früheren Marktverhältnisse in der Schweiz wieder hergestellt werden.

301. Aufgrund der ausgeprägten Spezifik des Falls EdF/EnBW können aus diesem Beispiel möglicherweise nur bedingt Lehren gezogen werden. Dennoch zeigt sich, dass die Kommission bereit ist, von der Norm abweichende Abhilfemaßnahmen zu akzeptieren, wenn es die Umstände erfordern und ausreichend Zeit verbleibt, die Wirksamkeit diesbezüglicher Vorschläge zu überprüfen. Gewöhnlich erfolgt eine solche Überprüfung in der zweiten Untersuchungsphase.

302. Was die Art von Abhilfemaßnahmen anbelangt, die von der Kommission in Phase-1-Fällen angenommen wurden, unterschied sich das Jahr 2001 in einem Punkt deutlich vom Vorjahr. 2001 akzeptierte die Kommission nämlich in der ersten Untersuchungsphase keine Abhilfen, bei denen Verpflichtungszusagen eine Rolle spielten, wonach Wettbewerbern oder Kunden Zugang zu Liefernetzen gewährt bzw. ihnen gegebenenfalls Sperrpatente überlassen werden. Entsprechende Verpflichtungszusagen waren 2000 in sechs Fällen akzeptiert worden [226]. Im Fall Vivendi/Canal+/Seagram stimmte die Kommission einem Paket von Verpflichtungen zu, darunter dem Zugang von Wettbewerbern zum Filmangebot von Universal und zum Online-Musikhandel ohne Bevorzugung der mit Universal verbundenen Unternehmen Canal+ und Vizzavi. Als weitere Beispiele können BASF/Shell/Project Nicole (Vergabe von Patentlizenzen); Vodafone Airtouch/Mannesmann (Zugang zu Roaming-Tarifen und Wholesale-Diensten) und BSkyB/Kirch Pay TV (Zugang zum Zugangsberechtigungssystem und zu den Pay-TV-Diensten von Kirch) genannt werden.

[226] Sache COMP/M.2050 - Vivendi/Canal+/Seagram, 13.10.2000; Sache COMP/JV.48 - Vodafone/Vivendi/Canal+, 20.7.2000; Sache COMP/M.1795 - Vodafone Airtouch/Mannesmann, 12.4.2000; Sache COMP/M.1751 - Shell/BASF/JV - Project Nicole, 29.3.2000; Sache COMP/M.1838 - BT/ESAT, 27.3.2000; Sache COMP/JV.37 - BSkyB/Kirch Pay TV, 21.3.2000.

303. Während die Kommission in der ersten Untersuchungsphase 2001 keine Abhilfemaßnahmen akzeptiert hat, die Zusagen im Hinblick auf den Zugang zu Liefernetzen bzw. die Überlassung von Sperrpatenten umfassten, wurden entsprechende Abhilfen in der zweiten Untersuchungsphase in fünf Fällen angenommen [227]. Die Tatsache, dass Abhilfemaßnahmen zwar nicht in der ersten Untersuchungsphase, jedoch in Phase 2 akzeptiert werden, kann als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, dass die Kommission Entscheidungen seit der Annahme der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen sorgfältiger abwägt. Ein weiteres Indiz hierfür ist die im Vergleich zum Jahr 2000 gesunkene Zahl von Fällen, bei denen Abhilfemaßnahmen in der ersten Untersuchungsphase eine Rolle spielten (13 gegenüber 27 entsprechenden Entscheidungen im Vergleichsjahr). Gleichzeitig leitete die Kommission 2001 mehr Untersuchungen der zweiten Phase ein als im Vorjahr (22 gegenüber 12 im Jahr 1998, 19 bzw. 20 in den Jahren 1999 bzw. 2000).

[227] Sache COMP/M.2389 - Shell/DEA, 20.12.2001; Sache COMP/M.2530 - Südzucker/Saint Louis, 20.12.2001; Sache COMP/M.2434 - Grupo Villar Mir/ENBW/Hidroelectrica Del Cantabrico, 26.9.2001; Sache COMP/JV.55 - Hutchison/RCPM/ECT, 3.7.2001 und Sache COMP/M.1853 - EDF/ENBW, 7.2.2001.

5.3. Umsetzung von Abhilfemaßnahmen

304. In den bisherigen Ausführungen ging es insbesondere um die neuen Abhilfemaßnahmen, die von der Kommission im Laufe des Jahres akzeptiert wurden. Damit ist aber nur ein Teilbereich erfasst. Genauso wichtig ist eine Untersuchung zur Umsetzung von Abhilfemaßnahmen, denen die Kommission zugestimmt hatte, denn nur mit umfassend und ordnungsgemäß umgesetzten Abhilfemaßnahmen können Wettbewerbsbedenken vollständig ausgeräumt werden.

305. Mehrere der Unternehmen, die zu den Parteien in Fällen gehörten, die 2001 mit Bedingungen genehmigt wurden, haben in Bezug auf die vollständige Umsetzung ihrer Verpflichtungszusagen bereits beachtliche Erfolge vorzuweisen. Besonderer Erwähnung sind die Fälle wert, in denen Veräußerungen zu den Abhilfemaßnahmen gehörten.

306. Die Sache The Post Office/TPG/SPPL [228] ist ein Beispiel dafür, dass sich rasch ein Partner für ein Veräußerungsgeschäft fand. Die Parteien hatten sich verpflichtet, das notifizierte Vorhaben erst durchzuführen, nachdem sie mit einem von der Kommission gutgeheißenen Käufer eine verbindliche Vereinbarung über das Veräußerungspaket geschlossen haben. Die Entscheidung wurde am 13. März 2001 getroffen und nicht einmal drei Monate später lag der Kommission ein unterschriebener Kaufvertrag mit der Swiss Post International vor, der am 14. Juni 2001 genehmigt wurde. Nach erfolgter Veräußerung [229] konnten The Post Office, TPG und SPPL ihren angemeldeten Zusammenschluss durchführen, denn sie hatten die geleisteten Verpflichtungszusagen erfuellt.

[228] Sache COMP/M.1915, 13.3.2001.

[229] Wie in fast allen Fällen, in denen die Veräußerung eine Rolle spielt, ist die Abwicklung kein Indiz für die Erfuellung der Verpflichtungszusagen, denn bestimmte Teilbereiche der Verpflichtungen beziehen sich auf das Verhalten des Verkäufers nach der Veräußerung.

307. Im Fall Metso/Svedala [230] erließ die Kommission am 24. Januar 2001 eine an Bedingungen geknüpfte Entscheidung. Im September 2001 konnte die Genehmigung zum Verkauf der zur Veräußerung stehenden Vermögenswerte an das schwedische Unternehmen Sandvik AB erteilt werden. Auch wenn es bis zur Unterbreitung eines Lösungsvorschlags etwas länger dauerte, handelt es sich hier um einen interessanten Fall, denn dabei wurde mit der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde nicht nur während der Untersuchungsphase zusammengearbeitet, sondern auch nachdem die Kommission ihre Entscheidung erlassen hatte und das Abhilfeverfahren lief. Der Grund für die andauernde Zusammenarbeit war darin zu sehen, dass wegen eines abweichenden Zeitplans auf amerikanischer Seite die Untersuchung durch die FTC bis Oktober 2001 dauerte, die erst dann ihre Anordnung mit Zustimmung der Parteien (,Consent Order") erlassen konnte. In den Vereinigten Staaten war mit der Veräußerung der verschiedenen Steinbrechgeschäfte an die Sandvik AB eine befriedigende Lösung gefunden.

[230] Sache COMP/M.2033, 24.1.2001.

308. Deutliche Fortschritte wurden zudem 2001 bei vielen Abhilfemaßnahmen erzielt, die im Jahr 2000 festgelegt worden waren. So erfolgten im ersten Halbjahr 2001 die Veräußerungen der Polypropylen-Produktionsanlagen und -Geschäfte, zu denen sich die Parteien im Fall Shell/BASF/JV - Project Nicole [231] verpflichtet hatten, wie auch die Veräußerungen auf den Polyethylen-Märkten, die als Reaktion auf die im Fall Dow Chemical/Union Carbide [232] erhobenen Wettbewerbsbedenken durchgeführt wurden.

[231] Sache COMP/M.1751, 29.3.2000.

[232] Sache COMP/M.1671, 3.5.2000.

309. Als weiteres Beispiel kann der erfolgreiche Verkauf verschiedener Marken und Unternehmen angeführt werden, zu dem sich Unilever im September 2000 verpflichtet hatte, um eine Genehmigung für den Erwerb von Bestfoods zu erhalten. Folgende Marken waren zu veräußern: Bachelors, McDonnell's, Oxo und Vesta (Suppen) im Vereinigten Königreich und in Irland, Royco, Heisse Tasse, Super Noodles, Aiki Noodles, Liebig/Liebox, Oxo, Aardapel Anders, Rijke Sauzen, Raguletto und Lesieur (hauptsächlich Suppen, Flüssigsaucen und getrocknete Beilagen) auf dem europäischen Festland, Casa de Mateus (Marmeladen) in Portugal sowie BlåBand, Touch of Taste und Isomitta (Kraftbrühe) in den nordischen Ländern. Der Verkauf erfolgte in einer Tranche an die Campbell Soup Company. Dabei wurden vom Umfang her die gemeinschaftlichen Schwellenwerte erreicht, so dass das Vorhaben zwecks Genehmigung bei der Kommission angemeldet werden musste [233]. Im April 2001 wurde die angemeldete Veräußerung genehmigt.

[233] Siehe Sache COMP/M.2350 - Campbell/ECBB (Unilever), 2.4.2001.

310. Die Umsetzung von Verpflichtungszusagen, die der Kommission zur Untermauerung von Genehmigungsentscheidungen angeboten wurden, verlief jedoch nciht in allen Fällen erfolgreich.

311. Beispielsweise hatte die Kommission im September 2000 die Käufer abgelehnt, die von den Parteien im Fall TotalFina/Elf Aquitaine [234] im Zusammenhang mit den von ihnen angebotenen Abhilfemaßnahmen zunächst vorgeschlagen worden waren, denn zum Käuferkreis gehörten auch Unternehmen, die an einem wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für den Kraftstoffvertrieb an den Autobahnen in Frankreich nicht interessiert waren. Einer der vorgeschlagenen Käufer (Le Mirabellier) legte daraufhin beim Gericht erster Instanz (GEI) Berufung gegen diese Entscheidung ein. Bisher hat das EuGEI zwar noch nicht endgültig über den Antrag entschieden, gleichwohl aber den von Le Mirabellier gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen [235]. Nachdem die zunächst vorgeschlagenen Käufer für diese Tankstellen abgelehnt worden waren, schlug TotalFina eine zweite Käufergruppe vor. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission im Mai 2001 akzeptiert.

[234] Sache COMP/M.1628, 9.2.2000.

[235] Rechtssache T-342/00, Petrolessence SA und Societe de Gestion de Restauration Routiere - Antragsteller - gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

312. Der Verkauf des Flüssiggasanbieters Elf Antargaz war ein gesonderter Aspekt des im Fall TotalFina/Elf Aquitaine [236] akzeptierten Pakets von Abhilfemaßnahmen. Die Veräußerung erfolgte 2001 [237], nachdem die Kommission der PAI, einer Tochtergesellschaft von BNP Paribas, und der US-amerikanischen Gesellschaft UGI eine Kaufgenehmigung erteilt hatte. Obwohl PAI und UGI von der Kommission zuvor schon als Teil der Verpflichtungszusage akzeptiert worden waren, mussten die Käufer die Kommission noch davon überzeugen, dass durch das Zusammengehen eines Unternehmens aus dem Finanzsektor mit einem US-amerikanischen Unternehmen, das sich auf den die Verteilung und den Verkauf von Strom, Erdgas und Flüssiggas spezialisiert hat, die auf dem französischen Flüssiggasmarkt ausgemachten strukturellen Probleme auf Dauer gelöst werden. Inzwischen sind alle Bedingungen erfuellt, von denen die Kommission die Genehmigung des Zusammenschlusses TotalFina/Elf Aquitaine abhängig gemacht hatte.

[236] Sache COMP/M.1628, 9.2.2000.

[237] Siehe Sache COMP/M.2375 - PAI + UGI / Elf Antargaz, 21.3.2001.

313. Darüber hinaus hat es die Kommission auch mit Fällen zu tun, in denen der von den Parteien verbindlich zugesagte Zeitplan durch Handlungen Dritter gefährdet wird. Beispielsweise hatte sich Carrefour im Zusammenhang mit dem geplanten Zusammenschluss Carrefour/Promodes [238] verpflichtet, seine Beteiligung an Cora innerhalb einer festgelegten Frist zu veräußern. Trotz intensiver Bemühungen gelang es Carrefour jedoch nicht, die Anteile fristgerecht zu verkaufen. Die Kommission erklärte nun aber ihre Entscheidung nicht für hinfällig, sondern verlängerte die Frist, so dass anschließend ein Verkauf an einen Kapitalanleger erfolgen konnte. Die nicht fristgerecht mögliche Veräußerung der Anteile unterstreicht, wie wichtig es unter diesen Umständen sein kann, Treuhänder einzusetzen, die dafür sorgen, dass das betroffene Unternehmen in der Zeit zwischen ursprünglichem Vorhaben und tatsächlichem Verkauf der Anteile keine Wettbewerbsnachteile erleidet. Bei der Ausarbeitung eines Mustertexts für Treuhändermandate hat sich die Kommission in erheblichem Umfang auf diese Erfahrungen gestützt.

[238] Sache COMP/M.1684, 25.1.2000.

314. Zudem war die Kommission angesichts der Tatsache, dass es im Fall Carrefour/Promodes letztlich um den Verkauf an einen Kapitalanleger ging, verpflichtet, sorgfältig die Bedingungen abzuwägen, unter denen ein Anleger als annehmbarer Erwerber angesehen werden könnte. Obwohl in jedem Einzelfall die Umstände berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Kapitalanleger den Anforderungen an einen Käufer genügt, könnten sich bestimmte Faktoren als problematisch erweisen. So ist es zum Beispiel wichtig, dass kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer besteht. Daher sollte der Verkäufer keine erheblichen Darlehen beim Käufer und umgekehrt auch der Käufer keine erheblichen Darlehen beim Verkäufer aufgenommen haben bzw. erhebliche Verbindlichkeiten bei ihm haben. Daneben muss die Kommission auch beurteilen, ob der Kapitalanleger über die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Unternehmen als aktive Wettbewerbskraft zu etablieren oder weiterzuführen. Besondere Bedeutung kommt diesem Aspekt zu, wenn der Käufer eine Mehrheitsbeteiligung an einem veräußerten Unternehmen übernimmt.

5.4. Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Abhilfemaßnahmen

315. An anderer Stelle im vorliegenden Bericht finden sich Ausführungen zum Stellenwert der Abstimmung zwischen der Kommission und den einschlägigen Behörden in den USA und anderen Ländern. Es soll hier betont werden, dass es in den Diskussionen, die die Kommission mit den anderen Behörden führt, nicht ausschließlich um die jeweiligen materiellrechtliche Fragen geht, sondern auch um die notwendigen Abhilfemaßnahmen. 2001 gab es in mehreren Fällen eine solche Abstimmung.

316. Der Fall Metso/Svedala [239] wurde parallel von der US-amerikanischen Federal Trade Commission (,FTC") untersucht, wobei die Untersuchung in den USA wegen der unterschiedlichen Fristen in den beiden Rechtssystemen nicht zeitgleich mit der Untersuchung durch die Kommission abgeschlossen war. In diesem Fall konnten mit den Verpflichtungszusagen, die die Parteien der Kommission gegenüber geleistet hatten, auch die in den Vereinigten Staaten erhobenen Bedenken weitgehend ausgeräumt werden.

[239] Sache COMP/M.2033, 24.1.2001.

6. Verweisungen an Mitgliedstaaten nach Artikel 9 - Neue Entwicklungen

317. Es wird vorgeschlagen, im Zuge der Revision der Fusionskontrollverordnung auch die in Artikel 9 festgelegten Verweisungskriterien zu ändern. Die von der Kommission verfolgte Politik im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 9 trat allerdings auch in diesem Jahr deutlich zutage, als der Mineralölprodukte betreffende Teil der Vorhaben BP/E.ON [240] und Shell/DEA [241] an das Bundeskartellamt verwiesen wurde. Gleichzeitig leitete die Kommission eine gründliche Untersuchung der Teilbereiche ein, die petrochemische Erzeugnisse betrafen, weil Bedenken im Hinblick auf den Ethylenmarkt bestanden. Dadurch wurde die Untersuchung des Petrochemiemarkts von der Prüfung des nachgelagerten Markts für Mineralölprodukte in Deutschland abgetrennt und der letztgenannte Bereich an das Bundeskartellamt verwiesen.

[240] Sache COMP/M.2533, 6.9.2001.

[241] Sache COMP/M.2389, 23.8.2001.

318. Erstmals wurde ein kompletter Sektor in einem Mitgliedstaat zur Untersuchung an eine nationale Behörde verwiesen, obwohl diese nicht festgestellt hatte, dass das Vorhaben in Deutschland eine beherrschende Stellung auf allen Märkten in diesem Sektor zu begründen oder zu verstärken droht (nachgelagerter Markt für Mineralölprodukte). Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass das Vorhaben Auswirkungen auf mehrere weitere Märkte für Mineralölprodukte haben wird, auf die sich der Verweisungsantrag nicht bezieht (z. B. Rohöle, Additive, Petrolat und Paraffinkuchen), bzw. dass das Bundeskartellamt zunächst nicht der Meinung war, dass aus dem Zusammenschluss Wettbewerbsprobleme resultieren können. Es besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen diesen Märkten und der Beurteilung der Märkte für Mineralölprodukte und Schmiermittel, die im Antrag ausdrücklich aufgeführt sind, denn sie alle sind Glieder einer Kette von Produkten, die bei der Verarbeitung anfallen, so dass auch den vorstehend genannten Fragen des Zugangs zu Raffinerien und zur Infrastruktur auf diesen Märkten eine ähnlich große Bedeutung zukommt. Was die Mineralölprodukte anbelangt, hätte man bei einer Abtrennung dieser Märkte die Beurteilung des Falls im Teilbereich der Mineralölprodukte unnötig ,zerstückelt". Um eine solche Aufsplitterung auszuschließen, entschied die Kommission, den Teil des Zusammenschlussvorhaben zu verweisen, bei dem es um Erdölprodukte insgesamt ging.

319. Im Fall Govia/Connex South Central [242] vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Kriterien des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung erfuellt sind. Demnach musste die Kommission entscheiden, dass der betreffende Markt keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Markts ausmacht. Die britischen Behörden begründeten ihren Antrag damit, dass ein Zusammenschluss den Wettbewerb auf bestimmten Eisenbahnstrecken, insbesondere im Raum London-Gatwick-Brighton, behindern und dort zu einer Überschneidung zwischen South Central und Thameslink, der Betreibergesellschaft der beteiligten Unternehmen, führen würde. Damit wurde erstmals ein Fall nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b an einen Mitgliedstaat verwiesen.

[242] Sache COMP/M.2446, 20.7.2001.

320. In zwei der nach Artikel 9 an die nationalen Behörden verwiesenen Fälle wurde über die abschließenden Entscheidungen vor einem nationalen Gericht verhandelt. Nach der Fusionskontrollverordnung wird von den nationalen Behörden verlangt, die Maßnahmen ergreifen, die zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten unbedingt erforderlich sind. Die Handlungen von Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit verwiesenen Fällen können entsprechend dem nationalen und dem europäischen Recht angefochten werden. Im Jahr 2001 wurden in zwei Fällen entsprechende Schritte eingeleitet.

321. Der erste dieser Fälle betraf das Zusammenschlussvorhaben Interbrew/Bass [243], das im Jahr 2000 an das Vereinigte Königreich verwiesen worden war. Nach einer eingehenden Untersuchung durch die Wettbewerbskommission entschied der Minister für Handel und Industrie am 3. Januar 2001, eine Auflage zu erteilen, derzufolge das Brauereigeschäft von Bass komplett zu veräußern war, womit im Endeffekt die Fusion untersagt wurde. Am 2. Februar 2001 beantragte Interbrew eine gerichtliche Prüfung der Auflage mit der Begründung, dass diese unbegründet und unverhältnismäßig und anhand unlauterer Verfahren erteilt worden sei. Am 23. Mai wies das Oberste Gericht in London die Klage von Interbrew in der Hauptsache zwar zurück, entschied jedoch, dass die Vorgehensweise der Wettbewerbskommission unfair war, weil Interbrew keine reelle Chance eingeräumt worden war, sich mit den Fragen auseinander zusetzen, die für die Beurteilung einer anderen, weniger rigiden Abhilfemaßnahme relevant waren. . Nach weiteren Prüfungen und Beratungen entschieden die britischen Behörden, dass Interbrew aufgefordert werden sollte, Bass Brewers bzw. Carling Brewers an einen vom Präsidenten der Kartellbehörde gutgeheißenen Käufer zu veräußern, um so die durch den Zusammenschluss von Interbrew und Bass Brewers bedingten Nachteile auszugleichen.

[243] Sache COMP/M.2044, 22.8.2000.

322. Im zweiten Fall ging es um den die Energieversorgung betreffenden Teil des Zusammenschlussvorhabens ENEL/FT/Wind/Infostrada [244], der an die italienische Wettbewerbsbehörde verwiesen wurde. Nach eingehender Untersuchung genehmigte die Behörde die Fusion, erteilte aber ENEL zahlreiche Auflagen. Gegen diese Entscheidung legte ENEL [245] Berufung ein, und auch CODACONS, die italienische Verbraucherschutz-Organisation, reichte gegen diese Entscheidung der Wettbewerbsbehörde Berufungsklage ein. In einer am 14. November 2001 erlassenen Kollektiventscheidung zu beiden Berufungsklagen, über die vor dem TAR verhandelt wurde, hieß es, dass ENEL keine beherrschende Stellung auf dem Energieversorgungsmarkt innehat; außerdem wurde die Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde zu den Abhilfemaßnahmen aufgehoben.

[244] Sache COMP/M.2216, 19.1.2001.

[245] Berufung wurde beim Tribunale Amministrativo Regionale del Lazio (TAR) eingelegt.

7. Internationale Zusammenarbeit

323. Die Kommission baut ihre bilaterale Zusammenarbeit mit Drittländern auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik, insbesondere im Hinblick auf Fusionsfälle, weiter aus. Auch in der multilateralen Zusammenarbeit übernimmt sie eine aktive Rolle, wobei in diesem Jahr gezielte Bemühungen zur Schaffung eines Internationalen Wettbewerbsnetzes unternommen werden.

324. Angesichts der mit der Kontrolle von weltweiten Fusionen zusammenhängenden praktischen und rechtlichen Fragen war eine effektive Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden als Voraussetzung für die Durchsetzung der jeweils geltenden Vorschriften geboten.

7.1. Zusammenarbeit mit den Behörden der USA

325. Maßgeblich für die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA sind die beiden in den letzten zehn Jahren geschlossenen Abkommen über Zusammenarbeit im Bereich des Wettbewerbs. Inzwischen gilt die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln sogar als eine Art Modell für die transatlantische Zusammenarbeit allgemein.

326. Wie die Erfahrungen zeigen, funktioniert die routinemäßige Zusammenarbeit insbesondere auf dem Gebiet der Fusionsfälle reibungslos, womit die Gefahr abweichender bzw. uneinheitlicher Entscheidungen verringert wird. Gelegentlich vertreten die Kommission und die amerikanischen Behörden allerdings unterschiedliche Standpunkte, was die wesentlichen Gesichtspunkte eines bestimmten Vorhabens anbelangt, wobei es in einem Fall auch um weltweite Märkte ging. Große Aufmerksamkeit zog in diesem Jahr ein Fall auf sich, als die US-amerikanischen Behörden den von der Kommission untersagten Zusammenschluss GE/Honeywell [246] grundsätzlich anders beurteilten. Sowohl GE als auch Honeywell legten im September 2001 beim Gericht Berufung gegen die Verbotsentscheidung ein.

[246] Ausführungen zu diesem Fall siehe Kasten im vorliegenden Kapitel, Sache COMP/M.2220 - General Electric/Honeywell, 3.7.2001.

327. Auch wenn solcherart gegensätzliche Auffassungen bisher kaum eine Rolle gespielt haben, wäre es doch sehr hilfreich, ein Hoechstmaß an Rechtsangleichung in Fragen der Fusionskontrolle zwischen der EU und den USA zu gewährleisten. Deswegen befasste sich die bestehende Arbeitsgruppe Transatlantische Fusionen nochmals schwerpunktmäßig mit der Ermittlung von Bereichen, in denen eine stärkere Angleichung vorstellbar ist. Der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den für Kartellfragen zuständigen Stellen der USA hat jetzt schon in erheblichem Umfang Anteil an der Entwicklung hin zu einer stärkeren Rechtsangleichung. Mit der nochmaligen Betrachtung von Fällen, bei denen die Gefahr der unterschiedlichen Bewertung bestand, strebt die Kommission für die Zukunft eine Verringerung der Gefahr unnötiger Diskrepanzen an.

Kasten 9: GE/Honeywell

Am 3. Juli 2001 erklärte die Europäische Kommission den geplanten Zusammenschluss der US-amerikanischen Unternehmen General Electric (,GE") und Honeywell für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.

Die Fusion hätte Auswirkungen auf die beiden Sektoren Luftfahrtprodukte (Strahltriebwerke, Avionikprodukte, sonstige Produkte und Anlasser) und Industriesysteme (kleine Schiffsturbinen) gehabt.

Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die horizontalen Auswirkungen und die Verdrängungseffekte der Fusion aus dem komplementären Charakter der Produkte und Dienstleistungen erwachsen, die die fusionierte Einheit einem gemeinsamen Kundenstamm anbieten kann. Insbesondere war die Kommission der Ansicht, dass im Zuge der Fusion die Marktmacht mit dem Ziel ausgebaut werden könnte, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu beschränken.

Beherrschende Stellung von GE

Zu den wichtigen Gesichtspunkten der Beurteilung durch die Kommission gehörte die Zusammenführung der beherrschenden Stellung von GE bei Strahltriebwerken für große Verkehrsflugzeuge und große Regionalflugzeuge, der Finanzkraft von GE und seiner vertikalen Integration in die Märkte für Flugzeugverkauf, -finanzierung und -leasing mit den führenden Stellungen von Honeywell auf den Märkten für Strahltriebwerke für große Verkehrsflugzeuge, Avionikprodukte und sonstige Produkte.

GE kann als in seiner Art recht einmaliges Unternehmen bezeichnet werden, denn es ist nicht nur eines der größten Industriekonglomerate, sondern durch seine Tochter GE Capital auch einer der großen Finanzdienstleister, über den die Industrieabteilungen von GE mit enormen Finanzmitteln ausgestattet werden. Übrigens bestätigte die Untersuchung des Zusammenschlusses durch die Kommission, dass einer starken Finanzbasis und der Fähigkeit, das Scheitern von Produkten am Markt in einer Branche zu absorbieren, für die langfristige Investitionen und unvollkommene Finanzmärkte kennzeichnend sind, entscheidende Bedeutung zukommt.

Zudem ist GE über das Unternehmen GE Capital Aviation Services (,GECAS") vertikal in die Märkte für Flugzeugverkauf, -finanzierung und -leasing integriert. GECAS ist der größte Abnehmer von Neuflugzeugen und Besitzer der größten im Einsatz befindlichen Flugzeugflotte. GECAS verfügt zudem über die meisten Bestellungen und Kaufoptionen für Flugzeuge. Anders als andere unabhängige Leasing-Gesellschaften bestellt GECAS nur neue Flugzeuge, die mit GE-Triebwerken ausgestattet sind. GECAS als Tochterunternehmen von GE hat stellvertretend für den Mutterkonzern den Anreiz und die Fähigkeit, die Marktposition von GE-Triebwerken mit unterschiedlichen Mitteln auszubauen. Als Kunde kann GECAS unabhängig davon, ob es als Erstbesteller auftritt oder nicht, Einfluss auf die Wahl der Ausstattung durch die Flugwerkhersteller nehmen und so dafür sorgen, dass GE der einzige Anbieter bleibt. GECAS hat auch insofern Anteil an der Stärkung der Stellung von GE gegenüber den Fluggesellschaften, als letztere gedrängt werden, sich für Flugzeuge mit GE-Triebwerk zu entscheiden.

Dank der Kombination von Finanzkraft (über das Tochterunternehmen GE Capital) und vertikaler Integration in die Geschäftsbereiche von GECAS ist es GE gelungen, sich zum Nachteil der Konkurrenten am längsten an führender Stelle auf den Märkten für große Verkehrsflugzeuge und Regionalflugzeuge zu halten, den Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern auszubauen und sich eine Exklusivstellung als Triebwerksanbieter bei zahlreichen Flugwerkherstellern zu sichern.

In Anbetracht der Merkmale des Markts für Strahltriebwerke, für den hohe Markteintrittschranken und Expansionshürden kennzeichnend sind, der dominierenden Stellung von GE gegenüber vielen Fluggesellschaften, des Interesses von GE, die Finanzmacht von GE Capital gegenüber den Kunden auszuspielen, der Fähigkeit, die vertikale Integration mit Hilfe von GECAS auszubauen; der nur bedingt als Ausgleich tauglichen Nachfragemacht sowie der vergleichsweise schwachen Stellung der Wettbewerber war davon auszugehen, dass GE in der Lage ist, unabhängig von Konkurrenten, Kunden und letztlich auch Verbrauchern zu agieren und sich als beherrschendes Unternehmen auf dem Markt für Strahltriebwerke für große Verkehrsflugzeuge und große Regionalflugzeuge zu etablieren.

Die Folgen der Fusion

Die geplante Fusion hätte auf mehreren Märkten zur Begründung von beherrschenden Stellungen geführt, da die führende Stellung von Honeywell auf diesen Märkten mit der Finanzkraft von GE und dessen vertikaler Integration in die Märkte für Flugzeugverkauf, -finanzierung und -leasing wie auch die nachgelagerten Dienstleistungsmärkte zusammengeführt worden wäre (siehe oben).

Angesichts der beherrschenden bzw. führenden Stellungen der Parteien auf ihren jeweiligen Märkten und der Möglichkeit der umfassenden Kombination komplementärer Produkte, die hätte angeboten werden können, wären diese Effekte noch dadurch weiter verstärkt worden, dass die fusionierte Einheit finanziell und technisch in der Lage und wirtschaftlich daran interessiert gewesen wäre, einen Verdrängungswettbewerb zu eröffnen, beispielsweise durch Komplettangebote zu strategisch bestimmten Preisen bis hin zur Durchsetzung ruinöser Preise, um die Wettbewerber schrittweise aus bestimmten Märkten oder Marktsegmenten zu drängen. Eine solche Situation wäre unter anderem deswegen eingetreten, weil die fusionierte Einheit die Möglichkeit gehabt hätte, eine Quersubventionierung von Rabatten für die gesamte zum Komplettangebot gehörende Produktpalette vorzunehmen.

Konkurrierende Hersteller von Avionik- und anderen Produkten hätten also nicht von den Einnahmeströmen profitieren können, die aus dem Verkauf von Originalausrüstungen und Ersatzteilen erzielt werden. Unternehmensintern erzeugte Gelder nehmen in dieser Branche jedoch eine Schlüsselstellung ein, denn sie werden benötigt, um die Entwicklung neuer Produkte zu finanzieren, die Innovation zu fördern und gegebenenfalls ein Überspringen bestimmter technischer Stufen zu ermöglichen. Die Fusion mit GE hätte zur Folge gehabt, dass die Konkurrenten von Honeywell immer weiter an den Rand gedrängt werden, sie eine wichtige Einnahmequelle verlieren und damit nur noch bedingt oder gar nicht mehr in der Lage gewesen wären, Zukunftsinvestitionen zu tätigen und die nächste Generation von Flugzeugsystemen zu entwickeln. Dies hätte sich nachteilig auf Innovationstätigkeit und Wettbewerb und damit das Wohl der Verbraucher ausgewirkt.

B - Statistischer Überblick

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III - Staatliche Beihilfen

A - Allgemeine Politik

328. Im Juli veröffentlichte die Kommission ihren Neunten Bericht über staatliche Beihilfen in der Union [247] für den Zeitraum 1997-1999, in dem das staatliche Beihilfevolumen der 15 Mitgliedstaaten in den Bereichen verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft, Fischerei, Kohlenbergbau, Verkehr und Finanzdienstleistungen im Durchschnitt bei 90 Mrd. EUR lag. Damit ist das absolute Beihilfeniveau zwar weiterhin hoch, doch weist es gegenüber dem Bezugszeitraum 1995-1997 einen Rückgang um fast 12 % auf. Zwischen 1997 und 1999 beliefen sich die Beihilfen für regionale Zielsetzungen auf 17 % und die Beihilfen für horizontale Ziele auf 10 % des gesamten Beihilfevolumens.

[247] KOM(2001) 403.

329. Besonders bemerkenswert war der Rückgang der staatlichen Beihilfen für das verarbeitende Gewerbe, die nunmehr unter das Niveau der Beihilfen für den Verkehrssektor abgesunken sind. Gemäß dem Neunten Bericht stellten die 15 Mitgliedstaaten für das verarbeitende Gewerbe insgesamt staatliche Beihilfen von jährlich durchschnittlich 27,6 Mrd. EUR bereit, gegenüber 35,8 Mrd. EUR im Zeitraum 1995-1997.

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330. Vom Europäischen Rat von Stockholm im März 2001 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Umfang der insgesamt gezahlten Beihilfen weiter zu verringen, d. h. die Mitgliedstaaten sollten bis 2003 für einen Abwärtstrend der staatlichen Beihilfen im Verhältnis zum BIP sorgen, wobei der Notwendigkeit Rechnung zu tragen ist, die Beihilfen auf horizontale Ziele von gemeinsamem Interesse, einschließlich der Kohäsionsziele, umzulenken. Bestätigt wurde diese Ausrichtung durch eine Entschließung des Rats ,Industrie" am 6. Dezember 2001, mit der die Mitgliedstaaten ersucht werden, ,weitere Anstrengungen zur Reduzierung des Beihilfeniveaus im Verhältnis zum BIP zu unternehmen, vorrangig die Beihilfen mit der stärksten wettbewerbsverzerrenden Wirkung zu senken und deren völlige Abschaffung in Aussicht zu nehmen und eine Neuausrichtung der Beihilfen auf horizontale Ziele, darunter die Kohäsion und gegebenenfalls kleine und mittlere Unternehmen (KMU), vorzunehmen", in weiterem Maße Ex-ante- und Ex-post-Bewertungen der Beihilferegelungen vorzunehmen sowie die Transparenz und die Qualität der an die Kommission zu übermittelnden Meldungen zu verbessern, vor allem durch Kontroll- und Überwachungsverfahren in den Mitgliedstaaten sowie nach Möglichkeit durch Vorlage einschlägiger Statistiken.

331. Die Kommission wird ersucht, zusammen mit den Mitgliedstaaten statistische Instrumente und Indikatoren zur Messung von Wirksamkeit und Effizienz zu entwickeln, in verstärktem Maße eine Bewertung der Wettbewerbsauswirkungen der Beihilfen vorzunehmen, einen Erfahrungsaustausch und konzertierte Bewertungen zu fördern, weitere Anstrengungen zur Vereinfachung, Aktualisierung und klareren Gestaltung der europäischen Regeln für staatliche Beihilfen zu unternehmen und im Jahre 2002 eine erste Bewertung der erreichten Fortschritte vorzulegen.

1. Transparenz

332. Am 22. März 2001 stellte die Kommission das neue Register der staatlichen Beihilfen vor, das detaillierte Informationen über die von der Kommission untersuchten Beihilfefälle enthält. Es wird in kurzen Abständen aktualisiert und bietet der Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums Zugang zu den jüngsten Entscheidungen auf diesem Gebiet. Das Register ist über die Website der Generaldirektion Wettbewerb unter der Adresse http://europa.eu.int/comm/competition/index_de.html abrufbar. Es besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält zusammengefasste Informationen über sämtliche einer ersten Prüfung unterzogenen Fälle, die nach dem 1. Januar 2000 eingetragen wurden. Im zweiten Teil können die Anwender eine einfache Suche nach Informationen zu sämtlichen Beihilfeentscheidungen der Kommission zu nach dem 1. Januar 2000 eingetragenen Fällen vornehmen. Die Informationen können nach Fallnummer, Beihilfeinstrument (Zuschuss, zinsgünstiges Darlehen, Bürgschaft, Steuerstundung usw.) Art des Falls (Einzelfall oder Beihilferegelung), Art der Entscheidung (Einleitung des förmlichen Verfahrens, endgültige Entscheidung usw.), Rechtsgrundlage, Mitgliedstaat (sowie nach Region und Provinz), Zweck der Beihilfe und dem betreffenden Sektor abgerufen werden.

333. Das Register stellt Links zu Pressemitteilungen und Entscheidungen der Kommission bereit, die im Amtsblatt veröffentlicht oder unmittelbar an die Mitgliedstaaten übersandt werden, und fasst so die beträchtliche Menge an Informationen über Entscheidungen der Kommission zu staatlichen Beihilfen zusammen, die bereits über das Internet abrufbar sind.

334. Mit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe des Anzeigers für staatliche Beihilfen im Juli folgte die zweite große Initiative zur Verbesserung der Transparenz. Der Beihilfenanzeiger besteht aus fünf Teilen. Im ersten Teil werden die Aufwendungen für staatliche Beihilfen in der Union und nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt als prozentualer Anteil am BIP dargestellt. Die Anteile werden unionsweit nach den wichtigsten Zielen aufgeschlüsselt: horizontale Ziele wie Forschung und Entwicklung, kleine und mittlere Unternehmen oder Ausbildung, Landwirtschaft und Fischerei, Verkehr; andere Einzelsektoren wie Kohlebergbau, Werftindustrie oder Stahlproduktion; Unterstützung wirtschaftsschwacher Regionen. Der zweite Teil soll den Mitgliedstaaten ein Forum bieten, auf dem sie über ihre Beihilfepolitik und das Transparenzniveau informieren können. Es soll als Katalysator für die Diskussion der Mitgliedstaaten untereinander dienen. Im dritten Teil wird dargestellt, inwieweit die Mitgliedstaaten die Beihilfevorschriften einhalten, um etwaige Probleme zu ermitteln und aufzuzeigen, wo Verbesserungen notwendig sein könnten. Auch zur Rückforderung unrechtmäßig gewährter Beihilfen werden Angaben gemacht. Um jene Bereiche zu ermitteln, in denen gegebenenfalls beihilferechtliche Maßnahmen der Kommission wünschenswert erscheinen, wird im vierten Teil des Beihilfenanzeigers die Entwicklung der Aufwendungen der Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt nach einzelnen Zielen und Wirtschaftszweigen beschrieben. Den Mitgliedstaaten werden damit Anhaltspunkte für eine Erörterung der Ausgabentrends und -muster und ihrer Binnenmarktfolgen an die Hand gegeben. Mit den Darstellungen im letzten Teil soll über reine Wettbewerbsfragen hinaus eine Diskussion über die nach der Kontrolle durch die Kommission in den Mitgliedstaaten vorherrschende Beihilfesituation unter dem Gesichtspunkt eines funktionierenden Binnenmarktes und der erfolgreichen Durchführung wirtschaftlicher Reformen angeregt werden.

335. In Zukunft soll der Beihilfenanzeiger zweimal jährlich erscheinen und schrittweise den Bedürfnissen der künftigen Nutzer angepasst werden. Seine Grundlage bildet ein Kernbestand von Indikatoren, die langfristige Veränderungen in der Beihilfenpolitik und im Ausgabeverhalten der Mitgliedstaaten veranschaulichen sollen. Weitere Indikatoren werden in den verschiedenen Ausgaben fallweise bestimmte einzelne Felder eingehender beleuchten. Ferner wird der Beihilfenanzeiger andere Kommissionsdokumente ergänzen, wie die Vorschläge für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik, die Strukturindikatoren und den Leistungsvergleich.

2. Modernisierung der staatlichen Beihilfenkontrolle

336. Wie bereits im vorangegangenen Jahresbericht angekündigt, hat die Kommission eine langfristige Reform auf den Weg gebracht, um die Verfahren zur Gewährung staatlicher Beihilfen in Fällen, in denen die Sachlage eindeutig ist, zu vereinfachen und die Ressourcen der Kommission auf die schwerwiegendsten Fälle von Wettbewerbsverzerrungen zu konzentrieren. Dabei soll sichergestellt werden, dass die notwendigen Änderungen noch vor der Erweiterung in Kraft sind.

337. Das Inkrafttreten der ersten drei Verordnungen, die im Dezember 2000 auf der Grundlage der Ermächtigungsverordnung (EG) Nr. 994/98 grundsätzlich angenommen wurden, ist bereits ein wichtiger Schritt im Modernisierungsprozess. Es handelt sich um zwei Freistellungsverordnungen, die Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen bzw. Ausbildungsbeihilfen betreffen, und um eine Verordnung zur Kodifizierung der Anwendung der De-minimis-Regelung. [248]

[248] ABl. L 10 vom 13.1.2001, siehe auch XXX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, Ziff. 293-295.

338. Die Verordnung über die De-minimis-Regelung kodifiziert diese Regelung, die bereits in einer Mitteilung der Kommission vom 6. März 1996 erläutert wurde, und erhöht dadurch die Rechtssicherheit. Kraft dieser Regelung werden Beihilfen an Unternehmen, die einen Gesamtbetrag von 100 000 EUR innerhalb von drei Jahren nicht übersteigen, nicht mehr als staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag gewertet, so dass die Notifizierungspflicht entfällt.

339. Unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen der Freistellungsverordnung eingehalten werden, gestatten es Gruppenfreistellungen den Mitgliedstaaten, Beihilfen umgehend zu gewähren, ohne dass diese vorher der Kommission gemeldet werden und ohne dass deren Einverständnis vorliegt. Die positiven Auswirkungen dieser Verordnungen kommen nicht nur der Kommission, sondern auch den nationalen, den regionalen und den lokalen Behörden der Mitgliedstaaten zugute, weil das Verfahren zur Gewährung der Beihilfen viel schneller und mit geringerem Verwaltungsaufwand durchgeführt werden kann. Die Vereinfachung der Verfahren bedeutet jedoch nicht, dass weniger kontrolliert würde oder für staatliche Beihilfen weniger strenge Regeln gelten. Die Verordnungen enthalten mehrere Bestimmungen, nach denen die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, der Kommission Kurzbeschreibungen der Maßnahmen sowie Jahresberichte zu übermitteln, so dass diese in der Lage ist, die Anwendung der Gruppenfreistellungen zu überwachen. Da die Verordnungen unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, können außerdem Beschwerden bei nationalen Gerichten eingereicht werden, wenn Wettbewerber Beihilfen erhalten haben, die nicht alle Kriterien der betreffenden Freistellungsverordnung erfuellen.

340. Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Kurzbeschreibungen kann eine erste Prüfung der Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnungen durch die Mitgliedstaaten erfolgen. Bis Ende Dezember sind bei der Kommission 106 Kurzbeschreibungen gemäß der Verordnung über staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen und 47 Kurzbeschreibungen gemäß der Verordnung über Ausbildungsbeihilfen eingegangen. Der überwiegende Teil dieser Beschreibungen betraf eher Beihilferegelungen als Einzelbeihilfen. Aufgrund der sehr häufigen Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnungen ging die Zahl der Notifizierungen zwischen Februar und November 2001 auf 286 zurück, gegenüber 400 Notifizierungen im gleichen Zeitraum des Jahres 2000. In den einzelnen Mitgliedstaaten wird in sehr unterschiedlichem Maße von den Freistellungsverordnungen Gebrauch gemacht. Bis Anfang Dezember hatten Italien 56, Deutschland 54 und Spanien 20 Kurzbeschreibungen übermittelt. Diese drei Länder wenden die Gruppenfreistellungsverordnungen mit Abstand am häufigsten an. Im Gegensatz dazu lagen von Frankreich, Portugal, Finnland und Luxemburg noch keine Kurzbeschreibungen vor.

341. Die Kommission bereitet derzeit eine dritte Freistellungsverordnung für Beschäftigungsbeihilfen vor. Sie nahm am 2. Oktober 2001 einen Vorschlag an, zu dem sie die Mitgliedstaaten am 7. Dezember im Rahmen des Beratenden Ausschusses für staatliche Beihilfen anhörte. In dem Entwurf einer Verordnung wird vorgeschlagen, Beihilfen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, Beihilfen zur Einstellung benachteiligter Arbeitnehmer und Beihilfen zur Deckung der Zusatzkosten im Zusammenhang mit der Einstellung behinderter Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen von der Notifizierungspflicht auszunehmen. Die Bestimmungen über Beihilfen zur Schaffung von Arbeitsplätzen sind den in der Freistellungsverordnung für staatliche Beihilfen zugunsten von KMU enthaltenen Bestimmungen über die Schaffung von Arbeitsplätzen im Rahmen von Investitionsvorhaben angepasst.

342. Am 13. November 2001 beschloss die Kommission, den multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben, den Beihilfekodex für die Kunstfaserindustrie und den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie bis zum 31. Dezember 2002 zu verlängern. [249] Wenn der neue multisektorale Regionalbeihilferahmen vor dem 31. Dezember 2002 in Kraft tritt, ersetzt er die drei verlängerten Beihilferahmen ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens.

[249] ABl. C 368 vom 22.12.2001, S. 10.

Kasten 10: Risikokapital

Eine bedeutende Entwicklung im Bereich der staatlichen Beihilfen im Jahr 2001 war die Annahme einer neuen Mitteilung über staatliche Beihilfen und Risikokapital durch die Kommission [250] im Zusammenhang mit der von ihr durchgeführten Prüfung von Maßnahmen zur Förderung von Risikokapital in den Mitgliedstaaten. Wie sich zeigte, ist es gelegentlich erforderlich, die Bestimmungen für staatliche Beihilfen an neue Marktsituationen anzupassen.

[250] ABl. C 235 vom 21.8.2001, S. 3.

Die Mitteilung wurde als Reaktion auf eine Reihe von Faktoren verfasst, zu denen insbesondere das Anliegen, die Risikokapitalmärkte in der Gemeinschaft zu fördern sowie die Schwierigkeit gehören, bestimmte von den Mitgliedstaaten vorgeschlagene Maßnahmen anhand der bestehenden Leitlinien für staatliche Beihilfen zu bewerten, und zwar insbesondere wenn zwischen der Gewährung von Beihilfen und speziellen beihilfefähigen Investitions- bzw. Forschungs- und Entwicklungskosten kein direkter Zusammenhang besteht. Je nachdem, wie die Risikokapitalmaßnahme gestaltet ist, können Marktteilnehmer einer oder mehrerer ,Ebenen" Begünstigte staatlicher Beihilfen sein, indem die Kapitalgeber (die in die Lage versetzt werden, Risikokapital zu günstigeren Bedingungen zu investieren) bzw. die Unternehmen, in die investiert wird, in den Genuss von Vorteilen kommen. In der Mitteilung werden Kriterien aufgestellt, nach denen die Kommission derlei Maßnahmen prüfen wird. Darüber hinaus enthält sie eine nicht vollständige Liste von Formen staatlicher Beihilfen, die diese Kriterien erfuellen könnten.

Die Kommission genehmigte unter erstmaliger Anwendung ihrer Mitteilung über staatliche Beihilfen und Risikokapital den ,Regionalen Wagniskapitalfonds" [251] (Vereinigtes Königreich), ohne die Beihilfen mit speziellen beihilfefähigen Kosten in Beziehung zu bringen, und billigte staatliche Beihilfen für eine Maßnahme, bei der die Beteiligung an einem Unternehmen die Form des für die laufenden Betriebsausgaben erforderlichen Kapitals (Betriebskapital) haben kann. Zweck der britischen Regelung ist die Schließung einer Lücke bei der Bereitstellung von Beteiligungskapital auf regionaler Ebene, die für Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen besteht. Die Kommission räumte ein Marktversagen in diesem Segment ein, da die in der Mitteilung über staatliche Beihilfen und Risikokapital festgelegten Schwellen nicht überschritten wurden. Dieselbe Argumentation wurde im Falle der französischen Rahmenregelung ,Investmentkapitalfonds" angewandt [252]. Die Kommission prüfte die Notifizierungen gemäß Abschnitt VIII der Mitteilung und kam zu dem Schluss, dass die den privaten Kapitalgebern und den KMU gewährten Beihilfen mit den Regeln für staatliche Beihilfen vereinbar sind. Im Hinblick auf die im Rahmen dieser Maßnahmen geschaffenen Fonds stellte die Kommission fest, dass es sich dabei nicht um Unternehmen handelt, die Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag erhalten. Darüber hinaus wurde die Mitteilung im Jahr 2001 unter anderem auf die ,Linea de apoyo a la capitalización de empresa de base tecnológica" (Spanien) [253] und eine weitere Regelung im Vereinigten Königreich angewandt, mit der die Lücke bei der Bereitstellung geringer Risikokapitalbeträge an KMU in den Kohlebergbaugebieten Englands geschlossen werden soll [254].

[251] Sache C 56/2000, Entscheidung der Kommission vom 6.6.2001, ABl. L 263 vom 3.10.2001.

[252] Sache N 448/2000, Entscheidung der Kommission vom 25.7.2001, ABl. C 318 vom 13.11.2001.

[253] Sache N 630/01, Entscheidung der Kommission vom 11.12.2001, ABl. C 32 vom 5.2.2002.

[254] Sache N 722/2000, Entscheidung der Kommission vom 20.12.2001 (noch nicht veröffentlicht).

Die Kommission hat abgesehen von der Annahme und Anwendung der neuen Mitteilung ihre Praxis fortgeführt, Maßnahmen zur Förderung der Beteiligung an Unternehmen in Form von Risikokapital zu genehmigen, sofern andere Regeln für staatliche Beihilfen erfuellt sind [255]. Eine solche Genehmigung erfordert im Allgemeinen eine Verbindung zu einem konkreten Investitionsvorhaben, um Beihilfen dieser Art als Beihilfen für die Erstinvestition einzustufen [256], oder zu beihilfefähigen Kosten im Zusammenhang mit FuE-Projekten. Dies betrifft zum Beispiel Fälle wie ein Darlehen für Eigenkapitalinvestitionen im Falle von Neugründungen, das für mit der Freistellungsverordnung für staatliche Beihilfen an KMU vereinbar befunden wurde [257], oder eine stille Beteiligung, d. h. eine Beteiligung am Eigenkapital ohne Managementfunktion, für vorwettbewerbliche FuE-Tätigkeiten, die für mit dem FuE-Gemeinschaftsrahmen vereinbar befunden wurde [258]. Ein weiteres Beispiel ist die Entscheidung der Kommission über eine deutsche Beihilferegelung [259], die auf eine Erhöhung des Eigenkapitals für vorwettbewerbliche FuE-Tätigkeiten und innovative Investitionen abzielt. Die Kommission untersuchte die Beihilfe auf der Ebene der staatlichen Banken, der Privatinvestoren und der kleinen Unternehmen, in die investiert wird, und kam zu dem Schluss, dass keine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag vorliegt oder dass die Beihilfe gemäß der KMU-Freistellungsverordnung bzw. gemäß dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche FuE-Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Interessant ist die Feststellung, dass die Kommission bei ihrer Entscheidung der Tatsache Rechnung getragen hat, dass der deutsche Risikokapitalmarkt im Vergleich zum amerikanischen Frühphasenkapitalmarkt noch ,in den Kinderschuhen steckt".

[255] Vgl. Absatz II.3 der Mitteilung: ,Erfuellen staatliche Beihilfemaßnahmen die Kriterien anderer Leitlinien, Gemeinschaftsrahmen oder Verordnungen der Kommission, so stehen die Ausführungen in dieser Mitteilung der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt nicht entgegen."

[256] Zur Definition des Begriffs ,Erstinvestition" siehe Ziff. 4.4 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9).

[257] Sache N 465/2000, Entscheidung der Kommission vom 3.7.2001 (ABl. C 328 vom 23.11.2001).

[258] Sache NN 94/2000, Entscheidung der Kommission vom 23.5.2001 (ABl. C 219 vom 4.8.2001).

[259] Sache N 551/2000, Entscheidung der Kommission vom 28.2.2001 (ABl. C 117 vom 21.4.2001).

3. Staatliche Beihilfen und Steuerpolitik

343. Die Kontrolle der staatlichen Beihilfen in Form von steuerlichen Maßnahmen ist nach wie vor ein Aufgabenschwerpunkt für die Kommission. In diesem Zusammenhang hat die Kommission gemäß den Verpflichtungen, die sie in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung [260] eingegangen ist, in Übereinstimmung mit Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag vier Mitgliedstaaten aufgefordert, bestehende Beihilferegelungen zu ändern oder abzuschaffen. Ferner hat sie aufgrund von elf weiteren Beihilfemaßnahmen in acht Mitgliedstaaten das förmliche Prüfverfahren eingeleitet.

[260] ABl. C 384 vom 10.12.1998.

344. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich überwiegend um steuerliche Ausnahmeregelungen zugunsten bestimmter Tätigkeiten (Finanzdienstleistungen, ,Off-shore"-Tätigkeiten) oder bestimmter Unternehmen, die die entsprechenden Kriterien in Bezug auf Umsatz, Internationalisierung bzw. Nationalität erfuellen. Anhand der von der Kommission eingeleiteten Verfahren kann festgestellt werden, ob der selektive Charakter dieser Maßnahmen gerechtfertigt ist, ob die Regelungen einen Vorteil im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit sich bringen, insbesondere im Rahmen der Ermessensausübung durch die Steuerverwaltungen.

345. Auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung hat die Kommission beschlossen, wegen der von drei Mitgliedstaaten gewährten Verbrauchsteuerermäßigungen für Schweröle zur Herstellung von Aluminium das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag zu eröffnen. Diese Verbrauchsteuerermäßigungen waren vom Rat gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 92/81/EWG vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle genehmigt worden (Entscheidung Nr. 2001/224/EG vom 12. März 2001. [261] Wie jedoch im fünften Erwägungsgrund der Entscheidung Nr. 2001/224 des Rates festgelegt, greift ,diese Entscheidung [...] dem Ergebnis etwaiger Verfahren nicht vor, die möglicherweise gemäß den Artikeln 87 und 88 des Vertrags wegen einer Beeinträchtigung des Funktionierens des Binnenmarkts eingeleitet werden. Sie enthebt die Mitgliedstaaten keinesfalls ihrer Pflicht, etwaige staatliche Beihilfen gemäß Artikel 88 des Vertrags bei der Kommission anzumelden". Die Kommission erinnert daran, dass auf der Grundlage der steuerlichen Bestimmungen des Vertrags getroffene Entscheidungen zur Genehmigung von Verbrauchsteuerermäßigungen die Wettbewerbsregeln des Vertrags generell unberührt lassen.

[261] ABl. L 84 vom 23.3.2001, S. 23.

4. Verlorene Kosten

346. Bis zur Liberalisierung des europäischen Elektrizitätsmarktes wurde der Rückfluss von Investitionen der Elektrizitätsunternehmen dadurch gewährleistet, dass der Staat angemessene Preise festlegte. Unter diesen Voraussetzungen investierten viele der Unternehmen in relativ teure Kraftwerke oder Langzeit-Lieferverträge. Das Absinken der Elektrizitätspreise nach der Liberalisierung des Sektors kann den Rückfluss vieler dieser Investitionen oder der Kosten von Langzeit-Lieferverträgen gefährden und somit zu uneinbringlichen Kosten führen. Solche Kosten werden im Allgemeinen als ,verlorene Kosten" bezeichnet.

347. Im Gegensatz zu vorangegangenen Liberalisierungsprozessen in anderen Bereichen geht die Liberalisierung des Strommarktes weder mit einem raschen technischen Wandel noch mit einem Zuwachs der Nachfrage einher. Für den Elektrizitätsmarkt gelten im Gegenteil in immer stärkerem Maße externe Auflagen, die den Umweltschutz und die Versorgungssicherheit betreffen und zu einer weiteren Erhöhung der Produktionskosten führen.

348. Somit könnten einige Unternehmen versucht sein, die gesamte Belastung durch verlorene Kosten auf die mit ihnen verbundenen Kunden abzuwälzen und dadurch die Lebensfähigkeit anderer Unternehmen zu gefährden. Aus diesem Grund kann es erforderlich sein, Mechanismen zum Ausgleich der verlorenen Kosten zu schaffen.

349. Diese Mechanismen müssen einerseits der Notwendigkeit Rechnung tragen, die Elektrizitätsunternehmen nicht in einem Maße zu schwächen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Stromversorgung sicherzustellen, die für die Wirtschaft der Union von maßgeblicher Bedeutung ist. Andererseits dürfen sie nicht dazu führen, dass neue Wirtschaftsteilnehmer am Eintritt in den Markt gehindert werden, was dem Liberalisierungsprozess zuwiderlaufen und die Verbraucher um die damit einhergehenden Vorteile bringen würde.

350. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass in dieser Art und Weise ausgewogene Ausgleichsmechanismen, insofern sie staatliche Beihilfen darstellen, gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c als mit dem EG-Vertrag vereinbar angesehen werden können, da sie den Übergang des Elektrizitätssektors zu einem liberalisierten Markt und somit die wirtschaftliche Entwicklung des Sektors fördern und zugleich sicherstellen, dass der Ausgleich begrenzt und angemessen ist und demzufolge den Handel nicht in einem Maße beeinträchtigt, das mit dem Interesse der Gemeinschaft unvereinbar ist.

351. Am 26. Juli 2001 nahm die Kommission eine Mitteilung über die ,Methode für die Analyse staatlicher Beihilfen im Zusammenhang mit verlorenen Kosten" an, in der die Kriterien festgelegt sind, nach denen sie prüft, ob Mechanismen zum Ausgleich der verlorenen Kosten, die staatliche Beihilfen darstellen, nach dem EG-Vertrag genehmigt werden können. [262]

[262] In allen Amtssprachen abrufbar über die Seiten der GD Wettbewerb der Website Europa.

352. Grundsätzlich gilt gemäß dieser Methode, dass der Ausgleich zeitlich und vom Umfang her begrenzt sein muss. Er darf keinesfalls die den Unternehmen infolge der Liberalisierung tatsächlich entstandenen verlorenen Kosten übersteigen. So darf beispielsweise kein Ausgleich für ein Kraftwerk gezahlt werden, das aufgrund der Marktöffnung an Rentabilität eingebüßt hat, aber trotzdem noch rentabel ist. Der Hoechstbetrag der Ausgleichszahlungen ist im Voraus anzugeben. Zudem muss es einen Mechanismus zur nachträglichen Anpassung geben, der die tatsächliche Entwicklung hin zu einem liberalisierten Markt, insbesondere die tatsächliche Entwicklung der Strommarktpreise berücksichtigt.

353. Am 25. Juli 2001 genehmigte die Kommission gemäß dieser Methode erstmals in drei Fällen Ausgleichszahlungen für verlorene Kosten in Spanien, Österreich und den Niederlanden [263].

[263] Siehe Teil II.

5. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

5.1. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk [264]

[264] ABl. C 320 vom 15.11.2001, S. 5.

354. Am 17. Oktober 2001 nahm die Europäische Kommission eine Mitteilung an, in der die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erläutert wird. Gemäß der Mitteilung steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtlicher Dienste sowie ihre Finanzierung und Ausgestaltung festzulegen. Die Kommission fordert jedoch Transparenz im Hinblick auf diese Aspekte, um die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Finanzierung beurteilen und mögliche missbräuchliche Praktiken kontrollieren zu können. Die Mitgliedstaaten sollten eine genaue Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags festlegen, diesen Auftrag einem oder mehreren Unternehmen im Wege einer förmlichen Rechtshandlung übertragen und über eine geeignete Behörde verfügen, um seine Erfuellung zu überwachen. Die Kommission wird tätig werden, wenn eine beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrung nicht mit der Notwendigkeit begründet werden kann, den öffentlich-rechtlichen Auftrag auszuführen.

6. Unterstützung von Kino- und anderen audiovisuellen Produktionen

6.1. Überprüfung der nationalen Regelungen zur Unterstützung von Kino- und anderen audiovisuellen Produktionen.

355. Im Anschluss an ihre Entscheidung von 1998 zu der in Frankreich geltenden Regelung, wonach Filmproduktionen eine automatische Beihilfe erhielten, überprüfte die Kommission die in anderen Mitgliedstaaten geltenden Regelungen anhand derselben Bewertungskriterien. Die Kommission hat bereits mehrere Regelungen der Mitgliedstaaten überprüft und genehmigt. Die Kommission führt derzeit Gespräche mit den übrigen Mitgliedstaaten, die ihre Regelungen noch mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang bringen müssen. Der Abschluss der Überprüfung wird für Rechtssicherheit in dieser Branche sorgen.

6.2. Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken

356. Am 26. September 2001 nahm die Europäische Kommission eine Mitteilung an, in der die Grundzüge ihrer Politik in Bezug auf staatliche Beihilfen der Mitgliedstaaten zur Förderung ihrer nationalen Filmproduktion erklärt und klargestellt werden. In der Mitteilung wird darauf verwiesen, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, ihre nationale Filmproduktion zu fördern und hierzu die für angemessen erachteten Maßnahmen zu treffen. Gleichzeitig fordert die Kommission jedoch, dass sich die Mitgliedstaaten an bestimmte Bedingungen halten, um zu verhindern, dass die Beihilfen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen. Eine Änderung der bestehenden Vereinbarkeitskriterien beabsichtigt die Kommission nur, falls sich herausstellen sollte, dass sie zur Verhinderung von unzumutbaren Wettbewerbsverzerrungen in der EG ungeeignet sind. Die Kommission weist in der Mitteilung darauf hin, dass Wettbewerbsverzerrungen durch Beihilfen in diesem Sektor eher durch territoriale Auflagen (z. B. die Verpflichtung, dass Produzenten einen bestimmten Anteil des Filmbudgets in dem betreffenden Mitgliedstaat ausgeben müssen) als durch die Höhe der Beihilfe selbst verursacht werden dürften. In ihrer Entscheidung von 1998 zu der in Frankreich geltenden Beihilferegelung vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ermutigt werden sollten, nationale Präferenzen weitgehend zu verringern und darauf zu verzichten, dass ein erheblicher Teil der Produktionskosten im Inland anfallen muss. Der Mitteilung zufolge beabsichtigt die Kommission, vor dem Hintergrund der Ergebnisse der zurzeit durchgeführten Überprüfung der Beihilferegelungen noch eingehender zu untersuchen, in welchem Umfang eine Territorialisierung zulässig ist.

7. Erweiterung

357. 2001 war ein bedeutendes Jahr für die Vorbereitung der Erweiterung im Hinblick auf staatliche Beihilfen. Im Februar 2001 beschloss die GD Wettbewerb, die Taskforce ,Erweiterung und staatliche Beihilfen" einzusetzen, deren Aufgabe es ist, den Stand der Kontrolle staatlicher Beihilfen in den zwölf Bewerberländern einzuschätzen. Für jedes dieser Länder wurden der Rechtsrahmen für die Kontrolle staatlicher Beihilfen, der für diesen Zweck geschaffene Verwaltungsrahmen und die konkrete Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands in diesem Bereich bewertet. Das Ergebnis dieser Bewertung bildete die Grundlage für die Ausarbeitung des die staatlichen Beihilfen betreffenden Teils des Entwurfs eines gemeinsamen Standpunkts für jedes Bewerberland, einschließlich eines Standpunkts zum vorläufigen Abschluss des Kapitels Wettbewerb.

358. Mit der Annahme der gemeinsamen Standpunkte zum Kapitel Wettbewerb durch den Europäischen Rat, die anlässlich der Beitrittskonferenzen am 11. und 12. Dezember 2001 vorgelegt wurden, fand die erste Phase der Tätigkeit der Taskforce ihren Abschluss. Die betreffenden Konferenzen vereinbarten, das Kapitel Wettbewerb für vier Bewerberländer (Estland, Lettland, Litauen und Slowenien) vorläufig abzuschließen. In Bezug auf die anderen vier Bewerberländer wird in den gemeinsamen Standpunkten festgestellt, dass es trotz der im Bereich staatliche Beihilfen erzielten Fortschritte noch nicht möglich ist, dieses Kapitel vorläufig abzuschließen.

359. Die Taskforce ,Erweiterung und staatliche Beihilfen" der GD Wettbewerb wird in einer zweiten Phase die Umsetzung des Besitzstands in den acht Bewerberländern, für die das Kapitel Wettbewerb noch nicht abgeschlossen werden konnte, einer zweiten Bewertung unterziehen. Sie wird dabei insbesondere die in den gemeinsamen Standpunkten aufgezeigten besonderen Probleme im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen überprüfen (wichtige Aspekte wie die Umwandlung inkompatibler steuerlicher Vergünstigungen, Festlegung von Fördergebietskarten, Programme zur Umstrukturierung des Stahlsektors usw.). Darüber hinaus wird die Taskforce den Stand der staatlichen Beihilfen in den vier Ländern, für die das Kapitel Wettbewerb abgeschlossen wurde, auch weiterhin eingehend überwachen. Schließlich wird die Weiterverfolgung der Übersichten über die bestehenden staatlichen Beihilfen und der Jahresberichte über staatliche Beihilfen auch künftig eine wichtige Aufgabe sein.

Kasten 11: Staatliche Banken in Deutschland (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung)

Wie im Bericht des Vorjahres angekündigt, führte die Kommission die Prüfung der Vereinbarkeit des deutschen Systems der Gewährung staatlicher Garantien an Kreditinstitute des öffentlichen Rechts (,Anstaltslast" und ,Gewährträgerhaftung") mit den beihilferechtlichen Bestimmungen fort.

Rechtlicher und wirtschaftlicher Kontext

Anstaltslast besagt, dass die öffentlichen Eigentümer (z. B. Bund, Länder, Gemeinden) des betreffenden Kreditinstituts (der ,Anstalt") verpflichtet sind, dessen wirtschaftliche Basis zu sichern und es für die gesamte Dauer seines Bestehens funktionsfähig zu erhalten. Sie wurde erstmals im Jahre 1897 von einem deutschen Gericht als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt. Gewährträgerhaftung bedeutet, dass der Gewährträger allen Verbindlichkeiten der Bank nachkommen muss, wenn das Vermögen des Kreditinstituts nicht ausreicht. Die Gewährträgerhaftung wurde 1931/32 in die Rechtsvorschriften mehrerer Länder aufgenommen und ersetzte die zuvor geltende unmittelbare Haftung der Gemeinden.

Diese Garantien ermöglichen den staatlichen Banken, die auf den europäischen Kapitalmärkten starke Wettbewerber sind, eine Finanzierung zu wesentlich günstigeren Konditionen. Zu den deutschen öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, die durch diese Garantien begünstigt werden, zählen die zwölf Landesbanken, etwa 550 Sparkassen von sehr unterschiedlicher Größe sowie elf Spezialkreditinstitute, die Finanzierungsaufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen. Insgesamt entfällt auf diese Einrichtungen, die etwa 320 000 Mitarbeiter beschäftigen, ungefähr ein Drittel des deutschen Bankmarktes.

Beide Formen der Haftungsverpflichtung sind weder zeitlich noch betragsmäßig beschränkt, und die betreffenden Kreditinstitute haben kein Entgelt für diese Garantie zu zahlen.

Bewertung nach den Bestimmungen für staatliche Beihilfen und Empfehlung

Am 8. Mai 2001 nahm die Europäische Kommission nach intensiven Kontakten zwischen den Dienststellen der Kommission und den deutschen Behörden eine förmliche Empfehlung an, in der sie der Bundesregierung zweckdienliche Maßnahmen vorschlug, um das Garantiesystem abzuschaffen oder mit den Beihilferegeln des EG-Vertrags in Übereinstimmung zubringen.

In der Empfehlung wird dargelegt, dass dieses Garantiesystem als staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags anzusehen ist, weil die Maßnahmen auf staatlichen Ressourcen beruhen, bestimmte Gruppen von Unternehmen bevorzugen, den Wettbewerb verfälschen und den Handel in der Gemeinschaft beeinträchtigen. Da dieses System jedoch bereits bestand, als der EG-Vertrag im Jahr 1958 in Kraft trat, handelt es sich hierbei um ,bestehende Beihilfen", bei denen die Kommission Änderungen lediglich für die Zukunft und nicht rückwirkend fordern kann.

Gemäß der Empfehlung der Kommission sollte die Vereinbarkeit mit den EG-Regeln bis 31. März 2002 hergestellt sein. In der Empfehlung ist jedoch ausdrücklich festgelegt, dass die Kommission einem späteren Zeitpunkt zustimmen kann, wenn sie dies für objektiv erforderlich und gerechtfertigt hält, um bestimmten öffentlichen Banken eine angemessene Umstellung auf die veränderte Lage zu ermöglichen. Die Kommission ist sich der Notwendigkeit bewusst, diejenigen Gläubiger zu schützen, die den öffentlich-rechtlichen Banken Mittel auf der Grundlage dieses Garantiesystems bereitgestellt haben.

Lösung

Die Bundesregierung hat am 18. Juli 2001 die von der Europäischen Kommission am 8. Mai 2001 angenommene förmliche Empfehlung akzeptiert. Grundlage für die Annahme der Empfehlung war die am 17. Juli 2001 erzielte Einigung zwischen dem für Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglied Mario Monti und Caio Koch-Weser, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, der die aus drei Länderfinanzministern und dem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands bestehende Delegation anführte.

Die Bundesregierung bestätigt mit der Annahme der Empfehlung, dass das bestehende Garantiesystem eine im Sinne des EG-Vertrags mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellt und geändert werden muss. Dies beinhaltet die Verpflichtung, das Garantiesystem mit den beihilferechtlichen Bestimmungen des Vertrags in Einklang zu bringen.

Gemäß der Einigung vom 17. Juli 2001 wird es eine Übergangsfrist von vier Jahren geben (19.7.2001 bis 18.7.2005), während der die zwei bestehenden Garantiesysteme beibehalten werden können. Danach wird auf der Grundlage des so genannten ,Plattform-Modells" die Anstaltslast durch normale marktwirtschaftliche Beziehungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Eigentümern und den betreffenden Kreditinstituten abgelöst, die keine Haftungsverpflichtung seitens des Staates mehr beinhalten. Die Gewährträgerhaftung wird abgeschafft.

Die Gewährträgerhaftung kann jedoch zum Schutz der Gläubiger auch nach dem 18. Juli 2005 wie folgt beibehalten werden (Besitzstandswahrung):

- Am 18.7.2001 bestehende Verbindlichkeiten können bis zum Fälligkeitstermin unbegrenzt durch die Gewährträgerhaftung abgedeckt werden.

- Verbindlichkeiten, die zwischen dem 19.7.2001 und dem 18.7.2005 entstanden sind, fallen weiter unter die Gewährträgerhaftung, sofern der Fälligkeitstermin nicht über den 31.12.2015 hinausgeht. Für Verbindlichkeiten mit Fälligkeitstermin nach 2015 wird die Gewährträgerhaftung nicht beibehalten.

Gemäß dem Beschluss der Kommission vom 8. Mai 2001 musste die Bundesregierung der Kommission bis zum 30. September 2001 konkrete Maßnahmen unterbreiten, um das Garantiesystem mit den Vorschriften des EG-Vertrags in Übereinstimmung zu bringen. Die deutschen Behörden haben zugesagt, dass alle erforderlichen Bundes- und Ländergesetze noch vor Ende 2001 den jeweiligen Parlamenten vorgelegt und bis Ende 2002 verabschiedet werden. Bei Nichteinhaltung dieser Frist durch den Bund oder einzelne Bundesländer werden die in den Garantiesystemen enthaltenen Beihilfeelemente für Banken, die unter das Recht des betreffenden Landes oder des Bundes fallen, ab Anfang 2003 als neue Beihilfe behandelt. Daher könnte das Beihilfeelement von diesen Banken ab 2003 zurückgefordert werden.

Während die Einigung vom 17. Juli 2001 nur Landesbanken und Sparkassen betrifft, erstreckt sich die Zustimmung zu den zweckdienlichen Maßnahmen auch auf die elf unabhängigen Spezialkreditinstitute, die Finanzierungsaufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen. Anfang 2002 wurde eine gesonderte Vereinbarung über Spezialkreditinstitute geschlossen, in der die Bedingungen für die Wettbewerbsneutralität festgelegt sind, unter denen die Spezialkreditinstitute in Zukunft ihre Tätigkeit fortsetzen können, ohne dass die staatlichen Garantien abgeschafft werden. Insbesondere werden sie ihre speziellen Finanzierungsaufgaben mit wenigen Ausnahmen in der Regel über Geschäftsbanken abwickeln müssen.

Die beiden Vereinbarungen sind rechtsverbindlich in einer neuen Kommissionsentscheidung zur Änderung der Empfehlung vom 8. Mai 2001 zusammenzufassen. Diese Entscheidung muss bis Ende März 2002 angenommen werden.

Beide Vereinbarungen tragen dazu bei, in Zukunft gleiche Wettbewerbsbedingungen für private und öffentlich-rechtliche Banken zu schaffen. Die Übergangsregelungen werden es den betroffenen Kreditinstituten ermöglichen, ihre Geschäftstätigkeit und Organisation zu restrukturieren, um sich dem veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld anzupassen.

B - Der Begriff der staatlichen Beihilfe

360. Nach der Definition in Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind staatliche Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, wenn sie vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden, den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, indem sie bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produktionszweige begünstigen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Form, in der die Beihilfe gewährt wird (Zinsrabatt, Steuerermäßigung, Bürgschaft, Bereitstellung von Waren bzw. Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen, Kapitalzuführungen zu Bedingungen, die für einen privaten Kapitalgeber nicht annehmbar wären, usw.) ist unerheblich.

1. Herkunft der Mittel

361. Die erste Bedingung besteht darin, dass eine Beihilfe von einem Mitgliedstaat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Gemäß der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs sind der Begriff ,staatlich" und der Begriff ,Mittel" in diesem Kontext weit auszulegen. In seinem Urteil vom 13. März 2001 in der Rechtssache PreussenElektra hat der Gerichtshof jedoch die Grenzen des Begriffs ,staatliche Mittel" abgesteckt. Die Rechtssache betraf die Regelung, nach der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland verpflichtet sind, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu Preisen abzunehmen, die über dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieses Stroms liegen. Der Gerichtshof wurde im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit in Deutschland um eine Vorabentscheidung zu der Frage ersucht, ob eine solche Regelung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

362. In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die fragliche Maßnahme den Erzeugern dieser Stromart unstreitig einen Vorteil verschafft, indem sie ihnen höhere Mindestpreise sichert, als sie ohne eine solche Regelung erzielen könnten. Der Umstand, dass der Vorteil durch den Staat gewährt wird, reiche jedoch nicht aus, um die Regelung als staatliche Beihilfe einzustufen. Dies gelte nur für Vorteile, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. In Anbetracht der Sachlage kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die in Deutschland angewandte Regelung, durch die private Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet werden, Strom zu höheren als den normalerweise zu zahlenden Preisen abzunehmen, keine Übertragung staatlicher Mittel beinhaltet und demzufolge nicht als Beihilfe eingestuft werden kann.

363. Auf der Grundlage der Argumentation des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache PreussenElektra stufte die Kommission eine in Belgien in der flämischen Region angewandte Maßnahme nicht als Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag ein [265]. Die Kommission stellte fest, dass eine Regelung, nach der die Stromverteilungsunternehmen jährlich eine bestimmte Anzahl von grünen Zertifikaten erwerben müssen, keine staatlichen Mittel beinhaltet [266]. Ebenso entschied die Kommission, dass die Ausfertigung von Zertifikaten durch staatliche Stellen als Nachweis dafür, dass der grüne Strom den gesetzlichen Vorgaben entspricht, keine staatlichen Mittel beinhaltet [267]. Ungeachtet dieser Einschätzung prüfte die Kommission die Maßnahme auch als staatliche Beihilfe und kam zu dem Schluss, dass sie den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen entspricht (siehe unten).

[265] Sache N 550/2000, Entscheidung der Kommission vom 25.7.2001 (ABl. C 330 vom 24.11.2001).

[266] Dieselbe Argumentation wurde in Bezug auf die Sache N 678/2001, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht) und die Sache N 504/2000, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht) angewandt.

[267] Siehe auch Sache NN30/B/2000, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht).

2. Einem Unternehmen gewährter Vorteil

364. Um eine staatliche Beihilfe darzustellen, muss eine Maßnahme dem Begünstigten auch einen unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil bringen. Die Frage, ob der Ausgleich der Kosten für die Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen als Vorteil zu betrachten ist, wird in dem Kapitel dieses Berichts behandelt, in dem es speziell um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse geht. Die Kommission hat sich mit der Frage des Vorteils auch im Hinblick auf die Abfallwirtschaft befasst. Am 31. Januar 2001 beschloss die Europäische Kommission, in der Sache N 484/00 keine Einwände wegen eines in den Niederlanden angewandten Abfallbeseitigungssystems für PVC-Fassadenelemente zu erheben, da die beteiligten Unternehmen (Hersteller und Importeure sowie Recyclingunternehmen) nicht von den Regelungen profitieren. Daher stellen diese keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar. Mit dem System wird sichergestellt, dass Unternehmen, die PVC-Fassadenelemente verkaufen, gemäß dem Verursacherprinzip die Verantwortung für deren Recycling übernehmen. Das System beruht auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen verschiedenen Organisationen, die im Bereich der Herstellung, des Verbrauchs und des Recycling von PVC tätig sind. In dieser Vereinbarung ist festgelegt, dass Hersteller und Importeure einen Festbetrag für in den Niederlanden verkaufte PVC-Rahmen und -Fassadenelemente zahlen müssen. Mit den betreffenden Mitteln werden die Kosten für die Erfassung und das Recycling der Fassadenelemente, einschließlich des Transports, beglichen. Ähnliche Entscheidungen traf die Kommission in Bezug auf in den Niederlanden angewandte Systeme für Altpapier und Autowracks (Sachen NN 87/00 und C 11/01). Das System für Autowracks wurde erst genehmigt, nachdem hinreichende Beweise dafür vorlagen, dass die betreffenden Unternehmen keinen Überausgleich erhalten.

365. Manchmal muss die Frage, ob eine bestimmte staatliche Maßnahme einen Vorteil darstellt, danach entschieden werden, ob ein privater, marktwirtschaftlich handelnder Investor sich an der betreffenden Transaktion beteiligen würde [268]. Am 6. Juni 2001 beschloss die Europäische Kommission, in der Sache C 36/2001 wegen staatlicher Beihilfemaßnahmen der wallonischen Behörden zugunsten der im flämischen Teil Belgiens niedergelassenen Unternehmensgruppe Beaulieu, die zu den führenden Teppichherstellern Europas zählt, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Im Verlauf der Ermittlungen der Kommission in der Sache Verlipack hatten sich Hinweise auf eine mögliche Beihilfe zugunsten der Unternehmensgruppe Beaulieu ergeben. Da es sich um eine neuerliche Maßnahme der Region Wallonien handelte, holte die Kommission von den belgischen Behörden Auskünfte ein, um eine beihilferechtliche Würdigung der Maßnahmen vornehmen zu können. Anhand der ihr übermittelten Informationen stellte die Kommission fest, dass Beaulieu im Dezember 1998 eine gegenüber der Region Wallonien bestehende Schuld in Höhe von 113 712 000 BEF durch Überlassung an Zahlungs Statt von 9 704 Aktien der Holding Verlipack II beglichen hat, deren Nominalwert zwar mit 100 Mio. BEF beziffert wurde, deren realer Wert jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Transaktion deutlich darunter gelegen haben dürfte. Daher bezweifelte die Kommission, dass ein privater Investor mit einer solchen Transaktion einverstanden gewesen wäre.

[268] Siehe Mitteilung der Kommission betreffend die Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag auf staatliche Beteiligungen, Bulletin EG 9/1984, auch abrufbar über die Seiten der GD Wettbewerb der Website Europa.

3. Selektivität

366. Um in den Anwendungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag zu fallen, darf es sich bei einer Maßnahme nicht nur um eine staatliche Maßnahme handeln, sondern sie muss auch selektiv sein und somit das Gleichgewicht zwischen dem begünstigten Unternehmen und seinen Wettbewerbern beeinträchtigen. Durch diese Selektivität unterscheiden sich staatliche Beihilfemaßnahmen von Maßnahmen, die auf die Förderung die Wirtschaft insgesamt abzielen und generell allen Unternehmen in allen Wirtschaftssektoren eines Mitgliedstaats zugute kommen. Solange sie nicht einen bestimmten Wirtschaftszweig begünstigen, entsprechen solche allgemeinen Maßnahmen den Entscheidungsbefugnissen der Mitgliedstaaten in wirtschaftspolitischen Fragen. Demzufolge handelt es sich bei Maßnahmen mit sektorübergreifender Wirkung, die im gesamten Gebiet des Mitgliedstaats in gleicher Weise anwendbar sind und auf die Förderung der Wirtschaft insgesamt abzielen, nicht um staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1.

367. In der Sache Adria-Wien Pipeline GmbH hatte der österreichische Verfassungsgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung des Artikels 87 vorgelegt, bei dem es um die Frage ging, ob gesetzliche Maßnahmen eines Mitgliedstaates, die eine teilweise Vergütung von Energieabgaben auf Erdgas und elektrische Energie vorsehen, diese Vergütung aber nur Unternehmen gewähren, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen sind. Das Gericht erkannte, dass das in den nationalen Vergütungsvorschriften angewandte Kriterium zwar objektiv ist, aber nicht mit der Natur oder dem inneren Aufbau dieser Vorschriften gerechtfertigt werden kann, so dass die Maßnahme dennoch als staatliche Beihilfe anzusehen ist.

368. Dagegen ist die Kommission in ihrer Entscheidung über das italienische Gesetz zur Legalisierung des Status der in der Schattenwirtschaft tätigen Unternehmen und Arbeitnehmer zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich dabei um eine allgemeine Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag handelt [269]. Die Maßnahme umfasst Steuererleichterungen und eine Senkung der Sozialabgaben für Unternehmen, die illegal Arbeitskräfte beschäftigt haben und ihrer gesetzlichen Pflicht zur Zahlung von Steuern und Sozialabgaben nicht oder nur teilweise nachgekommen sind. Die Regelung gilt branchenunabhängig in allen Landesteilen. Von der Kommission wurde festgestellt, dass systematische Diskriminierung nicht vorliegt, da die Maßnahmen weder bestimmten Unternehmen zugute kommen noch die Behörden über Ermessensbefugnis hinsichtlich ihrer Anwendung verfügen.

[269] Sache N 674/2001, Entscheidung der Kommission vom 13.11.2001 (noch nicht veröffentlicht).

369. Die in Belgien angewandten Maßnahmen zur Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung im Falle einer entsprechenden Gestaltung der Arbeitszeit wurden ebenfalls als allgemeine Maßnahmen eingestuft [270]. Die Regelung gilt automatisch für alle in Belgien ansässigen Unternehmen und für sämtliche in privaten oder eigenständigen öffentlichen Unternehmen tätigen Arbeitnehmer, die staatlichen Behörden verfügen bei ihrer Anwendung über keinerlei Ermessensbefugnis, und die Regelung weist weder rechtlich noch tatsächlich sektorale, regionale oder sonstige Besonderheiten auf.

[270] Sache N 232/2001, Entscheidung der Kommission vom 3.7.2001 (ABl. C 268 vom 22.9.2001).

370. In ihrem Beschluss über die im Vereinigten Königreich angewandte Klimaänderungsabgabe [271] (siehe ,Umweltschutzbeihilfen") stellte die Kommission fest, dass die Befreiung von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen von der Abgabe nicht selektiv ist und daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

[271] Sache C 18/2001 (ex N 123/2000), Entscheidung der Kommission vom 28.3.2001 (ABl. C 185 vom 30.6.2001).

371. Die in Deutschland geltende Regelung, nach der Unternehmen verpflichtet sind, Rückstellungen für künftige gesetzliche Verpflichtungen zu bilden, war Anlass für eine Beschwerde wegen der Anwendung dieser Regelung auf Kernkraftwerke und deren Rückstellungen für die Stillegung und die Abfallentsorgung [272]. Die Kommission stellte fest, dass nach dem deutschen Handelsgesetzbuch alle Unternehmen verpflichtet sind, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Diese Regelungen gelten in gleichem Maße für alle Unternehmen und können nicht durch Ermessensentscheidungen des Staates beschränkt werden. Sie stellen daher allgemeine Maßnahmen dar und entziehen sich dem Zugriff der Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen. Die Kommission erklärte, dass die Rückstellungsvorschriften durch die Natur oder den inneren Aufbau des deutschen Systems der Unternehmensbesteuerung gerechtfertigt sind.

[272] Sache NN 137/2001, Entscheidung der Kommission vom 11.12.2001 (noch nicht veröffentlicht).

372. In ihrer Entscheidung zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens in Bezug auf die Konzerneigenen Versicherungsgesellschaften der Åland-Inseln (C55/2001) vertrat die Kommission die Auffassung, dass das Kriterium der Selektivität erfuellt sein könnte, da die Begünstigten einer Absenkung des Körperschaftsteuersatzes ausschließlich konzerneigene Versicherungsgesellschaften sind, die nur ein Segment des Versicherungsgeschäfts darstellen.

373. Im Rahmen ihrer vorläufigen Würdigung der niederländischen Regelung für internationale Finanzierungstätigkeiten (C51/2001- 11. Juli 2001), mit der Steuervergünstigungen in Verbindung mit internationalen Aktivitäten gewährt werden, stellte die Kommission ebenfalls fest, dass es sich um eine selektive Maßnahme handelt, da sie ausschließlich Unternehmensgruppen zugute kommt, die bestimmte Finanzierungstätigkeiten in mindestens vier Ländern oder auf mindestens zwei Kontinenten ausüben. International tätige Unternehmensgruppen, die die oben genannten Kriterien nicht erfuellen, kommen nicht in den Genuss der Maßnahme.

374. Der selektive Charakter einer Maßnahme kann auch auf der Nationalität eines Unternehmens beruhen - Kontroll- und Koordinierungsstellen ausländischer Konzerne in Deutschland (C47/2001), Steuerbefreiung bzw. Steuervorteile für bestimmte Unternehmen in Gibraltar (C52/2001 und C53/2001).

4. Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten

375. In einer Rechtssache [273] betreffend die Beihilfen zugunsten von Güterkraftverkehrsunternehmen der Region Friaul-Julisch-Venetien bestätigte das Gericht erster Instanz seine Rechtsprechung in Bezug auf zwei Bedingungen für die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag, nämlich die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und die Verzerrung des Wettbewerbs. Das Gericht erster Instanz wies darauf hin, dass diese zwei Bedingungen im Allgemeinen untrennbar miteinander verbunden sind. Insbesondere muss, wenn eine staatliche Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel verstärkt, dieser als von der Beihilfe beeinträchtigt erachtet werden.

[273] EuGEI 4. April 2001, Regione autonoma Friuli Venezia Giulia/Kommission, Rechtssache T-288/97, noch nicht registriert.

376. In dem betreffenden Fall erinnerte das Gericht erstens daran, dass nach gefestigter Rechtsprechung auch eine relativ geringfügige Beihilfe den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, wenn - wie im Güterkraftverkehr - in der Branche ein lebhafter Wettbewerb herrscht. Zweitens reicht es für die Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag aus, dass die Beihilfe den Wettbewerb zu verfälschen droht und geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Es oblag somit nicht der Kommission nachzuweisen, dass die strittigen Beihilfen die Wettbewerbsstellung bestimmter Transportunternehmen beeinträchtigt hatten. Darüber hinaus wies das Gericht erster Instanz darauf hin, dass der örtlich begrenzte Charakter der Geschäftstätigkeit der meisten der beihilfebegünstigten Unternehmen kein Kriterium ist, das eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels und eine Wettbewerbsverzerrung in der Zeit nach der teilweisen Öffnung des Kabotagemarkts ausschließen könne. Die Beihilfe hat die Finanzlage und die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs der Region Friaul-Julisch-Venetien gegenüber den Wettbewerbern gestärkt.

C - Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt

1. Horizontale Beihilfen

1.1. Forschung und Entwicklung

377. Die Kommission erklärte ein italienisches Beihilfevorhaben zur Unterstützung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der nicht-fluechtigen Flash Memories für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, da es mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen in Einklang steht [274]. Auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das begünstigte Unternehmen, ST Microelectronics, industrielle Forschung betreibt. Sie stufte den Teil des Projekts, der die Entwicklung der neuen Fertigungsverfahren betrifft, als vorwettbewerblich ein.

[274] Sache N 32/2000, Entscheidung der Kommission vom 11.4.2001, (ABl. C 199 vom 14.7.2001).

378. Die Kommission hat stets die Ansicht vertreten, dass ein vom Staat gewährter Vorschuss, auch wenn er im Falle des Erfolgs zurückgezahlt werden muss, eine staatliche Beihilfe darstellt. Daher hat sie den vom Vereinigten Königreich notifizierten Vorschuss für ein FuE-Vorhaben von Rolls-Royce gemäß dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen untersucht. Nach Auffassung der Kommission kann das FuE-Vorhaben hinsichtlich der Marktnähe teilweise als vorwettbewerblich eingestuft werden. Auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens kam die Kommission zu dem Schluss, dass in Anbetracht der hohen technischen Risiken staatliche Beihilfen erforderlich sind, und erkannte daher an, dass die betreffenden Beihilfen Anreizwirkung haben. Da alle anderen Kriterien des FuE-Gemeinschaftsrahmens erfuellt waren, erklärte die Kommission die Beihilfe als mit dem EG-Vertrag vereinbar.

379. Die Kommission genehmigte mehrere FuE-Vorhaben auf dem Gebiet der Lithografie, die im Hinblick auf die Verfeinerung der Strukturen integrierter Schaltkreise eine Schlüsselrolle spielt. [275]

[275] Sache N 430/2001, Entscheidung der Kommission vom 30.10.2001, (noch nicht veröffentlicht), Sache N 433/2001, Entscheidung der Kommission vom 30.10.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache N 801/2000, Entscheidung der Kommission vom 18.7.2001 (ABl. C 333 vom 28.11.2001). In den beiden ersten Entscheidungen stellte die Kommission ausdrücklich fest, dass die Beihilfevorhaben auch auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag hätten genehmigt werden können, da sie als wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne dieser Bestimmung betrachtet werden könnten.

1.2. Beschäftigung, Ausbildung und Arbeitsbedingungen

380. Im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik notifizierte Dänemark ein Job-Rotations-System [276], bei dem Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer einen Zuschuss für einen Teil der Lohnkosten erhalten können, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen eines Job-Rotations-Systems an Bildungs- bzw. Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt. Das bedeutet, dass ein Arbeitsloser, der Arbeitslosenunterstützung erhält, die Arbeit des Beschäftigten übernimmt, der für eine Ausbildungsmaßnahme vorübergehend freigestellt wird. Letzterer übernimmt, nachdem er die Maßnahme abgeschlossen hat, eine andere Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber, und der neu eingestellte Arbeitnehmer kann in dem Beschäftigungsverhältnis verbleiben. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass diese Regelung nicht zu einer Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige führt und demzufolge nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Diese Regelung ist in Verbindung mit einer vorangegangenen Entscheidung der Kommission über einen Beschäftigungszuschuss zu betrachten, mit dem ein Teil des Lohns neu eingestellter Arbeitskräfte getragen wird [277]. Zusammen genommen sind beide Regelungen ein Beispiel dafür, wie Fortbildung und Beschäftigung im Rahmen der nationalen Arbeitsmarktpolitik miteinander verbunden werden können.

[276] Sache N 236/2001, Entscheidung der Kommission vom 25.7.2001 (ABl. C 268 vom 22.9.2001).

[277] Sache N 357/1996 (ABl. C 67 vom 4.3.1997) geändert in Sache N 142/1999 (ABl. C 151 vom 29.5.1999).

381. Um die Arbeitgeber zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfelds über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu ermutigen, hat Dänemark eine Regelung erlassen und sie der Kommission gegenüber notifiziert, nach der Unternehmen, die an Land (einschließlich Unternehmen, die Straßenbeförderungsleistungen erbringen) tätig sind (im Gegensatz zum Unternehmen, die Leistungen im Bereich Offshore, Wasser und Luft) erbringen, einen Zuschuss als Ausgleich für die geltende Umweltsteuer und zur Deckung der Kosten für das Zertifizierungsverfahren erhalten können [278]. Die Kommission stimmt dem Argument zu, dass die Unterscheidung zwischen auf dem Festland tätigen und anderen Unternehmen durch die Art und die allgemeine Gestaltung des Systems gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus hat die Zertifizierungsstelle nicht die Möglichkeit, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige zu begünstigen. Daher wurde festgestellt, dass die Maßnahme nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. In Bezug auf die Befreiung von Unternehmen mit besonderen Umweltschutzproblemen von den Gebühren für kostenpflichtige Inspektionen gelangte die Kommission zu der Entscheidung, dass diese Regelung keinen Einnahmeverlust bzw. keine Mehrkosten für den Staat zur Folge hat. Dementsprechend fällt auch diese Maßnahme nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

[278] Sache N 246/2001, Entscheidung der Kommission vom 19.9.2001 (nocht nicht veröffentlicht).

1.3. Umwelt

382. Die Kommission hatte mehrere Gelegenheiten zur Anwendung des neuen Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen, der im Dezember 2000 grundsätzlich angenommen und am 3. Februar 2001 im Amtsblatt veröffentlicht wurde [279]. Angeregt durch das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, das im Dezember 1997 angenommen wurde, versuchen einige Mitgliedstaaten, die Treibhausgasemissionen durch die Besteuerung umweltbelastender Energie zu verringern. So hat beispielsweise das Vereinigte Königreich eine Klimaänderungsabgabe auf die gewerbliche Nutzung von Energie eingeführt. Für mehrere Begünstigte sind für einen Zeitraum von zehn Jahren verminderte Abgabensätze bzw. eine vollständige Freistellung von der Abgabe vorgesehen.

[279] ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

383. Die vom Vereinigten Königreich notifizierte Freistellung von der Klimaänderungsabgabe bzw. Minderung der Abgabensätze [280] warf eine Reihe beihilferechtlicher Fragen auf, von denen eine (die Freistellung von Brennstoffen mit doppeltem Verwendungszweck) zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens führte.

[280] Sache C 18/2001 (ex N 123/2000), Entscheidung der Kommission vom 28.3.2001 (ABl. C 185 vom 30.6.2001).

384. Im Hinblick auf Energieversorgungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energieträgern wie Windkraft, Wasserkraft (bis zu 10 MW), Gezeitenkraft, Wellenkraft usw. beziehen, hat die Kommission in der niederländischen Sache ,Grüner Strom" [281] dem Argument zugestimmt, dass die Freistellung durch die Art und den allgemeinen Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt ist. Da die Erzeugung von ,grünem Strom" nicht zur Emission von langfristig in der Atmosphäre verbleibendem CO2 beiträgt, wird logischerweise keine CO2-Steuer erhoben. Daher fällt die Steuerbefreiung nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag. Die Kommission hat jedoch die Prüfung der vom Vereinigten Königreich und den Niederlanden angewandten Maßnahmen nach dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen fortgeführt.

[281] Sache NN 30/B/2000, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht).

385. In Bezug auf die im Vereinigten Königreich erhobene Abgabe wurde die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erstmals auf der Grundlage der Vorschriften für Betriebsbeihilfen in Form von Steuernachlässen und -befreiungen geprüft, die Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Mitgliedstaat und den begünstigten Unternehmen sind [282]. Im Falle der niederländischen Regelung für ,grünen Strom" wurde die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt auf der Grundlage der Vorschriften für bestehende Steuern geprüft. Da sämtliche Bedingungen des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen vollständig erfuellt waren, erhob die Kommission keine Einwände gegen derartige Steuerbefreiungen.

[282] Siehe hierzu auch Sache N 840/A/2000, Entscheidung der Kommission vom 6.6.2001 und Korrigendum, Entscheidung der Kommission vom 17.10.2001 (ABl. C 358 vom 15.12.2001).

386. Die zweite Notifizierung des Vereinigten Königreichs in diesem Bereich, die von besonderem Interesse ist, beschränkt sich auf die Freistellung von der Klimaänderungsabgabe für Erdgas in Nordirland für einen Zeitraum von fünf Jahren [283]. Die Kommission trug der Tatsache Rechnung, dass sich der Erdgasmarkt in Nordirland in einer besonderen Lage befindet, d. h. es handelt sich um eine junge Branche (seit 1996 bestehend), die Erdgaspreise sind 40 % bis 70 % höher als im übrigen Vereinigten Königreich, es fehlt die einschlägige Infrastruktur, und der Anteil des Erdgasverbrauchs ist sehr gering (2,4 %). Die Kommission erkannte an, dass eine Klimaänderungsabgabe auf Erdgas weitere Hindernisse für diesen ohnehin unsicheren, aber im Hinblick auf den Umweltschutz vorzuziehenden Markt schaffen würde und dass die erfolgreiche Umorientierung der Unternehmen auf die Verwendung von Erdgas anstelle von Kohle, Erdöl oder Elektroenergie aufgrund des derzeit noch relativ geringen Anteils von Erdgas am Energieverbrauch insgesamt zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissionen führen kann. Auch das Argument des Vereinigten Königreichs, dass die Entwicklung einer Erdgasinfrastruktur nur dann vorankommen kann, wenn es einen gewerblichen Markt für Erdgas gibt, ließ die Kommission gelten. Indem die Kommission vorteilhafte Bedingungen für die Entwicklung einer entsprechenden Nachfrage genehmigt, unterstützt sie mit ihrer Entscheidung indirekt auch den Auf- und Ausbau einer Erdgasinfrastruktur in Nordirland.

[283] Sache N 660/A/2000, Entscheidung der Kommission vom 18.7.2001 (ABl. C 263 vom 19.9.2001).

387. Im Rahmen einer auf die flämische Region begrenzten belgischen Maßnahme werden für die Erzeuger von Ökostrom grüne Zertifikate eingeführt. Obwohl die Kommission zu dem Schluss gekommen war, dass die Ausfertigung derartiger Zertifikate durch die flämischen Behörden keine staatlichen Mittel beinhaltet (siehe ,Herkunft der Mittel"), führte sie die Prüfung der notifizierten Maßnahme auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen fort und erklärte sie für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar [284]. Derselbe Ansatz wurde im Hinblick auf Maßnahmen des Vereinigten Königreichs angewandt, denen zufolge Elektrizitätsversorgungsunternehmen in Schottland, England und Wales sicherstellen müssen, dass ein bestimmter Anteil der den Verbrauchern in Großbritannien gelieferten Elektrizität aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wird [285]. Darüber hinaus sehen die britischen Maßnahmen vor, dass Versorgungsunternehmen, die nicht auf einen entsprechenden Anteil an grünen Zertifikaten kommen, in einen vom Staat eingerichteten und verwalteten Fonds einzahlen müssen. Die Einnahmen dieses Fonds werden an die Versorgungsunternehmen verteilt. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass der Umverteilungsmechanismus eine staatliche Beihilfe darstellt. Da die Bestimmungen für den Umverteilungsmechanismus jedoch mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen im Einklang stehen, erklärte sie die Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

[284] Sache N 550/2000, Entscheidung der Kommission vom 25.7.2001 (ABl. C 330 vom 24.11.2001).

[285] Sache N 504/2000, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht).

388. Das vom Vereinigten Königreich notifizierte System für den Handel mit Emissionsrechten, mit dem zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beigetragen werden soll, wurde für mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen vereinbar befunden [286]. Das Handelssystem ermöglicht es Unternehmen, die sich im Rahmen unterschiedlicher Mechanismen Emissionsziele gesetzt haben, die Emissionsrechte untereinander und mit anderen Teilnehmern zu handeln. Die Emissionsrechte werden den Teilnehmern kostenlos erteilt. Die notifizierte Regelung ist auch deshalb interessant, weil Großbritannien, abgesehen vom System für den Handel mit Emissionsrechten, den Unternehmen auch Beihilfen für absolute Emissionssenkungen gewährt, für die auf einer Auktion Gebote abgegeben werden. Das Vereinigte Königreich machte geltend, dass diese Beihilfen als Anreizmaßnahme erforderlich sind, und die Kommission erklärte sie für mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen vereinbar, solange es diesbezüglich kein EU-weites obligatorisches Konzept gibt.

[286] Sache N 416/2001, Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001 (noch nicht veröffentlicht).

1.4. Rettung und Umstrukturierung

389. 1999 schlug die Kommission allen Mitgliedstaaten zweckdienliche Maßnahmen im Zusammenhang mit den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten vor, die von allen Mitgliedstaaten angenommen wurden. Eine der Maßnahmen bestand darin, die in einigen Mitgliedstaaten bestehenden Beihilferegelungen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten mit den neuen Leitlinien in Einklang zu bringen. Im Jahr 2000 musste die Kommission mit mehreren Mitgliedstaaten bilaterale Gespräche im Hinblick auf die Abänderung bestehender Beihilferegelungen führen. Zu Deutschland [287], wo es die meisten derartigen Regelungen gibt, stellten die Kommissionsdienststellen 2001 fest, dass die fraglichen Beihilferegelungen an die neuen Leitlinien angepasst wurden.

[287] Sachen E 4/2001 (ex N 297/01, ex N 81/93), E 5/2001 (ex N 591/90), E 6/2001 (ex N 77/90), E 7/2001 (ex N 18/93), E 8/2001, E 9/2001 (ex N 512/91), E 10/2001 (ex N 594/91), E 11/2001 (ex N 627/91), E 12/2001 (ex N 255/90), E 13/2001 (ex N 155/88), E 14/2001 (ex N 442/91), E 15/2001 (ex N 24/95), E 16/2001 (ex N 73/93), E 17/2001 (ex N 413/91), E 18/2001 (ex NN 81/90), E 20/2001 (ex N 18/83), E 21/2001 (ex N 81/95, ex N 851/96), E 22/2001 (ex N 901/96), E 23/2001 (ex N 181/95, ex N 79/98), E 24/2001 (ex N 400/94, ex N 997/95), E 25/2001 (ex N 219/96), E 26/2001 (ex N 75/95, ex N 420/97, ex NN 106/97), E 27/2001 (ex N 599/96), E 28/2001 (ex N 181/97, ex N 117/95, ex N 767/95), E 29/2001 (ex N 711/95, ex N 618/96), E 30/2001 (ex N 629/96), E 31/2001 (ex N 337/96), E 32/2001 (ex N 452/97), E 33/2001 (ex NN 74/95, ex N 370/97), E 34/2001 (ex N 183/94).

390. Am 28. März 2001 hat die Europäische Kommission mit der Sache C 41/99 die Untersuchung eines der größten und schwierigsten ostdeutschen Beihilfefälle abgeschlossen. Im März 1996 genehmigte die Kommission Beihilfen für die Lintra Beteiligungsholding GmbH und ihre acht Tochterunternehmen. Der Plan zur Privatisierung der Gruppe schlug jedoch fehl. Die Kommission stellte nun fest, dass ein Betrag von 623 Mio. DEM gemäß dem Umstrukturierungsplan für die Gruppe gewährt wurde und mit der Entscheidung der Kommission zur Genehmigung von Beihilfen in Einklang stand. Dagegen war der Betrag von 35 Mio. DEM missbräuchlich verwendet worden und ist von den Begünstigten, der Lintra Holding und ihren Tochtergesellschaften, zurückzufordern. Die staatlichen Beihilfen zugunsten verschiedener Lintra-Tochtergesellschaften werden in gesonderten Verfahren geprüft.

391. Am 8. Mai 2001 genehmigte die Europäische Kommission in der Sache C 1/2000 ein nachrangiges Darlehen der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (,KfW") in Höhe von 76,7 Mio. EUR (150 Mio. DEM) sowie eine Bundesbürgschaft in Höhe von 80 % zu einem Kredit von 63,9 Mio. EUR (125 Mio. DEM) für das deutsche Bauunternehmen Philipp Holzmann AG. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen geeignet sind, die langfristige Rentabilität des Unternehmens wiederherzustellen und frühere Fehler zu vermeiden. Im Rahmen ihres Verfahrens hat die Kommission auch die Ende 2000 für ein Jahr im Zusammenhang mit einer Modifizierung des ursprünglichen Plans gewährte Kreditlinie der Kreditanstalt für Wiederaufbau 125 Mio. DEM (63,9 Mio. EUR) geprüft und genehmigt.

392. Am 3. Juli 2001 traf die Europäische Kommission in der Sache C 33/98 eine teilweise ablehnende Entscheidung in Bezug auf Beihilfen zugunsten der Babcock Wilcox España (,BWE"). Im April 1998 hatte die Kommission im Rahmen der Beihilfevorschriften des EG-Vertrags wegen zwei Kapitalerhöhungen von je 60,1 Mio. EUR (10 000 Mio. ESP), die die Sociedad Estatal de Participaciones Industriales (SEPI) ihrer hundertprozentigen Tochter BWE 1994 bzw. 1997 gewährt hatte, ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet. Im Juli 1999 beschloss die Kommission eine Ausweitung des Verfahrens, da die spanische Regierung inzwischen eine weitere Kapitalerhöhung in Höhe von 246,4 Mio. EUR (41 000 Mio. ESP) angemeldet hatte. Im Juli 2000 weitete die Kommission das Verfahren erneut aus, um auch die im Rahmen der Privatisierungsvereinbarung zwischen SEPI und Babcock Borsig AG vorgesehene Beihilfe in Höhe von insgesamt 463,5 Mio. EUR (77 110 Mio. ESP) in ihre Prüfung einzubeziehen. Die Kommission beschloss, die Beihilfe von 21,44 Mio. EUR zu untersagen, die die spanischen Behörden dem Unternehmen für künftige Investitionen in das Kapital von Gemeinschaftsunternehmen, über die es seine Aufträge erhalten wird, gewähren wollten. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass derartige Investitionen im Gegensatz zu anderen geförderten Investitionen, die der Unternehmensplan enthält, sehr marktnah sind und einen Teil der Vertriebspolitik des Unternehmens darstellen, so dass eine Förderung durch den Staat den Wettbewerb in einem nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbaren Maße beeinträchtigen könnte.

393. Am 30. Oktober 2001 traf die Europäische Kommission in der Sache C 62/2000 nach einer eingehenden Untersuchung, die im Juni 2000 begonnen hatte, eine endgültige ablehnende Entscheidung über staatliche Beihilfen zugunsten des thüringischen Porzellanherstellers Graf von Henneberg GmbH. Die Kommission ordnete die Rückzahlung von etwa 71,3 Mio. EUR (139,4 Mio. DEM) an, die als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare und unzulässige Beihilfen eingestuft wurden. Im Einklang mit ihrer gängigen Verwaltungspraxis hat die Kommission festgelegt, dass das jetzige Unternehmen Graf von Henneberg gemeinsam mit seinem Rechtsvorgänger für die Rückzahlung der mit dem EU-Recht unvereinbaren Beihilfen haftet.

2. Regionalbeihilfen

394. Die Kommission hat die förmliche Prüfung des Investitionszulagengesetzes 1999 zugunsten der neuen Bundesländer und Berlins mit einer Positiventscheidung abgeschlossen [288]. Das Gesetz stellt die wichtigste Förderregelung für ostdeutsche Unternehmen dar. Möglich wurde die befürwortende Entscheidung durch mehrere während des Prüfverfahrens verabschiedete Änderungsgesetze. Insbesondere stimmte Deutschland der Unterscheidung zwischen Erstinvestitionen, für die Investitionsbeihilfen gewährt werden können, und Ersatzinvestitionen, die als Betriebsbeihilfen einzustufen sind, zu. Für letztere wurden die speziellen Bestimmungen für Betriebsbeihilfen aufgenommen (Beihilfeintensität von höchstens 5 %, nach dem 31. Dezember 2004 werden keine Betriebsbeihilfen mehr gewährt). Darüber hinaus wurden die deutschen Vorschriften dahingehend geändert, dass die Fördergebiete und Beihilfehöchstintensitäten den Entscheidungen der Kommission über die deutsche Fördergebietskarte entsprechen (die Beihilfehöchstintensitäten liegen zwischen 10 % und 27,5 %, je nachdem, ob das begünstigte Unternehmen ein KMU und/oder in einer INTERREG-III-Region an der Grenze zur Tschechischen Republik oder zu Polen angesiedelt ist). In dieser Hinsicht bedarf die Arbeitsmarktregion Berlin einer gesonderten Prüfung. Die Arbeitsmarktregion Berlin besteht aus dem Land Berlin und seinem (zum Land Brandenburg gehörenden) Umland und wird im Gegensatz zu den ostdeutschen Bundesländern, die Gebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag sind, als Gebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag eingestuft. Daher ist für die Arbeitsmarktregion Berlin für Investitionsbeihilfen eine Beihilfeintensität von höchstens 20 % einzuhalten und es dürfen keine Betriebsbeihilfen gewährt werden.

[288] Sache C 72/98 (ex N 702/97), N 671/99, E5/98, Entscheidung der Kommission vom 28.2.2001 (noch nicht veröffentlicht).

395. Für die Genehmigung der wichtigsten Beihilferegelung für die flämische Region [289] durch die Kommission war es nicht erforderlich, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Die Beihilferegelung für große und mittlere Unternehmen in Regionalfördergebieten nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag (Wirtschaftsexpansionsgesetz vom 30.12.1970) zielt vor allem auf die Förderung von Unternehmensinvestitionen ab. Im Rahmen dieser Regelung genehmigte die Kommission die Gebäudemiete als beihilfefähige Investitionskosten, d. h. als Anlagekosten und nicht als laufende Ausgaben eines Unternehmens, sofern folgende Bedingungen erfuellt sind: Die Mietverträge sind in der Bilanz des begünstigten Unternehmens als Anlagevermögen auszuweisen, der Mieter schreibt die Mietsachen ab, der Mietvertrag hat eine Geltungsdauer von mindestens fünf Jahren und umfasst nicht die laufenden Ausgaben (z. B. Instandhaltungskosten, Versicherungskosten usw.).

[289] Sache N 715/2000, Entscheidung der Kommission vom 21.12.2000, Schreiben an den Mitgliedstaat vom 7.2.2001 (ABl. C 244 vom 1.9.2001).

396. Die Kommission hat im Rahmen der britischen Regelung zur gezielten Regionalförderung [290] erneut die Gebäudemiete als Anlagekosten eingestuft. Dies wurde von folgenden Bedingungen abhängig gemacht: Der Mietvertrag muss eine Geltungsdauer von mindestens acht Jahren haben und darf nur das Gebäude betreffen, d. h. unter Ausschluss sämtlicher Betriebsnebenkosten wie Umlagen, Gebühren für Gemeinschaftsleistungen, Versicherungen, Instandsetzungsleistungen, Leistungen der Versorgungsbetriebe usw. Zur Berechnung der Miete wird durch Abzinsen der Mietzahlungen eines Zeitraums von mindestens acht Jahren der Kapitalwert der Mietverpflichtungen ermittelt.

[290] Sache N 731/2000, Entscheidung der Kommission vom 25. April 2001 (ABl. C 211 vom 28.7.2001).

397. Eine von Italien notifizierte Beihilferegelung [291] hat eine interessante Diskussion über die Definition des Begriffs ,Erstinvestitionen" ausgelöst. Im Zusammenhang mit der steuerlichen Regelung wurde nicht ausdrücklich auf Erstinvestitionen gemäß Ziff. 4.4 und 4.6 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung verwiesen. Es wird jedoch eine technische Definition vorgeschlagen, nach der die Beihilfe für Nettoinvestitionen gewährt wird, das heißt die Differenz zwischen den Bruttoinvestitionen eines Unternehmens in neue Anlagegüter während eines Bezugszeitraums (die der Erhöhung der Produktionskapazität des Unternehmens entsprechen) und sämtlichen Verkäufen und Abschreibungen von Aktiva des Unternehmens während desselben Zeitraums (die der Verringerung der Produktionskapazität des Unternehmens entsprechen). Die Regelung sieht also vor, zur Ermittlung der Investitionen die Ersatzinvestitionen, die zur Wiederherstellung der durch Verkäufe und Abschreibungen von Aktiva während eines bestimmten Zeitraums geminderten Produktionskapazität getätigt werden, vom Gesamtbetrag der Bruttoinvestitionen abzuziehen. Auf der Grundlage dieser Definition hat die Kommission anerkannt, dass die beihilfefähigen Investitionen Erstinvestitionen im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung entsprechen.

[291] Sache N 646/A/2000, Entscheidung der Kommission vom 13.3.2001 (ABl. C 149 vom 19.5.2001).

398. Dagegen hat die Kommission entschieden, dass die in bestimmten spanischen Steuergesetzen [292] verwendete Definition (Investitionen für neue Anlagen) nicht für Investitionsbeihilfen im Sinne der einschlägigen Leitlinien gelten kann, da sie Ausgaben zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen betrifft, die als Betriebsbeihilfen eingestuft werden.

[292] Sachen C 48/1999, C 53/1999 und C 54/1999, siehe unten.

399. Die Kommission musste in sieben Fällen das förmliche Prüfverfahren wegen nicht notifizierter spanischer Beihilferegelungen [293] einleiten. Das Argument, dass die Steuerbefreiungen durch die Natur und den Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt werden können, wurde von der Kommission abgelehnt. In drei Fällen [294] widerlegte die Kommission das Argument, dass die betreffende Beihilferegelung als bestehende Beihilfe zu betrachten sei. Die Kommission stellte fest, dass neue Beihilfen vorliegen, da die geprüften Regelungen entweder erheblich abgewandelt worden waren oder überhaupt nicht mit den vor dem Beitritt Spaniens zu EU bestehenden steuerlichen Regelungen zu tun hatten. In drei Fällen (Steuergutschriften von bis zu 45 % des Investitionsbetrags [295]) stufte die Kommission die Beihilfen teilweise als Investitionsbeihilfen und teilweise als Betriebsbeihilfen ein, und in vier Fällen (Steuerbefreiung, d. h. die Reduzierung der Bemessungsgrundlage in vier aufeinander folgenden Steuerjahren [296]) vertrat sie die Auffassung, dass es sich um Betriebsbeihilfen handelt. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass sämtliche Regelungen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind und unter keine der im Vertrag vorgesehenen Ausnahmen fallen. Spanien wurde aufgefordert, die unrechtmäßig gewährten Beihilfen zurückzufordern.

[293] Sache C 48/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 49/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 50/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 51/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 52/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 53/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht), Sache C 54/1999, Entscheidung der Kommission vom 11.7.2001 (noch nicht veröffentlicht).

[294] Sache C 48/1999, C 53/1999, C 54/1999, siehe oben.

[295] Sache C 48/1999, C 53/1999, C 54/1999, siehe oben.

[296] Sache C 49/1999, C 50/1999, C 51/1999, C 52/1999, siehe oben.

400. Im Jahr 1998 schlug die Kommission allen Mitgliedstaaten zweckdienliche Maßnahmen im Zusammenhang mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung vor. 1999 bzw. 2000 musste die Kommission mit mehreren Mitgliedstaaten bilaterale Gespräche im Hinblick auf die Abänderung der bestehenden Regionalbeihilferegelungen unter Berücksichtigung des genauen Wortlauts und der Bedeutung der Bestimmungen der einschlägigen Leitlinien aufnehmen. Was Italien [297] und Deutschland [298] betrifft, so wurde in diesem Jahr die diesbezügliche Verwaltungszusammenarbeit in einer beachtlichen Zahl von Fällen durch ein Schreiben der Kommissionsdienststellen abgeschlossen, mit dem die Anpassung der fraglichen Regionalbeihilferegelungen an die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zur Kenntnis genommen wurde.

[297] Sachen N 272/98, NN 132/93, N 307/96, NN 61/93, NN 88/93, N 26/98, N 487/95, N 747/97, N 659/a/97, N 288/96, C 27/89.

[298] Sachen N 711/95, N 618/96.

401. Darüber hinaus nahm die Kommission eine Reihe von Entscheidungen nach dem multisektoralen Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben an [299]. Am 8. Mai 2001 beschloss die Europäische Kommission in der Sache N 783/2000, keine Einwände gegen die geplante Beihilfe in Höhe von 119 080 000 EUR zugunsten der Wacker Chemie GmbH Nünchritz für die Erweiterung und Modernisierung des früheren Hüls AG Silikonwerks zu erheben. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die geplante Beihilfeintensität von 26,77 % BSÄ unter der nach dem multisektoralen Beihilferahmen für dieses Vorhaben zulässigen Hoechstintensität bleibt. Bei der Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe hat die Kommission die Marktlage, die Zahl der direkt geschaffenen Arbeitsplätze und die positiven Auswirkungen der Investition auf die Wirtschaft der Region berücksichtigt, die zu den regionalen Fördergebieten zählt [300]. Am 18. Juli 2001 genehmigte die Europäische Kommission in der Sache N 184/2000 eine Beihilfe von 27,6 Mio. EUR für eine Investition der Kartogroup in Leuna (Sachsen-Anhalt). Die Investition betrifft die Errichtung einer Anlage zur Herstellung von Toilettenpapier und Küchenkrepp. Die gesamten Investitionskosten belaufen sich auf 85 Mio. EUR (166 Mio. DEM). Die genehmigte Beihilfe entspricht 35 % der beihilfefähigen Investitionskosten. Durch das Investitionsvorhaben sollen 154 Dauerarbeitsplätze in einem Gebiet geschaffen werden, das unter hoher Arbeitslosigkeit leidet. Die Kommission hat die Beihilfe genehmigt, weil sie ihres Erachtens dem multisektoralen Beihilferahmen für große Investitionsvorhaben entspricht.

[299] ABl. C 107 vom 7.4.1997, S. 1.

[300] Die regionale Beihilfehöchstgrenze in dem betreffenden Fördergebiet liegt bei 35 % BSÄ (Bruttosubventionsäquivalent) für große Unternehmen.

3. Sektorbezogene Beihilfen

3.1. Beihilfen in Sektoren, die besonderen Vorschriften unterliegen

3.1.1. Schiffbau

402. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung EG Nr. 1540/98 des Rates zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau [301] wurden seit Anfang 2001 keine neuen Betriebsbeihilfen für den Schiffbau genehmigt.

[301] ABl. L 202 vom 18.7.1998, S. 1.

403. Gemäß ihrem Standpunkt vom 29. November setzte die Kommission ihre Doppelstrategie zur Verteidigung der europäischen Werftindustrie gegenüber der offenbar subventionierten Werftindustrie der Republik Korea um. Sie führte einerseits Untersuchungen gemäß der Verordnung über Handelshemmnisse [302] durch und bereitete das WTO-Verfahren vor, das sie gegen Korea anstrengen will, und schlug andererseits eine Verordnung zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen vor. [303]

[302] Verordnung des Rates (EG) Nr. 3286/94, ABl. L 349 vom 31.12.1994, S. 71.

[303] KOM (2001) 401 endg., ABl. C 304 E vom 30.10.2001, S. 208.

404. Bei den vorgeschlagenen befristeten Schutzmaßnahmen handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zur Unterstützung des Verfahrens, das die Kommission im Rahmen des WTO-Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen gegen Korea anstrengen will. Die Maßnahmen sollen deshalb erst angewandt werden, nachdem die Kommission das WTO-Verfahren eingeleitet hat, und nur so lange gelten, bis die Gemeinschaft und Korea in dieser Angelegenheit eine Einigung erzielt haben. Die Regelung gilt in jedem Fall nur bis zum 31. Dezember 2002.

405. Der Rat ,Industrie" vom 5. Dezember war nicht in der Lage, befristete Schutzmaßnahmen anzunehmen. Daher hat die Kommission das WTO-Verfahren gegen Korea bis jetzt noch nicht eingeleitet. Sie wird jedoch während des ersten Halbjahres 2002 ihre Untersuchungen zu den Handelshemmnissen fortführen und ihre diesbezüglichen Erkenntnisse auf den neuesten Stand bringen.

406. Am 25. Juli 2001 hat die Kommission beschlossen, die nicht notifizierte staatliche Beihilfe an die das Schiff ,Le Levant" finanzierenden Investoren als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären [304]. Das Schiff wurde von privaten Investoren finanziert und befindet sich noch in deren Eigentum. Es wird von der Firma CIL betrieben, die auch als späterer Schiffseigner vorgesehen ist. Die Investoren konnten ihre Investitionskosten nach einer einschlägigen Steuerregelung (,Loi Pons") von ihrem steuerbaren Einkommen absetzen. Die Kommission muss den Entwicklungsgehalt eines derartigen Vorhabens prüfen. In diesem Fall kam die Kommission zu dem Schluss, dass das Schiff nicht signifikant zur Entwicklung von Saint Pierre und Miquelon beitragen wird. Da die rechtswidrige Beihilfe bereits gewährt wurde, muss sie zurückgefordert werden. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Investoren als unmittelbar Begünstigte und derzeitige Schiffseigner zur Rückzahlung herangezogen werden sollten.

[304] Sache C 74/99.

407. Die Kommission hat beschlossen, eine förmliche Untersuchung im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des spanischen Schiffbausektors auf sämtliche Transaktionen auszudehnen. die zu der Gründung der Schiffbaugruppe IZAR geführt haben [305]. Sie bezweifelt, dass der Preis, der von der (später in IZAR umbenannten) staatlichen Gruppe Bazan, die Kriegsschiffe herstellt, für mehrere Werften bezahlt wurde, die sie von der Schiffe für zivile Zwecke fertigenden staatlichen Werftengruppe Astilleros Espanoles (AESA) und von der staatlichen Holding Sociedad Estatal de Participationes Industriales (SEPI) übernommen hat, den Marktbedingungen entsprach. Es könnten also Beihilfen für die neue IZAR-Gruppe vorliegen. Die Kommission bezweifelt außerdem, dass derartige Beihilfen mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen für den Schiffbau vereinbar wären. Daher beschloss die Kommission, das Prüfverfahren auszudehnen, das sie wegen einer Transaktion eingeleitet hatte, bei der AESA zwei Werften und ein Schiffsmotorenwerk an SEPI verkaufte.

[305] Sache C 40/00, Entscheidung vom 28. November 2001.

3.1.2. Stahlindustrie

408. Der 6. Stahlbeihilfenkodex, der bis zum Auslaufen des EGKS-Vertrags im Juli 2002 in Kraft bleibt, erlaubt Beihilfen nur in einem sehr beschränkten Maße. Zugelassen sind lediglich Beihilfen für Forschung und Entwicklung, Umweltschutzbeihilfen sowie bestimmte Schließungsbeihilfen.

409. Die Kommission genehmigte Umweltschutzbeihilfen für die nachstehend genannten EGKS-Stahlunternehmen: Voest Alpine Linz (1,6 Mio. EUR), Voest Alpine Donawitz (2,6 Mio. EUR), Böhler Edelstahl (348 830 EUR) und mehrere spanische Stahlunternehmen. Sie nahm eine Negativentscheidung im Hinblick auf Beihilfen zugunsten des Unternehmens BRE.M.A Warmwalzwerk (622 564 EUR) an, da die durch die Investition erzielten Einsparungen nicht in Abzug gebracht wurden, wie im Anhang des Stahlbeihilfenkodex vorgeschrieben.

410. Die Kommission genehmigte FuE-Beihilfen zugunsten der Unternehmen Corus Technology BV (166 661 EUR), Sidmar NV (505 620 EUR), Stahlwerke Bremen (290 828 EUR) und Cogne Acciai Speciale (2,58 Mio. EUR). Sie nahm eine Negativentscheidung im Hinblick auf Beihilfen zugunsten von Eko Stahl (399 004 EUR) an, da sie die Auffassung vertrat, dass dieses Unternehmen lediglich als ,Versuchsfeld" für die anderen Teilnehmer des FuE-Projekts fungieren würde.

411. Darüber hinaus nahm die Kommission zwei abschließende Entscheidungen in Bezug auf die Georgsmarienhütte Holding GmbH und die Gröditzer Stahlwerke GmbH an und kam zu dem Schluss, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag und der Verkauf von Vermögenswerten keine Beihilfen enthält.

3.1.3. Kohlebergbau

412. Derzeit fördern vier Mitgliedstaaten der EU Kohle. Aufgrund ungünstiger geologischer Bedingungen ist die in der EU geförderte Kohle in den meisten Fällen nicht mit dem Importprodukt wettbewerbsfähig, dennoch haben sich die betreffenden Mitgliedstaaten hauptsächlich aus sozialen und regionalen Erwägungen für die Unterstützung des Kohlebergbaus entschieden. Geregelt werden die staatlichen Beihilfen durch die Entscheidung Nr. 3632/93/EGKS [306], in der die Bedingungen für die Gewährung von Beihilfen definiert sind. Die Mitgliedstaaten nehmen jährlich eine Notifizierung der Beihilfen vor, und die Kommission prüft die Anträge gründlich und genehmigt sie. Diese Rahmenregelung bleibt bis zum Auslaufen des EGKS-Vertrags in Kraft.

[306] ABl. L 329/12 vom 30.12.1993.

413. Mit ihrer Entscheidung vom 25. Juli 2001 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau [307] an, die Vorschriften für die Gewährung staatlicher Beihilfen nach dem 23. Juli 2002 enthält.

[307] KOM (2001) 423 endg. (ABl. C 304 E vom 30.10.2001, S. 202).

414. Im Jahr 2001 genehmigte die Kommission Beihilferegelungen, nach denen Deutschland [308], Frankreich [309], Spanien [310] und das Vereinigte Königreich [311] dem Steinkohlenbergbau die erforderlichen staatlichen Beihilfen für das Jahr 2001 gewähren dürfen. Diese Beihilfen decken die Differenz zwischen den Produktionskosten und dem Kohlepreisniveau auf dem Weltmarkt und dienen als Ausgleich für die Zahlung von Sozialabgaben.

[308] Entscheidung der Kommission vom 21.12.2000, N1/2001,ABl. L 127 of 9.5.2001, S. 55.

[309] Entscheidung der Kommission vom 23.5.2001, N3/2001, ABl. L 239 of 7.9.2001, S. 35.

[310] Entscheidung der Kommission vom 11.12.2001, N2/2001, noch nicht veröffentlicht.

[311] Entscheidung der Kommission vom 8.5.2001, N4/2001, ABl. L 241 of 11.9.2001, S. 10. Entscheidung der Kommission vom 25.7.2001, N6/2001, ABl. L 305 of 22.11.2001, S. 27. Entscheidung der Kommission vom 17.10.2001, N7/2001et N8/2001, noch nicht veröffentlicht.

3.1.4. Kraftfahrzeugindustrie

415. Am 13. November 2001 beschloss die Kommission, die Gültigkeit des Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie (ABl. C 279 vom 15.09.1997) zu verlängern. Alle Mitgliedstaaten stimmten der Verlängerung zu, die sich auf ein Jahr, d. h. bis zum 31 Dezember 2002 erstreckt, sofern nicht der multisektorale Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben, der den sektorbezogenen Rahmen für die Kfz-Industrie ersetzen wird, vor diesem Zeitpunkt in Kraft tritt.

416. Am 17. Januar 2001 genehmigte die Europäische Kommission regionale Investitionsbeihilfen in Höhe von 40 Mio. GBP zugunsten der Nissan Motor Manufacturing Ltd [312]. Die regionale Investitionsbeihilfe soll dem Unternehmen ermöglichen, sein Werk in Sunderland (Vereinigtes Königreich) im Hinblick auf die Einführung des neuen ,Micra"-Modells umzustellen. Die anfänglichen Zweifel der Kommission, die im September 2000 zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens führten, hatten sich nicht bestätigt.

[312] Sache C 51/2000.

417. Am 6. Juni beschloss die Kommission, in Bezug auf die von den italienischen Behörden angemeldete Forschungs- und Entwicklungsbeihilfe zugunsten der IVECO S.p.A., eines Tochterunternehmens des Fiat-Konzerns, das vorwiegend im Bereich Entwicklung, Fertigung und Vertrieb von leichten Nutzfahrzeugen, Lastkraftwagen, Bussen und Dieselmotoren tätig ist, eine ablehnende abschließende Entscheidung zu treffen. Die geplante Beihilfe in Höhe von nominal 16 Mio. EUR sollte für ein Investitionsprojekt gewährt werden, das auf Erneuerung und Erweiterung der Produktpalette im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge abzielte und dessen Kosten sich auf 111 Mio. EUR beliefen.

418. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass diese Beihilfe für die Entwicklung einer neuen Serie leichter Nutzfahrzeuge unerheblich war. Zwar ermöglichte das Projekt ein im Vergleich zum Vorgängermodell verbessertes Produkt, doch ging der innovative Charakter der Investition nicht über das in der Automobilbranche bei Entwicklung und Markteinführung übliche Maß hinaus.

419. Nach den Regeln für staatliche FuE-Beihilfen können derartige Beihilfen gewährt werden, wenn sie den betreffenden Unternehmen einen Anreiz geben, über ihren normalen Betrieb hinausgehende FuE-Arbeiten durchzuführen. Würde die Entwicklung eines neuen Modells oder einer neuen Modellreihe als beihilfefähige Forschungstätigkeit betrachtet, könnte jeder Automobilhersteller für jedes von ihm auf den Markt gebrachte neue Modell FuE-Beihilfen verlangen. Damit kämen die öffentlichen Fördermittel Betriebsbeihilfen gleich und würden ihr Ziel verfehlen, nämlich Unternehmen einen Anreiz für Forschungstätigkeiten zu geben, die sie ohne Beihilfe nicht durchgeführt hätten.

420. Am 23. Oktober 2001 genehmigte die Europäische Kommission eine im Jahr 1999 erfolgte Kapitalzuführung zugunsten des spanischen Kfz-Herstellers Santana Motor, da es sich dabei nicht um staatliche Beihilfe handelte. Sie hat außerdem einer Investitionsbeihilfe für den Strategieplan 1998-2006 des Unternehmens teilweise zugestimmt.

421. Bei Kapitalzuführungen an Unternehmen, die die Vergabe öffentlicher Mittel einschließen, muss die Kommission sicherstellen, dass sie keine Elemente staatlicher Beihilfen enthalten. Hierzu führt sie eine eingehende Untersuchung durch, um festzustellen, ob die Rentabilitäts- und Wachstumsaussichten des Unternehmens die Kapitalzuführung auch in den Augen eines Privatinvestors rechtfertigen würden. In diesem Fall kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Rentabilitätsaussichten von Santana ausreichten, um die Kapitalzuführung zu rechtfertigen, weshalb diese keine staatliche Beihilfe darstellte.

422. In Bezug auf die regionalen Investitionsbeihilfen kam die Kommission zu dem Schluss, dass diese Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbaren waren, da sie unterhalb der Grenzen lagen, die eine eingehende Untersuchung gemäß den Regeln für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie erfordern. Der Hoechstbetrag der zu gewährenden Beihilfen wurde auf 8,68 Mio. EUR festgesetzt.

423. Am 28. Februar 2001 genehmigte die Europäische Kommission im Anschluss an das förmliche Prüfverfahren eine regionale Investitionsbeihilfe in Höhe von 78 Mrd. ITL (40 Mio. EUR) für die Produktion des neuen Fiat-Fahrzeugmodells ,Punto" am Standort Melfi (Süditalien). Die Kommission hat nach Prüfung der Frage, inwieweit das Investitionsprojekt standortungebunden ist, festgestellt, dass das Fiat-Werk in Tychy eine sinnvolle Alternative gewesen wäre. Um zu klären, ob die Beihilfe auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfuellt, wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Dabei wurden die Kosten für das Projekt in Melfi mit den Kosten für ein gleichwertiges Projekt am Alternativstandort verglichen. Da die geplante Beihilfeintensität weder den geltenden Förderhöchstsatz für Regionalbeihilfen noch den Grenzwert für den Standortnachteil - d. h. die mit der Ansiedlung der Produktion in Melfi verbundenen Mehrkosten im Vergleich zum polnischen Standort Tychy - überschritt, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Vorschriften des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie eingehalten wurden und das Vorhaben mit dem EG-Vertrag vereinbar ist.

424. Am 20. Dezember 2001 beschloss die Europäische Kommission nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens, dass Deutschland die geplante regionale Investitionsbeihilfe zugunsten von DaimlerChrysler für die Errichtung eines neuen Motorenwerks im thüringischen Kölleda reduzieren muss. Kölleda liegt in einem Fördergebiet im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag.

425. Zum Beleg der Notwendigkeit gab Deutschland an, dass das Werk auch in Ungarn (Nyergesújfalu) errichtet werden könnte. Anhand der eingegangenen Unterlagen stellte die Kommission fest, dass der Standort in Ungarn eine wirtschaftlich plausible Alternative ist. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe ergab die Kosten-Nutzen-Analyse für Kölleda einen regionalen Kostennachteil von 31,93 %, was unter dem von Deutschland ursprünglich angegebenen Wert liegt. Wegen der beträchtlichen Erhöhung der Produktionskapazität wurde der zulässige Fördersatz um einen weiteren Prozentsatz auf 30,93 % gesenkt. Daher konnte die Kommission nur maximal 30,93 % der förderfähigen Investitionskosten (185 Mio. EUR zum Kapitalwert) an Fördermitteln zulassen, das heißt 57,22 Mio. EUR (Kapitalwert). Der Restbetrag des angemeldeten Beihilfevorhabens (6,58 Mio. EUR) wurde für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erachtet.

426. Am 18. Juli 2001 beschloss die Europäische Kommission nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens, die geplante regionale Investitionsbeihilfe zugunsten von Volkswagen für ein neues Werk in Dresden zu kürzen. Die Montage des neuen Modells und die Zwischenlagerung sollen in Dresden, das Karosseriewerk und die Lackiererei im benachbarten Mosel angesiedelt werden. Sowohl Dresden als auch Mosel sind Fördergebiete im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a.

427. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Beihilfe kam die Kommission auf der Grundlage der Unterlagen, die ihr im Verlauf des Verfahrens übermittelt wurden, zu dem Schluss, dass die Tschechische Republik (Prag und Kvasiny) von dem Unternehmen als wirtschaftlich plausible Alternative angesehen worden war. Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe hat die Kommission zwei gesonderte Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt: Einmal für die Standorte Dresden und Prag und einmal für Mosel und Kvasiny. Bei der Investition in Mosel liegt die vorgesehene Beihilfeintensität sowohl unter dem ermittelten Standortnachteil als auch unter dem Hoechstsatz für Regionalbeihilfen. Daher genehmigte die Kommission die geplante Beihilfe für Mosel bis zu einem Betrag von 65 Mio. DEM. Bei der Investition in Dresden ging die von Deutschland geplante Beihilfeintensität über den Standortnachteil hinaus. Folglich genehmigte die Kommission nur eine Beihilfe in Höhe von 80 Mio. DEM, während der Restbetrag von 25,7 Mio. DEM als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erachtet wurde.

3.1.5. Verkehr

Schienenverkehr

428. Die Kommission verfolgt bereits seit einigen Jahren die Strategie, ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu schaffen und zur Erreichung eines nachhaltigen Verkehrssystems die umweltfreundlicheren Verkehrsträger zu fördern. In ihrem jüngsten Weißbuch zur gemeinsamen Verkehrspolitik erinnerte die Kommission daran, dass der Schienenverkehr ein Sektor von strategischer Bedeutung ist, von dem es abhängt, ob der Ausgleich der Verkehrsträgeranteile Erfolg hat. Daher wird die Kommission Beihilfen im Bereich des Schienenverkehrs auch künftig befürworten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Schienenverkehrsdienste als auch insbesondere im Hinblick auf Investitionen im Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur, die aufgrund der hohen Kosten ohne Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln nicht getätigt würden.

429. In Übereinstimmung mit der gemeinsamen Verkehrspolitik beschloss die Kommission am 13. Februar 2001, keine Einwände gegen die Entscheidung des Vereinigten Königreichs zur Gewährung staatlicher Beihilfen für eine Reihe von Vorhaben zu gewähren. Zweck der Vorhaben ist es, einer breiteren Öffentlichkeit zu beweisen, dass der Schienenverkehr ein effizienter und wirtschaftlicher Verkehrsträger und insbesondere eine Alternative zum Straßenverkehr sein kann (N 687/2000, Innovative solutions in rail logistics) [313]. Darüber hinaus genehmigte die Kommission am 19. September 2001 für Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber im Vereinigten Königreich Beihilfen in beträchtlicher Höhe, mit denen das Ersatzinvestitionsprogramm für das Hauptschieneninfrastrukturnetz in Großbritannien finanziell unterstützt werden soll (N 500/2001, UK Network Grants) [314].

[313] Entscheidung der Kommission vom13.2.2001.

[314] Entscheidung der Kommission vom 19.9.2001 (ABl. C 333 vom 28.1.2001, S. 7).

Seeverkehr

430. Die Kommission hat im Verlauf des Jahres 2001 mehrere Beihilferegelungen zur Förderung der Beschäftigung von Seeleuten der Gemeinschaft genehmigt. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Lohnkosten der Seeverkehrsunternehmen zu senken, damit sie international konkurrenzfähig sein können und nicht in großer Zahl unter die Flagge von Staaten mit niedrigeren Steuern und Sozialstandards abwandern. Dies ist auch ein Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen von Seeleuten der Gemeinschaft, zur Bewahrung des entsprechenden beruflichen Know-hows und zur Sicherung eines weiterhin hohen Sicherheitsniveaus im Sektor.

431. Am 8. Februar hat die Kommission Frankreich ermächtigt, die Regelung zur Erstattung des Arbeitgeberanteils von Seeverkehrsunternehmen zu den Sozialversicherungsbeiträgen über das Jahr 2001 hinaus zu verlängern. Im Rahmen dieser Regelung, die von der Kommission 1999 für einen Zeitraum von drei Jahren genehmigt worden war, erhalten Unternehmen, die Seeleute beschäftigen und deren Schiffe im internationalen Wettbewerb stehen, eine Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken- und Unfallversicherung, die sie jeweils im Vorjahr an die für die Einziehung dieser Beiträge zuständigen Einrichtungen gezahlt haben.

432. Am 30. April hat die Kommission Frankreich genehmigt, seine Beihilferegelung zugunsten der Beschäftigung von Seeleuten der Gemeinschaft weiter auszubauen und den Seeverkehrsunternehmen die Beiträge zum Kindergeld und zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten.

433. Am 6. März hat die Kommission Finnland genehmigt, den Reedern Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Lebensversicherung und Freizeitversicherung von Seeleuten zu erstatten. Die Beihilfemaßnahmen gelten für alle registrierten Schiffe der internationalen Handelsflotte sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch für Schlepp- und Schubschiffe, sind jedoch in beiden Fällen auf Hochseeschiffe beschränkt.

434. Am 28. Februar hat die Europäische Kommission beschlossen, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten, um die Beihilfemaßnahmen in Verbindung mit der Kompensation der von SNCM übernommenen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen zu prüfen [315]. Diese Entscheidung wurde in Anbetracht neuer Informationen getroffen, die der Kommission im Anschluss an die Einleitung des Prüfverfahrens im Jahr 1998 bezüglich der Beihilfen übermittelt wurden, welche der französische Staat dem Unternehmen Corsica Marittima, einer Tochtergesellschaft der SNCM, für die Fahrgastbeförderung zwischen Frankreich und Italien, insbesondere auf den Strecken zwischen Genua und Bastia sowie zwischen Livorno und Bastia gewährt [316].

[315] Sache C 14/2001, ABl. C 117 vom 21.4.2001.

[316] Sache C 78/98, ABl. C 62 vom 4.3.1999.

435. Am 30. Oktober 2001 beschloss die Kommission, die zwei Verfahren zusammen abzuschließen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die der SNCM gewährten Beihilfen die Kosten der gemeinwirtschaftlichen Beförderungsdienste von und nach Korsika, die dieses Unternehmen gemäß den Auflagen der staatlichen Behörden erbringt, nicht überschritten haben und daher keine Quersubventionen zugunsten von Corsica Marittima, der Tochtergesellschaft von SNCM, vorliegen. Die Prüfung der Kommission ergab darüber hinaus, dass die von Corsica Marittima gezahlten Mieten marktwirtschaftlichen Bedingungen entsprechen. Die Kommission hat Frankreich ferner aufgefordert, sie vor dem Inkrafttreten der neuen Vereinbarung über die Konzession für öffentliche Dienste im Zusammenhang mit der Bedienung der Seeverkehrsstrecken von und nach Korsika über die geplanten Maßnahmen zur Anpassung der Unternehmensstruktur der SNCM an die neuen Marktbedingungen zu unterrichten, die sich durch die Anwendung von Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 ergeben.

436. Am 20. Juni schloss die Kommission das Verfahren ab, das sie im August 1999 wegen Beihilfen eingeleitet hatte, die Italien dem Schifffahrtsunternehmen Tirrenia di Navigazione von 1990 bis Ende 2000 gewährte. Nach Auffassung der Kommission können diese Beihilfen unter Berufung auf die Ausnahmeregelung nach Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, genehmigt werden. Die Kommission stellte nämlich fest, dass es sich bei den gewährten Beihilfen um einen notwendigen und im Verhältnis zu der dem Unternehmen übertragenen Aufgabe - Sicherstellung eines ausreichenden ganzjährigen Angebots an regelmäßigen Seeverkehrsdiensten von und nach bestimmten Häfen Siziliens und Sardiniens - angemessenen Ausgleich handelt.

437. In der Absicht, den Marktveränderungen (Liberalisierung der Seekabotage seit dem 1. Januar 1999 und seit kurzem die Präsenz neuer Betreiber) Rechnung zu tragen, werden die Zahlungen an Tirrenia di Navigazione mit Wirkung vom 1. Januar 2001 an jedoch gekürzt und dienen nur noch dem Ausgleich des Defizits, das durch die Erbringung von Diensten im Zusammenhang mit den von Italien für den Zeitraum 2000-2004 eingegangenen Verpflichtungen entsteht. Diese sehen eine Reduzierung der von ,Tirrenia di Navigazione" angebotenen Dienste vor, damit andere Betreiber auf den wirtschaftlich rentablen Strecken eine stärkere Präsenz erhalten.

438. Am 25. Juli genehmigte die Kommission staatliche Beihilfen, die Spanien in Erfuellung eines gemeinwirtschaftlichen Vertrags aus dem Jahr 1978 an das Schifffahrtsunternehmen Trasmediterránea gezahlt hat. Darüber hinaus genehmigte die Kommission Beihilfen, die den Ausgleich für die von dem Unternehmen seit 1998 erfuellten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf den Kanarischen Inseln darstellen.

439. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die in Erfuellung des 1978 zwischen Trasmediterránea und dem spanischen Staat geschlossenen gemeinwirtschaftlichen Vertrags gewährten Beihilfen bestehende Beihilfen darstellen. Diese Beihilfen beruhen auf Rechten und Pflichten, die während der Laufzeit des Vertrags begründet wurden, und entsprechen dem Betrag, der Trasmediterránea für seine von 1978 bis 1997 im Rahmen des Vertrags erbrachten Seekabotagedienste zusteht.

440. Am 18. Juli hat die Kommission beschlossen, die Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag abzuschließen, die sie am 3. September 1993, am 23. Juni 1996 bzw. am 21. Januar 1999 wegen staatlicher Beihilfen eingeleitet hatte, die dem italienischen Hafensektor zwischen 1992 und 1998 gewährt wurden [317]. Die italienische Regierung hatte 1991 eine umfassende Strukturreform des Sektors eingeleitet. Im Rahmen der Reform waren beträchtliche Beihilfen gewährt worden, um die bestehende Regelung abzubauen und die Öffnung des Sektors für den Wettbewerb zu ermöglichen. In ihrer abschließenden Entscheidung gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die staatlichen Beihilfen in Höhe von 120 Mio. EUR, die Italien in Form von Subventionen an Hafenbetriebsunternehmen, -gesellschaften und -gruppen zur Schuldentilgung und zum Ausgleich der Betriebsdefizite dieser Unternehmen, Gesellschaften und Gruppen gezahlt hat, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind und daher von der italienischen Regierung zurückgefordert werden müssen. Dagegen kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Beihilfen Italiens zur Vergütung der Zuwendung beim Ausscheiden aus dem Berufsleben und der Beiträge zur vorzeitigen Verrentung von Hafenarbeitern, die Teilhaber von Hafenbetriebsgesellschaften und -gruppen sind, keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag darstellen. Auch die Maßnahmen Italiens in Bezug auf die Lohnausgleichskasse (Cassa integrazione guadagni straordinaria), das Abgangsgeld für arbeitsunfähige Beschäftigte und das Ferienheim in Dovadola sowie die Maßnahmen zur Sicherstellung der den Hafenarbeitern zustehenden Versicherungs- und Versorgungsleistungen stellen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag dar.

[317] Sache C 27/93 und C 81/98, ABl. C L 312 vom 29.11.2001, S. 5.

441. Am 20. Dezember 2001 hat die Kommission die Erweiterung der britischen Beihilfen für Frachtumschlaganlagen (Freight Facilities Grants) auf die Küstenschifffahrt und den Kurzstreckenseeverkehr genehmigt und dem geplanten Ausbau des Hafens von Rosyth [318] zugestimmt, bei dem die Vorschriften für staatliche Beihilfen erstmals auf Hafeninfrastruktur angewandt wurden. Die Kommission vertritt normalerweise die Auffassung, dass die staatliche Finanzierung von Infrastruktureinrichtungen, die allen potenziellen Nutzern ohne Diskriminierung offen stehen und vom Staat verwaltet werden, für gewöhnlich nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Aus dem Urteil des Gerichts erster Instanz ,Aéroports de Paris gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften" [319] ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Bereitstellung und der Betrieb von Infrastruktureinrichtungen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen kann. Staatliche Beihilfen zugunsten eines Infrastrukturbetreibers, der in einem offenen und nichtdiskriminierenden Verfahren für den Bau, die Instandhaltung usw. von Verkehrsinfrastruktureinrichtungen ausgewählt wurde, entsprechen jedoch dem Marktpreis und fallen normalerweise nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag. Die Beihilferegelung für Frachtumschlaganlagen und das Rosyth-Projekt wurden gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag genehmigt.

[318] Sache N 649/2001.

[319] EuGeI 12. Dezember 2000, Aéroports de Paris/Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache T-128/98, Slg. II-3929.

Binnenschifffahrt

442. Das Weißbuch über die europäische Verkehrspolitik bis 2010 [320] legt die Leitlinien und Schwerpunkte im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik fest. Als eine der wichtigsten Maßnahmen wird darin die Schaffung eines ausgewogeneren Verhältnisses zwischen den Verkehrsträgern empfohlen. Im Hinblick auf die Verlagerung der Anteile der einzelnen Verkehrsträger sollten insbesondere die umweltfreundlichen Verkehrsträger gefördert werden, die über ungenutzte Kapazitäten verfügen, wie die Binnenschifffahrt. Der Binnenschiffsverkehr ist eine sichere, saubere, energieeffiziente Verkehrsart, deren Kapazitäten noch keineswegs ausgelastet sind. Daher sind Maßnahmen zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Wasserwege von gemeinschaftlichem Interesse im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag. So zielt auch die Verordnung (EG) Nr. 718/1999 des Rates darauf ab, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, bestimmte Maßnahmen zur Förderung des Binnenschiffsverkehrs zu ergreifen [321].

[320] KOM (2001) 370.

[321] Verordnung (EG) Nr. 718/1999 des Rates über kapazitätsbezogene Maßnahmen für die Binnenschifffahrtsflotten der Gemeinschaft zur Förderung des Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 90 vom 2.4.1999).

443. Bei den im Jahr 2001 für den Binnenschifffahrtssektor bereitgestellten Beihilfen handelt es sich um Regelungen, die darauf abzielen, zugunsten einer Verlagerung des Verkehrs auf die Wasserwege die Anpassung der Flotte an die Anforderungen des Marktes, wie in Frankreich [322], oder die Umsetzung, Erweiterung und Inbetriebnahme des Anschlusses bestimmter Industriestandorte an die Binnenwasserstraßen, wie in den Niederlanden [323], zu fördern. Nach Auffassung der Kommission handelt es sich im Falle der Niederlande um eine staatliche Kofinanzierung von Infrastrukturanlagen, für die es keinen von Wettbewerb gekennzeichneten Markt gibt. Staatliche Maßnahmen sind demzufolge gemäß Artikel 73 EG-Vertrag gerechtfertigt, da sie den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entsprechen.

[322] Entscheidung vom 2.10.2001, N 299/01 (ABl. C 342 vom 5.12.2001).

[323] Entscheidung vom 31.1.2001, N 597/2000 (ABl. C 102 vom 31.3.2001).

444. Darüber hinaus hat die Kommission staatliche Beihilfen für den Bau von Lade- und Löschanlagen an den flämischen Binnenwasserstraßen genehmigt, die darauf abzielen, die Zugänglichkeit der Binnenwasserstraßen zu verbessern und ihre Nutzung für den Güterverkehr auszubauen. [324] Die Kommission hat in ihrer Entscheidung darauf hingewiesen, dass insbesondere die Binnenschifffahrt zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit erhebliche Infrastrukturinvestitionen erfordert, und dass diese Investitionen ohne staatliche Kofinanzierung wirtschaftlich nicht tragfähig wären.

[324] Entscheidung der Kommission vom 11.12.2001, N 550/2001, Public Private Partnership for loading and unloading facilities, noch nicht veröffentlicht.

Luftverkehr

445. Kennzeichnend für das Jahr 2001 ist angesichts der erheblichen Auswirkungen der Attentate in den USA auf die Luftverkehrsbranche eine Unterteilung in die Zeit vor bzw. nach dem 11. September. Die Kommission setzte bezüglich der Beihilfen im Bereich der Zivilluftfahrt und der Flughäfen die auf den Leitlinien vom Dezember 1994 [325] basierende Politik fort.

[325] Anwendung der Artikel 92 und 93 EG-Vertrag und des Artikels 61 EWR-Vertrag auf Beihilfen im Luftverkehrssektor (ABl. C 350 vom 10.12.1994, S. 5).

446. Um diesen außergewöhnlichen Ereignissen zu begegnen, hat die Kommission diese Politik umgehend klargestellt [326]. Sie hat im Übrigen eingeräumt, dass bestimmte Beihilfen durch die außergewöhnlichen Geschehnisse gerechtfertigt sein können. Die Kommission verwies auf Beihilfen zur Schließung einer Lücke des Versicherungsmarktes, Beihilfen zur Entschädigung der Verluste, die den Luftfahrtunternehmen durch die viertägige Sperrung des Luftraums entstanden sind, und der Kosten für die Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen infolge der Anschläge. All diese staatlichen Beihilfen sind von den Mitgliedstaaten zu notifizieren und werden nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b EG-Vertrag geprüft. Mehrere staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit Versicherungsaufwendungen wurden von der Kommission bereits im Jahr 2001 genehmigt.

[326] Mitteilung der Europäischen Kommission vom 10. Oktober 2001 über die Folgen der Attentate in den Vereinigten Staaten für die Luftverkehrsbranche - KOM(2001) 574 endg.

447. Um die Aufrechterhaltung des Flugverkehrs und den weiteren Betrieb der Flughäfen zu ermöglichen, notifizierten die Mitgliedstaaten der Kommission Beihilfen in Form von öffentlichen Bürgschaften für private Versicherungsgesellschaften zur Deckung der Terrorismusrisiken. In diesem Zusammenhang hat die Kommission den nachstehend genannten Staaten Beihilfen für Fluggesellschaften und private Versicherungsdienstleister genehmigt. Voraussetzung ist jedoch die Einhaltung bestimmter Kriterien: [327]

[327] Mitteilung der Europäischen Kommission vom 10. Oktober 2001 über die Folgen der Attentate in den Vereinigten Staaten für die Luftverkehrsbranche, angepasst durch die Ad-hoc-Gruppe des Rates der Europäischen Union.

- Vereinigtes Königreich: Entscheidung vom 23. Oktober 2001 [328]

[328] Sache NN 90/2001.

- Portugal und Luxemburg: Entscheidungen vom 28. November [329]

[329] Sache NN 140/2001 und NN 144/2001.

- Belgien und Schweden: Entscheidungen vom 11. Dezember [330]

[330] Sache NN 139/2001 und NN 141/2001, ABl. C 24 vom 26.1.2002.

- Dänemark, Deutschland, Frankreich, Österreich und Spanien: Entscheidungen vom 20. Dezember [331]

[331] Sache NN 153/2001 (Österreich), NN 157/2001 (Frankreich), NN 146 und 161/2001 (Dänemark), NN 143/2001 (Spanien) , NN 162/2001 (Deutschland).

448. Ansonsten blieb die Kommission bei ihrer Strategie in Bezug auf Beihilfen an die Luftfahrtindustrie. Sie hat auch mit der Prüfung von Fällen begonnen, die die Finanzierung von Flughäfen betreffen.

449. Am 18. Juli 2001 traf die Kommission die Entscheidung, dass die Ausbildungsbeihilfen, die die belgischen Behörden der Luftfahrtgesellschaft Sabena [332] gewährt haben, gemäß dem Gemeinschaftsrahmen für Ausbildungsbeihilfen [333] mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

[332] ABl. L 249 vom 19.9.2001.

[333] ABl. C 343 vom 11.11.1998.

450. Am 18. Juli 2001 traf die Kommission im Hinblick auf das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. Dezember 2000, mit dem die Entscheidung 97/789/EG über eine staatliche Beihilfe an die Alitalia für nichtig erklärt wurde, eine neue Entscheidung, um die Beurteilungsfehler und die unzureichende Begründung, die das Gericht festgestellt hatte, zu berichtigen, und erklärte die Alitalia [334] in Form einer Kapitalerhöhung von insgesamt 2 750 Mrd. ITL gewährte Beihilfe, zahlbar in drei Tranchen, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

[334] ABl. L 271 vom 12.10.2001.

451. Darüber hinaus genehmigte die Kommission Beihilfen zur Rettung von zwei Fluggesellschaften, an denen die in Konkurs befindliche Swissair-Gruppe Anteile hält. Am 17. Oktober beschloss die Kommission, keine Einwände gegen eine Rettungsbeihilfe in Höhe von 125 Mio. EUR an die Fluggesellschaft Sabena [335] zu erheben. Am 20. Dezember genehmigte die Kommission eine Rettungsbeihilfe von 120 Mio. EUR in Form einer Kreditbürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die deutsche Luftverkehrsgesellschaft LTU.

[335] C(2001)3137 endg., noch nicht veröffentlicht.

452. Im Bereich Flughäfen betraf eine Entscheidung die Befreiung von der Körperschaftsteuer, die als staatliche Beihilfe eingestuft wurde. In zwei anderen Fällen wurden die betreffenden Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen betrachtet.

453. Am 3. Juli 2001 entschied die Kommission, dass die Befreiung von der Körperschaftsteuer für die Schiphol-Gruppe, den Eigentümer und Betreiber des Amsterdamer Flughafens Schiphol sowie weiterer Flughäfen in den Niederlanden, eine staatliche Beihilfe darstellt und daher mit Wirkung vom 1. Januar 2002 abgeschafft werden sollte [336].

[336] Die Entscheidung wurde noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, ist aber über die Website der GD Wettbewerb unter der Nummer E 45/2000 abrufbar. Siehe auch IP/01/934.

454. Am 13. März 2001 beschloss die Kommission, dass die Finanzierung der Verbesserung und des Ausbaus der Infrastruktureinrichtungen der Flughäfen von Turin, Cuneo und Biella aus öffentlichen Mitteln durch die Region Piemont (Italien) nicht als staatliche Beihilfe zu betrachten ist. Sie stellte fest, dass diese Schlussfolgerung durch die Lage der betreffenden Flughäfen und deren überwiegend lokale Bedeutung für Wirtschaft und Wettbewerb ausreichend gerechtfertigt ist [337].

[337] Die Entscheidung wurde noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, ist aber über die Website der GD Wettbewerb unter der Nummer N 58/2000 abrufbar.

455. Am 5. Oktober 2001 traf die Kommission eine Entscheidung betreffend die Beschwerde gegen die im Eigentum des irischen Staates befindliche Gesellschaft Aer Rianta, die Eigentümerin und Betreiberin der Flughäfen von Dublin, Cork und Shannon ist. Es wurde festgestellt, dass in Anbetracht der Änderung des besonderen steuerlichen Status von Aer Rianta per 1. Januar 1999 die zuvor bestehende Steuerbefreiung kein Problem mehr darstellt. Außerdem wurde weder die Übertragung von Flughafeninfrastruktur vom irischen Staat an Aer Rianta zu einem unter dem Marktwert liegenden Preis noch die Tatsache, dass Aer Rianta Konzessionsinhaber für zollfreie Läden und Parkhäuser ist, als staatliche Beihilfe eingestuft [338].

[338] Die Entscheidung ist (noch) nicht über die Website der GD Wettbewerb abrufbar.

3.1.6. Landwirtschaft

456. Am 6. Juni 2001 nahm die Europäische Kommission neue Gemeinschaftsleitlinien für staatliche Beihilfen zur Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse an [339]. Darin wird die Politik der Kommission in Bezug auf die Werbung für Qualitätserzeugnisse, für den regionalen Ursprung und für Systeme zur Rückverfolgung des Ursprungs erklärt.

[339] ABl. C 252 vom 12.9.2001, S. 5.

457. Werbung für den regionalen Ursprung von Erzeugnissen ist nunmehr unter der Bedingung gestattet, dass die Vorschriften für den freien Warenverkehr eingehalten werden. Die neuen Leitlinien gestatten auch subventionierte Werbeaktionen, bei denen der regionale Ursprung der betreffenden Erzeugnisse im Mittelpunkt steht, sofern diese außerhalb des Mitgliedstaates bzw. der Region durchgeführt werden, in denen die Erzeugnisse produziert werden. Ziel dieser Aktionen sollte es sein, den Verbrauchern Erzeugnisse vorzustellen, mit denen sie nicht vertraut sind. Werbeaktionen, die sich an die Verbraucher des Mitgliedstaats bzw. der Region richten, in denen die betreffenden Erzeugnisse hergestellt werden, dürfen ebenfalls Informationen über den Ursprung enthalten. In solchen Fällen muss jedoch der Ursprung gegenüber Informationen über die Qualität des Erzeugnisses die sekundäre Werbebotschaft darstellen.

458. Eine aus öffentlichen Mitteln subventionierte Finanzierung von Werbeaktionen für Erzeugnisse hoher Qualität ist ebenfalls zulässig, sofern die betreffenden Erzeugnisse deutlich höhere Normen erfuellen oder mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung versehen sind. Behauptungen, die Erzeugnisse seien von hoher Qualität, während sie tatsächlich nur die Bestimmungen erfuellen, die auf die Vermarktung aller ähnlichen Erzeugnisse anwendbar sind, können den Verbraucher täuschen. Staatliche Beihilfen für Werbeaktionen können nur genehmigt werden, wenn sie nicht gegen Binnenmarktvorschriften verstoßen.

459. Wenn ein Erzeugnis mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung versehen ist (g.U. = geschützte Ursprungsbezeichnung, g.g.A. = geschützte geografische Angabe, g.t.S. = garantiert traditionelle Spezialität), die auf Gemeinschaftsebene eingetragen ist, hat die Kommission gegen die Gewährung von Beihilfen zugunsten der Werbung unter Hinweis auf den Ursprung des Produkts im Allgemeinen nichts einzuwenden, sofern der Hinweis auf den Ursprung exakt mit demjenigen übereinstimmt, der auf Gemeinschaftsebene eingetragen wurde.

460. Nach Einführung der obligatorischen Kennzeichnung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen ist in den neuen Vorschriften nunmehr auch festgelegt, wie Werbung für Systeme zur Rückverfolgung des Ursprungs subventioniert werden darf. Staatliche Beihilfen für Werbeaktionen zugunsten bestimmter Unternehmen sind nach wie vor verboten, und der Beihilfehöchstsatz beträgt 50 % bzw. 75 % für bestimmte Produkte, die von KMU in benachteiligten Gebieten hergestellt werden.

461. Die neuen Leitlinien treten an die Stelle der früheren Vorschriften von 1986 und 1987, wobei die Konsolidierung und Klarstellung zur weiteren Vereinfachung und Verbesserung der Transparenz der gemeinschaftlichen Vorschriften für staatliche Beihilfen beitragen dürfte. Die neuen Leitlinien werden ab 1. Januar 2002 auf neue staatliche Beihilfen, einschließlich anhängiger Notifizierungen angewandt.

462. Am schwerwiegendsten war im Jahr 2001, was staatliche Beihilfen betrifft, zweifellos die Problematik im Zusammenhang mit den Folgen der BSE-Krise. Normalerweise ist es den Mitgliedstaaten nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen untersagt, Landwirten Einkommensbeihilfen zu gewähren, da dies den Wettbewerb und das Funktionieren der Gemeinsamen Marktorganisationen beeinträchtigen könnte. Nur im Falle außergewöhnlicher Ereignisse dürfen zum Ausgleich entstandener Schäden derartige Beihilfen gewährt werden.

463. Die Kommission hat anerkannt, dass es sich bei der Krise des Rindfleischmarktes, die durch die Ängste der Verbraucher im Zusammenhang mit BSE Ende letzten Jahres ausgelöst wurde, um ein außergewöhnliches Ereignis gemäß Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b EG-Vertrag handelt. Als außergewöhnliches Ereignis wurde jedoch nicht der Absatz- bzw. Umsatzrückgang eingestuft. Vielmehr stuft die Kommission den Absatzrückgang als die Folge eines außergewöhnlichen und äußerst seltenen Zusammentreffens mehrerer Ereignisse ein, die zu den Ertragseinbußen der Landwirte geführt haben: Das Wegbrechen der Ausfuhrmärkte für Rindfleisch aus der EU und die negativen Reaktionen der europäischen Verbraucher sowie eine Reihe weiterer Vorkommnisse, wie die ersten Fälle von BSE in mehreren Ländern, darunter Deutschland, Italien und Spanien, das gemeinschaftliche Verbot der Vermarktung tiermehlhaltiger Futtermittel und das manchmal kontroverse Krisenmanagement auf nationaler Ebene.

464. Daher hat die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten ermächtigt, Einkommensbeihilfen in Höhe von insgesamt 460 Mio. EUR an Landwirte zu zahlen, die infolge der BSE-Krise zwischen November 2000 und Juni 2001 Ertragseinbußen hinnehmen mussten. Darüber hinaus wurden weitere staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit BSE genehmigt (d. h. Kosten von BSE-Tests, Ausgleichszahlungen für Schlachthöfe im Werte der getöteten Tiere, Kosten für den Wiederaufbau von Herden in Betrieben, in deren Beständen BSE festgestellt wurde, für Lagerung, Transport und Beseitigung von verarbeiteten tierischen Proteinen und Tierfutter).

465. Insgesamt gingen bei der Kommission 379 Notifizierungen staatlicher Beihilfen ein, die im Agrar- und agroindustriellen Sektor gewährt werden sollen. Darüber hinaus leitete die Kommission die Prüfung von 39 Beihilfemaßnahmen ein, die nicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag angemeldet worden waren. Die Kommission genehmigte 212 Maßnahmen, einige davon erst, nachdem sich der betreffende Mitgliedstaat entweder zur Änderung der Vorschläge verpflichtet oder diese selbst geändert hatte, um sie mit den Gemeinschaftsvorschriften für staatliche Beihilfen in Einklang zu bringen. Die Kommission leitete das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag in 15 Fällen ein, in denen die betreffenden Maßnahmen ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufgeworfen hatten. Die Kommission schloss das nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehene Verfahren in fünf Fällen ab, wobei sie in zwei Fällen eine ablehnende abschließende Entscheidung traf. In allen Fällen, in denen eine ablehnende Entscheidung erging und die Beihilfe bereits ausgezahlt worden war, forderte die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat auf, die gezahlte Beihilfe wieder einzuziehen.

3.1.7. Fischerei

466. Der Fischereisektor ist aufgrund seiner besonderen sozioökonomischen Merkmale ein Sektor, in dem traditionell sowohl auf gemeinschaftlicher als auch auf einzelstaatlicher Ebene bedeutende Interventionen der öffentlichen Hand erfolgen.

467. Die Kommission prüfte die Vereinbarkeit nationaler Beihilferegelungen zugunsten des Sektors mit den neuen Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor [340].

[340] ABl. C 19 vom 20.1.2001.

468. Die neuen Leitlinien, die ab 1. Januar 2001 gelten, beinhalten Klarstellungen in verschiedenen Bereichen. So wird festgelegt, dass die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung im Fischereisektor keine Anwendung finden und dass die Prüfung der Aspekte der regionalen Beihilferegelungen, die den Fischereisektor betreffen, anhand der Leitlinien für den Fischereisektor erfolgen soll. Des Weiteren enthalten die neuen Leitlinien genauere Festlegungen zu Ausbildungs- und Beratungsbeihilfen und zur Versuchsfischerei sowie zu den Bedingungen, unter denen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten gewährt werden dürfen (Verweis auf die Vorlage eines Plans zur Reduzierung der Flottenkapazität bei der Kommission). Auch was die Beihilfen zur Verbesserung der Bewirtschaftung oder zur Überwachung der Fischereitätigkeiten sowie für den Kauf gebrauchter Fischereifahrzeuge betrifft, sind die Einzelheiten und Bedingungen präzisiert worden. Unter der Überschrift ,Einzelfälle" finden sich detailliertere Regelungen zu Einkommensbeihilfen (so ist festgelegt, dass bei Maßnahmen, die mit besonderen Umständen zusammenhängen, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist; bei Beihilfen für die vorübergehende Einstellung der Fischereitätigkeit wird auf die Anwendung des entsprechenden Absatzes der Leitlinien verwiesen). Der Punkt zu den Betriebskrediten wurde gestrichen; dafür wird im Einzelnen auf Beihilfen zur Beseitigung von durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstandenen Schäden, Versicherungsprämien, Gebiete in äußerster Randlage und Beschäftigungsbeihilfen eingegangen. Zu den neuen Leitlinien gehören auch zwei Anhänge, die einer verstärkten Kontrolle der gewährten Beihilfen dienen sollen. Der Erste betrifft die Angaben, die bei der Notifizierung von Beihilferegelungen zu machen sind, und der Zweite die Angaben, die in den der Kommission vorzulegenden Jahresberichten über alle bestehenden Beihilferegelungen und alle Einzelbeihilfen außerhalb genehmigter Beihilferegelungen, für die keine besonderen Berichterstattungspflichten aufgrund einer mit Auflagen und Bedingungen verbundenen Entscheidung auferlegt wurden, enthalten sein müssen.

469. Es sei darauf verwiesen, dass der Kommission insbesondere im zweiten Halbjahr 2001 eine hohe Zahl von Beihilferegelungen gemeldet wurde. Dabei handelt es sich vor allem um einzelstaatliche Kofinanzierungsmaßnahmen, die im Rahmen des Finanzinstruments zur Ausrichtung der Fischerei angenommen worden waren, und zwar im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Maßnahmen zur Umsetzung des neuen Gemeinschaftlichen Förderkonzepts.

3.2. Spezifische Sektoren ohne besondere Regelungen

3.2.1. Finanzsektor

470. Am 25. Juli 2001 genehmigte die Europäische Kommission in der Sache NN 53/2001 (Bankgesellschaft Berlin (BGB)) eine Rettungsbeihilfe in Höhe von rund 2 Mrd. EUR, um der BGB die Rückkehr zu der vor der Krise bestehenden Eigenmittelquote von 9,7 % zu ermöglichen. Die Bank hatte im Jahr 2000 erhebliche Verluste vor allem aufgrund nachteiliger Geschäfte im Immobilienbereich erlitten. Die Genehmigung der Beihilfe beruht auf der Verpflichtung der deutschen Behörden, binnen sechs Monaten einen Umstrukturierungsplan vorzulegen. Sie ist auf sechs Monate bzw. auf die Zeit beschränkt, die die Kommission bis zur Entscheidungsfindung für diesen Plan benötigt. Im Rahmen dieses zweiten Verfahrens wird die Kommission eine strikte Notwendigkeitsprüfung bezüglich der Höhe der Beihilfe durchführen und gegebenenfalls Kompensationen verlangen, um die aus der staatlichen Beihilfe resultierende Wettbewerbsverzerrung auszugleichen.

471. Am 11. Dezember 2001 entschied die Kommission, dass die durch das italienische Gesetz Nr. 461/98 vom 23. Dezember 1998 und das diesbezügliche Gesetzesdekret Nr. 153/99 vom 17. Mai 1999 angenommenen Steuermaßnahmen für Banken mit den EG-Vorschriften über staatliche Beihilfen unvereinbar sind. Die fraglichen Maßnahmen verschaffen den Banken, die an den begünstigten Transaktionen teilnehmen, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Italien muss nun die Beträge, die die von Steuerbefreiungen begünstigten Banken nicht gezahlt haben, beitreiben. Die Untersuchung der Kommission über staatliche Beihilfen an Bankenstiftungen (im Unterschied zu Banken) ist noch nicht abgeschlossen. Wie diese Maßnahmen abzugrenzen sind, muss noch entschieden werden. Außerdem hat die Kommission untersucht, ob die besondere Steuerbehandlung als eine Umstrukturierungsbeihilfe angesehen werden kann. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten werden jedoch im vorliegenden Falle nicht erfuellt. Die Beihilfe ist der Kommission nicht in jedem Einzelfalle mitgeteilt worden. Die Banken, die in den Genuss der Beihilfe gelangen, befinden sich nicht in Schwierigkeiten, und die Beihilfe ist auch nicht für die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der betreffenden Unternehmen bestimmt. Außerdem ist in den Leitlinien gefordert, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die ungünstigen Auswirkungen der Beihilfen auf den Wettbewerb nach Möglichkeit zu reduzieren (was in der Regel dadurch erreicht wird, dass die Gesellschaft nach ihrer Umstrukturierung ihre Präsenz am Markt reduziert). Im vorliegenden Falle ist keiner dieser Aspekte relevant.

3.2.2. Dienstleistungen

472. Am 13. November 2001 hat die Europäische Kommission der Französischen Republik gemäß dem Verfahren nach Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 in der Sache E 46/2001 zweckdienliche Maßnahmen mit dem Ziel vorgeschlagen, entweder die Befreiung der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und der Versorgungseinrichtungen von der Versicherungsvertragsteuer abzustellen, oder dafür zu sorgen, dass die sich aus der Befreiung ergebende Beihilfe nicht die mit etwaigen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verbundenen Kosten übersteigt.

473. Am 13. November 2001 leitete die Europäische Kommission wegen einer Reihe von Ad-hoc-Maßnahmen für den portugiesischen öffentlichen Rundfunkveranstalter RTP das förmliche Prüfverfahren ein, da sie sich nicht sicher ist, ob der portugiesische Staat die erstattungsfähigen, mit dem öffentlichen Versorgungsauftrag der RTP verbundenen Kosten in den Jahren 1992-1998 mit 83,6 Mio. EUR nicht überkompensiert hat. Anlass für die Einleitung des Verfahrens waren drei Beschwerden des privaten portugiesischen Rundfunkveranstalters SIC, die 1993, 1996 und 1997 bei der Kommission eingingen. Am 7. November 1996 erließ die Kommission bereits eine Entscheidung zur ersten und teilweise zur zweiten Beschwerde, die vom Gericht erster Instanz für nichtig erklärt wurde [341].

[341] Rechtssache T- 46/97 vom 10.5.2000.

3.2.3. Außergewöhnliche Ereignisse

474. Die Kommission genehmigte ein Beihilfevorhaben im Aosta-Tal zum Ausgleich der Schäden, die durch die Überschwemmungen und Erdrutsche infolge der schweren Regenfälle vom Oktober 2000 entstanden waren [342]. Die Regelung zielt auf den Ausgleich der Fixkosten von Unternehmen ab, die ihre Geschäftstätigkeit aufgrund der Unwetter vorübergehend einstellen mussten und diese wieder aufgenommen haben. Die Beihilfen bestehen in der Übernahme von bis zu 95 % der Fixkosten, die den betreffenden Unternehmen im Zeitraum von der Unterbrechung bis zur Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit entstanden sind, und werden für höchstens sechs Monate gewährt. Von Versicherungen gezahlte Schadenersatzleistungen sind von den betreffenden Beihilfen abzuziehen. Die italienischen Behörden haben für das Vorhaben, das sich über ein Jahr erstreckt, Mittel in Höhe von 516 456 EUR vorgesehen. Da die Regelung der Beseitigung von Schäden dient, die durch Naturkatastrophen entstanden sind, wurde sie gemäß Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b für mit dem EG-Vertrag vereinbar befunden. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass es sich bei den betreffenden Ereignissen um Naturkatastrophen im Sinne dieser Bestimmung handelt. Darüber hinaus stellte die Kommission fest, dass die Beihilfen in keinem Fall zu einer Überkompensation führen werden, und dass in Anbetracht der vorgesehenen Mittel und der voraussichtlichen Zahl der Begünstigten die einzelnen Unternehmen eher bescheidene Beträge erhalten dürften.

[342] Sache N 429/2001, Entscheidung der Kommission vom 17.10.2001 (noch nicht veröffentlicht). Die Kommission hatte bereits am 29.11.2000 eine Beihilferegelung für Schutzmaßnahmen bei Naturkatastrophen im Aosta-Tal genehmigt (N 433/2000), die den Bezugsrahmen für die betreffende Regelung im Zusammenhang mit den Unwettern bildet.

D - Verfahren

475. Mit der Annahme und dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates wurden viele der detaillierten Verfahrensvorschriften für die Prüfung staatlicher Beihilfen konsolidiert und zu einem einheitlichen Rechtstext zusammengefasst. Während einige der vom Gerichtshof entschiedenen Fälle nach wie vor Entscheidungen der Kommission betreffen, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung ergangen sind, können andere eine nützliche Orientierungshilfe für die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen der Verordnung sein.

1. Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens

476. Das Gericht hat im Jahre 2001 in zwei Urteilen darauf hingewiesen, dass es nicht im Ermessen der Kommission liegt zu entscheiden, ob sie das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einleitet oder nicht. Das Gericht betont insbesondere, dass es, wenn die Kommission ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt hat oder haben sollte, nicht gerechtfertigt ist, aus Erwägungen der administrativen Zweckmäßigkeit für die Kommission oder den Mitgliedstaat von der Einleitung des Prüfverfahrens abzusehen.

477. In seinem Urteil vom 15. März 2001 [343] in der Sache Prayon-Rupel legte das Gericht dar, unter welchen Umständen die Kommission zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens verpflichtet ist. Dieses Verfahren dient einem doppelten Zweck. Es soll zum einen die Rechte möglicherweise betroffener Dritter schützen und zum anderen die Kommission in die Lage versetzen, sich vor Erlass ihrer Entscheidung umfassend über alle Umstände des Sachverhalts zu unterrichten. Daher ist das förmliche Prüfverfahren unerlässlich, wenn die Kommission bei der Beurteilung, ob eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, ernsthaften Schwierigkeiten begegnet. Der Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten ist objektiv. Die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts erster Instanz, bei der festgestellt wird, ob ernsthafte Schwierigkeiten vorgelegen haben, geht deshalb über die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler hinaus. Das Gericht prüft, ob die Informationen, über die die Kommission zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung verfügte oder verfügen konnte, zu ernsthaften Zweifeln hätten führen müssen. Diesbezüglich weist das Gericht darauf hin, dass sich auch aus der Dauer und den Umständen des Vorverfahrens Anhaltspunkte für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten ergeben können. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Tatsache, dass zwischen der Anmeldung und der Entscheidung acht Monate verstrichen und dass der Mitgliedstaat trotz wiederholter Aufforderungen die Erteilung sachdienlicher Auskünfte verzögerte, ein Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten ist. In Anbetracht all dieser Aspekte stellte das Gericht fest, dass die Kommission ihre Entscheidung, gegen die geplante Beihilfe keine Einwände zu erheben, auf der Grundlage unzureichender Informationen über den Sachverhalt traf und dass sie daher zur Einholung umfassenderer Informationen und zur Überwindung der ernsthaften Schwierigkeiten bei der Prüfung des Vorhabens das förmliche Prüfverfahren hätte einleiten müssen.

[343] EuGeI 15. März 2001, Société chimique Prayon-Rupel/Kommission, Rechtssache T-73/98, Slg. 2001, II-867.

478. Auf der Grundlage derselben Argumentation erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission für nichtig, keine Einwände gegen Beihilfen der Französischen Republik für Likör- und Branntweinerzeuger zu erheben [344]. Da in dem betreffenden Fall die bei der Kommission eingegangenen Beschwerden ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür enthielten, dass eine Verbindung zwischen dem Beihilfevorhaben und einem Besteuerungssystem besteht, das gegen andere Vertragsbestimmungen verstoßen könnte, war für die Beurteilung der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt der Umstand der ernsten Schwierigkeit gegeben. Angesichts dieser Lage hätte dass Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 eingeleitet werden müssen.

[344] EuGeI 3. Mai 2001, Portugal/Kommission, Rechtssache C-204/97, noch nicht registriert.

479. Österreich hat in einer Klage die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens betreffend die staatliche Beihilfe zugunsten der Siemens Bauelemente OHG beantragt und geltend gemacht, dass die in der Lorenz-Rechtsprechung genannte Zweimonatsfrist, in der die Kommission ihre Voruntersuchung abschließen muss, bereits abgelaufen und die Beihilfe zu einer bestehenden Beihilfe geworden sei, als die Kommission das Verfahren einleitete. Deshalb sei die Kommission nicht mehr berechtigt gewesen, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Der Gerichtshof bestätigte die Lorenz-Rechtsprechung und wies darauf hin, die Umwandlung einer angemeldeten Beihilfe in eine bestehende Beihilfe lediglich von zwei Voraussetzungen abhängt, deren Erfuellung notwendig und ausreichend ist: Es müssen zwei Monate nach der vollständigen Anmeldung des Beihilfevorhabens verstrichen sein und der Mitgliedstaat muss der Kommission seine Absicht, das Förderungsvorhaben durchzuführen, anzeigen. Der Gerichtshof wies das Argument der Kommission zurück, dass sie nach der Anzeige der beabsichtigten Durchführung des Beihilfeverfahrens berechtigt sei, Widerspruch zu erheben. Er stellte jedoch klar, dass zu der betreffenden Zeit noch keine Bestimmungen zur Durchführung von Artikel 89 EG-Vertrag angenommen worden waren. Derweil ist aufgrund der Bestimmungen von Artikel 4 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates das Urteil nicht mehr anwendbar, da mit diesen Bestimmungen der Kommission ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Benachrichtigung von dem betreffenden Mitgliedstaat Einwände zu erheben. Obwohl das Urteil daher die derzeitigen Verfahrensregeln nicht direkt betrifft, bestätigt es die strikte Haltung des Gerichtshofs im Hinblick auf die Einhaltung der vorgegebenen Fristen durch die Kommission. Es stimmt ferner mit der allgemeinen Argumentationslinie des Gerichtshofs überein, dass das Verfahren, sollte die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt haben, in jedem Fall rasch eingeleitet werden sollte.

2. Bestehende Beihilfen

480. Das Gericht befasste sich mit der Frage der Unterscheidung zwischen neuen Beihilfen und bestehenden Beihilfen [345]. Der Fall betraf eine Kommissionsentscheidung, die bereits durch das zu einem früheren Zeitpunkt ergangene Urteil Alzetta Mauro vom 15. Juni 2000 teilweise für nichtig erklärt worden war [346]. Das Gericht bestätigte in der neuen Rechtssache, dass eine Beihilferegelung für einen Markt, der ursprünglich dem Wettbewerb entzogen war, bei der Liberalisierung dieses Marktes als bereits bestehende Beihilferegelung anzusehen ist, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Einführung nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt, der nur für die dem Wettbewerb geöffneten Wirtschaftszweige gilt. Das Gericht erster Instanz wies das Argument zurück, dass nur nach der vollständigen Liberalisierung des betreffenden Marktes gewährte Subventionen als neue Beihilfen eingestuft werden können. Es bestätigte, dass im Bereich der staatlichen Beihilfen eine Beihilfe bereits dann geeignet sein kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn der betreffende Markt nur teilweise für den Wettbewerb geöffnet ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Gericht erster Instanz zwar bekräftigte, dass vor der Liberalisierung gewährte Beihilfen bestehende Beihilfen darstellen, jedoch darauf verwies, dass es zu dieser Schlussfolgerung in Ermangelung genauer Bestimmungen zur Durchführung von Artikel 88 EG-Vertrag gelangt war, nach denen diese Beihilfen nach dem für die Liberalisierung festgelegten Zeitpunkt nicht mehr als bestehende Beihilfen anzusehen wären. Nunmehr enthält jedoch die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates in Artikel 1 Buchstabe b (v) eine Bestimmung, in der es ausdrücklich heißt: ,Werden bestimmte Maßnahmen im Anschluss an die Liberalisierung einer Tätigkeit durch gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zu Beihilfen, so gelten derartige Maßnahmen nach dem für die Liberalisierung festgelegten Termin nicht als bestehende Beihilfen." Daher können bei einem Sachverhalt wie in der Rechtssache T-288/97, der sich jedoch nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ergeben hat, die betreffenden Beihilfen nicht mehr als bestehende Beihilfen eingestuft werden.

[345] EuGeI 4. April 2001, Regione autonoma Friuli Venezia Giulia/Kommission, Rechtssache T-288/97, noch nicht registriert.

[346] EuGeI 15. Juni 2000, Alzetta e.a./Kommission, verbundene Rechtssachen T-298/97 ... T-23/98, Slg. II-2319.

481. Nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag darf die Kommission das Verfahren nur in Bezug auf neue Beihilfen einleiten. Werden Beihilfen als bestehende Beihilfen eingestuft, so ist die Kommission verpflichtet, dem betreffenden Mitgliedstaat zunächst zweckdienliche Maßnahmen vorzuschlagen. Diese Einstufung hat nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung. In Fällen, in denen neue Beihilfen unrechtmäßig gewährt wurden und daher als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar befunden werden, muss die Kommission gemäß Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates normalerweise die Rückforderung der Beihilfen anordnen. Dagegen ist es bei bestehenden Beihilfen nicht möglich, deren Rückforderung anzuordnen.

482. Der Gerichtshof prüfte die verfahrensrechtliche Lage in einem Fall, in dem die Kommission eine Beihilfemaßnahme als neue Beihilfe eingestuft und das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 eingeleitet hatte, während der betreffende Mitgliedstaat geltend machte, dass es sich um bestehende Beihilfen handelte [347]. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass die Wahl des Verfahrens durch die Kommission in Verbindung mit ihrer Aufforderung an die italienischen Behörden, die Zahlungen auszusetzen, eine Einstufung als neue Beihilfe bedeutet, und sei es vorläufig, und eigenständige Rechtswirkung entfaltet. Die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens habe impliziert, dass die Kommission nicht beabsichtigte, die Beihilfe im Rahmen der Überprüfung bestehender Beihilferegelungen gemäß Artikel 88 Absatz 1 zu prüfen, und dass ihrer Ansicht nach die Beihilfe rechtswidrig durchgeführt wurde. Eine solche Entscheidung ändert die Rechtslage der fraglichen Maßnahme sowie der beihilfebegünstigten Unternehmen, da sie zumindest erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme aufwirft, die den Mitgliedstaat veranlassen müssen, die Zahlung auszusetzen. Eine solche Entscheidung könnte auch vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werden, das aufgerufen ist, alle Konsequenzen aus dem Verstoß gegen den letzten Satz von Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag zu ziehen. Aus diesen Gründen erklärte der Gerichtshof die Klage der italienischen Regierung gegen die Einleitung des Verfahrens als zulässig.

[347] EuGH 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, Rechtssache C-400/99, noch nicht registriert.

3. Rückforderung von Beihilfen

483. Wie in Artikel 14 der Verordnung über Verfahrensvorschriften festgelegt, ordnet die Kommission die Rückforderung sämtlicher unter Verstoß gegen die Anmeldungspflicht gewährten und nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbaren Beihilfen an. Darüber schreibt Artikel 14 vor, dass die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats durchzuführen ist, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird.

484. Im Lauf des Berichtsjahres ordnete die Kommission in 20 Fällen die Rückforderung an. Ende des Jahres waren 67 Rückforderungsfälle noch nicht erledigt. Diese werden von der Kommission eingehend überwacht, um die Einhaltung der in Artikel 14 verankerten Grundsätze durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen. Da die deutschen Behörden in der Sache Lautex GmbH [348] ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, reichte die Kommission am 25. Juli dieses Jahres auf der Grundlage von Artikel 88 Absatz 2 Klage beim Gerichtshof wegen Nichtbefolgung der Rückforderungsanordnung ein.

[348] Entscheidung der Kommission vom 20.7.1999 (ABl. L 42 vom 15.2.2000, S. 19).

4. Nichtausführung von Entscheidungen

485. Es ist übliche Praxis geworden, dass die Kommission im Falle der Weigerung eines Mitgliedstaats, einer Rückforderungsentscheidung nachzukommen, Klage beim Gerichtshof einreicht. Im Jahr 2001 entschied der Gerichtshof über zwei Klagen wegen der Nichtdurchführung von Kommissionsentscheidungen. Der erste Fall betraf die Rückforderung einer Beihilfe an das Unternehmen Nouvelle Filiature Lainière de Roubaix. Im November 1998 [349] hatte die Kommission eine Entscheidung getroffen, nach der die diesem Unternehmen gewährten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind und von den französischen Behörden zurückgefordert werden müssen. Wegen dieser Entscheidung wurde der EuGH zweimal in Anspruch genommen. Im Januar 1999 erhob die französische Regierung Klage wegen Nichtigerklärung [350] der Entscheidung. Da Nichtigkeitsklagen keine aufschiebende Wirkung haben, berühren sie nicht die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, der Rückforderungsentscheidung nachzukommen. Da keine Rückforderung erfolgte, reichte die Kommission im Juli 1999 [351] wegen der Nichtdurchführung der Entscheidung über die Rückforderung innerhalb der festgesetzten Frist Klage ein. Am 22. März wies der Gerichtshof die Nichtigkeitsklage ab [352] und traf am selben Tag eine Entscheidung über die Klage wegen der Nichtdurchführung der Rückforderungsanordnung [353]. Der Gerichtshof stellte fest, dass nach der geltenden Rechtsprechung das einzige Argument, auf das sich ein Mitgliedstaat berufen könne, wenn er eine Entscheidung der Kommission nicht durchführe, die völlige Unmöglichkeit der Durchführung sei. Wenn ein Mitgliedstaat bei der Durchführung einer Entscheidung auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Schwierigkeiten stößt, muss er diese Probleme der Kommission vorlegen und dabei geeignete Änderungen der fraglichen Entscheidung vorschlagen. In einem solchen Fall müssen die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat gemäß dem Grundsatz von Artikel 10 EG-Vertrag redlich zusammenwirken, um die Schwierigkeiten unter voller Beachtung der Bestimmungen über staatliche Beihilfen zu überwinden. Da sich die französische Regierung gegenüber der Kommission nicht auf solche Schwierigkeiten berufen hat, kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass Frankreich gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat. Am 3. Juli 2001 berief sich der Gerichtshof erneut auf diese Grundsätze, und zwar in einem Urteil, nach dem die belgischen Behörden gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hatten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die im Rahmen des Programms Maribel a und b vorgesehenen Beihilfen wiedereinzuziehen. [354]

[349] Entscheidung der Kommission 1999/378/EG, 4. November 1998 (ABl. L 145 vom 10.6.1999, S. 18).

[350] Rechtssache C-17/99.

[351] Rechtssache C-261/99.

[352] EuGH 22. März 2001, Frankreich/Kommission, Rechtssache C-17/99, noch nicht registriert.

[353] EuGH 22. März 2001, Kommission/Frankreich, Rechtssache C-261/99, noch nicht registriert.

[354] EuGH 3. Juli 2001, Kommission/Belgien, Rechtssache C-378/98, noch nicht registriert.

486. Wenn ein Mitgliedstaat es unterlässt, die sich aus einem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, so kann die Kommission nach Artikel 228 ein weiteres Verfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einleiten, das letztendlich zur Verhängung eines Zwangsgelds führen kann. Am 18. Juli 2001 beschloss die Kommission erstmals in einem die Rückforderung staatlicher Beihilfen betreffenden Fall, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Italien zu richten, in der die Punkte dargelegt sind, in denen sich Italien nicht an das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Italien gehalten hat. [355]

[355] EuGH 29. Januar 1998, Kommission/Italien, Rechtssache C-280/95, Slg. 1998, I-0259. In diesem Urteil wurde festgestellt, dass Italien bereits der Rückforderungsanordnung gemäß der Entscheidung der Kommission vom 9. Juni 1993 über eine staatliche Beihilfe (Steuergutschrift für gewerbliche Güterkraftverkehrsunternehmen) (ABl. L 233 vom 16.9.1993) nicht nachgekommen ist.

E - Statistischer Überblick

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IV - Leistungen der Daseinsvorsorge

1. Allgemeine Grundsätze

487. Die EG-Wettbewerbsvorschriften gelten grundsätzlich in vollem Umfang auch für Unternehmen, die der Staat mit der Erbringung von Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut hat. In Übereinstimmung mit Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag darf jedoch die Erfuellung der diesen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben weder rechtlich noch tatsächlich durch die Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere der Wettbewerbsregeln, verhindert werden. Dennoch darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. Daher muss die Anwendung der EG-Vertragsbestimmungen gemäß dem in Artikel 86 Absatz 2 verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit so beschränkt werden, wie dies notwendig ist, um dem betreffenden Unternehmen die Erfuellung der ihm vom Staat übertragenen besonderen Aufgabe zu ermöglichen.

488. Die Bedeutung der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wurde insbesondere durch den in den Vertrag von Amsterdam aufgenommenen neuen Artikel 16 EG-Vertrag unterstrichen, in dem es heißt: ,Unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87 und in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihrer Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können."

489. Die Kommission hat ihren diesbezüglichen Standpunkt detailliert in den zwei Mitteilungen über ,Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" von 1996 [356] und 2000 [357] dargelegt. Darin erörtert die Kommission insbesondere die Kriterien der Anwendung von Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln des Vertrages und zeigt anhand konkreter Beispiele, dass die ordnungsgemäße Anwendung dieser Kriterien das reibungslose Funktionieren der Leistungen der Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigt.

[356] ABl. C 281 vom 26.9.1996.

[357] Dokument KOM(2000) 580 endg. vom 20.9.2000, auch veröffentlicht in ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4. Siehe auch XXX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, Kasten 3, nach Punkt I.C.2.7.

2. Jüngste Entwicklungen

2.1. Die Forderung des Europäischen Rates von Nizza

490. Der Europäische Rat von Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 hat die Mitteilung der Kommission von 2000 mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, die Kommission jedoch aufgefordert, ihm anlässlich der Tagung des Europäischen Rates in Laeken am 14. und 15. Dezember 2001 über das Funktionieren der Leistungen der Daseinsvorsorge Bericht zu erstatten. Der Europäische Rat fordert die Kommission insbesondere auf zu prüfen, wie bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts im Zusammenhang mit den Leistungen der Daseinsvorsorge für größere Vorhersehbarkeit und verstärkte Rechtssicherheit Sorge getragen werden kann. Darüber hinaus billigt der Europäische Rat eine Erklärung des Rates ,Binnenmarkt" vom 28. September 2000, in der insbesondere zwei Anliegen geäußert werden:

- Einerseits sollte das Zusammenspiel der Finanzierungsmodi der Leistungen der Daseinsvorsorge mit der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen präzisiert werden.

- Andererseits sollte eine regelmäßige Bewertung der Art und Weise erfolgen, wie die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erfuellt werden, insbesondere hinsichtlich ihrer Qualität, der Zugänglichkeit, der Sicherheit und der Preise.

2.2. Bericht der Kommission an den Europäischen Rat von Laeken

491. In ihrem am 17. Oktober 2001 angenommenen Bericht [358] erinnert die Kommission an die Bedeutung, die sie den Leistungen der Daseinsvorsorge als einem der wesentlichen Fundamente des europäischen Gesellschaftsmodells beimisst. Zudem verweist sie darauf, dass das Gemeinschaftsrecht der Bereitstellung und dem Funktionieren effizienter Leistungen der Daseinsvorsorge keineswegs entgegensteht.

[358] KOM(2001)598 vom 17.10.2001.

492. So gestatten es die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen den Mitgliedstaaten, mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen die erforderliche finanzielle Unterstützung zu gewähren, um die Mehrkosten auszugleichen, die diesen Unternehmen durch die Erfuellung des ihnen übertragenen besonderen Auftrags entstehen, und diesen Unternehmen die Wahrnehmung ihrer Aufgabe unter wirtschaftlich ausgeglichenen Bedingungen zu ermöglichen. Dagegen ist es nach dem Gemeinschaftsrecht untersagt, staatliche Beihilfen zu gewähren, die den Betrag überschreiten, der zur Erbringung der öffentlichen Dienstleistung erforderlich ist, so dass sie von einem mit der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge betrauten Unternehmen für Quersubventionen in Bereichen verwendet werden können, die dem Wettbewerb offen stehen.

493. Um in diesem Bereich die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit zu verbessern, zieht die Kommission einen Zweiphasen-Ansatz in Erwägung:

- In einem ersten Schritt beabsichtigt die Kommission, in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten im Laufe des Jahres 2002 einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für staatliche Beihilfen für mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beauftragte Unternehmen zu schaffen. Durch einen solchen rechtlichen Rahmen werden die Mitgliedstaaten und die Unternehmen über die Bedingungen informiert, unter denen die Kommission staatliche Beihilfen für Unternehmen genehmigen kann, die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen.

- In einem zweiten Schritt wird die Kommission die Erfahrungen mit der Anwendung dieses rechtlichen Rahmens prüfen und erforderlichenfalls eine Verordnung erlassen, mit der bestimmte Beihilfen im Bereich der Leistungen der Daseinsvorsorge von der Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung ausgenommen werden.

494. Ferner hat die Kommission zwei Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz im Bereich der Leistungen der Daseinsvorsorge festgelegt:

- Sie wird in Zukunft in den Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik speziell einen Abschnitt über Leistungen der Daseinsvorsorge aufnehmen, in dem dargestellt wird, wie die Wettbewerbsregeln auf derartige Leistungen angewandt worden sind.

- Darüber hinaus wird die Kommission in Zukunft Fälle im Zusammenhang mit Leistungen der Daseinsvorsorge in ihrem Register für staatliche Beihilfen kenntlich machen, um so den Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erleichtern.

495. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof am 22. November 2001 ein Urteil in der Rechtssache Ferring [359] erlassen hat. In diesem speziellen Fall vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass ein Ausgleich zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, keine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt. Wenn der Gerichtshof diese Rechtsprechung bestätigt, wird die Kommission selbstverständlich die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen.

[359] Rechtssache C-53/00.

496. In ihrem Bericht an den Europäischen Rat von Laeken hat die Kommission darüber hinaus ihren Standpunkt in Bezug auf die Modalitäten für die Auswahl von Erbringern von Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse deutlich gemacht. Wenn sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, einen Dritten mit der Erbringung der Leistung zu betrauen, müssen sie sich an die geltenden Gemeinschaftsvorschriften halten. Entspricht ein Vertrag, mit dem eine Behörde die Erbringung einer Leistung der Daseinsvorsorge einem Dritten überträgt, den in den Gemeinschaftsrichtlinien über das öffentliche Auftragswesen [360] vorgesehenen Bedingungen, so stellt er einen ,öffentlichen Auftrag" im Sinne dieser Richtlinien dar und bei der Vergabe müssen die Bestimmungen der erwähnten Richtlinien beachtet werden.

[360] Richtlinien 92/50, 93/77, 93/36 und 93/38.

497. Ferner muss gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs [361] die Vergabe von Aufträgen, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen fallen, gleichwohl mit den Regeln und Grundsätzen des Vertrages übereinstimmen, das heißt den Regeln hinsichtlich des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit sowie den Grundsätzen der Transparenz, der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der gegenseitigen Anerkennung.

[361] EuGH 7.12.2000, Telaustria, Rechtssache C-324/98.

498. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Anwendung dieser Grundsätze sich für die Benutzer wie auch für die Wirtschaftsakteure nur günstig auswirken kann. Die Kommission wird prüfen, ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um diese Regeln weiter klarzustellen.

499. Der Bericht der Kommission wurde vom Rat für Binnenmarkt, Verbraucherfragen und Tourismus am 26. November 2001 begrüßt. Der Rat ermutigt die Kommission insbesondere, in Kürze einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen zu schaffen, der insbesondere klarstellt, unter welchen Bedingungen Ausgleichsmaßnahmen nicht unter die Regeln für staatliche Beihilfen fallen. Darüber hinaus ersucht der Rat die Kommission, so bald wie möglich in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten im Lichte und auf der Grundlage der Erfahrungen mit der Anwendung dieses rechtlichen Rahmens einen Vorschlag für eine Verordnung auszuarbeiten, mit der bestimmte Beihilfen in diesem Bereich von der Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung ausgenommen werden, und dabei sektoriellen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Er ersucht die Kommission ferner, dem Rat mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rates in Kopenhagen über die Arbeiten an einer solchen Verordnung Bericht zu erstatten.

500. Der Europäische Rat vom 14. und 15. Dezember 2001 nahm ,mit Befriedigung Kenntnis von den Schlussfolgerungen des Rates und von dem Gemeinsamen Bericht des Rates und der Kommission zu den Leistungen der Daseinsvorsorge, deren Ergebnisse und Auswirkungen auf den Wettbewerb Gegenstand einer Evaluierung auf Gemeinschaftsebene sein werden. Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, einen Orientierungsrahmen für die staatlichen Beihilfen festzulegen, die den Unternehmen gewährt werden, die Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen".

501. Die Kommission wird sich im Lauf des Jahres 2002 bemühen, die in ihrem Bericht an den Europäischen Rat genannten Ziele vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs umzusetzen.

3. Kartellrecht (einschliesslich Liberalisierung)

502. Im Kartellbereich hatte die Kommission im Laufe des Jahres 2001 auf der Grundlage der rechtlichen und politischen Grundsätze, die in der Mitteilung der Kommission über Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa vom 20. September 2000 dargelegt sind, auch im Hinblick auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse mit mehreren Fällen sowie legislativen Fragen zu tun. Die zunehmende Zahl von Präzedenzfällen aus der laufenden Rechtsprechung sowie von Rechtsvorschriften trug indessen zu einer Verbesserung der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit auf diesem Gebiet bei.

503. Die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft kommen nicht zur Anwendung, wenn die betreffenden Tätigkeiten nichtwirtschaftlicher Art sind bzw. Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden können. Aus diesem Grund hat die Kommission im Jahr 2001 mehrere Fälle geschlossen [362].

[362] Wie in der Sache COMP/D-3/38213 Ryanair/ENAV und Italien, aufgrund der Tatsache, dass ENAV (die italienische Flugsicherheitsbehörde) keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

504. In anderen Fällen konnten die EG-Wettbewerbsregeln in vollem Umfang angewandt werden, da die Beendigung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 [363] nicht behinderte. Im Postsektor zeigten mehrere Entscheidungen der Kommission [364], dass der Missbrauch der beherrschenden Stellung eines Unternehmens, das vom Staat mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut wurde, nicht mit Artikel 86 Absatz 2 gerechtfertigt werden kann. Von besonderer Bedeutung war die Entscheidung in der Sache Deutsche Post AG I (DPAG), in der die Kommission die Auffassung vertrat, dass die Einschränkung von Artikel 86 Absatz 2 nicht anwendbar ist, weil die Abschaffung der von der DPAG mit ihren Kooperationspartnern vereinbarten Treuerabatte und die Anhebung der Preise auf zumindest die Höhe der leistungsspezifischen Kosten der Paketdienste für den Versandhandel die DPAG nicht daran hindern würde, ihrer Universaldienstpflicht (,carrier of last resort") nachzukommen.

[363] So konnten bei der Entscheidung der Kommission vom 23.10.2001 in der Sache Comp/C1/37133 La Poste (France)/SNELPD Artikel 86 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g, Artikel 10 Absatz 2 sowie Artikel 81 und 82 voll und ganz gegen einen Mitgliedstaat angewandt werden, da die Beendigung einer durch den Mitgliedstaat geschaffenen wettbewerbswidrigen Situation im Zusammenhang mit einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, die Erfuellung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben nicht behinderte.

[364] Zu den Sachen Deutsche Post AG I, Deutsche Post AG II, De Post/la Poste (Belgien) siehe auch Kapitel I.C Abschnitt 2.2.

3.1. Rechtsprechung des Gerichtshofs

505. In seinem Urteil vom 17. Mai [365] musste der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entscheiden, ob ein italienisches Gesetz, durch das ein Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird, und das das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entsprechende Postgebühr entrichten, mit Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 in Einklang steht. Der EuGH stellte fest, dass eine solche Regelung, soweit sie dazu führen kann, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird, nicht mit Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 in Einklang steht, da sie eine Situation schafft, in der das etablierte Unternehmen, dem das ausschließliche Recht übertragen wurde, unvermeidlich zur missbräuchlichen Ausnutzung seiner beherrschenden Stellung veranlasst wird, indem es eine Vergütung für von ihm nicht selbst erbrachte Dienstleistungen erhält. Der EuGH räumte jedoch auch ein, dass diese Wettbewerbsbeschränkung, die in der Verpflichtung der Erbringer von nicht zum Universaldienst gehörenden Postdienstleistungen besteht, zur Rentabilität des mit dem Universaldienst betrauten Unternehmens beizutragen, nach Artikel 86 Absatz 2 [366] gerechtfertigt sein könnte, wenn der finanzielle Beitrag nicht über den Betrag hinausgeht, der zum Ausgleich der Verluste notwendig ist, die dem mit dem Betrieb des postalischen Universaldienstes betrauten Unternehmensinhaber durch das Betreiben dieses Dienstes entstehen können [367].

[365] Sache C-340/99, TNT Traco, Randnummern 51-63.

[366] Die Sachlage, auf die sich das Urteil bezieht, bestand vor dem Termin für die Umsetzung der Richtlinie 97/67/EG (d. h. Februar 1999). In Artikel 9 Absatz 4 dieser Richtlinie wird klargestellt, dass nur Anbieter von Universaldienstleistungen verpflichtet werden können, einen Beitrag zum Ausgleichsfonds zu leisten.

[367] Darüber hinaus hat der EuGH entschieden, dass unter diesen Umständen von einem etablierten Unternehmen, sofern es eine Leistung erbringt, die nicht Teil des Universaldienstes ist, verlangt werden kann, finanziell zum Universaldienst beizutragen. Weiter heißt es im Urteil des EuGH, dass das etablierte Unternehmen zu sichern habe, dass seine Eilkurierdienstleistungen außerhalb des Universaldienstes nicht durch den Universaldienst subventioniert werden, da dies auf unzulässige Weise die möglichen Verluste des Universaldienstes erhöhen würde.

506. Im Bereich des Gesundheitswesens erließ der EuGH am 25. Oktober eine Vorabentscheidung [368], in der die Vereinbarkeit einer in Deutschland geltenden Rechtsvorschrift mit Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 82 bewertet wird, nach der Unternehmen die Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten zu untersagen ist, wenn aufgrund ihres Gebrauchs mit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes zu rechnen ist, dessen Durchführung für einen abgegrenzten geografischen Bereich Sanitätsorganisationen übertragen wurde, die ebenfalls Krankentransportleistungen anbieten. Der EuGH stellte zunächst fest, dass es sich bei Sanitätsorganisationen um Unternehmen im Sinne des EG-Wettbewerbsrechts handelt, da die Erbringung von Notfall- und Krankentransportleistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Ferner erinnerte der EuGH daran, dass das nationale Gericht zunächst zu prüfen haben wird, ob die fraglichen Sanitätsorganisationen tatsächlich eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Notfalltransporte inne haben und ob dieser Markt einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt. Zweitens ist zu prüfen, ob sich die in Deutschland geltende Rechtsvorschrift auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirkt, d. h. ob es ausreichend wahrscheinlich ist, dass sie Unternehmer mit Sitz in einem anderen als dem betreffenden Mitgliedstaat tatsächlich daran hindert, dort Krankentransporte zu betreiben oder sich dort niederzulassen. Unter diesen Voraussetzungen vertrat der EuGH die Auffassung, dass die deutsche Rechtsvorschrift zur Erstreckung der beherrschenden Stellung der Sanitätsorganisationen vom Markt für Notfalltransport auf den benachbarten, aber getrennten Markt für Krankentransport führen und somit einen Verstoß gegen Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 darstellen würde, sofern es dafür keine objektive Rechtfertigung gibt. Der EuGH kam jedoch schließlich zu dem Schluss, dass die deutsche Rechtsvorschrift eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrifft und nach Artikel 86 Absatz 2 gerechtfertigt sein könnte, soweit alle darin genannten Voraussetzungen erfuellt sind und nicht ausgeschlossen wird, dass unabhängigen Unternehmen eine Genehmigung für die Durchführung von Krankentransporten erteilt wird, wenn die damit betrauten Sanitätsorganisationen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Nachfrage in diesem Bereich zu decken.

[368] Rechtssache C-475/99, Ambulanz Glöckner.

3.2. Liberalisierung durch legislative Maßnahmen

507. Der Europäische Rat von Lissabon vom März 2000 rief in seinen Schlussfolgerungen die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten dazu auf, jeweils im Rahmen ihrer Befugnisse bis Ende des Jahres 2000 eine Strategie für die Beseitigung der Hemmnisse im Dienstleistungsbereich festzulegen und die Liberalisierung in Bereichen wie Gas, Strom, Postdienste und Beförderung zu beschleunigen. Zur Förderung von Marktöffnung und Wettbewerb hat die Kommission daher im Jahre 2001 entsprechende Legislativvorschläge vorgelegt und die Umsetzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften überwacht. Diese Tätigkeit schloss Bereiche ein, in denen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbracht werden, und trug dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Besonderheiten der betreffenden Sektoren Rechnung.

508. In Bezug auf den Energiesektor schlug die Kommission eine neue Richtlinie [369] vor, die für den Zeitraum 2003-2005 die vollständige Öffnung des Elektrizitäts- und Gasmarktes in drei Schritten vorsieht. Darüber hinaus zielt die vorgeschlagene Richtlinie auf die Beibehaltung eines hohen Niveaus der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ab und verpflichtet die Mitgliedstaaten, das Recht der Haushalte auf Energieversorgung zu angemessenen Bedingungen sowie das Erreichen grundlegender Ziele sicherzustellen, wie den Schutz sozial schwacher Kunden, grundlegende Garantien für die Endabnehmer (Mindeststandards bezüglich der Vertragsbedingungen, Transparenz der Informationen, kostengünstige und transparente Streitschlichtungsregelungen) und die Versorgungssicherheit.

[369] KOM(2001) 125 endg. 13.3.2001. Einzelheiten siehe Randnummer 88.

509. In Bezug auf den Postsektor setzte die Kommission ihre Bemühungen fort, den Weg für die weitere Marktöffnung zu ebnen. Im neuen Vorschlag der Kommission vom 21. März 2001 wird unter anderem betont, dass jeder Mitgliedstaat detaillierte Regelungen hinsichtlich des Standards der Universaldienste erlässt. In dem am 15. Oktober 2001 vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt wurde der Text in einigen Punkten geändert. Für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist erstens das Ziel der Liberalisierung des Marktes für abgehende grenzüberschreitende Postsendungen von Belang, außer in den Mitgliedstaaten, in denen ihre Einbeziehung in den reservierten Bereich für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes notwendig ist, und zweitens das Verbot der Quersubventionierung der Universaldienstleistungen außerhalb des reservierten Bereichs mit Einnahmen aus Leistungen im reservierten Bereich, ausgenommen in den Fällen, in denen dies unverzichtbar ist, um bestimmte Universaldienstverpflichtungen zu erfuellen, die in dem dem Wettbewerb unterliegenden Bereich erbracht werden müssen.

510. Was den Telekommunikationssektor betrifft, so erzielte der Rat am 6. Dezember eine politische Einigung über eine Reihe von Richtlinien (,Telekompaket"), die den derzeitigen Rechtsrahmen für Telekommunikation ersetzen werden. Der wichtigste Fortschritt besteht darin, dass das Telekompaket technologieneutral ist und eine Trennung zwischen den Übertragungsdiensten und der Bereitstellung von Inhalten vorsieht. Die bislang gültige Unterscheidung zwischen der Regulierung von Telekommunikationsnetzen und der Regulierung von Rundfunknetzen wird aufgehoben. Darüber hinaus werden mit dem Ziel der Anwendung sektorspezifischer Rechtsvorschriften wettbewerbsrechtliche Definitionen der Märkte und marktbeherrschenden Akteure eingeführt. Um eine einheitliche Anwendung dieser Grundsätze zu gewährleisten, wurde der Kommission das Recht auf Prüfung einzelstaatlicher Auslegungen eingeräumt, die mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sind.

511. Die Tätigkeit der Kommission war insbesondere darauf gerichtet, die Umsetzung der bestehenden Liberalisierungsrichtlinien zu kontrollieren und die Untersuchung der Bereiche Entbündelung des Teilnehmeranschlusses, Mietleitungen und Roaming fortzuführen. Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 6.12.2001 in der Rechtssache C-146/00 Kommission/Frankreich bestimmte Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Universaldienstes und der Berechnung der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen gemäß den Telekommunikationsrichtlinien geklärt. Der Gerichtshof gab der Kommission voll und ganz Recht und gelangte zu der Einschätzung, dass das französische Verfahren zur Finanzierung des Universaldienstes nicht den in den Richtlinien verankerten Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Nichtdiskriminierung und Transparenz entspricht, und dass Frankreich darüber hinaus gegen seine Verpflichtungen zur Beseitigung der Tarifunausgewogenheiten verstoßen hat.

V - Internationale Zusammenarbeit

A - Erweiterung

1. Beitrittsvorbereitungen und -verhandlungen

512. Die Europäische Union hat 2001 die Beitrittsverhandlungen zur Wettbewerbsthematik fortgesetzt. Im März 2001 wurden die Verhandlungen mit Bulgarien zum Wettbewerbskapitel förmlich eröffnet. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei haben noch nicht begonnen, doch sind die Vorbereitungen auf eine analytische Prüfung der Vereinbarkeit der türkischen Wettbewerbsvorschriften mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand bereits voll im Gange.

513. Im Hinblick auf die Frage, ob die Beitrittsländer die notwendigen Vorbereitungen getroffen haben, so dass die Kommission den Mitgliedstaaten vorschlagen kann, die Wettbewerbsverhandlungen vorläufig abzuschließen, prüfte die Kommission insbesondere, ob die Beitrittsländer einen zufrieden stellenden Stand im Hinblick auf (i) ihren Rechtsrahmen für Kartelle und staatliche Beihilfen, (ii) das Bestehen der erforderlichen Verwaltungsstrukturen und (iii) die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Bereich des Wettbewerbs erreicht haben. Die Methode zur Bewertung dieser Kriterien wurde im Zwischenbericht der Kommission über die Beitrittsverhandlungen in Bezug auf das Wettbewerbskapitel, der der Gruppe ,Erweiterung" des Rates im Januar 2001 vorgelegt wurde, eingehend erörtert. Der Bericht vom Januar 2001 gab auch Auskunft über den Stand der Verhandlungen mit Estland, Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern. Im Juli 2001 legte die Kommission der Gruppe ,Erweiterung" des Rates eine aktualisierte Fassung vor, in der auch auf den Stand der Verhandlungen mit Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und der Slowakei eingegangen wurde. Die Gruppe ,Erweiterung" begrüßte beide Berichte.

514. Was den zeitlichen Ablauf der Erweiterungsverhandlungen betrifft, so bestätigte der Europäische Rat von Göteborg am 15. und 16. Juni 2001 den im Strategiepapier der Kommission vom 8. November 2000 dargelegten ,Fahrplan". Gemäß diesem Strategiepapier hat die EU in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 die vorrangige Aufgabe, für eine Reihe von Kapiteln einschließlich der Wettbewerbspolitik gemeinsame Standpunkte festzulegen; hierzu gehören auch die Anträge auf Genehmigung von Übergangsmaßnahmen. In Übereinstimmung mit dem ,Fahrplan" legte die Kommission dem Rat bis Ende Oktober 2001 überarbeitete Entwürfe der gemeinsamen Standpunkte zum Kapitel Wettbewerb vor. Sie betrafen alle zwölf Bewerberländer, mit denen Verhandlungen über das Wettbewerbskapitel geführt werden. Dem Rat sollte damit die Einschätzung ermöglicht werden, ob die Voraussetzungen für einen vorläufigen Abschluss des Kapitels Wettbewerb erfuellt sind.

515. Im November 2001 beschloss der Rat gemäß der Empfehlung der Kommission, die Wettbewerbsverhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen und Slowenien vorläufig abzuschließen. In Bezug auf alle anderen Beitrittsländer billigte der Rat den Vorschlag der Kommission, die diesbezüglichen Verhandlungen fortzuführen. Der Europäische Rat von Laeken im Dezember 2001 bestätigte, dass die Europäische Union entschlossen ist, die Beitrittsverhandlungen mit den Ländern, die ausreichend auf den Beitritt vorbereitet sind, bis Ende 2002 abzuschließen, damit diese 2004 als Mitgliedstaaten an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen können. Darüber hinaus stimmte der Europäische Rat ,dem Bericht der Kommission zu, wonach Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern für den Beitritt bereit sein könnten, wenn in den Bewerberländern das derzeitige Tempo der Verhandlungen und Reformen beibehalten wird".

2. Stand der Angleichung der Wettbewerbsregeln

516. Die Europäische Kommission berichtet in regelmäßigen Abständen über die von den einzelnen Beitrittsländern auf dem Weg zum Beitritt erzielten Fortschritte. Inhalt der vierten regelmäßigen Berichte zu den zehn mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL), zu Malta, der Türkei und Zypern, die im November 2001 von der Europäischen Kommission angenommen wurden, ist eine Bewertung der Entwicklung seit Vorlage der letzten Berichte im Jahre 2000 durch die Europäische Kommission.

517. Die Fortschritte auf dem Gebiet des Kartell- und Fusionsrechts sind im Allgemeinen sowohl hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen als auch der Schaffung der erforderlichen Verwaltungskapazität als zufrieden stellend eingeschätzt worden. Wichtigste Aufgabe der Kartellbehörden in den Beitrittsländern ist nach wie vor die Durchsetzung des Kartellrechts bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine ernsthafte Behinderung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Marktmechanismen darstellen: Kartellbildung, Monopolübernahmen und Verdrängungspraktiken seitens marktbeherrschender Unternehmen. Um die Durchführungspraxis der Beitrittsländer im Bereich des Kartellrechts zu stärken, sollten generell auch abschreckendere Sanktionen angewandt werden.

518. Im Vergleich zum Kartellrecht verläuft die Einführung der Kontrolle staatlicher Beihilfen in den Beitrittsländern im Allgemeinen langsamer, ist politisch heikler und wesentlich umstrittener. Die Beitrittsverhandlungen haben jedoch dazu beigetragen, die Schaffung des Rechts- und Verfahrensrahmens für die Gewährung staatlicher Beihilfen zu beschleunigen.

519. Bis 2001 haben alle Beitrittsländer, mit denen Verhandlungen geführt wurden, eigene Behörden zur Überwachung staatlicher Beihilfen geschaffen. Die Türkei hat sich bereit erklärt, bis zum 1. Januar 2003 eine solche Behörde einzurichten. Von der Kommission ist darauf hingewiesen worden, dass es Aufgabe dieser Behörden ist, neue und bestehende staatliche Beihilfemaßnahmen aller Beihilfen gewährenden Stellen wirksam zu kontrollieren. Vorgesehene neue Beihilfen müssten bei den Aufsichtsbehörden in jedem Fall vorab angemeldet werden. Die Aufsichtsbehörden sollten befugt sein, von den Stellen, die die Beihilfe gewähren, alle erforderlichen Angaben für die Prüfung der Beihilfen zu verlangen. Ferner sollten diese Behörden befugt sein, vor der Einführung neuer Beihilfen eine unabhängige Stellungnahme über die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit den Europa-Abkommen abzugeben. Dennoch scheinen noch nicht alle Aufsichtsbehörden systematisch die notwendigen Informationen über alle neuen Beihilfen zu erhalten, die es ihnen erlauben würde, ihre Pflichten umfassend wahrzunehmen.

520. Im Interesse der erforderlichen Transparenz wurden in den meisten Beitrittsländern umfassende Übersichten über die bestehenden Beihilfen erstellt, die regelmäßig aktualisiert werden. Ferner setzt die Kommission ihre Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der Beitrittsländer fort und berät sie bei der Erarbeitung der Jahresberichte über staatliche Beihilfen hinsichtlich der Methodik, damit diese mit der Methodik übereinstimmt, die die Kommission bei der Erstellung ihrer Übersicht über staatliche Beihilfen anwendet.

521. Die Kommission hat die Aufmerksamkeit mehrerer Beitrittsländer weiterhin auf die Notwendigkeit gelenkt, ihre fiskalischen, oftmals mit Blick auf die Förderung ausländischer Investitionen konzipierten Beihilferegelungen und die staatlichen Beihilfemaßnahmen für die so genannten Sonderwirtschaftszonen noch vor dem Beitritt mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand in Einklang zu bringen. Sie hat ferner auf die Notwendigkeit der Transparenz und der strikten Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Falle von Umstrukturierungen hingewiesen.

3. Durchführungsbestimmungen im Rahmen der Europa-Abkommen und des Beschlusses über die Zollunion

522. Um den rechtlichen Rahmen der Europa-Abkommen für die Wettbewerbsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den zehn assoziierten mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) weiter auszugestalten, wurden zwei Gruppen von Durchführungsbestimmungen erarbeitet. Die erste betrifft die Durchführung der für Unternehmen geltenden wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der Europa-Abkommen (Kartellrecht), die zweite bezieht sich auf die Vorschriften zu staatlichen Beihilfen.

523. Durchführungsbestimmungen der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln wurden bereits in den zurückliegenden Jahren für die Tschechische Republik [370], Polen [371], die Slowakische Republik [372], Ungarn [373], Bulgarien [374], Rumänien [375], Estland [376], Litauen [377] und Slowenien [378] angenommen. 2001 nahm der Assoziationsrat ferner die entsprechenden Bestimmungen für Lettland [379] an. Der Wortlaut ist im Wesentlichen für alle assoziierten Länder gleich. Die Bestimmungen enthalten hauptsächlich verfahrensbezogene Regeln, d. h. Regeln hinsichtlich Zuständigkeit zur Behandlung auftretender Fälle, Verfahrensweisen für die Notifizierung von Fällen, Konsultationen, Komitologie und Informationsaustausch. Bezüglich bestimmter verfassungsrechtlicher Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung der Durchführungsvorschriften in Ungarn wurden bei der Überwindung der noch bestehenden Schwierigkeiten Fortschritte erreicht. Von der Kommission ist dem Rat ein Vorschlag zu abgeänderten Durchführungsbestimmungen für Ungarn vorgelegt worden. Sobald der Assoziationsrat EU-Türkei sich auf einen entsprechenden Text geeinigt hat, kann er die Durchführungsbestimmungen gemäß dem Beschluss über die Zollunion von 1995 annehmen. Festgelegt würden die Vorschriften für Unternehmen und für die Kontrolle der staatlichen Beihilfen.

[370] Beschluss Nr. 1/96 des Assoziationsrates EU-Tschechische Republik vom 30. Januar 1996 (ABl. L 31 vom 9.2.1996).

[371] Beschluss Nr. 1/96 des Assoziationsrates EU-Polen vom 16. Juli 1996 (ABl. L 208 vom 17.8.1996).

[372] Beschluss Nr. 1/96 des Assoziationsrates EU-Slowakei vom 15. August 1996 (ABl. L 295 vom 20.11.1996).

[373] Beschluss Nr. 2/96 des Assoziationsrates EU-Ungarn vom 6. November 1996 (ABl. L 295 vom 20.11.1996).

[374] Beschluss Nr. 2/97 des Assoziationsrates EU-Bulgarien vom 7. Oktober 1997 (ABl. L 15 vom 21.1.1998).

[375] Beschluss Nr. 1/99 des Assoziatonsrates EU-Rumänien vom 16. März 1999 (ABl. L 96 vom 10.4.1999).

[376] Beschluss Nr. 1/99 des Assoziationsrates EU-Estland vom 28. April 1999 (ABl. L 144 vom 9.6.1999).

[377] Beschluss Nr. 4/99 des Assoziationsrates EU-Litauen vom 26. Mai 1999 (ABl. L 156 vom 23.6.1999).

[378] Beschluss Nr. 4/2000 des Assoziationsrates EU-Slowenien vom 21. Dezember 2000 (ABl. L 130 vom 12.5.2001).

[379] Beschluss Nr. 5/2001 des Assoziationsrates EU-Lettland vom 25. April 2001 (ABl. L 183 vom 6.7.2001).

524. Im Jahre 2001 wurden hinsichtlich der Annahme der Durchführungsbestimmungen für staatliche Beihilfen große Fortschritte erzielt. Mit der Tschechischen Republik gelten diese Vorschriften bereits seit 1998 [380]. 2001 hat der Assoziierungsrat außerdem die Durchführungsbestimmungen in Verbindung mit Litauen [381], Lettland [382], Rumänien [383], Slowenien [384], Polen [385], Bulgarien [386] und der Slowakei [387] angenommen. Bei den Durchführungsbestimmungen handelt es sich um ein auf zwei Säulen ruhendes System der Kontrolle staatlicher Beihilfen. Auf Seiten der Gemeinschaft bewertet die Europäische Gemeinschaft die Vereinbarkeit der von EU-Mitgliedstaaten gewährten staatlichen Beihilfen anhand der EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen. Seitens des assoziierten Landes obliegt es einer nationalen Behörde, bestehende und neue staatliche Beihilfen anhand der Kriterien zu überwachen und zu kontrollieren, die sich aus der Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen ergeben. Die Durchführungsbestimmungen umfassen Verfahren für die Konsultation und Problemlösung, Vorschriften für die Transparenz (d. h. von den assoziierten Ländern ist ein Verzeichnis ihrer Beihilfeprogramme sowie einzelner Beihilfen aufzustellen und danach laufend zu aktualisieren) sowie Vorschriften für den gegenseitigen Informationsaustausch. Nach Abschluss der Vorbereitungsarbeiten im Rat lagen Entwürfe der Durchführungsvorschriften für staatliche Beihilfen zur Annahme des Assoziierungsrates mit Estland Anfang 2002 vor.

[380] Beschluss Nr. 1/98 des Assoziationsrates EU-Tschechische Republik vom 24. Juni 1998 (ABl. L 195 vom 11.7.1998).

[381] Beschluss Nr. 2/2001 des Assoziationsrates EU-Litauen vom 22. Februar 2001 (ABl. L 98 vom 7.4.2001).

[382] Beschluss Nr. 4/2001 des Assoziationsrates EU-Lettland vom 20. März 2001 (ABl. L 163 vom 20.6.2001).

[383] Beschluss Nr. 4/2001 des Assoziationsrates EU-Rumänien vom 10. April 2001 (ABl. L 138 vom 22.5.2001).

[384] Beschluss Nr. 2/2001 des Assoziationsrates EU-Slowenien vom 3. Mai 2001 (ABL. 163 vom 20.6.2001).

[385] Beschluss Nr. 3/2001 des Assoziationsrates EU-Polen vom 23. Mai 2001 (ABl. L 215 vom 9.8.2001).

[386] Beschluss Nr. 2/2001 des Assoziationsrates EU-Bulgarien vom 23. Mai 2001 (ABl. L 216 vom 10.8.2001).

[387] Beschluss Nr. 6/2001 des Assoziationsrates EU-Slowakei vom 22. November 2001 (noch nicht veröffentlicht).

4. Verlängerung des Status laut Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a gemäss Europa-Abkommen und Annahme von Fördergebietskarten

525. In den Europa-Abkommen ist festgelegt, dass von den assoziierten Ländern gewährte staatliche Beihilfen unter Berücksichtigung der Tatsache zu bewerten sind, dass diese Länder über einen Zeitraum von fünf Jahren als Gebiete angesehen werden, die mit den in Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beschriebenen Gebiete der Gemeinschaft identisch sind. 2000 beschlossen die Assoziierungsräte, diesen Status für Bulgarien [388], Rumänien [389], Litauen [390] und Estland [391] um weitere fünf Jahre zu verlängern. 2001 sind von den jeweiligen Assoziierungsräten gleiche Beschlüsse zur Tschechischen Republik [392], Lettland [393], Polen [394], Slowakei [395] und Slowenien [396] gefasst worden.

[388] Beschluss Nr. 1/2000 des Assoziationsrates EU-Bulgarien vom 28. Februar 2000 (ABl. L 144 vom 17.6.2000).

[389] Beschluss Nr. 2/2000 des Assoziationsrates EU-Rumänien vom 17. Juli 2000 (ABl. L 230 vom 12.09.2000).

[390] Beschluss Nr. 2/2000 des Assoziationsrates EU-Litauen vom 24. Juli 2000 (ABl. L 199 vom 05.10.2000).

[391] Beschluss Nr. 3/2000 des Assoziationsrates EU-Estland vom 1. Dezember 2000 (ABl. L 21 vom 23.1.2001).

[392] Beschluss Nr. 3/2001 des Assoziationsrates EU-Tschechische Republik vom 8. März 2001 (ABl. L 100 vom 11.4.2001).

[393] Beschluss Nr. 3/2001 des Assoziationsrates EU-Lettland vom 20. März 2001 (ABl. L 156 vom 13.6.2001).

[394] Beschluss Nr. 2/2001 des Assoziationsrates EU-Polen vom 7. Mai 2001 (ABl. L 215 vom 9.8.2001).

[395] Beschluss Nr. 3/2001 des Assoziationsrates EU-Slowakei vom 18. Mai 2001 (ABl. L 217 vom 11.8.2001).

[396] Beschluss Nr. 4/2001 des Assoziationsrates EU-Slowenien vom 25. Juli 2001 (noch nicht veröffentlicht).

526. In den Beschluss des Assoziierungsrates zur Verlängerung des Status laut Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a wird zusätzlich meist das Erfordernis aufgenommen, dass von dem betreffenden assoziierten Land Zahlenangaben zum BIP pro Kopf auf der entsprechenden statistischen Ebene vorzulegen sind. Diese Zahlen sind von der die staatliche Beihilfe überwachenden Behörde des assoziierten Landes und der Europäischen Kommission für die gemeinsame Erstellung von Fördergebietskarten auf der Grundlage der Gemeinschaftsleitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zu verwenden. In der Fördergebietskarte sind die Anspruchsberechtigung von Regionen auf Beihilfe mit regionaler Zielsetzung sowie die jeweils zulässige maximale Beihilfeintensität festgelegt. Auf Vorschlag der assoziierten Ländern bereitet die Kommission die Vorlage von Entwürfen von Fördergebietskarten beim Rat vor, damit diese von den zuständigen Assoziierungsausschüssen für die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei und Slowenien angenommen werden können.

5. Technische Hilfe für die Beitrittsländer

527. Angesichts weiter bestehender Unzulänglichkeiten stellt die technische Hilfe im Bereich Wettbewerb ein wesentliches Instrumentarium für die Vorbereitung der Bewerberländer auf den Beitritt dar. Im Rahmen der PHARE-Programme werden konkrete Maßnahmen eingeleitet. Im Zusammenhang mit dem Aufbau der erforderlichen Verwaltungsstrukturen (Partnerschaftsvereinbarungen) beraten Experten aus den EU-Mitgliedstaaten nunmehr auch auf langfristiger Basis die für Wettbewerb und staatliche Beihilfen zuständigen Behörden in den MOEL. Im März 2001 wurden für verantwortliche Mitarbeiter der für den Wettbewerb zuständigen Stellen der Beitrittsländer gemeinsame Weiterbildungsveranstaltungen organisiert. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen stehen die Erläuterung des neuen gemeinsamen Besitzstandes zu Wettbewerbsfragen sowie die Umsetzung und Durchsetzung der Wettbewerbsregeln.

528. Die Europäische Kommission praktiziert eine aktive Politik der weiteren Intensivierung ihrer Kontakte zu den Wettbewerbsbehörden der Beitrittsländer . Vom 17. bis 19. Juni 2001 fand im slowenischen Ljubljana die siebente Jahreskonferenz zu Wettbewerbsfragen zwischen den Wettbewerbsbehörden der Beitrittsländer und der Europäischen Kommission statt. Den Delegationen gehörten hochrangige Beamte der für Wettbewerb und staatliche Beihilfen zuständigen Behörden an, darunter Kommissionsmitglied Monti. Die Jahreskonferenz stellt ein Forum für den Gedanken- und Erfahrungsaustausch dar. Ferner dient sie der Herstellung und Festigung beruflicher Kontakte zwischen den Beamten. In diesem Jahr ging es vornehmlich um die Bewertung der Umsetzungspraxis der Beitrittsländer sowie die Notwendigkeit, die Vorschriften auf den Gebieten Kartellrecht und staatliche Beihilfen effektiv umzusetzen.

6. Westlicher Balkan

529. Im Juni 2000 bestätigte der Europäische Rat in Santa Maria da Feira, dass die Länder auf dem westlichen Balkan potenzielle Kandidaten für eine EU-Mitgliedschaft sind. Die Union verpflichtete sich, den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess in dieser Region insbesondere durch technische Hilfe zu unterstützen. Im Jahre 2001 hat die Kommission Gespräche mit den kürzlich geschaffenen Wettbewerbsbehörden in den westlichen Balkanländern eingeleitet. Diese Gespräche werden im Hinblick auf die Arbeit geführt, die bewältigt werden muss, um die Wettbewerbsbestimmungen der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, die gegenwärtig mit diesen Ländern abgeschlossen werden, umzusetzen. [397] Außerdem nahm die Kommission aktiv an der ,Regional Flagship Initiative" der OECD zur Wettbewerbspolitik für die Länder des westlichen Balkans teil, die im Juli 2001 in Ljubljana auf den Weg gebracht wurde.

[397] 2001 wurden zwei Stabilisieruangs- und Assoziierungsabkommen abgeschlossen. Die Unterzeichnung des Stabilisierungs-und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits erfolgte am 9. April 2001 in Luxemburg. Das Stabilisieruangs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits wurde am 29. Oktober 2001 in Luxemburg unterzeichnet.

B - Bilaterale Zusammenarbeit

1. Vereinigte Staaten

530. Die Kommission erstellt alljährlich einen Bericht an den Rat und das Europäische Parlament über die Zusammenarbeit mit den USA im Bereich des Wettbewerbs gemäß dem Abkommen von 1991 über Zusammenarbeit [398] sowie von 1998 über entgegenkommendes Verhalten [399]. Der letzte Bericht erstreckte sich auf den Zeitraum 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000. [400] Der Bericht für 2001 wird im Laufe des Jahres 2002 erscheinen.

[398] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. L 95 vom 27.4.1995, berichtigt durch ABl. L 131 vom 15.6.1995).

[399] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der "Positive-Comity"-Grundsätze bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. L 173 vom 18.6.98).

[400] KOM(2002)45, 29.1.2002.

531. Auch 2001 setzte die Kommission ihre enge Zusammenarbeit mit der Kartellabteilung des Justizministeriums der USA und der Bundesbehörde zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) in einer ständig zunehmenden Zahl von Fällen fort. Die Tendenz zur Globalisierung der Märkte verlor im Berichtsjahr in keiner Weise an Tempo, wie aus der Zahl und dem Umfang transnationaler Fusionen, die einen bisherigen Hoechststand erreicht haben, deutlich erkennbar ist: Im Jahr 2001 war eine spürbare Zunahme der Zahl der der Kommission und den Wettbewerbsbehörden in den USA gemeldeten Fusionen zu verzeichnen. Eine große Anzahl von Fusionen in allen Bereichen wurde gleichzeitig von der Kommission und den amerikanischen Behörden untersucht. Die Gespräche zwischen den Behörden konzentrieren sich auf solche Fragen wie die Definition der Märkte, die möglichen wettbewerblichen Auswirkungen einer Fusion auf diese Märkte sowie die Wirksamkeit der von den fusionierenden Parteien vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen.

532. Zu den Untersuchungen von Zusammenschlüssen, die eine enge transatlantische Zusammenarbeit erforderten, gehörten die Fälle GE/Honeywell, Metso/Svedala und CVC/Lenzing [401]. Aber auch in einer Vielzahl fusionsunabhängiger Untersuchungen arbeitete die Kommission eng mit ihren Partnern in den USA zusammen, zum Beispiel bei den Untersuchungen der Kommission und der FTC zur Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens COVISINT zwischen den Herstellern von Ersatzteilen für die Automobilbranche. Die fallbezogene Zusammenarbeit EU/USA wird im Kapitel Fusionskontrolle des vorliegenden Berichts und im 7. Bericht an den Rat und das Europäische Parlament für das Jahr 2001, der im Laufe des Jahres 2002 erscheinen wird, eingehend dargelegt.

[401] GE/Honeywell siehe Randnummer 326 und Kasten 9; Metso/Svedala siehe Randnummer 307 und 316; CVC/Lenzing siehe Randnummer 256.

533. Zwischen der Kommission und den zuständigen Behörden der USA gab es 2001 zahlreiche bilaterale Kontakte. Kommissionsmitglied Monti stattete Washington im März einen Besuch ab und nutzte die Gelegenheit, mit führenden Mitgliedern der Regierung zusammenzutreffen. Am 24. September traf Mario Monti in Washington anlässlich des EU/US-Jahrestreffens mit den neu ernannten Leitern der Wettbewerbs- und Kartellbehörden der USA, dem stellvertretenden Justizminister Charles James und dem Vorsitzenden der FTC Timothy Muris zusammen. Das Treffen fiel mit dem 10. Jahrestag des Abschlusses des Abkommens zwischen der EG und den USA über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln zusammen. Im Verlauf des Jahres fanden zwischen der Kommission und weiteren Behörden wie dem Verkehrsministerium der USA (das in gewisser Weise für die Behandlung von Fragen der Wettbewerbspolitik in den jeweiligen Sektoren zuständig ist) ebenfalls Treffen statt.

534. Anlässlich des Treffens am 24. September wurde das Mandat der gemeinsamen Arbeitsgruppe EU/USA zur Fusionskontrolle erneuert. Die Arbeit wird fortgesetzt und intensiviert. Die zu behandelnden Themen bedürfen der weiteren genauen Festlegung. In ihnen werden sich die Probleme widerspiegeln, die aufgrund der Fragen bei der Bewertung von Fusionen im Zusammenhang mit den jüngsten Fällen aufgetreten sind.

2. Kanada

535. Die bilaterale Zusammenarbeit mit Kanada beruht auf dem Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich des Wettbewerbs, das im Juni 1999 in Kraft trat. [402] Die Kommission erstellt alljährlich einen Bericht an den Rat und das Europäische Parlament über die Zusammenarbeit mit Kanada im Bereich des Wettbewerbs. Der letzte Bericht erstreckte sich auf den Zeitraum 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000. [403] Der Bericht für 2001 wird im Laufe des Jahres 2002 erscheinen.

[402] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung von Kanada über die Anwendung der Wettbewerbsgesetze (ABl. L 175 vom 10.7.1999).

[403] KOM(2002)45 vom 29.1.2002.

536. Von den Wettbewerbsbehörden beider Seiten wird eine zunehmende Anzahl von Fällen untersucht. Es finden regelmäßig fruchtbare Kontakte zwischen der Europäischen Kommission und ihrem Partner in Kanada, dem Canadian Competition Bureau, statt. Erörtert werden sowohl fallbezogene Themen als auch eher allgemeine Fragen. Zwei bilaterale Treffen fanden gemäß dem Abkommen über die Zusammenarbeit statt, eines im Februar 2001 in Brüssel und ein zweites im September 2001 in Ottawa. Daran nahmen auch die Leiter der jeweiligen Wettbewerbsbehörden teil.

3. Sonstige OECD-Länder

537. Im Jahre 2001 arbeitete die Kommission mit den Wettbewerbsbehörden weiterer OECD-Länder zusammen, darunter vor allem mit Australien, Neuseeland und Korea. Diese Kontakte betrafen sowohl konkrete Fälle als auch auf die Wettbewerbspolitik bezogene Fragen. Ferner setzte die Kommission ihre Bemühungen fort, einen Vertrag über bilaterale Zusammenarbeit mit Japan abzuschließen.

538. Auch setzte die Kommission im vergangenen Jahr ihre enge Zusammenarbeit mit der EFTA-Überwachungsbehörde in Bezug auf die die Umsetzung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum fort.

4. Mittelmeerländer

539. Die Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EU und Marokko [404], Tunesien [405] und Israel [406] sind in Kraft. Marokko, Tunesien und Israel haben jeweils ein Wettbewerbsgesetz erlassen, was die Gespräche über einen Mechanismus der Zusammenarbeit mit der Kommission im Rahmen der in Artikel 36 der drei Abkommen vorgesehenen Verpflichtungen befördert. Von den übrigen Europa-Mittelmeer-Abkommen ist das Abkommen mit Jordanien [407] noch nicht in Kraft getreten. Das jordanische Parlament hat den von der Regierung vorgelegten Entwurf eines Wettbewerbsgesetzes abgelehnt. Das Abkommen mit Ägypten [408] wurde im Jahr 2000 unterzeichnet. Den ägyptischen Behörden liegt derzeit der Entwurf eines Wettbewerbsgesetzes zur Prüfung vor. Das Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen [409] war noch nicht Gegenstand einer abschließenden Neuverhandlung. Die Kommission verfolgt die Situation unter dem Blickwinkel der Heranführung der Mittelmeerpartner an eine horizontale Zusammenarbeit im Bereich der Wettbewerbspolitik.

[404] ABl. L 70 vom 18.3.2000, Artikel 36 bis 41.

[405] ABl. L 97 vom 30.3.1997, Artikel 36 bis 41.

[406] ABl. L 147 vom 21.6.2000, Artikel 36 bis 38.

[407] Artikel 53 bis 58 KOM (1997) 554 endg.

[408] Artikel 35 bis 39 KOM (2001) 184 endg.

[409] ABl. L 187 vom 16.07.1997, Artikel 33 und 34.

540. Zur Wiederbelebung der Mittelmeerpolitik gab es Verhandlungen mit Algerien, Libanon und Syrien. Das Wettbewerbskapitel der nächsten Abkommen wird es ermöglichen, die bestehende bzw. künftige Wettbewerbspolitik dieser Länder an die Gemeinschaftspolitik anzugleichen. Die Kommission bietet den neuen Partnern die Möglichkeit einer verstärkten technischen und institutionellen Zusammenarbeit. In Algerien ist bereits ein Wettbewerbsgesetz in Kraft und das Land verfügt über eine für dessen Umsetzung zuständige Behörde. Libanon und Syrien haben diesen Stand noch nicht erreicht.

5. Lateinamerika

541. Gemäß dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und Mexiko [410] ist für die Zusammenarbeit zwischen ihren Wettbewerbsbehörden ein Mechanismus [411] vorgesehen, der inzwischen in Kraft getreten ist und den Rahmen für den Informationsaustausch und für Beratungen zu bestimmten Aktivitäten bildet. Er enthält auch eine Bestimmung über die technische Zusammenarbeit.

[410] ABl. L 276 vom 28.10.2000.

[411] ABl. L 245 vom 29.9.2000 und ABl. L 157 vom 30.6.2000.

542. Zwischen der Europäischen Union, dem Mercosur und Chile fanden vier Verhandlungstermine zur Liberalisierung des Handels statt. Ziel ist es, Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden der Parteien einzurichten. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln ist ein wesentlicher Beitrag zur Rechtssicherheit sowie zur Transparenz der Behandlung der Unternehmen auf den jeweiligen Märkten. Bezüglich des wettbewerbsrechtlichen Rahmens ist in den Ländern des Mercosur eine positive Entwicklung zu verzeichnen. So hat Argentinien im Zuge des Ausbaus seines Rechts- und Verwaltungssystems ein entsprechendes Amt eingerichtet und muss nun ein Wettbewerbsgericht schaffen. In Uruguay wurde eine Wettbewerbsbehörde geschaffen, in deren Zuständigkeit die Umsetzung der gesetzlichen Wettbewerbsbestimmungen fällt. In Paraguay liegt ein sehr umfassender Entwurf eines Wettbewerbsgesetzes vor. Brasilien prüft einen neuen Vorschlag für ein Gesetz zur Zusammenführung seiner Wettbewerbsbehörden. Die Kommission hat im Laufe dieser Entwicklung regelmäßig Informationen über die Wettbewerbspolitik des Mercosur erhalten.

543. Was die Gemeinschaft der Andenstaaten betrifft, so wurde das Finanzprotokoll für das Projekt der technischen Zusammenarbeit auf wettbewerbsrechtlichem Gebiet zwischen der Kommission und dem Generalsekretariat der Andengemeinschaft unterzeichnet. Für das sich anschließende Verfahren der Auswahl eines Beraters, der die Verwaltung des Programms übernehmen soll, ist EUROAID zuständig.

544. Im Laufe des Jahres hat die Kommission ihre Tätigkeiten zur direkten Information über die Rechtsauffassung der Gemeinschaft fortgesetzt, so unter anderem über das ,Boletín Latinoamericano de Competencia".

6. Russische Föderation und Ukraine

545. Bei der Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation auf dem Gebiet des Wettbewerbs wurden im Verlauf des Jahres durch Tagungen mit hochrangiger Beteiligung wesentliche Fortschritte erzielt. Gegenstand der Beratungen war der gesamte Komplex der gemeinsam interessierenden Wettbewerbsangelegenheiten, von der fallbezogenen Zusammenarbeit bei kartellrechtlichen Untersuchungen über den Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Liberalisierungspolitik bis hin zur Erörterung der Aussichten, wie sie sich bezüglich der Politik zur Kontrolle von staatlichen Beihilfen in der Russischen Föderation darstellen.

546. Darüber hinaus wurde eine beachtliche Anzahl von Arbeitstreffen durchgeführt, um die gemäß dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen erforderlichen Arbeiten voranzubringen. Außerdem fand ein Workshop zur Förderung des Verständnisses für die europäische Politik der staatlichen Beihilfen im Stahlsektor statt.

547. Für Mitglieder des ukrainischen Ausschusses für Wettbewerbsfragen veranstaltete die Kommission eine kurze Studienreise, in deren Verlauf sie sich mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und der Arbeitsweise in diesem Bereich vertraut machten.

C - Multilaterale Zusammenarbeit

548. 2001 waren zwei wichtige Entwicklungen im Zusammenhang mit Initiativen der Kommission im Rahmen der Welthandelsorganisation sowie im Hinblick auf das neue International Competition Network (Internationales Wettbewerbsnetz) (ICN) zu beobachten.

1. WTO: Handel und Wettbewerbspolitik

1.1. Wettbewerb in der Entwicklungsagenda von Doha

549. Nach langer Vorbereitungszeit fand vom 9. bis 14. November die 4. WTO-Ministerkonferenz in Doha (Katar) statt. Die von den WTO-Mitgliedern in Doha [412] angenommene Erklärung hat neben anderen Fragen auch die Wechselwirkung von Handels- und Wettbewerbspolitik zum Gegenstand. Die entsprechenden Passagen der Erklärung [413] (Absätze 23 bis 25) zeigen, dass zum ersten Mal von ausnahmslos allen WTO-Mitgliedern anerkannt wird, dass ein multilateraler Rahmen erforderlich ist, um den Beitrag der Wettbewerbspolitik zu internationalem Handel und Entwicklung zu erhöhen. In Doha wurde Konsens dahingehend erreicht, dass die WTO-Mitglieder ein Multilaterales Abkommen zu Handel und Wettbewerb aushandeln und abschließen werden. Ferner wurde vereinbart, mit der offiziellen Verhandlungsphase unmittelbar nach der 5. WTO-Ministerkonferenz, die 2003 in Mexiko stattfindet, zu beginnen. Einigung wurde darüber erzielt, dass das Verhandlungsergebnis zum Wettbewerb Bestandteil des Gesamtergebnisses der Verhandlungen (Abschnitt 47) bilden wird. Die Verhandlungsmodalitäten werden auf der 5. Ministerkonferenz beschlossen.

[412] Aufgrund der zentralen Rolle, die ,Entwicklung" in der zukünftigen WTO-Arbeit spielen wird, auch als Entwicklungsagenda von Doha bezeichnet.

[413] Im Internet abrufbar unter der WTO-Website: www.wto.org.

550. In Übereinstimmung mit der Ausrichtung auf Entwicklungsförderung wird in der Erklärung die Notwendigkeit der Intensivierung der Bemühungen um technische Unterstützung unterstrichen, damit die Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder auf diesem Gebiet Kapazitäten aufbauen und ausweiten können. Es ist unstrittig, dass diese Länder dringend aller Hilfe bedürfen, die die entwickelten Länder aufzubringen in der Lage sind. Nur so können sie die Auswirkungen einer engeren multilateralen Zusammenarbeit in diesem Bereich auf ihre Entwicklungspolitik und -ziele sowie auf die Lage der Menschen und Institutionen bewerten. Die Kommission wird mit allen maßgeblichen zwischenstaatlichen Organisationen, die UNCTAD eingeschlossen, zusammenarbeiten sowie geeignete regionale und bilaterale Kanäle nutzen, um koordinierte, verstärkte und mit angemessenen Mitteln ausgestattete Unterstützung zu leisten, damit diesen Erfordernissen nachgekommen werden kann.

551. Schließlich heißt es in der Erklärung, dass die Zeit im Vorfeld der 5. Ministerkonferenz genutzt werden sollte, um mit den Partnern im Genfer Prozess die verschiedenen Elemente abzuklären, die den zukünftigen multilateralen Rahmen bilden und höchstwahrscheinlich auch im Verhandlungsmandat genannt werden. Die Erklärung enthält eine indikative Liste solcher Schlüsselthemen einschließlich von Elementen, die von der EU wiederholt als die Pfeiler des vorgesehenen multilateralen Wettbewerbsrahmens herausgestellt wurden: bestimmte Grundsätze für Handel und Wettbewerb einschließlich Transparenz, Nichtdiskriminierung und Fairness hinsichtlich der Verfahrensweisen, Verpflichtung zur Bekämpfung von Kartellen, die Modalitäten für die freiwillige Zusammenarbeit der Kartellbehörden und Unterstützung des allmählichen Ausbaus der für den Wettbewerb zuständigen Stellen in Entwicklungsländern durch Aufbau der entsprechenden Strukturen.

1.2. Eine erste Einschätzung der Erklärung von Doha

552. Die Ergebnisse der Beratungen in Doha und der Wortlaut der entsprechenden Passagen in der Erklärung der Ministerkonferenz sind aus folgenden Gründen für die Kommission äußerst zufriedenstellend:

* Erstens bestätigen die WTO-Mitglieder, die das in Doha vereinbarte Paket unterzeichnet haben (darunter auch Skeptiker im Hinblick auf die Rolle der WTO auf dem Gebiet des Wettbewerbs, wozu auch bestimmte Entwicklungsländer - insbesondere Indien - sowie Hongkong gehören) zum ersten Mal, dass die Aushandlung und der Abschluss eines Multilateralen Abkommens über Handel und Wettbewerb im Rahmen der WTO mit positiven Auswirkungen für sie selbst und das multilaterale Handelssystem verbunden sein können. Bis vor kurzem war noch grundsätzlich umstritten, ob ein solches Abkommen überhaupt abgeschlossen werden sollte. Die Anerkennung der Bedeutung, die der Schaffung eines solchen Rahmens und seinem Wert für den internationalen Handel und die Entwicklung beizumessen ist, stellt zugleich einen Beitrag zur Einführung und effektiveren Anwendung von Wettbewerbsregelungen in den einzelnen Ländern dar. Die Verbraucher in aller Welt werden erheblich davon profitieren.

* Zweitens besteht nunmehr auch dann die einstimmige und eindeutige Verpflichtung, diese Verhandlungen zu einem genau festgelegten Datum aufzunehmen, wenn auf der 5. WTO-Ministerkonferenz im Jahre 2003 zu den Modalitäten der offiziellen und letzten Phase der Verhandlungen zu diesem multilateralen Abkommen ein anderer Beschluss gefasst wird. Damit sind die neuen ,Handels- und Wettbewerbsregeln" in das Prinzip der Gesamtverpflichtung (,single undertaking") eingebettet worden, das für den in Doha auf den Weg gebrachten und spätestens am 1. Januar 2005 abzuschließenden Verhandlungsprozess gilt. Was die EU und die anderen Befürworter der Verhandlungen über solche Regeln in der WTO betrifft, so sind wir nunmehr in eine kritische Phase eingetreten, in der wir fest entschlossen sind, mit unseren Partnern aus den Entwicklungsländern sowie den entwickelten Ländern die Elemente abzuklären, die die WTO-Mitglieder in dieses multilaterale Abkommen aufnehmen müssen, und mit ihnen ein präzises und allumfassendes Verhandlungs-Programm auszuarbeiten, das 2003 auf der 5. WTO-Ministerkonferenz angenommen werden soll.

* Drittens wurden unsere Vorschläge hinsichtlich der Schlüsselkomponenten des zukünftigen multilateralen Abkommens über Handel und Wettbewerb weitgehend akzeptiert. Die EU hat als erste konkrete, materiell-rechtliche Vorschläge auf den Tisch gelegt, so dass hier darauf hingewiesen sei, dass die Erklärung von Doha genau die Elemente zum Inhalt hat, denen die EU in ihren Vorschlägen besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, und die sie als die Punkte bezeichnet, die von den WTO-Mitgliedern zuerst zu klären sind.

* Viertens eröffnet die Erklärung zu einem Zeitpunkt, da die Arbeitsgruppe in Genf ihr Augenmerk auf die konkreten Vorverhandlungen zu diesen Elementen lenken wird, Möglichkeiten für gezieltere technische Hilfe und den Aufbau von Kapazitäten, was Schwellenländer und Entwicklungsländer in die Lage versetzt, die Bedeutung dieser Fragen für die Entwicklung ihrer Volkswirtschaft besser zu verstehen und anzuerkennen. In diesem Prozess werden die UNCTAD und weitere internationale Institutionen ebenso wie regionale und bilaterale Vereinbarungen zweifelsohne ihren Beitrag leisten und eine wichtige Rolle dabei spielen, dass generell Bereitschaft besteht, nach der nächsten Ministerkonferenz offizielle Verhandlungen aufzunehmen.

Kasten 12: Handel und Wettbewerb: Vom Van-Miert-Bericht nach Doha

Die Anstrengungen, wettbewerbsrechtliche Fragen in das Arbeitsprogramm der WTO aufzunehmen, gehen bis in das Jahr 1996 zurück. Ausgehend vom Bericht van Miert [414] schlug die Kommission dem Rat [415] vor, dass die Welthandelsorganisation eine Arbeitsgruppe bilden sollte, deren Aufgabe es wäre, mit den Arbeiten an der Entwicklung eines internationalen Rahmens für Wettbewerbsregeln zu beginnen. Diese Initiative wurde vom Rat gebilligt und von anderen WTO-Mitgliedern unterstützt. Am 11. Dezember 1996 fasste die WTO-Ministerkonferenz in Singapur den Beschluss, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit der Wechselwirkung zwischen Handels- und Wettbewerbspolitik, einschließlich wettbewerbswidrigen Verhaltens, beschäftigt und so Bereiche ermittelt, die möglicherweise für die Behandlung im WTO-Rahmen in Frage kommen.

[414] Bericht einer Gruppe unabhängiger Sachverständiger unter dem Vorsitz von Karel van Miert mit dem Titel ,Competition Policy in the New Trade Order: Strengthening International Cooperation and Rules".

[415] Mitteilung der Kommission vom 18.6.1996, KOM(96)284 endg.

Zu jenem Zeitpunkt wies die Kommission darauf hin, dass die Diskussionen zum Ziel haben sollten, dass alle WTO-Mitglieder sich verpflichten, aktive Wettbewerbsstrukturen in ihren Ländern aufzubauen, dass gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze auf internationaler Ebene festgelegt und angenommen werden (schädliche Praktiken), Instrumente der Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden geschaffen und die Streitbeilegungsregeln der WTO an das Gebiet des Wettbewerbs angepasst werden. [416]

[416] XXVI. Wettbewerbsbericht, Randnummern 235-236.

Seit der 2. WTO-Ministertagung und der nachfolgenden Bildung der WTO-Arbeitsgruppe zu Handel und Wettbewerb in Genf steht die Kommission an vorderster Front in dem Bemühen, ihre WTO-Handelspartner von den Vorteilen eines multilateralen Abkommens über Wettbewerb zu überzeugen. Die Gespräche in Genf erwiesen sich insofern als besonders nützlich, als der Standpunkt der Kommission erläutert und das Interesse der Entwicklungsländer an einem solchen Abkommen herausgearbeitet werden konnten.

2. OECD

553. Die wichtigsten Punkte auf der Sitzung im Mai waren die Gespräche, die die Weiterbildungsprogramme der Wettbewerbsbehörden für ihre Mitarbeiter sowie die Frage der Preistransparenz zum Gegenstand hatten. In Fragen der Preistransparenz betonte die Europäische Kommission die Vorteile von staatlich festgelegten Maßnahmen (beispielsweise auf bestimmten Energiemärkten, auf dem Kraftfahrzeugmarkt), um eine Marktintegration zu erreichen und den Wettbewerb und den Markteintritt zu fördern, sowie die wettbewerbsschädlichen Auswirkungen privater freiwilliger Vereinbarungen zur Preistransparenz oder ähnlicher Praktiken zwischen Anbietern. Andere Delegationen befassten sich mit verschiedenen Fragen das Für und Wider der Preistransparenz für den Verbraucher betreffend. Am Ende der Beratungen stand die Schlussfolgerung, dass in Abhängigkeit von der Struktur des Marktes und der Art der Modalitäten der Preistransparenz (Aggregationsgrad der ausgetauschten Informationen, Zeitrahmen der ausgetauschten Daten, Häufigkeit des Austauschs usw.) in bestimmten Fällen die Preistransparenz für den Verbraucher von Nutzen sein kann, jedoch auch ernste wettbewerbshemmende Auswirkungen haben kann.

554. Die Kommission beteiligte sich aktiv an der ersten OECD-Konferenz über die Wettbewerbspolitik in den Ländern Südosteuropas, die im Juni am Vorabend der mit den Bewerberländern veranstalteten siebenten Jahreskonferenz zu Wettbewerbsfragen in Ljubljana stattfand.

555. Während der Tagung des Ausschusses der Leiter der Wettbewerbsbehörden (CLP) im Oktober führte die OECD das erste Globale Wettbewerbsforum durch, auf dem Vertreter von mehr als fünfzig Ländern vertreten waren. Auch Kommissionsmitglied Monti war zugegen. In seiner Eröffnungsrede forderte er die Wettbewerbsbehörden der Welt auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken und im Bereich der internationalen Wettbewerbspolitik Steuerungsmechanismen zu schaffen. Im Verlaufe des Forums wurde eine breite Palette von Themen behandelt, die von der Rolle der Wettbewerbspolitik im Zuge von Wirtschaftsreformen über die Instrumente der Zusammenarbeit und ,Hard-Core"-Kartelle bis hin zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse reichten. Die Kommission hat während der Tagung des CLP auch an dem Rundtischgespräch über die Regulierung der Preise für den Zugang zu Netzinfrastrukturen, insbesondere zu Telekommunikationsnetzen, aber auch zu Gas- und Stromversorgungsnetzen, sowie an dem Rundtischgespräch über andere Untersuchungsmöglichkeiten als Programme für die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen (insbesondere unangemeldete Inspektionen) teilgenommen.

3. UNCTAD

556. Die Kommission nahm an der UNCTAD-Tagung vom 2. bis 4. Juli zum Thema internationale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden teil, auf der Kommissionsmitglied Monti konkrete Projekte zur technischen Unterstützung der Entwicklungsländer ankündigte, die zum Beispiel die technische Hilfe im Bereich des Wettbewerbs für den COMESA (Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika), die Organisation von Seminaren zur Schulung von für wettbewerbsrechtliche Fragen zuständigen Vertretern aus Entwicklungsländern sowie eine gemeinsam mit der UNCTAD durchzuführende Studie über die Bedeutung der Wettbewerbspolitik für arme Länder betreffen. Dabei vertrat Mario Monti die Auffassung, dass der Wettbewerb für die Entwicklungsländer von Nutzen ist und befürwortete Bemühungen zur Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit.

4. Internationales Wettbewerbsnetz

557. Auf der Tagung der International Bar Association vom 2. bis 4. Februar in Ditchley Park (Vereinigtes Königreich), an der zahlreiche Wettbewerbsbehörden und Vertreter aus der Praxis teilnahmen, setzte man sich eingehend mit der Empfehlung des amerikanischen ICPAC [417] auseinander, ein internationales Wettbewerbsnetz zu schaffen. Im Anschluss an die Tagung von Ditchley wurde eine Lenkungsgruppe gebildet, die die Verwirklichung dieses Projekts überwachen soll. Diese Gruppe, an der die Kommission aktiv beteiligt ist, kam im Mai zu einem ersten Treffen in Berlin zusammen. Ein weiteres Treffen fand am Rande der Tagung des CLP der OECD im Oktober in Paris statt.

[417] International Competition Policy Advisory Committee.

558. Im Ergebnis dieser Gespräche und der praktischen Bemühungen wurde die Einrichtung des Internationalen Wettbewerbsnetzes (International Competition Network (ICN)) am 25. Oktober in New York bekannt gegeben. Es ist das erste Mal, dass eine derart große Anzahl von Wettbewerbsbehörden eine Initiative ergreift, die es ihnen ermöglichen soll, Erfahrungen gemeinsam zu nutzen und Meinungen zu Wettbewerbsfragen, die sich aus der weiteren Globalisierung der Weltwirtschaft ergeben, auszutauschen. Beim ICN handelt es sich um ein Projekt orientiertes, auf Konsens ausgerichtetes, informelles Netz von Kartellbehörden aus Industrie- und Entwicklungsländern, das sich mit der Durchsetzung des Kartellrechts und strategischen Fragen von gemeinsamem Interesse befasst und Vorschläge für die verfahrens- und materiell-rechtliche Konvergenz durch eine ergebnisorientierte Agenda und Struktur unterbreiten soll. Es wird die Verbreitung von Erfahrungen und beispielhaften Praktiken in Fragen des Kartellrechts befördern, die den Wettbewerb fördernde Rolle der Kartellbehörden unterstützen und die internationale Zusammenarbeit zu erleichtern versuchen. Schwerpunkt der Arbeit des ICN werden internationale kartellrechtliche Fragen sein, die zwar schwierig, jedoch lösbar sind. Zunächst wird es sich mit zwei wichtigen Fragen des Kartellrechts befassen: Umsetzung des Fusionskontrollprozesses angesichts unterschiedlicher Rechtssysteme und die den Wettbewerb befördernde Rolle der Kartellbehörden. Diese Aufgabenstellung wird später um Themen erweitert, die für die Reform- und Entwicklungsländer von besonderer Bedeutung sind.

559. Jede für die Umsetzung von Kartellgesetzen zuständige nationale oder regionale Wettbewerbsbehörde kann Mitglied des ICN werden. Das Netz wird sich außerdem um Beratung und Beiträge durch den privaten Sektor und durch Nichtregierungsorganisationen bemühen und eng mit internationalen Organisationen wie OECD, WTO und UNCTAD sowie mit Branchen- und Verbrauchervereinigungen, Kartellrechtsfachleuten bzw. Volkswirten und Wissenschaftlern zusammenarbeiten. Insbesondere wird das ICN Berater aus dem Nichtregierungsbereich, die nicht Mitglied des Netzes sind, jedoch bei der Ermittlung von Projekten Unterstützung leisten können, um Zuarbeiten ersuchen. Ferner kann das ICN Berater aus diesem Bereich zur Mitarbeit in Arbeitsgruppen für bestimmte Projekte, zur Bereitstellung von Material oder zur Teilnahme an Anhörungen im Zusammenhang mit ICN-Projekten auffordern.

560. Im Hinblick auf seine Organisationsform ist vorgesehen, das ICN mit einer virtuellen Struktur ohne ständiges Sekretariat auszustatten, es flexibel um die Projekte auszurichten sowie eine Lenkungsgruppe einzusetzen, die Projekte ermittelt und Arbeitspläne zur Annahme durch das ICN insgesamt ausarbeitet. Die Behörde, bei der die Jahreskonferenz stattfindet, übernimmt für den Zeitraum eines Jahres die mit der Organisation verbundenen logistischen und Sekretariatskosten. Eine ICN-Konferenz findet einmal im Jahr statt, auf der die Leiter der Kartellbehörden zusammenkommen, um neue Projekte in Auftrag zu geben, die erreichten Fortschritte der laufenden Projekte zu prüfen und Empfehlungen zu geben. Auf den Konferenzen soll der Dialog zielgerichtet erfolgen. Vom ICN wird hierzu rechtzeitig eine begrenzte Zahl von Projekten ausgewählt, so dass für alle Mitglieder die Möglichkeit der konstruktiven Beteiligung gegeben ist. Gastgeber der ersten offiziellen ICN-Konferenz im Oktober 2002 ist die italienische Kartellbehörde. Danach finden die Jahreskonferenzen wie folgt statt: Mexiko (2003), Korea (2004), Deutschland (2005), Südafrika (2006).

VI - Vorausschau 2002

1. Kartellrecht

1.1. Legislative und rechtliche Aktivitäten

Vorschlag für eine neue Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag

561. Nach der Debatte im Rat ,Industrie" am 5. Dezember 2001 kam der belgische Ratsvorsitz zu dem Schluss, dass die neue Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG im Jahre 2002 angenommen werden sollte, damit ihre volle Anwendbarkeit noch vor der Erweiterung der Europäischen Union gewährleistet ist. Dementsprechend werden die Arbeiten am Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung im Rat unter spanischem und erforderlichenfalls unter dänischem Vorsitz fortgesetzt. Parallel zu den Diskussionen zu der vorgeschlagenen Verordnung in der Arbeitsgruppe des Rates und in Übereinstimmung mit den Ersuchen des Europäischen Parlaments, des Rates und des Wirtschafts- und Sozialausschusses wird die Kommission im Jahre 2002 die Entwürfe von mehreren Mitteilungen vorlegen, in denen grundlegende Aussagen der neuen Verordnung erläutert werden.

Überprüfung der Verordnung über die Gruppenfreistellung für Technologietransferabkommen

562. Nach Erörterung des Berichts (siehe Punkt 17 ff.) mit der Industrie, Verbraucherverbänden und anderen interessierten Gruppen im ersten Halbjahr 2002 wird die Kommission neue Wettbewerbsregeln für die Anwendung von Artikel 81 auf Lizenzvereinbarungen vorschlagen.

,Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse" und ,Empfehlung über relevante Märkte für elektronische Kommunikationsdienste und -netze" - Annahme einer konsolidierten Richtlinie der Kommission für den Wettbewerb auf elektronischen Kommunikationsmärkten

563. Nach der Annahme der vorgeschlagenen Richtlinien Anfang 2002, die den neuen rechtlichen Rahmen für elektronische Kommunikationsdienste und -netze bilden, wird die Kommission gemäß Artikel 15 der Rahmenrichtlinie ihre Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht und eine Empfehlung über relevante Märkte veröffentlichen. Beide Dokumente dürften den nationalen Regulierungsbehörden die notwendige Orientierung für die Anwendung der neuen, auf dem Wettbewerbsrecht basierenden Festlegungen des neuen Rechtsrahmens geben.

564. Ferner wird die Kommission eine konsolidierte Richtlinie zum Wettbewerb auf elektronischen Kommunikationsmärkten annehmen, die Richtlinie 90/388 und alle nachfolgenden Änderungsrichtlinien ersetzen wird.

Vorschlag für die Regelung des Vertriebs von Kraftfahrzeugen

565. Die Verordnung (EG) Nr. 1475/95 über die Gruppenfreistellung beim Vertrieb von Kraftfahrzeugen verliert am 30. September 2002 ihre Gültigkeit. Anfang 2002 wird die Kommission ihren Vorschlag für die Regelung des Vertriebs von Kraftfahrzeugen annehmen, der auf dem Evaluierungsbericht vom November 2000 und der Anhörung vom 14. und 15. Februar 2001 mit allen Betroffenen, den vier von der Kommission [418] in Auftrag gegebenen Studien und allen anderen ihr zur Verfügung stehenden maßgeblichen Informationen und Untersuchungen beruht.

[418] 2000: Price differentials between Member States (Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten), Link between sales and after-sales services (Natürlicher Zusammenhang von Kfz.-Verkauf und Kundendienst); 2001: Impact of possible future legislative scenarios for motor vehicle distribution on all parties concerned (Auswirkungen künftiger Gesetzgebungsszenarien im Kfz-Vertrieb auf alle Betroffenen) und Customer Preferences for Existing and Potential Sales and Servicing Alternatives in Automotive Distribution (Kundenpräferenzen für vorhandene und potenzielle Verkaufs- und Kundendienstalternativen in der Automobilbranche).

566. Der angenommene Vorschlag wird im Amtsblatt veröffentlicht, um allen interessierten Seiten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen abzugeben. Nach Eingang schriftlicher und mündlicher Stellungnahmen von allen Interessenten sowie vom Beratenden Ausschuss und nach Unterrichtung der anderen Gemeinschaftsorgane wird der Vorschlag in seine Endfassung gebracht und der Kommission zur Annahme vorgelegt. Von der Kommission ist die zukünftige Regelung im Sommer 2002 anzunehmen, d. h. vor Auslaufen der gegenwärtigen Gruppenfreistellung Ende September 2002.

1.2. Umsetzungstätigkeit

567. Nach Veröffentlichung des Entwurfs einer Mitteilung zur Gewährung von Rechtsvorteilen im Rahmen des Konsultationsverfahrens im Juli 2001, durch den die gegenwärtige ,Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen" ersetzt werden soll, die 1996 im Rahmen eines Programms zur Gewährung von Rechtsvorteilen angenommen wurde, hat sich die Kommission sorgfältig mit den eingegangenen Stellungnahmen beschäftigt und beabsichtigt, im Laufe des Jahres 2002 eine aktualisierte und überarbeitete Mitteilung anzunehmen.

568. Akteneinsicht ist eine der grundlegenden verfahrensrechtlichen Garantien, durch die das Recht auf Verteidigung geschützt werden soll. 2001 erfolgte eine Überarbeitung der Mitteilung, um den bisher im Zusammenhang mit der Mitteilung der Kommission über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht gesammelten Erfahrungen Rechnung zu tragen und diese Mitteilung an die jüngste Rechtsprechung des EuGEI anzupassen. Die überarbeitete Mitteilung wird voraussichtlich von der Kommission im zweiten Halbjahr 2002 angenommen.

2. Fusionen

569. Um sicherzustellen, dass das europäische System der Fusionskontrolle ausreichend für die Herausforderungen gewappnet ist, denen es in Zukunft gegenüberstehen wird, namentlich in Form der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union, hat die Kommission am 1. Dezember 2001 ein Grünbuch zur Überarbeitung der Fusionskontrollverordnung angenommen. Mit diesem Grünbuch wurden Konsultationen eingeleitet, in deren Verlauf alle Interessenten die Gelegenheit erhalten, Stellung zu den zuständigkeitsbezogenen Fragen sowie den verfahrens- und materiell-rechtlichen Fragen zu nehmen. Der Konsultationszeitraum geht im März 2002 zu Ende. Danach beabsichtigt die Kommission, eine geänderte Fusionskontrollverordnung vorzuschlagen. Der entsprechende Vorschlag wird für das zweite Halbjahr 2002 erwartet.

570. Auch das Auslaufen des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) am 23. Juli 2002 wird sich auf den Zuständigkeitsbereich der Kommission auswirken. Nach Beendigung des EGKS-Vertrags werden Unternehmenszusammenschlüsse entweder nach dem EG-Vertrag, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, oder nach den entsprechenden einzelstaatlichen Gesetzen bewertet, sofern die in der Fusionskontrollverordnung festgelegten Schwellenwerte nicht erreicht sind. Das bedeutet das Ende der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission für Unternehmenszusammenschlüsse im Montanbereich. Nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrags wird es nicht mehr möglich sein, dass eine Fusion in den Anwendungsbereich von zwei Verträgen fällt, wie es in vier [419] der elf Fälle geschehen ist, die im Rahmen des EGKS-Vertrags im Jahre 2001 behandelt wurden. Das dürfte zusammen mit den erwogenen Änderungen bei der Überarbeitung der Fusionskontrolle dazu beitragen, dass das europäische System der Fusionskontrolle soeffektiv und effizient wie möglich funktioniert und Unternehmenszusammenschlüsse im Montanbereich auf der geeigneten Ebene behandelt werden.

[419] COMP/EGKS.1359 - Balli/Klockner, 1.10.2001 und COMP/M.2481, 31.9.2001; COMP/EGKS.1356 - BHP/Billiton, 14.6.2001 und COMP/M.2413, 14.6.2001; COMP/EGKS.1352 - Endesa/CDF/SNET, 18.4.2001 und COMP/M.2281, 17.4.2001; und COMP/EGKS.1351 - Usinor/Arbed/Aceralia, 23.11.2001 und COMP/M.2382, 19.7.2001.

571. Schließlich wird die Zusammenarbeit mit den Fusionskontrollbehörden der USA intensiviert, um bei der verfahrens- und materiell-rechtlichen Analyse eine größere Übereinstimmung insbesondere dann zu erreichen, wenn das Fusionskontrollrecht auf die zunehmende Zahl von Fällen angewandt wird, die sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch die der USA fallen. Daher werden die gemeinsame Arbeitsgruppe EU/USA zu Fusionsfragen und ihre fünf erst kürzlich von den betreffenden Behörden (Europäische Kommission, FTC und Justizministerium der USA) geschaffenen spezialisierten Untergruppen auch 2002 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

3. Staatliche Beihilfen

572. Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen wird die Kommission ihre Bemühungen fortsetzen und weiter intensivieren, die Vorschriften über staatliche Beihilfen und die entsprechenden Verfahren zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass einfache Fälle schnell und unbürokratisch behandelt werden, so dass Kräfte und Mittel auf die Fälle gelenkt werden können, die aus Sicht der Wettbewerbspolitik das größte potenzielle Risiko darstellen. Dennoch besteht das Ziel auch bei diesen Fällen darin, dafür zu sorgen, dass diese in Übereinstimmung mit transparenten und Rechtssicherheit garantierenden Verfahren und Regelungen behandelt werden. Diese Bemühungen bedeuten jedoch keine Lockerung des seit jeher von der Kommission eingenommenen und von allen Mitgliedstaaten unterstützten Standpunkts, dass das Gesamtniveau der Beihilfen im Verhältnis zum BSP nach wie vor zu hoch ist. Zudem hält sie es für erforderlich, die am stärksten verzerrend wirkenden Formen von Einzelbeihilfen abzuschaffen und die Beihilfen auf horizontale Maßnahmen zur Unterstützung der allgemeinen wirtschaftlichen Zielsetzungen, einschließlich der Kohäsionsziele, auszurichten. Daher werden auch weiterhin Anstrengungen unternommen, um die sofortige und effektive Rückzahlung unvereinbarer Beihilfen und eine wirksame Beobachtung und Überwachung der Umsetzung der Entscheidungen der Mitgliedstaaten zu sichern. Ferner wird eine weitere Erhöhung der Transparenz durch die progressive Entwicklung des Registers und des Anzeigers angestrebt.

573. Was die Entwicklung der sektorübergreifenden Politik sowie der Kohäsionspolitik betrifft, so dürfte die Kommission die Überprüfung der Leitlinien für Beihilfen für Forschung und Entwicklung, die Schaffung eines neuen rechtlichen Rahmens für Beschäftigungsbeihilfen und die Überprüfung des Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben abschließen. Vorrang genießt gemäß den in ihrem Bericht an den Europäischen Rat in Laeken abgegebenen Verpflichtungen außerdem die Präzisierung der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die im Lichte der Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes erfolgen wird. [420]

[420] KOM(2001)598 vom 17.10.2001.

4. Internationaler Bereich

574. Auf internationalem Gebiet setzt die Kommission ihre zweigleisige Politik fort, d. h. Verbesserung der bilateralen Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnern und Erkundung von Möglichkeiten zur Erweiterung der multilateralen Zusammenarbeit. Was den erstgenannten Punkt betrifft, so wird die Kommission auf der Grundlage der bestehenden bilateralen Abkommen auch weiterhin mit den USA und Kanada zusammenarbeiten. Ein ähnliches Abkommen dürfte mit Japan abgeschlossen werden. Angesichts der vorrangigen Bedeutung, die die Kommission der Region einräumt, wird sie auch mit sämtlichen Mittelmeerländern die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb ausbauen. Die wachsende Bedeutung der asiatischen Länder für die globale Wettbewerbspolitik erfordert eine verstärkte Kooperation mit dieser Region (vor allem mit China, Korea und Indien) und entsprechende technische Hilfe. Darüber hinaus muss die Kommission angemessen mit wichtigen Ländern bzw. Gruppierungen zusammenarbeiten, mit denen bereits Assoziierungsabkommen bestehen oder kurz vor dem Abschluss stehen. Dazu gehören Russland, die Ukraine, Mexiko, der Mercosur und Chile.

575. Im Hinblick auf multilaterale Initiativen wird die Kommission weiterhin aktiv an allen internationalen Foren teilnehmen, in denen die Wettbewerbspolitik auf der Tagesordnung steht. Dies sind in erster Linie OECD, WTO und UNCTAD. Ferner beteiligt sie sich an der Erarbeitung eines neuen Konzepts von ,Governance", indem sie am Internationalen Wettbewerbsnetz mitwirkt, dessen Ziel in der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden in der Welt und damit in der weiteren Annäherung der Wettbewerbspolitik besteht.

576. Im Rahmen des Zeitplans für den Beitritt, der im Juni 2001 vom Europäischen Rat in Göteborg vereinbart wurde, werden die Beitrittsverhandlungen mit einigen Beitrittsländern zum Abschluss gebracht und mit anderen weitergeführt. Für die Beitrittsländer, mit denen die Beitrittsverhandlungen auf dem Gebiet des Wettbewerbs bereits abgeschlossen sind, wird ein verstärkter Beobachtungsprozess auf den Weg gebracht. Die Beziehungen mit der Türkei im Bereich des Wettbewerbsrechts werden auf der Grundlage der erzielten Fortschritte weiterentwickelt.

577. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Ausbau der technischen Hilfe für die Beitrittsländer sowie die Entwicklungsländer geschenkt.

Anhang - Im Bericht behandelte Fälle

1. Artikel 81, 82 und 86

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2. Fusionskontrolle

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3. Staatliche Beihilfen

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