31981D1030

81/1030/EWG: Entscheidung der Kommission vom 29. Oktober 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG- Vertrags (IV/29.839 - GVL) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 370 vom 28/12/1981 S. 0049 - 0059


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 29. Oktober 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/29.839 - GVL) (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (81/1030/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 86,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 (1), insbesondere auf Artikel 3,

im Hinblick auf den Antrag der Firma Interpar vom 9. April 1979 und den Antrag der ausübenden Künstler Avory, Bennett, R. Davies, D. Davies, Marvin, Webb, Welch, Scarano und Skorsky vom 12. September 1980 gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17, die bei der Kommission eingereicht wurden und die sich auf das Verhalten der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, Hamburg, Bundesrepublik Deutschland beziehen,

im Hinblick auf den Beschluß der Kommission vom 25. August 1980, in diesem Fall ein Verfahren einzuleiten,

nach Anhörung der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH gemäß Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 sowie gemäß der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 (2),

im Hinblick auf die vom Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen am 17. Juni 1981 gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 17 abgegebene Stellungnahme -

in Erwägung nachstehender Gründe:

SACHVERHALT

Diese Entscheidung betrifft das Verhalten der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (nachfolgend "GVL" genannt) gegenüber ausübenden Künstlern ohne deutsche Staatsangehörigkeit und ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend "Deutschland" genannt).

I. Organisation der GVL (1) Die GVL mit Sitz in Hamburg ist eine deutsche Verwertungsgesellschaft, deren Zweck es ist, die Rechte und Ansprüche, die sich aus dem deutschen "Gesetz über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte" (nachfolgend "Urheberrechtsgesetz" - abgekürzt UrhG - genannt) für ausübende Künstler, Miturheber an Filmwerken (nachfolgend "Künstler" genannt), Bild- und Tonträgerhersteller und Veranstalter ergeben oder die auf Hersteller und Veranstalter übertragen sind, wahrzunehmen. (1) ABl. Nr. 13 vom 21.2.1962, S. 204/62. (2) ABl. Nr. 127 vom 20.8.1963, S. 2268/63.

Die GVL ist die deutsche Verwertungsgesellschaft für "Interpretenrechte", d.h. die Rechte, die sich aus der Wiedergabe der schöpferischen Leistung der Urheber ergeben. Die Tätigkeit solcher Verwertungsgesellschaften ist in dem deutschen "Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten" (nachfolgend "Wahrnehmungsgesetz" - abgekürzt "WahrnG" - genannt) geregelt.

(2) Die GVL ist eine Gemeinschaftsgründung der "Deutschen Orchestervereinigung e.V.", Hamburg, einer Interessenvertretung ausübender Künstler - vornehmlich Musiker - sowie der "Deutschen Landesgruppe der IFPI e.V." (International Federation of Producers of Phonograms and Videograms), Hamburg, einer Interessenvertretung der Hersteller von Bild- und Tonträgern. Die Deutsche Orchestervereinigung e.V. und die Deutsche Landesgruppe der IFPI e.V. sind die alleinigen Gesellschafter der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten GVL.

II. Die Rechte der Künstler und Hersteller nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz (3) Der Künstler genießt gemäß § § 73 ff UrhG dem Urheberrechtsschutz verwandte Schutzrechte. Die §§ 74, 75 und 76 Absatz 1 UrhG geben dem Künstler das Recht, daß seine Darbietung nur mit seiner Einwilligung öffentlich wahrnehmbar gemacht, auf Bild- oder Tonträger aufgenommen, vervielfältigt oder durch Funk gesendet wird (Erstverwertung). Diese Einwilligung gibt der Künstler in der Regel nur gegen Honorar ab.

(4) Daneben gestehen die §§ 76 Absatz 2 und 77 UrhG dem Künstler einen gesetzlichen Vergütungsanspruch zu, wenn die Darbietung, die erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden ist, nunmehr durch Funk gesendet oder sonstwie öffentlich wahrnehmbar gemacht wird (Zweitverwertung). Zusätzlich hat der Künstler auch einen Vergütungsanspruch gegen den Hersteller von Vervielfältigungsgeräten - Geräteabgabe - gemäß § 53 Absatz 5 UrhG.

(5) Soweit die Darbietung des Künstlers erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden ist und diese erschienen sind, kann der Künstler eine Funksendung oder eine öffentliche Wiedergabe dieser Träger nicht mehr im Hinblick auf seine Leistungsschutzrechte verhindern.

(6) Der Hersteller von Tonträgern - nachfolgend "Hersteller" genannt - seinerseits hat hinsichtlich der Vergütungsansprüche des Künstlers aus der Zweitverwertung gemäß § 86 UrhG einen Anspruch gegen den Künstler auf angemessene Beteiligung an dieser Vergütung.

Hersteller und Künstler sind daher gleichermassen an der Vergütung aus der Zweitverwertung interessiert. Soweit es sich um die Verwirklichung dieser Ansprüche gegen die Anspruchsverpflichteten (Rundfunkanstalten, Theater, Hotels, Gaststätten usw.) handelt, laufen ihre Interessen parallel. Ein Interessengegensatz entsteht erst, wenn die Vergütung gezahlt ist und nunmehr die "angemessene Beteiligung der Hersteller" in Frage steht.

III. Die Rechte der Künstler und Hersteller in anderen Mitgliedstaaten und nach dem Rom-Abkommen (7) Während es in allen Mitgliedstaaten ein Einwilligungsrecht des Künstlers bei der Erstverwertung gibt, bestehen vergleichbare gesetzliche Vergütungsansprüche für die Zweitverwertung nur in wenigen Mitgliedstaaten.

(8) Dänemark und Italien gewähren Tonträgerherstellern und Künstlern gesetzliche Vergütungsansprüche bei der öffentlichen Wiedergabe und Rundfunksendungen. Im Vereinigten Königreich und in Irland besteht nur für die Tonträgerhersteller ein gesetzlicher Verbietungsanspruch für unerlaubte öffentliche Wiedergabe. Die Künstler sind durch kollektivvertragliche Abmachungen mit den Tonträgerherstellern an deren Einnahmen aus der öffentlichen Wiedergabe beteiligt. Griechenland gewährt bisher nur Künstlern, nicht jedoch Tonträgerherstellern gesetzliche Vergütungsansprüche. In den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich gibt es derzeit noch keine Gesetzgebung über Vergütungsansprüche aus der Zweitverwertung. In der Praxis bestehen jedoch in Belgien und den Niederlanden vertragliche Abmachungen über Vergütungszahlungen aus der Zweitverwertung zwischen den belgischen bzw. holländischen Tonträgerherstellern und den jeweiligen Rundfunkanstalten ; in Frankreich gibt es zumindest mit einem Teil der bestehenden Rundfunkanstalten derartige Vergütungsverträge. Die jeweiligen Künstlervereinigungen ihrerseits sind an diesen Vergütungszahlungen durch kollektivvertragliche Abmachungen mit den Tonträgerherstellern beteiligt.

(9) Das internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961 (Rom-Abkommen) verpflichtet in Artikel 12 die Vertragsstaaten zu gewährleisten, daß der Benutzer veröffentlichter Tonträger für die Funksendung oder irgendeine öffentliche Wiedergabe den Tonträgerherstellern oder den Künstlern oder beiden eine einzige, angemessene Vergütung zahlt.

(10) Dieses Rom-Abkommen ist jedoch bisher noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Deutschland hat bei der Ratifizierung den Vorbehalt gemacht, daß es "für die Tonträger, deren Hersteller Angehöriger eines anderen vertragschließenden Staates ist, den Umfang und die Dauer des Schutzes für Hersteller und Künstler auf den Umfang und die Dauer des Schutzes beschränkt, den dieser Staat für die Tonträger gewährt, die erstmals von einem deutschen Staatsangehörigen festgelegt worden sind".

(11) Die oben (Randnummern 3 bis 6) beschriebenen Leistungsschutzrechte stehen grundsätzlich auch Künstlern mit ausländischer Staatsangehörigkeit unabhängig von ihrem Wohnsitz zu. Soweit es sich nicht um Künstler mit der Staatsangehörigkeit eines Landes handelt, das das Rom-Abkommen ratifiziert hat, gewährt § 125 des UrhG diesem Ausländer die gleichen Rechte wie deutschen Künstlern, wenn seine Darbietung in Deutschland stattfindet oder - soweit sie erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden ist - diese Bild- oder Tonträger in Deutschland erschienen sind. Diese ausländischen Künstler genießen auch bei Funksendungen dieselben Rechte wie Deutsche, wenn die Funksendungen in Deutschland ausgestrahlt worden sind.

IV. Die Regelung im Wahrnehmungsgesetz (12) Nach § 1 WahrnG bedarf jedermann, der Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz für Rechnung mehrerer Urheber oder Inhaber verwandter Schutzrechte zur gemeinsamen Auswertung wahrnimmt, der staatlichen Erlaubnis, gleichgültig, ob die Wahrnehmung in eigenem oder fremdem Namen erfolgt.

Auf diese Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn gewisse Grundvoraussetzungen für die Wahrnehmungstätigkeit vorliegen.

(13) Das Wahrnehmungsgesetz gibt den Verwaltungsgesellschaften kein rechtliches Monopol, die Gründung "konkurrierender" Verwertungsgesellschaften ist rechtlich durchaus möglich.

(14) Die nach dem Wahrnehmungsgesetz zugelassenen Verwertungsgesellschaften haben die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln aufzuteilen.

(15) Gemäß § 11 WahrnG hat die Verwertungsgesellschaft augrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen oder Einwilligungen zu erteilen (Abschlußzwang).

(16) Demgegenüber verpflichtet § 6 WahrnG die Verwertungsgesellschaft, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche auf Verlangen der Berechtigten zu angemessenen Bedingungen wahrzunehmen, wenn diese Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind oder ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Wahrnehmungsgesetzes haben und eine wirksame Wahrnehmung der Rechte oder Ansprüche anders nicht möglich ist (Wahrnehmungszwang).

(17) Die Einhaltung dieser gesetzlichen Verpflichtungen und die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften werden vom Deutschen Patentamt überwacht (§ 18 ff WahrnG).

V. Die Stellung der GVL in Deutschland (18) GVL ist die einzige Verwertungsgesellschaft, die sich in Deutschland mit der Wahrnehmung der Leistungsschutzrechte befasst. Die anderen in Deutschland bestehenden Verwertungsgesellschaften nehmen jeweils andere Schutzrechte wahr.

(19) Nach dem Urheberrechtsgesetz können gewisse, den Urhebern, Künstlern oder Herstellern zustehende Rechte nur über Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Dies gilt zum Beispiel für den oben (Randnummer 4) erwähnten Vergütungsanspruch gegen den Hersteller von Vervielfältigungsgeräten gemäß § 53 Absatz 5 UrhG (Geräteabgabe).

(20) Aus rechtlichen Gründen, soweit es die Geräteabgabe betrifft, und auch aus tatsächlichen Gründen hinsichtlich der Vergütungsansprüche aus der Zweitverwertung ist für die Künstler selbst eine wirksame Wahrnehmung dieser Rechte praktisch unmöglich. Ein solcher Versuch müsste schon deshalb scheitern, weil der einzelne Künstler nicht in der Lage wäre, im Einzelfall nachzuprüfen und darzulegen, ob, wann, von wem und wie oft seine Darbietung gesendet oder sonstwie öffentlich wahrnehmbar gemacht wurde Darüber hinaus müsste als wirtschaftlich unterlegene Einzelperson mit einer Vielzahl von wirtschaftlich starken Benutzern (z.B. Rundfunkanstalten) in vertragliche Beziehungen treten, gegen die er nur einen Anspruch auf angemessene Vergütung, nicht jedoch einen Verbietungsanspruch gegen die Benutzung seiner Darbietung hat.

VI. Die Wahrnehmung der Zweitverwertungsrechte durch die GVL

1. Die Wahrnehmungsverträge

(21) Zur Wahrnehmung der Rechte aus der Zweitverwertung schließt GVL sogenannte "Wahrnehmungsverträge" mit den Herstellern und Künstlern ab. Nach § 1 der Wahrnehmungsverträge mit den Künstlern überträgt der Berechtigte der GVL zur Wahrnehmung im eigenen Namen alle ihm gegenwärtig zustehenden und während der Vertragsdauer zufallenden Leitungsschutzrechte sowie Unterlassungs-, Vernichtungs- und Schadensersatzansprüche.

(22) Diese Rechtsübertragung umfasst insbesondere den Anspruch auf Zahlung einer Vergütung, wenn die erschienenen Bild- oder Tonträger durch Funk gesendet oder sonstwie öffentlich wahrnehmbar gemacht werden, sowie den Anspruch auf die Geräteabgabe.

(23) Demgegenüber verpflichtet sich GVL, die einbezogenen Vergütungen, die für die angelegten Gelder bis zur Verteilung aufgelaufenen Zinserträge und alle sonstigen Erträge nach einem von ihr aufgestellten Verteilungsplan und nach Abzug der notwendigen Verwaltungskosten, die etwa 5 bis 10 v.H. der Einkünfte der GVL ausmachen, an die jeweils Berechtigten auszuzahlen.

(24) In der Praxis überträgt bei Darbietungen auf Tonträgern häufig nicht der einzelne Künstler seine Ansprüche auf die GVL, sondern in der Regel sorgen die Tonträgerhersteller selbst für die Beschaffung aller erforderlichen Rechte und damit auch der Zweitverwertungsrechte der Künstler. Die Hersteller übertragen dann ihrerseits die ihnen von den Künstlern abgetretenen Rechte an die GVL. Aufgrund dieses Vertrages zwischen Hersteller und GVL haben die Künstler einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen GVL (Vertrag zugunsten Dritter). Die Künstler, die mit der GVL einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen hatten, ohne ihre Leistungsschutzrechte an die Hersteller abgetreten zu haben, (z.B. bei funkeigenen Produktionen in Deutschland), erhalten die ihnen zustehenden Vergütungen unmittelbar von der GVL.

(25) Soweit ausländische Tonträgerhersteller Nutzungsrechte für Deutschland zu vergeben haben, übertragen diese ihre Rechte ihren inländischen Vertretern oder Lizenznehmern, die dann von der GVL als Anbieter von Rechten für die Zweitverwertung den inländischen Tonträgerherstellern gleichgestellt werden.

2. Die Benutzungsverträge

(26) Die GVL hat mit den nach dem Urheberrecht vergütungspflichtigen Tonträgerbenutzern (Rundfunkanstalten, Werbefunkgesellschaften, Theatern, Diskotheken, Hotel- und Gaststättenvereinigungen u.ä.) Verträge abgeschlossen, in denen den Benutzern das Recht eingeräumt wird, die Tonträger zu benutzen, deren Marken von den Herstellern der GVL genannt worden sind und die sich in Deutschland in Verkehr befinden. Hierzu gibt die GVL die von ihr vertretenen Marken und die Hersteller bekannt und stellt ihre Vertragspartner von allen Ansprüchen leistungsschutzrechtlicher Art frei, die wegen der Verwendung von Tonträgern, deren Marken GVL vertritt, von Künstlern, Herstellern und Veranstaltern geltend gemacht werden könnten (vgl. § 5 des Tonträger-Sendevertrags).

(27) Da entweder die Künstler und/oder die Hersteller bzw. die inländischen Linzenznehmer ausländischer Hersteller (z.B. Importeure, Vertriebsgesellschaften usw). mit der GVL Wahrnehmungsverträge abgeschlossen haben, ist die GVL in der Lage, den Tonträgerbenutzern praktisch das gesamte "Weltrepertoire" an auf Tonträger aufgenommenen Darbietungen anzubieten, soweit es in Deutschland erschienen ist. Darunter befinden sich in grosser Anzahl auch Darbietungen ausländischer Künstler.

(28) Für die Verwendung dieser Tonträger zahlen die Benutzer in Erfuellung ihrer Verpflichtungen aus den §§ 76 Absatz 2, 77 UrhG nach einem im einzelnen von GVL festgelegten Schlüssel pauschalierte Jahresentgelte an die GVL.

3. Einnahmen aus der Geräteabgabe

(29) Die Vergütung für die Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch - Geräteabgabe - wird von der Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ), die von GVL hierzu beauftragt worden und an der GVL gesellschaftlich beteiligt ist, bei den Herstellern bzw. Einführern von Vervielfältigungsgeräten eingezogen. Die GVL erhält von dieser eingezogenen Vergütungssumme, die 5 v.H. der von den Geräteherstellern (Einführern) aus der Veräusserung dieser Geräte erzielten Erlöse nicht übersteigen darf, - nach Abzug der ZPÜ-Verwaltungskosten - einen Anteil von 42 v.H. Diese Gelder werden in die an die Künstler und Hersteller auszuzahlende GVL-Verteilungsmasse einbezogen.

4. Die Verteilung der GVL-Einnahmen

(30) Die Verteilung der GVL-Einnahmen wird aufgrund von jährlich aufgestellten Verteilungsplänen vorgenommen. Im Grundsatz teilen sich dabei die Vergütungen zwischen Künstlern einerseits und Herstellern andererseits im Verhältnis 50 v.H. zu 50 v.H. auf.

(31) Die Ausschüttung an die Künstler erfolgte bis zum Abrechnungsjahr 1979 im einzelnen im Verhältnis zu den von den Künstlern im jeweiligen Kalenderjahr in Deutschland erhaltenen Honoraren aus der Erstverwertung der Darbietung. Der anspruchsberechtigte Künstler hatte auf einem Formblatt seine in Deutschland erhaltenen Honorare für eine künstlerische Tätigkeit aus Funk- und Schallplattenaufnahmen im jeweiligen Kalenderjahr anzugeben und zu belegen. Je mehr Honorar ein Künstler in Deutschland aus der Erstverwertung eingenommen hatte, desto höher war damit auch sein Anteil an der von der GVL auszuschüttenden Vergütung aus der Zweitverwertung, wobei allerdings die Honorare nur degressiv berücksichtigt wurden.

(32) GVL hat mit etwa zwanzigtausend Berechtigten Wahrnehmungsverträge abgeschlossen. Da jedoch nicht alle diese Anspruchsberechtigten jährlich Honorar aus der Erstverwertung beziehen und nicht immer jährlich ihre Ansprüche bei der GVL anmelden, schüttet die GVL die eingenommene Vergütungssumme jährlich durchschnittlich nur an etwa zehntausend Anspruchsberechtigte aus. Im Jahr 1980 wurden von der GVL nach ihren Angaben insgesamt etwa ... DM eingenommen.

VII. Das Verhalten von GVL gegenüber ausländischen Künstlern (33) Die GVL lehnte es bis zum 21. November 1980 ab, mit ausländischen Künstlern ohne Wohnsitz in Deutschland - gleichgültig, ob es sich hierbei um Künstler aus Mitgliedstaaten der EG handelte oder nicht - Wahrnehmungsverträge abzuschließen oder sonstwie deren in Deutschland bestehende Leistungsschutzrechte wahrzunehmen. Dabei bestritt GVL nicht, daß ausländischen Künstlern Vergütungsrechte aus der Zweitverwertung in Deutschland zustehen. GVL wies die ausländischen Künstler, wenn sie Anträge an GVL auf Abschluß eines Wahrnehmungsvertrags stellten, jedoch darauf hin, daß GVL ausschließlich Wahrnehmungsverträge mit solchen Berechtigten abschließe, die Deutsche sind oder ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

(34) Die GVL-Gesellschaftsversammlung hat am 21. November 1980 beschlossen, nunmehr auch mit berechtigten Künstlern, die die Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaats besitzen, Wahrnehmungsverträge abzuschließen, ohne zur Voraussetzung zu machen, daß diese ausländischen Künstler einen Wohnsitz in Deutschland nachweisen. Ausserdem wird hiernach den Berechtigten aus anderen EG-Mitgliedstaaten, denen GVL eine Wahrnehmung ihrer Rechte im Einzelfall verweigert hatte, rückwirkend die Möglichkeit zur Beteiligung am Vergütungsaufkommen eingeräumt.

(35) Nach diesem neuen Wahrnehmungsverhalten der GVL gelangen die für die Sendung, öffentliche Wiedergabe, Vermietung und Vervielfältigung eingezogenen Vergütungen unter Künstlern im Verhältnis der von diesen im jeweiligen Geschäftsjahr aus der Erstverwertung in bezug auf das Inland, d.h. in bezug auf Deutschland, anrechenbaren Einkünfte zur Aufteilung (Paragraph 2 Absatz 4a des neuen Gesellschaftsvertrags). Hiernach ist es nicht mehr erforderlich, daß das Honorar aus der Erstverwertung in Deutschland bezahlt wird, sondern auch ein im Ausland gezahltes Honorar dient nach Anmeldung durch den Künstler insoweit als Berechnungsmaßstab, als ein Teil dieses Honorars der Verwertung der Darbietung in Deutschland zugerechnet werden kann. Der ausländische Künstler nimmt dann im Verhältnis dieses Honoraranteils an der Ausschüttung der Vergütung teil.

(36) Dieser geänderte Berechnungsmaßstab hat, um zu einem ausgeglichenen Ergebnis zu gelangen, zur Voraussetzung, daß der Honorarverpflichtete aus der Erstverwertung, das ist in der Regel der Hersteller, über den Vertriebsweg der Tonträger genau unterrichtet ist. Nur dann, wenn der Honorarverpflichtete weiß, in welchem Umfang die im Ausland hergestellten Tonträger nach Deutschland gelangt sind, ist er in der Lage, den Honoraranteil in bezug auf Deutschland festzulegen. Bei der Berechnung des Vergütungsanteils bleiben deshalb Tonträger ausser Betracht, die ausserhalb des vom Hersteller bekannten Vertriebswegs nach Deutschland gelangen.

VIII. Die Stellungnahme der GVL (37) GVL hat stets anerkannt, daß sie zwar rechtlich nicht gehindert sei, für Ausländer ohne Wohnsitz in Deutschland tätig zu werden, sie hat demgegenüber jedoch stets daran festgehalten, daß sie hierzu rechtlich nicht verpflichtet sei.

(38) Aus dem Gemeinschaftsrecht ließe sich eine solche Verpflichtung nicht herleiten, weil die Beschränkung der Wahrnehmungstätigkeit auf Künstler mit deutscher Staatsangehörigkeit oder deutschem Wohnsitz (Inlandsbezug) durch die uneinheitliche und unübersichtliche Rechtslage bei der Anerkennung von Leistungsschutzrechten vorgegeben sei. Der Inlandsbezug biete insoweit eine sachlich gerechtfertigte Wahrnehmungsvoraussetzung. Da die deutschen Künstler derzeit noch keine Möglichkeit zur Verwertung ihrer Leistungsschutzrechte im Ausland besässen, sei es gerechtfertigt, Ausländer ohne Inlandsbezug von der Beteiligung am Vergütungsaufkommen auszuschließen.

(39) Darüber hinaus sei GVL als Dienstleistungsunternehmen von allgemeinem wirtschaftlichem Interessen anzusehen, ihr Wahrnehmungsmonopol sei mit dem Verwaltungsmonopol im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag zu vergleichen, ihre Aufgabenerfuellung würde bei einem Wahrnehmungszwang für Ausländer ohne deutschen Wohnsitz tatsächlich verhindert.

(40) Hinzu trete, daß gemäß Artikel 222 des EWG-Vertrags die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt bleibe, die spezifische Ausgestaltung der deutschen Leistungsschutzrechte und des deutschen Wahrnehmungssystems jedoch einen Bestandteil der Eigentumsordnung in Deutschland ausmache.

(41) GVL erkennt an, daß eine Aufteilung der Vergütung anhand der Sendehäufigkeit, Sende- und Wiedergabedauer der Darbietung eine Methode wäre, die dem Grundsatz einer angemessenen Vergütung im Sinne des deutschen Urhebergesetzes am ehesten gerecht würde. GVL sieht sich jedoch aus praktischen Gründen nicht in der Lage, eine solche Berechnungsmethode anzuwenden. So würden GVL von den Sendeunternehmen nicht die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sei es aus Kosten- und Wirtschaftlichkeitsgründen für GVL nicht zu verantworten, bei einer Verteilungsmasse von mehr als ... DM und etwa 20 000 möglichen Anspruchsberechtigten nachzuforschen, welche Darbietung welches Künstlers wie lange in Deutschland durch Funk jährlich gesendet worden sei. Des weiteren seien an einer Darbietung häufig mehrere anspruchsberechtigte Künstler unterschiedlich beteiligt (z.B. Orchester, Dirigent und sonstige künstlerisch Mitwirkende), so daß eine Berechnung der Vergütung nach der Sendedauer zwar wünschenswert, praktisch für GVL jedoch undurchführbar wäre. Die GVL-Einnahmen würden nur zu etwa 60 v.H. aus der Sendevergütung bestehen, das heisst von den Rundfunkanstalten erbracht werden. Der andere Teil würde sich aus Einkünften aus der öffentlichen Wiedergabe in Gaststätten, Hotels, Diskotheken usw. und aus der Geräteabgabe zusammensetzen. Für diesen Teil sei eine "Wiedergabehäufigkeit" oder die "Wiedergabedauer" überhaupt nicht feststellbar.

RECHTLICHE BEURTEILUNG

ANWENDBARKEIT VON ARTIKEL 86 DES EWG-VERTRAGS

(42) Nach Artikel 86 sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

A. Verhalten bis zum 21. November 1980

1. Die GVL als Unternehmen

(43) Die GVL ist ein Unternehmen im Sinne von Artikel 86. Durch die entgeltliche Vermittlung von auf Tonträgern aufgenommenen Darbietungen ausübender Künstler an Rundfunkanstalten, Theater, Gaststätten, Hotels, Diskotheken und andere Musikbenutzer sowie die Wahrnehmung der den Künstlern und Herstellern zustehenden Leistungsschutzrechte und Ansprüche übt sie eine unternehmerische, aus Dienstleistungen bestehende Tätigkeit sowohl gegenüber den Leistungsschutzberechtigten wie den vergütungspflichtigen Tonträgerbenutzern aus. GVL nimmt damit am wirtschaftlichen Leistungsaustausch teil und ist somit Normadressat des Artikels 86.

(44) Die mangelnde Gewinnerzielungsabsicht ist für den Unternehmensbegriff des Artikels 86 unerheblich, auch "gemeinnützige" Unternehmen unterliegen dem Mißbrauchsverbot des Artikels 86.

Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 27. März 1974 in der Rechtssache 127/74 (BRT II, Slg. 1974, S. 313 ff) bestätigt.

2. Die beherrschende Stellung von GVL

(45) Als sachlich und örtlich relevanter Markt, auf dem die GVL tätig wird, ist der von der Tätigkeit anderer Verwertungsgesellschaften genau abgrenzbare Dienstleistungsmarkt für die Wahrnehmung von Zweitverwertungsrechten ausübender Künstler und Hersteller in Deutschland anzusehen. GVL ist die einzige Gesellschaft, die sich mit der Wahrnehmung dieser Zweitverwertungsrechte in Deutschland befasst, sie hat keinen Wettbewerber. Die Monopolstellung der GVL in Deutschland, das einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt, beruht nicht auf den rechtlichen, sondern auf den tatsächlichen Gegebenheiten.

3. Die mißbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 86 erster Absatz

(46) Das Mißbrauchsverbot des Artikels 86 erster Absatz ist, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, im Rahmen und unter Berücksichtigung der im EWG-Vertrag allgemein festgelegten Grundsätze zu beurteilen. Einer dieser Grundsätze ist in Artikel 7 des EWG-Vertrags enthalten, wonach jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit durch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist deshalb in aller Regel ohne weiteres als Verstoß gegen Artikel 86 zu bewerten (vgl. auch Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73, Sacchi, Slg. 1974, S. 409).

(47) Die Weigerung der GVL als Inhaberin eines tatsächlichen Monopols, mit ausländischen Künstlern ohne Wohnsitz in Deutschland Wahrnehmungsverträge abzuschließen, stellt eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und damit einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 dar. Dies gilt um so mehr, als diese ausländischen Künstler auf das Tätigwerden der GVL angewiesen waren, sie insoweit nicht auf andere Verwertungsgesellschaften ausweichen konnten, sie durch diese Weigerung in ihrer finanziellen Stellung gegenüber deutschen und inländischen Künstlern benachteiligt wurden und diese Weigerung dazu führte, daß die ausländischen Künstler die ihnen zustehenden Rechte nicht geltend machen konnten.

4. Diskriminierung gemäß Artikel 86 zweiter Absatz Buchstabe c)

(48) Darüber hinaus fällt das Verhalten der GVL zusätzlich unter das spezielle Diskriminierungsverbot des Artikels 86 zweiter Absatz Buchstabe c), weil GVL Wirtschaftspartner aus nicht leistungsbezogenen Gründen unterschiedlich behandelt hat.

a) Die ausländischen Künstler als Handelspartner

(49) Die Künstler allgemein nehmen dadurch, daß ihre Darbietungen auf Tonträger aufgenommen, durch Funk gesendet oder in sonstiger Weise in Deutschland öffentlich wahrnehmbar gemacht werden und ihnen hierfür Honorare und Vergütungen bezahlt werden, am Wirtschaftsleben teil. Der Leistungsaustausch ("Handel") im Sinne von Artikel 86 zweiter Absatz Buchstabe c) zwischen Künstlern und GVL vollzieht sich dadurch, daß die Leistung der GVL, nämlich die Wahrnehmungstätigkeit, nur gegen "Entgelt", d.h. den GVL-Verwaltungsanteil an der eingezogenen Vergütung erfolgt. Entscheidend ist, daß die aus Dienstleistungen bestehende Tätigkeit der GVL einer materiellen Gegenleistung der Künstler entspricht. Die Künstler sind somit die "natürlichen" Handelspartner der GVL.

(50) Andererseits ist auch die GVL der "natürliche" Handelspartner der Künstler, denn der Vergütungsanspruch der Künstler kann praktisch nur durch die GVL verwirklicht werden. Beide, GVL wie Künstler, sind aufeinander angewiesen : Der Geschäftszweck der GVL besteht in der Wahrnehmung der Vergütungsansprüche der Künstler, die Künstler können ohne GVL diese ihre Zweitverwertungsrechte nicht realisieren.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, die ausländischen Künstler seien keine Handelspartner der GVL gewesen, weil GVL mit ihnen keine Wahrnehmungsverträge abgeschlossen habe.

(51) Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann nicht mit dem Hinweis, es fehle am Merkmal der "Handelspartner" dem Diskriminierungsvorwurf entgehen, in dem es einen Teil der natürlichen Handelspartner durch das Aufstellen einer zusätzlichen Bedingung nicht zu tatsächlichen Handelspartnern werden lässt.

Die ausländischen Künstler hätten sich durch ihr Verhalten, nämlich eine Wohnsitznahme in Deutschland, von selbst zu tatsächlichen Handelspartnern der GVL machen können. Dies zeigt, daß auch die ausländischen Künstler "Handelspartner" im Sinne von Artikel 86 zweiter Absatz Buchstabe c) waren und sie nur durch die von GVL allgemein für diese Gruppe aufgestellte zusätzliche Bedingung der Wohnsitznahme in Deutschland, daran gehindert wurden, auch tatsächliche Handelspartner der GVL zu werden.

b) Die unterschiedliche Behandlung

(52) GVL hat bis zum 21. November 1980 ausländische Künstler insofern gegenüber deutschen Künstlern auch unterschiedlich behandelt, als sie für diese bei der Wahrnehmungstätigkeit das zusätzliche Erfordernis - den Wohnsitz in Deutschland - verlangte, welches GVL für Deutsche nicht aufstellte. Das Verhalten der GVL bestand somit nicht in einer individualisierten Tätigkeitsverweigerung gegenüber einzelnen ausländischen Künstlern, sondern in dem Aufstellen einer zusätzlichen, allgemeinen Bedingung für ausländische Künstler. Für den Fall, daß ausländische Künstler diese Bedingung erfuellten, war GVL bereit, Wahrnehmungsverträge mit ihnen abzuschließen. Insofern hat GVL gegenüber ihren Handelspartnern allgemein unterschiedliche Bedingungen angewandt.

c) Gleichwertige Leistung

(53) Das Diskriminierungsverbot des Artikels 86 zweiter Absatz Buchstabe c) setzt darüber hinaus das Vorliegen gleichwertiger Leistungen der betroffenen Handelspartner voraus. Die ausländischen Künstler bieten, wie die deutschen und inländischen Künstler, der GVL ihre bestehenden Leistungsschutzrechte in Deutschland zur Wahrnehmung an. Die Leistung der ausländischen Künstler, nämlich die Übertragung ihrer in Deutschland bestehenden Leistungsschutzrechte an die GVL, ist die gleiche wie die Leistung der deutschen und inländischen Künstler. Zwar mag es zutreffen, daß für ausländische Künstler der Nachweis ihrer in Deutschland bestehenden Rechte schwieriger ist als der deutscher und inländischer Künstler. Dies ändert jedoch nichts an der materiellen Leistung der ausländischen Künstler, die sich, wenn das Bestehen von Leistungsschutzrechten in Deutschland dargelegt ist, in nichts von der deutscher und inländischer Künstler unterscheidet.

Die von den ausländischen Künstlern der GVL angebotene Leistung ist somit "gleichwertig" im Sinne von Artikel 86 zweiter Absatz Buchstabe c).

5. Wettbewerbsbenachteiligung der ausländischen Künstler

(54) Zwischen Künstlern herrscht hinsichtlich ihrer Darbietungen Wettbewerb auf dem deutschen Markt wie auch auf dem in den anderen Mitgliedstaaten. Jeder Künstler hat ein besonderes Interesse daran, daß seine Darbietung möglichst häufig durch Funk gesendet oder sonst öffentlich wiedergegeben wird und daß der Tonträger mit seiner Darbietung in grosser Stückzahl verkauft wird.

(55) Durch das unterschiedliche Verhalten der GVL wurden die ausländischen Künstler ohne Wohnsitz in Deutschland in diesem Wettbewerb zwischen Künstlern benachteiligt. Die ausländischen Künstler, die für ihre Darbietungen in Deutschland keine Vergütung aus der Zweitverwertung erhielten, obwohl ihnen derartige Vergütungsansprüche zustehen, erlitten finanzielle Nachteile im Vergleich zu deutschen und inländischen Künstlern. Diese durch das Verhalten der GVL begünstigten Berechtigtengruppen wurden hingegen in ihrer wirtschaftlichen Stellung gestärkt. Damit hatten sie einen wirtschaftlichen Vorsprung vor den ausländischen Marktteilnehmern, der sich auf den Wettbewerb mit diesen auswirken konnte. Denn gerade auch bei Künstlern wirken sich selbst finanzielle Benachteiligungen geringeren Umfangs erheblich auf ihre unternehmerische Stellung am Markt aus.

6. Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen

(56) Die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen durch GVL bei gleichwertigen Leistungen der ausländischen Künstler stellt nur dann keinen Mißbrauch dar, wenn für dieses Verhalten sachliche Rechtfertigungsgründe vorliegen (vgl. Entscheidung der Kommission vom 17. Dezember 1975, ABl. 1976 L 95, S. 16 - Chiquita).

(57) Die von GVL vorgetragenen Haupteinwände gegen eine Wahrnehmungsverpflichtung hinsichtlich ausländischer Künstler und die vorgebrachten Argumente für eine Rechtfertigung ihres Verhaltens - auch nach Änderung ihrer Wahrnehmungspraxis - bestehen in der uneinheitlichen und unübersichtlichen Rechtslage bei der Anerkennung von Leistungsschutzrechten innerhalb der Gemeinschaft.

(58) Die Kommission ist sich der Schwierigkeiten bewusst, die sich für Künstler, Verwertungsgesellschaften und sonstige Vereinigungen, welche sich um eine Vergütung der Künstler und Hersteller bei der Zweitverwertung bemühen, aus der unterschiedlichen Rechtslage innerhalb der Gemeinschaft ergeben. Sie ist sich bewusst, daß bisher nur in einigen Mitgliedstaaten gesetzliche Vergütungsansprüche für Hersteller und Künstler gewährt werden und die übrigen Mitgliedstaaten ähnliche gesetzliche Rechte entweder nur für Künstler oder nur für Hersteller oder überhaupt nicht kennen. In den Ländern ohne gesetzliche Leistungsschutzrechte bestehen jedoch meist vertragliche Abmachungen, so daß in fast allen Mitgliedstaaten letztlich Künstler und Hersteller Vergütungszahlungen für die Zweitverwertung erhalten.

(59) So wünschenswert es sein mag, zu einer einheitlichen Rechtslage bei der Zweitverwertung innerhalb der Gemeinschaft zu gelangen, so kann diese unterschiedliche Rechtslage kein Verhalten rechtfertigen, durch das Künstlern sogar die Möglichkeit genommen wird, ihre Rechte in einem anderen Mitgliedstaat durchzusetzen. GVL hat durch ihre Weigerung ein Hindernis für die Künstler aufgebaut, zu einer Vergütung bei der Zweitverwertung ihrer Darbietungen zu gelangen.

(60) Soweit GVL vorträgt, ein Wahrnehmungszwang für ausländische Künstler diskriminiere deutsche Künstler, die im Ausland keine Vergütungsansprüche besässen, so kann auch dieser Einwand nicht durchgreifen. Eine aufgrund der Wettbewerbsvorschriften gegebene Wahrnehmungsverpflichtung geht von Vergütungsansprüchen ausländischer Künstler aus der Zweitverwertung in Deutschland aus.

Eine derartige Wahrnehmungsverpflichtung würde auch vergleichbare andere marktbeherrschende Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten treffen, soweit deutsche Künstler in diesen Mitgliedstaaten Vergütungsansprüche besitzen oder soweit deutsche Künstler von diesen Unternehmen gegenüber anderen Künstlern wegen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert würden.

Ein GVL auferlegter Wahrnehmungszwang gegenüber ausländischen Künstlern würde daher nicht deutsche Künstler diskriminieren, sondern er stellt erst die Gleichbehandlung aller Künstler, deren Darbietungen in Deutschland erschienen sind, her.

7. Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten

(61) Die mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung durch die GVL führt auch dazu, daß der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.

(62) Unter Handel im Sinne der Wettbewerbsvorschriften sind alle geschäftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten, einschließlich das Erbringen von Dienstleistungen, zu verstehen (vgl. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache - Sacchi). Es kommt insoweit allein darauf an, ob das Verhalten der GVL unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder möglicherweise geeignet war, die Freiheit des Handels oder des Dienstleistungsverkehrs in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen, zwischenstaatlichen Marktes zuwiderlief (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 - Grundig/Consten, Slg. 1966, S. 322).

(63) Durch die Weigerung der GVL, für Ausländer ohne Wohnsitz in Deutschland, aber mit Wohnsitz in einem der Mitgliedstaaten die Verwertung ihrer Rechte in Deutschland zu übernehmen, wurde das Zustandekommen eines einheitlichen Marktes für Dienstleistungen in der Gemeinschaft behindert. Diese Ausländer konnten im Gegensatz zu Deutschen die Dienstleistung der GVL nicht in Anspruch nehmen. Damit wurde grenzueberschreitender Dienstleistungsverkehr, wie er sich ohne die Weigerung der GVL entwikkelt hätte, innerhalb der Gemeinschaft verhindert. Diese Beeinträchtigung des Dienstleistungsverkehrs war auch spürbar, da eine Vielzahl von ausländischen Berechtigten an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert wurde.

Dabei kommt es nicht darauf an, daß GVL ihre Tätigkeit auf das Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkte. Wie die Kommission in mehreren Entscheidungen festgestellt hat, kann eine Vereinbarung oder ein Verhalten, das sich nur auf einen Mitgliedstaat bezieht, zu einer Handelsbeeinträchtigung führen, wenn Handelspartner in anderen Mitgliedstaaten von dieser Vereinbarung oder den Vorteilen dieses Verhaltens ausgeschlossen werden (Entscheidung vom 29. Dezember 1970 - Keramische Fliesen - ABl. 1971 Nr. L 10, S. 15, und vom 23. Juli 1974 - Papiers peints de Belgique - ABl. Nr. L 237, S. 3). Im vorliegenden Fall kann hinsichtlich der unmittelbaren Handelsbeeinträchtigung bei der Diskriminierung ausländischer Künstler mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat kein Zweifel bestehen. Die Diskriminierung bewirkte nämlich, daß künstliche Schranken für den Dienstleistungsverkehr zwischen der GVL als Dienstleistungsgeber in Deutschland und den ausländischen Künstlern als Dienstleistungsnehmer in einem anderen Mitgliedstaat, d.h. für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten, errichtet wurden.

(64) Darüber hinaus wurden die ausländischen Künstler durch die finanzielle Benachteiligung auch in ihrer grenzueberschreitenden Wettbewerbssituation betroffen. Diese Benachteiligung war geeignet, die ausländischen Künstler gegenüber den begünstigten deutschen und inländischen Künstlern, mit denen sie in der Gemeinschaft mit ihren Darbietungen im Wettbewerb standen, in eine ungünstigere Lage zu versetzen und damit den Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

NICHTANWENDBARKEIT VON ARTIKEL 90 DES VERTRAGES

(65) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, gelten gemäß Artikel 90 Absatz 2 die Vorschriften des EWG-Vertrags und insbesondere die Wettbewerbsregeln des Vertrages nur, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Hierunter können auch Privatunternehmen fallen, wenn sie durch Hoheitsakt der öffentlichen Gewalt mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (vgl. Urteil des Gerichtshofes - BRT II). Da Artikel 90 Absatz 2 unter bestimmten Umständen eine vom Vertrag abweichende Regelung zulässt, ist der Begriff der Unternehmen, die sich auf diese Vorschrift berufen können, jedoch eng auszulegen.

(66) Der GVL ist nicht durch staatlichen Hoheitsakt oder in sonstiger Weise von der öffentlichen Gewalt mit Dienstleistungen betraut worden. Zwar steht ihre Tätigkeitsaufnahme unter dem Vorbehalt hoheitlicher Erlaubnis, durch diesen staatlichen "Erlaubnisvorbehalt" wird jedoch keine besondere Aufgabe übertragen. Bei der staatlichen Erlaubniserteilung wird lediglich geprüft, ob die die Erlaubnis beantragende Gesellschaft die Voraussetzungen einer Verwertungsgesellschaft, wie sie das Wahrnehmungsgesetz vorsieht, erfuellt. Eine solche Erlaubniserteilung ist daher schon von der Sache her keine Übertragung besonderer Aufgaben, sondern lediglich die Gestattung eines bestimmten Tuns. Die Erlaubnis, die lediglich ein gesetzliches Verbot beiseite räumt, hat einen gänzlich anderen rechtlichen Gehalt als eine Betrauung, durch die einem Unternehmen bestimmte Aufgaben und damit bestimmte Pflichten hoheitlich übertragen werden. Die gebotene enge Auslegung des Unternehmensbegriffs des Artikels 90 Absatz 2 ergibt daher, daß die GVL nicht unter diese Bestimmung fällt.

(67) Selbst wenn man aber annehmen sollte, daß die GVL mit Dienstleistungen "betraut" worden wäre, so müssten diese Dienstleistungen im "allgemeinen wirtschaftlichen Interesse" liegen.

(68) GVL nimmt lediglich die Privatinteressen der Künstler wahr. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil - BRT II - festgestellt, daß ein solches allgemeines Interesse dann nicht wahrgenommen wird, wenn ein Unternehmen Privatinteressen wahrnimmt, auch wenn es sich dabei um gesetzlich geschützte Eigentumsrechte handelt. Dies trifft auch für die GVL zu.

NICHTANWENDBARKEIT DES ARTIKELS 222 DES VERTRAGES

(69) Der Einwand der GVL, daß die deutsche gesetzliche Regelung der Leistungsschutzrechte und der Tätigkeit der Wahrnehmungsgesellschaften gemäß Artikel 222 EWG-Vertrag von den Wettbewerbsregeln "unberührt" bleibe, ist unzutreffend.

(70) Zum einen hat es der deutsche Gesetzgeber den Verwertungsgesellschaften nicht untersagt, für Ausländer ohne inländischen Wohnsitz tätig zu werden, sondern diese Frage offen gelassen. Zum anderen würde eine Auslegung des Artikels 222, wie sie GVL vornimmt, der Anwendung der Vorschriften des EWG-Vertrags im Bereich der gewerblichen Schutzrechte schlechterdings den Boden entziehen. Darüber hinaus ermöglicht erst eine Wahrnehmungspflicht der GVL gegenüber Ausländern, daß diese "ihr Eigentum", d.h. ihre materiellen Vergütungsansprüche in Deutschland, geltend machen können. Die Ansprüche der deutschen Künstler und Wohnsitzausländer werden dadurch in ihrem rechtlichen Bestand nicht angetastet, die deutsche Eigentumsordnung als solche nicht berührt.

B. Verhalten nach dem 21. November 1980

(71) GVL hat durch Änderung des Gesellschafts- und des Musterwahrnehmungsvertrags ihre Diskriminierung von Künstlern ohne deutsche Staatsangehörigkeit, soweit es die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten oder Künstler mit Wohnsitz in einem dieser Mitgliedstaaten betrifft, eingestellt.

Das nunmehrige Verteilungsverfahren gilt für deutsche wie solche ausländische Künstler in gleicher Weise.

(72) Gleichwohl könnte das nunmehrige Verteilungsverfahren insoweit Bedenken hervorrufen, als die Künstler am Vergütungsaufkommen in Deutschland nur nach Maßgabe des ihnen vom Hersteller in bezug auf Deutschland gezahlten Honorars aus der Erstverwertung beteiligt werden. Damit fallen beispielsweise Tonträger aus dem Bewertungsmaßstab heraus, die ausserhalb der vom Honorarverpflichteten vorgegebenen Vertriebswege nach Deutschland gelangt sind, da er hierfür kein Honorar "in bezug auf Deutschland" zahlt.

(73) Beim gegenwärtigen Kenntnisstand ist jedoch hierin kein Mißbrauch zu sehen. Angesichts der grossen tatsächlichen Schwierigkeiten, auf die GVL hingewiesen hat, zu einer gerechten Verteilung der Vergütung zu gelangen, erscheint der von GVL gewählte Weg der Abrechnung anhand des vom Künstler in bezug auf den deutschen Markt erhaltenen Honorars unter den gegebenen Umständen ein Weg zu sein, der dem Erfordernis einer gerechten und kostensparenden Verteilung genügt.

ANWENDBARKEIT VON ARTIKEL 3 DER VERORDNUNG Nr. 17

(74) GVL hat bis zum 21. November 1980 eine Zuwiderhandlung begangen. Sie ist der Auffassung, daß sie auch weiterhin angesichts der unklaren Rechtslage berechtigt sei, Künstler ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in Deutschland von ihrer Wahrnehmungstätigkeit auszuschließen. Zur Klärung der Rechtslage, auch im Hinblick auf die Beschwerdeführer und um künftige gleichartige oder ähnliche Zuwiderhandlungen auszuschließen, ist eine Entscheidung erforderlich.

Dies gilt um so mehr, als dadurch klargestellt werden soll, daß Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten für marktbeherrschende Unternehmen keinen Rechtfertigungsgrund für eine Diskriminierung bieten -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Das Verhalten der GVL bis zum 21. November 1980 keine Wahrnehmungsverträge mit ausländischen Künstlern abzuschließen, wenn diese keinen Wohnsitz in Deutschland hatten, und die diesen Künstlern in Deutschland zustehenden Leistungsschutzrechte auch nicht in anderer Weise wahrzunehmen, stellte, soweit diese Künstler die Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaats besassen oder in einem Mitgliedstaat ihren Wohnsitz hatten, einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des EWG-Vertrags dar.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, Esplanade 36a, Hamburg, gerichtet.

Brüssel, den 29. Oktober 1981

Für die Kommission

Frans ANDRIESSEN

Mitglied der Kommission