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Document 32013H0461

    2013/461/EU: Empfehlung der Kommission vom 17. September 2013 zu den Grundsätzen für SOLVIT Text von Bedeutung für den EWR

    ABl. L 249 vom 19.9.2013, p. 10–15 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
    ABl. L 249 vom 19.9.2013, p. 9–14 (HR)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2013/461/oj

    19.9.2013   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 249/10


    EMPFEHLUNG DER KOMMISSION

    vom 17. September 2013

    zu den Grundsätzen für SOLVIT

    (Text von Bedeutung für den EWR)

    (2013/461/EU)

    DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Artikel 26 AEUV definiert den Binnenmarkt als einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union sieht vor, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, ergreifen.

    (2)

    Der Binnenmarkt bietet Einzelpersonen, die in einem anderen Mitgliedstaat leben und arbeiten wollen, sowie Unternehmen, die ihre Märkte auszuweiten gedenken, viele Möglichkeiten. Obwohl der Binnenmarkt insgesamt gut funktioniert, treten manchmal Probleme auf, wenn Behörden das Unionsrecht nicht einhalten.

    (3)

    Gemäß der Empfehlung 2001/893/EG der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grundsätze zur Nutzung von „SOLVIT“, dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt (1), wurde SOLVIT als ein Netz von Zentren der Mitgliedstaaten innerhalb ihrer eigenen nationalen Verwaltungen eingeführt, das zu einer schnellen und informellen Lösung von Problemen von Einzelpersonen und Unternehmen bei der Ausübung ihrer Rechte im Binnenmarkt beitragen soll.

    (4)

    SOLVIT ist zwar informeller und pragmatischer Art; seine Einrichtung soll jedoch gewährleisten, dass die gefundene Lösung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. SOLVIT gründet sich auf einen transparenten Prozess zur Lösung von Problemen, von denen zwei Mitgliedstaaten betroffen sind. Zwar ist die Kommission normalerweise nicht in die Lösung von Fällen einbezogen. Sie steht aber in engem Kontakt mit den SOLVIT-Stellen und bietet ein regelmäßiges rechtliches Training sowie in einigen komplexen Fällen eine informelle Beratung an. Ferner überwacht sie die SOLVIT-Fallbearbeitung und -Ergebnisse über die Online-Datenbank und kann dann eingreifen, wenn sie der Auffassung ist, dass die vorgeschlagenen Lösungen von SOLVIT-Zentren mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sind. Die zuvor genannte SOLVIT-Struktur trägt nicht nur zur Rechtmäßigkeit der Ergebnisse in Einzelfällen bei, sondern die Bewertungsergebnisse zeigen auch, dass die Arbeit von SOLVIT insgesamt zu einer besseren Einhaltung des Unionsrechts durch die einzelstaatlichen Behörden geführt hat.

    (5)

    SOLVIT hat sich seit seiner Gründung erheblich weiter entwickelt. Derzeit werden zehn Mal mehr Fälle als vor zehn Jahren bearbeitet. Auch ist SOLVIT für ein wesentlich breiteres Spektrum von Fällen als ursprünglich vorgesehen zuständig. Die überwiegende Mehrheit der Fälle wurde erfolgreich gelöst. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug neun Wochen, was zu hohen Zufriedenheitsnoten bei Einzelpersonen und Unternehmen, die SOLVIT genutzt haben, geführt hat.

    (6)

    Während SOLVIT ein Erfolg ist, hat die Ausweitung seiner Tätigkeiten verschiedene Herausforderungen akuter werden lassen. Eine eingehende Bewertung des Netzes im Jahr 2010 deutet darauf hin, dass nicht alle SOLVIT-Stellen gleichermaßen gut ausgestattet oder positioniert sind. Die Annahme von Fällen und das angebotene Dienstleistungsniveau variieren ebenfalls. Darüber hinaus finden zu wenige Menschen und Unternehmen den Weg zu SOLVIT.

    (7)

    Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist es erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen und SOLVIT weiter auszubauen sowie seine Öffentlichkeitswirksamkeit sowohl online als auch offline zu verstärken, so wie dies in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen „Reinforcing effective problem-solving in the Single Market — unlocking SOLVIT’s potential at the occasion of its 10th anniversary“ [„Verstärkung wirksamer Problemlösungen im Binnenmarkt — Freisetzung des Potentials von SOLVIT aus Anlass seines 10-jährigen Bestehens“], in der Mitteilung über bessere Governance für den Binnenmarkt (2) und im Bericht über die Unionsbürgerschaft (3) bekräftigt wurde. Als Teil dieses Vorhabens sollte die Empfehlung 2001/893/EG durch eine neue Empfehlung ersetzt werden. Diese neue Empfehlung soll Klarheit über die von SOLVIT auf der Grundlage bewährter Verfahren zu erreichenden Ergebnisse schaffen. Sie legt die Ziele und Standards sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Kommission fest, um zu gewährleisten, dass Bürger und Unternehmen wirksame Unterstützung in den Fällen erhalten, in denen das Unionsrecht nicht eingehalten wird. Daneben soll sie sicherstellen, dass die SOLVIT-Stellen dieselben Regeln anwenden und dieselben kohärenten Dienstleistungen im gesamten Netz erbringen.

    (8)

    Um eine einheitliche Auslegung des Mandats im gesamten Netz sicherzustellen, definiert diese Empfehlung die Arten von Fällen, die von SOLVIT bearbeitet werden sollten. In der Empfehlung 2001/893/EG heißt es, dass SOLVIT sich mit Fällen einer „falschen Anwendung von Binnenmarktvorschriften“ befasst. Eine derartige Festlegung des Anwendungsbereichs hat zu Unstimmigkeiten geführt. Zunächst wurde geltend gemacht, dass der Begriff „falsche Anwendung“ impliziert, dass sich die SOLVIT-Stellen nicht mit Fällen befassen können, in denen einzelstaatliche Vorschriften im Widerspruch zum Unionsrecht stehen (so genannte „strukturelle Fälle“). Zweitens könne SOLVIT nur dann tätig werden, wenn die die Union betreffenden Vorschriften eine Binnenmarkt-Grundlage haben.

    (9)

    SOLVIT-Fälle werden nun als alle grenzübergreifende Probleme definiert, die durch eine mögliche Verletzung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Binnenmarkts durch eine Behörde verursacht werden, falls und insofern derartige Probleme nicht Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf EU-Ebene sind.

    (10)

    Mit dem Begriff „Zuwiderhandlung“ soll klargestellt werden, dass die SOLVIT-Stellen alle Fälle, in denen die Behörden nicht dem Unionsrecht auf dem Gebiet des Binnenmarkts genügen, als einen SOLVIT-Fall unabhängig von der Ursache des Problems übernehmen. Die überwiegende Mehrheit der von SOLVIT behandelten Fälle spiegelt Situationen wider, in denen eine Behörde das Unionsrecht auf dem Gebiet des Binnenmarkts nicht korrekt angewandt hat. SOLVIT-Stellen haben jedoch auch gezeigt, dass sie in der Lage sind, wirksame Abhilfe anzubieten, wenn strukturelle Probleme auftreten. Auch wenn strukturelle Fälle nur einen kleinen Teil der gesamten SOLVIT-Fälle ausmachen, ist die Behandlung solcher Fälle durch SOLVIT wichtig, um sicherzustellen, dass derartige Probleme nicht unbemerkt bleiben. SOLVIT bietet die beste Garantie dafür, dass die strukturellen Probleme auf geeigneter Ebene wirksam angegangen werden.

    (11)

    Diese Empfehlung unterstreicht, dass SOLVIT Fälle behandelt, in denen ein grenzübergreifendes Problem mit einer Behörde besteht. Das grenzübergreifende Kriterium stellt sicher, dass ein SOLVIT-Fall von SOLVIT-Stellen in zwei Mitgliedstaaten behandelt wird, wodurch sowohl die Transparenz als auch die Qualität der Ergebnisse gewährleistet sind. Das Kriterium der Behörde ist an die Tatsache gebunden, dass SOLVIT Teil der einzelstaatlichen Verwaltungen ist und lediglich auf informeller Basis arbeitet.

    (12)

    Mit dieser Empfehlung soll auch klargestellt werden, welche Dienstleistungen Einzelpersonen und Unternehmen von SOLVIT erwarten können. Sie erläutert, wie Antragsteller informiert und welche Hilfen mindestens angeboten werden sollten. Auch werden die verschiedenen Verfahrensschritte und Fristen dargelegt, die bei der Behandlung eines SOLVIT-Falls zusammen mit eventuellen Folgemaßnahmen bei Nichtlösung eines Falls einzuhalten sind.

    (13)

    Des Weiteren legt diese Empfehlung Mindeststandards fest, die die SOLVIT-Stellen in Bezug auf Organisation, Rechtssachverstand und Beziehungen zu anderen Netzen einzuhalten haben. Außerdem wird in der Empfehlung die Rolle der Kommission innerhalb des SOLVIT-Netzes präzisiert.

    (14)

    Die Kommission hat unlängst die SOLVIT-Online-Datenbank als eigenständiges Modul im Binnenmarkt-Informationssystem neu eingerichtet. Angesichts dieser technischen Integration gelten die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“) (4) über den Schutz personenbezogener Daten und vertraulicher Informationen auch für SOLVIT-Verfahren. Diese Empfehlung präzisiert zudem bestimmte Aspekte des Schutzes personenbezogener Daten in SOLVIT im Einklang mit der IMI-Verordnung.

    (15)

    Diese Empfehlung zielt nicht darauf ab, zu erläutern, wie die Kommission mit direkt eingegangenen Beschwerden umgeht, und greift der Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge in keiner Weise vor. Außerdem spezifiziert sie nicht die Rolle von EU-Pilot und den nationalen Koordinatoren auf diesem Gebiet. Diese Aspekte sind Gegenstand spezifischer Leitlinien, die regelmäßig aktualisiert werden —

    EMPFIEHLT:

    I.   ZWECK UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

    A.   Ziel

    Diese Empfehlung legt die Grundsätze für die Arbeitsweise von SOLVIT fest. Das erklärte Ziel von SOLVIT ist es, rasche, wirksame und informelle Lösungen für Probleme zu finden, mit denen Einzelpersonen und Unternehmen konfrontiert sind, wenn Behörden ihnen ihre Rechte als EU-Bürger im Binnenmarkt verweigern. Die Empfehlung trägt zu einer besseren Funktionsweise des Binnenmarktes durch die Förderung einer verstärkten Einhaltung des Unionsrechts bei. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die nationalen SOLVIT-Stellen auf der Grundlage der in dieser Empfehlung festgelegten Grundsätze zusammenarbeiten.

    B.   Begriffsbestimmungen

    Im Sinne dieser Empfehlung bezeichnet der Begriff

    1.   „Antragsteller“: eine natürliche oder juristische Person, die mit einem grenzübergreifenden Problem konfrontiert ist und es an SOLVIT direkt oder über eine Mittelsperson weiterleitet, oder eine Organisation, die ein konkretes Problem im Namen ihres Mitglieds/ihrer Mitglieder übermittelt;

    2.   „grenzübergreifendes Problem“: ein Problem eines Antragstellers in einem Mitgliedstaat, das einen möglichen Verstoß gegen EU-Recht auf dem Gebiet der Binnenmarktvorschriften durch eine Behörde in einem anderen Mitgliedstaat impliziert. Dazu zählen Probleme von Antragstellern, die von ihren eigenen öffentlichen Verwaltungen verursacht werden, wenn es um die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit oder dessen versuchte Ausübung geht;

    3.   „Unionsrecht auf dem Gebiet des Binnenmarkts“: sämtliche Rechtsvorschriften der Union, Regeln oder Grundsätze in Bezug auf die Funktionsweise des Binnenmarkts im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 AEUV. Dazu gehören Vorschriften, die nicht auf die Regulierung des Binnenmarkts als solchen abzielen, sondern sich auf den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen oder Kapital zwischen Mitgliedstaaten auswirken;

    4.   „Behörde“: jeder Teil der öffentlichen Verwaltung eines Mitgliedstaats auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene oder jede Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform, die durch eine staatliche Maßnahme mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung unter der Kontrolle des Staates betraut und zu diesem Zweck mit besonderen Befugnissen ausgestattet wurde, die über jene hinausgehen, die bei Beziehungen zwischen Einzelpersonen üblicherweise gelten;

    5.   „Gerichtsverfahren“: förmliche Verfahren für die Beilegung einer Streitigkeit vor einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Einrichtung. Dies schließt Verwaltungsverfahren gegen die Behörde aus, die Ursache des Problems ist;

    6.   „strukturelles Problem“: eine Zuwiderhandlung aufgrund einer einzelstaatlichen Vorschrift, die dem Unionsrecht zuwider läuft;

    7.   „Heimat-SOLVIT-Stelle“: die SOLVIT-Stelle in dem Mitgliedstaat, der die engste Verbindung zum Antragsteller hat, die z. B. auf der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz, der Einrichtung oder dem Ort, an dem der Antragsteller die entsprechenden Rechte erworben hat, basiert;

    8.   „federführende SOLVIT-Stelle“: die SOLVIT-Stelle des Mitgliedstaats, in dem die mutmaßliche Verletzung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Binnenmarkts erfolgt ist;

    9.   „SOLVIT-Datenbank“: die Online-Anwendung innerhalb des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) zur Unterstützung der Handhabung von SOLVIT-Fällen.

    II.   SOLVIT-MANDAT

    Das SOLVIT-Netz behandelt alle grenzübergreifenden Probleme, die durch eine mögliche Zuwiderhandlung gegen das Unionsrecht auf dem Gebiet des Binnenmarkts durch eine Behörde verursacht werden, falls und insofern derartige Probleme nicht Gegenstand eines Gerichtsverfahrens auf einzelstaatlicher oder auf europäischer Ebene sind. Die Empfehlung trägt zu einer besseren Funktion des Binnenmarkts durch die Förderung einer verstärkten Einhaltung des Unionsrechts bei.

    III.   VON SOLVIT ANGEBOTENE DIENSTE

    Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Antragsteller von folgenden Mindestdienstleistungen profitieren können:

    1.

    SOLVIT-Stellen sollten telefonisch oder per E-Mail erreichbar sein und die an sie gerichteten Anfragen rasch beantworten.

    2.

    Die Antragsteller sollten innerhalb einer Woche eine erste Antwort auf ihr Problem erhalten, einschließlich der Angabe, ob SOLVIT ihren Fall bearbeiten kann, sofern diese Angabe auf der Grundlage der bereitgestellten Informationen möglich ist. Erforderlichenfalls sollten die Antragsteller gleichzeitig gebeten werden, alle zur Bearbeitung ihres Dossiers benötigten Unterlagen einzureichen. Innerhalb eines Monats nach dieser ersten Bewertung und unter der Voraussetzung, dass das Dossier vollständig ist, sollten die Antragsteller eine förmliche Auskunft erhalten, ob ihr Fall von der federführenden SOLVIT-Stelle angenommen und folglich ein SOLVIT-Fall eingeleitet wurde.

    3.

    Wenn ein Problem nicht als ein SOLVIT-Fall behandelt werden kann, sollte dies den Antragstellern erläutert und es sollte eine weitere mögliche Vorgehensweise gefunden werden, die für die Lösung des Problems hilfreich sein könnte. Dazu zählen die Registrierung oder Übermittlung des Problems, wenn möglich, an ein anderes einschlägiges Informations- oder Problemlösungsnetz oder an die zuständige einzelstaatliche Behörde.

    4.

    Innerhalb von zehn Wochen ab dem Datum der Einleitung des Falls sollte der Antragsteller eine Lösung für sein Problem erhalten, eventuell unter Präzisierung des geltenden Unionsrechts. In Ausnahmefällen und insbesondere, wenn mit einer baldigen Lösung zu rechnen ist oder wenn es sich um ein strukturelles Problem handelt, kann der Fall bis zu einer Höchstdauer von zehn Wochen nach Ablauf der gesetzten Frist offen gehalten werden, sofern der Antragsteller darüber informiert wird.

    5.

    Die Antragsteller sollten über den informellen Charakter des SOLVIT-Netzes sowie die geltenden Verfahren und Fristen informiert werden. Diese Informationen sollten auch Angaben über andere Möglichkeiten des Rechtsschutzes, einen Warnhinweis darauf, dass die Behandlung eines Falls durch SOLVIT einzelstaatliche Widerspruchsfristen nicht blockiert, sowie einen Hinweis darauf enthalten, dass die von SOLVIT angebotenen Lösungen informell sind und gegen sie keine Rechtsmittel eingelegt werden können. Die Antragsteller sollten zudem darüber unterrichtet werden, dass SOLVIT kostenlos ist. Antragsteller sollten regelmäßig über den aktuellen Stand ihres Falls informiert werden.

    6.

    Die SOLVIT-Verfahren sind informeller Art und schließen einen Antragsteller nicht von der Einleitung förmlicher Verfahren auf nationaler Ebene aus, die zum Abschluss des SOLVIT-Falls führen.

    7.

    Wird der Fall erfolgreich abgeschlossen, sollte der Antragsteller im Hinblick auf Maßnahmen beraten werden, mittels derer er von der vorgeschlagenen Lösung profitieren kann.

    8.

    Sobald sich herausstellt, dass ein Fall im Rahmen von SOLVIT nicht gelöst werden kann, sollte das Verfahren eingestellt werden, und der Antragsteller ist unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen. In einem solchen Fall sollte SOLVIT den Antragsteller in Bezug auf andere Rechtsschutzmöglichkeiten auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene beraten. Wenn SOLVIT-Stellen Beschwerdeführern raten, eine Beschwerde bei der Kommission einzureichen, sollten sie sie auch auf frühere Verfahren verweisen (durch ein Aktenzeichen und eine kurze Zusammenfassung dieser Verfahren). Ungelöste Fälle sollten systematisch der Kommission über die Datenbank gemeldet werden.

    9.

    Nach Abschluss des Falls sollten die Antragsteller gebeten werden, ihre Rückmeldungen zur Art und Weise der Behandlung des Falls durch SOLVIT zu übermitteln.

    IV.   ORGANISATION DER SOLVIT-STELLEN

    1.

    Jeder Mitgliedstaat sollte über eine SOLVIT-Stelle verfügen.

    2.

    Um sicherzustellen, dass die SOLVIT-Stellen ihre Aufgaben im Sinne dieser Empfehlung erfüllen, sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die SOLVIT-Stellen:

    a)

    über ausreichendes und gut ausgebildetes Personal mit Arbeitskenntnissen in mehr als einer Amtssprache der Union verfügen, sofern dies erforderlich ist, um eine schnelle und transparente Kommunikation mit anderen SOLVIT-Zentren zu gewährleisten;

    b)

    über angemessenen juristischen Sachverstand oder einschlägige Erfahrungen mit der Anwendung des Unionsrechts verfügen, so dass eine unabhängige rechtliche Bewertung der Fälle erfolgen kann;

    c)

    sich in dem Teil der einzelstaatlichen Verwaltung befinden, der mit ausreichenden Koordinierungsbefugnissen ausgestattet ist, um die ordnungsgemäße Anwendung des Unionsrechts innerhalb ihrer Verwaltung sicherzustellen;

    d)

    ein Netz innerhalb der nationalen Verwaltung schaffen können, um Zugang zu dem jeweiligen juristischen Sachverstand und zu der erforderlichen Unterstützung zu erhalten, die für eine praktische Falllösung unabdingbar sind.

    V.   SOLVIT-VERFAHREN

    A.   Grundsätze für die Handhabung von SOLVIT-Fällen

    1.

    Alle Fälle sollten durch zwei SOLVIT-Stellen behandelt werden, und zwar die Heimat-SOLVIT-Stelle und die federführende SOLVIT-Stelle.

    2.

    Beide Stellen sollten offen und transparent zusammenarbeiten, um rasche und wirksame Lösungen für die Antragsteller zu finden.

    3.

    Die Heimat-SOLVIT-Stelle und die federführende SOLVIT-Stelle sollten sich darauf einigen, in welcher Sprache sie miteinander kommunizieren. Dabei sollte beachtet werden, dass die Probleme durch informelle Kontakte so rasch und effizient wie möglich unter Gewährleistung von Transparenz und Berichterstattung gelöst werden.

    4.

    Sämtliche Anfragen, die Auswertungen durch an dem Fall beteiligte SOLVIT-Stellen, ergriffene Maßnahmen und vorgeschlagene Ergebnisse sollten in der SOLVIT-Datenbank klar und umfassend gespeichert werden. Umfasst der Fall ein strukturelles Problem, sollte es als solches in der Datenbank gekennzeichnet werden, so dass die Kommission diese Fälle systematisch kontrollieren kann.

    5.

    Alle vorgeschlagenen Lösungen müssen mit dem Unionsrecht vereinbar sein.

    6.

    Die SOLVIT-Stellen sollten sich an die detaillierten Fallbearbeitungsvorschriften halten, die im entsprechenden SOLVIT-Handbuch festgelegt sind, das die Kommission in Zusammenarbeit mit den SOLVIT-Stellen regelmäßig überprüft.

    B.   Heimat-SOLVIT-Stelle

    1.

    Die Heimat-SOLVIT-Stelle sollte ein Verzeichnis aller rechtlichen Probleme führen, unabhängig davon, ob sie als ein SOLVIT-Fall eingestuft werden oder nicht.

    2.

    Sobald die Heimat-SOLVIT-Stelle eine Beschwerde als einen SOLVIT-Fall eingestuft hat, sollte sie ein umfassendes Dossier erstellen und eine eingehende rechtliche Analyse des Problems vornehmen, bevor sie es der federführenden SOLVIT-Stelle zuleitet.

    3.

    Sobald die federführende SOLVIT-Stelle einen Lösungsvorschlag samt einer Klarstellung des Unionsrechts übermittelt hat, sollte die Heimat-SOLVIT-Stelle prüfen, ob die Lösung mit dem Unionsrecht übereinstimmt.

    4.

    Die Heimat-SOLVIT-Stelle sollte den Antragsteller während der verschiedenen Verfahrensstufen stets rechtzeitig und angemessen informieren.

    C.   Federführende SOLVIT-Stelle

    1.

    Die federführende SOLVIT-Stelle sollte der Heimat-SOLVIT-Stelle binnen einer Woche die Übernahme eines Falls bestätigen.

    2.

    Die federführende SOLVIT-Stelle sollte nach Lösungen für die Antragsteller suchen, einschließlich einer Klarstellung des anwendbaren Unionsrechts, und sollte der Heimat-SOLVIT-Stelle regelmäßig über die Fortschritte berichten.

    3.

    Sollte es sich beim Problem des Antragstellers um ein strukturelles Problem handeln, sollte die federführende SOLVIT-Stelle so schnell wie möglich prüfen, ob das Problem mittels des SOLVIT-Verfahrens gelöst werden kann. Sollte dies ihrer Auffassung nicht der Fall sein, sollte sie den Fall als ungelöst ad acta legen und die jeweils zuständigen einzelstaatlichen Behörden, die für die korrekte Umsetzung des Unionsrechts in einzelstaatliches Recht in dem Mitgliedstaat verantwortlich sind, unterrichten, so dass die Zuwiderhandlung gegen das Unionsrecht wirksam eingestellt wird. Darüber hinaus sollte die Kommission über die Datenbank informiert werden.

    VI.   ROLLE DER KOMMISSION

    1.

    Die Kommission unterstützt und fördert die Arbeitsweise von SOLVIT durch:

    a)

    die Veranstaltung regelmäßiger Schulungsseminare und Veranstaltungen des Netzes in Zusammenarbeit mit den nationalen SOLVIT-Stellen;

    b)

    die Ausarbeitung und Aktualisierung des SOLVIT-Handbuchs in Zusammenarbeit mit den nationalen SOLVIT-Stellen;

    c)

    Unterstützung bei der Fallbearbeitung auf Ersuchen der SOLVIT-Stellen. In komplexen Fällen kann dies unter anderem eine informelle Rechtsberatung umfassen. Die Kommissionsdienststellen sollten auf Ersuchen um informelle Rechtsberatung binnen zwei Wochen antworten. Eine solche Beratung ist lediglich informell und kann nicht als für die Kommission verbindlich angesehen werden;

    d)

    die Verwaltung und Pflege der SOLVIT-Datenbank und einer öffentlichen Schnittstelle sowie durch spezifische Schulungen und Materialien zur Erleichterung ihrer Nutzung durch die SOLVIT-Stellen;

    e)

    die Überwachung der Qualität und der Ergebnisse von SOLVIT-Stellen und der zu bearbeitenden Fälle. Bei Fällen mit einem strukturellen Problem wird die Kommission den Fall genau prüfen und erforderlichenfalls mit Rat und Hilfe zur Seite stehen, um die Beseitigung des strukturellen Problems zu gewährleisten. Zudem wird die Kommission prüfen, ob ungelöste strukturelle Probleme weiter verfolgt werden müssen;

    f)

    eine angemessene Verknüpfung von SOLVIT, CHAP (5) und EU Pilot (6), um eine angemessene Weiterbehandlung der ungelösten SOLVIT-Fälle zu gewährleisten, die strukturellen Fälle zu kontrollieren und Doppelarbeit bei der Behandlung von Beschwerden zu vermeiden;

    g)

    die Unterrichtung der SOLVIT-Stellen auf deren Ersuchen hin über die Weiterverfolgung von ungelösten Fällen, wenn bei ihr eine Beschwerde eingereicht wurde.

    2.

    Gegebenenfalls kann die Kommission vorbehaltlich der Zustimmung des Antragstellers bei ihr eingegangene Beschwerden an SOLVIT weiterleiten, um eine rasche und informelle Lösung zu finden.

    VII.   QUALITÄTSKONTROLLE UND QUALITÄTSBERICHTE

    1.

    SOLVIT-Stellen sollte regelmäßige Qualitätskontrollen der von ihnen als Heimat-SOLVIT-Stelle und als federführende SOLVIT-Stelle behandelten Fälle durchführen, so wie dies im SOLVIT-Handbuch festgelegt ist.

    2.

    Die Kommissionsdienststellen werden regelmäßige globale Qualitätskontrollen sämtlicher Fälle durchführen und den betreffenden SOLVIT-Stellen eventuelle Probleme melden, so dass diese festgestellte Mängel beheben können.

    3.

    Die Kommission wird in regelmäßigen Abständen über die Qualität und die Ergebnisse von SOLVIT berichten. Ferner wird ein Bericht über die Art der bei SOLVIT eingegangenen Probleme und die von SOLVIT bearbeiteten Fälle erstellt, um Trends und noch verbleibende Probleme im Binnenmarkt zu ermitteln. Innerhalb dieses Rahmens wird die Kommission gesondert über strukturelle Fälle berichten.

    VIII.   ÖFFENTLICHKEITSWIRKSAMKEIT DES NETZWERKS

    1.

    Die Kommission wird bei europäischen Interessengruppen und den Organen der Europäischen Union verstärkt über SOLVIT und seine Nutzung informieren sowie die Zugänglichkeit und Präsenz von SOLVIT im Internet verbessern

    2.

    Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass benutzerfreundliche Informationen und ein einfacher Zugriff auf die Dienste von SOLVIT verfügbar sind, insbesondere auf allen einschlägigen Websites der öffentlichen Verwaltungen.

    3.

    Die Mitgliedstaaten sollten ferner Maßnahmen ergreifen, um den Bekanntheitsgrad von SOLVIT bei ihren Interessengruppen zu erhöhen. Die Kommission wird diese Tätigkeiten unterstützen.

    IX.   ZUSAMMENARBEIT MIT ANDEREN NETZWERKEN UND KONTAKTSTELLEN

    1.

    Um sicherzustellen, dass den Antragstellern wirksam geholfen wird, sollten die SOLVIT-Stellen mit anderen europäischen und nationalen Informationsstellen und Netzen wie Ihr Europa, Europe Direct, Europa — Wegweiserdienst für die Bürger, Enterprise Europe Network, Europäische Verbraucherzentren, EURES, FIN-NET und dem Europäischen Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten zusammenarbeiten. Die SOLVIT-Stellen sollten jedoch auch gute Arbeitsbeziehungen mit den jeweiligen nationalen Mitgliedern der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit pflegen, damit eine wirksame Behandlung von Fällen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erfolgen kann.

    2.

    Die SOLVIT-Stellen sollten mit ihren nationalen EU-Pilot-Kontaktstellen in regelmäßigem Kontakt stehen und eng zusammenarbeiten, um ein gut funktionierendes Informationsaustauschsystem für Fälle und Beschwerden zu gewährleisten.

    3.

    Die Kommission fördert eine solche Zusammenarbeit u. a. durch die Organisation gemeinsamer Veranstaltungen der Netze und die Festlegung technischer Anschlussmodalitäten mit diesen Netzen und Kontaktstellen, so wie in Absatz 1 beschrieben (7).

    X.   SCHUTZ PERSONENBEZOGENER DATEN UND DER VERTRAULICHKEIT

    Die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zwecke dieser Empfehlung, insbesondere auch der Transparenzanforderungen und der Rechte der Betroffenen, unterliegt der IMI-Verordnung. Im Einklang mit dieser Verordnung sollte Folgendes gelten:

    1.

    Antragsteller sollten in der Lage sein, ihre Beschwerden an SOLVIT durch eine öffentliche Schnittstelle mit dem Binnenmarkt-Informationssystem zu übermitteln, das ihnen die Kommission zur Verfügung stellt. Antragsteller haben keinen Zugang zu der SOLVIT-Datenbank.

    2.

    Heimat-SOLVIT-Stellen und federführende SOLVIT-Stellen sollten Zugang zur SOLVIT-Datenbank haben und mittels ihrer Hilfe den Fall bearbeiten können. Dies gilt auch für den Zugang zu personenbezogenen Daten des Antragstellers.

    3.

    Andere SOLVIT-Stellen, die nicht in einen bestimmten Fall involviert sind, und die Kommission sollten einen Lese-Zugriff auf anonyme Informationen zu dem Fall haben.

    4.

    Die Heimat-SOLVIT-Stelle sollte der federführenden SOLVIT-Stelle in der Regel die Identität des Antragstellers offenlegen, um die Problemlösung zu vereinfachen. Der Antragsteller sollte darüber zu Beginn des Verfahrens informiert werden und die Möglichkeit erhalten, Einwände zu erheben. In diesem Fall sollte die Identität des Antragstellers nicht offen gelegt werden.

    5.

    Die vom Antragsteller übermittelten Informationen sollten von der federführenden SOLVIT-Stelle und den von der Beschwerde betroffenen Behörden lediglich im Hinblick auf die Lösung des Falls genutzt werden. Die zuständigen Sachbearbeiter verarbeiten die personenbezogenen Daten nur für die Zwecke, für die sie übermittelt wurden. Auch sollten geeignete Maßnahmen zum Schutz wirtschaftlich sensibler Informationen keine personenbezogenen Daten enthalten.

    6.

    Ein Fall kann nur mit Zustimmung des Antragstellers auf ein anderes Problemlösungsnetz oder eine andere Problemlösungsorganisation übertragen werden.

    7.

    Kommissionsbedienstete haben lediglich Zugang zu personenbezogenen Daten der Antragsteller, wenn dies erforderlich ist, um:

    a)

    eine parallele Behandlung des gleichen Problems zu vermeiden, das der Kommission oder einem anderen Organ der Union im Rahmen eines anderen Verfahrens übermittelt wurde;

    b)

    eine informelle Rechtsberatung nach Maßgabe des Abschnitts VI anzubieten;

    c)

    über mögliche Folgemaßnahmen zu bereits von SOLVIT bearbeiteten Fällen zu entscheiden;

    d)

    technische Probleme der SOLVIT-Datenbank zu lösen.

    8.

    Personenbezogene Daten über SOLVIT-Fälle sollten im Binnenmarkt-Informationssystem 18 Monate nach der Schließung eines SOLVIT-Falls blockiert werden. Anonymisierte Beschreibungen der SOLVIT-Fälle sollten weiterhin in der SOLVIT-Datenbank erfasst werden und können für statistische Zwecke, Berichterstattung und Politikentwicklung genutzt werden.

    XI.   SONSTIGE BESTIMMUNGEN

    Diese Empfehlung ersetzt die Empfehlung 2001/893/EG. Alle Bezugnahmen auf Empfehlung 2001/893/EG sollten als Bezugnahmen auf diese Empfehlung verstanden werden.

    XII.   ZEITPUNKT DER ANWENDUNG UND ADRESSATEN

    Diese Empfehlung gilt ab dem 1. Oktober 2013.

    Diese Empfehlung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

    Brüssel, den 17. September 2013

    Für die Kommission

    Michel BARNIER

    Mitglied der Kommission


    (1)  ABl. L 331 vom 15.12.2001, S. 79.

    (2)  KOM(2012) 259 endg.

    (3)  KOM(2013) 269 endg.

    (4)  ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 1.

    (5)  „Complaint handling“/„Accueil des plaignants“ — Beschwerderegistrierungssystem der Kommission.

    (6)  KOM(2007) 502 endg.

    (7)  Zum Zeitpunkt der Annahme dieser Empfehlung werden die technischen Verbindungen mit Ihr Europa — Beratung etabliert und mit Europe Direct entwickelt.


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