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Document 52007AE1702

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Anpassung an den Klimawandel in Europa — Optionen für Maßnahmen der EU KOM(2007) 354 endg.

OJ C 120, 16.5.2008, p. 38–41 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.5.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Anpassung an den Klimawandel in Europa — Optionen für Maßnahmen der EU“

KOM(2007) 354 endg.

(2008/C 120/09)

Die Europäische Kommission beschloss am 29. Juni 2007 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Grünbuch der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Anpassung an den Klimawandel in Europa — Optionen für Maßnahmen der EU“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 27. November 2007 an. Berichterstatter war Herr OSBORN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 440. Plenartagung am 12./13. Dezember 2007 (Sitzung vom 12. Dezember) mit 127 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels durch Begrenzung der Treibhausgasemissionen sind oberste Priorität. Ebenso wichtig ist jedoch, rechtzeitig die Anpassungen an die Veränderungen zu planen, die inzwischen unvermeidbar sind. Das Grünbuch bietet Europa in der Auseinandersetzung mit diesem Problem eine willkommene Grundlage.

1.2

Der EWSA empfiehlt, jetzt als Rahmen eine übergeordnete europäische Anpassungsstrategie zu schaffen, in der dann die Maßnahmen abgesteckt werden, die auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene sowie durch andere Akteure zu ergreifen sind.

1.3

Nach Ansicht des EWSA sollten bei der Erarbeitung der europäischen und nationalen Anpassungsstrategien folgende Kernpunkte berücksichtigt werden:

Die Strategien sollten die Planung zu allen im Grünbuch genannten Themen umfassen, darunter Küstenschutz, Hochwasser und Dürre, Wasserressourcen, Brände, öffentliche Gesundheit, Landwirtschaft und biologische Vielfalt, Flächennutzungs- und Infrastrukturplanung, Gebäude- und Bausektor etc.

Der Anpassungsnotwendigkeit sollte in künftigen Programmen ein bedeutend höherer Anteil am Haushalt der Europäischen Union eingeräumt werden, und sie sollte in die Kriterien der Bewertung von Programmen und Projekten aufgenommen werden.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten umfangreiche neue und zusätzliche Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei Anpassungsmaßnahmen bereitstellen.

Die Klimaschutz- und Anpassungsstrategien müssen aufeinander abgestimmt werden und einander ergänzen. Bei der Festlegung von Prioritäten sollten Risikobewertung und -management entscheidende Instrumente sein.

Die europäische Forschung zu den Auswirkungen des Klimawandels und der Anpassung an diesen muss erheblich verstärkt werden.

Die europäische Zivilgesellschaft einschl. der Verbraucher und der allgemeinen Öffentlichkeit sollte stärker eingebunden werden, um die Öffentlichkeit für die Probleme des Klimawandels sowie für die Verhaltensänderungen zu sensibilisieren, die für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an die mittlerweile unvermeidbaren Veränderungen erforderlich sind.

Es sollte ein unabhängiges Gremium eingerichtet werden, um Fortschritte bei Klimaanpassungs- und -schutzmaßnahmen zu überwachen und notwendige Aktionen sowie die Umsetzung eingegangener Verpflichtungen anzumahnen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert.

2.2

Bisher konzentrierten sich die weltweiten Bemühungen hauptsächlich auf Versuche der Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels durch Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Es tritt jedoch immer deutlicher zutage, dass allein die bisherigen Emissionen zu einem erheblichen Anstieg der Erwärmung der Atmosphäre und der Meere in diesem Jahrhundert und darüber hinaus führen werden. Dies wird sich stark auf das Klima und auf wetterbedingte Ereignisse sowie auf die natürliche und physische Umwelt in der ganzen Welt auswirken. Aus diesem Grunde müssen wir stärker als bisher auf die unvermeidlichen Auswirkungen der Erderwärmung und des Klimawandels sowie die bestmögliche Anpassung an diese eingehen.

2.3

Solche Maßnahmen dürfen jedoch den Bemühungen um eine Begrenzung der Emissionen zur Eindämmung eines weiteren Klimawandels nicht zuwiderlaufen. Im Gegenteil, ein hinreichendes Verständnis dessen, wie kompliziert die Anpassung werden könnte, sollte alle in ihrer Entschlossenheit bestärken, erhebliche Emissionsminderungen zu erreichen. Ein weiterer unkontrollierter Emissionsanstieg würde die künftigen Generationen zu einer sehr viel kostspieligeren und schmerzlicheren Anpassung verdammen.

2.4

Die Klimaschutz- und Anpassungsstrategien müssen aufeinander abgestimmt werden und einander ergänzen. Es sind glaubwürdige und durchführbare Strategien für die Begrenzung der Treibhausgasemissionen auf annehmbare Niveaus oder Bereiche in realistischen Zeiträumen zu schaffen. In den Anpassungsstrategien muss aufgezeigt werden, wie sich die Welt am besten an das in den Klimaschutzzielen jeweils implizierte wahrscheinlichste, nicht vermeidbare Klimawandelausmaß anpassen kann. Bei der Festlegung des Maßnahmenumfangs und der Prioritätenfolge werden Risikobewertung und -management entscheidende Instrumente sein.

2.5

Das Grünbuch der Kommission gibt einen hilfreichen Überblick über viele der vom Klimawandel betroffenen Bereiche sowie die Art der Probleme, die sich auftun werden.

2.6

Nach Auffassung des EWSA spricht derzeit alles für die Schaffung einer übergeordneten europäischen Rahmenstrategie für die Behandlung des gesamten Spektrums an Anpassungsfragen und die Konzipierung der auf europäischer und nationaler Ebene sowie durch andere Akteure zu ergreifenden Maßnahmen.

2.7

Diese europäische Anpassungsstrategie sollte wiederum beinhalten, dass die Mitgliedstaaten in einer angemessenen Frist nationale Anpassungsstrategien entwickeln und anschließend regelmäßig über deren Umsetzung Bericht erstatten.

2.8

Eine europäische Anpassungsstrategie benötigt eine stabile außenpolitische Dimension, die klar aufzeigt, wie Europa anderen Teilen der Welt bei der Bewältigung ihrer Anpassungsprobleme zu helfen plant.

2.9

Europa wird starke und unabhängige institutionelle Verfahrensweisen benötigen, um die erforderliche Forschung und Überwachung durchzuführen und die zuständigen politischen Gremien darauf zu verpflichten, dass die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Die Zivilgesellschaft muss umfassend in diese Arbeiten einbezogen werden.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Der EWSA hält die im Grünbuch getroffene Auswahl an besonderen Maßnahmenbereichen für weitgehend zutreffend. In Anlehnung an das Grünbuch empfiehlt der EWSA, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nun im Rahmen ihrer Gesamtstrategien konkrete Programme und Maßnahmen zu jedem dieser Themen entwickeln sollten. Es müssen Zeitrahmen und Pläne festgelegt und angemessene finanzielle Mittel bereitgestellt werden.

3.2

Hinsichtlich der meisten der Themen wird die Hauptverantwortung für die Organisation der erforderlichen Arbeiten bei den nationalen, regionalen und lokalen Behörden liegen. Der Europäischen Union dürfte jedoch eine wesentliche Rolle bei der Festlegung des Rahmens sowie der Anregung und Förderung der nationalen Anpassungsbemühungen zukommen. Der Ausschuss schlägt vor, dass die EU insbesondere in folgender Weise tätig werden sollte:

Umfassende Forschungs- und Überwachungstätigkeiten zwecks Erstellung präziserer Prognosen und Szenarien des voraussichtlichen Tempos und der absehbaren Auswirkungen des Klimawandels in den verschiedenen Teilen Europas und Koordinierung der Forschungsarbeiten, die in ganz Europa auf vielen verschiedenen Ebenen getrennt zu diesen Themen durchgeführt werden;

Entwicklung von Methodologien für Folgenabschätzungen und für die Erarbeitung geeigneter Anpassungsstrategien sowie Förderung des Austauschs von Erfahrungen und bewährten Verfahren auf diesem Gebiet;

Anregung der Erarbeitung nationaler, regionaler und lokaler Anpassungsstrategien und Durchführungspläne sowie Förderung der Verbreitung von bewährten Verfahren und Erfahrungen im Zusammenhang mit auf den verschiedenen Ebenen bereits durchgeführten Maßnahmen;

Ermittlung grenzüberschreitender Probleme, für deren Bewältigung die Koordinierung von Handlungen zwischen Nachbarstaaten oder in ganz Europa erforderlich sein könnte (z. B. Umsiedlung von Gemeinden oder Verlagerung landwirtschaftlicher bzw. anderer wirtschaftlicher Tätigkeiten; Schutz von Lebensräumen und biologischer Vielfalt; praktische Unterstützung bei großen Hochwasser- und Brandkatastrophen, bei Pandemien usw.);

Bewertung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels für verschiedene Teile der Europäischen Union und des Finanzierungsbedarfs für Anpassungsprogramme über die Kohäsions- und Strukturfonds;

Bewertung der unterschiedlichen Folgen des Klimawandels für private Haushalte und Einzelpersonen sowie für KMU und der Angemessenheit von Versicherungs- und Entschädigungsregelungen in der gesamten EU;

Ermittlung aller Bereiche, in denen europäische Rechtsvorschriften oder Initiativen von Nutzen sein könnten, z. B. durch Schaffung von Standards für die Bewertung potenzieller Auswirkungen des Klimawandels und geeigneter Maßnahmen.

4.   Bemerkungen zu spezifischen Themen

4.1

Küstenschutz: Der Meeresspiegel wird aufgrund der Eisschmelze ansteigen, während die Meere sich erwärmen. An einigen Orten wird es unter Umständen notwendig werden, physische Barrieren zum Schutz von Land und Siedlungen zu errichten oder zu verstärken. In anderen Gebieten könnten sich eine Rückverlegung der Hauptdeichlinien und die Wiederherstellung von Überflutungspoldern gekoppelt mit der Umsiedlung von Bewohnern gefährdeter Terrains als bessere Strategie erweisen.

4.2

Überflutungen: Der Klimawandel wird voraussichtlich wechselhaftere Witterungsverhältnisse zur Folge haben, bei denen sich längere Dürreperioden mit intensiveren Niederschlägen abwechseln, die aufgrund des verminderten Rückhaltevermögens der Böden zu Überflutungen führen. Um diese neuen Wetterbedingungen zu berücksichtigen, müssen die Hochwasserschutzpläne aktualisiert werden. In einigen Fällen werden neue Programme für bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen erforderlich sein. In anderen Fällen sind eventuell entsprechende Überschwemmungsgebiete und Rückhalteräume zum Auffangen von Flutwasser zu schaffen oder wiederherzurichten. In solchen Gebieten können Einschränkungen von Bauvorhaben und Erwägungen von Umsiedlungen erforderlich werden.

4.3

Wasserressourcen und Wasserknappheit: Die Wasserressourcen sind bereits jetzt in einigen Teilen Europas knapp und die Wasserknappheit wird sich wahrscheinlich zuspitzen, da der Klimawandel zu längeren niederschlagsarmen Perioden und Dürreperioden führen wird. Eventuell werden Maßnahmen benötigt, um für die betroffenen Gebiete neue Wasserversorgungsquellen (z. B. durch Entsalzung oder Fernleitungen) zu erschließen und eine effizientere Wassernutzung sicherzustellen. Es müssen stärkere Anreize zur Förderung einer effizienteren Wassernutzung (auch über den Wasserpreis) geschaffen werden. Möglicherweise müssen Maßnahmen getroffen werden, die in den am stärksten betroffenen Gebieten von Tätigkeiten wie intensiver Landwirtschaft oder Tourismus abhalten. (Der EWSA erarbeitet derzeit eine separate ausführliche Stellungnahme zum Thema „Wasserknappheit und Dürre“).

4.4

Das Risiko und die Häufigkeit von Brandkatastrophen nehmen in Regionen wie Südeuropa, in denen das Klima heißer und trockener wird, bereits zu und werden bei fortschreitender Erwärmung weiter steigen. Schutzmaßnahmen und Reaktionskapazitäten müssen verstärkt und besser koordiniert werden. (Der EWSA erarbeitet derzeit eine separate ausführliche Stellungnahme zum Thema Katastrophenschutz und Umgang mit Naturkatastrophen).

4.5

Öffentliche Gesundheit: Der Klimawandel kann sich in vielfältiger Weise auf die öffentliche Gesundheit auswirken: Er kann eine starke Ausbreitung von Krankheitsüberträgern zur Folge haben, insbesondere die Verschiebung zahlreicher, bisher auf die tropischen Gebiete begrenzten Krankheiten in Richtung Norden. Temperaturextreme können auch unmittelbarere Auswirkungen haben. Für die Vorbereitung auf diese Veränderungen bedarf es einer geeigneten Planung.

4.6

Landwirtschaft: Die Landwirtschaft wird sehr stark vom Klimawandel betroffen sein. Temperaturveränderungen und neue Niederschlagsmuster werden Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der Böden haben und zu großen Veränderungen bezüglich der erreichbaren Produktionsqualität und -quantität und somit der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Agrarsysteme in verschiedenen Teilen Europas führen.

4.6.1

Im Rahmen der für 2008 anberaumten Generalüberprüfung der GAP sollte es möglich sein, die Landwirte durch weitere Änderungen zur Anpassung ihrer Bewirtschaftungspraktiken an die mittlerweile absehbaren klimatischen Veränderungen anzuhalten.

4.6.2

Die landwirtschaftliche Erforschung neuer Feldfruchtsorten und Anbaumethoden, die besser an die sich abzeichnenden Klimabedingungen angepasst sind, muss ausgeweitet werden. Ebenso sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Voraussetzungen für die Viehzucht in den verschiedenen Teilen Europas und die Möglichkeiten der Bekämpfung der durch den Klimawandel bedingten Verbreitung von Krankheiten zu bewerten. (Der EWSA wird in Kürze eine separate ausführliche Stellungnahme zum Thema „Klimawandel und Landwirtschaft“ erarbeiten).

4.7

Biologische Vielfalt: Der Klimawandel wird sich tiefgreifend auf den Lebensraum von Pflanzen und Tieren in ganz Europa auswirken. In einigen Fällen werden bestimmte Arten in ihren veränderten Lebensräumen nicht mehr überleben können bzw. vom Aussterben bedroht sein. Einige Arten werden vielleicht auf natürliche Art erfolgreich in neue Lebensräume migrieren können. Andere werden Hilfe beim Wechsel ihres Lebensraums benötigen, wenn sie überleben sollen. Bestehende Strategien und Programme zur Erhaltung der Artenvielfalt müssen aktualisiert und Ressourcen für deren Umsetzung bereitgestellt werden, wenn dieser Wechsel ohne einen erheblichen Rückgang der Artenvielfalt vonstatten gehen soll.

4.8

Auch Bäume und Wälder werden durch den Klimawandel erheblich belastet. In einigen Gebieten werden bestimmte Arten nicht überleben können, in anderen Gebieten werden manche Arten auf einmal geeignete Lebensbedingungen vorfinden. Programme für Anpflanzung und Wiederaufforstung, Baumpflege und Forstmanagement müssen entsprechend angepasst werden.

4.9

Raum- und Flächennutzungsplanung: Bei der Stadt-, Verkehrs- und Infrastrukturplanung müssen die Veränderungen der Temperatur- und Wettermuster zunehmend berücksichtigt werden. Diese Überlegungen müssen in Konstruktionsstandards sowie in die berufliche Aus- und Fortbildung einfließen. Auch in den einzelnen Entwicklungsprogrammen und -projekten sind diese Auswirkungen des Klimawandels zu berücksichtigen. Die Folgenabschätzungsverfahren werden entsprechend angepasst werden müssen.

4.10

Gebäude: Der Gebäude- und Bausektor wird stark vom Klimawandel betroffen sein. Wir benötigen strengere Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden, bessere Gebäudestandards usw. Informationen über bewährte Verfahren sowie Methoden, Material und Subventionen für die Sanierung älterer Gebäude und Neubauten zwecks Reduzierung des Energieverbrauchs und besserer Anpassung an sich ändernde Temperatur- und Witterungsbedingungen müssen auch für die Bürger besser zugänglich werden.

4.11

EU-Haushalt: Der EWSA empfiehlt, dass die Überschrift „Anpassungsmaßnahmen“ auch im Jahreshaushaltsplan für die Politikbereiche erscheinen sollte, in denen es sofortiger Investitionen bedarf (z. B. in den Bereichen Energie, Forschung, Landwirtschaft, Verkehr, Gebäudestandards, Katastrophenschutz, Schutz der biologischen Vielfalt, Gesundheitspolitik usw.). Der nächste Finanzrahmen sollte für Programme, die die Bereiche Klimaschutz und Anpassung an den Klimaschutz betreffen, einen bedeutend höheren Anteil der verfügbaren Mittel vorsehen. Die Mitgliedstaaten sollten in ihren nationalen Haushalten und Ausgabenprogrammen entsprechende Änderungen vornehmen.

4.12

Strukturfonds: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Kohäsionsfonds sowie das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) beinhalten Kriterien zur Unterstützung von Umweltprojekten, die Anpassung an den Klimawandel ist jedoch nicht explizit aufgeführt und auch die Folgenabschätzungen sind häufig unzureichend (viele Verkehrs- und Energieprojekte haben eindeutig schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima). Bei den nächsten Überprüfungen all dieser Programme sollte ein bedeutend größerer Anteil der verfügbaren Mittel für Maßnahmen zur Unterstützung des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel eingeplant werden.

4.13

Die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) sollten den Klimawandel in ihre Haushaltsverfahren und Kriterien für die Bewertung von Projekten und Programmen integrieren.

4.14

Die Versicherungsindustrie interessiert sich sehr für den Klimawandel und bezieht ihn zunehmend in ihre Entscheidungen darüber ein, welche Risiken zu welchen Bedingungen versichert werden können. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten einen ständigen Dialog mit der Versicherungsindustrie institutionalisieren, um zu gewährleisten, dass der Versicherungssektor seiner Aufgabe der Unterstützung von Unternehmen und anderen Versicherungsnehmern bei der Anpassung an den Klimawandel im vollen Umfang gerecht wird.

4.15

Entwicklungsländer: Viele Entwicklungsländer werden größere Anpassungsprobleme als Europa und weniger Ressourcen zu ihrer Bewältigung haben. Einige der am wenigsten entwickelten Länder haben ursprünglich nur wenig zum Klimawandel beigetragen, werden jedoch zu den am stärksten betroffenen Ländern gehören und haben aus Gründen der Fairness und Gerechtigkeit einen besonders starken Anspruch auf Zusammenarbeit und Unterstützung. Sie werden auf die Hilfe und auf personelle, technische und finanzielle Ressourcen der entwickelten Länder angewiesen sein, um ihnen eine geeignete Anpassung zu ermöglichen. Europa sollte eine führende Rolle übernehmen, indem es zusätzliche Mittel für Anpassungsmaßnahmen in seinen gemeinschaftlichen und nationalen Entwicklungshilfeprogrammen bereitstellt und auch der internationalen Finanzgemeinschaft bei der Einstellung auf die Anpassungsherausforderungen behilflich ist.

4.16

Einige Teile der Welt werden aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels oder als Folge extremer Witterungsbedingungen immer ungeeigneter für menschliche Ansiedlungen (und im Extremfall sogar praktisch unbewohnbar) werden. Der Klimawandel kann zu wachsendem Migrationsdruck aus anderen Teilen der Welt nach Europa und zu Bevölkerungsverschiebungen innerhalb Europas führen. Die Entwicklungshilfeeinrichtungen und andere zuständige Regierungsstellen müssen in der Lage sein, den Entwicklungsländern beim rechtzeitigen Erkennen solcher Situationen sowie beim Planen der eventuell erforderlichen Umsiedlungsprogramme behilflich zu sein.

4.17

Der bisherige Wissensstand über die möglichen Auswirkungen und das voraussichtliche Tempo des Klimawandels auf nationaler und regionaler Ebene in Europa ist noch unvollständig, und für verbesserte und präzisere Prognosen bedarf es umfangreicher weiterer Forschung und Analyse. Die Europäische Umweltagentur könnte eine wichtige Rolle als Schaltstelle für die Koordinierung aller einschlägigen Arbeiten in den Bereichen Forschung, Überwachung, Analyse und Prognose und die Weitergabe der besten verfügbaren Informationen an Entscheidungsträger und andere für die Umsetzung von Anpassungsstrategien im Detail zuständige Personen übernehmen. Der EWSA ist bereit, seinen Beitrag für die Förderung eines tieferen und umfassenderen Verständnisses der Auswirkungen des Klimawandels in den verschiedenen Teilen Europas und der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen zu leisten.

4.18

Die Zivilgesellschaft wird umfassend in den Anpassungsprozess an den Klimawandel eingebunden werden müssen. Regionen und Gemeinden, Unternehmen und Organisationen aller Art werden zunehmend vom Klimawandel betroffen sein und sind in die Maßnahmen einzubeziehen. Die Bürger und Organisationen aller Art benötigen ein tieferes Verständnis der Veränderungen, die in ihrem Leben und dem Leben ihrer Kinder bereits vonstatten gehen oder in Zukunft wahrscheinlich auf sie zukommen. Des Weiteren müssen sie viel besser begreifen, was Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel für sie impliziert. Die Vermittlung eines umfassenderen Wissens in diesem Bereich sollte immer mehr wesentlicher Bestandteil der Lehr- und Unterrichtspläne der formalen und informalen Bildung sein.

4.19

Der EWSA betont, wie wichtig es ist, die Zivilgesellschaft auf allen Ebenen einzubeziehen und die Verbraucher und die allgemeine Öffentlichkeit einzubinden. Er unterstützt vorbehaltlos den im Grünbuch unterbreiteten Vorschlag der Einrichtung sektorbezogener Arbeitsgruppen mit Vertretern verschiedener Interessengruppen, die bei der Erarbeitung der erforderlichen sektorbezogenen Maßnahmen behilflich sein sollen. Zu den wesentlichen Aufgaben solcher Gruppen sollte die Entwicklung von Verfahren zur Gefahreneinschätzung sowie zur Prüfung der Reaktionsbereitschaft von Organisationen und Gemeinschaften auf extreme Wetterereignisse und andere Katastrophen, die angesichts des fortschreitenden Klimawandels schwerwiegender sein und häufiger auftreten können, gehören.

4.20

Den regionalen und lokalen Behörden kommt eine wichtige Rolle bei der Koordinierung und Anregung von Aktivitäten auf regionaler und kommunaler Ebene sowie bei der Mobilisierung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu. Behörden aller Ebenen können auch durch eine entsprechende Gebäude- und Bauplanung sowie eine geeignete Beschaffungspolitik eine entscheidende Vorbildfunktion ausüben.

4.21

In dem Grünbuch wird die Schaffung einer Europäischen Beratergruppe für die Anpassung an den Klimawandel vorgeschlagen, der Vertreter der Zivilgesellschaft, politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler angehören und die Entwicklung der Strategie sachkundig begleiten sollen. Der Ausschuss würde dies befürworten.

4.22

Nach Meinung des Ausschusses sollte in Betracht gezogen werden, ein unabhängiges Überwachungsgremium mit einem unabhängigen Vorsitzenden damit zu beauftragen, die Fortschritte der gesamten Klimawandelstrategie (Anpassung und Eindämmung) zu überprüfen. Dieses Gremium sollte regelmäßige Fortschrittsberichte veröffentlichen und frühzeitig warnen, wenn Maßnahmen gegenüber den eingegangenen Verpflichtungen und in Anbetracht der Erfordernisse der jeweiligen Situation in Verzug zu geraten drohen. Der EWSA beabsichtigt seinerseits ebenfalls, den Fortschritt in diesem Bereich regelmäßig zu überwachen.

Brüssel, den 12. Dezember 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


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