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Document 62009CJ0274

    Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 10. März 2011.
    Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler gegen Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht München - Deutschland.
    Öffentliche Aufträge - Richtlinie 2004/18/EG - Konzession für Gemeinwohldienstleistungen - Rettungsdienste - Unterscheidung zwischen ‚öffentlichem Dienstleistungsauftrag‘ und ‚Dienstleistungskonzession‘.
    Rechtssache C-274/09.

    Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-01335

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:130

    Rechtssache C‑274/09

    Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler

    gegen

    Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau

    (Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts München)

    „Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2004/18/EG – Konzession für Gemeinwohldienstleistungen – Rettungsdienstleistungen – Unterscheidung zwischen ‚öffentlichem Dienstleistungsauftrag‘ und ‚Dienstleistungskonzession‘“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2004/18 – Öffentlicher Dienstleistungsauftrag – Dienstleistungskonzession – Unterscheidungskriterien

    (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d und Abs. 4)

    2.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2004/18 – Dienstleistungskonzession – Begriff

    (Art. 49 AEUV und 56 AEUV; Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 4)

    1.        Aus dem Vergleich der Definitionen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags und der Dienstleistungskonzession in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d bzw. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge geht hervor, dass der Unterschied zwischen einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen liegt. Der Dienstleistungsauftrag umfasst eine Gegenleistung, die, wenn sie auch nicht die einzige Gegenleistung darstellt, vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird, während im Fall einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises.

    Im Fall eines Vertrags über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, dem in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Erfordernis einer Gegenleistung. Auch wenn die Art der Vergütung somit eines der ausschlaggebenden Kriterien für die Einordnung als Dienstleistungskonzession darstellt, übernimmt bei einer Dienstleistungskonzession der Konzessionär das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen und weist die fehlende Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistungen verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer darauf hin, dass es sich bei dem betreffenden Vorgang um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handelt und nicht um eine Dienstleistungskonzession. Für die Annahme einer Dienstleistungskonzession ist zu prüfen, ob die vereinbarte Art der Vergütung im Recht des Leistungserbringers besteht, die Dienstleistung zu verwerten, und die Übernahme des mit den fraglichen Dienstleistungen verbundenen Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer zur Folge hat. Dieses Risiko kann zwar von Beginn an erheblich eingeschränkt sein; für die Einordnung als Dienstleistungskonzession ist allerdings erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber das volle von ihm getragene Risiko oder zumindest einen wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt.

    (vgl. Randnrn. 24-26, 29)

    2.        Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 4 der Richtlinie 2004 ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen, bei dem die Vergütung des ausgewählten Wirtschaftsteilnehmers vollumfänglich durch Personen sichergestellt wird, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag vergeben hat, verschieden sind, und dieser Wirtschaftsteilnehmer insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Höhe der Benutzungsentgelte für die betreffenden Dienstleistungen vom Ergebnis jährlicher Verhandlungen mit Dritten abhängt und er keine Gewähr für die vollständige Deckung der im Rahmen seiner nach den Grundsätzen des nationalen Rechts durchgeführten Tätigkeiten angefallenen Kosten hat, einem, wenn auch nur erheblich eingeschränkten, Betriebsrisiko ausgesetzt ist, als vertragliche „Dienstleistungskonzession“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie zu qualifizieren ist.

    Die Tatsache, dass die Höhe der Benutzungsentgelte nicht einseitig vom Rettungsdienstleister, sondern im Wege der Vereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern festgelegt wird, die ihrerseits öffentliche Auftraggeber sind, und dass diese Entgelte nicht unmittelbar von den Nutzern dieser Dienstleistungen an den ausgewählten Dienstleister gezahlt werden, sondern durch eine Zentrale Abrechnungsstelle, die mit der Einziehung und Auszahlung dieser Entgelte in regelmäßigen Abschlagszahlungen beauftragt ist, hat keine Auswirkung auf diese Feststellung. Dies ändert nämlich nichts daran, dass sämtliche Entgelte, die an den Dienstleistungserbringer gezahlt werden, von Personen stammen, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag an ihn vergeben hat, verschieden sind.

    Insoweit werden Verträge über Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts zwar von keiner der Richtlinien erfasst, mit denen der Unionsgesetzgeber das öffentliche Auftragswesen geregelt hat, die öffentlichen Stellen, die solche Verträge schließen, sind aber gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des AEU-Vertrags, insbesondere die Art. 49 AEUV und 56 AEUV, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat – an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht.

    (vgl. Randnrn. 28, 48-49 und Tenor)







    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    10. März 2011(*)

    „Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2004/18/EG – Konzession für Gemeinwohldienstleistungen – Rettungsdienste – Unterscheidung zwischen ‚öffentlichem Dienstleistungsauftrag‘ und ‚Dienstleistungskonzession‘“

    In der Rechtssache C‑274/09

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2009, in dem Verfahren

    Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler

    gegen

    Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau,

    Beigeladene:

    Malteser Hilfsdienst e. V.,

    Bayerisches Rotes Kreuz,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter D. Šváby, E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und T. von Danwitz,

    Generalanwalt: J. Mazák,

    Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    –        des Privaten Rettungsdienstes und Krankentransports Stadler, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Stolz und P. Kraus,

    –        des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Kuffer und D. Bens,

    –        des Malteser Hilfsdienst e. V., vertreten durch Rechtsanwalt W. Schmitz-Rode,

    –        des Bayerischen Roten Kreuzes, vertreten durch Rechtsanwalt E. Rindtorff,

    –        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

    –        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

    –        der schwedischen Regierung, vertreten durch S. Johannesson als Bevollmächtigte,

    –        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra und G. Wilms als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2010

    folgendes

    Urteil

    1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d sowie Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

    2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Privaten Rettungsdienst und Krankentransport Stadler (im Folgenden: Rettungsdienst Stadler) und dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau (im Folgenden: Zweckverband Passau) über die Vergabe von Dienstleistungsverträgen im Bereich des Rettungsdienstes. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob diese Verträge als „Dienstleistungsaufträge“ oder als „Dienstleistungskonzessionen“ einzuordnen sind.

     Rechtlicher Rahmen

     Unionsrecht

    3        Art. 1 der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

    „…

    (2)      a)     ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

    d)      ‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

    (4)      ‚Dienstleistungskonzessionen‘ sind Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

    …“

     Nationales Recht

    4        Das Bayerische Rettungsdienstgesetz (im Folgenden: BayRDG) ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Folgende Bestimmungen sind in der vorliegenden Rechtssache einschlägig.

    „Art. 1 Gegenstand und Zielsetzung

    Dieses Gesetz regelt Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport, Krankentransport, Berg- und Höhlenrettung sowie Wasserrettung (Rettungsdienst). Die flächendeckende Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen ist eine öffentliche Aufgabe und durch einen öffentlichen Rettungsdienst sicherzustellen. …

    Art. 4 Aufgabenträger

    (1)      Die Landkreise und kreisfreien Gemeinden haben die Aufgabe, den öffentlichen Rettungsdienst nach Maßgabe dieses Gesetzes innerhalb von Rettungsdienstbereichen sicherzustellen …

    (2)      Die oberste Rettungsdienstbehörde setzt nach Anhörung der beteiligten kommunalen Spitzenverbände durch Rechtsverordnung die Rettungsdienstbereiche so fest, dass der Rettungsdienst effektiv und wirtschaftlich durchgeführt werden kann.

    (3)      Die im selben Rettungsdienstbereich liegenden Landkreise und kreisfreien Gemeinden erledigen die ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben im Zusammenschluss zu einem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung.

    Art. 13 Beauftragung mit Notfallrettung, arztbegeleitetem Patiententransport und Krankentransport

    (1)      Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung beauftragt mit der bodengebundenen Durchführung von Notfallrettung, arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport

    1.      das Bayerische Rote Kreuz,

    2.      den Arbeiter-Samariter-Bund,

    3.      den Malteser-Hilfsdienst,

    4.      die Johanniter-Unfall-Hilfe oder

    5.      vergleichbare Hilfsorganisationen.

    (2)      Soweit die Hilfsorganisationen zur Übernahme des Auftrags nicht bereit oder in der Lage sind, beauftragt der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Dritte mit der bodengebundenen Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen oder führt sie selbst oder durch seine Verbandsmitglieder durch.

    (3)      Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung entscheidet über die Auswahl des Durchführenden und über den Umfang der Beauftragung nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Auswahlentscheidung ist transparent und nach objektiven Kriterien vorzunehmen. Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung hat die anstehende Auswahlentscheidung in geeigneter Weise bekannt zu machen, damit sich interessierte Leistungserbringer bewerben können.

    (4)      Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zweckverband für Rettungsdienste und Feuerwehralarmierung und den mit der Durchführung des Rettungsdienstes Beauftragten wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt.

    Art. 21 Genehmigungspflicht

    (1)      Wer Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport oder Krankentransport betreibt, bedarf der Genehmigung.

    Art. 24 Voraussetzungen der Genehmigung

    (2)      Die Genehmigung für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport oder Krankentransport im öffentlichen Rettungsdienst ist zu erteilen, wenn … ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß Art. 13 Abs. 4 … vorgelegt wird.

    (4)      Die Genehmigung für Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes ist zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst … beeinträchtigt wird.

    Art. 32 Erhebung und Grundlage von Benutzungsentgelten

    Für rettungsdienstliche Leistungen einschließlich der Mitwirkung von Ärzten werden Benutzungsentgelte erhoben. Den Benutzungsentgelten sind die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zugrunde zu legen, die einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung, einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung sowie einer leistungsfähigen Organisation entsprechen …

    Art. 34 Benutzungsentgelte der Durchführenden für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport

    (2)      Die Sozialversicherungsträger vereinbaren die von ihnen zu bezahlenden Benutzungsentgelte für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport einheitlich mit den Durchführenden des Rettungsdienstes oder ihren Landesverbänden. …

    (3)      Die Benutzungsentgeltvereinbarung wird jährlich im Voraus abgeschlossen. …

    (4)      Die Kosten für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport sind nach einheitlichen Maßstäben auf die Benutzer zu verteilen. Die mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten Benutzungsentgelte sind von den Durchführenden auch gegenüber allen anderen Personen und Einrichtungen, die Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes in Anspruch nehmen, abzurechnen.

    (5)      Den Benutzungenentgelten liegen jeweils die nach Art. 32 Satz 2 berücksichtigungsfähigen voraussichtlichen Kosten der Leistungserbringung in den Leistungsbereichen Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport sowie die voraussichtlichen Einsatzzahlen im Einsatzzeitraum zugrunde. Zu den Kosten der Leistungserbringung zählen insbesondere auch die Kosten der ärztlichen Mitwirkung im Rettungsdienst … sowie die Kosten für die Tätigkeit der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern nach Abs. 8. Die Sozialversicherungsträger vereinbaren jeweils gesondert mit den einzelnen Durchführenden, den Betreibern der Integrierten Leitstellen sowie mit der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern deren voraussichtliche Kosten im Entgeltzeitraum. Die Kosten können als Budget vereinbart werden. …

    (6)      Kommt eine Benutzungsentgeltvereinbarung gemäß Abs. 2 oder eine Vereinbarung nach Abs. 5 nicht bis 30. November des vor dem Entgeltzeitraum liegenden Wirtschaftsjahres zustande, findet über die Höhe der voraussichtlichen Kosten und der Benutzungsentgelte ein Schiedsverfahren vor der Entgeltschiedsstelle … statt. … Eine rückwärtige Anpassung von Benutzungsentgelten erfolgt nicht.

    (7)      Aus den für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und im Krankentransport vereinnahmten Entgelten werden die mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten oder rechtskräftig festgesetzten voraussichtlichen Kosten beglichen (Einnahmeausgleich). Nach Ablauf eines Entgeltzeitraums sind von jedem Durchführenden und Betreiber einer Integrierten Leitstelle sowie der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern die tatsächlich entstandenen Kosten in einer Schlussrechnung nachzuweisen und gegenüber der Kostenvereinbarung abzurechnen (Rechnungslegung). Ergibt sich eine Differenz zwischen den tatsächlichen und den für die Kostenvereinbarung von den Sozialversicherungsträgern anerkannten voraussichtlichen Kosten, ist das Ergebnis der Rechnungslegung zum Gegenstand der nächstmöglichen Entgeltverhandlungen zu machen; dieser Ergebnisvortrag ist ausgeschlossen, wenn die Kosten des Durchführenden … oder der Zentralen Abrechungsstelle … als Budget vereinbart wurden.

    (8)      In den Vollzug der Abs. 2 bis 7 und des Art. 35 wird eine Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern eingeschaltet, die insbesondere

    1.      bei der Vereinbarung der Benutzungsentgelte gemäß Abs. 2 und bei den Vereinbarungen nach Abs. 5 beratend mitwirkt,

    2.      auf der Grundlage der voraussichtlichen Kosten der Beteiligten und der zu erwartenden Einsatzzahlen des öffentlichen Rettungsdienstes die notwendigen Benutzungsentgelte kalkuliert und diese den Beteiligten zur Vereinbarung vorschlägt; dies gilt auch für die notwendige Anpassung von Benutzungsentgelten während des laufenden Wirtschaftsjahres,

    3.      die Benutzungsentgelte für die Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes … bei den Kostenpflichtigen einzieht,

    4.      den Einnahmenausgleich durchführt,

    5.      Auszahlungen auf die … Kosten der Leistungserbringung an die Durchführenden des Rettungsdienstes … vornimmt,

    6.      die Rechnungslegung der Durchführenden … auf Plausibilität und rechnerische Richtigkeit prüft und

    7.      eine geprüfte Gesamtschlussrechnung für den öffentlichen Rettungsdienst erstellt.

    Die zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern erbringt ihre Leistungen insoweit ohne Gewinnerzielungsabsicht. Alle Beteiligten sind verpflichtet, die zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen und ihr die hierzu erforderlichen Informationen und schriftlichen Unterlagen zu geben.

    Art. 48 Schiedsstellen

    (3)      Die Entgeltschiedsstelle besteht neben dem Vorsitzenden

    1.      in Streitigkeiten über Benutzungsentgelte der Landrettung aus drei Mitgliedern für die Durchführenden der Landrettung und drei Mitgliedern für die Sozialversicherungsträger …

    (5)      … Der Vorsitzende der Entgeltschiedsstelle und seine Stellvertretung werden gemeinsam von den Durchführenden des öffentlichen Rettungsdienstes, von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, von den mit der Sicherstellung der Mitwirkung von Verlegungsärzten Beauftragten und von den Sozialversicherungsträgern bestellt.

    Art. 49 Rettungsdienstbehörden

    (1)      Behörden für den Vollzug dieses Gesetzes … sind

    1.      das Staatsministerium des Innern als oberste Rettungsdienstbehörde …

    Art. 53 Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften

    (1)      Die oberste Rettungsdienstbehörde kann durch Rechtsverordnung

    11.      die Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern bestimmen …

    …“

     Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    5        Der Rettungsdienst Stadler führte für den Zweckverband Passau in Bayern bis zum 31. Dezember 2008, dem Datum des Wirksamwerdens der Kündigung der zwischen ihnen bestehenden Verträge, Rettungsdienstleistungen durch. Gegen diese Kündigung wandte sich der Rettungsdienst Stadler mit einer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage und beantragte zusätzlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, das Vertragsverhältnis bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren fortzuführen. Beides blieb ohne Erfolg.

    6        Im Zuge dieser Verfahren teilte der Zweckverband Passau mit, dass er ohne vorherige Ausschreibung andere Unternehmen zunächst aufgrund von Interimsverträgen mit der Durchführung von Rettungsdienstleistungen beauftragen und anschließend den endgültigen Auftrag im Rahmen eines Auswahlverfahrens nach Art. 13 Abs. 3 BayRDG vergeben wolle.

    7        Der Zweckverband Passau schloss mit dem Malteser Hilfsdienst e. V. und dem Bayerischen Roten Kreuz Interimsaufträge.

    8        Der Rettungsdienst Stadler rügte das Vorgehen des Zweckverbands Passau mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 und stellte bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag, der als unzulässig verworfen wurde.

    9        Gegen diese Entscheidung legte der Rettungsdienst Stadler sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht München ein.

    10      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Frage, ob die streitgegenständlichen Rettungsdienstleistungen in Bayern als „Dienstleistungskonzession“ oder als „Dienstleistungsauftrag“ einzuordnen sind und welche rechtlichen Folgen sich aus der Einordnung ergeben. Die Einordnung hänge von der Auslegung des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 ab, der den Begriff „Dienstleistungskonzession“ definiere.

    11      Verträge über die Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen würden für das Stadtgebiet von Passau im sogenannten Konzessionsmodell zwischen einem öffentlichen Auftraggeber, dem Zweckverband Passau, und einem Dienstleistungserbringer geschlossen.

    12      Die Höhe der für diese Rettungsdienstleistungen vorgesehenen Benutzungsentgelte werde zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem ausgewählten Dienstleistungserbringer vereinbart. Nach Art. 32 Satz 2 BayRDG seien die Benutzungsentgelte anhand der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zu berechnen, die einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung, einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung sowie einer leistungsfähigen Organisation der Dienstleistung entsprächen. Die voraussichtlichen Kosten würden aus den für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und im Krankentransport vereinnahmten Entgelten beglichen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem Leistungserbringer über die Höhe dieser Entgelte könne eine Entgeltschiedsstelle angerufen werden, gegen deren Entscheidungen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.

    13      Der ausgewählte Dienstleistungserbringer erhalte sein Entgelt von einer vom Bayerischen Staatsministerium des Innern bestimmten Zentralen Abrechnungsstelle, deren Leistungen er sich zwingend bedienen müsse. Diese Zentrale Abrechnungsstelle überweise dem Dienstleistungserbringer unabhängig von den tatsächlich gefahrenen Einsätzen eine Vergütung in Form von im Voraus berechneten wöchentlichen oder monatlichen Abschlagszahlungen auf ein vorher errechnetes Gesamtentgelt pro Jahr. Stelle sich am Ende des Jahres eine Unterdeckung heraus, werde diese Gegenstand der folgenden Entgeltvereinbarung.

    14      Privatversicherte und Nichtversicherte, die nach Angaben des vorlegenden Gerichts 10 % der Schuldner ausmachen, hätten dasselbe Benutzungsentgelt wie gesetzlich Versicherte zu zahlen.

    15      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es in Deutschland noch ein weiteres Modell für Rettungsdienstleistungen gebe, nämlich das sogenannte „Submissionsmodell“. In einigen Bundesländern, wie z. B. Sachsen, erhalte der Dienstleistungserbringer seine Vergütung unmittelbar von dem für den Rettungsdienst zuständigen öffentlichen Auftraggeber. Die für den Rettungsdienst zuständigen öffentlichen Stellen vereinbarten diese Vergütung in Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern und zahlten sie dann den Rettungsdienstleistern. Dieses Modell habe der Bundesgerichtshof bereits als Dienstleistungsauftrag qualifiziert.

    16      Die Unterschiede zwischen dem Submissionsmodell in Sachsen und anderen Bundesländern und dem Konzessionsmodell in Bayern und anderen Bundesländern bestünden darin, dass im ersten Fall die gesetzlich vorgesehenen Benutzungsentgelte zwischen dem für den Rettungsdienst zuständigen öffentlichen Auftraggeber und einem anderen öffentlichen Auftraggeber (dem Sozialversicherungsträger) ausgehandelt würden und der Dienstleistungserbringer daran gebunden sei, während im zweiten Fall der Dienstleistungserbringer die Höhe des Benutzungsentgelts mit einem anderen öffentlichen Auftragnehmer (dem Sozialversicherungsträger) vereinbare.

    17      Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob allein die Wahl eines anderen Verhandlungswegs dazu führen könne, dass die Rettungsdienstleistung im einen Fall als Dienstleistungsauftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18 ausgeschrieben werden müsse und im anderen Fall die Anwendung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit der Begründung verworfen werden könne, es handle sich bei dem Vertrag um eine Dienstleistungskonzession.

    18      Zudem sei eine öffentliche Dienstleistungskonzession bei Bezahlung durch Dritte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch das Erfordernis gekennzeichnet, dass der Auftragnehmer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernehme. Gehe man somit davon aus, dass das eigentlich entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen einer Dienstleistungskonzession und einem Dienstleistungsauftrag in der Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den Auftragnehmer liege, stelle sich die Frage, ob die Übernahme eines wie auch immer gearteten Risikos genüge, wenn nur das gesamte sonst den Auftraggeber treffende Risiko übernommen werde.

    19      Diese Abgrenzung sei umso heikler, als der Dienstleistungserbringer beim Konzessionsmodell nur ein begrenztes wirtschaftliches Risiko zu tragen habe.

    20      Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht München das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.      Ist ein Vertrag über Dienstleistungen (hier: Rettungsdienstleistungen), nach dessen Inhalt eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern

    a)      im Wege von Verhandlungen zwischen dem Auftragnehmer und Dritten, die ihrerseits öffentliche Auftraggeber sind (hier: Sozialversicherungsträger), das Benutzungsentgelt für die zu erbringenden Leistungen festgesetzt wird,

    b)      im Fall einer Nichteinigung die Entscheidung einer hierfür vorgesehenen Schiedsstelle vorgesehen ist, deren Entscheidung zur Überprüfung durch staatliche Gerichte gestellt wird, und

    c)      das Entgelt nicht unmittelbar von den Nutzern, sondern von einer Zentralen Abrechnungsstelle, deren Dienste der Auftragnehmer nach dem Gesetz in Anspruch nehmen muss, in regelmäßigen Abschlagszahlungen an den Auftragnehmer ausgezahlt wird,

    allein aus diesem Grund als Dienstleistungskonzession im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 – in Abgrenzung zum Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d der Richtlinie 2004/18 – anzusehen?

    2.      Falls die erste Vorlagefrage mit Nein zu beantworten ist, liegt eine Dienstleistungskonzession dann vor, wenn das mit der öffentlichen Dienstleistung verbundene Betriebsrisiko eingeschränkt ist, weil

    a)      nach einer gesetzlichen Regelung den Benutzungsentgelten für die Leistungserbringung die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zugrunde zu legen sind, die einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung, einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung sowie einer leistungsfähigen Organisation entsprechen, und

    b)      die Benutzungsentgelte von solventen Sozialversicherungsträgern geschuldet werden,

    c)      eine gewisse Exklusivität der Nutzung in dem vertraglich festgelegten Bereich gesichert ist,

    der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko vollständig übernimmt?

     Zu den Vorlagefragen

    21      Da die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts miteinander in Zusammenhang stehen, sind sie gemeinsam zu prüfen.

    22      Zunächst ist festzustellen, dass vom Zweckverband Passau vergebene Verträge über die Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen im sogenannten „Konzessionsmodell“ geschlossen werden. Dieses Vergabemodell unterscheidet sich vom sogenannten „Submissionsmodell“, das eine Art der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2010, Kommission/Deutschland, C‑160/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 131), dadurch, dass die Vergütung beim Konzessionsmodell nicht durch den öffentlichen Auftraggeber sichergestellt wird, sondern durch die Beträge, die bei den Nutzern der Dienstleistung durch eine Zentrale Abrechnungsstelle erhoben werden. Die Benutzungsentgelte für diese Dienstleistungen werden zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem vom Zweckverband Passau ausgewählten Leistungserbringer vereinbart.

    23      Insoweit ist sogleich darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob ein Vorgang als Dienstleistungskonzession oder als öffentlicher Dienstleistungsauftrag einzustufen ist, ausschließlich anhand des Unionsrechts zu beurteilen ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C‑382/05, Slg. 2007, I‑6657, Randnr. 31, und vom 15. Oktober 2009, Acoset, C‑196/08, Slg. 2009, I‑9913, Randnr. 38).

    24      Aus dem Vergleich der Definitionen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags und der Dienstleistungskonzession in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d bzw. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 geht hervor, dass der Unterschied zwischen einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen liegt. Der Dienstleistungsauftrag umfasst eine Gegenleistung, die, wenn sie auch nicht die einzige Gegenleistung darstellt, vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C‑458/03, Slg. 2005, I‑8585, Randnr. 39, und Kommission/Italien, Randnrn. 33 und 40), während im Fall einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Eurawasser, C‑206/08, Slg. 2009, I‑8377, Randnr. 51).

    25      Im Fall eines Vertrags über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, dem in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Erfordernis einer Gegenleistung (vgl. Urteil Eurawasser, Randnr. 57).

    26      Auch wenn die Art der Vergütung somit eines der ausschlaggebenden Kriterien für die Einordnung als Dienstleistungskonzession darstellt, ergibt sich aus der Rechtsprechung darüber hinaus, dass bei einer Dienstleistungskonzession der Konzessionär das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt und dass die fehlende Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistungen verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer darauf hinweist, dass es sich bei dem betreffenden Vorgang um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handelt und nicht um eine Dienstleistungskonzession (Urteil Eurawasser, Randnrn. 59 und 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    27      Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, erfolgt im Ausgangsverfahren die Vergütung des Rettungsdienstleisters nicht durch den öffentlichen Auftraggeber, der den fraglichen Vertrag vergeben hat, sondern durch die Benutzungsentgelte, die er nach dem BayRDG bei den Sozialversicherungsträgern, deren Versicherte die Rettungsdienste in Anspruch genommen haben, oder bei Privatversicherten und Nichtversicherten, denen solche Dienstleistungen zuteil geworden sind, erheben darf.

    28      Die Tatsache, dass die Höhe der Benutzungsentgelte nicht einseitig vom Rettungsdienstleister, sondern im Wege der Vereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern festgelegt wird, die ihrerseits öffentliche Auftraggeber sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, Hans & Christophorus Oymanns, C‑300/07, Slg. 2009, I‑4779, Randnrn. 40 bis 59), und dass diese Entgelte nicht unmittelbar von den Nutzern dieser Dienstleistungen an den ausgewählten Dienstleister gezahlt werden, sondern durch eine Zentrale Abrechnungsstelle, die mit der Einziehung und Auszahlung dieser Entgelte in regelmäßigen Abschlagszahlungen beauftragt ist, hat keine Auswirkung auf diese Feststellung. Dies ändert nämlich nichts daran, dass sämtliche Entgelte, die an den Dienstleistungserbringer gezahlt werden, von Personen stammen, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag an ihn vergeben hat, verschieden sind.

    29      In einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren ist für die Annahme einer Dienstleistungskonzession im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 noch zu prüfen, ob die vereinbarte Art der Vergütung im Recht des Leistungserbringers besteht, die Dienstleistung zu verwerten, und die Übernahme des mit den fraglichen Dienstleistungen verbundenen Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer zur Folge hat. Dieses Risiko kann zwar von Beginn an erheblich eingeschränkt sein; für die Einordnung als Dienstleistungskonzession ist allerdings erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber das volle von ihm getragene Risiko oder zumindest einen wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt (vgl. in diesem Sinne Urteil Eurawasser, Randnrn. 77 und 80).

    30      Im Ausgangsverfahren hat der Zweckverband Passau den ausgewählten Dienstleistungserbringern für mehrere Jahre vollumfänglich die ihm nach Art. 4 Abs. 1 BayRDG obliegende technische, verwaltungsmäßige und finanzielle Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen übertragen.

    31      Die ausgewählten Leistungserbringer sind also damit betraut, gemäß den vertraglich und im BayRDG festgelegten Bedingungen den Rettungsdienst im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Zweckverbands Passau zu gewährleisten.

    32      Der Rettungsdienst Stadler tritt der Behauptung entgegen, wonach der Zweckverband Passau damit auch ein Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen auf die ausgewählten Leistungserbringer übertragen habe.

    33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Dienstleistungserbringer ausschließlich von Dritten vergütet wird, die Übertragung eines „erheblich eingeschränkten“ Betriebsrisikos durch den öffentlichen Auftraggeber für die Annahme einer Dienstleistungskonzession genügt (vgl. Urteil Eurawasser, Randnr. 77).

    34      Es ist nämlich üblich, dass für bestimmte Tätigkeitsbereiche, insbesondere Bereiche, die wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen, Regelungen gelten, die eine Begrenzung der wirtschaftlichen Risiken bewirken können. Insbesondere muss es den redlich handelnden öffentlichen Auftraggebern weiterhin freistehen, Dienstleistungen mittels einer Konzession erbringen zu lassen, wenn sie der Auffassung sind, dass die Erbringung der betreffenden Gemeinwohldienstleistung so am besten sicherzustellen ist, und zwar auch dann, wenn das mit der Nutzung verbundene Risiko erheblich eingeschränkt ist (Urteil Eurawasser, Randnrn. 72 und 74).

    35      In diesen Bereichen haben die öffentlichen Auftraggeber keinen Einfluss auf die öffentlich‑rechtliche Ausgestaltung der Dienstleistung und damit auf die Größe des zu übertragenden Risikos, und außerdem wäre es nicht sachgerecht, von einer Behörde, die eine Konzession vergibt, zu verlangen, dass sie für einen schärferen Wettbewerb und ein höheres wirtschaftliches Risiko sorgt, als sie in dem betreffenden Bereich aufgrund der für ihn geltenden Regelungen existieren (vgl. Urteil Eurawasser, Randnrn. 75 und 76).

    36      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorgang konkret zu beurteilen. Die Aufgabe des Gerichtshofs ist darauf beschränkt, dem nationalen Gericht eine Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die von ihm zu treffende Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienlich ist (vgl. Urteil Parking Brixen, Randnr. 32). Die konkrete Einordnung des Vertrags fällt in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts, das zu prüfen hat, ob die festgestellten Umstände die vom Gerichtshof aufgestellten allgemeinen Kriterien erfüllen.

    37      Insoweit ist zu beachten, dass das wirtschaftliche Betriebsrisiko der Dienstleistung als das Risiko zu verstehen ist, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Eurawasser, Randnrn. 66 und 67), das sich im Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, dem Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden, dem Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder dem Risiko der Haftung für einen Schaden im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistung äußern kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Oktober 2005, Contse u. a., C‑234/03, Slg. 2005, I‑9315, Randnr. 22, und Hans & Christophorus Oymanns, Randnr. 74).

    38      Hingegen sind Risiken, die sich aus einer mangelhaften Betriebsführung oder aus Beurteilungsfehlern des Wirtschaftsteilnehmers ergeben, für die Einordnung eines Vertrags als öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder als Dienstleistungskonzession nicht entscheidend, da diese Risiken jedem Vertrag immanent sind, ob es sich dabei um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder um eine Dienstleistungskonzession handelt.

    39      Im Ausgangsverfahren ist erstens zu bemerken, dass die Benutzungsentgelte nicht einseitig vom Rettungsdienstleister, sondern im Wege der Vereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern auf der Grundlage von Verhandlungen, die jährlich stattfinden müssen, festgelegt werden. Diese Verhandlungen, deren Ergebnisse nur zum Teil vorhersehbar sind, bergen das Risiko, dass der Dienstleistungserbringer möglicherweise Zwängen Rechnung tragen muss, die ihm während der Vertragslaufzeit auferlegt werden. Diese Zwänge können sich insbesondere aus der Notwendigkeit ergeben, bei den Verhandlungen oder im Schiedsverfahren bezüglich der Höhe der Benutzungsentgelte Kompromisse einzugehen.

    40      In Anbetracht der Tatsache, auf die das vorlegende Gericht selbst hinweist, dass die Sozialversicherungsträger, mit denen der ausgewählte Leistungserbringer diese Verhandlungen zu führen hat, im Hinblick auf ihre gesetzlichen Pflichten Wert darauf legen, dass die Benutzungsentgelte möglichst niedrig festgelegt werden, läuft der Dienstleistungserbringer Gefahr, dass diese Entgelte nicht ausreichen, um seine gesamten Betriebsausgaben zu decken.

    41      Der Dienstleistungserbringer kann sich gegen derartige Eventualitäten nicht schützen, indem er auf die Fortführung seiner Tätigkeit verzichtet, da zum einen die von ihm getätigten Investitionen nicht amortisiert wären und er zum anderen mit den rechtlichen Folgen seiner Entscheidung, den Vertrag vorzeitig zu kündigen, konfrontiert werden könnte. In jedem Fall besitzt ein auf Rettungsdienste spezialisiertes Unternehmen auf dem Transportmarkt nur eine beschränkte Flexibilität.

    42      Zweitens ergibt sich aus dem BayRDG, dass es nicht die vollständige Deckung der Kosten des Wirtschaftsteilnehmers gewährleistet.

    43      Übersteigen die tatsächlichen Kosten des Wirtschaftsteilnehmers in einem bestimmten Zeitraum die voraussichtlichen, der Berechnung der Benutzungsentgelte zugrunde liegenden Kosten, kann dieser Wirtschaftsteilnehmer in eine Verlustsituation geraten, die er durch eine Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln bewältigen muss. Es steht fest, dass die Nachfrage nach Rettungsdienstleistungen Schwankungen unterliegen kann.

    44      Zudem wird bei einer Differenz zwischen den tatsächlichen und den von den Sozialversicherungsträgem anerkannten voraussichtlichen Kosten das Ergebnis der Rechnungslegung lediglich zum Gegenstand der nächsten Verhandlungen gemacht, was die Sozialversicherungsträger nicht verpflichtet, ein mögliches Defizit im Folgejahr auszugleichen, und somit keine Garantie für einen vollständigen Ausgleich bedeutet.

    45      Hinzu kommt, dass, wenn die Kosten als Budget vorgesehen sind, ein Vortrag des positiven oder negativen Unternehmensergebnisses auf das Folgejahr nicht möglich ist.

    46      Drittens ist der ausgewählte Leistungserbringer in einem bestimmten Maß dem Risiko des Ausfalls der Schuldner der Benutzungsentgelte ausgesetzt. Zwar ist die überwiegende Mehrzahl der Dienstleistungsnutzer über die Sozialversicherungsträger versichert, aber ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer sind Nichtversicherte oder Privatversicherte. Zwar übernimmt die Zentrale Abrechnungsstelle es in technischer Hinsicht, die Forderungen bei den Letztgenannten einzuziehen, sie übernimmt aber weder die Verbindlichkeiten Nichtversicherter oder Privatversicherter, noch garantiert sie, dass diese die Benutzungsentgelte auch tatsächlich zahlen. Aus den dem Gerichtshof mitgeteilten Informationen geht hervor, dass die Zentrale Abrechnungsstelle nicht über die Befugnisse einer öffentlichen Stelle verfügt.

    47      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das BayRDG nach den Angaben des vorlegenden Gerichts nicht ausschließt, dass es mehreren Wirtschaftsteilnehmern gestattet wird, ihre Dienstleistungen innerhalb ein und desselben Gebiets zu erbringen. Infolgedessen hat der Zweckverband Passau im Ausgangsverfahren Verträge mit zwei Dienstleistungserbringern geschlossen.

    48      Auf die vorgelegten Fragen ist daher zu antworten, dass ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen, bei dem die Vergütung des ausgewählten Wirtschaftsteilnehmers vollumfänglich durch Personen sichergestellt wird, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag vergeben hat, verschieden sind, und dieser Wirtschaftsteilnehmer insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Höhe der Benutzungsentgelte für die betreffenden Dienstleistungen vom Ergebnis jährlicher Verhandlungen mit Dritten abhängt und er keine Gewähr für die vollständige Deckung der im Rahmen seiner nach den Grundsätzen des nationalen Rechts durchgeführten Tätigkeiten angefallenen Kosten hat, einem, wenn auch nur erheblich eingeschränkten, Betriebsrisiko ausgesetzt ist, als vertragliche „Dienstleistungskonzession“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 zu qualifizieren ist.

    49      Es ist hinzuzufügen, dass Verträge über Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts zwar von keiner der Richtlinien erfasst werden, mit denen der Unionsgesetzgeber das öffentliche Auftragswesen geregelt hat, die öffentlichen Stellen, die solche Verträge schließen, aber gleichwohl verpflichtet sind, die Grundregeln des AEU-Vertrags, insbesondere die Art. 49 AEUV und 56 AEUV, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat – an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 2010, Wall, C‑91/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

     Kosten

    50      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

    Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen, bei dem die Vergütung des ausgewählten Wirtschaftsteilnehmers vollumfänglich durch Personen sichergestellt wird, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag vergeben hat, verschieden sind, und dieser Wirtschaftsteilnehmer insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Höhe der Benutzungsentgelte für die betreffenden Dienstleistungen vom Ergebnis jährlicher Verhandlungen mit Dritten abhängt und er keine Gewähr für die vollständige Deckung der im Rahmen seiner nach den Grundsätzen des nationalen Rechts durchgeführten Tätigkeiten angefallenen Kosten hat, einem, wenn auch nur erheblich eingeschränkten, Betriebsrisiko ausgesetzt ist, als vertragliche „Dienstleistungskonzession“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie zu qualifizieren ist.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Deutsch.

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