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Document 52021SC0397

ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN BERICHT ÜBER DIE FOLGENABSCHÄTZUNG (ZUSAMMENFASSUNG) Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

SWD/2021/397 final

Brüssel, den 9.12.2021

SWD(2021) 397 final

ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

BERICHT ÜBER DIE FOLGENABSCHÄTZUNG (ZUSAMMENFASSUNG)

Begleitunterlage zum

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates

zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

{COM(2021) 762 final} - {SEC(2021) 581 final} - {SWD(2021) 395 final} - {SWD(2021) 396 final}


A. Handlungsbedarf seitens der EU

Welches Problem wird angegangen?

Einige Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, haben mit schlechten Arbeitsbedingungen und unzureichendem Zugang zu sozialem Schutz zu kämpfen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Scheinselbstständige, d. h. Personen deren Beschäftigungsstatus falsch eingestuft ist. Falsch eingestufte Personen, die über solche Plattformen arbeiten, haben weder die Rechte und den Schutz des nationalen und arbeitsrechtlichen Besitzstandes der EU noch die Autonomie und die stärkere Position auf dem Arbeitsmarkt, die viele echte Selbstständige genießen. Es gibt schätzungsweise 28 Millionen Personen, die in der EU über digitale Arbeitsplattformen arbeiten. Davon gelten 22,5 Millionen Personen als korrekt eingestuft, entweder als Arbeitnehmer oder (die große Mehrheit) als Selbstständige. Bei 5,5 Millionen der insgesamt 28 Millionen Personen besteht jedoch die Gefahr, dass sie falsch eingestuft sind. Die falsche Einstufung des Beschäftigungsstatus bei Plattformarbeit war Gegenstand von über 100 Gerichts- und 15 Verwaltungsentscheidungen in der gesamten EU.

Manche Personen sind einem gewissen Maß an Kontrolle durch die Plattformen, über die sie arbeiten, ausgesetzt, die Algorithmen verwenden, um ihnen Aufgaben zuzuweisen, sie zu überwachen, zu kontrollieren, zu bewerten und Konsequenzen zu ziehen, die sich auf sie auswirken. Dieses „algorithmische Management“ kann sich negativ auf einige ihrer Arbeitsbedingungen und das Risiko einer falschen Einstufung auswirken, da ein Untergebenenverhältnis hinter komplexen digitalen Vereinbarungen verborgen werden kann. Personen, die über Plattformen arbeiten, müssen verstehen, wie ihr Verhalten ihren Zugang zu künftigen, von den Algorithmen bestimmten möglichen Aufgaben beeinflusst. Der Zugang zu den Aufgaben hat Auswirkungen auf ihr Einkommen, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus. Daher sind die aus dem algorithmischen Management erwachsenden Herausforderungen sowohl für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für Selbstständige, die über Plattformen arbeiten, von Belang.

Schwierigkeiten bei der Durchsetzung bestehender Verpflichtungen, die durch Fragen der Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Plattformarbeit, auch in grenzüberschreitenden Situationen, bedingt sind, wirken sich auch auf die Arbeitsbedingungen und den Zugang zum Sozialschutz aus. Die nationalen Behörden haben Schwierigkeiten beim Zugang zu Daten über Plattformen und zu den Personen, die über sie arbeiten, sowie zu den Geschäftsbedingungen der Plattformen. Probleme der Rückverfolgbarkeit sind besonders relevant, wenn Plattformen grenzüberschreitend in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, sodass unklar ist, wo und von wem die Plattformarbeit ausgeführt wird. Dies sollte mit dem Ziel geschehen, die Rechtssicherheit zu verbessern, gleiche Wettbewerbsbedingungen für digitale Arbeitsplattformen und Offline-Anbieter von Dienstleistungen zu schaffen und das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der Union zu unterstützen.

Was soll mit dieser Initiative erreicht werden?

Das allgemeine Ziel, das mit dieser Initiative verfolgt wird, ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Rechte von Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, auch im Hinblick auf die Förderung der Bedingungen für ein nachhaltiges Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der Europäischen Union. Konkret zielt die Initiative darauf ab, i) sicherzustellen, dass Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, den korrekten rechtlichen Beschäftigungsstatus unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Verhältnisses zu solchen Plattformen haben oder diesen erhalten können und Zugang zu den geltenden Arbeits- und Sozialschutzrechten erhalten; ii) Fairness, Transparenz und Rechenschaftspflicht beim algorithmischen Management im Kontext der Plattformarbeit zu gewährleisten; und iii) die Transparenz, Rückverfolgbarkeit und das Bewusstsein für Entwicklungen im Bereich der Plattformarbeit zu erhöhen und die Durchsetzung der geltenden Vorschriften für alle Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, zu verbessern, einschließlich derjenigen, die grenzüberschreitend tätig sind.

Worin besteht der Mehrwert von Maßnahmen auf EU-Ebene?

EU-Maßnahmen sind notwendig, um die im Vertrag verankerten Kernziele der EU zu erreichen, nämlich die Förderung eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und des sozialen Fortschritts (Artikel 3 EUV). Nur eine EU-Initiative kann gemeinsame Regeln dafür festlegen, wie dem Risiko einer falschen Einstufung des Beschäftigungsstatus begegnet werden kann, die für alle in der EU tätigen Plattformen gelten, und gleichzeitig eine Fragmentierung der bestehenden und künftigen Regulierungsansätze für das algorithmische Management verhindern und der grenzüberschreitenden Dimension der Plattformarbeit Rechnung tragen.

B. Handlungsoptionen

Welche legislativen und nichtlegislativen Handlungsoptionen wurden in Betracht gezogen? Gibt es eine bevorzugte Option? Warum?

Bei der Folgenabschätzung wurden drei Politikbereiche berücksichtigt (A – Bekämpfung des Risikos der Falscheinstufung, B – Fragen im Zusammenhang mit dem algorithmischen Management und C – Fragen im Zusammenhang mit der Durchsetzung, Rückverfolgbarkeit und Transparenz, auch in grenzüberschreitenden Fällen), die zusammengenommen die ermittelten Herausforderungen angehen. Innerhalb dieser Politikbereiche unterschieden sich die untersuchten Handlungsoptionen in Bezug auf ihren persönlichen und/oder sachlichen Anwendungsbereich. Die Optionen, den Begriff des Arbeitnehmers zu definieren, einen dritten Beschäftigungsstatus auf EU-Ebene einzuführen oder eine „unwiderlegbare“ Beschäftigungsvermutung einzuführen, wurden bereits in einem frühen Stadium verworfen.

Im Politikbereich A (Bekämpfung des Risikos der Falscheinstufung) ist die bevorzugte Option eine widerlegbare Vermutung, die sich auf diejenigen Plattformen beschränkt, die ein bestimmtes Maß an Kontrolle ausüben. Diese Option sieht auch eine Verlagerung der Beweislast vor: Sobald die Vermutung greift, obliegt es den Plattformen, die als Arbeitgeber gelten, das Gegenteil zu beweisen, falls die Vermutung in Anspruch genommen wird. Im Politikbereich B (algorithmisches Management) ist die bevorzugte Option ein Paket von Rechten in Bezug auf Transparenz, Konsultation, menschliche Kontrolle und Rechtsmittel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige. Im Politikbereich C (Durchsetzung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit, auch in grenzüberschreitenden Situationen) ist die bevorzugte Option eine Kombination aus einer Klärung der Verpflichtung zur Anmeldung von Plattformarbeit, auch in grenzüberschreitenden Fällen, mit der Verpflichtung der Plattformen, Informationen über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Anzahl der über sie arbeitenden Personen, ihren Beschäftigungsstatus, den Sozialschutz und andere relevante Daten zu veröffentlichen.

Was die Auswahl des Rechtsinstruments betrifft, so wäre der Eckpfeiler des Pakets eine Richtlinie. Eine Richtlinie wird als das am besten geeignete, verhältnismäßigste und wirksamste Instrument angesehen, um die Ziele der Initiative zu erreichen. Sie ermöglicht verbindliche Mindestanforderungen, lässt den Mitgliedstaaten jedoch Spielraum für die Anpassung an die jeweiligen nationalen Gegebenheiten.

Wer unterstützt welche Option?

Die bevorzugte Option in den Politikbereichen A und B wird von Gewerkschaften, Vertretern von Personen, die über Plattformen arbeiten, sowie von vielen Vertretern nationaler Behörden und einigen Plattformen unterstützt. Die meisten Interessenträger schenkten den Optionen im Politikbereich C weniger Aufmerksamkeit. Die Gewerkschaften unterstützen die Verbesserung der Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Plattformarbeit über die Grenzen hinweg. Die Vertreter der nationalen Behörden befürworten eine Pflicht der Plattformen zur Veröffentlichung bestimmter Informationen, sofern diese auf Plattformen ab einer bestimmten Größe beschränkt ist. Die Arbeitgeberverbände unterstützen die Notwendigkeit, das Risiko der falschen Einstufung anzugehen, auch wenn sie der Meinung sind, dass dies auf nationaler Ebene geschehen sollte. Sie sind sich darüber einig, dass mehr Transparenz beim algorithmischen Management erforderlich ist, und haben betont, dass zu diesem Zweck die bestehenden Vorschriften berücksichtigt werden sollten. Das bevorzugte Optionspaket steht im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Thema „Gerechte Arbeitsbedingungen, Rechte und soziale Sicherung für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer“ (2019/2186(INI)).

C. Auswirkungen der bevorzugten Option

Was sind die Vorteile der bevorzugten Option?

Infolge der Maßnahmen zur Bekämpfung des Risikos der Falscheinstufung (Politikbereich A) dürften zwischen 1,7 Millionen und 4,1 Millionen Personen neu als Arbeitnehmer eingestuft werden. Damit hätten sie Zugang zu den Rechten und dem Schutz des nationalen und des arbeitsrechtlichen EU-Besitzstandes. Der Verdienst von Personen, die über Plattformen arbeiten, könnte um bis zu 484 Mio. EUR pro Jahr steigen. Neue Rechte im Zusammenhang mit dem algorithmischen Management bei der Plattformarbeit (Politikbereich B) können zu besseren Arbeitsbedingungen für 28 Millionen Personen führen. Die Meldepflicht für Plattformarbeit und die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Informationen (die bevorzugte Kombination von Optionen im Politikbereich C) werden (indirekt) die Arbeitsbedingungen, die Rechtssicherheit und die Transparenz der Unternehmen verbessern.

Wie hoch sind die Kosten der bevorzugten Option?

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos der Falscheinstufung (Politikbereich A) könnten zu jährlichen Mehrkosten für Plattformen in Höhe von 1,9 bis 4,5 Mrd. EUR führen. Unternehmen, die darauf basieren, und Verbraucher könnten einen Teil dieser Kosten tragen, je nachdem, ob und wie die Plattformen beschließen, sie an Dritte weiterzugeben. Neue Rechte im Zusammenhang mit dem algorithmischen Management (Politikbereich B) sowie die bevorzugte Kombination von Optionen zur Durchsetzung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit (Politikbereich C) sind mit vernachlässigbaren bis geringen Kosten verbunden.

Wie werden Unternehmen und KMU betroffen sein?

Nach vorsichtigen Schätzungen gibt es in der EU mehr als 500 aktive Plattformen, von denen die meisten vor Ort betrieben werden. Etwa 360 von ihnen sind KMU. KMU sehen sich möglicherweise einem unlauteren Wettbewerb durch größere Plattformen ausgesetzt und sollten daher einen Nutzen ziehen aus gleichen Wettbewerbsbedingungen.

Wird es erhebliche Auswirkungen auf die nationalen Haushalte und Behörden geben?

Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Risikos der Falscheinstufung werden den Mitgliedstaaten Mehreinnahmen von bis zu 4 Mrd. EUR pro Jahr einbringen (in Form von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern).

Wird es weitere erhebliche Auswirkungen geben?

Es werden keine weiteren erheblichen Auswirkungen erwartet.

D. Follow-up

Wann wird die Initiative überprüft?

Die Richtlinie soll 5 Jahre nach ihrem Inkrafttreten bewertet werden. Dabei würde eine zweijährige Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten berücksichtigt.

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